Erläuterungen

 

Allgemeiner Teil

Mit Urteil vom 7. Juli 2005 (Rs C-147/03, Kommission/Österreich) stellte der Europäische Gerichtshof (EuGH) fest, dass Österreich gegen seine Verpflichtungen aus dem Gemeinschaftsrecht (resultierend aus den Artikeln 12, 149 und 150 EGV) verstoßen hat, da nicht die erforderlichen Maßnahmen getroffen wurden, um sicherzustellen, „dass die Inhaberinnen und Inhaber von in anderen Mitgliedstaaten erworbenen Sekundarschulabschlüssen unter den gleichen Voraussetzungen wie die Inhaberinnen und Inhaber von in Österreich erworbenen Sekundarschulabschlüssen Zugang zum Hochschul- und Universitätsstudium in Österreich haben“.

Betroffen war die in § 36 Abs. 1 des Universitäts-Studiengesetzes (UniStG) vorgesehene und nunmehr in § 65 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002 enthaltene „besondere Universitätsreife“. Diese Bestimmung, so der EuGH, ist zwar unterschiedslos auf alle Studierenden anwendbar, ist aber geeignet, sich stärker auf Angehörige anderer Mitgliedstaaten auszuwirken als auf österreichische Staatsangehörige, sodass die damit verbundene unterschiedliche Behandlung zu einer mittelbaren Diskriminierung führt (EuGH, Rs C-147/03, Kommission/Österreich, Urteil vom 7. Juli 2005, Rdnr 47). Eine solche ist nur dann gerechtfertigt, wenn sie auf objektiven, von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängigen Erwägungen beruht und in einem angemessenen Verhältnis zu einem legitimen Zweck steht, der mit den nationalen Rechtsvorschriften verfolgt wird (EuGH, Rs C-147/03, Kommission/Österreich, Urteil vom 7. Juli 2005, Rdnr 48). Als objektive Erwägung akzeptierte der EuGH die von Österreich vorgebrachte „Wahrung der Einheitlichkeit des österreichischen Systems der Hochschul- und Universitätsausbildung“, stellte allerdings fest, dass „Österreich auf Grund fehlender empirischer Daten nicht dargetan hat, dass ohne § 36 UniStG der Bestand des österreichischen Bildungssystems im Allgemeinen und die Wahrung der Einheitlichkeit der Hochschulbildung im Besonderen gefährdet wären“ (EuGH, Rs C-147/03, Kommission/Österreich, Urteil vom 7. Juli 2005, Rdnr 66). Dem folgend erklärte er die fraglichen Rechtsvorschriften als „mit den Zielen des EG-Vertrags nicht vereinbar“.

Da aufgrund dieses Urteils des EuGH eine erhöhte Nachfrage deutscher Staatsangehöriger nach den in Deutschland vom Numerus clausus betroffenen Studien erwartet wurde, hat der Nationalrat in Durchführung dieses Urteils am 8. Juli 2005 eine Novelle zum Universitätsgesetz 2002 beschlossen. Diese Änderung des Universitätsgesetzes 2002 (BGBl. I Nr. 77/2005) ist am 29. Juli 2005 in Kraft getreten.

In § 124b Universitätsgesetz 2002 wurden die Universitäten ermächtigt, für einen Übergangszeitraum von drei Jahren, nämlich in den Studienjahren 2005/06, 2006/07 und 2007/08, den Zugang zu den acht vom deutschen Numerus clausus betroffenen Studien zu beschränken. Dabei handelt es sich um die Studien Biologie, Medizin, Pharmazie, Psychologie, Tiermedizin, Zahnmedizin, Betriebswirtschaft sowie Kommunikationswissenschaften und Publizistik. Der Zugang kann entweder durch ein Aufnahmeverfahren vor der Zulassung oder durch die Auswahl der Studierenden bis längstens zwei Semester nach der Zulassung beschränkt werden. Begründet wurde dies mit dem erwartbaren starken Anstieg der Studierendenzahlen in diesen Studien.

Die durch die Novelle des Universitätsgesetzes 2002 BGBl. I Nr. 74/2006 eingeführte “Safeguardklausel“ beinhaltet überdies eine Verordnungsermächtigung für die zuständige Bundesministerin oder den zuständigen Bundesminister zur Festlegung jener Studien (innerhalb der Gruppe der von Zugangsbeschränkungen in Deutschland betroffenen Studien), bei denen ein erhöhter Zustrom von Inhaberinnen und Inhabern nicht in Österreich ausgestellter Reifezeugnisse zu einer schwerwiegenden Störung der Homogenität des Bildungssystems führt. In diesen Studien sind 95% der jeweiligen Gesamtstudienplätze für Studienanfängerinnen und Studienanfänger EU-Bürgerinnen und EU-Bürgern sowie diesen gleichgestellten Personen vorbehalten. 75% der jeweiligen Gesamtstudienplätze für Studienanfängerinnen und Studienanfänger stehen den Inhaberinnen und Inhabern in Österreich ausgestellter Reifezeugnisse zur Verfügung. 5% der jeweiligen Gesamtstudienplätze für Studienanfängerinnen und Studienanfänger können von Bürgerinnen und Bürgern aus anderen Staaten belegt werden.

Mit Verordnung der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur vom 28. Juni 2006, BGBl. II Nr. 238 wurde festgelegt, dass im Diplomstudium Humanmedizin und im Diplomstudium Zahnmedizin an den drei Medizinischen Universitäten eine schwerwiegende Störung der Homogenität des Bildungssystems vorliegt.

Alle diese Bestimmungen sind befristet und laufen mit Ende des Jahres 2007 aus.

 

Gemäß § 124b Abs. 6 Universitätsgesetz 2002 waren die Auswirkungen dieser Bestimmungen zu evaluieren und der Bericht dem Nationalrat vorzulegen. Diese Evaluierung der Auswirkungen des § 124b des Universitätsgesetzes 2002 erfolgte in Form einer Studie der Autoren Franz Kolland und Wolfgang Morgeditsch, beide vom Institut für Soziologie der Universität Wien. Die Studie „Evaluierung der Auswirkungen des § 124b des Universitätsgesetzes 2002“ wurde zu Beginn des Jahres 2007 vorgelegt und dem Nationalrat übermittelt.

 

Die Universitäten Graz, Innsbruck, Klagenfurt, Linz, Salzburg, Wien sowie die Wirtschaftsuniversität Wien, die Veterinärmedizinische Universität Wien und die Medizinischen Universitäten Wien, Innsbruck und Graz bieten Studien an, die gemäß § 124b des Universitätsgesetzes 2002 von den deutschen Numerus- clausus-Studien betroffen waren.

 

Nicht sämtliche von diesen Universitäten haben von ihrem Recht Gebrauch gemacht, in den betroffenen Studienrichtungen ein Zulassungsverfahren gemäß § 124b des Universitätsgesetzes 2002 festzulegen. Manche jener Universitäten, die Zulassungsverfahren vorgesehen bzw. durchgeführt haben, haben dieses ausgesetzt, da die vorgesehenen Kapazitätszahlen nicht ausgeschöpft bzw. nur gering überschritten worden sind. Die Universitäten sind daher mit der vom Gesetz geschaffenen Möglichkeit, in bestimmten Fächern Zugangsbeschränkungen vorzusehen, verantwortungsbewusst und durchaus restriktiv umgegangen. Es hat sich auch gezeigt, dass allein die Ventilierung eines Zulassungsverfahrens dazu geführt hat, dass Studienwerberinnen und Studienwerber von der Aufnahme eines zugangsbeschränkbaren Studiums Abstand genommen haben und auf andere Studien ausgewichen sind.

 

Ein besonders starker Zuwachs deutscher Studierender an den Medizinischen Universitäten, der Veterinärmedizinischen Universität Wien und in der Studienrichtung Psychologie ist sichtbar geworden.

 

Nähere Details können der genanten Studie unter

http://www.parlament.gv.at/portal/page?_pageid=908,3776808&_dad=portal&_schema=PORTAL

entnommen werden.

 

Der verantwortungsvolle Umgang der Universitäten sowie die im Folgenden beschriebenen Umstände sprechen für eine Verlängerung der Bestimmung des § 124b des Universitätsgesetzes 2002.

 

Ein doppelter Abiturientenjahrgang wird in den Jahren 2007 bis 2015 in den deutschen Bundesländern Bayern, Niedersachsen, Baden Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Schleswig-Holstein sowie in Bremen, Hamburg und Berlin erwartet. Auf Grund der damit verbundenen hohen Anzahl von Abiturientinnen und Abiturienten, die in Österreich um Zulassung zu den in Deutschland beschränkten Numerus-clausus-Studien ansuchen werden, ist die Beibehaltung der bestehenden flexiblen Regelung erforderlich, um den Zahl der Zulassungen an österreichischen Universitäten steuern zu können.

 

Ein weiterer Grund für die Beibehaltung der derzeitigen Regelung ist die Tatsache, dass die Mitnahme von Stipendien aus Deutschland ins Ausland – somit auch nach Österreich – zunehmend erleichtert wurde und auf Grund der generellen Ausweitung des (deutschen) Stipendienwesens ein vorübergehender Ortswechsel somit noch attraktiver gemacht wird. Von amtlicher deutscher Seite (Deutsches Statistisches Bundesamt in Wiesbaden) wird bestätigt, dass deutsche Studierende zunehmend von ausländischen Hochschulen und Universitäten „angezogen“ werden. So waren 2005 rund 75.800 deutsche Studierende an ausländischen Universitäten „eingeschrieben“. Im Vergleich zu 2004 bedeutet dies einen Anstieg um 14%. Weitere Steigerungen sind zu erwarten. Da in den vergangenen Jahren die Bereitschaft zu Studienaufenthalten im Ausland seitens der Studierenden aus Deutschland kontinuierlich gestiegen ist, ist auch unter diesem Aspekt die Beibehaltung der derzeitigen Regelung erforderlich.

 

Insgesamt haben die Universitäten die Möglichkeit, den Zugang zu beschränken, nicht voll ausgeschöpft, und so vielen Studienwerberinnen und Studienwerbern wie möglich einen Studienplatz zur Verfügung gestellt. Der bisherige Umgang seitens der österreichischen Universitäten mit dieser Regelung kann daher als verantwortungsvoll bezeichnet werden. Die Regelung soll daher auf weitere zwei Jahre befristet werden, um in dieser Zeit die Entwicklung weiter zu beobachten.

Besonderer Teil

 

Zu Z 1. (§ 124b Abs. 1 erster Satz):

Die vorgeschlagene Regelung sieht vor, dass das Rektorat weiterhin in den von den deutschen Numerus-clausus-Studien Biologie, Medizin, Pharmazie, Psychologie, Tiermedizin, Zahnmedizin, Betriebswirtschaft sowie Kommunikationswissenschaften und Publizistik betroffenen Studien Aufnahmeverfahren oder Auswahlverfahren durchführen darf.

zu Z 2. (§ 143 Abs. 11):

Vorgeschlagen wird, dass diese Regelung bis zum 31. Dezember 2009 befristet ist.