Vorblatt

Problem:

Die aus dem Jahr 1955 stammende Sprengelregelung wird als zu starr empfunden und hindert die Länder an der Erlassung von bedarfsorientierten Regelungen.

Ziel:

Öffnung des Bereiches der Sprengelregelung für neue Gestaltungsmöglichkeiten auf Landesebene.

Inhalt/Problemlösung:

Weitgehender Entfall der bundesgrundsatzgesetzlichen Vorgaben für die Ausführungsgesetze unter Sicherstellung des Rechtes auf einen Schulplatz in zumutbarer Entfernung.

Alternativen:

Beibehaltung der derzeitigen Rechtslage.

Auswirkungen des Regelungsvorhabens:

Finanzielle Auswirkungen:

Keine.

Wirtschaftspolitische Auswirkungen:

Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich:

Höhere Flexibilität beim Besuch von öffentlichen Pflichtschulen, insbesondere die Eröffnung einer freieren Schulwahl durch die Erziehungsberechtigten, wird sich insofern positiv auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich auswirken, als berufliche und schulische Notwendigkeiten besser aufeinander abgestimmt werden können.

Auswirkungen auf die Verwaltungslasten für Unternehmen:

Es sind keine Informationsverpflichtungen für Unternehmen vorgesehen.

Auswirkungen in umweltpolitischer, konsumentenschutzpolitischer sowie sozialer Hinsicht:

Keine.

Geschlechtsspezifische Auswirkungen:

Keine.

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Die vorgesehenen Regelungen fallen nicht in den Anwendungsbereich des Rechts der Europäischen Union.

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Keine.


Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Hauptgesichtspunkte des Entwurfes:

Das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz enthält Rahmenvorgaben für die Bildung von Schulsprengel und über die Verteilung von Schulbaulasten unter Schulerhaltern. Diese Bestimmungen sind im Wesentlichen bereits in der Stammfassung des genannten Grundsatzgesetzes enthalten und entsprechen (vom Detailliertheitsgrad her) den damaligen Anschauungen an grundsatzgesetzliche Vorgaben. Vor allem sollte das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz eine scheinbar unüberschaubare Anzahl von offenbar gar nicht umfassend bekannten Einzelvorschriften aus der NS-Zeit ersetzen und auf der inhaltlichen Basis des Reichsvolksschulgesetzes von 1869 eine zeitgemäße Neuregelung des – erst später, nämlich 1962 in der Bundes-Verfassung als äußere Organisation bezeichneten Bereiches – vornehmen.

Die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage 567 dB VII. GP (vom 21.6.1955) führen unter anderem aus:

Die heutige wahre Rechtslage bezüglich der mit der Errichtung und Erhaltung der Pflichtschulen zusammenhängenden Fragen ist daher kaum erkennbar. In der Praxis ergeben sich aus diesem Mangel eindeutiger Rechtsvorschriften naturgemäß erhebliche Schwierigkeiten, die insbesondere in der Frage der Einhebung von sogenannten Gastschulbeiträgen – ein Begriff der deutschen Rechtsvorschriften – auftreten. …

Aus der somit gewonnenen Erkenntnis, daß die gegenwärtige Rechtslage auf dem Gebiete der Errichtung, Erhaltung und Auflassung der öffentlichen Pflichtschulen vollkommen undurchsichtig ist, erscheint es notwendig, dieses Gebiet des Schulrechtes, das die äußere Grundlage für das österreichische Pflichtschulwesen darstellt, einer gesetzlichen Neuordnung zuzuführen, wie dies auch in einer im Oktober 1953 im Bundesministerium für Unterricht stattgefundenen Länderenquête einmütig zum Ausdruck gebracht worden ist.

Weiters wird ausgeführt, dass „der vorliegende Entwurf eines Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetzes in großzügigem Rahmen nur solche Grundsätze vor(sieht), an denen der Bund zur Durchführung der von ihm festgelegten Schulpflicht oder aus sonstigen gesamtstaatlichen Gründen interessiert ist, während die nähere Regelung des Fragenkomplexes, der vielfach an die länderweise verschiedenen Verhältnisse gebunden ist, der Landesausführungsgesetzgebung überlassen bleiben soll.

Die damalige Absicht, nämlich einerseits Rechtssicherheit zu schaffen und andererseits sich auf das (aus der Sicht des Bundes) Notwendigste zu beschränken, vermag nichts daran zu ändern, dass die Regelungsdichte in den letzten Jahren zunehmend als zu hoch empfunden wurde. Insbesondere seitens der Länder wird beklagt, dass zeitgemäße Regelungen auf Grund der starren und bindenden Sprengelvorgaben des Bundes nicht möglich seien. Dies auch unter dem Blickwinkel zunehmender „Schnelllebigkeit“ in nahezu allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, insbesondere in den beruflichen Anforderungen an Erziehungsberechtigte. Dazu kommt, dass mit zunehmender Mobilität einer regionalen Grenzziehung (wie es Schulsprengel sind) zunehmend die Daseinsberechtigung abhanden kommt. Rasche Anpassungen an berufliche, familiäre oder andere Gegebenheiten erfordern auch räumliche Flexibilität.

Auf pädagogischer Ebene wird Schulautonomie und Profilbildung seit Jahren als zentrales Anliegen der Schulentwicklung (insgesamt, aber auch standortbezogen) forciert. Schulautonome Lehrplanbestimmungen (vgl. § 6 des Schulorganisationsgesetzes) stellen im Jahr 1993 den Beginn einer fortan sich rasch entwickelnden Qualitätsbestrebung im Schulwesen dar. Die Schulen selbst sind eingeladen, gar aufgefordert, Konzepte und Maßnahmen der Qualitätsentwicklung und -sicherung zu treffen, sodass einzelne Schulen unterschiedliche Charaktere, Profile uä. aufweisen. Dieser Umstand führt unweigerlich zu dem legitimen Bedürfnis der weitgehend freien Schulwahl durch verantwortungsvolle und an der Mitgestaltung der schulischen Bildung engagiert partizipierenden Erziehungsberechtigten. Auch hier erweisen sich starre Sprengelgrenzen gepaart mit Umlagen oder Schulerhaltungsbeiträgen primär unter Gemeinden als Schulerhalter als Hemmschuh.

Ziel des vorliegenden Entwurfes ist es daher, länderweise Gestaltungsmöglichkeiten zu eröffnen, die den regionalen Bedürfnissen vor Ort eher entsprechen, als dies eine zentrale Regelung tut. Insofern nimmt der Entwurf im Wesentlichen Regelungen zurück und versucht sich – in identer Absicht mit dem Entwurf aus 1955 – auf jene Vorschriften zu beschränken, die vor allem im Sinne der schulpflichtigen Kinder und deren Erziehungsberechtigten doch als bundesweite Anliegen betrachtet werden können.

Finanzielle Auswirkungen:

Ein dem Entwurf entsprechendes Bundesgesetz verursacht keine unmittelbaren Kostenfolgen. Es bildet die Grundlage für modernere und allenfalls auch kosteneffizientere Ausführungsgesetze der Länder. Ein legistischer Handlungsbedarf auf Landesebene wird durch vorliegenden Entwurf nicht begründet, da die derzeit geltenden landesausführungsgesetzlichen Regelungen, einschließlich die auf diesen aufbauenden Sprengelverordnungen, bestehen bleiben können.

Kompetenzrechtliche Grundlage:

Ein dem Entwurf entsprechendes Bundesgesetz gründet sich kompetenzrechtlich auf Art. 14 Abs. 3 lit. b B-VG.

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Ein dem Entwurf entsprechendes Bundesgesetz unterliegt nicht den besonderen Beschlusserfordernissen des Art. 14 Abs. 10 B-VG.

Der Gesetzentwurf unterliegt der Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden über einen Konsultationsmechanismus und einen künftigen Stabilitätspakt der Gebietskörperschaften, BGBl. I Nr. 35/1999.

Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 15 Abs. 6 B-VG ist im Hinblick auf die Nichtvornahme einer Fristsetzung für die Erlassung von Landesgesetzen nicht erforderlich.

Besonderer Teil

Zu Z 1 (Einleitung des Abschnitt I):

Da in den Bestimmungen des Abschnitt I die Vorgaben über die Sprengelbildung entfallen sollen, erscheint die Erwähnung der Sprengel im Einleitungssatz des Abschnitt I nicht erforderlich, im Gegenteil, sie wäre im Hinblick auf das Fehlen weiterer Ausführungen sogar irreführend. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Landesausführungsgesetze keine Sprengelregelungen mehr enthalten dürfen. Im Übrigen siehe die Ausführungen insbesondere zu § 13 in der Entwurfsfassung.

Zu Z 2 (§ 8):

§ 8 Abs. 2 in der derzeit geltenden Fassung enthält sehr komplexe Regelungen über die Tragung des Schulerhaltungsaufwandes durch mehrere (sog. beteiligte) Gemeinden. Er sieht im Zusammenhang mit der Verpflichtung zur Leistung von Umlagen oder Schulerhaltungsbeiträgen auch ein „Vetorecht“ (Zustimmung des Schulerhalters der sprengelmäßig zuständigen Schule) vor. Wenngleich diese detailreichen Regelungen im Grunde nicht unzweckmäßig sind, handelt es sich hierbei doch um einen genuin durch Landesgesetz zu regelnden (und dzt. auch tatsächlich geregelten) Bereich und erscheinen die bundesgrundsatzgesetzlichen Vorschriften als überschießend (gleiches gilt für Abs. 4). Vor allem ist nicht auszuschließen, dass auf Landesebene Regelungen getroffen werden können, die eine über die derzeitige Rechtslage hinausgehende Verpflichtung der Schulerhalter zu Gunsten einer höheren Wahlmöglichkeit durch die Erziehungsberechtigten vorsehen.

Die Abs. 1 und 3 des derzeit geltenden § 8 sind weiterhin von Relevanz. Gerade im Bereich des Lastenausgleiches (Abs. 3) zwischen Land – Gemeinde – Gemeindeverbänden sind den jeweiligen Landesgesetzgebern nahezu keine Grenzen gesetzt und vermag daher auch eine bundesgesetzliche Änderung keine neuen Gestaltungsmöglichkeiten für die Länder zu eröffnen.

Zu Z 3 (§ 13):

§ 13 ist die Kernbestimmung über die Sprengelbildung, die zu Gunsten einer höheren Flexibilität für zeitgerechte und den regionalen Bedürfnissen angepasste Landesausführungsgesetze entfallen soll. Lediglich das Recht jedes schulpflichtigen Kindes, in zumutbarer Entfernung einen Schulplatz gesichert zu wissen, erscheint als grundsatzgesetzliche Vorgabe unverzichtbar.

§ 13 in der Entwurfsfassung unterscheidet sich dadurch von den Bestimmungen der §§ 2 ff, dass er das schulpflichtige Kind anspricht. Insofern erfahren die Bestimmungen der §§ 2 ff, die sich ausschließlich auf die Zahl der jeweiligen Pflichtschulen und deren örtliche Lage beziehen, eine notwendige Ergänzung.

Dass die Bestimmung des § 13 überholt ist äußert sich auch darin, dass in den meisten Bundesländern das Hauptschulnetz (gegenüber 1955, als der Weiterbesuch der Oberstufe der Volksschule keine Ausnahme war) so flächendeckend ist, dass Berechtigungssprengel im Sinne des Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetzes vielfach nicht mehr bestehen. Im allgemeinen Verständnis hat sich der Begriff des Berechtigungssprengels vielfach zu dem entwickelt, was von nun an möglich sein soll, nämlich sich überschneidende Sprengel (ähnlich wie bei den Schwerpunktschulen oder bei den Polytechnischen Schulen hinsichtlich der Fachbereiche, wo schon derzeit „eigene Sprengel“, die unglücklicher Weise auch als Berechtigungssprengel bezeichnet werden, festgelegt werden können).

Die auf der Grundlage des neuen § 13 zu erlassenden Landesausführungsgesetze können durchaus wieder Sprengel vorsehen, und zwar übergreifende ebenso wie lückenlos aneinandergrenzende Sprengel. Es besteht somit insofern kein Handlungsbedarf auf landesgesetzlicher Ebene, als die derzeitigen Landesausführungsgesetze mit den derzeitigen Sprengelfestlegungen die in § 13 in der Entwurfsfassung geforderte Sicherstellung jedenfalls erfüllen. Der Rechtsanspruch eines Kindes, in eine oder mehrere Schulen aufgenommen zu werden, muss aus den Landesgesetzlichen Bestimmungen jedenfalls klar abgeleitet werden können.

Durch die Rücknahme der Regelungsdichte des § 13 soll grundsätzlich der ursprüngliche Zweck dieser Bestimmung nicht in Frage gestellt werden. Wenn die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage 567 dB VII. GP nachstehendes ausführen, so hat dies auch heute noch seine grundsätzliche Berechtigung, lediglich der Weg der Zielerreichung soll von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sein können:

Die Festsetzung von Sprengeln für öffentliche Pflichtschulen ist von zwei Gesichtspunkten aus wesentlich: einerseits soll dadurch der Schulpflichtige nach dem Territorialitätsprinzip einer zuständigen Schule, auf deren Besuch er einen Rechtsanspruch hat, zugewiesen werden, andererseits werden dadurch dem gesetzlichen Schulerhalter die Grenzen der ihm auferlegten Vorsorge für die Schule festgelegt.

Unter Aufrechterhaltung dieser Zielstellung kann ein Abgehen von den derzeitigen Sprengelfestlegungen – so dies von den Ländern gewünscht wird – ein höheres Maß an Flexibilität bei der Festlegung von Standorten und Einzugsbereichen schaffen. Es wird an den Ländern liegen, davon (im Sinne einer Öffnung) auch tatsächlich Gebrauch zu machen.

Zu Z 4 (§ 15):

Hier erfolgt lediglich eine Anpassung an das „neue“ Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51.

Zu Z 5 (§ 19 Abs. 9):

Die Flexibilisierung der Sprengelregelung soll gegenüber den Ländern mit dem Ablauf des Tages der Kundmachung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten. Eine Frist für die Erlassung von Ausführungsgesetzen ist nicht vorgesehen, da solche nicht unbedingt erlassen werden müssen und die bestehenden landesgesetzlichen Regelungen beibehalten werden können. Dies scheint insofern nicht unzweckmäßig, als bei einem Abgehen von den derzeitigen Sprengelfestlegungen Verhandlungen mit den Schulerhaltern erforderlich sein werden, deren zeitliches Ausmaß zum gegenwärtigen Zeitpunkt wohl von niemandem seriös eingeschätzt werden kann.

Die in Art. 15 Abs. 6 B-VG vorgesehene Zustimmung des Bundesrates ist daher nicht erforderlich.

Zu Z 6 und 7 (§ 21 Abs. 1 und 2):

Hier erfolgt eine Richtigstellung der Ressortbezeichnung entsprechend dem Bundesministeriengesetz 1986 in der Fassung der Bundesministeriengesetz-Novelle 2007, BGBl. I Nr. 6.