Stenographisches Protokoll

 

 

 

 

 

9. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXIII. Gesetzgebungsperiode

 

Dienstag, 16., und Mittwoch, 17. Jänner 2007

 

 


Stenographisches Protokoll

9. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXIII. Gesetzgebungsperiode

Dienstag, 16., und Mittwoch, 17. Jänner 2007

Dauer der Sitzung

Dienstag, 16. Jänner 2007: 9.05 – 24.00 Uhr
Mittwoch, 17. Jänner 2007: 0.00 –   1.04 Uhr

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Tagesordnung

Erklärung der Bundesregierung

*****

Inhalt

Nationalrat

Trauerkundgebung anlässlich des Ablebens von Bundesministerin Liese Prokop                   16

Mandatsverzicht der Abgeordneten Dr. Martin Bartenstein, Dr. Alfred Brader, Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer, Doris Bures, Mag. Norbert Darabos, Dr. Al­fred Gusenbauer, Dr. Reinhard Lopatka, Christine Marek, Dr. Chris­toph Matznetter, Mag. Wilhelm Molterer, Dr. Ursula Plassnik, Günther Platter und Heidrun Silhavy ............................................................................................................ 16

Angelobung der Abgeordneten Sonja Ablinger, Dkfm. Dr. Hannes Bauer, Michael Ehmann, Mag. Peter Eisenschenk, Mag. Peter Michael Ikrath, Ing. Norbert Kapeller, Jochen Pack, Katharina Pfeffer, Astrid Stadler, Gabriele Tamandl und Johannes Zweytick ................................................. 17

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 16

Geschäftsbehandlung

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 21

Unterbrechung der Sitzung .........................................................................  93, 185, 382


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 2

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung .........................  185, 382

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzlers Dr. Alfred Gusenbauer betreffend Amtsent­hebung der mit der Fortführung der Verwaltung betrauten Bundesregierung sowie der Staatssekretäre im Bundeskanzleramt, des Staatssekretärs im Bun­des­ministerium für auswärtige Angelegenheiten, des Staatssekretärs im Bun­des­ministerium für Finanzen, des Staatssekretärs im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz und der Staats­sekretäre im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie durch den Bun­despräsidenten .................................................................. 18

Schreiben des Bundeskanzlers Dr. Alfred Gusenbauer betreffend Ernennung seiner Person zum Bundeskanzler, von Mag. Wilhelm Molterer zum Vizekanzler und Bundesminister für Finanzen, von Dr. Ursula Plassnik zur Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten, von Dr. Claudia Schmied zur Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur, von Dr. Andrea Kdolsky zur Bundes­ministerin für Gesundheit und Frauen, von Günther Platter zum Bundesminister für Inneres, von Dr. Maria Berger zur Bundesministerin für Justiz, von Mag. Nor­bert Darabos zum Bundesminister für Landesverteidigung, von Dipl.-Ing. Josef Pröll zum Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasser­wirtschaft, von Dr. Erwin Buchinger zum Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz, von Werner Faymann zum Bundes­minister für Verkehr, Innovation und Technologie, von Dr. Martin Bartenstein zum Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, von Doris Bures zur Bundes­ministerin ohne Portefeuille, von Dr. Johannes Hahn zum Bundesminister ohne Portefeuille, von Dr. Reinhold Lopatka zum Staatssekretär und von Heidrun Silhavy zur Staatssekretärin zu seiner Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung, von Dr. Hans Winkler zum Staats­sekretär zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten, von Dr. Chris­toph Matznetter zum Staatssekretär zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung des Bundesministers für Finanzen, von Christa Kranzl zur Staatssekretärin zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung des Bundesministers für Verkehr, Inno­vation und Technologie und von Christine Marek zur Staatssekretärin zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit durch den Bundespräsidenten .................................................... 18

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 19

Unvereinbarkeitsangelegenheiten

Erster Bericht des Unvereinbarkeitsausschusses ........................................................ 20

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler, Kollegin und Kollegen an den Bun­desminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betref­fend sozialdemokratischen Vertrauensbruch in der Sozialpolitik (247/J) ....................................................................................................... 123

Begründung: Ing. Peter Westenthaler ........................................................................ 128

Bundesminister Dr. Erwin Buchinger ..................................................................... 135


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 3

Debatte:

Ursula Haubner ....................................................................................................... ... 145

Wilhelm Haberzettl ................................................................................................. ... 149

Werner Amon, MBA ............................................................................................... ... 151

Karl Öllinger ............................................................................................................ ... 153

Heinz-Christian Strache ......................................................................................... ... 155

Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer ................................................................ ... 158

Sigisbert Dolinschek .............................................................................................. ... 160

Mag. Christine Lapp ............................................................................................... ... 163

Dr. Reinhold Mitterlehner ...................................................................................... ... 165

Sabine Mandak ........................................................................................................ ... 167

Herbert Kickl ........................................................................................................... ... 169

Franz Riepl ............................................................................................................... ... 170

Mag. Birgit Schatz .................................................................................................. ... 172

Ing. Norbert Hofer ................................................................................................... ... 174

Ulrike Königsberger-Ludwig ................................................................................. ... 177

Theresia Haidlmayr ................................................................................................ ... 179

Werner Neubauer .................................................................................................... ... 180

Herbert Scheibner .................................................................................................. ... 183

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler, Kollegin und Kollegen betreffend Sanktionen für gebrochene Wahlversprechen – Ableh­nung ...............................  134, 184

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler, Kollegin und Kollegen betreffend fehlende nachhaltige Lösung der Pflegevorsorge – Ablehnung ..........................  148, 187

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend soziale Gerechtigkeit für Österreichs Studierende durch Ab­schaffung der Studienbeiträge – Ablehnung (namentliche Abstimmung) ...............................................................................................  175, 185, 354

Entschließungsantrag der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhöhung des Pflegegeldes – Ablehnung ...................................................................................  182, 187

Verhandlungen

Erklärung der Bundesregierung ..................................................................................... 21

Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer ..................................................................... 22

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 81 der Geschäftsordnung .......... 21

Redner/Rednerinnen:

Dr. Alexander Van der Bellen ................................................................................ ..... 37

Dr. Josef Cap ........................................................................................................... ..... 43

Heinz-Christian Strache ......................................................................................... ..... 49

Dr. Wolfgang Schüssel .......................................................................................... ..... 54

Ing. Peter Westenthaler .......................................................................................... ..... 57

Vizekanzler Mag. Wilhelm Molterer ...................................................................... ..... 77

Dr. Eva Glawischnig-Piesczek .............................................................................. ..... 84

Renate Csörgits ...................................................................................................... ..... 88

Barbara Rosenkranz ............................................................................................... ..... 91

Fritz Neugebauer .................................................................................................... ..... 95

Herbert Scheibner .................................................................................................. ..... 97

Bundesministerin Dr. Ursula Plassnik ................................................................. ... 103

Bundesminister Mag. Norbert Darabos ............................................................... ... 104


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 4

Dr. Kurt Grünewald ................................................................................................ ... 106

Dr. Caspar Einem ................................................................................................... ... 108

Mag. Ewald Stadler ................................................................................................. ... 109

Maria Rauch-Kallat ................................................................................................. ... 111

Josef Bucher ........................................................................................................... ... 113

Bundesminister Dr. Erwin Buchinger .................................................................. ... 115

Bundesminister Dipl.-Ing. Josef Pröll .................................................................. ... 117

Mag. Brigid Weinzinger .......................................................................................... ... 119

Mag. Kurt Gaßner ................................................................................................... ... 120

Herbert Kickl ........................................................................................................... ... 122

Fritz Grillitsch .......................................................................................................... ... 188

Mag. Gernot Darmann ........................................................................................... ... 189

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein ............................................................... ... 190

Bundesminister Werner Faymann ....................................................................... ... 192

Dr. Ruperta Lichtenecker ....................................................................................... ... 194

Kurt Eder ................................................................................................................. ... 195

Bernhard Themessl ................................................................................................ ... 197

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll ................................................................................ ... 198

Veit Schalle .............................................................................................................. ... 200

Bundesministerin Dr. Maria Berger ..................................................................... ... 201

Bundesminister Günther Platter .......................................................................... ... 203

Mag. Terezija Stoisits ............................................................................................. ... 205

Rudolf Parnigoni ..................................................................................................... ... 207

Dr. Peter Fichtenbauer ........................................................................................... ... 208

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ............................................................................. ... 209

Sigisbert Dolinschek .............................................................................................. ... 210

Bundesministerin Dr. Andrea Kdolsky ................................................................ ... 212

Bundesministerin Doris Bures ............................................................................. ... 213

Mag. Ulrike Lunacek ............................................................................................... ... 215

Dr. Caspar Einem (tatsächliche Berichtigung) ....................................................... ... 217

Dr. Sabine Oberhauser .......................................................................................... ... 217

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein .................................................................... ... 218

Jakob Auer .............................................................................................................. ... 220

Ursula Haubner ....................................................................................................... ... 221

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied .............................................................. ... 223

Bundesminister Dr. Johannes Hahn .................................................................... ... 224

Mag. Bruno Rossmann .......................................................................................... ... 226

Josef Broukal .....................................................................................................  228, 381

Dieter Brosz (tatsächliche Berichtigung) .................................................................... 229

Mag. Dr. Martin Graf ............................................................................................... ... 230

Dr. Gertrude Brinek ................................................................................................ ... 233

Mag. Dr. Gabriela Moser ........................................................................................ ... 234

Mag. Gisela Wurm .................................................................................................. ... 236

Dr. Reinhard Eugen Bösch .................................................................................... ... 328

Karl Donabauer ....................................................................................................... ... 330

Sabine Mandak ........................................................................................................ ... 331

Dr. Peter Wittmann ................................................................................................. ... 332

Leopold Mayerhofer ............................................................................................... ... 333

Dr. Peter Sonnberger ............................................................................................. ... 335

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ...................................................................................... ... 336

Mag. Elisabeth Grossmann ................................................................................... ... 337

Dr. Gerhard Kurzmann .......................................................................................... ... 338

Franz Glaser ............................................................................................................ ... 339

Michaela Sburny ......................................................................................................... 340

Kai Jan Krainer ........................................................................................................... 341

Theresia Haidlmayr .................................................................................................... 343


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 5

Dipl.-Ing. Klaus Hubert Auer ................................................................................. ... 344

Dieter Brosz ............................................................................................................. ... 345

Gabriele Heinisch-Hosek ....................................................................................... ... 347

Mag. Birgit Schatz .................................................................................................. ... 348

Silvia Fuhrmann ...................................................................................................... ... 349

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ........................................................................ ... 350

Anton Gaál ............................................................................................................... ... 352

Barbara Zwerschitz ................................................................................................ ... 353

Karl Freund .............................................................................................................. ... 354

Bettina Hradecsni ................................................................................................... ... 355

Alexander Zach ....................................................................................................... ... 356

August Wöginger .................................................................................................... ... 358

DDr. Erwin Niederwieser ....................................................................................... ... 359

Wolfgang Großruck ................................................................................................ ... 360

Mag. Christine Muttonen ....................................................................................... ... 361

Franz Eßl .................................................................................................................. ... 362

Dr. Johannes Jarolim ............................................................................................. ... 363

Thomas Einwallner ................................................................................................. ... 364

Dr. Elisabeth Hlavac ............................................................................................... ... 365

Gabriel Obernosterer ............................................................................................. ... 366

Dr. Günther Kräuter ............................................................................................... ... 366

Adelheid Irina Fürntrath ......................................................................................... ... 367

Marianne Hagenhofer ............................................................................................. ... 368

Konrad Steindl ........................................................................................................ ... 369

Mag. Christine Lapp ............................................................................................... ... 369

Walter Murauer ....................................................................................................... ... 370

Mag. Andreas Schieder .......................................................................................... ... 371

Mag. Ruth Becher ................................................................................................... ... 372

Ing. Kurt Gartlehner ................................................................................................ ... 373

Mag. Johann Maier ................................................................................................. ... 373

Petra Bayr ................................................................................................................ ... 374

Elmar Mayer ............................................................................................................ ... 375

Mag. Melitta Trunk .................................................................................................. ... 376

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................ ... 377

Karl Dobnigg ........................................................................................................... ... 378

Gerhard Steier ......................................................................................................... ... 379

Karl Öllinger ............................................................................................................ ... 379

Mag. Johann Maier (tatsächliche Berichtigung) ........................................................ 381

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Abschaffung der Studiengebühren – Ablehnung (namentliche Abstimmung)  42, 382

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Zurück in die Zukunft“ – Fortsetzung des Erfolgskurses der letzten sieben Jahre statt Stillstands-, Belastungs- und Plattitüdenpolitik – Ablehnung ....................................................  64, 384

Entschließungsantrag der Abgeordneten Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vollziehung durch den Bundesminister für Landes­verteidi­gung gemäß seiner verfassungsmäßigen Aufgaben – Ablehnung .........................................................................................  101, 384

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend dringende Klimaschutz-Maßnahmen im Bereich Verkehr – Ablehnung .............  235, 384


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 6

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Dr. Wolfgang Schüssel, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterstützung und Umsetzung des Regierungsprogramms – Annahme (E 8)           238, 385

Eingebracht wurden

Petitionen ...................................................................................................................... 19

Petition betreffend „Sicher zur Schule – ein Sitzplatz und ein Gurt für jedes Kind im Kindergarten- und Schulbus“ (Ordnungsnummer 3) (überreicht vom Abge­ordneten Gerhard Steier)

Petition betreffend „Gegen die Demontage von Postkästen durch die Post AG und für die Novellierung des Postgesetzes zur flächendeckenden Sicherstellung der Österreicherinnen und Österreicher mit Postdienstleistungen“ (Ordnungs­nummer 4) (überreicht von den Abgeordneten Anton Heinzl und Beate Schasching)

Petition betreffend „Der Einbringung einer zusätzlichen gesetzlichen Bestimmung zum bestehenden Ökostromgesetz“ (Ordnungsnummer 5) (überreicht vom Abge­ordneten Christian Füller)

Bürgerinitiative ............................................................................................................ 19

Bürgerinitiative betreffend „Sonntagsöffnung“ (Ordnungsnummer 4)

Berichte ......................................................................................................................... 20

III-7: Bericht gemäß Art. 1 § 8 Bezügebegrenzungsgesetz für die Jahre 2004 und 2005; Rechnungshof

III-8: Bericht, Reihe Bund 2006/12; Rechnungshof

III-12: 29. Bericht (1. Jänner bis 31. Dezember 2005); Volksanwaltschaft

III-14: Gesundheitsbericht 2006 (Berichtszeitraum 2002–2004); BM f. Gesundheit und Frauen

III-15: Kulturbericht 2005; BM f. Bildung, Wissenschaft und Kultur

III-16: Bericht betreffend die Jahresberichte 2004 und 2005 der Beschwerde­kommission in militärischen Angelegenheiten und Stellungnahme des Bundes­ministers für Landesverteidigung; BM f. Landesverteidigung

III-17: Bericht betreffend Fortschreibung des Dreijahresprogramms der Ös­terreichischen Entwicklungspolitik 2006 bis 2008; BM f. auswärtige Angele­genheiten

III-18: Bericht betreffend die auf der 92. Tagung der Internationalen Arbeits­konferenz angenommene Empfehlung (Nr. 195) über die Entwicklung der Humanressourcen: Bildung, Ausbildung und lebenslanges Lernen; Bundes­regierung

Anträge der Abgeordneten

Bettina Hradecsni, Kolleginnen und Kollegen betreffend Problem fiktiver negativer Sparzinsen (88/A)(E)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 7

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung der Verein­barung gemäß Art. 15a B-VG über gemeinsame Maßnahmen des Bundes und der Länder für pflegebedürftige Personen aus dem Jahr 1993 (89/A)(E)

Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kärntner Ortstafeln (90/A)(E)

Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ratifizierung des 12. Zusatzprotokolles zur EMRK (91/A)(E)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beseitigung der Ungleich­behandlung im Bereich Rehabilitation (92/A)(E)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Anschaffung von DVDs des Films „Eine unbequeme Wahrheit“ für Österreichs Schulen (93/A)(E)

Dr. Josef Cap, Fritz Neugebauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (94/A)

Dr. Josef Cap, Dr. Wolfgang Schüssel, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird (Bundes­minis­teriengesetz-Novelle 2007) (95/A)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend „Angemessene“ Honorare bei der Vermittlung von Profifußballern (206/J)

Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Schaffung einer Entwicklungsbank in der AWS und damit Verschiebung von Personalkosten – Entwicklungshilfe für die AWS? (207/J)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 8

Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Schaffung einer Entwicklungsbank in der AWS und damit Verschiebung von Personalkosten – Entwicklungshilfe für die AWS? (208/J)

Mag. Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend illegales Glückspiel in Österreich (209/J)

Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Verschmutzung des Flusses Raab (210/J)

Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit und Frauen betreffend Daten zu Gebärmutterentfernung und Eierstockentfernung in Österreich (211/J)

Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Verschmutzung des Flusses Raab (212/J)

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Frauen bei den Wiener Philharmonikern (213/J)

Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für aus­wärtige Angelegenheiten betreffend den illegalen Handel mit Sichtvermerk (214/J)

Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für aus­wärtige Angelegenheiten betreffend Schließung der österreichischen Botschaft in Guatemala (215/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Auflagen zur Exportförderung für das Projekt Ilisu Staudamm (216/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Jubelbroschüre des Vizekanzlers (217/J)

Sabine Mandak, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Funktionieren und Finanzierung der Besuchsbegleitung (218/J)

Sabine Mandak, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Funktionieren und Finanzierung der Besuchsbegleitung (219/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit und Frauen betreffend „Korruptionsverdacht gegen Ärzte und Pharmafirmen in Österreich?“ (220/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend „Ärzte und Pharmafirmen – Korruptionsverdacht in Österreich?“ (221/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend „Abfrageberechtigte nach dem Meldegesetz“ (222/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend „Bekämpfung von Spam-Mails“ (223/J)

Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Audit Familie & Beruf (224/J)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 9

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Erfüllung der Behinderteneinstellungspflicht 2006 (225/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Erfüllung der Behinderteneinstellungspflicht 2006 (226/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Erfüllung der Behinderteneinstellungspflicht 2006 (227/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit und Frauen betreffend Erfüllung der Behinderteneinstellungspflicht 2006 (228/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Erfüllung der Behinderteneinstellungspflicht 2006 (229/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Erfüllung der Behinderteneinstellungspflicht 2006 (230/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung betreffend Erfüllung der Behinderteneinstellungspflicht 2006 (231/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Erfüllung der Behinderten­einstellungspflicht 2006 (232/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Erfüllung der Behinder­teneinstellungspflicht 2006 (233/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Erfüllung der Behinderteneinstellungs­pflicht 2006 (234/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Erfüllung der Behinderteneinstellungspflicht 2006 (235/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Erfüllung der Behinderteneinstellungspflicht 2006 (236/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Erfüllung der Behin­derten­einstellungspflicht 2006 (237/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Erfüllung der Behin­derteneinstellungspflicht 2006 (238/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Erfüllung der Behinder­teneinstellungspflicht 2006 (239/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Erfüllung der Behinder­teneinstellungspflicht 2006 (240/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Erfüllung der Behinder­teneinstellungspflicht 2006 (241/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Erfüllung der Behinder­teneinstellungspflicht 2006 (242/J)

Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissen­schaft und Kultur betreffend Kosten für die Senkung der KlassenschülerInnen­höchst­zahl (243/J)

Barbara Zwerschitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend betriebliche Engpässe bei den ÖBB durch mangelhaftes Personalmanagement (244/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit und Frauen betreffend „Meldedatenbanken“, „Zwangsverheiratung“ und „Genital­verstümmelung“ (245/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend „Ärzte und Pharmafirmen – Korruptionsverdacht?“ (246/J)

Ing. Peter Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend sozialdemokratischen Vertrauensbruch in der Sozialpolitik (247/J)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 10

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Ausländerkriminalität in Wels – veröffentlichte Daten via „Welser Rund­schau“ (248/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend „Sicherheitsanforderungen bei Produkten, Maschinen, Geräten, Ausrüstungen oder deren Teile – Behördliche Maßnahmen“ (249/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend „Rückrufe von unsiche­ren (oder gefährlichen) Konsumgütern (Produkten)“ (250/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Meldedatenbanken „Zwangsverheiratung“ und „Genitalverstümmelung“ (251/J)

Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend die Kommission für Provenienzforschung im Bundesdenkmalamt und die Provenienzforschung an den ehemaligen Bundesmuseen (252/J)

Dr. Reinhard Eugen Bösch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend der Ernennung eines Zivildieners zum Bundesminister für Landes­verteidigung (253/J)

Sigisbert Dolinschek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung betreffend die Ankündigung des Bundesministers für Landesverteidigung einen Ausstieg aus dem Eurofightervertrag anzustreben (254/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend „Happy Slapping“ (255/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Flughafen Wien II (256/J)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (6/AB zu 53/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen (7/AB zu 8/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (8/AB zu 43/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (9/AB zu 2/J)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 11

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen (10/AB zu 10/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (11/AB zu 22/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (12/AB zu 58/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen (13/AB zu 59/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen (14/AB zu 36/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Elisabeth Hlavac, Kolleginnen und Kollegen (15/AB zu 52/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen (16/AB zu 18/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (17/AB zu 24-35/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (18/AB zu 41/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen (19/AB zu 6/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Mag. Hubert Kuzdas, Kolleginnen und Kollegen (20/AB zu 67/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen (21/AB zu 12/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (22/AB zu 46/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Bettina Hradecsni, Kolleginnen und Kollegen (23/AB zu 14/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (24/AB zu 47/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolle­ginnen und Kollegen (25/AB zu 15/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolle­ginnen und Kollegen (26/AB zu 20/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen (27/AB zu 5/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen (28/AB zu 19/J)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 12

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (29/AB zu 3/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen (30/AB zu 16/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen (31/AB zu 17/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (32/AB zu 23/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (33/AB zu 44/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (34/AB zu 125/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen (35/AB zu 13/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (36/AB zu 7/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (37/AB zu 50/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (38/AB zu 54/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (39/AB zu 39/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (40/AB zu 42/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen (41/AB zu 38/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (42/AB zu 48/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (43/AB zu 49/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (44/AB zu 51/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (45/AB zu 55/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (46/AB zu 89/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen (47/AB zu 73/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen (48/AB zu 81/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen (49/AB zu 82/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (50/AB zu 91/J) 


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 13

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Fichtenbauer, Kolle­ginnen und Kollegen (51/AB zu 74/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (52/AB zu 84/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ewald Stadler, Kolle­ginnen und Kollegen (53/AB zu 108/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen (54/AB zu 122/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (55/AB zu 130/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen (56/AB zu 155/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Fritz Grillitsch, Kolleginnen und Kollegen (57/AB zu 56/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen (58/AB zu 64/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (59/AB zu 57/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Sabine Oberhauser, Kolleginnen und Kollegen (60/AB zu 65/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (61/AB zu 88/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen (62/AB zu 137/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (63/AB zu 86/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (64/AB zu 90/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen (65/AB zu 97/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Bettina Stadlbauer, Kolleginnen und Kollegen (66/AB zu 118/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Fichtenbauer, Kolleginnen und Kollegen (67/AB zu 75/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (68/AB zu 87/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen (69/AB zu 96/J)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 14

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Bettina Stadlbauer, Kolleginnen und Kollegen (70/AB zu 117/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen (71/AB zu 127/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Michaela Sburny, Kolleginnen und Kollegen (72/AB zu 139/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen (73/AB zu 157/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen (74/AB zu 167/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Franz Riepl, Kolleginnen und Kollegen (75/AB zu 197/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen (76/AB zu 204/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen (77/AB zu 61/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Mag. Hubert Kuzdas, Kolleginnen und Kollegen (78/AB zu 71/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Fichtenbauer, Kolleginnen und Kollegen (79/AB zu 78/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Mag. Hubert Kuzdas, Kolleginnen und Kollegen (80/AB zu 100/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen (81/AB zu 106/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen (82/AB zu 114/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen (83/AB zu 121/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen (84/AB zu 128/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (85/AB zu 132/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Ridi Steibl, Kolleginnen und Kollegen (86/AB zu 60/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Fichtenbauer, Kolleginnen und Kollegen (87/AB zu 77/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (88/AB zu 93/J)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 15

der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen (89/AB zu 105/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen (90/AB zu 107/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen (91/AB zu 182/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Fichtenbauer, Kolleginnen und Kollegen (92/AB zu 76/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen (93/AB zu 103/J)


09.05.05


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 16

Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Mag. Barbara Prammer, Zweiter Präsident Dr. Michael Spindelegger, Dritte Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek.

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Die Sitzung ist eröffnet.

Ich begrüße recht herzlich den Herrn Bundespräsidenten, der unter uns weilt. (Allgemeiner Beifall.)

Meine Damen und Herren! Ich darf Sie bitten, sich von Ihren Sitzen zu erheben. (Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.)

09.05.31Trauerkundgebung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Am Silvestertag ist Frau Bundesministerin Liese Prokop für alle vollkommen überraschend verstorben. Sie war eine Frau, die vieles bewegt hat – als Sportlerin, als Politikerin. Wir alle erinnern uns gerne an ihre großen und großartigen sportlichen Erfolge.

Sportlich hatte sie sich dem Fünfkampf verschrieben. Fünfkampf ist ein Sport, in dem sie ihr Können kontinuierlich und vielfältig beweisen musste. – Das gilt auch für die Politik. Frau Bundesministerin Liese Prokop ging dort bis zum Schluss ihren Weg.

Wir alle kennen diesen langen erfolgreichen Weg bis hin zum Dezember 2004, als Liese Prokop als erste Frau in das Amt der Innenministerin berufen wurde. In dieser Funktion hat sie bis zuletzt bei den Koalitionsgesprächen mitverhandelt.

Unser Mitgefühl gilt vor allem der Familie von Liese Prokop.

Ich bitte Sie, in dieser Minute Frau Bundesministerin Liese Prokop zu gedenken. (Die Anwesenden verharren einige Zeit in stiller Trauer.)

Ich danke Ihnen. (Die Anwesenden nehmen ihre Plätze wieder ein.)

*****

Die Amtlichen Protokolle der 6. und 7. Sitzung vom 14. Dezember 2006 sowie der 8. Sitzung vom 15. Dezember 2006 sind in der Parlamentsdirektion aufgelegen und unbeanstandet geblieben.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Mag. Kuzdas und Rudas.

09.07.28Mandatsverzicht und Angelobung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Von der Bundeswahlbehörde sind die Mit­teilun­gen eingelangt, dass die Abgeordneten Dr. Martin Bartenstein, Dr. Alfred Brader, Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer, Doris Bures, Mag. Norbert Darabos, Dr. Alfred Gusenbauer, Dr. Reinhold Lopatka, Christine Marek, Dr. Christoph Matznetter, Mag. Wilhelm Molterer, Dr. Ursula Plassnik, Günther Platter und Heidrun Silhavy auf ihre Mandate verzichtet haben.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 17

Anstelle des Abgeordneten Dr. Martin Bartenstein wurde der Abgeordnete Johannes Zweytick, anstelle des Abgeordneten Dr. Alfred Brader der Abgeordnete Mag. Peter Eisenschenk und anstelle der Abgeordneten Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer der Abgeordnete Mag. Peter Michael Ikrath in den Nationalrat berufen.

Das Mandat der Abgeordneten Doris Bures wurde der Abgeordneten Laura Rudas und das frei gewordene Mandat des Abgeordneten Mag. Norbert Darabos der Abgeord­neten Katharina Pfeffer zugewiesen.

Das durch den Verzicht des Herrn Bundeskanzlers Dr. Alfred Gusenbauer frei gewor­dene Mandat wurde der Abgeordneten Gabriele Binder-Maier und deren Mandat wurde Herrn Dkfm. Dr. Hannes Bauer zugewiesen.

Das frei gewordene Mandat des Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka erhielt der Abgeordnete Jochen Pack, das frei gewordene Mandat der Abgeordneten Christine Marek die Abgeordnete Gabriele Tamandl und jenes des Abgeordneten Dr. Christoph Matznetter die Abgeordnete Sonja Ablinger.

Das durch den Verzicht des Herrn Vizekanzlers Mag. Wilhelm Molterer frei gewordene Mandat wurde dem Abgeordneten Dr. Reinhold Mitterlehner und dessen Mandat wurde dem Abgeordneten Ing. Norbert Kapeller zugewiesen.

Weiters wurde auf das frei gewordene Mandat des Abgeordneten Günther Platter die Abgeordnete Astrid Stadler und anstelle der Abgeordneten Heidrun Silhavy der Abgeordnete Michael Ehmann in den Nationalrat berufen.

Da die Wahlscheine bereits vorliegen und die Genannten im Hause anwesend sind, werde ich sogleich ihre Angelobung vornehmen. Da Frau Abgeordnete Rudas für den heutigen Tag entschuldigt ist, wird deren Angelobung zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel und über Namensaufruf durch die Schriftführerin werden die neuen Mandatare/Mandatarinnen ihre Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten haben.

Ich ersuche nunmehr Frau Schriftführerin Dr. Fekter um die Verlesung der Gelöb­nisformel und den Namensaufruf.

 


9.10.03

Schriftführerin Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: „Sie werden geloben unver­brüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfas­sungsgesetze und aller anderen Gesetze und gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

Über Namensaufruf durch die Schriftführerin Dr. Fekter leisten die nachstehend angeführten Abgeordneten die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“:

Sonja Ablinger, Dkfm. Dr. Hannes Bauer, Michael Ehmann, Mag. Peter Eisen­schenk, Mag. Peter Michael Ikrath, Ing. Norbert Kapeller, Jochen Pack, Katharina Pfeffer, Astrid Stadler, Gabriele Tamandl und Johannes Zweytick.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich begrüße die neuen Abgeordneten herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

09.11.13Einlauf

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Vom Bundeskanzler ist folgendes Schreiben eingelangt:


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 18

„Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Ich beehre mich mitzuteilen, dass der Herr Bundespräsident mit Entschließung vom 11. Jänner 2007, ..., die mit der Führung der Verwaltung betraute Bundesregierung sowie die Staatssekretäre im Bundeskanzleramt, den Staatssekretär im Bundesminis­terium für auswärtige Angelegenheiten, den Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen, den Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Gene­rationen und Konsumentenschutz und die Staatssekretäre im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie vom Amt enthoben hat.

Mit besten Grüßen“

*****

Ich benutze diese Gelegenheit, den ausscheidenden Mitgliedern der Bundesregierung sowie den Staatssekretären ein herzliches Wort des Dankes und der Anerkennung für ihre Tätigkeit im Dienste der Republik Österreich zum Ausdruck zu bringen.

*****

Weiters liegt ein Schreiben des Bundeskanzlers betreffend die Ernennung der Mit­glieder der neuen Bundesregierung vor:

„Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Ich beehre mich mitzuteilen, dass der Herr Bundespräsident mit Entschließung vom 11. Jänner 2007, ..., mich gemäß Artikel 70 Absatz 1 Bundes-Verfassungsgesetz zum Bundeskanzler ernannt hat.

Weiters hat der Herr Bundespräsident gemäß Artikel 70 Absatz 1 Bundes-Verfas­sungsgesetz auf meinen Vorschlag Herrn Mag. Wilhelm Molterer zum Vizekanzler und zum Bundesminister für Finanzen, Frau Dr. Ursula Plassnik zur Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten, Frau Dr. Claudia Schmied zur Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Frau Dr. Andrea Kdolsky zur Bundesministerin für Gesundheit und Frauen, Herrn Günther Platter zum Bundesminister für Inneres, Frau Dr. Maria Berger zur Bundesministerin für Justiz, Herrn Mag. Norbert Darabos zum Bundesminister für Landesverteidigung, Herrn Dipl.-Ing. Josef Pröll zum Bundes­minister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, Herrn Dr. Erwin Buchinger zum Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumen­tenschutz, Herrn Werner Faymann zum Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie, Herrn Dr. Martin Bartenstein zum Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit sowie gemäß Artikel 70 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 78 Absatz 1 Bundes-Verfassungsgesetz Frau Doris Bures zur Bundesministerin ohne Portefeuille und Herrn Dr. Johannes Hahn zum Bundesminister ohne Portefeuille ernannt.

Ferner hat der Herr Bundespräsident gemäß Artikel 70 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 78 Absatz 2 Bundes-Verfassungsgesetz Herrn Dr. Reinhold Lopatka zum Staatssekretär und Frau Heidrun Silhavy zur Staatssekretärin ernannt und mir zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung beige­geben, Herrn Dr. Hans Winkler zum Staatssekretär ernannt und ihn zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten beigegeben, Herrn Dr. Christoph Matznetter zum Staats­sekretär ernannt und ihn zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung dem Bundesminister für Finanzen beigegeben, Frau Christa Kranzl zur Staatssekretärin ernannt und sie zur Unterstützung in der Ge­schäfts­führung und zur parlamentarischen Vertretung dem Bundesminister für Verkehr,


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 19

Innovation und Technologie beigegeben sowie Frau Christine Marek zur Staats­sekretärin ernannt und sie zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung dem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit beige­geben.“

*****

Ich wünsche allen Mitgliedern der Bundesregierung sowie den Staatssekretären den besten Erfolg für ihre Arbeit im Dienste der Republik Österreich!

Einlauf und Zuweisungen

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungs­gegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäfts­ordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 206/J bis 246/J;

2. Anfragebeantwortungen: 6/AB bis 93/AB.

B. Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Petition Nr. 3 betreffend „Sicher zur Schule – ein Sitzplatz und ein Gurt für jedes Kind im Kindergarten- und Schulbus“, überreicht vom Abgeordneten Gerhard Steier,

Petition Nr. 4 betreffend „Gegen die Demontage von Postkästen durch die Post AG und für die Novellierung des Postgesetzes zur flächendeckenden Sicherstellung der Österreicherinnen und Österreicher mit Postdienstleistungen“, überreicht von den Abgeordneten Anton Heinzl und Beate Schasching,

Petition Nr. 5 betreffend „Der Einbringung einer zusätzlichen gesetzlichen Bestimmung zum bestehenden Ökostromgesetz“, überreicht vom Abgeordneten Christian Füller,

Bürgerinitiative Nr. 4 betreffend „Sonntagsöffnung“;

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Antrag 85/A(E) der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erstellung einer Studie über die Kostenwahrheit der Zuwanderung und die Auswirkungen auf den Sozialstaat;

Justizausschuss:

Antrag 86/A(E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ersatz von Vertretungskosten (Verteidigungskosten) bei Freisprüchen;


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Rechnungshofausschuss:

Bericht des Rechnungshofes gemäß Art. 1 § 8 Bezügebegrenzungsgesetz für die Jahre 2004 und 2005 (III-7 d.B.),

Bericht des Rechnungshofes, Reihe Bund 2006/12 (III-8 d.B.);

Verkehrsausschuss:

Antrag 87/A(E) der Abgeordneten Sigisbert Dolinschek, Dipl.-Ing. Karlheinz Klement, Dipl.-Ing. Hannes Missethon, Kurt Eder, Kolleginnen und Kollegen betreffend Errich­tung der Koralmbahn;

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Bericht der Bundesregierung betreffend die auf der 92. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz angenommene Empfehlung (Nr. 195) über die Entwicklung der Humanressourcen: Bildung, Ausbildung und lebenslanges Lernen (III-18 d.B.);

Außenpolitischer Ausschuss:

Bericht der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Fort­schrei­bung des Dreijahresprogramms der Österreichischen Entwicklungspolitik 2006 bis 2008 (III-17 d.B.);

Gesundheitsausschuss:

Gesundheitsbericht 2006 der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen (Berichtszeitraum 2002–2004) (III-14 d.B.);

Kulturausschuss:

Kulturbericht 2005 der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur (III-15 d.B.);

Landesverteidigungsausschuss:

Bericht des Bundesministers für Landesverteidigung betreffend die Jahres­be­richte 2004 und 2005 der Beschwerdekommission in militärischen Angelegenheiten und Stellungnahme des Bundesministers für Landesverteidigung (III-16 d.B.);

Volksanwaltschaftsausschuss:

29. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2005) (III-12 d.B.).

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weiters gebe ich bekannt, dass der Erste Bericht des Unvereinbarkeitsausschusses an alle Mitglieder des Nationalrates verteilt wurde.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der Parlamentsklub des BZÖ hat gemäß § 93 Abs. 2 der Geschäftsordnung das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tages­ordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 247/J der Abgeordneten Ing. Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen


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und Konsumentenschutz betreffend sozialdemokratischen Vertrauensbruch in der Sozialpolitik dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird die Dringliche Anfrage um 15 Uhr behandelt wer­den.

Wir gehen nun in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: In der Präsidialkonferenz wurde für diese Sitzung Konsens über eine Tagesblockzeit von „10 Wiener Stunden“ erzielt.

Für die Übertragung der Sitzung durch den ORF in der Zeit von 9.05 Uhr bis 17 Uhr wurden folgende Redezeitvereinbarungen getroffen:

Bundeskanzler 60 Minuten, je eine Wortmeldung pro Fraktion à 20 Minuten, Vize­kanzler 30 Minuten, je eine Wortmeldung pro Fraktion à 12 Minuten, zwei Regie­rungs­mitglieder à 6 Minuten, je eine Wortmeldung pro Fraktion à 5 Minuten, zwei Regie­rungs­mitglieder à 6 Minuten, je eine Wortmeldung pro Fraktion à 5 Minuten, zwei Re­gie­rungsmitglieder à 6 Minuten, je eine Wortmeldung pro Fraktion à 4 Minuten, zwei Regierungsmitglieder à 6 Minuten, je eine Wortmeldung pro Fraktion à 4 Minuten, zwei Regierungsmitglieder à 6 Minuten, je eine Wortmeldung pro Fraktion à 4 Minuten, zwei Regierungsmitglieder à 6 Minuten, je eine Wortmeldung pro Fraktion à 4 Minuten.

Im Hinblick auf eine Tagesblockzeit von 10 „Wiener Stunden“ verbleibt für die Zeit nach der Fernsehübertragung für die einzelnen Fraktionen folgende Restredezeit: SPÖ und ÖVP je 97, Grüne und FPÖ je 57 und BZÖ 2 Minuten.

Ferner wurde vereinbart, die Sitzung von 13 bis 13.15 Uhr zu unterbrechen.

Falls erforderlich, wird die vorsitzführende Präsidentin/der vorsitzführende Präsident darauf achten, dass die verbleibende Fernsehredezeit in den letzten Runden so aufgeteilt wird, dass alle Redner gleichmäßig zu Wort kommen. Dies gilt jetzt natürlich vor 15 Uhr, nachdem um 15 Uhr die Dringliche Anfrage aufgerufen wird.

Es ist vereinbart, dass nach jedem Wortmeldungsblock von Regierungsmitgliedern von den Rednern der Fraktionen contra und pro gesprochen wird.

Es besteht Einvernehmen, tatsächliche Berichtigungen erst nach der Fernseh­übertragung aufzurufen.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag zustimmen, um ein diesbezüg­liches Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

09.18.10Erklärung der Bundesregierung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zum einzigen Punkt der Tagesordnung: Erklärung der Bundesregierung.

Im Anschluss an diese Erklärung wird im Sinne des § 81 der Geschäftsordnung ent­sprechend dem vorliegenden Verlangen von fünf Abgeordneten eine Debatte stattfinden.

Ich erteile nun dem Herrn Bundeskanzler zur Abgabe der Erklärung das Wort.

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 22

9.18.40

Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer: Sehr verehrter Herr Bundespräsident! Frau Präsidentin des Nationalrates! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was immer wir Politikerinnen und Politiker tun, was immer wir in den kommenden vier Jahren umsetzen wollen, im Mittelpunkt stehen für uns Österreich und das Wohl der Österreicherinnen und Österreicher. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Aus diesem Grund ist es mir eine große Ehre, Ihnen heute als Bundeskanzler das Programm der neuen Bundesregierung in seinen Grundzügen vorstellen zu dürfen. Bevor ich aber auf die Pläne für die Zukunft eingehe, erlauben Sie mir einen kurzen Rückblick.

Am 1. Oktober 2006 haben die Wählerinnen und Wähler in unserem Land ihre Entscheidung getroffen. Das Ergebnis der Nationalratswahlen hat die österreichische Sozialdemokratie zur stimmen- und mandatsstärksten Fraktion im Parlament gemacht, knapp gefolgt von der Österreichischen Volkspartei.

Mein Ziel war es, den Auftrag des Bundespräsidenten, eine neue Bundesregierung zu bilden, so zu erfüllen, dass eine möglichst stabile Regierung für diese Gesetz­gebungs­periode zustande kommt.

Ich habe aus diesem Grund den Vorsitzenden der zweitstärksten Partei, Dr. Wolfgang Schüssel, zu Verhandlungen eingeladen. Sie alle, meine Damen und Herren, kennen den Verlauf dieser Verhandlungen, die phasenweise sehr schwierig waren. Auf beiden Seiten hat nicht immer großes Vertrauen geherrscht. Tief waren da und dort vielleicht auch Verletzungen und Vorbehalte, die von den Auseinandersetzungen der letzten Jahre zwischen Regierung und Opposition herrühren.

Schließlich haben auch zwei Parteien miteinander verhandelt, die in vielen Punkten unterschiedliche Auffassungen und Programme vertreten. Ich sage das hier und heute sehr offen, weil diese Unterschiede auch nicht plötzlich verschwunden sein werden.

Auch mag im Hinblick auf den Wahlausgang die Euphorie auf der einen und die Enttäuschung auf der anderen Seite zu Irritationen beigetragen haben. Diese sind mittlerweile ausgeräumt. An ihre Stelle ist das Bewusstsein getreten, dass die Bereit­schaft zum Kompromiss und zur Zusammenarbeit zum Wesen der Demokratie zählt, und eine gemeinsame Freude und Zuversicht, unser Land in den nächsten Jahren in eine gute Zukunft zu führen.

Letztlich ist beiden Verhandlungspartnern auch klar gewesen, welche Verantwortung sie gegenüber dem Souverän, gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes tragen. Das Wahlergebnis war Auftrag zur Kooperation, wenn man eine stabile Bundesregierung haben will.

Und so haben wir zwischen der Sozialdemokratischen Partei und der Österreichischen Volkspartei eine Zusammenarbeit für die nächsten vier Jahre vereinbart – mit einem sehr ambitionierten Programm, das die Handschrift beider Partner trägt.

Ein weiteres offenes Wort: Große Koalitionen stehen unter einem gewissen General­verdacht. Das Wechselspiel zwischen Regierung und Opposition werde durch eine zu große parlamentarische Mehrheit ausgehebelt, Proporz und Postenschacher wären an der Tagesordnung, und so manche andere Vorwürfe mehr ließen sich aufzählen.

Aber denken wir doch zurück. Wir stellen fest, es hat Zeiten gegeben, in denen große Koalitionen tatsächlich Großes geleistet haben – wie den Wiederaufbau unseres Landes nach der Katastrophe des Nationalsozialismus oder den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union. Andererseits können wir uns auch an Perioden des Stillstandes und der wechselseitigen Blockade erinnern.


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Große Koalitionen sind daher an sich weder gut noch schlecht. Es geht darum, was die beiden Partner leisten, wie sie miteinander umgehen, wie offen sie auch für Vorschläge und Initiativen der Opposition oder von außerhalb des Parlaments sind. Kurz, es geht darum, ob die Gefahren schlagend werden oder die Chancen einer solchen Zusam­menarbeit genützt werden. Vor dieser Herausforderung stehen wir, meine Damen und Herren, dessen bin ich mir bewusst, dessen sind sich auch meine Kolleginnen und Kollegen in der Bundesregierung bewusst – und daran wird letztendlich auch die Leistung dieser Bundesregierung zu messen sein.

Und Aufgaben warten in ausreichendem Ausmaß auf uns. Die Verantwortung ist groß. Bevor ich einzelne Sachbereiche bearbeiten möchte, möchte ich die grundlegenden Ziele der neuen Bundesregierung skizzieren. Dabei gehe ich von den Wünschen und Sorgen der Menschen in unserem Land aus. Was erwarten die Österreicherinnen und Österreicher heute von der Politik?

Sie erwarten – das zeigen alle persönlichen Begegnungen und Gespräche – keine Wunderdinge, sie haben ein sehr realistisches Bild davon, was Politik zu leisten imstande ist.

Die Menschen in Österreich wollen Chancen haben, sich zu entwickeln, auf eigenen Beinen zu stehen und ihr Leben so zu leben, wie sie sich das vorstellen. Sie wollen für die Zukunft gut gerüstet sein. Sie wollen faire Verhältnisse, eine gerechte Balance von Rechten und Pflichten, sie wollen, dass Leistung belohnt wird. Und sie wollen so viel soziale Wärme und Sicherheit, dass sie in Würde leben können, auch wenn sie einen Schicksalsschlag erleiden.

Sie wollen keine Angst haben vor dem Alter, und sie wollen, dass es ihren Kindern und Enkelkindern gut geht, möglichst sogar besser als ihnen selbst.

Wir leben in einem guten und auch in einem vergleichsweise reichen Land. Dennoch haben nicht wenige Menschen den Eindruck, dass es ihnen nicht so besonders gut geht, oder haben auch die Sorge, dass es ihren Kindern einmal schlechter gehen wird als ihnen selbst. Viele dieser Befürchtungen richten sich auf die Globalisierung oder auf vermeintlich unveränderbare Entwicklungen.

Zweifellos: Internationale Rahmenbedingungen, sei es die internationale Konjunktur oder die Entwicklung des globalen Klimas, lassen sich von der Politik hier in Österreich nur begrenzt beeinflussen.

In der Politik sollten wir andererseits aber nicht so tun, als gäbe es überhaupt keine Gestaltungsspielräume mehr, so als müssten wir uns Sachzwängen von außen immer nur widerspruchslos ergeben.

Nein, die Aufgabe der Politik ist es, für die Zukunft so viel an Chancen für die Men­schen zu schaffen, wie es geht, und überall dort Schutz und Sicherheit zu geben, wo es möglich ist. Individuelle Leistung muss gefördert werden, und es braucht gleichzeitig ein soziales Klima der Geborgenheit, der gegenseitigen Achtung und des Umgangs miteinander in Würde. Es ist Teil unserer Aufgabe, für mehr Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zu sorgen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Diese Grundhaltung, diese Balance prägt diese Bundesregierung, und sie zieht sich auch durch die Vorhaben der neuen Regierung.

Wir werden das Wirtschaftswachstum ankurbeln und die Arbeitslosigkeit bekämpfen, die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft unseres Landes erhöhen und eine solide Bud­getpolitik verfolgen, unser Sozial- und Gesundheitssystem weiterentwickeln und finanziell absichern sowie die Armutsbekämpfung intensivieren, mit einer offensiven Bildungs- und Forschungspolitik die Chancen sowohl für die Bürgerinnen und Bürger


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als auch für die Unternehmen verbessern, die Chancen der Frauen in unserer Gesell­schaft stärken und große Schritte in Richtung der tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter setzen, ein offenes und lebendiges Kunst- und Kulturleben fördern, eine hohe Lebens- und Umweltqualität in unserem Land erhalten, ein höchstmögliches Maß an innerer und äußerer Sicherheit zum Schutz der Menschen sicherstellen, mit einer Staats- und Verwaltungsreform Demokratie und Grundrechte stärken sowie die innere Struktur des Landes für die Anforderungen des 21. Jahrhunderts ausstatten, und aktiv und umfassend in der Europäischen Union mitwirken sowie die internationale Zusammenarbeit generell stärken und uns für den Frieden in der Welt als oberstes Ziel einsetzen.

Arbeit, meine Damen und Herren, ist aus unserer gemeinsamen Überzeugung die beste Voraussetzung für ein selbstbestimmtes, eigenverantwortlich geführtes Leben. Deshalb wollen wir die Arbeitslosigkeit deutlich senken, jedenfalls um ein Viertel und damit auf unter 4 Prozent bis zum Ende dieser Legislaturperiode. Ich weiß, das ist ein ehrgeiziges Ziel, und manche meinen, ein unerreichbares. Ich bin aber voll davon überzeugt: Es ist zu schaffen und wir werden es auch erreichen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zu diesem Zweck setzen wir auf intensive Programme zur Förderung des wirtschaft­lichen Wachstums. Besondere Schwerpunkte werden die weitere Anhebung der Förderung von Forschung und Entwicklung sowie beträchtliche Investitionen in die Infrastruktur sein.

Besonders wichtig ist uns, dass die jungen Menschen in Österreich nicht auf der Straße stehen. Mit einer Bildungsgarantie bis zum Alter von 18 Jahren wollen wir den Anteil der Jugendlichen ohne Berufsausbildung oder Schulabschluss drastisch senken, die Beschäftigungschancen entsprechend erhöhen und damit die Jugend­arbeits­losigkeit nachhaltig bekämpfen.

Mit der Beibehaltung der Sondermittel für aktive Arbeitsmarktpolitik und einem natio­nalen Aktionsprogramm für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden wir die Arbeitslosigkeit reduzieren. Intensivieren werden wir auch die Bekämpfung von Schwarzunternehmertum und Schwarzarbeit, zum Beispiel durch verstärkte Kontroll­tätigkeit und höhere Sanktionen.

Wir wollen aber auch die Qualität der Arbeitsplätze verbessern und einen einheitlichen modernen Arbeitnehmerbegriff etablieren. Die wachsende Zahl der atypisch Beschäf­tig­ten wird sozial besser abgesichert werden.

Die Bundesregierung bekennt sich zu einer sozialen und ökologisch nachhaltigen Marktwirtschaft im fairen Wettbewerb. Die Weiterentwicklung und Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes im Rahmen der euro­päischen Partnerschaft für Wachstum und Beschäftigung ist ein erklärtes Ziel.

Einen besonderen Schwerpunkt wird die Bundesregierung mit speziellen Maßnahmen zugunsten der kleinen und mittleren Unternehmen setzen. Wir wollen dafür sorgen, dass günstiges Kapital für nötige Investitionen bereitgestellt wird, Betriebsübergaben rechtlich erleichtert sowie steuerlich gefördert und auch Unternehmensgründungen umfassend unterstützt werden. Die soziale Absicherung von Selbstständigen wird verbessert werden. Ein geschütztes Gütesiegel „Meisterbetrieb“ soll als Orientierungs­hilfe für Konsumentinnen und Konsumenten eingeführt werden.

Für die Gründung von Unternehmen sollen durch mehr Wettbewerb im Bereich der freien Berufe die Gründungskosten gesenkt werden, und wir wollen die Errichtung eines Stabilitätsfonds prüfen, um jungen innovativen Unternehmen Risikokapital zur Verfügung zu stellen.


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Fortgesetzt wird auch die Internationalisierungsoffensive im Hinblick auf die große Bedeutung der Exportwirtschaft für den Erfolg der österreichischen Wirtschaft.

Dazu kommt eine Reihe weiterer Vorhaben, wie die flexiblere Erteilung von Beschäf­tigungsbewilligungen für Fachkräfte aus den neuen EU-Staaten in Branchen mit besonderem Bedarf und eine sozial verträgliche Flexibilisierung der Arbeitszeit.

Im Bereich der Forschung, Innovation und Technologie setzt sich die neue Bundes­regierung das Ziel, einen sowohl qualitativen als auch quantitativen Sprung nach vorne zu machen. Um Wachstum und Beschäftigung in Österreich sicherzustellen, muss die Forschungsquote erhöht und der Strukturwandel forciert werden: Österreich soll sich in den nächsten Jahren zunehmend zu einem eigenständigen Produzenten von Spitzen­technologie und zu einem erstrangigen Forschungsstandort entwickeln, auf den wir stolz sein können.

Bis 2010 soll die Forschungsquote auf 3 Prozent angehoben werden, indem die bestehenden Budgets schrittweise um insgesamt 800 Millionen € aufgestockt werden. Damit sollen auch möglichst hohe private Forschungsinvestitionen ausgelöst werden. Gleichzeitig muss die große Zahl an Förderprogrammen bereinigt und effizienter werden.

Aber die wichtigste Ressource im Bereich der Forschung und Innovation – der Mensch – soll besonders gefördert werden. Die Schaffung neuer Stellen für For­scherin­nen und Forscher, ihre Mobilität aus und nach Österreich sowie zwischen den Sektoren, aber auch die Erhöhung des Anteils an Frauen sowohl im öffentlichen als auch im privaten Forschungssektor stehen dabei besonders im Fokus.

Die beabsichtigte Technologieführerschaft erfordert sowohl exzellente öffentliche Forschungsstrukturen als auch unternehmerische Forschung. Das reicht von der Reform der Akademie der Wissenschaften über Maßnahmen für Klein- und Mittel­unternehmen mit Forschungsaktivitäten bis zu einer Headquarter-Strategie für For­schung und Entwicklung.

Eine moderne Infrastrukturpolitik ist unverzichtbare Voraussetzung für den Erfolg des Wirtschaftsstandorts und damit für die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Durch eine sinnvolle Verknüpfung der verschiedenen Verkehrsträger wollen wir die Optimierung des österreichischen Verkehrssystems erreichen. Schienen und Wasserstraßen sollen im Sinne der Umweltverträglichkeit als Transportwege attraktiver werden.

Priorität bei der Straßen- und Schieneninfrastruktur haben das Schließen von Lücken und die Beseitigung von Engpässen im hochrangigen Netz. Zur Umsetzung des ÖBB-Rahmenplans werden wir 6 Milliarden € in dieser Legislaturperiode investieren, und weitere 4,5 Milliarden € in das Bauprogramm der ASFINAG. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Der öffentliche Verkehr ist gerade in Ballungszentren für die Mobilität der Menschen und die wirtschaftliche Entwicklung entscheidend. In ländlichen Regionen dient er der Daseinsvorsorge und der sozialen Gerechtigkeit. Wir werden das Angebot des öffentlichen Verkehrs attraktiver machen. Investitionen in den öffentlichen Verkehr sind nicht zuletzt ein wichtiger Beitrag, um die Belastungen durch Treibhausgas, Feinstaub und Stickoxid zu reduzieren.

Auch der Luftfahrtstandort Österreich soll weiterentwickelt werden, unter anderem durch Qualitätsoffensiven an den Flughäfen sowie durch eine bessere Vernetzung mit Straße und Schiene.


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Hohe Priorität hat für die neue Bundesregierung die Verkehrssicherheit. Daher wollen wir Verbesserungen bei den Leitsystemen, Geschwindigkeitsbeschränkungen, Kontrol­len des Schwerverkehrs und bei der Fahrschulausbildung erreichen.

Beim Transit wird es eine neue Strategie für mehr Kostenwahrheit im Güterverkehr geben. Die Lkw-Maut wird überarbeitet, differenziert und erhöht.

Meine Damen und Herren! Ich komme zur Budget- und Finanzpolitik. Geordnete Staatsfinanzen sind aus meiner Sicht kein Selbstzweck, sondern sie sind eine außerordentlich wichtige Voraussetzung für die Politik, um handlungsfähig zu sein und zu bleiben.

Wenn große Initiativen für unser Land zu setzen sind oder wenn einer schwachen wirtschaftlichen Konjunktur gegengesteuert werden muss, dann brauchen wir dazu die entsprechenden Mittel im Staatshaushalt. Deshalb stehe ich für ein stabiles Budget und für den verantwortungsvollen und sparsamen Umgang mit dem Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler!

Diese Bundesregierung bekennt sich daher zu einer soliden und nachhaltigen Budget- und Finanzpolitik, die über einen Konjunkturzyklus hinweg ausgeglichen bilanziert.

Diese Zielsetzung verlangt Disziplin. Spielräume für steuerliche Entlastungen sollen erarbeitet werden und müssen vor dem Hintergrund leistbar sein, dass auch wichtige Zukunftsinvestitionen für Wachstum und Beschäftigung, den Standort Österreich, die soziale Sicherheit oder für andere wichtige öffentliche Aufgaben getätigt werden.

Die Bundesregierung achtet auf die gemeinsame Budgetverantwortung aller Gebiets­körperschaften im Sinne des österreichischen Stabilitätspaktes.

Die Bundesregierung wird in dieser Legislaturperiode eine große Steuerreform mit einer spürbaren Entlastung der Steuerzahler und der Wirtschaft durchführen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Das Steuer- und Abgabensystem soll nachhaltig gestaltet sein. Ökologische Aspekte werden mit einbezogen, und es wird eine positive konjunkturelle Entwicklung unter­stützt.

Wir wollen für ein möglichst gutes Klima und für einen funktionierenden und fairen Kapitalmarkt sorgen. Wir werden uns unter anderem auf europäischer Ebene für eine Harmonisierung der entsprechenden Standards, die Verstärkung der Markt- und Missbrauchsaufsicht und den Ausbau der Transparenzvorschriften einsetzen.

Meine Damen und Herren! Eine Kernaufgabe dieser Bundesregierung ist die Weiter­entwicklung unseres insgesamt bewährten Systems sozialer Sicherheit und Fairness. Diese Entwicklung darf nie stehen bleiben, zu rasch verändern sich die Heraus­forderungen, die Bruchlinien in unserer Gesellschaft und die Ungerechtigkeiten.

Wenn wir einen aktivierenden und modernen Sozialstaat haben wollen, muss er eben den jeweiligen aktuellen Anforderungen entsprechen, und er muss handlungsfähig, das heißt gesichert finanziert sein. Unter diesen Voraussetzungen können wir mehr Gerechtigkeit, mehr Sicherheit und auch mehr Bereitschaft zu Innovation und Eigeninitiative erreichen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Pensionen sind die wesentlichste Voraussetzung, um der älteren Generation ein Leben in Würde zu ermöglichen. Wir sind übereingekommen, dass keine Pensionistin, kein Pensionist mehr unter der Armutsgrenze leben muss. Der Ausgleichs­zulagen­richtsatz – also unsere Art von Mindestpension – wird auf 726 € angehoben. Wir sind daher unter den drei Spitzenländern der Europäischen Union! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Wir beseitigen auch die Härten bei Doppelabschlägen und verlängern bis zum Ende der Legislaturperiode die Langzeitversicherungsregelung, die Männern nach 45 Jahren und Frauen nach 40 Jahren im Berufsleben eine Pension ohne Abschläge ermöglicht. Und wir verbessern die Anrechnung von Kindererziehungszeiten für die Pensions­bemessung, indem wir die Gutschriften für die Kinderbetreuung auch wertsichern werden. Schwerarbeiter- und Invaliditätspensionen wollen wir neu ordnen, um ein höheres Maß an sozialer Fairness zu erzielen. Damit wird mehr Pensionsgerechtigkeit in Österreich geschaffen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Jeder und jede soll sich für die Art von Pflege entscheiden dürfen, die den jeweiligen Bedürfnissen entspricht – sei es zu Hause im Kreis der Angehörigen, sei es durch professionelle Betreuung durch mobile Dienste oder sei es durch die engagierten Kräfte in den Heimen und Senioreneinrichtungen.

Dazu brauchen wir eine Ausweitung der Leistungen der mobilen Dienste, die Entwick­lung eigener Betreuungsformen für spezifische Alterserkrankungen und die Etablierung einer legalen Form der 24-Stunden-Betreuung. Ebenso wichtig sind für uns die Stärkung und die Unterstützung des ehrenamtlichen Engagements, vor allem von pflegenden Angehörigen.

Wir wollen gemeinsam die Armut, die es leider auch in Österreich noch immer gibt, bekämpfen, und wir werden uns daher für einen Generalkollektivvertrag einsetzen, der ein Mindesteinkommen von 1 000 € garantiert. Und wir werden mit der schrittweisen Einführung der bedarfsorientierten Mindestsicherung von 726 € eines der europaweit modernsten Instrumente zur Armutsbekämpfung umsetzen, das vor allem darauf setzt, Armut nicht einfach durch Bezahlung, sondern in erster Linie durch die Rückführung in das Erwerbsleben zu überwinden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Österreich hat eines der besten medizinischen Versor­gungs­systeme der Welt. Die Bundesregierung bekennt sich zur umfassenden medizi­nischen Versorgung für alle Menschen, unabhängig von Alter und Einkommen. Für uns gelten die Grundsätze der solidarischen Finanzierung, des gleichen und möglichst ungehinderten Zugangs zu Leistungen sowie der hohen Qualität und Effizienz bei der Leistungserbringung. Im Mittelpunkt der Gesundheitspolitik der neuen Bundes­regierung steht der Bedarf der Patientinnen und Patienten.

Wir werden die Prävention und die Gesundheitsförderung verstärken, die Integration von ambulanter und stationärer Versorgung vorantreiben sowie ein besser abge­stimmtes Planungs- und Steuerungsmodell zwischen Bund, Ländern und sozialer Krankenversicherung entwickeln.

Es sollen neue Formen von ambulanten Gesundheitszentren entstehen, die vor allem eine bessere fachärztliche Versorgung im ländlichen Raum bewirken können.

Für die Finanzierung der Gesundheitsversorgung werden bestehende Effizienz­poten­tiale ausgeschöpft sowie die Krankenversicherungsbeiträge um maßvolle 0,15 Pro­zent angehoben.

Die Medikamentenkosten werden mit einem Bündel von Maßnahmen gesenkt, und bei der Rezeptgebühr wird, um chronisch und mehrfach Kranke zu unterstützen, eine Obergrenze in der Höhe von 2 Prozent des Einkommens festgelegt. (Beifall des Abg. Dr. Bauer.) Jemand mit einem Einkommen von 1 000 € netto muss daher maximal 20 € im Monat an Rezeptgebühr bezahlen. Das ist für viele alte Menschen eine wirkliche Erleichterung in unserem Land. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Die Qualität der Versorgung wird auch durch Verbesserungen in der Ausbildung der Ärzte sowie der Gesundheits-, Pflege- und Sozialberufe gesichert. Gleichzeitig werden wir Patientenrechte stärken und den gesundheitlichen Verbraucherschutz ausbauen.

Einen besonderen Schwerpunkt setzen wir für Menschen mit Behinderung durch die Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsrechtes und durch besondere arbeits­marktpolitische Maßnahmen, denn der Weg über eine reguläre Erwerbsarbeit ist für Menschen mit Beeinträchtigungen der beste Weg zu einem selbstbestimmten Leben ohne Abhängigkeiten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der wohl wichtigste Schlüssel für die erfolgreiche Zukunft unseres Landes, aber auch die erfolgreiche Gestaltung des individuellen Lebens ist die Bildung. (Ruf bei der SPÖ: Jawohl!)

Bildungspolitik ist Chancenpolitik (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP), und deshalb werden wir die jährlichen Bildungsausgaben um bis zu 200 Millionen € erhöhen, weil wir alle Kinder und Jugendlichen unseres Landes ohne Ausnahme entsprechend ihren Begabungen, Interessen und Neigungen optimal fördern müssen. Mit unseren Initiativen wollen wir die Motivation und die Mitwirkung aller Betroffenen – der Schülerinnen und Schüler, der Eltern und der Lehrenden – fördern.

Wir wollen die Zahl der Schülerinnen und Schüler pro Klasse schrittweise auf 25 senken und damit besser auf die Bedürfnisse der einzelnen Kinder und Jugendlichen eingehen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir werden das vorschulische Bildungsangebot verbessern, weil wir wissen, dass gerade in diesem Alter viele Entscheidungen für den weiteren Bildungs- und Lebens­weg getroffen werden und Versäumnisse später nur mit großem Aufwand korrigiert werden können.

Mir ist hier eines sehr wichtig: Es geht gerade im Schul- und Bildungsbereich nicht um die Durchsetzung irgendwelcher Ideologien. Wir wollen das beste Schulsystem für unsere Kinder, weil von ihrer Ausbildung die Zukunft unseres Landes und unserer Gesellschaft abhängt. Und diese Utopie ist machbar, diese Utopie werden wir umsetzen, und zwar über die Parteigrenzen hinaus, weil es darum geht, dass wir uns darüber einig sind, dass es um das Beste für unsere Kinder geht. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Deshalb werden wir die ganztägigen Schulformen und Betreuungseinrichtungen bedarfs­gerecht ausbauen, die individuelle Förderung sowie die Integration mit dem Schwerpunkt Spracherwerb verstärken, und es wird die Weiterentwicklung der Schule für die 10- bis 15-Jährigen vorbereitet.

Durch die Ausarbeitung von Bildungsstandards wollen wir die Qualität und den Ertrag des Unterrichts erhöhen. Und wir wollen Klassenwiederholungen durch spezifische und leistungsgerechte Förderung verringern, weil es hier um die Lebenszeit unserer Kinder geht.

Sehr wichtig sind nicht zuletzt die Internationalisierung der Bildung und die Weiter­entwicklung der Pädagogischen Hochschulen. Die Schulverwaltung wird neu geordnet, Doppelgleisigkeiten werden beseitigt, und die Autonomie der Schulen wird weiter gestärkt.

Lebensbegleitendes Lernen darf nicht nur ein Schlagwort sein. Deshalb werden wir das Nachholen von Bildungsabschlüssen erleichtern und den Zugang zur Weiter­bildung erleichtern und fördern, die Bildungskarenz verbessern und die Qualität des


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Angebotes sichern. Ein bundesweiter Bildungspass soll immer über Wissen und Fertig­keiten jedes Einzelnen eine Dokumentation darstellen.

Universitäten, Hochschulen und zahlreiche Forschungsstätten prägen schon heute das gesellschaftliche Leben in unserem Land. Unsere Universitäts- und Forschungs­landschaft vermittelt Grundlagen, verbreitet Aufgeschlossenheit und Neugier für Neues und hilft mit, dass aus Ideen konkrete Innovationen werden. (In den Reihen der Grünen wird ein Transparent hochgehalten mit der Abbildung eines Flugzeugs und dem Text „Hier fliegt die Studiengebühr! Versprochen – gebrochen. SPÖ.“)

Die Zukunft der Wissenschaft liegt allerdings in unseren Studierenden. Mit dem Ziel einer merkbaren Verbesserung der Studienbedingungen, damit jedes Studium ohne Verzögerung abgeschlossen werden kann, wollen wir eine deutliche Verbesserung der Betreuungsrelationen von Lehrenden und Studierenden erreichen und in moderne Lernumgebungen investieren. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Meine Damen und Herren von den Grünen, Sie haben Ihr Plakat hergezeigt. Ich ersuche Sie, es wieder wegzuräumen.

Bitte, Herr Bundeskanzler, setzen Sie fort!

 


Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer (fortsetzend): Das gibt mir ein gutes Stich­wort: Für die Förderung der Studierenden wollen wir das Studienbeihilfensystem weiter ausbauen und die bereits existierenden Kreditmodelle sowohl bekannter machen als auch erweitern. Hinzu soll den Studierenden die Möglichkeit geboten werden, Studienbeiträge durch gemeinnütziges Engagement im Ausmaß von 60 Stunden im Semester refundiert zu bekommen.

Ich verstehe die Betroffenheit bei denjenigen, die sich erwartet haben, dass die Studiengebühren gänzlich abgeschafft werden, aber ich bekenne mich dazu, dass man in einer Regierung auch Kompromisse schließen muss, selbst wenn man weiter gehende Vorstellungen hat.

Aber ich möchte mich auch an dem beteiligen, was ich anderen empfehle und was ich durchaus als zumutbar empfinde. Also sollte unser Wissenschaftsminister mit seiner Arbeitsgruppe das Modell erstellt haben, durch welche Arten von gemeinnütziger Arbeit oder Tätigkeit man in Zukunft keine Studiengebühr mehr bezahlen soll, dann bin ich gerne bereit, dasselbe zu tun wie die Studentinnen und Studenten. Ich werde bereit sein, in einer Wiener Schule einmal pro Woche Nachhilfestunden zu geben (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist doch lächerlich!), weil ich glaube, dass ich das kann, und ich werde dabei auch viel lernen. Das ist mein Angebot an alle! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Verdienen die Studenten so viel wie Sie?)

Der Herr Westenthaler macht schon die erste Anmeldung, obwohl er nicht zu den sozial Bedürftigen gehört. (Weitere anhaltende Zwischenrufe beim BZÖ.)

Studieren ohne Studienbeiträge wird damit für mehr Studenten ermöglicht werden.

Wir wollen weiters neue Angebote und bessere Bedingungen für die wachsende Zahl berufstätiger Studierender schaffen und die Betreuungsangebote für Studierende mit Kindern ausbauen.

Die Stärkung der Autonomie und der internationalen Wettbewerbsfähigkeit von Österreichs Universitäten ist unser Ziel. Die Fachhochschul-Offensive wird als wichtige Ergänzung des universitären Angebots fortgesetzt.

Die internationale Vernetzung österreichischer Wissenschaftseinrichtungen und die enge Anknüpfung an Europa werden künftig ein noch stärkerer Schwerpunkt sein.


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Als konkrete Maßnahmen sehen wir den Start der Forschungstätigkeit am Exzellenz­institut ISTA ebenso wie eine erfolgreiche Bewerbung für das European Institute of Technology vor.

Frauenpolitik ist dieser Bundesregierung besonders wichtig. (Spontaner lebhafter Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.) Sie wird im neuen Ministerium koordiniert, zieht sich aber als Querschnittsthema durch zahlreiche Ressorts. Die Verbesserung der Chancengerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt, die Schließung der Einkommensschere zwischen Männern und Frauen, die Bekämpfung der Frauenarmut und geschlechtsspezifische medizinische Ansätze sind Beispiele für wichtige Themen, die wir in unseren Ministerien bearbeiten und gemeinsam lösen müssen.

Die Förderung der Eigenständigkeit von Frauen führt über die Erwerbstätigkeit. Unser konkretes Ziel ist es, die Frauenbeschäftigungsquote bis 2010 auf 65 Prozent zu erhöhen. Dabei müssen wir besonderes Augenmerk darauf legen, dass die Zahl der guten Vollarbeitsplätze steigt, die auch ein ausreichendes Einkommen sichern. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Mädchen sollen unterstützt werden, so genannte atypische Berufe zu wählen, um bessere Beschäftigungschancen zu haben. Ein Schwerpunkt wird auch hier den Lehrberufen gelten. Dazu kommt der Ausbau von frauenspezifischen Weiterbildungs­angeboten und Wiedereinstiegshilfen.

Um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern, werden wir die Kinderbetreuung ausbauen sowie das Kindergeld flexibler gestalten. Neben der bisher bestehenden Möglichkeit, insgesamt 36 Monate lang 436 € zu beziehen, gibt es in Zukunft die Variante, 18 Monate lang 800 € zu beziehen. Auch die Zuverdienstgrenze wird angehoben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das erhöht die Wahlfreiheit für die Eltern und bietet gleichzeitig die Chance zum früheren Wiedereinstieg ins Berufsleben – unter der Voraussetzung ausreichender und bedarfsorientierter Kinderbetreuungseinrichtungen. Gleichzeitig geben wir damit Män­nern eine bessere Chance, sich der wertvollen und anspruchsvollen Aufgabe der Kindererziehung zu widmen.

Auch werden Alleinerziehende in Zukunft stärker unterstützt: durch Anpassung der Familienleistungen, eine Reform des Unterhaltsvorschusses und durch das Wochen­geld auch für freie Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer.

Beim Schutz vor Gewalt gegen Frauen sowie im Kampf gegen den meist Frauen betreffenden Menschenhandel wird die Bundesregierung besondere Schwerpunkte setzen.

Zur speziellen Förderung von MigrantInnen wird ein Aktionsplan erstellt, der insbeson­dere auf den Spracherwerb und andere Qualifizierungsangebote abzielt.

Familien mit vielen Kindern wollen wir mit der Erhöhung der Zuschläge zur Familienbeihilfe ab dem dritten Kind unterstützen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Wir werden die Kinderrechte im Sinne der UN-Konvention als Grundrechte in die Bundesverfassung aufnehmen und mit den Ländern österreichweit einheitliche Regelungen im Jugendschutz herstellen. Besonderes Augenmerk legen wir auf den Schutz vor Alkohol- und Drogenmissbrauch sowie vor Verherrlichung von Gewalt.

Wir wollen aber auch die demokratischen Mitwirkungsrechte der Jugend verbessern: in Form von vielfältigen Jugendbeteiligungsmodellen und insbesondere durch die Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Kunst und Kultur haben einen hohen Stellenwert in Österreich, und die Bundes­regierung bekennt sich zu einem offenen Dialog mit Kunst- und Kulturschaffenden und zu einem offenen kulturellen Klima, das eine kritische Auseinandersetzung sowohl mit der Geschichte als auch mit der aktuellen Entwicklung ermöglicht.

Die öffentliche Finanzierung von Kunst und Kultur ist eine notwendige Investition in die Zukunft. Besonderen Stellenwert hat für uns die Förderung des zeitgenössischen Kunst- und Kulturschaffens, aber auch die soziale Absicherung von Künstlerinnen und Künstlern. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Stummvoll.)

Neben der Förderung kultureller Partizipation und einer Vielzahl anderer Vorhaben wird die Bundesregierung einen Schwerpunkt zur Stärkung des Medien- und Filmstandortes Österreich setzen. (Beifall des Abg. Morak.)

Wir wollen einen eintrittsfreien Tag pro Monat in den Bundesmuseen ermöglichen, damit auch alle diese wichtigen Einrichtungen besuchen können. Wir wollen für ein „Haus der Geschichte“ bis Mitte des Jahres ein neues Konzept erarbeiten und Linz als „Europäische Kulturhauptstadt 2009“ unterstützen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ziel der Medienpolitik der Bundesregierung ist die Sicherung einer pluralistischen, viel­fältigen Medienlandschaft mit qualitativ hochwertigen Angeboten. Dazu werden wir eine unabhängige und umfassende Medien- und Telekommunikationsbehörde schaf­fen.

Der ORF nimmt als Stiftung mit öffentlich-rechtlichem Profil eine zentrale Rolle für die kulturelle Identität und für die gesellschaftspolitische Integration ein. Er muss als national und international agierendes Unternehmen mit klarem Auftrag und trans­parenten Finanzierungsformen positioniert werden und auch auf europäischer Ebene wettbewerbsfähig und abgesichert sein.

Die Förderung von Medien wird evaluiert und ausgebaut, wobei insbesondere die Förderung für kommerzielle und nichtkommerzielle elektronische Anbieter geprüft werden soll.

Bis Ende 2009 soll die Vollversorgung der Bevölkerung mit Breitbandzugang abge­schlossen sein und Österreich zu einer der führenden Nationen in der Informations- und Kommunikationstechnologie aufgestiegen sein. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Der ländliche Raum liegt dieser Bundesregierung besonders am Herzen. Dieses Bekenntnis erfordert wesentliche Schritte der Politik. Österreich stehen von 2007 bis 2013 EU-Mittel in der Höhe von 3,9 Milliarden € zur Verfügung, die national durch die Verdoppelung kofinanziert werden.

Der „Grüne Pakt“ wird wie geplant umgesetzt und fußt auf drei Säulen: dem Berg­bauernprogramm, einem flächendeckenden Umweltprogramm und der Investitions­offensive, um die österreichischen Landwirte in ihrer Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.

Der österreichische Weg einer ökologischen Landwirtschaft ist europaweit einzig­artig. Die österreichischen Lebensmittel genießen hervorragenden Ruf. Daher werden wir auch weiterhin für die Gentechnikfreiheit unserer Landwirtschaft kämpfen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Im Umweltbereich setzen wir einen deutlichen Schwerpunkt mit unserem engagierten Kampf gegen den Klimawandel: Wir werden unseren Beitrag dazu international und national leisten. Nach 2012 ist es unser Ziel, alle Industriestaaten und Entwicklungs­länder in ein internationales Übereinkommen einzubeziehen. Wir selbst werden alles daransetzen, bis 2012 das Kyoto-Ziel zu erreichen.


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Ein weiteres klares Bekenntnis: Kernenergie ist keine nachhaltige Form der Energie­versorgung und daher keine Alternative für uns. (Beifall bei der SPÖ und bei Abge­ordneten der ÖVP.) Das sollte auch für unsere Nachbarn gelten, weshalb wir auch weiterhin im Rahmen unserer gutnachbarschaftlichen Beziehungen für eine Null­variante beim Kernkraftwerk Temelín eintreten werden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir müssen verstärkt alternative und erneuerbare Formen der Energieversorgung aufzeigen. In dieser Legislaturperiode geht es uns insbesondere um die Steigerung des Anteils der erneuerbaren Energie am Gesamtenergieverbrauch auf mindestens 25 Prozent sowie des Anteils der erneuerbaren Stromerzeugung auf 80 Prozent. Wir wollen mindestens 100 000 Haushalte auf erneuerbare Energieträger umstellen und die Verwendung alternativer Kraftstoffe im Verkehrssektor auf 10 Prozent erhöhen. Der Biomasseeinsatz soll verdoppelt werden. (Beifall des Abg. Hornek.)

Wir setzen bei der Bewältigung der Umweltprobleme auf modernste Technologie und Forschung. Dazu haben wir ehrgeizige Ziele, wie zum Beispiel die Verdoppelung des Anteils der Umwelttechnologie am Bruttoinlandsprodukt.

Schließlich ist der Schutz vor Naturgefahren für Österreich ein wichtiges Thema: Hier müssen wir unseren offensiven Kurs in der intelligenten Wildbach- und Lawinen­verbauung und im Schutzwasserbau weiter fortführen.

Eine weitere Querschnittsmaterie in Gesellschaft und Politik ist der Sport. Er spielt in Wirtschaft, Tourismus, Gesundheit, Bildung, Integration und vielen anderen Bereichen eine wesentliche Rolle. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler.) Das erkennt die neue Bundesregierung an und setzt sich daher eine Reihe von Zielen; so etwa die Anhebung der Sportaktivität in der Bevölkerung, die Sicherung der Finanzierung des gemein­nützigen Sports, die Forcierung von Kindergarten- und Schulsport und Anreize für mehr Breiten- und Vereinssport. Im Spitzensport wollen wir die Fördersysteme optimie­ren, die wichtige Rolle des Bundesheeres und der Exekutive in diesem Bereich sichern sowie Großveranstaltungen wie die Fußball-EM 2008 oder Olympia Salzburg 2014 bestmöglich unterstützen und nützen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sicherheit, wie ich sie verstehe, meine Damen und Herren, hat viele Dimensionen. Ich nenne nur die soziale Dimension, die Sicherheit und den Schutz vor Lebensrisiken, wie ihn der moderne Sozialstaat bietet und damit zum sozialen Zusammenhalt wesentlich beiträgt. Das schmälert freilich in keiner Weise die Bedeutung der inneren Sicherheit als wesentliche Aufgabe unseres Staates.

Österreich ist eines der sichersten Länder der Welt. Es ist eine der wichtigsten Heraus­forderungen, die Freiheit und Sicherheit seiner Bürgerinnen und Bürger auch in Zukunft zu schützen. Die Österreicherinnen und Österreicher haben einen Anspruch darauf. Ich bin der Meinung, dass unsere Exekutive die bestmögliche Ausstattung für ihre Arbeit zur Verfügung haben muss. Auch die Ausbildung unserer Polizistinnen und Polizisten wird, aufbauend auf die bisher gesetzten Schritte, weiter professionalisiert werden.

Gerade im Bereich der Sicherheit ist die internationale Zusammenarbeit von beson­derer Wichtigkeit. Damit die grenzüberschreitende Kriminalität auch in Zukunft wir­kungs­voll bekämpft werden kann, wird die Bundesregierung die Zusammenarbeit mit unseren Nachbarländern weiter ausbauen und verstärken.

Ein wesentliches und bestimmendes Thema der nächsten Jahre wird der Bereich „Zuwanderung und Integration“ sein. Zuwanderung ist eine globale Heraus­forderung. Zuwanderung nach Österreich muss auf die Bedürfnisse und Möglichkeiten


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unseres Landes und unseres Arbeitsmarktes abgestimmt sein, nicht zuletzt im Interes­se der Zuwandernden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Integration steht vor Neuzuzug. Integration ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und muss nach dem Prinzip erfolgen, dass menschenwürdiges Dasein und sozialer Friede in unserem Land gesichert werden. Ein entsprechendes Einkommen, ordent­liche Wohnverhältnisse, eine bestehende Krankenversicherung sind dafür ebenso Voraussetzung wie grundlegende Kenntnisse der deutschen Sprache. Integration muss daher auf allen Ebenen stattfinden: in Kindergärten, Schulen und anderen Bildungs­einrichtungen, durch spezielle Förderung der Einbindung in das kommunale Leben und Umfeld. Wesentlicher Grundsatz muss sein, dass Zuwanderung stets mit Integra­tionsarbeit verbunden ist. Dies liegt in der Gesamtverantwortung der Bundesregierung und aller Gebietskörperschaften. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Zentrale Aufgabe bleibt für uns auch weiterhin der Kampf gegen illegale Migration und Schlepperkriminalität. Es besteht eine klare Trennung zwischen Asyl und Zuwan­derung. Für den Asylbereich gilt: schneller und fairer Schutz für jene, die verfolgt werden; die Dauer der Asylverfahren wird weiter verkürzt werden, und wir werden ein Asylgericht installieren, um die Verfahren weiter zu optimieren.

Es ist mir, meine sehr geehrten Damen und Herren, ein besonderes Anliegen, Men­schenrechte, Demokratie und Toleranz in unserem Land, aber auch international zu stärken. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) Vor diesem Hintergrund ist der besondere Einsatz für gelingende Integration zu sehen, dieses Motiv durchzieht aber auch die Vorhaben, die wir in den kommenden Jahren im Bereich der Justiz-, Staats- und Reformpolitik angehen werden. Justizreform, Staats- und Verwaltungs­reform und nicht zuletzt unser internationales Engagement zielen auf die Erweiterung von persönlichen Rechten, auf mehr Gerechtigkeit und auf ein besseres Zusam­menleben der Menschen.

Ausreichende Ressourcen für die Justiz sind die Grundlage für Rechtsstaat und Menschenrechte. Allen Menschen steht der einfache und gleiche Zugang zum Recht zu. Angesichts des raschen gesellschaftlichen Wandels muss die Reform von Recht und Justiz permanent vorangetrieben werden. So werden wir eine grundlegende Erneue­rung des Familienrechts, die einer geänderten gesellschaftlichen Realität Rechnung trägt, im engen Zusammenhang mit Reformen im Bereich des Sozialrechts durchführen.

Ziel ist es, die gelebte soziale Zusammengehörigkeit und Solidarität von Menschen – sei es auf der Grundlage von Ehe, Lebensgemeinschaft oder Patchworkbeziehungen – in der Rechtsordnung zu berücksichtigen. Bei dieser Reform wird auch die Frage der diskriminierungsfreien rechtlichen Ausgestaltung von gleichgeschlechtlichen Lebens­gemein­schaften zu diskutieren sein. Überdies sollen das Unterhaltsrecht verbessert und das Unterhaltsvorschussrecht effizienter gestaltet werden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

In weiten Bereichen des Konsumentenschutzes werden unter Berücksichtigung der europarechtlichen Vorgaben Weiterentwicklungen erfolgen. Insbesondere sind die sogenannten digitalen Rechte der Konsumentinnen und Konsumenten zu verbessern.

Im Bereich des Strafrechtes ist die Bekämpfung des sogenannten Kriminaltourismus ein vordringliches Ziel. Besondere Bedeutung kommt dabei der verstärkten Zusam­menarbeit mit Justiz- und Polizeibehörden der Herkunftsländer ausländischer Straftäter und ein Ausbau der Übernahme des Strafvollzuges durch den Heimatstaat zu.

Die Verbesserung der Maßnahmen gegen die vielfältigen Erscheinungsformen von Gewalt im sozialen Nahraum ist fortzusetzen. Dabei wird der Gewalt gegen Frauen,


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Kinder und alte Menschen besondere Aufmerksamkeit zu geben sein. Und wir wollen eine wirksame und spezialisierte Jugendgerichtsbarkeit sichern.

Im Strafvollzug soll es zu einer verbesserten Differenzierung nach der Gefährlichkeit und Persönlichkeit der Täter kommen. Dazu bedarf es auch verbesserter Schulung und Ausbildung in den Justizanstalten. 

Im Bereich der Opferrechte und der finanziellen Opferhilfe sind wichtige Verbes­serungen gelungen – dennoch bleibt noch eine Menge zu tun. Eine Koordinationsstelle für die Opferhilfe soll geschaffen werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wohnen ist wie Arbeit, Bildung und Gesund­heit ein Grundbedürfnis und muss deshalb leistbar und qualitativ hochwertig sein. Dies erreichen wir mit einer Reihe von Maßnahmen; so etwa mit der Unter­stützung eines leistungsfähigen gemeinnützigen Wohnungswesens, der Beibehaltung der Wohnbau­förderung, der Abschaffung der Vertragsgebühren für Wohn- und Mietverträge und der Reduktion der Provisionshöhe für Wohnungsmietverträge.

Weitere Reformen der Gerichtsorganisation dürfen nicht zu Lasten eines leichten und raschen Zugangs von in ländlichen Gebieten lebenden Menschen zu den Institutionen des Rechts gehen.

Die Bundesregierung hat sich darüber hinausgehend das ehrgeizige Ziel einer Staats- und Verwaltungsreform gesetzt. Sie betrifft sowohl die Strukturen des Staates, etwa eine zeitgemäße Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern, als auch Maßnahmen für eine größere Bürgernähe. Die Staatsreform soll dazu beitragen, die Lebenssituation des Einzelnen, seinen Zugang zum Recht, aber auch seine Rechte als solche zu verbessern. Aufbauend auf den Ergebnissen des Österreich-Konvents sollen die Beratungen bis Ende dieses Jahres abgeschlossen sein. Die derzeit in ver­schiedenen Rechtsquellen verstreuten Grundrechte sollen zu einem einheitlichen Katalog zusammengeführt und den neuen Herausforderungen angepasst werden. Dies betrifft insbesondere die sozialen Grundrechte. Diese sozialen Grundrechte müssen auch durchsetzbar sein. Insgesamt muss unser Rechtsschutzsystem seine Effizienz und Bürgernähe erhöhen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Verwaltung soll effizienter, kundenorientierter und rechtssicherer werden. E-Government wird verstärkt. Und es soll in der kommenden Gesetzgebungsperiode nicht nur die Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre geben, sondern auch im Inland die Partizipation dadurch gesteigert werden, dass die Briefwahl eingeführt wird. Wir erwarten uns dadurch eine steigende Beteiligung bei den nächsten Wahlen.

Die Gesetzgebungsperiode soll ab der nächsten Wahl auf fünf Jahre verlängert werden, um zwischen Regierungsbildung und nächstem Wahlkampf mehr Zeit für die eigentliche politische Gestaltung zu gewinnen.

Wir wollen auch die verfassungsmäßigen Rechte der Volksgruppen sicherstellen. Es besteht kein Zweifel daran, dass es geboten ist, die Ortstafelerkenntnisse des Verfas­sungsgerichtshofes umzusetzen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) Dies soll in möglichst breitem Konsens mit den Volksgruppen erfolgen und verfas­sungsrechtlich abgesichert werden.

Was die Aufgabenverteilung zwischen dem Bund und den Ländern anlangt, so soll die Staats- und Verwaltungsreform ein klares Konzept schaffen. Auch die Stellung der Gemeinden soll gestärkt werden.

Nun zur äußeren Sicherheit: Kein noch so hoch gerüstetes Militär kann der Sicherheit Österreichs im selben Maße dienen wie der politische Integrationsprozess in Europa. Auch deshalb muss Österreich eine sehr aktive Rolle in Brüssel spielen. Auf Basis der


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immerwährenden Neutralität wird Österreich weiterhin ein solidarischer Partner sein und sich weiter intensiv an der Entwicklung der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik beteiligen.

Österreich hat eine vorzügliche Tradition im politischen und zivilen Krisenmanagement, aber auch bei der Stabilisierung internationaler Krisenherde mit militärischen Mitteln. Diese Friedensmissionen, seien sie im Kontext der Europäischen Union oder der Vereinten Nationen, werden fortgesetzt.

Heute muss das österreichische Bundesheer neben seinen Aufgaben des Schutzes der Souveränität und Neutralität sowie der internationalen Einsätze für die Sicherung von Frieden und Stabilität vor allem den Menschen im Inland, aber auch im Ausland im Katastrophenfall beistehen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Für all diese Aufgaben muss das Bundesheer entsprechend ausgestattet und gerüstet sein. Dies gilt auch für die Luftraumüberwachung.

Die Bundesregierung bekennt sich zu den Empfehlungen der Bundesheer-Reform­kommission. Die allgemeine Wehrpflicht wird beibehalten und der Wehrdienst auf sechs Monate gesetzlich verkürzt. Notwendig sind auch Verbesserungen der Arbeits­bedingungen und der Ausbildung von Soldatinnen und Soldaten.

Meine Damen und Herren! Die österreichische Bundesregierung bekennt sich zu einem starken, sozialen und modernen Europa. Sinn und Qualität des europäischen Integrationsprozesses werden den Österreicherinnen und Österreichern nur dann nachvollziehbar sein, wenn sie eine tatsächliche Verbesserung ihrer Lebensumstände erfahren können. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Aus diesem Grund werden wir uns stark dafür einsetzen, dass auch auf europäischer Ebene der Steigerung des Wirtschaftswachstums, der Bekämpfung der Arbeits­losigkeit, der Entwicklung sozialer Standards sowie der Aktivitäten für Bildung, Forschung und Entwicklung mehr Nachdruck verliehen wird.

Mehr europäische Zusammenarbeit brauchen wir auch in vielen anderen Bereichen. Sehr wichtig sind ein gemeinsames europäisches Asylrecht, um eine fairere Verteilung der Asylanträge auf alle EU-Staaten zu erreichen, sowie eine vertiefte Kooperation in Energiefragen, um mehr Versorgungssicherheit und Nachhaltigkeit zu verwirklichen.

Die Bundesregierung wird darauf achten, dass der Erweiterungsprozess unter voller Berücksichtigung der Aufnahmefähigkeit der EU sorgfältig und umsichtig gestaltet wird. Die europäische Integration ohne die Länder des Westbalkans wäre wohl unvoll­ständig. Wichtig ist jedoch auch, mit Nachbarn der Europäischen Union andere, maß­ge­schneiderte Kooperationen jenseits eines Beitritts zu entwickeln.

Die Bundesregierung hält den vom Nationalrat genehmigten EU-Verfassungsvertrag für eine wichtige Grundlage für die Handlungsfähigkeit einer stark vergrößerten Union. Wir werden uns aktiv an den darauf aufbauenden Diskussionen beteiligen, um die EU jedenfalls wieder bürgernäher zu machen.

Spezielles Engagement verdient die Zusammenarbeit mit Österreichs unmittelbaren Nachbarn. Hier wird die Bundesregierung auch ihre traditionelle Schutzfunktion für die österreichische Volksgruppe in Südtirol wahrnehmen. Österreichs Rolle im Zentrum Europas soll wesentlich gestärkt werden.

Vor allem im Rahmen der Europäischen Union wird sich die Bundesregierung auch für eine Friedenslösung im Nahen Osten mit Nachdruck einsetzen. Dieser Konflikt ist die Wurzel für die Instabilität der gesamten Region und trägt wesentlich zur globalen Bedrohung durch Terrorismus bei.


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Die Beziehungen zu all jenen Weltregionen, die während Österreichs EU-Präsident­schaft wertvolle Impulse erhalten haben, werden selbstverständlich gepflegt, nicht zuletzt wollen wir zu einer nachhaltigen Vertiefung der transatlantischen Beziehungen einen Beitrag leisten. Die Weiterentwicklung der Beziehungen zur Russischen Föderation und zu den aufstrebenden Nationen Süd- und Ostasiens wird uns ein besonderes Anliegen sein.

Österreich wird sich weiterhin in die Arbeit internationaler Organisationen, insbeson­dere der Vereinten Nationen, aktiv einbringen, sind doch die Vereinten Nationen das Kompetenzzentrum für die internationale Förderung des Friedens, der Sicherheit und der Gerechtigkeit.

Schwerpunkte unseres Engagements werden dabei die Bereiche Friedenserhaltung, Schutz der Menschenrechte, Abrüstung, Schutz der Umwelt, Gleichstellung der Frauen und Kampf gegen Terrorismus sein. Österreich wird für einen nicht-ständigen Sitz im Sicherheitsrat für die Periode 2009/2010 kandidieren.

Für die Entwicklungszusammenarbeit wollen wir den Beschluss des EU-Rates um­setzen, wonach bis zum Jahr 2010 0,51 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für diesen Bereich verwendet werden sollen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Bundesregierung wird auch weiterhin aktiv den Schutz und die Unterstützung österreichischer Staatsbürger und ihrer Anliegen im Ausland verfolgen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abschließend möchte ich betonen, dass ich diese Regierungserklärung mit ganz besonderer Freude hier im Parlament halte. (Zwischenrufe bei FPÖ und BZÖ.) – Das haben Sie gesehen, ich weiß.

Ich habe gut eineinhalb Jahrzehnte lang als Parlamentarier gearbeitet und das auch deshalb so gern getan, weil ich das Parlament als wesentliche Errungenschaft der Demokratie außerordentlich achte. Diese Hochachtung teile ich selbstverständlich mit meinen Kolleginnen und Kollegen in der neuen Bundesregierung. Jede und jeder hier im Hohen Haus hat nicht nur den Auftrag, sondern auch den Willen und die Überzeugung, für das Wohl der Menschen in unserem Land zu arbeiten. Deshalb wird diese Bundesregierung den engen Austausch mit dem Parlament pflegen, und sie wird insbesondere auch mit den Oppositionsparteien und deren Abgeordneten einen intensiven Dialog führen. Dazu gehört nicht zuletzt, dass wir dafür eintreten, dass das Parlament – möglichst im Konsens aller Parteien – die Minderheits- und Kontrollrechte verbessert. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Auch mit den Ländern und Gemeinden, mit den Sozialpartnern, mit anderen Interes­senvertretungen, mit NGOs und engagierten Initiativen der Zivilgesellschaft werden wir stets das Gespräch suchen, um bestmögliche Lösungen für die Menschen in unserem Land zu erarbeiten.

Vor allem aber will ich und wollen wir mit den Österreicherinnen und Österreichern, die in diese Bundesregierung großes Vertrauen und große Erwartungen setzen, in ständigem Kontakt sein. Politik- und Parteienverdrossenheit bekämpft man am besten mit guter Arbeit im Sinne und im Auftrag der Bürgerinnen und Bürger! Das bedeutet auch, mit all jenen, die mit der Regierung und deren Politik nicht einverstanden sind, zu diskutieren. Wir leben in einer Demokratie, und jeder und jede hat das selbst­verständliche Recht, Kritik zu üben. Das ist, solange es gewaltfrei und über die Konfrontation von Meinungen und Argumenten geschieht, nicht nur legitim, sondern notwendiges Element einer lebendigen Demokratie.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Bundesregierung ist die an Mitgliedern jüngste österreichische Bundesregierung aller Zeiten – trotz manch grauer Haare, die


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man hier in der Runde erblicken kann; ich bin da wohl keine Ausnahme – und sie ist jene mit dem höchsten Anteil von Frauen auf der Regierungsbank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit mit meinen Kolleginnen und Kollegen. Wir werden für dieses Land, unsere Heimat, alles tun, damit es in vier Jahren noch besser, noch solidarischer, noch chancen- und noch zukunftsreicher dasteht als heute. Davon werden wir uns nicht abbringen lassen. – Das ist mein Versprechen an Österreich! (Abg. Ing. Westenthaler: Schon wieder ein Versprechen!) Gehen wir also gemeinsam an die Arbeit – für unsere Republik, für die Österreicherinnen und Österreicher! (Anhaltender Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.19


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich danke dem Herrn Bundeskanzler für seine Ausführungen.

Wir gehen in die Debatte über die Regierungserklärung ein. Die Regelungen betreffend Redezeiten sind bekannt.

Als Erster gelangt Herr Klubobmann Dr. Van der Bellen zu Wort. Seine Redezeit beträgt 20 Minuten. – Bitte, Herr Klubobmann.

 


10.20.22

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Nun, Herr Bundeskanzler – zweifellos für Sie persönlich ein großer Tag, aber irgendwie bleibe ich uninspiriert zurück durch diese Rede. Und wenn ich die Stimmung im Saal richtig einschätze, war das bei allen anderen Fraktionen – ich betone: allen anderen Fraktionen – auch nicht viel anders, abgesehen vom Pflichtapplaus zum Schluss, den der Herr Klubobmann Cap gerade noch eingeleitet hat. (Abg. Strache: Heimlich trainiert dafür!) Aber auf der rechten Seite, bei der ÖVP, war das Gähnen kaum zu übersehen. (Ruf bei der ÖVP: Sie haben auch geschlafen, geben Sie es zu!)

Ich führe das zumindest zum Teil darauf zurück, dass Gusenbauer natürlich besser spricht, wenn er frei spricht. Aber eine Regierungserklärung muss anscheinend vom Blatt gelesen werden, sonst könnte man ja etwas sagen, was dem Koalitionspartner nicht so gefällt – und schon ist der erste Krach da!

Aber – zweitens und wichtiger –: Bundeskanzler Gusenbauer hat uns eine Kurzfassung des Regierungsprogramms gegeben, und dieses Regierungsprogramm ist eben nicht inspirierend, es ist ein Programm der enttäuschten Hoffnungen – nicht nur der Oppo­sition, meine Damen und Herren, sondern quer durch die Fraktionen und natürlich verschiedenster Gruppen in der Bevölkerung.

Die alte Bundesregierung wurde, so vermute ich, nicht ohne Grund abgewählt, und das deutlichst. Aber jetzt haben wir eine Fortsetzung ähnlicher Politik, mit ähnlichen Mitteln, halbherzig, mit merkwürdigen Schwerpunkten, sofern Schwerpunkte überhaupt erkenn­bar sind. Die „alte“ SPÖ, die SPÖ vor dem 1. Oktober 2006, hätte sicherlich gesagt: Pfui, das ist eine neoliberale Finanzpolitik von Karl-Heinz Grasser, das können wir auf gar keinen Fall mittragen! Sie machen nun aber, was die Grundprinzipien angeht, etwas ganz Ähnliches; ich werde noch darauf zurückkommen.

Meine Damen und Herren! Die Menschen wurden in ihren Hoffnungen enttäuscht, und sie spüren, dass verschiedene Dinge im Umbruch sind – Stichwort Globalisierung –, dass die Konkurrenz, jetzt rein wirtschaftlich gesehen, auf allen Märkten zunimmt. Die Frage ist, wie man darauf reagiert. In der Bildungspolitik, mit besseren Schulen, mit einer engagierteren Technologie- und Innovationspolitik, in den Universitäten und so weiter – da passiert schon ein bisschen etwas, aber: Wo ist die große Vision? Wo sind


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die budgetären Prioritäten, die eine energische Antwort auf diese Fragen voraussetzen würde? (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren, der Umbruch auf dem Arbeitsmarkt, die schwindenden Chancen für Menschen mit gar keiner oder einer – wie soll ich sagen? – rudimentären Ausbildung – die Situation ist heute ja ganz anders als vor zehn, 20, geschweige denn 30 Jahren – erfordern eine Neukonstruktion, eine Rekonstruktion des sozialen Netzes in Österreich; ja nicht nur in Österreich, in der ganzen Europäischen Union. Und wo bleibt da der große Wurf Ihrerseits – statt der marginalen Anpassung an den Rändern? Es ist ja nicht alles schlecht, aber wo ist der große Wurf, den eine große Koalition durchaus schaffen könnte? – Das vermissen die Menschen zu Recht.

Und das betrifft nicht nur die klassische Sozialpolitik, sondern das betrifft die aktive Arbeitsmarktpolitik und insbesondere die Steuer- und Abgabenpolitik in Österreich. Und last, but not least: „Der Spiegel“, „Die Zeit“, die „Financial Times“, der „Econo­mist“ – alle internationalen Medien sprechen von Klimaveränderung, Klimaveränderung und noch einmal Klimaveränderung und davon, was noch getan werden kann, um die Klimaerwärmung wenigstens zu bremsen, wenn schon nicht hintanzuhalten. Die ganze Welt diskutiert darüber. Auch Sie haben in Ihrem Regierungsprogramm das eine oder andere Ziel genannt, aber nicht eine Maßnahme, um dorthin zu kommen. Ich werde noch darauf zurückkommen.

Das wären Dinge gewesen, die eine große Koalition angehen muss, die sich großen Problemen widmet, die große Würfe schafft, eine Koalition mit vielleicht auch etwas Unpopulärem am Anfang ihrer Regierungszeit, wenn Sie schon Schüssel kopieren wollen. Aber nichts dergleichen! Da wird ein bisschen vor sich hin verwaltet, dahin­administriert, da lassen Sie Routine walten, statt Ernst zu machen und entschlossen vorzugehen und gleichzeitig den Menschen in Österreich zu erklären, warum etwas notwendig ist. – Etwas, was die alte Schüssel-Regierung sträflich vernachlässigt hat: von der Pensionsreform bis zu anderen Dingen.

Herr Kollege Stummvoll, schütteln Sie nicht den Kopf! Wenn es anders gewesen wäre, dann hätten Sie zum Beispiel die „größte Steuerreform aller Zeiten“, wie Sie behauptet haben, den Menschen besser nahebringen können. Offensichtlich hat kein Mensch auf dieses angeblich größte Steuerreformprogramm reagiert.

Die Regierung Gusenbauer I – ob es „II“ je geben wird, das werden wir ja sehen – hat natürlich ein Glaubwürdigkeitsproblem, und das wissen wir alle, denn Wahlversprechen wurden nicht gehalten. Aber im Wesentlichen betrachte ich das zunächst einmal als ein Problem der SPÖ – und nicht aller Abgeordneten des Hauses. Schließlich haben die grünen Abgeordneten ja nicht versprochen, was die SPÖ nicht gehalten hat. Das muss die SPÖ mit sich selber ausmachen.

Herr Bundeskanzler, aber um eines bitte ich Sie schon: Nicht gleich die ersten Tage damit zu verbringen, den Abgeordneten dieses Hauses über die Medien schlichte Unwahrheiten zu sagen. Ich hätte gedacht, Sie haben sich vorgenommen, wenigstens im Stil Österreich ein bisschen anders zu regieren. Fangen Sie nicht damit an, den Abgeordneten ein X für ein U vormachen zu wollen und uns schlicht Unwahres aufs Aug drücken zu wollen!

Ich beziehe mich auf Ihre Stellungnahmen zu den Studiengebühren. Herr Dr. Gusen­bauer! In einem Interview, erschienen am Samstag, 13. Jänner, werden Sie vom „Standard“ gefragt: „Der Sozialdienst ist damit vom Tisch? Sie haben auch von Arbeit in einem Hospiz gesprochen.“ – Antwort Gusenbauer: „Es ist nie um Sozialdienst gegangen. Das ist eine erfundene Behauptung.“


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Herr Bundeskanzler! Ich bin weder derrisch noch komplett taub. Ich habe die Presse­erklärung von Ihnen und Herrn Dr. Schüssel am Montag, glaube ich, letzter Woche verfolgt, und selbstverständlich war dort ausdrücklich von Leistungen im Hospizdienst die Rede. Und wenn Sie das für eine „erfundene Behauptung“ halten und nicht nach­prüfen wollen, dann muss das Regierungsprogramm ebenso erfunden sein, wo näm­lich auf Seite 97 im Rahmen der Maßnahmen im Bereich der Studiengebühren steht:

„Hierbei wird besonders an ... im Rahmen des Schulwesens und an Tätigkeiten im Rahmen neuer sozialer Herausforderungen (Hospiz-Bewegung u.ä.) gedacht.“

Wenn das frei erfunden ist, dann frage ich mich, was mit dem Rest des Regierungs­programmes ist, ob das ebenso frei erfunden ist.

Bei der Gelegenheit bringe ich einen Entschließungsantrag ein. (Abg. Ing. Westen­thaler: Sie trauen sich was! – Heiterkeit bei den Grünen.)

Teile der SPÖ werden ja nicht müde, die Abschaffung der Studiengebühren weiter zu fordern. Ein gewisser Erich Haider in Oberösterreich und die Frau Schaunig, glaube ich, in Kärnten machen sich stark, von Voves ganz abgesehen, Gewerkschafter und so weiter. (Abg. Broukal: Der Herr Anschober war leider nicht dafür! – Zwischenruf des Abg. Dr. Cap.) Herr Kollege Cap, aber Herr Broukal war für die Abschaffung der Studiengebühren.

Deswegen bringe ich einen Entschließungsantrag ein, und zwar der Abgeordneten: „Broukal“ durchgestrichen – ich habe Ihren Antrag übernommen, Herr Broukal; also „Broukal“ durchgestrichen – und „Van der Bellen, Grünewald“ drübergeschrieben, und nicht eingebracht im Zuge der Debatte zur Dringlichen Anfrage „Chaos in der Bildungs­politik“ – das war damals im September –, sondern natürlich heute zur Erklärung der Bundesregierung.

Den gesamten Text habe ich unverändert gelassen, Herr Broukal (Abg. Broukal: Danke!), mit Ausnahme eines ärgerlichen Stilfehlers, würde ich einmal sagen: Sie schreiben: „Drei Viertel der berufstätigen Studierenden müssen bereits arbeiten ...“ (Heiterkeit bei den Grünen und der ÖVP.) Also: Dass drei Viertel der berufstätigen Studieren bereits arbeiten, das hätte ich mir schon gedacht. Ich habe mir erlaubt, „berufstätigen“ zu streichen, und dann lautet es: „Drei Viertel der Studierenden müssen bereits arbeiten ...“ (Abg. Broukal: Herr Professor, ich danke Ihnen!) – Danke schön, Herr Broukal, für diesen Antrag.

Der Entschließungsantrag lautet:

„Die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur wird aufgefordert, die Studiengebühren abzuschaffen.“

(Beifall bei den Grünen.)

Wie es die Ironie will, ist die zuständige Bundesministerin heute unsere neue Bildungs­ministerin, Frau Dr. Schmied, weil ja das Bundesministeriengesetz noch nicht geändert ist, und Herr Minister Hahn ein Minister ohne Portefeuille, sodass auch dieser Punkt des Antrages Broukal vollkommen korrekt ist. Ich bitte Sie nun, Herr Kollege Broukal, dem Antrag Broukal, Van der Bellen, Grünewald – obwohl ich Sie vorläufig durch­gestrichen habe – zuzustimmen. Ich fordere auch die anderen Abgeordneten, nament­lich aus Oberösterreich, auf, dem Antrag zuzustimmen. Wenn Sie das nicht tun, dann wissen wir, was wir von den Initiativen von Erich Haider zu halten haben. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Fekter: Na, nichts! Als Oberösterreicher wissen wir das schon lange!) Für die steirischen und für die Kärntner SPÖ-Abgeordneten gilt dasselbe. Wir werden ja sehen.


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Spaß beiseite (Abg. Dr. Graf: Die Studiengebühr ist kein Spaß!), meine Herren – in dem Fall: Mein Herr. Was Sie zu den Universitäten zu sagen haben, ist schon traurig. In der Rede von Bundeskanzler Gusenbauer war das ein „Absätzchen“. Im Regie­rungsprogramm ist es ein bisschen mehr, es enthält eine Reihe von vermutlich sinnvollen Maßnahmen. Einige davon würden Geld kosten: die Betreuungsverbes­serung etwa, die Verbesserung der Relation zwischen Professoren und Studierenden wird Geld kosten, die weitere Internationalisierung der Universitäten wird Geld kosten, die baulichen Maßnahmen, die Neubeschaffung von Geräten wird Geld kosten. – Nichts davon findet sich im Regierungsprogramm wieder.

Im Rahmen des Forschungs- und Entwicklungsprogramms, das etwas besser ist, das gebe ich zu, werden ein bisschen mehr Mittel an die Universitäten fließen. Aber, meine Damen und Herren, nur von den Größenordnungen her gesehen und um zu zeigen, wie wenig Sie die Zeichen der Zeit erkennen: Die EU-Kommission – ist das auch eine schäbige neoliberale Erfindung, Herr Kollege Cap? –, die EU-Kommission ist der Meinung, die Länder der Europäischen Union sollten sich auf 2 Prozent des BIP für die Univer­sitäten einigen. Die USA geben bedeutend mehr aus für die wissenschaftliche Forschung. Wo stehen wir in Österreich? – Bei rund 1 Prozent des BIP!

Jetzt für die, die nicht schnell genug umrechnen können: Wir reden hier von einem fehlenden Betrag für die Universitäten und Fachhochschulen von rund 3 Milliarden €! Sicher nicht von heute auf morgen machbar – die EU-Kommission spricht vom Jahr 2015. Es ist also innerhalb von acht Jahren zu machen und machbar, aber nur, wenn man heute damit anfängt.

Und was tun Sie? – Sie lassen die Studierenden im Stich, Sie lassen die Lehrenden im Stich, Sie lassen die Forscher an den Universitäten im Stich. Sie schieben das Jahr für Jahr hinaus. Lesen Sie zumindest das Forderungsprogramm der Rektorenkonferenz, dann kommen Sie drauf, was alles nicht im Regierungsprogramm steht, von anderen Empfehlungen ganz zu schweigen.

Etwas positiver ist die Sache bei Forschung und Entwicklung. – Sie sehen ja, ich bemühe mich, fair zu sein. – Herr Kollege Stummvoll, die 3 Prozent F&E-Quote des Jahres 2010, die unterschreiben wir alle hier im Hause, glaube ich, alle, nur: Wie werden Sie dorthin kommen? Die Maßnahmen, die Sie vorgesehen haben, reichen nicht aus! Im Endausbau 2010 werden es zusätzlich 400 Millionen sein, die Sie vorgesehen haben, aber ein bisschen Nachrechnen zeigt Ihnen, 2,4  oder etwas mehr Prozent heute – rechnen Sie es nach! –, 3 Prozent im Jahr 2010 sind rund 9 Milliarden. Rechnen Sie es nach. (Abg. Dr. Stummvoll: Sie sind kein guter Prophet!) Wenn nur ein Drittel vom Zusatz auf den Bund entfällt – Herr Kollege Stummvoll, Sie können rechnen, tun Sie es bei Gelegenheit; ein Briefumschlag genügt, ein leerer, auch ein voller –, fehlt eine Milliarde zusätzlich für den Bund allein 2010. Wo ist denn die? Nicht einmal die Hälfte haben Sie budgetiert!

Ich sage das nur deswegen, weil hier wesentliche Zukunftschancen Österreichs nicht rasch genug, nicht energisch genug angegangen werden von dieser Regierung. Das ist ja das Problem. Ich bin ja nicht einfach ein Lobbyist der Universitäten, sondern ich bin überzeugt, und wir alle tun so, als wären wir alle davon überzeugt, dass der For­schungsbereich, die wissenschaftliche Ausbildung die Grundlage, eine notwendige Grundlage für den Arbeitsmarkt der Zukunft und ganz generell für die Entwicklung einer Persönlichkeit ist, ganz jenseits der bildungspolitischen Erfordernisse für die Entwicklung des Arbeitsmarktes allein.

Dann müssen Sie aber auch damit anfangen, meine Damen und Herren, und nicht jahraus, jahrein vor sich hin verwalten und ein bisschen eine Budgetzahl fortschreiben. Das wird nicht genügen!


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Das Gleiche gilt für den Klimaschutz. Sie haben in die Energiepolitik einige gute Ziele in Ihr Programm hineingeschrieben, aber kaum Maßnahmen. Wie werden Sie diese Ziele erreichen bei der Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energie? Oder in der Beimischung von Biokraftstoffen zu den fossilen Brennstoffen? Wie werden Sie im Verkehr sanfte Mobilität gewährleisten können, mehr als bisher, wenn wir alle wissen, dass es im Verkehr die höchsten Zuwachsraten von Treibhausgasemissionen in Österreich gibt?

Sie wollen das berühmte Kyoto-Ziel auch in Österreich erreichen – aber wie? Sie wissen doch ganz genau, dass wir derzeit, im Jahr 2007, meilenweit von der Er­reichung der Ziele entfernt sind, die die ganze Europäische Union, darunter auch Österreich, sich verbindlich vorgenommen hat, 2010 bis 2012 zu erreichen. Diese Ziele werden wir nicht erreichen, wenn Sie keine Maßnahmen setzen!

Und Sie übersehen – von den Sozialdemokraten bin ich das gewöhnt, aber bei der ÖVP überrascht mich das nach wie vor –, Sie übersehen die Arbeitsmarktchancen in diesem Bereich der neuen Energiepolitik. (Beifall bei den Grünen.) Die SPÖ war auf diesem Ohr immer taub. Sie hat es nie verstanden, dass moderne Energiepolitik auch moderne Umweltschutzpolitik ist. Bei der ÖVP gab es Leute genug, die das verstehen. Bei einem Ihrer Besten, einem der profiliertesten EU-Kommissare, die es je gegeben hat – ich sage das ganz offen –, Franz Fischler, müssten Sie nur die eine oder andere Nachhilfestunde geben – ich meine natürlich: nehmen. Herr Bundeskanzler Gusen­bauer, statt in die Schule zu gehen und dort Ihre Zeit zu vertun: Von einem Bundes­kanzler erwarte ich mir offen gesagt etwas anderes. (Beifall bei den Grünen.) Aber eine Nachhilfestunde nehmen, das könnten Sie schon, nämlich bei Franz Fischler, und zwar bezüglich dessen, was moderne ökosoziale Energiepolitik ist. Das würde mich freuen, das würde dieser Regierung mit Sicherheit etwas an Produktivität bringen!

Zur Steuer- und Abgabenpolitik: SPÖ und ÖVP bringen nicht mehr zusammen in einer modernen Steuer- und Abgabenpolitik als das, was im Regierungsprogramm steht? Auf der vorletzten Seite ein Absatz, der keinerlei konkrete Festlegungen enthält? – Herr Minister Bartenstein, Sie haben neulich gute Interviews gegeben, was Prioritäten in der Verlagerung der Sozialabgabenlast betrifft, von den unteren und untersten Ein­kommen zu den mittleren und obersten Einkommen. Sie haben ausdrücklich davon gesprochen, die Lohnnebenkosten im untersten Lohnbereich zu reduzieren, einerseits, nehme ich an, um die Situation der Betroffenen zu verbessern, ihr Nettoeinkommen, andererseits vom Arbeitgeber aus gesehen, um diese Leute beschäftigungs- – wie soll ich sagen? – attraktiver zu machen.

Im Regierungsprogramm steht davon nichts. Im Regierungsprogramm steht bei der Steuer- und Abgabenstruktur, die Sie im Jahre 2010 im Auge haben, davon nichts. Es ist eine der üblichen Passagen, und die kommen dutzendfach vor, in vielen Dutzenden von Fällen, wo Sie prüfen werden, analysieren werden, ungefähr 40 Arbeitsgruppen einsetzen werden. Nur: Geeinigt haben Sie sich auf nichts.

Das wird eine schöne Bescherung geben! Der Opposition wird sicher nicht fad werden in den kommenden zwei, drei Jahren (Abg. Dr. Fekter: Vier!), solange halt diese Koalition hält, angesichts der mangelnden Einigung in wichtigen und wichtigsten Fragen. Offensichtlich brauchen Sie noch einen Drive dahinter. Ich weiß nicht, an wen ich mich eher wenden soll: An die Sozialdemokraten, die im Wahlprogramm ver­schiedene gute Sachen drinnen hatten – mittlerweile Schwamm drüber! –, oder an die ÖVP, die zumindest in wirtschaftspolitischer Hinsicht früher einiges am Kasten gehabt hat?

Wo sind denn jetzt die großen Programme? Wo steht denn das, was Minister Barten­stein in einem Interview als Programm ausgibt, das nicht im Regierungsprogramm


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steht? Was haben Sie eigentlich diese vergangenen 100 Tage gemacht? – Das fragt man sich manchmal. (Beifall bei den Grünen.)

Integration und Zuwanderung, das ist auch so eine Geschichte. – Muss es immer und jedes Mal sein, dass das Integrationskapitel ein Subkapitel von innerer Sicherheit ist und Sie damit von Haus aus suggerieren, dass die ganze Frage von Menschen mit nichtösterreichischem Pass irgendwie mit der Frage der Kriminalität in Österreich zusammenhängt? Ist das Ihr Ernst?

Natürlich gibt es kriminelle Ausländer, es gibt auch Kriminelle mit österreichischem Reisepass – genug, oder zu viele, wenn Sie wollen. Aber muss das immer dort zusammengefasst werden? – Das sagt ja einiges darüber aus, wie Sie diese Frage angehen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Niederwieser.)

Es gibt auch positive Maßnahmen in diesem Bereich wie im Schulbereich, was Sie auch angeschnitten haben, im Kindergartenbereich und anderswo. Aber: Wo wird das Geld dafür sein? – Das kostet ein bisschen etwas! Integration ist eine zweiseitige Angelegenheit, meine Kollegen von der ÖVP und der SPÖ. Das verlangt etwas von den Zuwanderern und verlangt etwas von uns. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.) – Und dieses Geld, diese budgetpolitischen Prioritäten fehlen in Ihrem Programm vollkommen.

Frau Präsidentin, ich nehme an, das war mein Schlusssatz. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

10.41


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der von Herrn Abgeordnetem Dr. Van der Bellen verlesene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Van der Bellen, Grünewald und KollegInnen betreffend Abschaffung der Studiengebühren

eingebracht im Zuge der Debatte zur Erklärung der Bundesregierung

Die Schüssel-Regierung hat die österreichischen Universitäten ausgehungert und Studiengebühren eingeführt.

Während der Anteil des Hochschul-Budgets am BIP 1999 noch 1,22 % betrug, sind es im Jahr 2006 nur noch 0,78 %. Die Folgen dieses Kahlschlags sind für die betroffenen StudentInnen katastrophal: Überfüllte Hörsäle, zu wenig Labor- und Seminarplätze, kaputte Geräte, die aufgrund mangelnder Kosten nicht repariert werden können, chaotische Zustände bei der Inskription. In vielen Fächern wurden Studien­beschrän­kungen eingeführt, zahlreiche Studierende können aufgrund mangelnder Ressourcen ihr begonnenes Studium nicht weiter fortsetzen. Die Studiengebühren haben zum Rückgang des Anteils von Studierenden aus bildungsferneren und sozial benachteilig­ten Schichten geführt und eine erhebliche Ausweitung der Erwerbstätigkeit von Studie­renden bewirkt. Drei Viertel der Studierenden müssen bereits arbeiten und haben durch die Studiengebühren einen erhöhten finanziellen Druck, einen eingeschränkten Lebensstandard und zum überwiegenden Teil finanzielle Probleme.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden


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Entschließungsantrag:

„Die Bundsministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur wird aufgefordert, die Studiengebühren abzuschaffen.“

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Klubobmann Dr. Cap zu Wort. Ebenfalls 20 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


10.42.14

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Klubobmann Van der Bellen, Gott sei Dank habe ich einen Kaffee getrunken, bevor Sie gesprochen haben. (Heiterkeit.) Also, ein Inspirationsfeuerwerk war das nicht, ein bisschen etwas an Alternativen hätte ich mir schon vorgestellt. Das bloße Kritisieren ist natürlich auf Dauer auch zu wenig. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und BZÖ.)

Na ja, aber das Lachen wird Ihnen gleich etwas im Hals stecken bleiben, Herr Klub­obmann Westenthaler. Die drei Oppositionsparteien hätten ja die Möglichkeit gehabt, dass es anders wird – das muss man schon sagen. (Zwischenruf des Abg. Scheibner.)

Es ist schon richtig: Sie wollten für die Orangen pragmatisierte Regierungssitze haben – einmal drinnen, immer drinnen. Das ist okay, dieses Ansinnen verstehe ich. (Abg. Ing. Westenthaler: Was jetzt?)

Aber ansonsten erinnere ich mich mit Interesse an die Aussage beispielsweise von Kollegem Van der Bellen im „NEWS“ vom 2. November, wo er sagt: Es muss eine große Koalition geben. So ist das Wahlergebnis. (Abg. Dr. Van der Bellen: Aber nicht eine beliebige!)

Das steht aber da! Sie sind schon eine Art Geburtshelfer der großen Koalition. Das wollen wir schon einmal feststellen. (Abg. Dr. Van der Bellen: Jetzt bin ich schuld an dem Debakel?!) Ihr Wunsch ist in Erfüllung gegangen: Wir sind da! Ihr Wunsch ist in Erfüllung gegangen! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Bei längerem Nachschauen habe ich sogar von Kollegem Strache, der ja nach mir spricht, so ein Zitat gefunden, der gemeint hat: Es ist nun einmal die einzige Zweier-Koalition, die möglich ist, und jede andere Koalition halte ich nicht für lebensfähig. – Danke für diese nette Aussage! Das heißt, es ist die einzige Koalition, die lebensfähig ist. Solch eine Opposition kann man sich nur wünschen. Ich würde sagen: Machen Sie einfach auf diesem Weg weiter!

Es hat ja durchaus auch innerparteiliche Diskussionen bei den Grünen dazu gegeben. Kollege Voggenhuber hat gemeint:

Es wäre einfach bedrückend, wenn es der größte Einfluss der Grünen in der Politik gewesen wäre – er hat gemeint, die letzten 20 Jahre –, dass sie die große Koalition herbeigeführt haben. Ich muss mich schon fragen, wo da der Gestaltungswille meiner Partei bleibt. – Zitatende.

Das zitiere ich deswegen, weil ich mir eben von Klubobmann Van der Bellen erwartet habe, dass dieser Gestaltungswille in seiner Rede zum Ausdruck kommt, dass er sagt: Okay, das steht jetzt im Regierungsübereinkommen, aber ich habe eine andere Vorstellung. – Das habe ich eigentlich nicht gehört, daher kann ich mit dieser Art von Kritik nicht sehr viel anfangen.


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Ich möchte etwas zur Sprache dieses Regierungsübereinkommens sagen. Ich habe ja mitverfolgen können, wie sich diese Sprache entwickelt. Es gibt vieles, was natürlich im Gestaltungsspielraum der einzelnen Ressorts anzusiedeln ist. Es gibt da Zielsetzun­gen, manches wird in den Budgetverhandlungen auszuverhandeln sein – ich finde an Arbeitsgruppen nichts Schlechtes (Abg. Ing. Westenthaler: Aber nicht 40!), das dient der Präzisierung und Konkretisierung – und ist dann umzusetzen. Ich finde das positiv!

Ich finde das positiv, weil damit hier der Wille zum Ausdruck gebracht wird, es wird wirklich der Versuch gestartet, für Österreich das Beste zu machen, sich das vorher zweimal und dreimal zu überlegen, nicht so, wie es in der Vorgängerregierung ein paar Mal der Fall war, dass man sich dann dauernd beim Verfassungsgerichtshof wieder­gefunden hat und Gesetze aufgehoben, aufgehoben und aufgehoben wurden. – Das sollte man nicht ganz vergessen. Das war vorher schon der Fall.

Ich möchte noch etwas sagen, was die Handlungsfähigkeit einer jeweiligen Regierung betrifft. Die Handlungsfähigkeit bestimmt sich natürlich auch durch die finanziellen Möglichkeiten.

Herr Professor Van der Bellen! Sie haben da eine sehr harte Analyse auch des wirt­schaftlichen Teiles getätigt. Ich finde es richtig, dass man die Steuerreform anvisiert, dass sie die kleinen und mittleren Unternehmer, die kleinen und mittleren Einkommen fördern und unterstützen soll und dass sie dann zu machen ist, wenn dafür auch die Möglichkeit gegeben ist.

Aber eines kann ich natürlich denjenigen, die verantwortlich waren für das, was vorher geschehen ist, nicht ersparen, nämlich, in welcher Situation die österreichischen Staatsfinanzen hinterlassen wurden. (Rufe bei ÖVP und BZÖ: Sehr gut!)

Das ist schon wichtig. Ja, ja! In welcher Situation sie hinterlassen wurden, nämlich in den letzten sieben Jahren, als Karl-Heinz Grasser quasi als selbsternannter Sparefroh mit dem Zweispitz durch die Innenpolitik gehüpft ist und uns dauernd gesagt hat, welch tolle Sparpolitik dieser Regierung das ist.

Da muss ich sagen: Wenn ich mir das Budgetdefizit anschaue, wenn ich mir die Schulden der ÖBB, der ASFINAG, wenn ich mir die Situation des Familienlasten­ausgleichs anschaue – das alles muss man ja sehen! Wir haben dann, als der Kassasturz (Zwischenruf des Abg. Murauer) – nicht so nervös reagieren jetzt! – stattgefunden hat – man muss ja wissen, auf welcher Basis man ein Regierungs­programm macht –, gesehen, da ist nicht viel Geld übrig geblieben. Da ist eben viel Geld auf dem Weg zum Kassasturz verloren gegangen und das hat natürlich die Möglichkeiten, die Schnelligkeit von Maßnahmen bestimmt und eingeschränkt. Das muss man einmal in aller Deutlichkeit sagen, damit die Zuschauerinnen und Zuschauer sehen, wie die Ausgangssituation war.

Am Beispiel Klassenschülerhöchstzahl 25: Warum ist das ein Richtwert? – Na klar hätten wir alle gerne gehabt, dass das sofort und gleich zustande kommt! Wieso muss man das schrittweise anstreben? – Es ist anhand von anderen Beispielen im Regie­rungsprogramm genauso: Wir bekennen uns dazu, hier eine verantwortliche Budget­politik zu machen – das ist keine Frage –, aber wir können nur das ausgeben, was da ist. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Und dafür, was da ist und was nicht da ist, tragen Sie (in Richtung ÖVP) die Verant­wortung – jetzt ist der Applaus richtig. Dafür tragen Sie die Verantwortung. Das sei einmal in aller Deutlichkeit hier festgestellt. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf: Das fängt schon sehr gut an!) – Finde ich auch.

Ich finde auch, dass die Job-Rotation der neuen Art sehr positiv ist: Klubobmann wird Bundeskanzler, Bundeskanzler wird Klubobmann. Das ist in Ordnung. Das, finde ich,


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ist einmal eine Belebung hier herinnen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Klubobmann wird Bundeskanzler, Bundeskanzler wird Klubobmann. Ich finde das belebend! Wir werden in unseren Präsidialkonferenzen auch einen Belebungsfaktor haben. (Vizekanzler Mag. Molterer: Jetzt wird es gefährlich! – Abg. Ing. Westenthaler: Kanzler Josef Cap!)

Aber nun zu den einzelnen Punkten, zu den Studiengebühren von vorhin. Ich finde ja Folgendes beachtlich: Ich habe mir die heutigen Interviews des neuen Universitäts­ministers durchgelesen. Die sind philosophisch inspiriert, er engagiert sich für die Förderung und Ausweitung der Förderung der Stipendien. Aber: Wann haben Sie eigentlich Ihre erste Universitätsveranstaltung, Herr Minister? – Sie werden dort eine Informationsveranstaltung machen, Sie werden sich ja dort vorstellen wollen.

Welche Universität werden Sie sich aussuchen? Was werden Sie dort den Studentin­nen und Studenten mitteilen? Das, was Sie in Ihren Interviews gesagt haben, oder wird es ein bisschen mehr sein? Werden Sie dort beispielsweise auch etwas zu den Werkstudenten sagen? Soll es da eine Veränderung geben? – Das wäre nämlich ganz wichtig, die sind ohnehin schon berufstätig. Werden Sie etwas zu den allein erziehen­den Müttern sagen? Werden sie weiter Studiengebühren zahlen müssen oder nicht?

Sie sollten sich nicht hinter der Hecke verstecken, denn die Erfinder der Studien­gebühren, das war die ÖVP! Sie sind der ÖVP-Universitätsminister!

Sie müssen jetzt irgendwann einmal diese Informationsveranstaltung machen. Ich schätze, Sie werden ziemlich blass von dieser Veranstaltung zurückkommen, Sie werden mich vielleicht anrufen und sagen: Jetzt reden wir doch einmal. – Ich glaube, das letzte Wort zu den Studiengebühren ist noch nicht gesprochen, ich prophezeie Ihnen das, Herr Universitätsminister. (Beifall bei der SPÖ.)

Das würde ich auch richtig finden. Ich mache da aus meinem Herzen keine Mörder­grube: Ich finde, das sollte man wirklich noch einmal überdenken. Man sollte hier wenigstens jene Veränderungen überlegen, die die allein erziehenden Mütter betreffen, man sollte sich etwas überlegen, was die Werkstudenten betrifft, das Kreditmodell, Ausbau und Förderung der Stipendien. Da gibt es ja so viele Möglichkeiten, um das so zu durchlöchern, dass am Schluss wahrscheinlich ohnehin nichts mehr übrig bleibt.

Aber ich sage Ihnen noch etwas. Herr Klubobmann Van der Bellen hat hier vorher gefragt, was eigentlich die großen Visionen sind. – Ich finde, dass einmal grundsätzlich ein Wechsel, ein Klimawechsel, mehr Liberalität, mehr Offenheit angesagt sind, allein schon dadurch, dass es hier eine neue Regierungskonstellation gibt. Das drückt sich auch in diesem Regierungsprogramm in vielen Kapiteln, so glaube ich, sehr deutlich aus.

Es ist noch nicht einmal die Regierung gebildet gewesen, hat es schon eine Verän­derung gegeben, was den Ausgleichszulagenrichtsatz betroffen hat. (Abg. Öllinger: Dafür haben wir die Regierung nicht gebraucht!) Der Kampf gegen die Armut ist ein wichtiges Anliegen. Es kann uns nicht egal sein, ob es in einem der reichsten Länder wie Österreich Armut gibt oder ob sich eine Regierung dazu bereit findet, diese Armut zu bekämpfen. Das ist ein Anliegen all derjenigen, die für eine solidarische Gesell­schaft, eine solidarische Leistungsgesellschaft eintreten. Ich habe es nie in Ordnung gefunden, wie sich so manche von Ihnen hergestellt und die bedarfsorientierte Mindestsicherung als einen Bezug für Faulpelze verleumdet haben.

Das war nämlich eine bewusste Irreführung. Eine bewusste Irreführung! Es ist ausschließlich darum gegangen, dass jemand, der Leistungen bezieht, nicht unter die Armutsgrenze fällt. Das ist etwas, das hier in Österreich einen breiten Konsens hat,


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von den Kirchen, von aller christlicher Inspiration her. Herr Ewald Stadler, Sie sind ja so christlich inspiriert. Sie müssen ja da gleich sehr zustimmend nicken. Und viele andere gibt es, die meinen, dass das ein wirklicher Schritt ist, dass eine reiche Gesell­schaft auch solidarisch sein soll und dass das ganz wichtig ist für das gesamte gesellschaftliche Klima.

Ich weiß schon, da gibt es noch manche Bereiche, wo man den Zug der Zeit nicht verpassen soll. Das war die Diskussion, die wir über die eingetragene Partnerschaft, die Frage der Gesamtschule hatten – lauter Dinge, für die wahrscheinlich in der ÖVP noch eine andere Generation nachwachsen muss, damit diese Veränderung in der ÖVP eintritt, um diese Verhärtungen aufzulösen. Vielleicht gibt es das. Ich hoffe das.

Ich glaube, dass es berechtigt ist, wenn man sich zu diesen Punkten hier mehr Gedanken macht und nicht sagt, na gut, das ist halt momentan die Stimmung oder die Beschlusslage der ÖVP und das ist unveränderbar.

Ich bin auch bemüht, durchaus im Rahmen des neuen Regierungskonsenses doch auch die eigenen Positionen darzustellen und zu sagen, wir werden da nicht locker­lassen, denn so eine Legislaturperiode dauert noch, so eine Legislaturperiode hat dieses Regierungsübereinkommen als Basis, aber es ist durchaus möglich, auch noch zusätzliche Ideen zu entwickeln. Sie werden das als Regierungspartner genauso machen, wie wir das machen werden. Auch wenn die Oppositionsparteien gute Ideen haben, was ja wirklich nicht auszuschließen ist, dann werden wir versuchen, das aufzugreifen.

Das ist auch das, was in diesem Regierungsprogramm als besonders positiv hervor­zuheben ist: der neue Umgang mit dem Parlament, der Umgang mit den Oppositions­parteien, die Stärkung der Kontroll- und Minderheitsrechte. Na ja, das war früher – und das sage ich durchaus selbstkritisch – nicht so selbstverständlich, und zwar weder in den letzten sieben Jahren noch vorher.

Ich finde es in Ordnung, wenn man das auch im Regierungsübereinkommen verankert hat. Das ist auch für die Bürgerinnen und Bürger wichtig, denn es haben ja manche SPÖ gewählt, manche ÖVP gewählt, aber auch manche die drei Oppositionsparteien gewählt. Und diese Bürgerinnen und Bürger sollen sehen, dass das hier ernst zu nehmen ist – sowohl die Arbeit der Untersuchungsausschüsse als auch die Erfüllung des Prüfauftrages und die Art und Weise, wie man miteinander umgeht: rechtzeitig die Vorlagen bekommen, rechtzeitig die Informationen bekommen, versuchen einzube­ziehen und hier einen neuen Stil zu pflegen.

Wir werden uns hier im Parlament diesbezüglich zusammensetzen. Wir werden schauen, dass für die Zuseherinnen und Zuseher die Fragestunden spannender wer­den, dass diese Kritik an Frage-Antwort eine Form findet, die nicht nur spannend ist, sondern wo sozusagen die Regierungsmitglieder auch mehr Antworten geben, als das früher der Fall war.

Oder: dass die Bürgerinnen und Bürger sehen sollen, wie es in den Ausschüssen bei der Ausschussarbeit läuft. Öffentliche Ausschussarbeit, also transparentes Parlament, also mehr Demokratie.

Ich glaube auch, was die Koalitionsarbeit selbst betrifft, das ist eine Art von Koalition neu, die nicht in den alten Trott der großen Koalition vor 1999 mit all den Dingen verfällt, die auch wir kritisiert oder über die wir im Nachhinein gefunden haben, dass es falsch gelaufen ist. „Koalition neu“ bedeutet hier, dass es nicht Kameraderie, Freunderlwirtschaft, Packelei gibt, sondern Transparenz, die Sorge um Österreich, professionelle Distanz, aber zugleich Grundkonsens.


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Und das soll man probieren. Ich finde, das ist notwendig im Umgang zwischen uns, auch mit den Oppositionsparteien, dass man nicht von Haus aus sagt, alles, was die sagen, ist Oppositionsrhetorik, da höre ich gar nicht erst hin. – Das ist falsch, sondern man muss versuchen, diese demokratische Qualität einzubringen, und ich hoffe, dass das möglich ist.

Betreffend Berichte einzelner Ressorts: Die Opposition soll die Möglichkeit haben – nicht alle Berichte, sonst werden wir hier nicht fertig –, dass es eine gewisse Anzahl von Berichten gibt, wo man sagt, die sind wichtig, die wollen wir hier diskutieren, dafür soll es die Plenaröffentlichkeit geben. Alles im Interesse der Bürgerinnen und Bürger, alles im Interesse dessen, dass man hier wirklich möglichst einen Ideenwettbewerb durchführen kann!

Ich war sehr unglücklich darüber, wie manchmal über diese Koalitionsverhandlungen berichtet wurde. Ich sehe Koalitionsverhandlungen als einen demokratischen Vorgang, wo zwei Parteien versuchen, unter Wahrung der Interessen ihrer Wählerinnen und Wähler möglichst viel in ein Regierungsübereinkommen hineinzubekommen und das möglichst mit der Garantie zu verbinden, dass das letztlich auch umgesetzt wird.

Ich bin sehr unglücklich darüber, wenn das immer so zu einem Pokerspiel oder zu einem Kampf heruntergemacht wird oder was auch immer das sein mag. Da geht es um Österreich! Das ist kein Spieltisch. Da geht es um Österreich und um die Anliegen, dass dieses Land noch zukunftsfähiger wird und dass die guten Ideen letztlich auch Eingang finden und auch umgesetzt werden.

Unglücklich bin ich nach wie vor darüber, dass die Bewegung seitens der Hersteller­firma, was die Eurofighter betrifft, noch nicht ausreichend ist. Ich glaube, dass das im Interesse Österreichs wichtig wäre. Es ist bedauerlich, dass so ein Vertrag gestaltet wurde, der anscheinend so wenig Handlungsspielräume zulässt. Ich meine, dass da sehr viel Steuergeld hineingeronnen ist – und das ist schade. Das stellt nach wie vor eine – dazu bekenne ich mich – Steuergeldverschwendung dar.

Sie haben selbst gesehen – der Vorredner hat das angesprochen, der Nachredner wird das wahrscheinlich auch tun –, wenn Sie das Regierungsprogramm kapitelweise durchgehen und sagen, aber da hätten wir vielleicht noch mehr an Finanzen mobili­sieren können. Dann vergessen Sie nie, was der Grund dafür ist! (Abg. Dr. Graf: Für uns das fehlende Rückgrat!)

Der eine Grund ist der, wie die Staatsfinanzen hinterlassen wurden mit all den ausge­lagerten Bereichen, der andere die Anschaffungen, die meiner Meinung nach überflüssig sind.

Aber trotzdem, finde ich, ist es mehr als herzeigbar, und es hat eine deutliche sozial­demokratische Handschrift, besonders im Vergleich zu dem, was vor sieben Jahren im Regierungsübereinkommen gestanden ist. – Klubobmann Westentaler, Sie können das schwer beurteilen, denn Sie haben nur im Liegen regiert und haben gar nicht so richtig gesehen, was da passiert, aber wir wollen schauen, dass das auf Augenhöhe passiert, dass wirklich zwei Partner in dieser Regierung tätig sind.

Da ist der Sozialbereich absolut herzeigbar, inklusive der Veränderungen, die es bei den Pensionen gibt, wo wir die Giftzähne gezogen haben. (Abg. Öllinger: Wo denn?) Da ist der Sozialbereich, was die Armutsbekämpfung betrifft, absolut herzeigbar!

Da ist der frauenpolitische Teil absolut herzeigbar: Endlich haben wir wieder ein Frauen­ministerium! – Das sind lauter nicht nur symbolische Fortschritte, das sind auch positive Inhalte.


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Die Flexibilisierung des Kindergeldes ist absolut herzeigbar und wurde auch weiland versprochen.

Der gesamte Gesundheitsbereich ist zu erwähnen. Wenn da alle, auch die Länder, mitwirken, dann kann es zu positiven Veränderungen kommen, was wichtig ist, weil wir ja immer gesagt haben, wir wollen keine Zweiklassenmedizin. Aber wir müssen natürlich trotzdem dafür sorgen, dass das Gesundheitssystem auch künftig finanzierbar ist.

Zum Bildungsbereich – Kollege Strache wird, so nehme ich an, auf das dann ein­gehen –: Es sind Verbesserungen vorgesehen, was den Deutschunterricht betrifft, was die Integrationschancen betrifft. Es wird darauf geschaut, dass es rechtzeitig Deutschunterricht für diejenigen gibt, die nicht Deutsch als Muttersprache haben. Wir haben den gesamten Vorschulbereich thematisiert, und wir haben letztendlich auch diese sprachliche Ausbildung thematisiert – neben den vielen, vielen Punkten, die vorhin schon in der Regierungserklärung angesprochen wurden. Ich möchte das hier nur noch herausheben und sagen, dass das ein ganz wesentlicher Aspekt dabei ist.

Ich finde auch jene Punkte sehr, sehr positiv, die die Außenpolitik und den Euro­pabereich betreffen: Österreichs Stimme im europäischen Kontext wieder Gewicht zu verleihen. (Rufe bei der ÖVP: Weiterhin! Weiterhin!) Ich glaube, dass vieles, was hier als Modell erarbeitet wurde, dort auch wirklich präsentiert werden kann.

Ein weiterer Punkt ist die Staats- und Verwaltungsreform: diesen Staat bürgernäher zu machen, die Verwaltung kostengünstiger zu organisieren. Wirklich bei aller Wert­schätzung der Arbeit der Beamten, aber es muss sich hier ebenfalls vieles in diese Richtung entwickeln. – Und so könnte man das weiter fortsetzen.

Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik ist wieder im Mittelpunkt: Wirtschaft, Beschäf­tigung, Kampf gegen die Arbeitslosigkeit – deutliche sozialdemokratische Handschrift.

Wenn man sich das alles genau ansieht, was leider in den letzten Tagen in der öffentlichen Berichterstattung überlagert wurde, dann meine ich, das sind Punkte, die äußerst positiv zu bewerten sind. (Präsident Dr. Spindelegger übernimmt den Vorsitz.)

Zu meinem grünen Vorredner muss ich sagen, da schlägt der Teil meines Herzens, der total grün ist, höher (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Wo ist der?), wenn ich mir diesen Energie-, Umwelt- und Landwirtschaftsteil anschaue. Das ist ja wie ein grünes Grundsatzprogramm: Nullvariante Temelín; Antiatomkampf: Österreich bleibt bei der Antiatomenergiepolitik; auf europäischer Ebene zwar für Sicherheit eintreten, aber nicht für die Ausweitung der Atomenergie; Kyoto-Ziel erreichen. Es ist wie ein grünes Grundsatzprogramm! (Ironische Heiterkeit bei den Grünen.) Eigentlich brauchen Sie gar nicht mehr in die Regierung, es ist schon alles, was Sie fordern, in diesem Regie­rungsübereinkommen drinnen. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Selten so gelacht!)

Ich weiß gar nicht, was die nachfolgenden Redner überhaupt noch dazu sagen wollen. Es wird ja jeder Rede der Inhalt geraubt mit dem, was da drinnen ist. Kollege Strache wird sich auch schwertun. Es ist fast alles drinnen, vom Deutschunterricht über innere Sicherheit bis zur Integration. (Abg. Strache: Habe ich nicht gefunden, aber lange gesucht!) – Sagen Sie die Rede ab, es ist bereits im Regierungsprogramm drinnen. Sagen Sie sie einfach ab!

Abschließend: Es ist ein gutes Regierungsübereinkommen, und auf dieser Basis soll jetzt gearbeitet werden. – Herr Bundeskanzler, alles Gute! (Beifall bei der SPÖ.)

11.02


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Klubobmann Strache. Gleiche Redezeit: 20 Minuten. – Herr Klubobmann, Sie sind am Wort.

 



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11.02.45

Abgeordneter Heinz-Christian Strache (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Werte Regierungsmitglieder! Man muss ja dem Herrn Bundeskanzler wirklich gratulieren: Er ist der erste ÖVP-Bundeskanzler mit rotem Parteibuch! Da ist Ihnen wirklich etwas Historisches gelungen, Herr Dr. Gusenbauer. (Beifall bei der FPÖ. – Der Redner hält eine Tafel in die Höhe, auf der unter anderem zu lesen steht: ÖVP-Ehrenmitgliedschaft auf Lebenszeit für Alfred Gusenbauer.) Sie haben die Ehrenmitgliedschaft der ÖVP verdient. Ich darf sie Ihnen hiemit über­reichen. – Bitte sehr. (Bundeskanzler Dr. Gusenbauer: Danke, danke!)

Sie haben wirklich etwas zu Stande gebracht, wofür man in den Verhandlungen nicht drei Monate Zeit gebraucht hätte. Dieses Ergebnis hätten Sie einen Tag nach dem 1. Oktober auch zu Stande gebracht, nämlich den Ausverkauf der SPÖ herbeizuführen. Es ist die Fortsetzung einer inhaltlichen Regierung von Schwarz-Orange jetzt halt mit Ihnen als Bundeskanzler. Sie sind ein Kanzler mit einem Titel ohne Mittel, der in allen inhaltlichen Bereichen umgefallen ist. Das sieht man ja schon an der Sitzordnung heute auf der Regierungsbank: Hinter mir sitzt der Herr Bundeskanzler Dr. Gusen­bauer, rechts flankiert vom ÖVP-Vizekanzler Molterer, dann die ÖVP-Außenministerin Plassnik, dann der ÖVP-Umweltminister Pröll, auf der linken Seite auch ÖVP-Minister, der ehemalige Verteidigungsminister, jetzt Innenminister Platter, dann Wirtschafts­minister Bartenstein. – Also der rote Bundeskanzler wird von der ÖVP förmlich auch bildlich eingezwickt. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.) Und genau so muss man das leider Gottes auch sehen.

Der Sandkastentraum des Dr. Gusenbauer ist in Erfüllung gegangen. Er hat heute einen Freudentag – im Gegensatz zu jenen Menschen, die am 1. Oktober der SPÖ das Vertrauen geschenkt haben in der Hoffnung, dass sich inhaltlich etwas verändern wird, dass der Globalisierungswahnsinn, der heute schon angesprochen wurde, der Euro­päische-Unions-Wahnsinn endlich gestoppt wird und man wieder eine soziale Politik sicherstellt, dass man auf die Kleinen im Lande schaut und deren Interessen vertritt, dass man die Wahlversprechen, die man gegeben hat, einhält und die Studien­gebühren abschafft. Dass man gerade in dem Bereich alles, ja sogar das letzte Hemd verschenkt hat, darüber sind die Menschen zu Recht empört.

Ich habe das noch gut in Erinnerung – Sie von den Grünen haben heute ein Transparent in dieser Sache hier ausgerollt –: Im Wahlkampf, in den letzten Tagen vor dem 1. Oktober, hat die SPÖ plakatiert: Sozialfighter statt Eurofighter! – Was ist heute das Ergebnis? Heute ist Herr Dr. Gusenbauer ein ÖVP-Fighter, aber kein Sozialfighter. Ein ÖVP-Fighter ist er! (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Die Eurofighter werden nicht abbestellt, das ist im Grunde genommen fixiert. (Abg. Großruck: Das haben wir eh vorher auch schon gewusst!) Da sind Sie umgefallen, da haben Sie Ihr Hemd abgelegt. Bei den Studiengebühren haben Sie die Hose abgelegt. Bei der Mineralölsteuer, die verteuert werden soll, haben Sie die roten Socken abge­legt und sind jetzt sozusagen der Ersatz für den aus der Regierung geschiedenen Minister Grasser als Nulldefizit-Fetischist. Und dann haben Sie noch die Unterhose abgelegt bei den Eurofightern – und heute steht der Kanzler mit neuen Kleidern da.

Alle Kleider sind ausgezogen, alle Inhalte sind abgelegt, aber Hauptsache, man ist Bundeskanzler: ein Bundeskanzler, der in Wirklichkeit Untermieter der ÖVP ist! Der Hauptmieter ist in dem Fall Vizekanzler Molterer, wobei man natürlich sagen muss, dort, wo Molterer draufsteht, ist immer Schüssel drinnen. Das ist so, das sind die Zwillinge der ÖVP. (Beifall bei der FPÖ.)

Es hat sich inhaltlich zu vorher an der Programmatik nichts geändert – bis auf die Grundsicherung, Entschuldigung, da gibt es eine Neuerung! Bei der Grundsicherung


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hat die ÖVP gemeinsam mit der SPÖ gesagt, in Zukunft soll es ein arbeitsloses Grundeinkommen in der Höhe von 726 € geben. Na, da wird sich jeder anständige Arbeitnehmer, der fleißig arbeiten muss und nicht viel mehr als 726 € im Monat ver­dient, wirklich bedanken, wenn er jetzt hört, da sollen in Zukunft manche, die überhaupt nicht bereit sind, eine Leistung zu erbringen, 726 € an arbeitslosem Grundeinkommen erhalten.

Im Bildungsbereich streichen Sie heraus, was für tolle Errungenschaften es geben wird. 25 Schüler pro Klasse – es wäre schön, wenn Sie das auch verbindlich im Regierungsprogramm festgeschrieben hätten, aber Sie schreiben ja wieder nur wie überall, das ist ein Ziel von uns, anstatt dass es verpflichtend festgemacht wird, dass das so schnell wie möglich umzusetzen ist.

Wenn Herr Cap heute angesprochen hat, dass die drei Oppositionsparteien ja die Chance gehabt haben: Bitte, Herr Dr. Cap, informieren Sie doch die Wähler nicht falsch! Wer hat denn während des gesamten Wahlkampfes gesagt, mit der FPÖ können wir uns keine Form der Zusammenarbeit vorstellen?! Es waren die Vertreter der SPÖ, die im gesamten Wahlkampf gesagt haben, mit der FPÖ gibt es keine Zusammenarbeit! Genauso auch die Vertreter der Österreichischen Volkspartei, die ebenfalls während des gesamten Wahlkampfs gesagt haben: mit der Freiheitlichen Partei keine Zusammenarbeit!

Wir sind den Wählern im Wort, und wir haben als einzige Partei in diesem Haus Wort gehalten. Das ist der Unterschied! (Beifall bei der FPÖ.)

Natürlich sind Sie die einzig mögliche Koalition gewesen, wenn man davon ausgeht, dass eine Zweierkoalition am 1. Oktober gewählt wurde.

Wenn Sie mich zitiert haben mit der Lebensfähigkeit, dann sage ich Ihnen, ja, so kann man dieses Programm der neuen Regierung zusammenfassen: zu wenig zum Leben, aber zu viel zum Sterben für die Bürger in diesem Land. Das ist der Inhalt, und das ist für viele zu Recht enttäuschend.

Wenn heute ein prominentes SPÖ-Mitglied wie Androsch sagt, dass Bruno Kreisky sich im Grab umdrehen würde, dann hat er schon Recht. Er ist vielleicht nicht der Profundeste, der das sagen sollte, weil er ja selbst ein Vertreter der Großindustrie­interessen ist, aber er hat im Kern schon Recht. Gerade Dr. Gusenbauer, der immer wieder gesagt hat, dass er Kreisky als ein Vorbild für sich sieht, hat in Wirklichkeit all das, was Kreisky inhaltlich einmal erarbeitet hat – und ich sage das jetzt bildlich, denn genauso muss man es sehen –, auf der Müllhalde verschwinden lassen. Und das ist enttäuschend, das ist für viele Menschen enttäuschend!

Viele Menschen haben sich die Füße für Sie abgelaufen, weil sie die Hoffnung hatten, es wird sich durch Sie etwas ändern. Sie sind trotz des BAWAG-Skandals für die SPÖ gelaufen, trotz des ÖGB-Skandals, trotz des Umstandes, dass Sie die Pensionisten später verraten haben, trotz aller möglichen Skandale, vom „Konsum“ angefangen. Sie sind für die SPÖ gelaufen, weil sie die Hoffnung hatten, Sie werden Ihre Ver­sprechungen umsetzen. Und jetzt kommen die Menschen drauf: Alles ist anders! Da wird nach der Wahl eine Gewerkschaftsbank an einen Spekulantenfonds verscherbelt, die amerikanische Spekulantenfondsfirma Cerberus, auf Deutsch Höllenhund. Da werden alle Interessen der Sozialdemokratie zu Grabe getragen. Das sozialpolitische Gewissen wird zu Grabe getragen.

Deshalb kann ich nur sagen, ich lade alle Menschen ein, die zu Recht von Ihrem Verhalten enttäuscht sind, in Zukunft ein Stück des Weges mit uns Freiheitlichen zu gehen (Beifall bei der FPÖ), denn bei uns kann man sich über eines gewiss und sicher sein: Wir halten Wort! Nicht all das, was ich sage, muss man immer unterschreiben


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können. Das ist keine Frage. (Abg. Dr. Mitterlehner: Seit gestern!) Aber wenn ich etwas sage, dann weiß man, dass man sich darauf verlassen kann und dass ich dazu stehe – und genau das ist die Verlässlichkeit in der Politik. Verlässlichkeit braucht es in der Politik! Wenn man als Politiker ein Wahlversprechen gibt, dann hat man es auch einzuhalten.

Es wurde heute von Kompromissen gesprochen: Das sind ja keine Kompromisse, die da zu Stande gekommen sind! Das ist wirklich eine Selbstaufgabe, die da stattge­funden hat. Nicht umsonst fallen mir die Worte eines ehemaligen SPÖ-Bundeskanzlers Sinowatz ein, der einmal gesagt hat: Die Partei ist alles, und ich bin nichts! – Ja, man hat heute den Eindruck, dass Dr. Gusenbauer diesen Spruch umgedreht hat: Er ist alles, und die Partei zählt gar nichts mehr. Das ist offenbar das neu gelebte Motto. (Abg. Großruck: Das haben wir schon einmal gehört! Bringen Sie etwas Neues, das ist ein alter Hut!) – Wenn Sie gestern bei meiner Neujahrsveranstaltung waren, dann darf ich Ihnen gratulieren, dann ist das der erste Weg zur Besserung, und Sie orientieren sich neu. Das freut mich, wenn ich so etwas höre. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Da ist Dr. Gusenbauer letztlich seinem Kurs in den letzten Jahren eigentlich treu geblieben, wenn es darum gegangen ist, auch gegen die Interessen der Bevölkerung konsequent vorzugehen. Da gab es die Station in Moskau mit dem damaligen Kuss, wo sich der Boden nicht wehren konnte. Da gab es als zweite Station Paris samt Champagner-Gelage mit den Brüsseler Sanktionslobbys, die damals gefeiert haben, dass sie Sanktionen gegen Österreich eingeleitet haben. Dann gab es die dritte Station: das Swimmingpool-Planschen bei Millionärsfreunden auf Mallorca, während Österreich im Hochwasser versunken ist, wo man nicht die Sorge hatte, den Urlaub abbrechen zu müssen. Dann gab es die vierte Station, dass die SPÖ im Wahlkampf einen durch und durch neoliberalen Mann auf ihre Liste gesetzt hat, der heute auch im Hohen Haus sitzt, vom Liberalen Forum jemand, der wirklich nicht im Verdacht steht, soziale Interessen zu vertreten.

Und jetzt ist Gusenbauer halt als Untermieter von ÖVP-Gnaden im Bundeskanzler­amt – das ist jetzt sozusagen die Endstation. So gesehen hatte Dr. Cap wahrscheinlich zu Recht heute schon einen kleinen Freud’schen Versprecher, als er gesagt hat: Offenbar soll es das Zukunftsmodell sein, dass in Zukunft die Klubobleute die künftigen Kanzler werden. Wahrscheinlich sieht er sich schon als Kanzler und als Nachfolger von Dr. Gusenbauer. Das wird er wahrscheinlich gemeint haben mit diesem Vergleich, den er gebracht hat. (Abg. Parnigoni: ... auf sich selbst beziehen?) – Nein, da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. (Abg. Parnigoni: Gott sei Dank!) Wir stehen zu unseren Inhalten, und wir werden unsere Inhalte nicht so wie die SPÖ über Bord werfen. Wir haben das leidvoll in unserer Vergangenheit erlebt. Da hat Herr Dr. Haider mit dem Dr. Gusenbauer viel gemeinsam: Die ÖVP hat eine Wahlniederlage erlebt – und beide haben die ÖVP wieder exhumiert.

Das sieht man schon an der Ressortverteilung: Finanzministerium, Wirtschaftsminis­terium, Arbeitsministerium hat die ÖVP. Offenbar ist die Arbeit der SPÖ als Themen­bereich nicht mehr wichtig. Offenbar hat man auch kein Interesse, den Finanzbereich zu bestimmen und da etwas zu verändern und zu erneuern, deshalb auch der Null­defizit-Fetischismus, der fortgesetzt wird. Bei den anderen Ministerien ähnliche Bilder: Außenministerium bleibt in der Hand der ÖVP, Innenministerium in der Hand der Österreichischen Volkspartei. In Wirklichkeit hat man alles aufgegeben – aber einen Zivildiener hat man zum Verteidigungsminister gemacht. (Beifall bei der FPÖ.) Eine wirklich tolle Sache: ein Zivildiener als Verteidigungsminister, der ein Gewissens­problem hatte (Abg. Dr. Graf: Ein Wehrdienstverweigerer!), ein Gewissensproblem, die Waffe in die Hand zu nehmen. Also entweder hat er damals geschwindelt oder heute,


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denn wenn er ein Gewissensproblem hat, dann darf er nicht Verteidigungsminister werden. Denn wenn eine Krise auf unser Land zukommt, dann hat man sich auf den Verteidigungsminister verlassen zu können, dass er notfalls auch unser Bundesheer dementsprechend zum Einsatz bringt. Und das ist eine Gefährdung unserer Sicherheit, eine Gefährdung der österreichischen Sicherheit, wenn er nicht eingesteht, dass er vielleicht damals im Unrecht gewesen ist und doch kein Gewissensproblem damit hat.

Eigentlich würde ihm – wie Herr Dr. Gusenbauer gesagt hat, und da hat er schon Recht – der Wehrdienst im Nachhinein nicht schaden. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.) Aber es würde Dr. Gusenbauer auch nicht schaden, den Wehrdienst nachzuholen. Der war ja damals, ich glaube, Kaffeepflücken in Nicaragua und in Österreich wegen Heuschnupfen vom Wehrdienst befreit. Aber ich kenne viele im Hohen Haus, die damals vom Wehrdienst befreit worden sind: wegen Unabkömm­lichkeit Klubobmann Dr. Schüssel oder auch der neue Vizekanzler Molterer, der nach meiner Information befreit worden ist. Der geschiedene Finanzminister Grasser hatte Plattfüße – beim Tennisspielen haben die interessanterweise überhaupt nicht gestört.

Da gibt es also schon Unterschiede zwischen manchen. Manche sind gleicher als andere und können es sich offenbar besser richten in diesem Land. Das sollte man schon auch einmal festhalten und ein bisschen auch die Moral herausstreichen, die vielleicht dahinter für manche sichtbar wird.

Wir stehen zu unseren inhaltlichen Themen, die wir im Wahlkampf vertreten haben. Und wir vermissen im Regierungsprogramm, dass man auf essenzielle Probleme wirklich eingegangen ist. Die Zuwanderungsproblematik ist ein Problem. In den letzten Jahren sind weitere 300 000 Zuwanderer nach Österreich gekommen. Und Sie schreiben in Ihrem Regierungsprogramm definitiv: Eine weitere Zuwanderung wird vereinbart. Sie setzen das kontinuierlich fort.

Ich habe da ein Papier der Bank Austria Creditanstalt, eine Bewertung des Regie­rungsprogramms 2007, die Experten gemacht haben, und da stehen interessante Punkte drinnen – ich zitiere –: Das Regierungsprogramm enthält in Summe erwar­tungs­gemäß viele Absichtserklärungen und relativ wenig Konkretes.

40 Arbeitskreise, haben wir schon gehört – ja, wenn man nicht mehr weiter weiß, dann gründet man halt einen Arbeitskreis. Genau nach dem Motto: Machen wir nichts konkret, lassen wir alles offen!

Es steht weiters in dieser Ausarbeitung der Bank Austria, was den Bereich Volks­abstimmung über einen EU-Beitritt der Türkei betrifft: Erst nach Vorliegen eines Verhandlungsergebnisses ist eine Volksabstimmung vereinbart worden. – Viel zu spät, sage ich Ihnen! Jetzt wollen die Österreicher entscheiden, jetzt wollen sie ihre klare Ablehnung zum Ausdruck bringen. Und wenn Sie von Minderheitenrechten sprechen, Herr Dr. Cap, dann fangen Sie an, Demokratie in unserem Land zu stärken und endlich verbindliche Volksabstimmungen möglich zu machen und mit uns zu unterstützen! (Beifall bei der FPÖ.)

Direkte Demokratie braucht unser Land, verbindliche Volksabstimmungen, damit man so eine Regierungslähmung, die sich mit diesem Programm schon am Beginn der Periode abzeichnet, von Seiten der Bevölkerung durchbrechen kann, damit die Bevöl­kerung auch die Chance hat, wenn eine Regierung nicht bereit ist, die Interessen der Bevölkerung umzusetzen, im Rahmen einer Volksabstimmung die Regierung zu zwingen, gewisse Inhalte umzusetzen – wie ein besseres und schärferes Asylgesetz, wie das die Schweiz mit einer Volksabstimmung sichergestellt hat, wie im Bereich der Ablehnung des Türkei-Beitritts, wie auch in anderen Bereichen. Das wäre ein wichtiger Schritt.


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Es steht weiters in der Ausarbeitung der Bank Austria-Experten zu lesen, dass der Abbau von Wettbewerbsbeschränkungen bei freien Berufen konkret vereinbart worden ist. – Da werden sich die Apotheker, die Notare, die Ärzte, die Rechtsanwälte freuen, dass der nächste Anschlag auf die freien Berufe vorbereitet wird.

Es geht weiter: Interessant ist, wo steht, dass während der Übergangsfristen bilaterale Beschäftigungsabkommen mit den neuen Mitgliedstaaten ausverhandelt werden sollen. – Na schön! Wofür haben wir die Übergangsfristen, wenn wir sie unterlaufen und erst recht wieder Verträge aushandeln, damit wieder weitere billige Arbeitskräfte nach Österreich kommen können und es wieder zu Lohndumping kommt?

Die Erhöhung der Mineralölsteuer – bei Diesel auf 3 Cent, bei Benzin auf 1 Cent –: wieder das Gegenteil von dem, was man gesagt hat! Mehrbelastungen, die anstehen und die, wie Experten der Bank Austria berechnet haben, den Steuerzahler 300 bis 350 Millionen € kosten werden! (Abg. Kurt Eder: Wer sind die Experten?) – Das sind Experten der Bank Austria. Ich habe es Ihnen ja vorgelesen: Das ist ein offizielles Expertenpapier der Bank Austria zur Auswertung des Regierungsprogramms, und das ist sehr interessant.

Es steht weiter drin – ich lese es Ihnen gleich vor – die Erhöhung der Sozialver­sicherungsbeiträge. Da wird es zuerst einmal eine saftige Erhöhung der Beiträge geben, und von Seiten der Bank Austria heißt es: Ein Defizit soll je zur Hälfte durch Einsparungen und durch die Erhöhung der Beiträge – plus 0,15 Prozent – erfolgen. Eine Reduktion der Ausgaben durch Effizienzsteigerung bis 2008 von 300 Millionen und bis 2010 um nochmals 100 Millionen wird angestrebt.

Was die Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge um 0,15 Prozent betrifft, ist noch nicht klar, wie die Aufteilung auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber erfolgen wird. Aber klar ist, dass wieder beide belastet werden, wahrscheinlich fünfzig zu fünfzig! Die Lohn­nebenkosten steigen, die Arbeitnehmer werden wahrscheinlich zu 50 Prozent belastet, die Arbeitgeber werden belastet!

So zieht sich das wie ein roter Faden durch die Bewertung, die eine Katastrophe ist. Zum Schluss kommt es zu folgendem Ergebnis: Mittelfristig wird nun ein ausge­glichener Haushaltssaldo bis 2010 statt bisher 2008 angestrebt. Allerdings sind dafür, zumindest bei guter Konjunktur, 3 Milliarden € an Einsparungen notwendig, um Ihr Regierungsprogramm zu erfüllen! Das heißt, keine Entlastung, sondern eine Belastung steht den Bürgern bevor! Die Frage ist nur: Wann und wo werden Sie diese Belastungsschritte setzen? – Das ist ein Belastungspaket, das Sie selbst verankert haben, und heute versuchen Sie mit salbungsvollen Worten, es als etwas anderes darzustellen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Weil ich schon am Ende meiner Redezeit bin, ist es mir wichtig, auch unseren Standpunkt klar darzulegen. Der Sozialstaat ist uns ein Anliegen (Zwischenrufe bei der ÖVP) – aber Sozialstaat, bitte, für Staats­bürger, nicht für Menschen, die zu uns zuwandern, ab dem ersten Tag! (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist eben der Unterschied zwischen unserem Programm und Ihrer Anschauung. Es muss hier Unterschiede geben. Es gibt Staatsbürgerrechte, und es hat ein Staats­bürger mehr Rechte zu erhalten und zu haben als jemand, der zu uns zuwandert. Der hat am Ende der Integrationsleiter, wenn er diese positiv beschlossen hat und Staatsbürger wird, dann auch alle Rechte zu erhalten, aber doch nicht von Beginn an! Genau darum geht es, und genau das müssen wir umsetzen, wenn wir den Sozialstaat in Zukunft sichern wollen.


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Es kann nicht so sein, dass jeder Familienbeihilfe und Kinderbeihilfe bekommt; das soll Staatsbürgern vorbehalten sein, bis hin zu sozialen Wohnungen. Das ist unsere soziale Verantwortung. Eine Familienentlastungsoffensive für Staatsbürger müssen wir in Angriff nehmen, damit sich unsere Kinder mehr als ein Kind leisten können! (Beifall bei der FPÖ. – Präsident Dr. Spindelegger gibt das Glockenzeichen.)

Ich komme zum Schluss: Wir brauchen ein Entlastungspaket für kleinere und mittlere Gewerbebetriebe, weil das unsere soziale Verantwortung ist, damit wieder mehr Arbeitsplätze im Land sind und die Menschen auch wieder Arbeit haben, und hoffent­lich – dafür sollten wir Sorge tragen – mit einem ausreichenden Gehalt, nicht, so wie Sie es vorhaben, mit einem arbeitslosen Grundeinkommen. (Beifall bei der FPÖ.)

11.23


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Klubobmann Dr. Schüssel, ebenfalls mit einer Redezeit von 20 Minuten. – Bitte.

 


11.23.41

Abgeordneter Dr. Wolfgang Schüssel (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Zunächst möchte ich mich bei Ihnen, meine Damen und Herren Abgeordnete, sehr herzlich für die Geste am Anfang der Sitzung bedanken, für die Trauerminute des Gedenkens an die plötzlich tragisch verstorbene Innenministerin Liese Prokop, die sich am Silvester­abend zu Hause zum Abendessen niedersetzen wollte, noch selbst in das Rettungs­auto eingestiegen und unterwegs auf der Fahrt ins Spital gestorben ist.

Das soll auch, so glaube ich, ein wenig die politische Auseinandersetzung relativieren und soll gerade auch an einem solchen Tag zeigen, dass wir einander respektieren. Daher auch ein Dankeschön an alle ausgeschiedenen Regierungsmitglieder, von Vize­kanzler Gorbach angefangen über die Minister und Staatssekretäre! Ein Teil nimmt ja als gewählte Abgeordnete die politische Arbeit weiter auf.

Ich denke, dass es dazugehört, dass wir auch sehen, dass wir auf den Arbeiten früherer politischer Generationen aufbauen. Die Erfolgsgeschichte Österreichs hat ja nicht im Jahr 2000 oder 2007 begonnen, sondern sie ist eigentlich eine ungebrochene seit dem Jahr 1945.

Ich möchte mich auch bei Ihnen, Herr Bundeskanzler Gusenbauer, bedanken, denn heute waren einige Sätze zu hören, die für uns schon bemerkenswert waren und die auch gut getan haben, wie etwa: Österreich ist eines der sichersten Länder der Welt; in Österreich ist die ökologische Landwirtschaft europaweit einzigartig; Österreich hat eines der besten medizinischen Versorgungssysteme der Welt – das klingt ganz anders als die Zwei-Klassen-Medizin-Befürchtung von früher –; Österreich hat ein bewährtes System der sozialen Sicherheit und Fairness. Und im Regierungsprogramm steht: Das österreichische Pensionssystem ist eines der besten der Welt. – Wir glauben das auch! (Beifall bei ÖVP und BZÖ.) Wir haben daran mitgearbeitet und danken für diese faire Bewertung, die von Ihrem Bundeskanzler kommt.

Ein bisschen verstehe ich natürlich schon die Melancholie von Professor Van der Bellen, denn ich habe auch das Hin und Her mitverfolgt. Sie haben uns ja in den Verhandlungswochen immer wieder heftig kritisiert – ich meine jetzt die Volkspartei –: Zuerst haben Sie uns dafür kritisiert, dass wir Verhandlungen für eine große Koalition führen; dann haben Sie uns kritisiert, weil wir unterbrochen haben; dann haben Sie wieder vor der großen Koalition gewarnt. Auch gab es das Hin und Her betreffend Minderheitsregierung, ja oder nein, das ist klar. Das heißt, ein bisschen verstehe ich schon die Melancholie darüber, dass Sie wieder nicht dabei sind.

Überlegen Sie sich auch einmal, ob es klug ist, dass man eigentlich jede Form einer anderen Mehrheitsbildung – die es natürlich immer gibt! – von vornherein ausschließt!


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Ich weiß, dass es schwierig ist; niemand weiß besser als ich, dass es nicht immer ganz einfach ist, zusammenzuarbeiten. Aber es ist möglich, und eigentlich glaube ich, dass wir einander so weit respektieren müssen, dass jeder hier im Parlament vom anderen annimmt und wir voneinander annehmen, dass es sich um Demokraten handelt, um Menschen, denen das Land am Herzen liegt und die für eine rot-weiß-rote Zukunft arbeiten wollen. Da darf man niemanden ausgrenzen, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und BZÖ.)

Nun zu Josef Cap, dem Klubobmann der SPÖ, der sichtlich noch einige Übergangs­probleme zu bewältigen hat – aber das versteht natürlich niemand besser als ich (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP) –, und weil heute auch einige Male vom Nachhilfe-Geben oder -Nehmen die Rede gewesen ist: Wenn Sie schon jetzt die Situation der Staatsfinanzen kritisieren – was natürlich Ihr gutes Recht ist –, dann darf ich ein bisschen mit Informationen darüber nachhelfen, wie wir die Staatsfinanzen im Jahr 1999 übernommen haben.

Damals war das ausgewiesene Defizit des Jahres 1999 bei 2,2 Prozent. Es drohte für das Jahr 2000 ein Defizit von 3,3 Prozent – ohne Maßnahmen, die wir dann getroffen haben. (Abg. Dr. Cap: Sie waren in der Regierung!) – Aber Sie haben den Finanz­minister und den Bundeskanzler gestellt, das ist ein ganz kleiner Unterschied, auf den wir jetzt geachtet haben, meine Damen und Herren! Das soll die Öffentlichkeit schon wissen. (Beifall bei der ÖVP.) Wir übergeben ein Budgetdefizit, das ein Drittel von dem ist, das wir im Jahr 2000 übernommen haben. Ich glaube, darauf lässt sich gut aufbauen. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.)

Seien Sie ein bisschen vorsichtig mit dem Lattenlegen oder dem Auf-die-Bäume-Hinauf­klettern! Schauen wir uns am Ende der Legislaturperiode an, wie etwa der Schuldenstand bei den ÖBB, der ASFINAG oder den ausgegliederten Gesellschaften sein wird, wenn wir das tun, was wir ja gemeinsam wollen, nämlich eine der massivsten Infrastrukturinvestitionen vorzunehmen, von 2000 bis 2010. Und dann vergleichen wir, Josef Cap! Also: Realismus ist angesagt. (Beifall bei der ÖVP.)

Das gilt wohl auch in der Frage der Bewertung des Regierungsprogramms. Herr Professor, natürlich ist klar, dass am Anfang einer Legislaturperiode nicht jede Maß­nahme für vier Jahre auf Punkt und Beistrich im Detail festgelegt werden kann. Das ist ja ganz klar. Aber seien Sie doch auch so fair und sagen Sie, dass gerade über die beiden Dinge, die Ihnen sehr wichtig sind – und, ehrlich gesagt, uns allen auch –, nämlich den Umbau oder den Ausbau Österreichs zu einer Wissensgesellschaft und das Nachhaltigkeitsthema, außerordentlich konkrete Dinge drinstehen.

Das betrifft etwa die Universitäten. Die österreichischen Universitäten sind übrigens – dank Liesl Gehrer – diejenigen in Europa, die für die nächsten vier Jahre garantierte Budgets mit einem Zuwachs von 10 Prozent haben und ein Investitionsprogramm von einer Milliarde €. (Beifall bei der ÖVP.) Das ist doch ein Riesenvorteil! Wir werden in den nächsten Jahren 1 000 neue Forscher nur an den Universitäten haben. Wir werden in die Bildung investieren; von der einen Milliarde € zusätzlich gehen etwa zwei Drittel in Bildung, Forschung und Wissenschaft hinein. Zu sagen, dass das nicht konkret ist, das stimmt einfach nicht.

Auch was den Bereich der Energiepolitik betrifft, den Sie selbst angesprochen haben, sind Dinge enthalten, die aus meiner Sicht extrem ambitiös sind: die Umstellung von 100 000 Haushalten auf erneuerbare Energie in dieser Legislaturperiode, von 400 000 Haushalten bis zum Jahr 2020; das Verdoppeln des Anteils der Beimischung von Biodiesel in den Verkehr hinein; das Anheben, fast das Verdoppeln des Anteils der erneuerbaren Energie bis zum Jahr 2020; die Forschungsstiftung, die in diesem Bereich einsetzen wird.


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Im Bereich der Landwirtschaftspolitik: das Umstellen des ländlichen Raums, gerade auf europäischer und österreichischer Ebene, für diese Zwecke. Da brauchen wir nicht bei Franz Fischler in die Lehre zu gehen, sondern er hat uns inspiriert: Das ist das Pro­gramm des Franz Fischler, unser gemeinsames Programm, das wir hier festschreiben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Natürlich kann man sagen: Das ist noch immer zu wenig, und man müsste da und dort nachschärfen; keine Frage. Aber ich glaube, gerade in diesen Bereichen – was die Nachhaltigkeit, die Sorge um die Zukunft, die Sorge um die Jungen betrifft – ist dieses Programm ein ausgezeichnetes.

Was mich auch sehr freut, ist: Europa ist tatsächlich ein rot-weiß-rotes Anliegen in dieser Bundesregierung, und es ist ein Zeichen einer gelebten Kontinuität. Die EU – das sage ich in Richtung von Klubobmann Strache sehr deutlich, und überlegen Sie, was es bedeuten würde, wenn wir nicht drinnen wären – ist ein mächtiger Schutzschild mit der gemeinsamen Handelspolitik. Wir haben 50 Prozent des österreichischen Bruttoinlandsprodukts im Export zu erwirtschaften! Ein mächtiger Schutz und Schild ist durch die Europäische Union gegeben.

Wir haben eine enorme Sicherheitszone – mit Schengen, mit allen Spielregeln –, die sich jetzt ausweiten wird, nach sehr sorgfältiger und umsichtiger Vorbereitung. Die Euro-Zone sichert die Geldwertstabilität. Überlegen Sie, wie verletzlich wir gewesen wären, hätten wir eine kleine, im internationalen Maßstab vernachlässigenswerte Währung wie den Schilling! Und innerhalb dieser stabilen Euro-Zone hat Österreich immerhin eine der niedrigsten Inflationsraten.

Was man auch nicht übersehen darf – und was meiner Meinung eine historische Chance ist –, ist: Seit dem 1. Jänner 2007, seit 14 Tagen, ist die Donau von der Quelle bis zur Mündung ins Schwarze Meer ein europäischer, ein innereuropäischer Fluss (Abg. Dr. Niederwieser: Das war sie vorher auch schon!), ein EU-Fluss. (Ruf bei der FPÖ: Und Serbien?) – Serbien kommt noch dazu. Das ist ein sehr spannendes Thema, weil Österreich genau in dieser Zukunftszone, in dieser Hoffnungszone mittendrin ist und wir damit natürlich eine historische Chance nützen können.

Zum ersten Mal – und das ist mehr als nur eine Umbenennung – haben wir eine Minis­terin für europäische und internationale Angelegenheiten. (Zwischenruf des Abg. Mag. Hauser.) Nichts Auswärtiges oder Gegenwärtiges oder Widerwärtiges, sondern europäische und internationale Angelegenheiten: Das ist ein Programm, meine Damen und Herren, und ein gutes Programm dazu! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.) Jeder, vom Bundeskanzler über die Außenministerin bis zum jeweiligen Fachminister, muss natürlich an dieser europäischen Verantwortung mitwir­ken.

Ein Satz, der mir aufgefallen ist, Herr Bundeskanzler: Ich hätte an Ihrer Stelle nicht nur allgemein von transatlantischen Beziehungen und ihrer Vertiefung gesprochen. Ich glaube schon, dass wir Österreicher ruhig sagen können – genauso wie über die Be­zie­hungen zur Russischen Föderation –, dass wir ein ordentliches Verhältnis mit Amerika, mit den USA wollen. Denn wir verdanken den Amerikanern einiges! (Beifall bei der ÖVP.) Das soll heute auch an dieser Stelle ausgesprochen werden, meine Damen und Herren.

Noch ein Satz zu Josef Cap. Wenn ich es richtig gehört habe, haben Sie gesagt: Jetzt haben wir endlich wieder eine Stimme für Europa. – Da müssen Sie in den letzten sieben Jahren ein bisschen schwerhörig gewesen sein, denn diese Stimme ist die gleiche: Ursula Plassnik ist die gleiche Stimme wie in den letzten zwei Jahren, die uns hervorragend vertreten hat und unser volles Vertrauen hat, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)


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Wir von der Volkspartei werden diesem Programm aus voller Überzeugung zustimmen. Alles von dem, was wir uns vor der Wahl vorgenommen haben, was wir im Wahlkampf versprochen haben, findet sich in diesem Programm wieder; selbstverständlich auch Ideen und Anregungen, die vom sozialdemokratischen Regierungspartner mit herein­ge­nom­men worden sind. Wir können daher allen über 1,5 Millionen Wählerinnen und Wählern, die uns am 1. Oktober die Stimme gegeben haben, sagen: Wir stehen zu unseren Aussagen, und wir werden mit ganzer Kraft und vollem Engagement die nächsten vier Jahre für dieses Österreich arbeiten.

Herr Bundeskanzler! Lieber Vizekanzler Molterer! Machen Sie eine lebensnahe Politik mit diesem Programm! Vermitteln Sie vor allem den Menschen Zuversicht und Hoffnung mit dem, was Sie, was wir – Parlament und Regierung – uns vorgenommen haben! Denken Sie an die Jungen, nicht an die Schlagzeile von morgen oder über­morgen, sondern wirklich an das, was vielleicht in zehn oder erst in fünfzehn, zwanzig Jahren die Jungen von unseren gemeinsamen Maßnahmen haben werden! Festigen wir gemeinsam das soziale Netz, aber nicht als Hängematte, sondern als federndes Trampolin, wie es Martin Bartenstein einst gesagt hat!

Sichern Sie die Wahlfreiheiten der Bürger: für den Steuerzahler, die Steuerzahlerin durch eine Senkung der Abgabenquote und die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, was mit seinem oder ihrem Geld geschieht; für die Familien mit der Wahlmöglichkeit beim Kinderbetreuungsgeld; für die Eltern und Jugendlichen durch ein differenziertes Bildungssystem. Schauen Sie auf das Geld der Steuerzahler!

Belastungen sind zwei drinnen, betreffend Gesundheit – 0,15 Prozent – und die Mineral­ölsteuer. Da hätten wir nicht die Bank Austria und die CA gebraucht, das steht im Regierungsprogramm so drin. (Abg. Strache: Das war vorher auch versprochen ...!) Es dient auch den Interessen der Bürgerinnen und Bürger – in Form der erstklassigen medizinischen Bildung – und dem Ausbau der Infrastruktur. (Beifall bei der ÖVP.)

Letzter Satz. Verteidigen Sie auch unsere Heimat, ganz gleichgültig, ob wir irgendwo ungerechtfertigt angegriffen werden oder ob es Gefahren von innen oder außen gibt! Das ist die Pflicht einer Bundesregierung. Wir unterstützen Sie dabei. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und Beifall bei der SPÖ.)

11.36

Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Klubobmann Ing. Westenthaler. Redezeit: ebenfalls 20 Minuten. – Bitte.

 


11.36.53

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (BZÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Geschätzte Mitglieder die österreichischen Bundesregierung! Herr Vizekanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man überlege sich allein die Optik, wenn man hier in der Bankreihe sitzt, nach vorne schaut und eine randvolle Regierungsbank, eine riesengroße Bundesregierung sieht. Ich hatte vorhin fast ein bisschen Sorge – gestatten Sie mir diesen Einwurf –, wenn ich Frau Silhavy sehe, wie sie sich an der Regierungsbank anhält, damit sie, wenn Herr Matznetter einmal ordentlich hustet, nicht herunterkippt. Ich hoffe, das passiert nicht. Aber so groß ist diese Regierung! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie ist eben so groß, dass sie nicht mehr auf die Regierungsbank passt – auch ein Bild, das eines ist, das bezeichnend ist! (Abg. Öllinger: Das ist eher peinlich! – Abg. Riepl: Ein schwacher Start!)

Herr Dr. Gusenbauer! Ich zitiere Ihnen etwas: Wir brauchen in Österreich eine Regie­rung, für die am Tag vor der Wahl auch das gilt, was am Tag nach der Wahl gilt. Und wir brauchen in Österreich nicht einen Bundeskanzler der gebrochenen Versprechen,


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sondern wir brauchen in Österreich einen Bundeskanzler, der sein Wort hält. Genau deswegen trete ich am Sonntag an. – Zitatende.

Das hat Alfred Gusenbauer drei Tage vor der Nationalratswahl bei der Wahlabschluss­kundgebung der SPÖ gesagt. Und wenige Tage vor der Wahl erschien eine Mitglie­derinformation der SPÖ: Ich werde mein Wort halten – Alfred Gusenbauer, mit seinem Konterfei darauf.

Es ist schon bezeichnend, was in der Zwischenzeit passiert ist. Jetzt könnten Sie sagen: Na ja, die Opposition kritisiert das immer. Auch hier Zitate nach der Wahl: „Erstmals in der österreichischen Nachkriegsgeschichte wird einer zum Bundeskanzler ernannt werden, der sein politisches Gewicht eingebüßt hat, noch bevor er überhaupt sein Amt antritt.“ „Die Jämmerlichkeit des Lächelns, mit der Gusenbauer die Nieder­lage, die jeder sieht, als Erfolg zu verkaufen sucht, die Hilflosigkeit, mit der Cap die Art, wie die SPÖ der ÖVP ins Messer lief, als unvermeidliches Schicksal darstellt, hat den beiden den letzten Rest von Glaubwürdigkeit genommen.“ – Das schreibt Peter Warta im „Standard“ am 10. Jänner.

Oder Michael Völker schreibt, ebenfalls im „Standard“, am 9. Jänner: „Alfred Gusen­bauer ist Bundeskanzler – mit heruntergelassenen Hosen.“ „Die SPÖ hat praktisch zum Regierungsantritt bereits alle Versprechen und Ankündigungen gebrochen, die sie im Wahlkampf als Slogans ausgegeben hat.“ „Gusenbauer startet als Kanzler mit der schweren Last gebrochener Wahlversprechen, mit einer nahezu lächerlichen Minister­liste und einem Regierungsprogramm, das gerade den SPÖ-Anhängern ganz schwer verkäuflich ist.“

Zuletzt Peter Rabl im „Kurier“ am 14. Jänner: „Nie zuvor hat ein Kanzler einen so schlechten Start hingelegt wie Gusenbauer.“ Es sei „unerträglich geworden, wie der neue Kanzler Alfred Gusenbauer seinen rundum misslungenen Start schönzureden und schönzurechnen versuchte“. „Aufgedreht fröhlich, aufgesetzt locker, deutlich über­heblich. Frei nach einem Zitat Henry Kissingers war er zutiefst beeindruckt von sich selbst.“ „Die Medizin kennt das Phänomen, dass stark erregtes Begehren das Denk­vermögen beschränkt. Gusenbauer zeigt alle Symptome von Kanzlergeilheit“, schreibt Peter Rabl.

Und genau das ist die Frage, die wir uns heute nach diesen Ereignissen der letzten Woche stellen, wo Handschlagqualität nicht mehr gilt, wo Vertrauen und Hoffnung gebrochen worden sind bei der Jugend, bei Wählern, bei Bürgern, bei Mitgliedern auch der Sozialdemokratischen Partei. Die Frage, die zu stellen ist, Herr Dr. Gusenbauer, bei allen schönen Sätzen des Regierungsübereinkommens: Ist es das wert? Oder was ist es denn wert, die Menschen so zu täuschen und hinters Licht zu führen dafür, dass man sich einen Sandkistentraum erfüllt, dass jetzt Menschen da stehen, die sich fragen: Wozu war ich eigentlich wählen, wozu war ich dort, was hat diese Wahl eigentlich gebracht, wenn all das, was versprochen worden ist, nicht gekommen ist und dem Prinzip „Hauptsache Kanzler!“ geopfert worden ist?

Die Demonstrationen sehen wir im Fernsehen. Jetzt sagen alle: Das war auch im Jahr 2000 so. – Ja, es war so. Der Unterschied ist nur, dass damals die Demonstran­ten gegen eine andere Partei demonstriert haben. Heute sind es Ihre eigenen Leute, die auf die Straße gehen. Und ich füge korrekterweise hinzu: Es sind Ihre eigenen Leute gewesen, die auf die Straße gehen, denn auch die haben Sie bereits verloren. Sie haben Massenaustritte aus der SPÖ, Sie müssen den Ballhausplatz sperren, Sie müssen SPÖ-Veranstaltungen als frisch gebackener Kanzler durch die Hintertür betreten, Sie brauchen Polizeischutz. Ist das die Kapitulation der SPÖ wert?

Sie zitieren gerne Bruno Kreisky, Bruno Kreisky, den Sonnenkönig. Wenn man das Bild vergleicht, Herr Dr. Gusenbauer, sind Sie auf dem Weg in einen roten Sonnenunter-


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gang und könnten vielleicht in die Geschichte eingehen als Kanzler und Parteivor­sitzender der roten Sonnenfinsternis.

Deswegen muss man Sie auch an diese Wahlversprechen erinnern, denn es hat einen flächendeckenden Wählerverrat gegeben. Es gibt heute eine Regierung des Wort­bruchs und letztlich einen katastrophalen Fehlstart dieser Regierung. Ich kann gar nicht alle gebrochenen Wahlversprechen aufzählen, ich habe nur 20 Minuten Redezeit, wir werden aber sicherlich auch noch im Rahmen der Dringlichen Anfrage dazu kommen.

Das heißt, wenn man Ihre Versprechungen oder das SPÖ-Wahlprogramm vor der Wahl mit dem hundertjährigen Bauernkalender vergleicht, dann ist eigentlich Letzterer ein Werk der Verlässlichkeit und Präzision, denn der hält ja noch mehr ein als Ihr Wahlprogramm.

Jetzt kommen Sie her und sagen, Sie können sich an vieles nicht mehr erinnern oder Sie interpretieren vieles auch um wie etwa bei der Ressortaufteilung. Deswegen habe ich mir überlegt, welches Präsent ich Ihnen heute zum Antritt als Bundeskanzler über­mittle. Und weil Sie sich eben an so vieles nicht erinnern können, habe ich mir gedacht, ein Buch tut es – lesen soll man ja viel –, und deswegen habe ich mir erlaubt, Ihnen das Buch „Das Gedächtnistraining“ zu übermitteln. (Der Redner hält das Buch in die Höhe.) „Das Gedächtnistraining“ ist ein interessantes Buch mit drei Kapiteln. Erstes Kapitel: „Einsicht als Weg zur Besserung“, zweites Kapitel: „Die Stufen der Erinne­rung“, drittes Kapitel: „Warum vergessen wir?“ mit anschließendem Gedächtnistest und Übungen für jeden Tag. Ich hoffe, Sie bessern sich, Herr Bundeskanzler. Ich darf Ihnen das überreichen. (Beifall beim BZÖ. – Der Redner überreicht das genannte Buch an Bundeskanzler Dr. Gusenbauer.)

Ich wollte eigentlich auch dem Herrn Vizekanzler ein Präsent mitbringen, nämlich das Buch vom realen Sozialismus. Ich habe mir das erspart, denn das hat er jetzt ohnehin jeden Tag. (Heiterkeit bei BZÖ und ÖVP.) Daher ist, glaube ich, dieses Geschenk überflüssig, denn er erlebt es ja jeden Tag.

Wir werden daher auf Grund dieser verbrochenen Versprechen – man kann sagen, ver­brochenen Versprechen; es sind gebrochene, aber auch verbrochene Ver­sprechen – heute am Nachmittag einen Entschließungsantrag einbringen, weil wir einmal schauen wollen, wie es ist, ob wir nicht Wahlversprechen auch einklagbar machen könnten. Warum denn nicht? Warum soll nicht Herr Dr. Gusenbauer, wenn er zum Beispiel die Studiengebühren abschaffen will und es dann nicht tut, auch einen sozialen Dienst für 6 € in der Stunde leisten? Wobei es heute, Herr Dr. Gusenbauer, wirklich zynisch war, als Sie sagten: Ja, ich mache das auch, was die Studenten machen. Wissen Sie, was nur der große Unterschied ist zwischen Ihnen und einem Studenten? – Sie haben 19 500 € Verdienst im Monat, und das hat kein Student in diesem Land. Daher ist es zynisch, sich herzustellen und zu sagen: Ich bin auch wie ein Student und leiste Sozialdienst. Ich erachte das wirklich als zynisch und als nicht nachvollziehbar, Herr Dr. Gusenbauer. (Beifall beim BZÖ.)

Ähnlich ist es bei den Ministerien. Die Kabaretteinlage zwischen Wien und der Steier­mark, die live auf Sendung ging, ist nicht zu übertreffen. Ich frage mich, was der Villacher Fasching machen wird. Man kann nicht mehr überbieten, was da passiert ist, wie plötzlich, sozusagen im Minutentakt, Minister bestellt wurden. Und genauso schaut es auch aus.

Wir fragen uns bis heute, was etwa eine Frau Staatssekretärin Silhavy überhaupt tut. Oder man muss auch die Frage stellen, wie es tatsächlich zu der grandiosen Idee kam, einen Zivildiener, der das Bundesheer ablehnt, zum Verteidigungsminister zu machen.


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Diese Frage stelle ich mir etwa auch bei der Frau Justizministerin, die als erste Amts­handlung gleich einmal mit der Demokratie auf Kriegsfuß steht und sagt: Um das Problem der Kärntner Ortstafeln zu lösen, setzen wir halt den Kärntner Landeshaupt­mann ab, der demokratisch gewählt ist von einer Mehrheit in Kärnten, obwohl jeder weiß – und das wissen alle, die sich ein bisschen auskennen –, dass es da keine Abwahl und auch keine Ablöse Ihrerseits geben kann.

Frau Justizministerin, ich empfehle Ihnen Folgendes: Lernen Sie Demokratie als Justiz­ministerin! Das haben Sie notwendig, denn Sie können keinen demokratisch gewählten Landeshauptmann abwählen. Zum Zweiten empfehle ich Ihnen, sich, bevor Sie solche krausen Ideen entwickeln, einmal zu überlegen, wie Sie Ihren Parteifreund und Genos­sen Elsner aus Frankreich heimbekommen und endlich hinter Gitter stecken. Das wäre Ihre Aufgabe, Frau Justizministerin, und nicht, Landeshauptleute in Öster­reich abzu­lösen. (Beifall beim BZÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Interessant auch die neue Familienministerin – das schauen wir uns noch genauer an –, die uns heute in der „Kleinen Zeitung“ ihre Einstellung zu Familie und Kindern vermittelt. Im Wesentlichen geht es darum, dass sie, wenn sie ein nobles Abendessen hat oder im Flugzeug nach New York sitzt, dort Kinder stören. Eine interessante Aussage, heute nachzulesen in der „Kleinen Zeitung“. Wie das von Ihnen als jetzige Familienministerin gemeint ist, das müssen Sie uns auch noch erklären.

Wir kommen auch zur Analyse des Regierungsprogramms. Das fällt tatsächlich schwer, weil es ein Katalog von Überschriften ist. Ein Kommentator, Hubert Patterer, hat in der „Kleinen Zeitung“ geschrieben, der Regierungspakt ist von deprimierender Mutlosigkeit. Herr Androsch sagt, das ist die Todespille für die SPÖ. Erich Haider sagt, dieses Regierungsübereinkommen ist mit der Glaubwürdigkeit der Partei nicht verein­bar. – Hochinteressant!

Herr Rudolf Edlinger, ebenfalls ein Genosse, früher Finanzminister, sagt: Ich bin ent­täuscht. Es ist eingetreten, was ich befürchtet habe. Ihr Vorsitzender der Sozialis­tischen Jugend – ich weiß nicht, ob er noch Parteimitglied ist – sagt, es ist ein Ver­handlungsdebakel. Und auf den Punkt gebracht hat es wirklich die frühere Sozial­ministerin Lore Hostasch. Sie hat zu dem Regierungsübereinkommen einfach gesagt: Mir tut es weh!

Und das kann man sich ja vorstellen, dass das weh tut, denn, Herr Dr. Gusenbauer, die groß angekündigte Bildungsreform findet einfach nicht statt, die wurde abgesagt. Sie ist nicht auffindbar. Sie haben Dinge hineingeschrieben, die das Parlament schon beschlossen hat, wie etwa 25 Schüler pro Klasse. Das haben wir hier bereits be­schlossen, doch das steht jetzt im Regierungsübereinkommen plötzlich nur noch als Richtwert drinnen. Sonst haben Sie nur Arbeitsgruppen gebildet und die Studien­gebühren haben Sie in Wirklichkeit nicht sozialer, sondern noch unsozialer gemacht, weil jetzt eine tiefe Kluft entstehen wird zwischen jenen, die es sich leisten können, und jenen, die es sich nicht leisten können. Jene, die es sich leisten können, werden die Studiengebühr zahlen, werden sie vielleicht noch steuerlich absetzen. Aber Sie treffen ja genau diejenigen, die Sie ja nicht treffen wollten, jene, die es sich nicht leisten können. Die Ärmeren, die aus sozial unteren Schichten kommen, die sind ja dann geradezu verpflichtet, in den sozialen Dienst einzutreten, wobei ich Ihnen das wirklich nicht abnehme, was Sie da hineingeschrieben haben, nämlich in den Hospizdienst einzutreten. Das heißt, Studenten, die keine Ausbildung haben und die gezwungen werden, etwas tun, sollen sterbenskranke Menschen betreuen. Das kann es nicht sein!

Das lehnen wir auch ab, das ist falsch, da sagen wir lieber, es soll sozial gerechte Stu­diengebühren mit einem System an Stipendien geben – wobei ein Drittel der Studenten bereits jetzt Stipendien bekommt und die Studiengebühren nicht zahlen muss. Nicht


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aber diesen Ausweg, den Sie hier gewählt haben und den laut Verhandlungschef der ÖVP, Schüssel, Sie selbst eingebracht haben. Sie selbst haben bereits im November diesen Vorschlag gemacht. Hochinteressant auch zu hören, wie Sie hier offenbar die eigene Partei hintergangen haben.

In der „Presse“ wurde das Bildungskapitel von Frau Martina Salomon folgendermaßen kommentiert: „Alfred Gusenbauer hat etwas versprochen. Nämlich, dass eine Bildungs­reform das Herzstück einer sozialdemokratischen Regierung sein wird. Jetzt ist das ‚Herz‘ zum Blinddarm geworden“. – Und so ist es auch.

Das Einzige, was übrig bleibt, ist, dass Sie junge Menschen, nämlich die Schwächeren der Jugend, Lehrlinge, plötzlich leichter kündbar machen. Na danke! Vielen Dank, Sozialdemokratie! Plötzlich ist der Kündigungsschutz für Lehrlinge weg. Die können bisher nur in den ersten drei Monaten ihrer Probezeit gekündigt werden, künftig nach dem ersten Lehrjahr, nach dem zweiten Lehrjahr. Das ist ein massiver Angriff auf den Kündigungsschutz von Lehrlingen, den die Gewerkschaft auch zu Recht kritisiert und den wir auch ablehnen. Was können die Lehrlinge dafür, dass Sie sich nicht durch­setzen konnten? (Beifall beim BZÖ.)

Auch zum Thema Soziales, zum Kernthema der SPÖ, müssen wir einfach heute eine Dringliche Anfrage einbringen, denn was der Sozialminister bisher von sich gegeben hat, ist ja auch nicht von schlechten Eltern. Er hat überhaupt keine Ahnung vom Budgetfahrplan. Er setzt sich in die Sendung „Offen gesagt“ und sagt den Menschen: Es gibt 400 Millionen € jährlich mehr für Soziales und 200 Millionen € jährlich mehr für Bildung. Nur: Es steht nicht im Budgetfahrplan drinnen. Da stehen ganz andere Zahlen drinnen. Er hat die Menschen wieder hinters Licht geführt: nach der Wahl, vor laufenden Fernsehkameras und vor einem Millionenpublikum, Herr Sozialminister.

Dass Sie damit Schmerzen haben, verstehe ich, denn Sie sind heute ein Sozial­minister, der gerupft ist in seinem Sozialministerium. Sie wollten die Arbeitskompetenz zurück aus dem Wirtschaftsministerium. Sie sind gescheitert, Sie haben sie nicht. Sie haben die Familienkompetenz verloren, und Sie haben noch weitere Kompetenzen, etwa die für die Jugend, verloren. Sie stehen heute in Wirklichkeit als Minister ohne Kompetenzen da und müssen dauernd über Themen sprechen, die Sie nicht beein­flussen können.

Aber Sie schauen dabei zu, wie im Pflegebereich nicht nur nicht erhöht wird, sondern vielleicht einmal in der Legislaturperiode eine Valorisierung stattfindet. Kein Wort von einer wirklichen Erhöhung, eine Valorisierung. Sie schauen dabei zu, wie kryptisch im Regierungsübereinkommen steht, die Invaliditätspension wird harmonisiert, weil es unterschiedliche Berufsgruppen gibt.

Wissen Sie, was das heißt? Sie wollen die Invaliditätspension kürzen. Das ist Ihre eigent­liche Intention. Da werden wir genau schauen, was da passiert, damit Sie hier nicht die Ärmsten treffen.

Und Sie schauen zu beim Belastungspaket, das da ist. Ich muss sagen, Herr Dr. Schüssel hat in Offenheit zugegeben, dass Belastungen drinnen sind, etwa die Krankenversicherungsbeiträge. Sieben Jahre lang haben wir das nicht gebraucht, haben wir keine Erhöhung bei den Krankenversicherungsbeiträgen machen müssen. (Abg. Öllinger: Das stimmt ja nicht!) Sie haben aufgelistet, dass es weitere Belas­tungen gibt, Sie haben nur eines vergessen, denn hier steht auch eine Belastung drinnen, die alle Menschen gleich trifft, nämlich die flächendeckende Erhöhung der Gebühren, und zwar aller Gebühren, jedes Jahr, die Valorisierung. Und das wird ebenfalls ein Volumen von ungefähr 100 Millionen € beinhalten.


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Herr Dr. Gusenbauer! Ich frage mich, was ist daran sozial und was ist daran Armuts­bekämpfung, dass man sämtliche Gebühren hinaufschraubt und dass man, so wie in Wien nach der Wahl, alles teurer macht, dass alles mit dieser Regierung teurer wird.

Die Mindestsicherung haben wir gewürdigt. Auch das wird am Nachmittag noch ein Thema sein. 726 € fürs Nichtstun, 1 000 € Mindestlohn für Vollbeschäftigung. Das ist ungerecht!

Von der Steuerreform hören wir weit und breit eigentlich nichts mehr. 500 € für jeden hat Herr Gusenbauer versprochen. Das steht nicht im Regierungsübereinkommen. Autofahrer werden belastet.

Und wir haben die größte Regierung. Auch das war interessant, als Herr Dr. Gusen­bauer gesagt hat, 19 kann man nicht durch zwei teilen, also machen wir künftig 20. – Das ist jetzt die Regierungspolitik. Übrigens nicht das erste Mal. Das hat es schon einmal gegeben beim Verbund. Bei der Bestellung des Verbundvorstandes waren es drei. Drei kann man nicht durch zwei teilen, also machen wir vier, zwei Rote und zwei Schwarze. Und so geht offenbar die Postenbesetzung in den nächsten Wochen weiter, eine Selbstversorgung sondergleichen.

Bei den Eurofightern sind Sie, wie wir wissen, jämmerlich umgefallen. Sie wollten sie abbestellen. Jetzt kommen Sie drauf, es ist nicht möglich. Jetzt sagt der Herr Zivil­dienstminister, wir wollen einsparen. Er sagt, wir wollen einsparen, aber gleich­zeitig überweist er mit Wissen der Regierungsparteien die erste Tranche von 218 Millionen € an den EADS-Konzern. Da ist nicht ein Euro eingespart. Und Sie werden überhaupt nichts einsparen können. Wissen Sie, eines können Sie einsparen: Wenn Sie die jährlichen Raten und die Quartalsraten direkt überweisen und nicht per Erlagschein, dann ersparen Sie sich die Erlagscheingebühr. Das ist das Einzige, was Sie einsparen können bei dieser Geschichte. Aber auch hier haben Sie die Wähler letztlich hinter­gangen und haben Ihre Versprechen nicht erfüllen können. (Beifall beim BZÖ.)

Wir haben 40 Arbeitskreise im Regierungsübereinkommen. Wir haben das schon entsprechend gewürdigt. Und was ich auch interessant finde, ist die Stimmung. Es sind alle irgendwie ein bisschen traurig. Der Herr Cap ist am ersten Tag nach der Präsentation in der „ZiB 2“ gesessen, hat das eine oder andere Tränchen abgedrückt und hat gesagt: Ich bin wirklich traurig. Der Herr Sozialminister sagt: Dieses Regie­rungsübereinkommen schmerzt mich, ich bin betroffen. Zur Schmerzlinderung hat er heute in der Dringlichen Anfrage am Nachmittag die Möglichkeit, dazu Stellung zu nehmen.

Der Herr Cap will dann nachverhandeln. Die SPÖ Vorarlberg will nachverhandeln. Der Pakt hält nicht einmal 48 Stunden. Sie haben nicht nur schwach begonnen, sondern auch stark nachgelassen. Und nicht einmal die eigene Partei – das muss man sich vor­stellen! –, nicht einmal die eigene Gesinnungsgemeinschaft steht hinter dem Pakt! 25 Prozent des Parteivorstandes der SPÖ haben den Pakt abgelehnt. Und wissen Sie, was ich Ihnen sage, es sind in Wirklichkeit doppelt so viele, denn viele haben nur deshalb zugestimmt – seien wir doch ehrlich, der Herr Gaál nickt schon –, um eine andere Regierung zu verhindern: Damit wir in die Regierung kommen, haben wir zugestimmt. Aber es sind wesentlich mehr, die gegen diesen Regierungspakt sind, weil er, so wie Erich Haider von der SPÖ sagt, unsozial ist, unglaubwürdig ist und daher auch von der eigenen Partei nicht mitgetragen wird.

Herr Dr. Gusenbauer geht jetzt her und will die Regeln umschreiben. Er sagt jetzt, nein, es ist ohnedies alles gut, auch die Ministeraufteilung ist in Ordnung. Er sagt, ich habe jetzt die Schlüsselressorts. Obwohl die ÖVP Inneres, Äußeres, Finanzen und Soziales hat, sagt die SPÖ, nein, unsere sind die richtigen. Wir schreiben jetzt die Regeln um. Wissen Sie, wie das ist? Das ist so ähnlich, als würde ein Fußballtrainer, dessen


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Mannschaft nach 90 Minuten zwei zu eins verloren hat, sagen, diejenigen, die weniger Tore schießen, haben gewonnen. So ähnlich kommt mir jetzt Dr. Gusenbauer in der Bewertung vor. Von Fairness, von sonstigen Ansprüchen, die er gestellt hat, eigentlich kein Wort.

Auch interessant ist, dass bereits Streit beginnt in der Regierung. Wie schaut es aus? Vielleicht hören wir das noch. Wie ist das mit den Privatisierungen? Herr Minister Bartenstein? OMV? Telekom? Da ist Ihnen gleich Herr Matznetter drübergefahren. Kommt nicht in Frage!, heißt es.

Wer ist wirklich schuld am Desaster der Studiengebühren? Broukal sagt, die ÖVP, die ÖVP sagt, die SPÖ. Dann haben wir auch schon Nettigkeiten, die ausgerichtet werden, etwa von einem SPÖ-Landeshauptmann, der den Herrn Molterer nicht gerade als Erneuerung in der ÖVP sieht. Auch interessant.

Das alles zeigt, dass diese Regierung kein langes Leben haben wird, und deswegen bringen wir, weil Sie immer sagen, wir haben keine Ideen, auch einen Ent­schließungsantrag mit einem Gegenprogramm ein, einen Entschließungsantrag mit genau 20 Punkten, in denen wir eine Steuerreform verlangen, jugendpolitische Maß­nahmen, in denen wir im Detail all das reparieren, was Sie jetzt im Regierungs­übereinkommen stehen haben.

Diesen Entschließungsantrag, in dem wir unser Gegenmodell drinnen haben, mit dem wir vor allem für die Jugend sehr viel machen wollen, bringe ich hiemit ein.

Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie haben Hoffnung verbreitet, Enttäuschung geerntet. Sie sind ausgezogen, um Volkskanzler zu sein, und stehen heute als Kanzler des Wortbruchs ohne Volk dar. Sie wollten verlässlicher Partner sein und sind heute von Wählern und eigenen Funktionären verlassen. Sie haben soziale Wärme angekündigt und soziale Kompetenz an der Garderobe des Bun­deskanzleramts abgegeben. Sie wollten sparsam regieren und haben die größte und teuerste Regierung. Sie haben Fairness versprochen und haben unfaire Belastungen für alle im Regierungsübereinkommen. Sie haben sich vollmundig gegen die Armut gestellt und stehen heute mit leeren Händen da. Sie stehen am Beginn Ihrer Regie­rung, aber am Ende Ihres Marsches durch die Institutionen. Dazu gratuliere ich Ihnen!

Dass Sie die Glaubwürdigkeit, die Hoffnung und das Vertrauen Ihrer Partei zerstört haben, ist die eine Sache, aber dass Sie mit dieser Vorgangsweise in den letzten Wochen auch die Verantwortung für die Zerstörung von Glaubwürdigkeit, Hoffnung und Vertrauen in die Politik insgesamt zu verantworten haben, das kann man Ihnen nicht verzeihen. Das ist der Schaden für die Republik Österreich und ihre Menschen.

Ihr Sandkistentraum wurde wahr. Der Preis ist hoch, unserer Meinung nach zu hoch! Wir werden daher alles daransetzen, dass die Menschen nicht die Zeche für diesen Preis zahlen müssen, den Sie heute hoch angesetzt haben.

Wir werden daher in jedem Fall eine konstruktive Opposition sein, die nicht nur kritisiert, sondern auch Verbesserungsvorschläge einbringt – wir nehmen Sie da beim Wort –, wir werden in jedem Fall ein verlässlicher Partner der Österreicherinnen und Österreicher in den nächsten vier Jahren sein. (Beifall beim BZÖ.)

11.57


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Ich gebe bekannt, dass der soeben in seinen Kernpunkten erläuterte Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen auch schriftlich überreicht wurde und genügend unterstützt ist. Er steht daher mit in Verhandlung.


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Im Hinblick auf den Umfang des Antrages lasse ich ihn gemäß § 53 Abs. 4 der Geschäftsordnung vervielfältigen und verteilen. Im Übrigen wird dieser Antrag auch dem Stenographischen Protokoll beigedruckt werden.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Westenthaler, Haubner, Scheibner und Kollegen betreffend „Zurück in die Zukunft“ – Fortsetzung des Erfolgskurses der letzten sieben Jahren statt Stillstands-, Belastungs- und Plattitüdenpolitik (eingebracht im Zuge der Debatte zur Regierungserklärung in der Sitzung des Nationalrates am 16.01.2007)

Im Februar 2000 wurde mit Angelobung der orange(blau)–schwarzen Bundesregierung der Grundstein für eine Politik gelegt, die eine klare Abkehr von der großkoalitionären Stillstands- und Proporzpolitik darstellte. Mit diesem neuen Weg gelang es, Österreich zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes nachhaltig zu modernisieren. Die Schuldenpolitik sozialistischer Regierungsverantwortung wurde beendet und der österreichische Wirtschaftsstandort im internationalen Vergleich auf die Überholspur gebracht.

Die Feststellung des Missionschef des Internationalen Währungsfonds Demekas, wonach „seit der letzten Dekade ein strategischer Wandel in der Politik Österreich zu einem europäischen Vorzeigeland bei Reformen gemacht hat“, bestätigt eindrucksvoll den seit dem Jahr 2000 eingeschlagenen Erfolgskurs. Die Bereiche öffentliche Finan­zen, Pensionsreform, Steuerreform, einheitliche Finanzmarktaufsicht, moderni­sierte Wettbewerbsbedingungen, Maßnahmen auf dem Arbeitsmarkt und bei For­schung und Entwicklung sowie die Förderung von Jungunternehmern wurden in diesem Zusam­menhang besonders hervorgehoben.

Ausländische Medien sprechen zurecht vom Erfolgsmodell Österreich:

Dass dies selbst die Österreichische Sozialdemokratie mit Alfred Gusenbauer an der Spitze (als einer der vehementesten Gegner dieser Bundesregierung) mittlerweile erkannt hat, beweist die Tatsache, dass bereits zu Beginn der Präambel zum Regierungsprogramm für die XXIII. Gesetzgebungsperiode festgeschrieben wird, dass „auf Basis des bisher Erreichten (...) aufgebaut werden (soll).“ Dieses späte Bekenntnis der SPÖ zur Erfolgsgeschichte der Regierungspolitik der letzten sieben Jahre wird seitens der unterfertigten Abgeordneten ausdrücklich begrüßt. Sehr bedauerlich ist jedoch, dass die spärlichen Inhalte – des sonst vom Umfang her voluminösen, gemeinhin als „Regierungsprogramm“ bezeichneten Konvoluts – diesem Anspruch in keiner Weise gerecht werden.

Proteste und Spott: So beginnt die neue Regierung

Das nunmehr von der „Retrokoalition“ aus ÖVP und SPÖ ausverhandelte Regierungs­programm für die XXIII. Gesetzgebungsperiode gibt begründeten Anlass anzunehmen, dass der erfolgreiche Weg der Reformpolitik der letzten sieben Jahre verlassen wird. Die Rückkehr zu großkoalitionärer Stillstands- und Proporzpolitik ist zu befürchten. Die Kritik am Ergebnis beschränkt sich aber nicht nur auf die Opposition, sondern hat weite Teile der Sozialdemokratie selbst erfasst. Vor allem die zur Chefsache erklärten Themen: Studiengebühren, EUROFIGHTER und Ressortverteilung gaben in der SPÖ steten Anlass zu vehementer Kritik und Spott (siehe z.B. www.abtreten.at, eine Internetseite betrieben von Teilorganisationen der SPÖ, bei der man auch in die sog. „Protestsektion“ eintreten kann).


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Mit der Feststellung, „über die Wertschätzung, die uns da entgegen gebracht wurde,“ werde man „im nächsten Präsidium nachdenken“, brachte der steirische SP-Landes­hauptmann Voves seinen Unmut über die Regierungsverhandlungen, die entsprechen­den Ergebnisse aber insbesondere über den Verhandlungsstil seines Parteivorsitzen­den Gusenbauer zum Ausdruck. „Die Ergebnisse zu Eurofightern und Studiengebühren wurden uns lediglich mitgeteilt“, so Voves weiter.

Grundstock für diese Verärgerung dürften aber auch die massenhaften Austritt aus der SPÖ sein, an deren Spitze die Vorsitzende des VSStÖ Sylvia Kuba und die ÖH-Vorsitzende Barbara Blaha zu nennen sind, welche aus den Massendemonstrationen von v. a. linken Studenten und SJ ihre Konsequenzen gezogen haben. Ihren bishe­rigen Höhepunkt erreichten diese in der Besetzung der SPÖ-Parteizentrale in der Löwelstraße, was den neuen HBK, Dr. Alfred Gusenbauer, zu scherzhaften Erzäh­lungen vor laufender ORF-Kamera gegenüber seinem Vizekanzler am Weg zur Angelobung durch den Herrn Bundespräsidenten verleitete. Da hilft selbst dessen Verständnis für Proteste und auch die des neuen Sozialministers mit geringem Portefeuille, Erwin Buchinger, nichts – die Sozialdemokratie und ihr derzeitiger Obmann haben nicht nur die sprichwörtlichen Hosen heruntergelassen, sie wurden auch von der ÖVP schlicht über den Tisch gezogen. Zu groß war die Gier nach Macht.

Die SPÖ hatte nicht nur die in bisherigen Großen Koalitionen traditionell „roten Ressorts“, wie Inneres und Finanzen an die ÖVP verspielt, auch im Sozialressort herrscht Flaute. Der Familienlastenausgleichsfonds wandert mit den Familien-, Senioren- und Jugendagenden angeblich zum Gesundheits- und Frauenressort und von der „Rückholung ins sozialdemokratische Reich“ der Arbeitsagenden – ein­schließlich des AMS mit einem Buchinger-Bruder an der Spitze, ist ebenso nur ein Traum geblieben. Keine Rede mehr von der strategischen Achse der Buchinger-Brüder und dem damit verbundenen möglichen „Doppelpass-Spiel“. Kein Wunder, wenn führende Sozialdemokraten mit Regierungserfahrung – in Anspielung auf das große Vorbild Gusenbauers – gemeint haben: „Wir haben einen roten Kanzler unter einer schwarzen Regierung. Kreisky dreht sich im Grab um.“, so Ex-SP-Vizekanzler Androsch, der zwar vordergründig aus monetären, aber dennoch gleich seinen Opern­ball-Besuch abgesagt hat. Zu wenig gibt es derzeit in der Sozialdemokratie zu feiern.

Nachverhandlungen ausgeschlossen

Kein Wunder, dass bereits am Tag der Unterzeichnung des Arbeitsübereinkommens seitens der SPÖ, namentlich von Klubobmann Cap, Nachverhandlungen insbesondere für den Bereich der Studiengebühren gefordert wurden. Zu groß ist der Druck durch die ablehnenden Gruppen und Teilorganisationen, die dem Parteivorsitzenden nur 75 Prozent Zustimmung im Parteivorstand zu diesem, seinem Programm gebracht haben. Jeder vierte Sozialdemokrat ist also dagegen.

Im Gegensatz zu den durchwegs positiven Stellungnahmen ausländischer Medien zur Regierungspolitik der letzten sieben Jahre, bringen die Kommentare der letzten Tage große Skepsis zum Ausdruck, wenn beispielsweise davon gesprochen wird, dass „sich die Koalitionspartner keine große Reformagenda vorgenommen haben“ oder von „wachsweichen Kompromissen“ die Rede ist („Der Tagesspiegel“ Berlin / 09.01.07)

Die Bewertung des Regierungsübereinkommens durch die inländischen Medien fiel selbst bei SPÖ-nahen Medien durchwegs negativ aus:

„Gusenbauers Handicap: Gebrochene Versprechen und eine lächerliche Ministerliste“; (09.01.07) „DER STANDARD“

Die Ressortverteilung zeigt, dass die Regierung nicht plant, mutig Akzente zu setzen.  (11.01.07) „DER STANDARD“


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„Besonders mutig oder gar visionär ist das großkoalitionäre Regierungsprogramm nicht. „Vorarlberger Nachrichten“ (12.01.07)

Hauptsache Kanzler; Studiengebühren, Eurofighter, Finanzressort: Verkauft die SPÖ für die Große Koalition ihre Seele ? „Profil“ (08.01.07)

Themaverfehlung beim Programm

Für Gusenbauer zählt derzeit vor allem eines: Dass er Bundeskanzler ist. „Format“ (12.01.07)

Das vorliegende Regierungsprogramm von ÖVP und SPÖ zeichnet sich insbesondere durch allgemein gehaltene unverbindliche Aussagen aus. Selbst in jenen seltenen Fällen, in denen inhaltliche Reformvorhaben oder gar konkrete Gesetze erwähnt werden, fehlen terminliche Festlegungen. Laufend wird auf idR noch zu gründende Arbeits-, Experten-, und Evaluierungsgruppen sowie auf Verbesserungs- oder Prüfungserfordernisse verwiesen. Welche „wichtige“ Aufgaben diesen Experten­grup­pen teilweise übertragen werden, zeigt das Beispiel einer eigens einzurichtenden Expertenkommission zur Einführung eines Qualitätssiegels „Meisterbrief“. Glaubt man dem Regierungsprogramm, so ist die Tätigkeit dieser Bundesregierung mit Ende des laufenden Jahres vorbei, da für die folgenden Jahre der Gesetzgebungsperiode eigentlich keine konkreten Reformen mehr geplant sind.

Bemerkenswert ist jedoch, dass es der Retrokoalition zumindest gelungen ist, außer Streit zu stellen, geltendes Recht auch weiterhin entsprechend zu vollziehen, zumal man sogar festschrieb, dass „die bereits jetzt verpflichtende Bedarfserhebung, wie es im Schulorganisationsgesetz vorgesehen ist, durchgeführt werden müsse“. Lächerlich wird es dort, wo angekündigt wird, die Wehrpflicht gesetzlich auf sechs Monate zu verkürzen. Ein Blick ins Gesetz hätte genügt um zu erkennen: Dies gilt schon ab 1.1.2008 und bis dahin sind alle Grundwehrdiener, die 2007 einrücken müssen, mit Weisung für sechs Monate einzuberufen. Ein Gag der neuen Regierung oder schlichte Unwissenheit der Verhandler?

Das neue Motto: Belastungen verstecken und Reformen verschieben

Konkret wird man lediglich dort, wo es um zusätzliche Belastungen für die Öster­reicherinnen und Österreicher geht. Auch wenn versucht wird, dies in einer dürren Tabelle zur Budget- und Wirtschaftsentwicklung zu verstecken. Denn dort fehlen die Einnahmen, und dies wohl nicht aus Versehen. Klar festgeschrieben wird aber im Textteil, dass jährliche Gebührenerhöhungen Platz greifen werden, und ob diese für 2007 auszuschließen sind – wie der neue Finanzminister Willi Molterer angekündigt hat – bleibt abzuwarten. Zu vieles wurde von ÖVP und SPÖ in den letzten Monaten versprochen und nicht gehalten.

Anstatt im Interesse der Österreicherinnen und Österreicher konkrete Projekte zu terminisieren und umzusetzen, denkt die neu angetretene Retrokoalition schon an eine Fortsetzung dieser Zusammenarbeit nach den nächsten Wahlen und legt fest, „dass in der nächsten Gesetzgebungsperiode (Anm.: also erst in der XXIV. GP) auf die Bun­desländer und Gemeinden eingewirkt werden soll, die Harmonisierung der unter­schiedlichen Pensionssysteme voranzutreiben.“ Dass in diesem Bereich gerade Wien noch große Versäumnisse aufzuweisen hat, und der Wiener Bürgermeister Häupl einer der Hauptverhandler der SPÖ war, wird wohl kein Zufall sein. Die damit dem Steuer­zahler zugemuteten Belastungen von zumindest 138 Mio € durch die weiterhin generösen Pensionsprivilegien der Landes- und Gemeindebediensteten, v. a. in Wien, werden durch diese Regierung nicht beseitigt werden. Wozu ist sie mit ihrer 2/3-Mehrheit dann gut, wenn nicht für große Reformen, fragen viele Menschen und


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politische Beobachter zu Recht. Die Länder haben es sich offenbar durch ihre Ver­hand­ler gerichtet.

Die nachfolgende Darstellung einiger ausgewählter „Inhalte“ des vorliegenden Regie­rungs­programms unterstreicht die fehlende Reformbereitschaft der neuen Bundes­regierung:

1) Steuerreform verschoben

Der durch den nunmehrigen Bundeskanzler Gusenbauer noch am 26.12.2006 für den Beginn der Legislaturperiode angekündigten Steuerreform wird lediglich die letzte halbe Seite des Regierungsprogramms inklusive eine unvollständige Tabelle gewid­met. Lapidar heißt es, dass „...die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode eine große Steuerreform mit einer spürbaren Entlastung der Steuerzahler und der Wirt­schaft ohne Gegenfinanzierung durchführen wird.“

Keine einzige jener Maßnahmen, wie sie seitens der SPÖ und ÖVP in deren Wahl­programmen angekündigt wurden, findet sich im Regierungsprogramm wieder. So versprach Gusenbauer unter anderem eine steuerliche Erleichterung um 500 € pro Jahr für Beschäftigte, die weniger als 4 000 € brutto verdienen. Kleine und mittlere Unternehmen sollten durch Investitionsfreibeträge- und -prämien unterstützt werden. Ebenso fehlt im Retroprogramm die seitens der ÖVP versprochene Abschaffung der Erbschafts- und Schenkungssteuer vollständig, sowie die Streichung von Bagatell­steuern. Ganz zu schweigen von der bereits in der XXII. GP von allen Parteien verein­barten großen Novelle zum Bundeshaushaltsgesetz (BHG), die unter den Verhand­lungstisch gefallen sein dürfte. Diese sollte v. a. Globalbudgets sowie Mehrjährigkeit in Budgetvollzug und -planung bringen.

2) Jährliche Erhöhung sämtlicher Gebühren

So vage das Bekenntnis zu einer allfälligen Steuerreform ausgefallen ist, so klar und eindeutig ist aber andererseits im Regierungsprogramm festgeschrieben, „sämtliche Gebühren, wie z.B. Vignette einer jährlichen Valorisierung“ zu unterziehen und damit schlicht und einfach zu erhöhen.

Allein die Stempel-, und Rechtsgebühren sowie Bundesverwaltungsabgaben belaufen sich laut BVA 2006 auf 825 Mio €. Eine jährliche Valorisierung von 2 Prozent ergibt eine Erhöhung im Ausmaß von 16,5 Mio € oder 227 Mio öS.

Die gesamten sonstigen Abgaben (ohne Steuern) liegen bei jährlich rund 4,3 Mrd €. Hier bedeutet eine jährliche Valorisierung eine Erhöhung um 86 Mio € oder 1,18 Mrd öS.

3) Einmal ehrlich: Schlechte Wirtschaftspolitik ist leider zu erwarten!

Rechnet man alle angekündigten Erhöhungen – als in Hinkunft jährliche Valorisierung getarnt und von der Rezeptgebühr und ihrer Einführung unter damals noch sozialis­tischen Sozialministern bekannt – zusammen, so kommt man auf knapp über 600 Mio € Mehreinnahmen. Diese gehen voll zu Lasten der arbeitenden Bürger und dort wiederum des Mittelstandes.

Das macht auch klar, dass durch den damit verbundenen Kaufkraftverlust die Wirt­schaftslage deutlich schlechter werden wird. Nach den sieben fetten Jahren der letzten Regierung mit den besten Wirtschaftsdaten seit langem, kommen nun offenbar die sieben mageren Jahre. So erwartet diese Bundesregierung zum regulären Ende der GP ein Wirtschaftswachstum von nur 2,3 Prozent. Ein Wert, der nicht nur deutlich unter den für heuer – dem ersten Jahr des neuen Aufschwungs – prognostizierten 3,2 Pro­zent liegt, sondern auch unter den „magischen“ 2,5 Prozent Wachstum, das nicht nur alle Wirtschaftsforscher als Grenze für gleich bleibendes Beschäftigungsniveau anset-


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zen, sondern auch von der SPÖ bei ihrer Kritik an der letzten Bundesregierung immer ins Treffen geführt wurde. Steigende Arbeitslosenzahlen am Ende der GP sind daher zu erwarten. Wie die Reduktion von derzeit 4,7 Prozent auf 3,9 Prozent in der bereits erwähnten „dürren“ Tabelle auf S. 167 des sog. „Regierungsprogramms“ erklärt werden können, bleiben die Autoren schuldig.

Der im Programm auf S. 163 mehrfach angedeutete, über den Konjunkturzyklus „aus­geglichene Haushalt“ scheint unerreichbar oder nur durch weitere massive Einnahmen­zuwächse aus Erhöhungen zu erzielen. Offen bleibt nur, was in zeitlicher Hinsicht mit dem Konjunkturzyklus gemeint ist? Oder verwechseln die Autoren diesen mit dem Haushaltszyklus? In beiden Fällen gehen die Wirtschaftsdaten angeblich bergab. Die Einsparungsziele – etwa im Gesundheitsbereich – sind wenig ambitioniert und können etwa im Bereich der angestrebten Staats- und Verwaltungsreform nicht mehr in dieser GP lukriert werden.

4) Keine Abschaffung der Studiengebühren – sondern jährliche Erhöhung!

War noch im SPÖ-Wahlprogramm von der Einleitung einer hochschulpolitischen Wen­de die Rede – „Wir werden die Studiengebühren abschaffen“ –, so kann davon in dem von Gusenbauer unterzeichneten Regierungsprogramm nicht mehr die Rede sein. Mit dem völlig unausgegorenen Ansatz, sich von der Entrichtung der Studiengebühren „freizukaufen“, wird der Entstehung einer Zweiklassengesellschaft unter den Studieren­den Vorschub geleistet, indem „reiche Studenten die Gebühr einfach abschreiben werden, und arme sie in Form eines Sozialdienstes abarbeiten dürfen“ wie es Michael Völker im einem „Standard“-Kommentar am 09.01.2007 zum Ausdruck brachte. So ist angedacht, die Studiengebühr durch Sozialarbeit oder gemeinnützige unentgeltliche Tätigkeiten, beispielsweise in Form von Nachhilfeunterricht oder Alten- und Kranken­betreuung, im Ausmaß von 60 Stunden je Semester, dies entspricht der Honorierung einer Arbeitsstunde mit 6,05 €, abzudienen. Jeder Werkstudent verdient bereits heute mehr; wo da der Anreiz für soziale Tätigkeiten bleibt, ist nicht nur fraglich – er ist ökonomisch nicht gegeben.

Mit der geplanten jährlichen Erhöhung aller Gebühren hat die SPÖ nicht nur ihr Wahl­versprechen, die Studiengebühren abzuschaffen, gebrochen, sondern sogar einer jähr­lichen Anhebung der Studiengebühren zugestimmt.

Unterstellt man eine jährliche Teuerung von rund 2 Prozent so ergibt sich für die Studierenden an Universitäten ab dem nächsten Jahr eine Zusatzbelastung von rund 14,5 € jährlich mit steigender Tendenz bis zum Ende der Legislaturperiode. Neben den Studierenden an Universitäten kann diese Mehrbelastung auch Studierende an Fachhochschulen oder an anderen, gleichgestellten Bildungseinrichtungen treffen. Die jährlich zu entrichtende Studiengebühr von derzeit 726,72 € steigt somit auf 741,25 €. Bis zum Jahr 2010 erhöhen sich somit die Studiengebühren bei jährlicher Valorisierung auf rund 785 € pro Jahr oder 820 € inkl. ÖH-Beitrag!

5) Senkung der Klassenschüler-Höchstzahl auf 25 nur mehr Richtwert

Im Regierungsprogramm wird die Klassenschüler-Höchstzahl von 25 nur noch als Richtwert bezeichnet.

Damit ist eine konsequente Umsetzung der geplanten Senkung, die im Interesse der Schülerinnen und Schüler wäre – trotz anders lautender Aussagen im Wahlkampf – nicht mehr gewährleistet. BZÖ und ÖVP haben im Gegensatz dazu bereits in der letzten Legislaturperiode einen Entschließungsantrag zur Absenkung der Klassen­schülerhöchstzahl auf 25 beschlossen, also wesentlich mehr, als die Große Koalition jetzt umzusetzen gedenkt.


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6) Doch kein verpflichtendes Vorschuljahr

Im SPÖ/ÖVP-Regierungsprogramm ist nur noch davon die Rede, dass Kinder in den Kindergärten besser auf die Volksschule vorbereitet werden, und eine Expertengruppe Vorschläge für ein vorschulisches Bildungsangebot erarbeiten soll.

Abgesehen von der Tatsache, dass die SPÖ damit einmal mehr ein Wahlversprechen gebrochen hat – hieß es doch im SPÖ-Wahlprogramm wörtlich: „Wir werden ein ver­pflichtendes unentgeltliches Vorschuljahr mit besonderem Akzent auf Sprachförderung einführen“ –, wird hier zudem grob fahrlässig mit der Bildung unserer Kinder umge­gangen. Alle Experten sind sich einig: Ein Vorschuljahr hätte große Vorteile für die sprachliche und soziale Integration und Kompetenzsteigerung unserer Kinder. Damit hätten vor allem sozial Unterprivilegierte wieder mehr Chancen für ihr weiteres Leben.

7) Kinderbetreuungsgeld

Laut Regierungsprogramm soll die Zuverdienstgrenze beim Kinderbetreuungsgeld von 14 600 € brutto pro Jahr auf 16 200 € angehoben werden.

Die Evaluierung des Kinderbetreuungsgeldes hat gezeigt, dass grundsätzlich eine große Zufriedenheit der Eltern mit dieser Familienleistung besteht. Durch die gegen­über der alten Karenzgeldregelung deutliche Anhebung der Zuverdienstgrenze kam es zur Erhöhung der Wahlfreiheit und zu einer Verbesserung der Vereinbarkeit von Fa­milie und Beruf. Gleichzeitig wurde diese Wahlfreiheit durch die Höhe der Zuver­dienst­grenze zum Teil wieder beschränkt. Weiters schafft die Berechnungsmethode bei manchen Eltern Barrieren für die tatsächliche Nutzung der Zuverdienstmöglichkeiten. Jene Eltern, die während des Bezuges der Leistung ihre Erwerbstätigkeit weiterführen oder eine Tätigkeit aufnehmen wollen, sehen sich oft mit der Schwierigkeit konfrontiert, ihre künftigen Bezüge richtig einschätzen zu können. Einige Eltern müssen daher deutlich unter der Zuverdienstgrenze bleiben, um keine Rückforderung zu riskieren. Andererseits hat sich insbesondere bei besser verdienenden Eltern gezeigt, dass etwa eine qualifizierte Teilzeitbeschäftigung während der Kleinkindphase bereits zu einer Überschreitung der Zuverdienstgrenze führt, sodass das Kinderbetreuungsgeld nicht beantragt bzw. vorzeitig beendet wird. Die Zuverdienstgrenze beschränkt somit in manchen Fällen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Besonders Vätern ist die Inanspruchnahme häufig nicht möglich.

Als Ergebnis der Evaluierung soll daher die Zuverdienstgrenze komplett abgeschafft werden. Darüber hinaus wird ein Bonus für alle Geschwisterkinder nach jenem Modell, welches bei „Mehrlingsgeburten“ angewandt wird, gefordert.

8) Anhebung der Krankenversicherungsbeiträge

Keinerlei Beitragserhöhungen – weder für alle, noch für einzelne Gruppen, war die Position der ÖVP noch bis wenige Tage vor der Einigung. Laut Regierungsprogramm werden die Krankenversicherungsbeiträge dennoch um 0,15 Prozent angehoben.

Bei einem Beitragsaufkommen von rund 10 Mrd € bedeutet diese Maßnahme allein im Jahr 2007 eine Mehrbelastung für die Beitragspflichtigen von 150 Mio €. Ein Arbeit­nehmer mit einem Bruttobezug von 2 000 € würde dadurch mit 3 € im Monat, bzw. 42 € jährlich, belastet werden.

Obwohl bei der Gesundheitsreform 2004 wichtige Maßnahmen zur Finanzierung des Gesundheitssystems sowohl für den Bund als auch für die Länder gesetzt und bereits Einsparungen von 400 Mio € bis 2010 vereinbart wurden, werden Beitragserhöhungen als einzige Lösung erwogen. „Die Beiträge zu erhöhen ist einfach einfallslos“, meinen Bernhard Felderer, Leiter des Instituts für Höhere Studien (IHS), und Alois Guger vom Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO). Einsparungspotentiale, wie sie das IHS lang-


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fristig mit jährlich 3,6 Mrd € und pro Beschäftigten 338 € (oder 36 Prozent) durch Gesundheitsprävention vorgerechnet hat, treten in den Hintergrund.

9) Pflegegeld soll nur einmal valorisiert werden

„Das Pflegegeld selbst deckt die erforderlichen Aufwendungen nicht zur Gänze ab. Das Pflegegeld unterliegt bislang keiner regelmäßigen Valorisierung. Dies führt zu einer unzumutbaren Entwertung der entsprechenden Beträge bei gleich bleibendem oder sogar steigendem Pflegebedarf und ist daher durch eine gesetzliche Valorisierungs­regel zu korrigieren.“ Mit diesen Aussagen legte sich der nunmehrige SPÖ-Sozial­minister Buchinger noch im Wahlkampf eindeutig fest, um dann bei den Regie­rungsverhandlungen umgehend wieder umzufallen und zulasten der zu Pfle­genden einer Regelung zuzustimmen, die eine einmalige, selektiv nach Pflegestufe erfolgende Valorisierung des Pflegegeldes vorsieht. Darüber hinaus plant die neu angelobte Retrokoalition die Einteilung der Pflegestufen zu überprüfen, was sogar den Rück­schluss auf eine mögliche Kürzung des Pflegegeldes in einzelnen Stufen zulässt und nahe legt!

10) Keine nachhaltige Lösung des Problems des Pflegekräftemangels erkennbar! – SPÖ auch für Legalisierung ausländischer Pflegekräfte

Noch im Wahlkampf brachte der nunmehrige Sozialminister Buchinger klar zum Ausdruck, dem drohenden Pflegekräftemangel durch Ausbildung und eine Aufwertung des Pflegeberufs entgegenwirken zu wollen: „Zwischen 2004 und 2006 stieg die Beschäf­tigung in den Pflegeberufen allein in Salzburg um 6,2 % oder 633 Personen an und trug damit wirksam zum Abbau der Arbeitslosigkeit bei. Für die SPÖ auch ein wichtiger Punkt, der gegen eine wenig durchdachte Legalisierung ausländischer Pflegekräfte spricht.“ (SPÖ-Konzept für die Betreuung und Pflege älterer Menschen verfasst von Buchinger und Lapp, 16.08.2006). Davon blieb im vorliegenden Regie­rungs­programm recht wenig übrig. Im Gegenteil:

Im Regierungsprogramm heißt es dazu zwar im Pflegekapitel: „Neben der Bereit­stellung ausreichender bedarfsgerechter Infrastruktur ist dabei auch die Forcierung des Arbeitsmarktes in diesem Bereich als moderner Berufssektor mit Zukunftschancen sowie die Stärkung und Unterstützung von pflegenden Angehörigen und Ehrenamt­lichen wichtig.“

Gleichzeitig wird aber beim Thema Ausländerbeschäftigung eine Forcierung der Aus­länderbeschäftigung angekündigt: „Fachkräfte: Für Fachkräfte aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten ist in Branchen mit besonderem, aus dem verfügbaren Arbeitskräfte­potential nicht abdeckbaren Bedarf eine flexible Erteilung von Beschäftigungs­bewilligungen vorgesehen.“

11) Aufweichung der Übergangsfristen zur Arbeitnehmerfreizügigkeit

Trotz der erst mit Mai 2006 verlängerten Übergangsfrist betreffend die Arbeitnehmer- sowie Dienstleistungsfreizügigkeit und einem klaren, auch im Regierungsübereinkommen für die letzte Gesetzgebungsperiode festgeschriebenen Bekenntnis zur maximalen Inanspruchnahme der siebenjährigen Übergangsfrist plant die neue Bundesregierung eine vorzeitige Öffnung des heimischen Arbeitsmarktes für Arbeitnehmer aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten. So ist für Fachkräfte aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten künftig eine flexible Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen vorgesehen.

Diese Maßnahme führt zu einer zusätzlichen Belastung des heimischen Arbeits­marktes.

12) Mindestsicherung


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Zur verstärkten Bekämpfung der Armut plant die Bundesregierung die Einführung der bedarfsorientierten Mindestsicherung in Höhe von 1 000 €, die in mehreren Schritten erfolgen soll: Die Erhöhung des Ausgleichzulagenrichtsatzes von 690 € auf 726 € soll nun den ersten Schritt bilden. Die Mindestsicherung wird daher im Jahr 2007 726 € brutto (14-mal) betragen.

Eine für alle Bundesländer gleiche soziale Mindestsicherung ist lediglich ein fest­geschriebenes Wunschdenken im Regierungsprogramm und kann nur durch eine 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern realisiert werden. Denn ohne die Bereit­schaft der Länder und deren finanzielle Zusagen für eine bedarfsorientierte Mindest­sicherung zur Vereinheitlichung und Pauschalierung der Sozialhilfe kann dieses Vor­haben der Bundesregierung gar nicht umgesetzt werden. Zur Zeit ist im Detail noch ungeklärt, welche finanziellen Belastungen hier den Ländern in Zukunft entstehen werden und ob die unterschiedlichen Ergänzungsleistungen ebenfalls harmonisiert werden. Warum dann nicht gleich die Sozialhilfe in das Bundesregime wechseln soll, versteht keiner.

Auch scheint es wenig durchdacht worden zu sein, dass bei einem Basisbetrag von 726 € sozialer Mindestsicherung (ohne Heizkostenzuschuss, Wohnbeihilfe, Mehrper­sonen­zuschlag, Naturalleistungen, Befreiungen von Gebühren etc.) kein Anreiz geschaffen wird, einer Beschäftigung nachzugehen. Insbesondere dann, wenn der geplante Mindestlohn nur 1 000 € brutto im Monat betragen soll.

Durch die geplante Bedarfs- und Vermögensprüfung unter Einbeziehung der selbst bewohnten Eigentumswohnstätte ist ein weiterer Anschlag auf den Mittelstand vor­gesehen. Dieser wird zuerst dazu gezwungen, oft über Jahrzehnte geschaffenen Wohnraum zu verlassen, um dann mittels Sozialwohnung und Mitbeihilfe wieder aufgefangen zu werden.

13) Belastung der Autofahrer durch Erhöhung der LKW-Maut sowie der Mineralölsteuer

Noch im Wahlkampf versprach die SPÖ, das Pendlerpauschale um 15 Prozent sowie das Kilometergeld auf 42 Cent anzuheben (APA, 20. Aug 2006).

Genau das Gegenteil ist nunmehr der Fall. Anstelle der angekündigten Entlastungen in diesem Bereich schreckt die neu angetretene Retrokoalition nicht davor zurück, die Autofahrer durch eine Anhebung der LKW-Maut um 4 Cent, der Mineralölsteuer auf Benzin um 1 Cent sowie auf Diesel um 3 Cent, massiv zu belasten.

Die seit 1. Jänner 2004 geltende Mineralölsteuer (MöSt) von 0,417 € pro Liter Benzin und 0,302 € pro Liter Diesel werden laut SPÖVP-Belastungsprogramm auf 0,447 € bzw. 0,312 € erhöht. Dies bedeutet eine prozentuelle Steigerung der MöSt um nicht weniger als 2,4 % pro Liter Benzin bzw. 10 % pro Liter Diesel.

Insbesondere die rund 1,9 Millionen Pendler und deren Familien sind von dieser Maß­nahme besonders hart betroffen. Diese Maßnahme belastet nämlich einen Pendler von Freistadt nach Linz mit zusätzlich jährlich 42 €, einen Pendler von Feldbach nach Graz mit zusätzlich jährlich 58 €, und einen Pendler von Oberwart nach Wien gar mit 144 €!

Die Anhebung der LKW-Maut von derzeit durchschnittlich 22 auf 26 Cent je Kilometer stellt zudem eine Mehrbelastung für die Wirtschaft dar, welche auch bereits ange­kündigt hat, diese Kosten auf die Verbraucher zu überwälzen.

14)Gefährdung der Realisierung von Infrastrukturprojekten

Die vagen Inhalte des Kapitels „Infrastruktur“ des vorliegenden Regierungs­übereinkom­mens legen die Befürchtung nahe, dass, entgegen dem angekündigten Willen zur Vertragstreue, bereits vertraglich abgesicherte Infrastrukturprojekte, wie beispielsweise der am 15. Dezember 2004 zwischen der Republik Österreich und den Ländern Steier-


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mark und Kärnten abgeschlossene Vertrag über die Realisierung und Finanzierung der Eisenbahnstrecke Graz – Klagenfurt („Koralmbahn“), in der laufenden GP auf die lange Bank geschoben werden.

Ein Indiz dafür ist, dass in der Infrastrukturplanung nun eine neue Prioritätensetzung vorgenommen werden soll, anstatt bereits in Angriff genommene Projekte konsequent umzusetzen. Offensichtlich als Zugeständnis an den neuen Infrastrukturminister Faymann erkennt die Retrokoalition lediglich hinsichtlich der Fortführung des U-Bahn-Ausbaus in Wien konkreten Handlungsbedarf für ein bestimmtes Bundesland.

Im Sinne des im Regierungsübereinkommen festgeschriebenen Willens zur Vertrags­treue wird daher die neue Bundesregierung daran erinnert, auf Basis des Ministerrats­vortrages vom 05.12.06, alle notwendigen Schritte zu setzen und Voraussetzungen zu schaffen, um eine vertragskonforme Umsetzung des Koralmbahn-Projektes sicher zu stellen.

15) Staats- und Verwaltungsreform: der Proporz feiert lustige Urstände

In keinem anderen Bereich wird der Rückschritt zur Retrokoalition so deutlich wie hier. Noch nie wurden in den letzten Jahrzehnten Experten von künftigen Arbeitsgruppen in Regierungsprogrammen so ungeniert namentlich genannt. Eine streng paritätisch so­wie politisch besetzte Sechser-Gruppe, der u. a. Kostelka und Öhlinger für die SPÖ, sowie Khol und Fiedler für die ÖVP, angehören, sollen die Verfassungs-, Staats- und Verwaltungsreform im stillen Kämmerlein auspaktieren. Keine Rede vom Dialog mit der Opposition und anderen abweichenden Meinungen, wie in der Präambel auf S. 4 noch vorgesehen. Unnütz die tausenden Stunden im Verfassungskonvent und der Suche nach dem breiten Konsens – auch mit nicht im Parlament vertretenen gesellschafts­politisch wichtigen Gruppen.

Von einer Volksabstimmung über die geplante Verfassungsreform findet sich im Pro­gramm nichts. Diese ist zwar als mögliche Lösung der Pflegeproblematik vorgesehen, aber nicht für grundlegende Fragen der Demokratie und des Staatsaufbaus.

Die Briefwahl und die Herabsetzung des Wahlalters – vor dem konsequenten und logischen Schritt der Herabsetzung der Volljährigkeit auf 16 scheute man offensichtlich zurück – bleibt die einzige konkrete Ankündigung im Bereich der Mitsprache an demokratischen Entscheidungen. Die von Klubobmann Cap in einer der letzten NR‑Sitzungen angekündigten Minderheitenrechte bleiben „ergebnisoffen“, die Kontroll­rechte des Rechnungshofes nahezu unverändert; die langjährige Forderung nach Prüfung der sog. „kleinen Gemeinden“ sowie der Genossenschaften unerfüllt – zu groß war wohl die Angst in den Ländern, die sich auch hier zu ihrem Vorteil durchgesetzt haben.

16) Verkürzung des Wehrdienstes auf sechs Monate

„Die Bundesregierung bekennt sich“ im Regierungsprogramm „zur Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht und wird die gesetzliche Verkürzung des Wehrdienstes auf sechs Monate so rasch wie möglich dem Nationalrat vorlegen.“

Hier kennt man offensichtlich die Gesetzeslage nicht, denn mit Art. I Z 9b des Wehr­rechtsänderungsgesetzes 2006, BGBl. I Nr. 58/2005, wurde normiert, dass der geltende Grundwehrdienst ab 1.1.2008 sechs Monate dauert. Spätestens mit dem Ende des Grenzeinsatzes nach der Schengenreife unserer Nachbarstaaten – 2009 – ist die Wehrpflicht nicht mehr notwendig.

Die Aufgaben, welche dann im Sinne der BH-Reformkommission an ein international einsetzbares Heer gestellt werden, können nur von hochprofessionell ausgebildeten


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und motivierten Freiwilligen erfüllt werden. Sechs Monate Wehrdienst sind dafür zu kurz.

17) Eurofighter-Beschaffung: Widersprüchlicher geht es nicht mehr!

„Für uns ist der Ausstieg das erklärte Ziel, mit dem wir in die Verhandlungen gehen! Die SPÖ wird keinen Millimeter zurückweichen“, waren die klaren und eindeutigen Aussagen des ehemaligen Zivildieners und nunmehrigen Verteidigungsministers Darabos noch vor der Nationalratswahl. „Mit Alfred Gusenbauer als Kanzler wird es keine Eurofighter geben,“ lautete ein diesbezügliches Wahlversprechen der SPÖ (26.09.2006).

Umso verwunderlicher ist es daher, dass sich in der Präambel des Regierungs­programms für die XXIII. GP folgendes Zitat findet: „Die fortwährende Vertragstreue der Republik Österreich (pacta sunt servanda) steht außer Streit. Daher werden internationale Abkommen, europapolitische Zusagen, Bewerbungen und Verträge – ob hoheitlich oder im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung abgeschlossen – außer Streit gestellt“.

Damit hat auch die SPÖ das Festhalten an der Beschaffung der Eurofighter und die Einhaltung der sich aus dem Kaufvertrag ergebenden Verpflichtungen klar zum Ausdruck gebracht, zumal darüber hinaus im Regierungsprogramm ein klares Bekennt­nis zur Wahrung der Lufthoheit in Form der aktiven und passiven Luftraum­über­wachung festgeschrieben ist.

Das Regierungsübereinkommen der Retrokoalition ist erst wenige Tage alt, und das erfreuliche Bekenntnis der SPÖ zur Eurofighter-Beschaffung scheint schon wieder überholt. Der neue Verteidigungsminister Darabos plant, entweder überhaupt aus dem Vertrag auszusteigen oder zumindest die Stückzahl der von der Republik Österreich bestellten Eurofighter von 18 auf 12 zu reduzieren. Dies, obwohl auch schon die ersten zwei Raten seitens der Republik bezahlt wurden. Unterstützung dabei erwartet sich die SPÖ von den Ergebnissen des von SPÖ, Grünen und FPÖ eingesetzten Unter­­suchungsausschusses hinsichtlich der Beschaffung von Kampfflugzeugen. Dies steht im Widerspruch zur Aussage des neuen Verteidigungsministers, der in seiner Antrittsrede vor seinen nunmehrigen Offizieren gemeint hat, dass „(...) sich die Sicherheitspolitik nicht für parteipolitisches Kleingeld eigne“!!!

18) Verbesserung der Inneren Sicherheit?

Die SPÖ hat vielfach vor der Wahl die Einstellung zusätzlicher Exekutivbeamter gefordert: „Die SPÖ sagt daher klar, dieses Land braucht 3 000 Polizistinnen und Polizisten mehr“ (Haider, SPÖ Oberösterreich, 04.04.06); „fordert Kopietz mindestens 1 000 PolizistInnen mehr für Wien“ (OTS 16.07.06). Im ÖVP/SPÖ-Regierungs­programm wird nun aber nur festgeschrieben, dass der Personalstand im Hinblick auf Pensionierungen und der bevorstehenden Schengenerweiterung „dem Bedarf anzu­passen“ und danach für die GP „festzuschreiben“ sei; Erhöhungen sollen nur „bei Bedarf“ möglich sein.

Der Bedarf wird derzeit von der neuen Koalition nicht gesehen, sonst hätte sie sicherlich eine sofortige Erhöhung des Personalstandes vereinbart. Im Gegensatz dazu hat das BZÖ gefordert, durch Verwaltungsreformen (z.B. Kontrolle des ruhenden und fließenden Verkehrs durch Gemeindewachkörper) das Personal der Exekutive zu verstärken. Auch die Verwaltungseinsparungen in anderen Ressorts sollen für eine Erhöhung des Personalstands in der Sicherheitsexekutive und den anderen Bundes-Wachkörpern genutzt werden.


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19) SPÖ nunmehr für Türkeibeitritt

Noch im Wahlkampf sprach sich die SPÖ dezidiert gegen einen EU-Beitritt der Türkei aus, was jetzt – wenn man das Regierungsprogramm aufmerksam liest – nicht mehr ganz so zu sein scheint. Geht man doch darin davon aus, dass es sehr wohl ein Verhandlungsergebnis, das einen Vollbeitritt zur Folge hätte, geben kann. Insbe­sondere bedauerlich ist die Tatsache, dass mit keinem Wort auf die derzeit für einige Kapitel ausgesetzten Verhandlungen hingewiesen wird.

Zusammenfassung:

Die aktuellen Ereignisse der letzten Tage in Zusammenhang mit der Einigung auf dieses Regierungsübereinkommen, sowie insbesondere die SPÖ-internen Wider­stände gegen dieses Programm, wie auch die in offener Abstimmung im SPÖ-Vorstand zum Ausdruck gebrachte Ablehnung durch führende SPÖ-Funktionäre runden das dargestellte Bild der machtverliebten Selbstgefälligkeit des frisch angelobten Bundes­kanzlers eindrucksvoll ab.

Um jedoch weiterhin im internationalen Standortwettbewerb erfolgreich sein zu können und ein Maximum an Beschäftigung zu gewährleisten, muss der in den letzten sieben Jahren eingeschlagene Erfolgskurs zum Wohle der Österreicherinnen und Österreicher konsequent fortgesetzt werden.

Aus diesen Gründen stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, nachstehende Maßnahmen entweder in Form eines Gesetzesentwurfes vorzubereiten und dem Nationalrat zuzuleiten oder, sofern aufgrund der bestehenden Rechtslage möglich, im Zuge der Vollziehung unmittelbar im Verordnungs- oder Erlasswege entsprechend umzusetzen und dem Nationalrat hierüber bis zum 1. Mai 2007 zu berichten:

1) Rasche Steuerreform

Ein Steuersatz anstelle der beiden mittleren Steuersätze (23 % bzw. 33,5 %)

Verbesserung der steuerlichen Situation des Mittelstandes durch Schaffung der Rechtsformneutralität und damit einheitliche Besteuerung mit 25 % für alle Unter­nehmen

Zusammenfassung der drei betrieblichen Einkunftsarten (Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Selbständige Arbeit, Gewerbebetrieb) zu einer Einkunftsart für Unter­nehmen im Einkommensteuergesetz

Wiedereinführung der Investitionszuwachsprämie

AfA-Reform im Sinne einer Koppelung an die Finanzierungsdauer und der Schaffung realistischer Abschreibungssätze

Sofortige Abschreibung von Investitionen, insbesondere bei „kurzlebigen“ Wirtschafts­gütern

Anhebung der Jahreseinkommensgrenze, ab welcher der Spitzensteuersatz zur An­wendung kommt (von 51.000 € auf 84.000 € jährlich, oder von 4.250 € auf 7.000 € monatlich).

Abschaffung der Erbschaftssteuer


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Keine Erhöhung der Einheitswerte

Weitere Abschaffung von Bagatellsteuern wie z. B. Kreditgebühren, Rechtsgeschäfts­gebühren, Gesellschaftsteuer

Steuerliche Absetzbarkeit von „Handwerkskosten“ (Arbeitskosten) für Private

2) Keine Gebührenerhöhungen

Rücknahme der Ankündigung alle Gebühren zu erhöhen

3) Leistungsorientierte Studiengebühren

Abstandnahme von der geplanten Erhöhung der Studiengebühren

Studium für alle – Einführung eines zinsenfreien Kredits zur Finanzierung des Stu­diums

Institutsbezogene Verwendung des Großteils der Studiengebühr

Erhöhung der Lehrverpflichtung für Universitätslehrer

4) Kostensenkung im Gesundheitswesen

Keine Anhebung der Krankenversicherungsbeiträge

Durchsetzung der 2004 beschlossenen Einsparungspotentiale in der Höhe von 400 Mio € in den Ländern

Umsetzung der IHS-Studie zur Gesundheitsprävention und langfristige Einsparung von 3,6 Mrd € jährlich

5) Valorisierung des Pflegegeldes

einmalige Erhöhung des Pflegegeldes um 5 Prozent im Jahr 2007

Dauerhafte Valorisierung des Pflegegeldes

Einführung eines Pflegeschecks in der Höhe von 1 000 € zur Entlastung für pflegende Angehörige

6) Verbesserung des Kinderbetreuungsgeldes

Abschaffung der Zuverdienstgrenze

Schaffung eines Bonus für alle Geschwisterkinder nach jenem Modell, welches bei „Mehrlingsgeburten“ angewandt wird

7) verpflichtendes Vorschuljahr

Einführung eines verpflichtenden Vorschuljahres für alle Kinder, um die sprachliche und soziale Kompetenz und Integration zu fördern

8) Senkung der Klassenschüler-Höchstzahl

Konsequente Umsetzung der Absenkung der Klassenschülerzahl auf 25 im Pflicht­schulbereich, wie auch im Bereich der Höheren Schulen

9) Generelle Beibehaltung des Lehrlingsschutzes

Die Schutzbestimmungen für Lehrlinge müssen aufrecht bleiben. Gleichzeitig ist das Ausbildungswesen – Berufsfindungsjahr mit allgemeinen Ausbildungsthemen für alle Berufe, statt dem Polytechnikum sowie generelle Zusammenfassung der verwandten Berufe, Berufsreifeprüfung in der Berufsschule – vollständig zu reformieren und insbesondere das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugend­lichen so zu novellieren (Arbeit mit Maschinen etc.), dass den Unternehmen wieder Anreize geboten werden, Lehrlinge einzustellen.


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10) gerechter Lohn für alle, die arbeiten

Einführung eines kollektivvertraglichen Mindestlohns in der Höhe von 1 300 € brutto bei Vollbeschäftigung

Ausweitung des Modells des Kombilohns, für alle die arbeiten und unter dem Aus­gleichszulagenrichtsatz verdienen

Bundesweite Vereinheitlichung und Zusammenfassung von Sozialhilfe, Notstandshilfe und Arbeitslosengeld

Ausweitung der Mitarbeiterbeteiligung durch Einführung des Investivlohns

11) Entlastung der Autofahrer

Volle steuerliche Absetzbarkeit der Pendlerkosten von und zur Arbeit

12) Sicherstellung der Umsetzung und Finanzierung der Koralmbahn

Auf Basis des Ministerratsvortrages vom 5.12.2006 sind alle notwendigen Schritte zu setzen und Voraussetzungen zu schaffen, um eine vertragskonforme Umsetzung des Koralmbahn-Projektes sicher zu stellen.

13) Festhalten an der siebenjährigen Übergangsfrist für die Arbeitnehmerfreizügigkeit

Unbedingtes Festhalten an den Übergangsfristen für die Arbeitnehmerfreizügigkeit

14) Kein Beitritt der Türkei zur Europäischen Union

Sofortige Beendigung der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei und stattdessen Auf­nahme von Verhandlungen mit der Zielrichtung einer primärrechtlich verankerten verstärkten Zusammenarbeit in Form einer „Partnerschaft für Europa“

15) Staats- und Verwaltungsreform

Ersatz des Bundesrates durch einen Ausschusslandtag

Neuverteilung der Kompetenzen auf Bundesgesetzgebung, „gemeinsame Landes­gesetz­gebung“ (keine Zuständigkeit der Bundesorgane, aber einheitliche Regelungen der Länder) und singuläre Landesgesetzgebung (sehr eingeschränkte Materien)

Renationalisierung von an die EU abgetretenen Kompetenzen, z.B. die Landwirt­schaftsagenden

Einheitliches Dienst- und Besoldungsrecht in allen Gebietskörperschaften

16) Stärkung der Kontroll- und Minderheitenrechte

Prüfung aller Gemeinden und Genossenschaften durch den Rechnungshof

Zusammenfassung aller Sonder-Anwaltschaften in einer neuen und personell stärker ausgeformten Volksanwaltschaft

Sanktionen für gebrochene Wahlversprechen

17) Verbesserung der Inneren Sicherheit

Wegfall der Grenzkontrollen an der Ostgrenze erst nach tatsächlichem Erreichen der Schengenreife Tschechiens, der Slowakischen Republik, Sloweniens und Ungarns

Umschichtung der durch die Reduktion von Verwaltungstätigkeiten frei werdenden Beamten in die Sicherheitsexekutive und die anderen Wachkörper


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18) Sicherstellung der aktiven Luftraumüberwachung

Einhalten der Vertragstreue der Republik Österreich, um eine ausreichende Luftraum­überwachung sicher zu stellen und damit die aus der Souveränität resultierende Verpflichtung zur Wahrung der Lufthoheit zu gewährleisten

19) Freiwilligenheer statt Wehrpflicht

Nach Wegfall des Assistenzeinsatzes an der Staatsgrenze: Einführung eines Freiwil­ligenheeres, bestehend aus hohem Berufskaderanteil und Freiwilligen-Miliz

Schaffung der finanziellen und legistischen Rahmenbedingungen für eine Umstellung der Wehrpflicht auf ein Freiwilligenheer

20) Herabsetzung der Volljährigkeit auf 16

Mit der generellen Absenkung des aktiven Wahlalters auf 16 Jahre ist der nächste Schritt konsequent und denklogisch: die Herabsetzung der Volljährigkeit auf 16. Die Bundesministerin für Justiz soll daher einen Bericht über die davon betroffenen Gesetzesmaterien an den Nationalrat legen.“

Wien, am 16. Jänner 2007

*****

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Von der Regierungsbank aus zu Wort gemeldet hat sich Herr Vizekanzler Mag. Molterer. – Herr Vizekanzler, ich stelle Ihnen die Uhr auf 30 Minuten. – Bitte.

 


11.57.40

Bundesminister für Finanzen Vizekanzler Mag. Wilhelm Molterer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren auf der Zuschauergalerie, vor den Fernsehschirmen zu Hause! Zwei Parteien, die Sozialdemokratie und die Österreichische Volkspartei, haben sich entschlossen, gemeinsam zu arbeiten; zwei Parteien, die eine unterschiedliche Geschichte haben, eine unterschiedliche Tradition, aber eine Zielsetzung.

Mit diesem Arbeitsübereinkommen, meine Damen und Herren, gilt das Motto: „Gemeinsam arbeiten für Österreich!“ (Beifall bei ÖVP und SPÖ.) Das eint uns, weil beide Parteien für Österreich schon viel geleistet haben, meine Damen und Herren.

Wir haben dabei eine sehr, sehr gute Ausgangslage, und ich möchte das gerade auch angesichts mancher Stimmung bei der jetzigen Diskussion klarstellen und außer Streit stellen. Diese Bundesregierung startet nicht bei null, meine Damen und Herren, diese Bundesregierung startet von einer starken Basis, nämlich von einem starken und erfolgreichen Österreich.

Meine Damen und Herren, Österreich steht gut da. Wir haben eine der höchsten Beschäftigungen im Vergleich zur Europäischen Union. Wir haben eine der niedrigsten Arbeitslosenraten im internationalen Vergleich. Wir haben eines der besten Pensions­systeme der Welt. Wir haben eines der besten Gesundheitssysteme der Welt. Und es stimmt, wir sind eines der sichersten Länder der Welt. Wir haben eine Wachstumsrate von 3,2 Prozent, um die uns viele europäische Länder beneiden. Das macht uns stark, und das macht uns optimistisch, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben eine Budgetsituation, auf die wir stolz sein können, weil wir sie uns gemein­sam mit den Österreicherinnen und Österreichern erarbeitet haben – eine solide Grundlage für die Zukunft. Das, meine Damen und Herren, macht uns optimistisch, es


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gibt uns jeden Grund zum Optimismus, und ich lade alle Österreicherinnen und Öster­reicher ein, mit Optimismus diese nächsten vier Jahre zu gestalten.

Wir sind als Bundesregierung nicht alleine mit diesem Gestaltungsauftrag. Da sind Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, genauso gefordert, genauso wie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Unternehmerinnen und Unternehmer in diesem Land. Die laden wir ein: Gehen Sie auf diesem Weg der guten Zukunft für Österreich mit uns mit, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Natürlich ist es so – da haben alle Redner durchaus Recht –, wir müssen das Umfeld beachten, in dem Politik in Österreich gemacht wird. Wir agieren nicht auf einer Insel der Seligen, wie es in den siebziger Jahren in Österreich politisches Bewusstsein und gang und gäbe war. Nein, wir blicken über den Tellerrand, wir sind im internationalen Wettbewerb und sind daher auch gefordert, in diesem internationalen Umfeld die Spielregeln und jene Politik zu gestalten, die uns möglich ist, und das mit ganzer Kraft, und zwar nicht dadurch, dass wir die Augen schließen und uns abschotten, sondern dadurch, dass wir offen sind und aus eigener Kraft das Beste für das Land gestalten. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist daher, Herr Kollege Van der Bellen, Budget- und Wirtschaftspolitik kein Selbst­zweck, das weiß ich ganz genau, sondern sie orientiert sich und dient zwei Ziel­setzungen, die zentral sind. Die eine Zielsetzung heißt Stärkung des Wirtschaftsstand­ortes Österreich, und die zweite – gleich wichtige – Zielsetzung, dadurch in Österreich Vollbeschäftigung zu schaffen. Das ist das Ziel dieser Bundesregierung: Stand­ortstärkung und Vollbeschäftigung zu erreichen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.) Dafür arbeiten wir mit ganzer Kraft.

Natürlich ist Voraussetzung dafür – das sagt uns ja der wirtschaftliche Hausverstand –, dass wir ein ausgeglichenes Budget über den Konjunkturzyklus anstreben wollen und erreichen werden – weil es einfach richtig ist. Wir können auf Dauer nicht mehr ausgeben als wir einnehmen. Aber gleichzeitig ist es Aufgabe von Politik – und das wird diese Bundesregierung wahrnehmen –, in die wichtigen Zukunftsbereiche zu investieren, in Bereiche wie Bildung, Forschung, Infrastruktur. Beides müssen wir tun: sparsam haushalten und richtig investieren. Das ist sinnvolle Budget- und Wirt­schaftspolitik, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das können Sie in dem Regierungsübereinkommen schwarz auf weiß nachlesen. Der Budgetpfad ist für jeden dargestellt und damit auch kontrollierbar. Es ist sehr konkret – im Gegensatz zu dem, was behauptet wurde – festgeschrieben, was wir eigentlich anstreben. Im Jahr 2006 hatten wir ungefähr ein Budgetdefizit von 1,1 Prozent. Wir haben das Ziel, dass wir im Jahr 2010 aus diesem Defizit einen Überschuss von 0,4 Prozent machen. Das steht schwarz auf weiß festgeschrieben.

Kontrollieren Sie uns! Messen Sie uns an den Ergebnissen, meine Damen und Herren! Wir gehen da mit voller Zuversicht an die Arbeit heran. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich werde Ihnen daher, so rasch es geht, ein Doppelbudget für die Jahre 2007 und 2008 vorlegen, und wir werden dann bei dieser Budgetdiskussion im Detail, Herr Kollege Van der Bellen und alle, die jetzt Kritik üben, diesen Elch-Test unserer Vernunft in der Budget- und Wirtschaftspolitik bestehen. Das garantiere ich Ihnen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Brosz.)

Aber es reicht nicht nur, den ausgeglichenen Haushalt anzustreben, es reicht nicht, dass wir in die richtigen Zukunftsprojekte investieren, sondern es ist Voraussetzung für erfolgreiche Budget- und Wirtschaftspolitik, dass wir uns der Reformarbeit in diesem


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Lande weiter widmen. Die Reform, die Veränderung ist ein Impulsgeber für Wachstum und damit auch für Vollbeschäftigung – richtig gesetzt. Und wir verstehen uns als Impulsgeber dieser Reformen, damit wir auch auf diesem Pfad zur Vollbeschäftigung richtig liegen.

Natürlich gibt es Schwerpunkte der Weiterentwicklung im Bildungsbereich. Es ist wichtig, die Wahlfreiheit auf der einen Seite sicherzustellen und die Übergänge von einer Bildungsstufe in die nächste zu optimieren, damit wir bestmögliche Bildungs­voraussetzungen schaffen.

Natürlich ist die Frage der weiteren Deregulierung ein wichtiges Anliegen, um Wett­bewerb zu stimulieren. Wettbewerb schafft Wachstum, meine Damen und Herren, und gibt Impulse.

Es ist die Frage selbstverständlich auch bei uns in der Verwaltung selbst. Wir müssen effizienter werden. Auch an uns ist dieser Maßstab gelegt, dass wir mit Reformen Hindernisse abbauen, die die Menschen in ihrer Entfaltung beschränken. Das ist Aufgabe von Politik. (Beifall bei der ÖVP.)

Natürlich gehört dazu die Staats- und Verwaltungsreform. Ja, aber nicht alleine beim Bund, das sage ich auch sehr offen. Staats- und Verwaltungsreform ist kein exklusiver Auftrag des Bundes und dieser Bundesregierung, sondern das gilt für Bund, Länder und Gemeinden in gleicher Weise. (Beifall bei der ÖVP.) Ich lade daher auch die Gebietskörperschaften ein, diesen Weg offensiv mitzugehen. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Die Opposition auch – weil die kommt gar nicht vor?!)

Und ich sage dazu, es gilt selbstverständlich auch für die Sozialpartner dort, wo sie Verantwortung tragen, etwa im Bereich der Sozialversicherungen: Reformarbeit ist unteilbar als Zielsetzung für die gesamte Republik Österreich.

Und mit diesen Maßnahmen, mit dem Mix des ausgeglichenen Haushalts, der Zukunfts­investitionen, der Reformen, schaffen wir uns den Spielraum, dass wir die Bürgerinnen und Bürger entlasten können, meine Damen und Herren, entlasten von Steuern. In der zweiten Legislaturperiode ist ein sehr klares Ziel festgeschrieben: deut­liche und umfassende Entlastung der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler und der Unternehmen, mit dem Ziel, die Kaufkraft zu steigern und Arbeitsplätze zusätzlich zu schaffen. (Beifall bei der ÖVP.)

Damit bin ich bei einem wichtigen Ziel dieser Bundesregierung, wohl einem der wichtigsten. Unser Ziel heißt, dass wir bis zum Jahr 2010 Vollbeschäftigung anstreben. Das ist eine ehrgeizige Zielsetzung. Aber es ist wichtig, dass wir den Menschen in diesem Land auch dieses klare Signal geben: Arbeit, Arbeit haben ist wohl die wichtigste Grundlage für menschliches Leben. Hinter dieser Zielsetzung Vollbeschäf­tigung steht daher eine in erster Linie nicht ökonomische Betrachtung, sondern eine gesellschaftspolitische Überlegung. Der Wert des Menschen definiert sich auch aus dem Wert der Arbeit, die der Mensch hat. Daher ist uns Vollbeschäftigung ein so großes Anliegen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Dazu bedarf es selbstverständlich auch der persönlichen Qualifikation. Bildung, Aus­bildung ist daher nicht nur der persönliche Schlüssel für die Zukunft, sondern ist der Schlüssel für ein Land, in die Zukunft richtig und stark zu gehen. Der persönliche Schlüssel Bildung ist gleichzeitig der Zukunftsschlüssel für unser Land. Daher werden wir gemeinsam die Voraussetzungen im Bereich Bildung, Wissenschaft und Forschung schaffen, dass wir den Menschen die optimalen Bedingungen zur Verfügung stellen, damit der einzelne Bürger, die einzelne Bürgerin selbst die beste Möglichkeit für sich


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herausfinden kann, im Sinne der Wahlfreiheit, die wir im Bildungssystem anbieten, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Differenzierung im Bildungssystem reagiert auf die unterschiedlichen Ansprüche von Bürgerinnen und Bürgern. Selbstverständlich – ja, wir strecken uns auch nach der Decke des Möglichen – ist die Frage der Senkung der Klassenschülerhöchstzahl gemeinsames Ziel und steht außer Streit. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Brosz: In allen Schulen?) Wir werden sie schrittweise umsetzen, weil sie wichtig ist für die Qualität unseres Bildungssystems, meine Damen und Herren.

Neben dieser Frage der Bildung, der Ausbildung, der Qualifikation ist eine weitere essenzielle Voraussetzung für Vollbeschäftigung Investition. Ich gehe nicht in erster Linie – da komme ich auch darauf zu sprechen, Herr Professor Van der Bellen, weil Sie das zu Recht eingefordert haben – auf den Bund und die Gebietskörperschaften ein, sondern ich möchte zuerst sagen, dass die Voraussetzung für das Wachstum und Wachstum selbst das sichtbare Ergebnis der Innovationskraft der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und der Innovationsbereitschaft der Unternehmerinnen und Unter­nehmer, vor allem in den Klein- und Mittelbetrieben in Österreich, ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Danke daher an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und an die Unternehmer!

Selbstverständlich haben wir als Politiker, hat diese Bundesregierung ein hohes Maß an Verantwortung, Wachstum zu unterstützen und den Wachstumspfad zu stärken. Investition ist eine der Schlüsselfragen in diesem Zusammenhang. Ich möchte Ihnen daher auch erläutern, meine Damen und Herren, dass wir sehr viel Geld – Geld des Steuerzahlers übrigens – in die Hand nehmen werden. In dieser Legislaturperiode von 2007 bis 2010 werden wir allein für Forschung und Entwicklung insgesamt 800 Mil­lionen € zusätzlich zur Verfügung stellen, kumuliert – selbstverständlich –, kumuliert, daher sage ich ja: über die Periode. Sie können sich auf meine Zahlen verlassen, Herr Professor Van der Bellen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Der Herr Sozialminister sagt ganz etwas anderes!)

Wir investieren in den Bereich Bildung zusätzlich über die Periode 575 Millionen € – kumuliert! –, wir investieren in den Bereich soziale Sicherheit, meine Damen und Herren, kumuliert in dieser Legislaturperiode insgesamt einen Betrag von 1,2 Milliar­den € (Beifall bei ÖVP und SPÖ – Abg. Ing. Westenthaler: Ach so, der Sozialminister hat die Unwahrheit gesagt!) – in die Armutsbekämpfung beispielsweise; das ist uns ein großes gemeinsames Anliegen.

Wir investieren – das, was als befristete Maßnahme im Budget bis zum Jahr 2006 fixiert war, wird verlängert, nämlich pro Jahr 200 Millionen € zusätzlich in den Arbeits­markt – kumuliert weitere 800 Millionen € in den Arbeitsmarkt, denn unser Ziel ist Vollbeschäftigung und Senkung der Arbeitslosenrate in diesem Land, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir investieren, weil das auch eine wichtige Fragestellung der Zukunft ist, in dieser Periode für die Universitäten – Sie haben das schon gehört – rund eine Milliarde in die Basisausstattung und in die Investitionen in die Infrastruktur an den Universitäten. Wir haben vereinbart, dass wir in diesen Regierungsverhandlungen 10 Milliarden Inves­titionsvolumen für Straße und Schiene außer Streit stellen, damit auch diese wesentlichen Adern des Wachstums und der Wirtschaft gestärkt sind und für Bürgerinnen und Bürger optimal zur Verfügung stehen.

Dass wir im ländlichen Raum jeden Fördereuro aus Brüssel abholen und dafür auch die nationalen Mittel zur Verfügung stellen, steht außer Streit. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)


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Übrigens sage ich auch dazu: Da ist nicht nur der Bund, sondern auch die Bun­desländer sind in die Verpflichtung eingebunden – Sie kennen die 60:40-Teilung. Die Bundesländer sind eingeladen, in diesem Zusammenhang auch ihre Verpflichtung wahrzunehmen.

Und – weil es angesprochen ist – wir werden viel Geld in eine moderne Energiezukunft investieren. Diese Frage der Energiezukunft, meine Damen und Herren, ist eine Lebensfrage für eine zukünftige starke Wirtschaft, die dem Prinzip der Nachhaltigkeit verpflichtet ist. Das ist unsere Aufgabenstellung, Herr Professor Van der Bellen.

Und ich weiß schon: Da brauchen wir auch Zeit, damit wir die richtigen Investitionen setzen. Aber auch hier sei klar gesagt: Auch da beginnen wir nicht bei null! Da ist eine sehr solide Basis in Österreich geschaffen, und das ist gut so und schafft Arbeits­plätze – das ist uns durchaus bewusst, Herr Professor. (Beifall bei der ÖVP.)

Eine Aufgabenstellung wird in diesem Zusammenhang sein, dass wir die Sozial­partner – und das haben wir uns gemeinsam vorgenommen – in diesen Reform­prozess, in diesen Wachstumsprozess, in den Innovationsprozess auf dem Weg in Richtung Vollbeschäftigung offensiv und aktiv einbinden. Und ich lege Wert, wir legen Wert darauf, dass das keine Einbahnstraße ist, sondern dass wir im Dialog mit den Sozialpartnern die bestmögliche Lösung suchen und somit die Sozialpartner auch – und ich sage das sehr offen – in die gemeinsame Verantwortung mit eingebunden sind. – Das ist mir, das ist uns ein ganz großes Anliegen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich habe, meine Damen und Herren, bei der Frage der wirtschaftspolitischen Rahmen­bedingungen davon gesprochen, dass es notwendig ist, uns dessen bewusst zu sein, dass wir im internationalen Umfeld agieren. Und daher ist für mich und für uns gemeinsam in dieser Bundesregierung diese Frage der weiteren Internationalisierung, der weiteren Öffnung ein wichtiges Anliegen.

Ich habe heute bei der Diskussion, ganz offen gesagt, den einen oder anderen Zwischenton, auch Zwischenruf gehört, dass Internationalisierung, Internationalität und Öffnung etwas Negatives wären. – Ich sage Ihnen, das Gegenteil ist der Fall! Öffnung und Internationalität stärken uns, wenn wir erkennen, dass wir die richtigen Maß­nahmen in Österreich setzen müssen, dass Internationalität und Öffnung uns nützen. – Und das ist unsere gemeinsame Zielsetzung, meine Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wir haben davon profitiert! Gehen Sie doch in die Unternehmen hinein, die über die Grenze gegangen sind! Sie wissen doch, dass in der Zwischenzeit jeder zweite Euro in Österreich im Export verdient wird. Sie von der Opposition, die Sie kritisiert haben, dass damit jeder zweite Arbeitsplatz eigentlich durch Internationalisierung in Österreich gesichert ist, wissen das doch. Daher wird diese Bundesregierung diesen Weg selbst­verständlich fortsetzen und die Gestaltungsspielräume nützen, die uns die Internatio­nalisierung und Öffnung geben – mit der klaren Priorität, natürlich den Nutzen für Österreich, für Österreichs Standort und für Österreichs Arbeitnehmer im Mittelpunkt zu haben. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Einer der Standortfaktoren, die in Zukunft ganz besonders bedeutsam werden, ist die Frage der Sicherheit. Wie Bundeskanzler Dr. Gusenbauer völlig zu Recht gesagt hat – und ich unterstreiche das hundertprozentig –: Österreich ist eines der sichersten Länder der Welt. Und wir sind daher sehr dankbar den Kolleginnen und Kollegen von der Polizei und auch vom Bundesheer, die tagtäglich mit ihrer Person für diese Sicherheit stehen. Danke daher an die Kolleginnen und Kollegen der Exekutive und des Heeres! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)


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Diese Form der Sicherheit, meine Damen und Herren, hängt aber auch ganz wesent­lich davon ab, wie unser Zusammenleben geprägt ist. Wir können doch stolz sein, dass das Zusammenleben der Menschen in Österreich grundsätzlich von Toleranz geprägt ist, grundsätzlich von den Werten der Demokratie geprägt ist. Und ich halte es für wichtig, dass außer Streit gestellt wird, dass es diese Werte sind, auf denen wir unser Sicherheitskonzept weiter entwickeln.

Das bedeutet aber gleichzeitig, dass wir mit derselben Klarheit sagen müssen: Dort, wo unsere Rechtsprinzipien in Frage gestellt sind, gilt null Toleranz. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wenn beispielsweise das Thema Gleichberechtigung von Mann und Frau untergraben werden würde, dann gäbe es null Toleranz, meine Damen und Herren. Oder wenn etwa die individuelle Freiheit in Frage steht, dann gibt es null Toleranz. Aber auch wenn die Geltung des Rechts – unabhängig von der sozialen Stellung oder des religiösen Bekenntnisses – in Frage gestellt würde, gäbe es null Toleranz.

Diese Grundlage unserer Sicherheitspolitik ist für uns in der Bundesregierung essen­ziell und bedeutet auch – und ich möchte das sehr klar betonen –, dass Staatsbürger sein, österreichischer Staatsbürger sein ein wertvolles Gut ist. Und Staatsbürgerschaft, meine Damen und Herren, ist mit Pflichten und mit Beiträgen an die Gemeinschaft verbunden.

Für die Erlangung der Staatsbürgerschaft müssen daher konkrete Voraussetzungen erfüllt sein. Dazu gehört selbstverständlich das Beherrschen der deutschen Sprache, die übrigens auch ein integraler und essenzieller Kernbestandteil von Integrations­fähigkeit ist, und dazu gehört auch der Respekt vor der österreichischen Rechts- und Werteordnung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Für mich und für uns steht außer Streit, dass Integration selbstverständlich Vorrang vor neuem Zuzug hat; das ist gemeinsame Basis dieser Bundesregierung. Daher ist auch klar festgelegt – und wir bekennen uns dazu –, unter welchen Spielregeln und unter welchen Bedingungen Arbeitskräfte in Österreich willkommen sind, wenn wir sie in Österreich brauchen und dadurch der österreichische Arbeitsmarkt nicht geschädigt wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Diese Bedingungen sind glasklar festgeschrieben, meine Damen und Herren, genauso wie etwa, dass für ungeregelte Zuwanderung ein Zuwanderungsstopp gilt; auch das ist klar festgeschrieben.

Streng zu trennen – da teile ich die Einschätzungen auch der Diskussion – davon ist die Frage des Asylrechtes. Selbstverständlich ist klar: Wer verfolgt wird, hat bei uns Recht auf Asyl. Und es sind die Voraussetzungen zu schaffen, dass möglichst rasch Klarheit herrscht. Das sind wir den Menschen schuldig, meine Damen und Herren, die diesen Weg wählen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Zur Sicherheit gehört natürlich auch die Landesverteidigung. Die Bevölkerung, die Menschen in unserem Land erwarten zu Recht vom Bundesheer Schutz, und die Soldatinnen und Soldaten erwarten von uns die bestmöglichen Voraussetzungen, ihre Arbeit auch umsetzen zu können – das wird geschehen.

Dieses Regierungsübereinkommen, meine Damen und Herren, sagt klar: Die Ver­pflichtung zur Neutralität ist verfassungsmäßig festgeschrieben und verfassungs­rechtlich bestimmt. Die Verpflichtungen, die sich aus der Neutralität ergeben, sind aber genauso klar im Arbeitsübereinkommen festgehalten, und dazu gehört unmissver­ständlich die Luftraumüberwachung als Teil der militärischen Landesverteidigung aus eigener Kraft. (Beifall bei ÖVP und BZÖ.)


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Uns in dieser Bundesregierung ist das Thema soziale Gerechtigkeit und Politik für die Familien in diesem Lande ein großes Anliegen.

Im Mittelpunkt – und das trotz aller Entwicklungen, die es gibt, denken Sie nur etwa an die Anonymität des Internets – wird immer klarer: Der persönliche Bezug in der Familie ist eine essentielle Grundlage für eine menschliche Gesellschaft. (Beifall bei der ÖVP.)

Uns ist daher die Familie ein besonderes Anliegen, und wir haben auch entscheidende Impulse gesetzt: Das Kinderbetreuungsgeld wird flexibler gestaltet und damit auch die Wahlfreiheit verbessert. Eltern – ich betone: Eltern! – haben in Zukunft die Möglichkeit, zwischen zwei Modellen bei der Kinderbetreuung zu wählen; das ist sinnhafte Wahlfreiheit, damit die bestmögliche Option gewählt werden kann. Und wir haben außer Streit gestellt, dass wir für Mehrkinderfamilien zusätzliches Geld in die Hand nehmen, denn Familien mit mehreren Kindern haben es wahrlich nicht leicht. Hier helfen wir. Das ist uns ein wichtiges, ein ganz zentrales Anliegen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Das weiß auch die Familienministerin? Auch, wenn sie nach New York fliegt?)

Die Frage der sozialen Sicherheit ist untrennbar mit der Weiterentwicklung des best­möglichen Gesundheitssystems verbunden, und, offen gesagt – Sie haben es ja nachgelesen –, das ist es uns auch wert, dass wir mit der Erhöhung der Kranken­versicherungsbeiträge einen Schritt gesetzt haben, der wahrlich nicht leicht gefallen ist, und zwar, ich sage das, keinem von uns beiden. Aber wir haben folgende Botschaft empfangen: Den Menschen in diesem Land ist die Frage der Gesundheit so wichtig, dass sie bereit sind, einen etwas höheren Beitrag zu akzeptieren. Aber wir haben genauso klar festgehalten, wir erwarten von den Sozialversicherungen, dass sie ihren Beitrag im selben Ausmaß durch Effizienzsteigerung und Sparsamkeit in der Verwal­tung liefern, damit wir beide Elemente haben: wo notwendig, zusätzliches Geld, aber Einsparungen dort, wo dies möglich ist, ohne diese zu Lasten und auf dem Rücken der Patienten umzusetzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Die älteren Menschen in unserem Land, meine Damen und Herren, sind gut aufge­hoben. Auf Basis der Pensionssicherungsreform, der Pensionsharmonisierung können wir den älteren Menschen ihre Pensionen sicherstellen. Wir haben ja bereits auf unsere gemeinsame Initiative hin außer Streit gestellt und schon beschlossen, dass wir etwa im Bereich der Mindestsicherung beim Ausgleichszulagenrichtsatz ab dem 1. Jänner 726 € haben. Das ist gut so. Die älteren Menschen in diesem Lande können sich darauf verlassen, dass wir auch in Zukunft unserer Verpflichtung ganz selbst­verständlich nachkommen.

Für uns ist aber Sozialpolitik jenes Instrument, das hilft, wo Hilfe notwendig ist, und das fördert und fordert, wo Förderung und Forderung sinnvoll sind; zum Beispiel zurück in die Arbeitswelt zu kommen. Wir halten die bedarfsorientierte Mindestsicherung für das richtige Modell, weil sie hilft, wo Hilfe notwendig ist, aber gleichzeitig motiviert. Ja, auch wir werden motivieren, etwa durch Zumutbarkeitsbestimmungen, damit Menschen den Weg zurück in die Arbeit finden, denn das ist das eigentliche Ziel unserer Sozialpolitik, meine Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Außer Streit steht für diese Bundesregierung, dass Europa das Herzstück, ein Herz­stück unserer gemeinsamen Arbeit ist. Wir sind überzeugte Europäer. Wir haben schon bisher mit starker Stimme österreichische Interessen im europäischen Geist in Brüssel durchgesetzt. Das war bisher so, das wird auch in Zukunft so sein. Auch ein kleines Land kann, wenn das Ziel außer Streit steht und exzellente Ministerinnen und Minister in Brüssel arbeiten, für Österreich und für Europa viel erreichen.


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Das ist unsere Zielsetzung mit einem neuen Verfassungsvertrag und mit der Per­spektive der Erweiterung der Europäischen Union. Europa gehört zu diesem Herz­stück! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wir – nicht wir auf der Regierungsbank, sondern wir Österreicherinnen und Österreicher – können doch eigentlich stolz auf unser Land sein. Es ist ein wunderschönes, ein sehr erfolgreiches, ein blühendes, ein vielfältiges Land. Einer der Gründe dafür, dass es so ist, dass wir dieses österreichische Lebens­modell tagtäglich leben: die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, auf der wir die soziale Gerechtigkeit aufbauen und indem wir selbstverständlich nachhaltig zukunftsfest sind. – Das ist unsere Vision eines besseren Österreich.

Ich möchte daher, dass uns möglichst viele Menschen auf diesem Weg aktiv begleiten, mitarbeiten. Und ich appelliere von dieser Stelle aus – viele sind hier herinnen beziehungsweise vor den Fernsehschirmen, hoffe ich –, ich appelliere an die Jugend in diesem Land: Gestalten Sie diesen Weg aktiv mit, es ist Ihre Zukunft, meine Damen und Herren, die wir zu gestalten haben!

In diesem Sinne ergeht von uns die Einladung an alle Menschen: Begleiten Sie uns auf diesem Weg, treten Sie uns, wo es notwendig ist, durchaus auch auf die Ferse, wenn Sie meinen, es könnte manches etwas schneller gehen! Wir sind dazu bereit, wir sind offen und erwarten Ihre positive Mitarbeit.

Übrigens: Auch dieses Haus ist in seiner Gänze zur positiven Mitarbeit eingeladen! (Anhaltender Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.29


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Ich danke dem Herrn Vizekanzler.

Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig-Piesczek. (Abg. Großruck: Die „Präsidentin der Opposition“ ist das!) Ihre Redezeit: 12 Minuten. – Frau Abgeordnete, Sie sind am Wort.

 


12.29.31

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig-Piesczek (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundes­kanzler! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren Ministerinnen und Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Vizekanzler Molterer hat soeben seine Rede beendet mit einem Appell an alle Menschen, insbesondere an die Jugend – das möchte ich gerne aufgreifen.

Ich bin der Meinung, dass diese Bundesregierung mit einem sehr, sehr schweren Ruck­sack antritt, und das betrifft insbesondere die junge Generation. Und dieser schwere Rucksack heißt fehlende Glaubwürdigkeit. Das betrifft beide Parteien, nicht nur die SPÖ, die von den Rednern vor mir sehr oft kritisiert wurde bezüglich ihrer Wahlversprechen, sondern auch die ÖVP.

Ich darf an Folgendes erinnern: Es hat in diesem Land einige Kritikpunkte gegeben, die objektiv, glaube ich, für alle Menschen in diesem Land nachvollziehbar waren. Das war die Misere in der Bildungspolitik, das ist die nach wie vor fehlende Gleichstellung der Frau in der Gesellschaft, das ist die Frage Klimaschutz-, Umweltschutzpolitik – Sie haben über Monate hinweg geleugnet, dass es hier Probleme gibt. Probleme zu erkennen ist der erste Schritt, sie in Angriff zu nehmen und zu lösen sind weitere Schritte. Bis zum heutigen Tag, Herr Vizekanzler Molterer, sagen Sie jedoch nur: Es war alles bestens, es gab keine Probleme, wir setzen diesen Kurs einfach unbeirrt fort!

Das ist, denke ich, kein Angebot an die Jugend, die gespürt hat, wie es in den letzten Monaten, in den letzten Jahren in vielen Bereichen sehr viel schwieriger und auch sehr viel belastender geworden ist.


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Bei der SPÖ ist es, glaube ich, ausdiskutiert, aber einen Punkt möchte ich noch hin­zufügen: Es geht mir jetzt weniger um die sogenannten Umfaller und um die gebrochenen Wahlversprechen, sondern um einen gewissen Stil, wie man mit einer jungen Generation umgeht. Die Studiengebühren sind – ich weiß, es ist offensichtlich schwierig, das der ÖVP klarzumachen – eine soziale Barriere für viele Menschen – über 80 Prozent der Studierenden arbeiten, um sich den Lebensunterhalt zu verdienen –, und die Abschaffung wurde nicht durchgesetzt.

Aber ist es notwendig, diese jungen Menschen mit Worten wie „Rabauken“, „Bummel­studenten“/Bummelstudentinnen“ oder „Millionärskinder“ zu bedenken? Ich finde, das hat in dieser Diskussion absolut nichts verloren. Das zeugt von fehlendem Respekt vor einer Generation, die es nicht leicht hat, die auch auf diese Weise arbeitet und etwas leistet. Ein Studium zu absolvieren ist auch eine Leistung! (Beifall bei den Grünen.)

Für mich gehören zur Glaubwürdigkeit eben auch ein gewisser Respekt und auch der Stil im Umgang gerade mit jungen Menschen. Wir haben im Zusammenhang mit der Wahlalter-Senkung darüber diskutiert, warum diese Jugendlichen so desinteressiert an der Politik sind. Das ist sicher einer der Gründe. – Fehlende Problemerkenntnis, fehlende Selbstreflexion, das betrifft die ÖVP, und jetzt dieser Umgang, dieser Stil, der leider ein sehr schlechter Start für die neue Bundesregierung war.

Schuld am Verhandlungsergebnis, Herr Klubobmann Cap, sind sicher nicht die Grünen. Wir nehmen viel Verantwortung auf uns, auch manche, die uns vielleicht nicht zusteht, aber das können Sie uns sicher nicht zuschreiben. (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte mich jetzt noch ein bisschen inhaltlich mit dem Programm auseinan­der­setzen. Es gibt einige positive Punkte. Einen habe ich schon angeschnitten: Die Senkung des Wahlalters ist sicherlich positiv. Es ist ein positiver Schritt in der Demokratie, wenn mehr Menschen in Entscheidungsprozesse einbezogen werden. Die Jugendlichen dieses Alters werden auch immer weniger, wie man an der Alters­pyramide sieht. Das ist ein Schritt dazu, dass ihre Anliegen auch ernster genommen werden in der politischen Auseinandersetzung.

Ich bin auch der Meinung, dass man nicht eine Vier-Schanzen-Tournee gewinnen muss, um wahlfähig zu sein, sondern ich meine, es ist ein Grundrecht von 16-Jährigen, die arbeiten, die heiraten dürfen, die Steuer zahlen, die voll in die Gesellschaft integriert sind. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Unbestritten ist auch die leichte Flexibilisierung beim Kindergeld etwas Positives. Allerdings wird das ein Tropfen auf dem heißen Stein sein. Wir hätten in diesem Bereich eine Radikalreform gebraucht.

Es gibt ein paar positive Ansätze bei den Zielen, und es gibt sehr viele Lippen­bekennt­nisse, aber damit bin ich auch schon beim Kernpunkt der Kritik: Dies ist ein Koalitions­übereinkommen der Lippenbekenntnisse. Wir haben uns im Wahlkampf sehr intensiv damit auseinandergesetzt, was es in der Zukunft braucht – ich denke, das ist nach wie vor gültig. Es braucht in den nächsten vier Jahren vorwiegend Investitionen – und keinen weiteren Sparkurs. Der Kaputtsparkurs vor allem in der Bildung muss beendet werden! (Beifall bei den Grünen.)

Was Sie jetzt hier machen, ist Folgendes: Sie haben ein großes Projekt in der Zukunft, das ist die Steuerreform 2010, von der noch niemand weiß, wie sie aussehen wird. Herr Kollege Matznetter! Sie haben die letzte Steuerreform nicht nur kritisiert, Sie haben sie gegeißelt. Jetzt haben wir eine Steuerreform 2010, für die gespart wird, für die in den Bildungsbereich, in den Bereich Einkommensgerechtigkeit, in viele Bereiche nicht oder nur sehr wenig investiert wird, und dann eine Blue Box, wo wir nicht wissen,


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was tatsächlich an Entlastung, an „Umsteuerung“ geschehen wird. Ich glaube, das ist der falsche Weg.

Ich denke, die Österreicherinnen und Österreicher hätten anderes auch verstanden. Jetzt ist der Zeitpunkt für Investitionen, für Zukunftsinvestitionen, und Ihr Programm ist im Wesentlichen eines, das Zukunftsstopp bedeutet. Zukunftsstopp!

Die Bildung ist da, glaube ich, der traurigste Punkt. Sie ist einer der wichtigen, der zentralen Bereiche, die von allen politischen Parteien als Problembereiche anerkannt sind. Man kann das nicht leugnen.

Man kann mit 35 Millionen € in diesem Jahr nichts bewegen. Man kann auch im nächsten Jahr mit 160 Millionen € nichts bewegen, sondern man muss sehr viel mehr in die Hand nehmen. Allein die Rate für die Eurofighter, die jetzt bezahlt worden ist, betrug über 200 Millionen €. In diesem Jahr sind es noch einmal 200 Millionen €; insge­samt 400 Millionen €, das ist so viel wie die gesamten Investitionen in dieser Legis­laturperiode im Bildungsbereich. Und dann sagen Sie hier, das ist die große Bildungs­reform, das ist die große Zukunftsvision, die große Zukunftsreform?! – Das ist jedenfalls zu wenig, das lässt sich nicht wegleugnen!

Wenn man ein einziges Beispiel hernimmt, an dem man das auch sichtbar, spürbar machen kann für die Schülerinnen und Schüler, dann ist das die Klassenschüler­höchstzahl. Sie ist maßgeblich für die Unterrichtsqualität verantwortlich. AHS-Klassen mit 36, 37 Schülerinnen und Schülern möchte niemand in Österreich haben. Und wenn Sie jetzt auf der einen Seite ins Regierungsübereinkommen schreiben, dass das ein Richtwert ist, auf der anderen Seite aber kein Budget zur Verfügung stellen, um das tatsächlich auszubauen, ist das nicht richtig. Das Budget reicht gerade einmal für die Pflichtschulen. In den AHS, HTLs, HAKs wird es weiterhin 36, 37 Schülerinnen und Schüler in den Klassen geben. Das wollen wir nicht, und ich glaube, das will auch niemand in Österreich. Wir wollen Unterrichtsqualität! (Beifall bei den Grünen.)

Ein Richtwert ist etwas Unverbindliches. Warum war es nicht möglich, hineinzu­schreiben, dass das die maximale Obergrenze ist? In Österreich gibt es keine Schulklasse mehr, in der die Unterrichtsqualität darunter leiden muss, weil es mehr als 25 Schülerinnen und Schüler in der Klasse gibt. Warum war es nicht möglich, das zu schreiben? – Aber das ist ein symptomatisches Beispiel für viele Bereiche in diesem Regierungsübereinkommen: Absichtserklärungen, Lippenbekenntnisse auf der einen Seite, aber keine Finanzierungschance auf der anderen Seite durch diesen restriktiven Budgetkurs, Sparkurs, wo ich sagen muss, unterm Strich wird das Kaputtsparen leider fortgesetzt.

Hannes Androsch hatte recht. Im Bildungsbereich ist das, glaube ich, das größte Versäumnis, das ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein und wird leider wirkungslos bleiben.

Zum Sozialbereich: Es war sehr viel von sozialer Wärme, mehr sozialer Wärme die Rede. Ich glaube, das sind auch die Kernbereiche, wo die Sozialdemokratie in einer Regierung viel einbringen kann – Gesundheitsbereich, Sozialbereich, Bildungsbereich. Allerdings auch hier: Die sogenannte Mindestsicherung ist ein Lippenbekenntnis für die Zukunft. Man hat keine Zustimmung von den Ländern, die das finanzieren werden, und es wird verschoben auf den nächsten Finanzausgleich, der 2009 in Kraft tritt; dann sind wir schon bald im Jahr 2010, am Ende der Legislaturperiode. Es ist aber in Österreich jetzt zu helfen. Wir haben jetzt akute Fälle betreffend die Armutsproblematik, in diesen Tagen, in den nächsten Wochen und Monaten – nicht 2009!

Also: Wenn Sie helfen wollen, dann helfen Sie bitte jetzt – das ist dringend und akut – und wirksam, nicht irgendwann in der Zukunft! (Beifall bei den Grünen.)


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Umwelt- und Energiepolitik war auch schon Thema. Alfred Gusenbauer hat gemeint, es gibt einen neuen Ansatz bei der Ressortverteilung. Es hat ja viel Kritik gegeben: Die wichtigen, die Staatsressorts, wie sie in der Vergangenheit dagestanden sind, sind vorwiegend bei der ÖVP, die anderen bei der SPÖ. Alfred Gusenbauer hat gemeint, das sind die Zukunftsressorts. Wenn das wirklich ein Gedankengang ist und das wirklich die Zukunftsressorts sind – bei einigen bin ich auch davon überzeugt –, dann ist es allerdings schade, dass der Umweltschutz und die Energiepolitik da nicht dazugehören. Das ist dann offensichtlich ein Vergangenheitsressort.

Man kann das jetzt schönreden wie in der Vergangenheit auch. Herr Umwelt- und Landwirtschaftsminister! Sie könnten durchaus noch einmal mit Herrn Kollegen Fischler reden. Franz Fischler war bei uns und hat Lobbying gemacht für das Ökostromgesetz, das Sie zerschlagen haben, eines der besten und wirkungsvollsten Instrumente im Klimaschutz, das Sie gemeinsam mit der SPÖ zerschlagen haben. – Das kommt nicht mehr vor, das ist gestrichen. Kyoto als Ziel – gut, aber wie Sie es erreichen wollen, ist ein völliges Mysterium. Das war auch schon in der letzten Legislaturperiode ein Mysterium, und deswegen haben wir dieses Ziel auch so kapital verfehlt. Wir werden das Kyoto-Ziel auch kapital verfehlen, wenn Sie dieses Regie­rungsprogramm nicht drastisch aufbessern, mit konkreten Maßnahmen, mit ein bisschen mehr Finanzierung.

Klubobmann Schüssel hat gesagt, 100 000 Haushalte werden in ihrer Energie­versor­gung auf erneuerbare Energieträger umgestellt. – Herr Klubobmann! In Ihrem Wahl­programm waren 500 000 Haushalte angekündigt! Wir haben eine Million Haus­halte, die von Öl abhängig sind. Sie kennen die Kurven bei den Preissteigerun­gen, was das Öl betrifft. 100 000 Haushalte ist gar nichts! Warum nicht 500 000? Wer hat Ihnen das herunterverhandelt?

Die Umweltgruppe war ja sehr rasch fertig. Erich Haider hat offensichtlich relativ schnell alle Ziele erreicht. Aber wo ist denn das verloren gegangen, ein bisschen ein ambitionierteres Ziel im Umweltschutzbereich? Da geht es auch um soziale Gerech­tigkeit, denn eine Ölheizung zu haben und sie nicht substituiert zu bekommen in den nächsten Jahren – das sind 900 000 Haushalte, die Sie da belassen wollen –, bedeutet eine enorme finanzielle Belastung. (Beifall bei den Grünen.)

Viel Hoffnung hat es auch im Integrationsbereich und im frauenpolitischen Bereich gegeben. Also ich glaube, was Frauengleichstellung betrifft: Wenn man solche Ziele hineinschreibt, wie die Erwerbsquote der Frau auf 65 Prozent zu erhöhen – Stand heute übrigens: 64,7 Prozent –, dann darf man sich nicht wundern, wenn gesagt wird, das ist etwas wenig ambitioniert. Das ist ein ganz schwieriges Kapitel, da ist eine Fülle von Maßnahmen notwendig. Ich persönlich wünsche Doris Bures sehr viel Glück und Durchsetzungskraft in dieser Position. Mit dem Ministerium, das sie jetzt hat, wo sie genau 5 Millionen € zur Verfügung hat und damit den ausgehungerten Frauen- und Mädchenberatungsstellen in ganz Österreich wieder auf die Beine helfen soll, sehe ich überhaupt keine Chance auf die Umsetzung einer echten Gleichstellungspolitik.

Und wenn wir schon von Gleichstellung reden, noch ein letzter, sehr bedauerlicher Hinweis: Ich habe auch immer gehofft, dass es mit der nächsten Bundesregierung etwas mehr Freiheit für manche Gruppen geben wird. Die Gleichstellung, die Been­digung von Diskriminierung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften ist leider in keiner Weise verankert, und ich denke, das ist eine Maßnahme, die nur etwas bringt – manchen Menschen, nämlich mehr Freiheit – und die überhaupt kein Problem gehabt hätte mit Ihrem Budgetpfad. (Beifall bei den Grünen.)

Wir nehmen das Angebot, dass es ein neues Verhältnis zwischen Regierung und Oppo­sition geben wird, selbstverständlich gerne an. Allerdings – das muss man auch


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noch einmal dazusagen –: Außer einer vagen Ankündigung, dass es vorbehaltlich einer Einigung aller Parteien zu einem Ausbau der Minderheitsrechte kommen wird, gibt es bislang nichts. Und ein sehr großes Projekt, die Staats- und Verfassungsreform, die Verwaltungsreform, ist jetzt in einem Stadium, wo ich aus einer früheren Per­spektive, hätte das eine schwarz-blau-orange Bundesregierung gemacht, sehr viel schärfer Kritik geübt hätte, nämlich beim Bundeskanzler in einer Arbeitsgruppe, wo die Opposition nicht mehr dabei ist. Und das ist nicht fair. Da geht es nämlich um Spielregeln für alle – und nicht nur um den Bund, die Bundesregierung und die Länder, sondern um Spielregeln für alle, und gerade da wäre eine Einbindung das einzige Gebot der Fairness. Das ist im Koalitionsübereinkommen nicht drinnen, wie viele andere Dinge auch nicht. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Grünen.)

12.41


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Csörgits. Redezeit: ebenfalls 12 Minuten. – Frau Kollegin, Sie sind am Wort.

 


12.42.00

Abgeordnete Renate Csörgits (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Sehr geschätzte Damen und Herren der Bundesregierung! Ich bin der Auffassung, dass die Optik auf der Regierungsbank aus mehreren Gründen eine gute Optik ist: Erstens einmal ist es eine gute Mischung eines dynamischen Teams von erfahrenen und neuen Persönlichkeiten unter der Leitung eines sozialdemokratischen Bundeskanzlers Alfred Gusenbauer. (Abg. Scheibner: Das hab’ ich gar nicht gewusst!) Und was mich ganz besonders freut: Es sind sehr viele dynamische, tolle Frauen in dieser Bundesregierung, die diese Politik nachhaltig beeinflussen werden. Darauf bin ich sehr, sehr stolz! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das stellt sicher, dass bei der Politik, sowohl beim politischen Handeln als auch bei politischen Überlegungen, der Mensch in Österreich wieder stärker in den Mittelpunkt gerückt wird. Und, Herr Westenthaler, es ist auch deshalb eine gute Optik, weil Sie mit Ihrem BZÖ, das eine Zeit lang Regierungsverantwortung getragen hat, ohne sich zu diesem Zeitpunkt einer demokratischen Wahl zu stellen, nicht mehr in der Bundes­regierung sind – und das ist gut so, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich freue mich aus mehreren Gründen, dass dieses Regierungsübereinkommen zustande gekommen ist, weil es meiner Auffassung nach ganz wichtige Schwerpunkte in ganz entscheidenden Bereichen beinhaltet: in der Sozialpolitik, im Bereich der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik, in der Gesundheitspolitik, bei der Bekämpfung der Armut; und – das ist besonders hervorzuheben – es wird wieder eine eigen­ständige, fortschrittliche Frauenpolitik in diesem Land geben. Und das ist gut so und das wird auch künftig unsere Politik prägen! (Beifall bei der SPÖ.)

Gleich zu Beginn möchte ich aber auch festhalten, dass ich mir dort oder da auch mehr erwartet habe: wenn ich zum Beispiel an den Bereich der Schwerarbeiter und Schwer­arbeiterinnen denke; ich hätte mir zweifellos auch eine bessere Bewertung der Kinderbetreuungszeiten in der Pension gewünscht.

Aber erstens einmal halte ich hier deutlich fest: Wenn zwei verhandeln, dann kommt ein Kompromiss heraus. Ich bin auch davon überzeugt – und ich weiß es auch –, dass es so mancher Kollegin und so manchem Kollegen von der ÖVP bei anderen Themen ähnlich ergeht wie mir, weil sie ganz einfach auch einen anderen Ansatz und eine andere Überlegung zu verschiedenen politischen Schwerpunkten gehabt hätten.

Zweitens muss man ganz einfach auch deutlich hervorheben, dass wir uns in einer budgetären Situation befinden, die nicht gerade als rosig zu bezeichnen ist. Und hier möchte ich bei aller Wertschätzung, Herr Klubobmann Schüssel, schon darauf hin-


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weisen, das ein Unterschied besteht, was einerseits die Situation jetzt und andererseits die Situation im Jahr 1999 betrifft: Damals waren Sie als Vizekanzler mit Ihrer Partei ebenfalls ganz entscheidend in Mitverantwortung. Das hingegen, was jetzt auf dem Tisch liegt, ist einzig und allein auf die Politik von ÖVP, BZÖ und Freiheitlichen der letzten sieben Jahre zurückzuführen. – Das nur zur Erinnerung. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Das lobt ihr ja in eurem Regierungsprogramm! – Die „beste Pen­sionsreform“, haben Sie geschrieben!)

Meiner Überzeugung nach ganz besonders wichtig sind die Maßnahmen zur Bekämp­fung der Arbeitslosigkeit. Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zieht sich wie ein roter Faden durch das gesamte Regierungsübereinkommen. All jene Menschen, die irgend­wann einmal schon mit Leuten, die arbeitslos geworden sind, sprechen durften, wissen, dass das für Menschen nicht nur eine finanzielle Einbuße bedeutet, sondern dass Arbeitslosigkeit sehr viel mehr an Schwierigkeiten, an persönlichen Verletztheiten mit sich bringt. Und leider sind wir in der Situation der letzten Jahre auch damit konfrontiert gewesen, dass die Zahl der arbeitslosen Menschen sehr stark angestiegen ist. Arbeitslosigkeit bedeutet, dass Menschen sich ausgegrenzt fühlen, dass Alte sich zu alt für den Arbeitsplatz und zu jung für die Pension fühlen, dass Frauen nur mehr als Dazuverdienerinnen abqualifiziert werden und dass jene Menschen, die sich sehr bemühen, einen Arbeitsplatz zu suchen, aber leider keinen finden, von der Gesell­schaft oft auch als „Sozialschmarotzer“ ausgegrenzt werden.

Was dabei besonders zu bemerken ist: Dass wir gerade auch in den letzten Jahren damit konfrontiert waren, dass viele junge Menschen keine Arbeit gefunden haben und dass vor allem diese jungen Menschen nicht nur in der Situation waren, keinen Job zu bekommen, keinen Job lernen zu können, sondern dass ihnen dadurch auch jede Zukunftsperspektive gefehlt hat.

Daher bin ich sehr froh darüber, dass insbesondere im Kapitel „Jugend­beschäf­tigung/Lehrlinge“ ganz wichtige, zentrale Forderungen umgesetzt worden sind. Ers­tens, es kommt zu einer Stärkung der Lehre, und, was ebenfalls ganz wichtig und entscheidend ist, es soll zu einer besseren Durchlässigkeit zwischen einerseits Lehrlingsausbildung und andererseits schulischer oder universitärer Ausbildung kom­men. Das halte ich für wichtig, das halte ich für entscheidend, und das halte ich auch für ganz, ganz zukunftsorientiert! (Beifall bei der SPÖ.)

Was mir in diesem Zusammenhang auch noch sehr wichtig ist – und ich bedauere, dass Herr Westenthaler nicht im Saal ist (Abg. Scheibner: Sagen Sie etwas zum Kündigungsschutz!) –: Es ist ganz, ganz wichtig, den Bereich des Kündigungs­schutzes, Herr Kollege, nicht alleine zu sehen. Natürlich ist es eine berechtigte Kritik der Jugendorganisationen, wenn hier ein Kündigungsschutz vorhanden ist und einge­führt wird. (Abg. Scheibner: Nicht nur!) Aber – und ich möchte das ganz deutlich hervorheben –: Es ist ein ganz, ganz wichtiger zweiter Bereich, dass es zu einer Bildungs- und zu einer Beschäftigungsgarantie bis zum 18. Lebensjahr gekommen ist – das ist in Ihrer Wahrnehmung irgendwo unter den Tisch gefallen. Entweder haben junge Menschen die Möglichkeit, als Lehrling in einem Betrieb tätig zu sein, oder aber auch in einer Lehrwerkstätte, oder aber auch die Möglichkeit einer schulischen Aus­bildung. Das muss in Kombination gesehen werden, und hier liegt meiner Meinung nach der Schwerpunkt in erster Linie an der Bildungsgarantie bis zum 8. Lebensjahr. (Ruf: 18!) – 18. Lebensjahr. Entschuldigung, ich wollte hier nicht die Kinderarbeit einführen. Das würde man mir als Gewerkschafterin überhaupt nicht abnehmen.

Was mir ebenfalls wichtig erscheint und was bereits angeschnitten wurde – und das zeigt sich auch genau bei diesen Forderungen im Bereich Wirtschaft und Beschäf­tigung –, ist die Tatsache, dass hier die Sozialpartner eine Schlüsselrolle gespielt haben. Auf Ersuchen der verhandelnden Parteien haben die Sozialpartner hier ihre


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Erfahrungen einbringen können, und ich bin sehr froh darüber, dass die wichtigsten Ansätze der Sozialpartner in das Regierungsübereinkommen übernommen worden sind. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich freue mich auch, sehr geschätzte Damen und Herren, dass es von dieser Bundes­regierung ein klares Bekenntnis zur Sozialpartnerschaft gibt, sowohl in Österreich als auch in der Europäischen Union. Ich halte das für sehr wichtig und für sehr entscheidend. Wir werden uns noch stärker einbringen, und wir wollen noch stärker eingebunden sein. Damit, sehr geschätzte Damen und Herren, ist unser Land immer gut gefahren und wird zweifellos auch in Zukunft gut fahren. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Stummvoll.)

Was mir als Gewerkschafterin ebenfalls immer sehr stark am Herzen gelegen ist, das ist die Bekämpfung der Schwarzarbeit. Diesbezüglich kann ich wirklich mit großer Freude festhalten, dass im Regierungsübereinkommen hervorragende Ansätze beinhaltet sind. Dazu muss man auch bemerken, dass die Bekämpfung der Schwarzarbeit, des Schwarzunternehmertums ja mehrere gute Effekte hat: Erstens einmal ist es so, dass es zu einer Erhöhung der Einnahmen aus der Steuer und der Einnahmen aus der Sozialversicherung bei den Beiträgen kommt und dadurch natürlich auch die angespannte Budgetsituation ein bisschen entspannt werden kann.

Das Zweite ist auch, dass es zu einer Entzerrung des Wettbewerbs kommt. Das heißt, jene Arbeitgeber – und ich gehe davon aus, dass das in Österreich die Mehrheit ist –, die immer ordentlich und anständig ihre ArbeitnehmerInnen angemeldet haben, werden nicht mehr diskriminiert. Das halte ich für wichtig und entscheidend. Und für mich als Gewerkschafterin sind die Vorteile für die ArbeitnehmerInnen ganz, ganz wichtig. Ich möchte das noch einmal hervorheben: Es wird so sein, dass, bevor eine Arbeit angetreten worden ist, die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen bei der Sozial­versicherung angemeldet werden. Für meine Kollegen, die am Bau tätig sind, wird es eine Generalunternehmerhaftung geben. Auch das ist ein Quantensprung, auch das ist entscheidend und wichtig, und es ist zweifellos ein guter Punkt. (Beifall bei der SPÖ.)

Auf die stärkere Bedeutung der Frauenpolitik wurde bereits von meinen Vorrednerin­nen und Vorrednern eingegangen. Ich halte das für ganz, ganz wichtig und ganz entscheidend. Erstens einmal gibt es ein klares Bekenntnis, dass die Zahl der erwerbstätigen Frauen erhöht werden soll, und zweitens, dass der Schwerpunkt hier insbesondere in jenem Bereich zu legen ist, wo es um Vollbeschäftigung geht.

In diesem Zusammenhang muss man ganz deutlich festhalten, dass es gerade in der letzten Zeit so war, dass Teilzeitbeschäftigung sehr stark zugenommen hat und dass insbesondere Frauen oft nur noch die Möglichkeit hatten, entweder eine Teilzeit­beschäftigung oder aber gar keine Beschäftigung zu haben.

Ich halte daher diesen Ansatzpunkt für ganz besonders wichtig und möchte da nur einen Teil herausbrechen: Neben den begleitenden Maßnahmen in der Familienpolitik, wie Schaffung von mehr Kinderbetreuungseinrichtungen, wie auch Flexibilität des Kinder­betreuungsgeldes, wird es künftig auch so sein, dass, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mehr Leistung in einem Betrieb erbringen, sie diese Mehrleistungen dann auch in Form eines Zuschlages im Geldbörsel fühlen werden. Das ist eine langjährige Forderung der ÖGB-Frauen, es ist eine ganz massive Maßnahme im Bereich zur Bekämpfung der Working Poor, und – was aus meiner Sicht auch noch wichtig und entscheidend ist – es ist auch eine Maßnahme, die dazu beiträgt, dass es nicht weiter zu einer Zerstückelung von Vollzeit-Arbeitsplätzen kommt.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Auch im Bereich der Pensionen wurde sehr vieles erreicht. Was mir im Regierungsübereinkommen etwas fehlt, ist, dass es für die Schwerarbeiter und Schwerarbeiterinnen keine generelle Verbesserung gibt, aber ich


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bin mir sicher, dass der neue Herr Sozialminister hier im Sinne der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch ein entsprechendes Programm vorlegen wird. Ich werde jeden­falls meinen Beitrag dazu leisten, dass es hier zu einer fairen und guten Lösung kommt.

Ich komme damit zum Schluss, sehr geschätzte Damen und Herren: Es ist ein Regie­rungsprogramm, das eine soziale, eine sozialdemokratische Handschrift trägt. Ich freue mich, dass es gemeinsam mit den Kollegen und Kolleginnen der ÖVP zustande gebracht wurde. Ich freue mich auf die Umsetzung dieses Regierungsprogramms, denn dieses Programm wird wieder die Möglichkeit geben, dass wir Politik für alle machen – für Frauen, für ArbeitnehmerInnen, für Ärmere, für Jüngere. Wir wollen hier gemeinsam wieder den Menschen in den Mittelpunkt des politischen Denkens und Handelns setzen – gemeinsam für Österreich! – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.54


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rosen­kranz, ebenfalls mit einer Redezeit von 12 Minuten. – Frau Abgeordnete, ich werde Sie aber um 13 Uhr unterbrechen und Ihnen eine halbe Minute davor mit dem Glocken­zeichen bekunden, dass Sie noch eine halbe Minute Zeit haben. – Bitte.

 


12.54.41

Abgeordnete Barbara Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren vor den Fernseh­schirmen! Erinnern Sie sich noch? Es hat im Wahlkampf ein sozialdemokratisches Plakat gegeben, das einigermaßen Verwirrung gestiftet hat. Es war nicht ganz klar, was damit gemeint ist. – Das hat sich jetzt geklärt: Sie waren sehr vorausschauend, Sie haben sich schon auf das Regierungsprogramm bezogen. Sie haben damals nämlich plakatiert: „Österreich hat sich Besseres verdient“. (Beifall bei der FPÖ.)

Dieses Regierungsprogramm hat nicht den geringsten Ansatz, Fehlentwicklungen auch nur zu erkennen, geschweige denn zu korrigieren. Es hat überhaupt keine Schwer­punkte, und deswegen kann man eigentlich auch nicht wirklich einen Willen zur politischen Gestaltung feststellen.

Auch wenn man sich die Sitzordnung hier auf der Regierungsbank, die natürlich auch das politische Gewicht der Ressorts darstellt, anschaut – neben Kanzler und Vize­kanzler die schwarzen Minister –, kann man mit Sicherheit annehmen (Zwischenrufe der Abgeordneten Mag. Lapp, Mag. Trunk und Parnigoni) – aber es ist wahr! –, dass es einfach so weitergeht wie bisher. (Abg. Mag. Trunk: Sicher nicht!)

Wenn ich jetzt ein einzelnes Kapitel herausnehme, dann bestätigt sich das auch absolut. Zum Thema Einwanderung/Integration steht im Regierungsprogramm:

„Europa erlebt einen grundlegenden demografischen Wandel mit tiefgreifenden ökono­mischen und sozialen Konsequenzen.“

„Zuwanderung“, heißt es dann weiter, „ist eine globale Herausforderung.“

Was ist damit gemeint? Was steht hinter diesen Worthülsen? – Dahinter steht, um es verständlich auszudrücken, dass wir seit nunmehr vier Jahrzehnten so wenige Kinder haben, dass nicht annähernd eine Generation die nächste ersetzen wird. – Nicht „wenige Kinder“, sondern viel zu wenige Kinder für den Fortbestand des Landes und die soziale Sicherheit! (Beifall bei der FPÖ sowie der Abg. Ursula Haubner.)


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Und dahinter steht weiters die Tatsache, dass gleichzeitig – wenig verwunderlich – eine unkontrollierte Einwanderung unter den verschiedensten Titeln – einer davon ist zum Beispiel Asyl – stattfindet, die verdeckt ist, die nie offen politisch diskutiert oder auch beschlossen worden ist.

So ist es: Auf der einen Seite seit Jahrzehnten zu wenige Kinder, auf der anderen Seite hat seit Jahrzehnten, und in den letzten anderthalb Jahrzehnten ganz besonders stark – unter Ihrer Regierung, Herr Klubobmann Schüssel, sind 300 000 Menschen neu ins Land gekommen; und, Herr Vizekanzler, wissen Sie, wie viele Staats­bürger­schaften Sie in Ihrer Regierungszeit vergeben haben?; es waren 140 000 –, eine massive Zuwanderung stattgefunden, auch nach Österreich. Wenn man sich die Kapitel Integration und Familie anschaut, dann kann man sich sicher sein, dass das so bleibt. Es ist nichts drinnen, was irgendwie eine Möglichkeit schaffen würde, die beiden Dinge zu ändern. (Abg. Mag. Wurm: Flexible ...!)

Wir sehen hier die Positionen völlig konträr zu Ihnen! Wir wollen die Zuwanderung stoppen, und wir wollen Österreichs Familien so stärken, dass wieder eine Kinderzahl zustande kommt, in der die Generationen ersetzt werden. Das ist unser Ziel! Wir halten das für machbar, wir erachten es als notwendig, wenn Österreich eine Zukunft haben will, denn „Österreichs Zukunft“ heißt: die Zukunft der Österreicher – und für uns ist das die Kernaufgabe, die wir ins Zentrum unserer Politik gestellt haben.

Wie ist die Lage? – Wir haben in Österreich mittlerweile einen Anteil von 13 Prozent von Menschen, die nicht im Land geboren sind, an der Wohnbevölkerung. Das sind 1,3 Millionen Menschen. In manchen Ballungsräumen, wie in Wien, sind es 18 Prozent. Diese Zahlen widerspiegeln allerdings gar nicht den realen Gehalt in seiner vollen Schärfe, denn die Zugewanderten sind jung und die Österreicher sind eher älter. Es sind Parallelgesellschaften entstanden. Wenn man sich etwa an das Schnitzel-Verbot und an das Nikolo-Verbot in Wien erinnert, so kann man dazu noch resignativ lächeln, aber es sind Parallelgesellschaften entstanden, die zum Teil Gegengesellschaften sind.

Sind Sie wirklich davon überzeugt, Herr Vizekanzler, dass wir null Toleranz dort walten lassen, wo unsere gesellschaftlichen Grundwerte berührt sind? Sind Sie wirklich über­zeugt, dass wir es hinreichend klarmachen und erreichen, dass die Gleichberechtigung der Geschlechter eine unverzichtbare Grundlage des Zusammenlebens in euro­päischen Staaten ist? – Ich finde, nicht. Ganz im Gegenteil! Sie schreiben es ja übrigens auch in das Regierungsprogramm hinein:

„Integration ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die sowohl seitens der Zuwan­derer als auch seitens der Aufnahmegesellschaft nach Anstrengungen und Bemühun­gen verlangt.“

Das wollen wir eigentlich nicht! (Beifall bei der FPÖ.) – Wenn jemand hierher kommt, dann wollen wir es haben, dass er sich an unsere Vorstellungen angleicht. Er kommt ja in unser Land!

Wenn Sie unsere Warnungen schon nicht ernst nehmen und auf uns nicht eingehen wollen, dann schauen Sie doch, bitte, ein bisschen in Europa herum und hören Sie hin, was die Zuwanderer der ersten Stunde, vor allem weibliche Zuwanderer, dazu zu sagen haben: Sie warnen vor der Blindheit und vor der Feigheit der autochthonen europäischen Bevölkerung, weil sie wissen, wer hier zuwandert und welche Lebens­gewohnheiten und welche völlig den europäischen Lebensgewohnheiten entgegenge­setz­ten Grundlagen sich mittlerweile hier entwickeln können. (Beifall bei der FPÖ.)

 



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Präsident Dr. Michael Spindelegger: Ich danke der Frau Abgeordneten.

Meine Damen und Herren, im Sinne des gemeinsamen Beschlusses unterbreche ich die Sitzung bis 13.15 Uhr.

Die Sitzung ist unterbrochen.

*****

(Die Sitzung wird um 13.01 Uhr unterbrochen und um 13.16 Uhr wieder aufge­nommen.)

*****

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek (den Vorsitz übernehmend): Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Rosenkranz. Sie hat ihre Rede unterbrochen und setzt sie nun fort. Ihre Restredezeit beträgt 6 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Barbara Rosenkranz (fortsetzend): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich bin stehengeblieben bei der Tatsache, dass wir in Österreich in den letzten Jahren und Jahrzehnten eine massive Zuwanderung hatten, dass auch nicht zu sehen ist, dass das anders werden wird – übrigens gegen den Willen eines großen Teils der Bevölkerung –, und das war der Grund dafür, dass sich die Parteibasis massiv gegen diese Art von Politik gewehrt hat.

Das erleben wir übrigens jetzt gerade in hinreichendem Maße, wie es ist, wenn eine Regierungsmannschaft völlig weggeht von dem, was sie ursprünglich versprochen und als politisches Ziel dargestellt hat.

Dass die Zuwanderung massive Konsequenzen hat, kann niemand leugnen. Das ist nicht so sehr natürlich in den Villen am Stadtrand und in den Altbauwohnungen in der Innenstadt, Herr Professor Van der Bellen, wo Ihre Wähler bevorzugt zu finden sind, sichtbar. Dort hat die Zuwanderung noch nicht so weit reichende und missliche Konse­quenzen – allerdings dort, wo jene wohnen, die mit geringen Löhnen um den Arbeitsplatz, um die Gemeindewohnung mit immer neuen Menschen, die zu immer billigeren Bedingungen Arbeit verrichten, konkurrieren müssen (Abg. Dr. Van der Bellen: Im 7. Bezirk ist ein großer Ausländeranteil!), und dort, wo die wohnen, die ihre Kinder nicht in die Privatschule schicken können, und dort, wo alte Menschen mit geringem Einkommen oder mit geringer Pension leben und übrigens auf Grund ihrer Anhänglichkeit aus ihrem Grätzel nicht mehr wegziehen wollen, aber wo sie längst Fremde in der eigenen Heimat geworden sind, und dort, wo die wohnen, die längst – und auch das gibt es wieder – aus allen sozialen Netzen hinausgefallen sind.

Es ist ganz bezeichnend, Frau Abgeordnete Csörgits, dass Sie dann immer in unver­ständliche Ausdrücke flüchten, wenn Sie sozusagen als Vertreter der Arbeitnehmer, als soziale Partei, Ihren Offenbarungseid leisten müssen.

„Working Poor“ – wie kann das sein? – Es waren sozialdemokratisch geprägte Jahr­zehnte, in denen das passiert ist. „Working Poor“, das heißt arbeiten, ohne damit seinen Lebensunterhalt tatsächlich verdienen zu können. Das ist in dem Zeitraum passiert, in dem Sie den Sozialminister gestellt haben, in dem Sie das Arbeits­ministerium übergehabt haben. (Zwischenruf der Abg. Csörgits.)


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Ein anderer Begriff – und darüber scheuen Sie sich in Österreich überhaupt noch zu diskutieren – ist „Prekariat“. Es gibt in Österreich neuerdings ein Prekariat. Früher hat man dazu Unterschichten gesagt. Auch eine „gute“ Entwicklung: ein Prekariat.

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie – ich werde es Ihnen immer wieder sagen, wir werden da nicht lockerlassen –, Sie müssen sich entscheiden: Ein­wanderung oder das Wahrnehmen der Rechte des Arbeiters und des Arbeitnehmers! Beides zugleich ist nicht möglich. (Beifall bei der FPÖ.)

Österreich ist ein sicheres Land, Herr Vizekanzler, es kommt allerdings darauf an, wo. Es gibt in Wien mittlerweile Bezirke, wo man sich in der Nacht, speziell als Frau, eigentlich nicht sinnvollerweise hinwagen sollte. (Abg. Riepl: In welchem Bezirk?) Oder würden Sie Ihren Töchtern raten, alleine im 15. Bezirk die Mariahilfer Straße entlang zu spazieren? Ich würde das nicht verantworten können.

Fragen Sie die Leute, die mit der Badner Bahn spätabends hin und herfahren müssen. Fragen Sie die Leute!

Wir stellen fest, dass die Kriminalität massiv gestiegen ist – in Ihrer Regierungszeit (in Richtung ÖVP) um 100 000 Fälle auf über 600 000! Die Aufklärungsrate ist von über 50 Prozent auf 39 Prozent massiv gesunken. Wir meinen, dass diese gestiegene Kriminalität mittlerweile die Sicherheit der Bevölkerung massiv erschüttert, und – in Bezug auf den ehemaligen Innenminister – wir scheuen uns auch nicht, es zu sagen: Es ist überwiegend eine importierte Kriminalität! Nicht, weil Ausländer kriminell sind, sondern das Laisser-faire, das wir hier entwickelt haben, Kriminelle aus dem Ausland geradezu anzieht – das schreibt Ihr eigenes Ministerium im Sicherheitsbericht. Warum kommen so viele tschetschenische Straftäter nach Österreich? Weil die liberale Asyl­gesetzgebung es ihnen so leicht macht, steht im Sicherheitsbericht 2005, den Sie vermutlich gelesen haben.

Wir werden nicht müde werden, darzustellen: Wer den Arbeitsmarkt in Ordnung bringen will, wer die Sicherheit wiederherstellen will, der wird die Zuwanderung stop­pen müssen! (Beifall bei der FPÖ.)

Zum Thema Familie. – Auch da ist nicht zu sehen, dass Sie den Ernst der Lage auch nur annähernd erkennen; ebenso wie Sie Jahrzehnte hindurch nicht auf die War­nungen gehört haben, dass man, vor allem wenn man einen Sozialstaat darstellt und am Umlageverfahren interessiert sein muss, eine ausgeglichene Geburtenzahl haben muss. Das haben Sie jahrzehntelang ignoriert, und jetzt, da man es nicht mehr ignorieren kann, ist es Ihre Taktik, herunterzuspielen und falsche Wege vorzuschlagen. Hören Sie doch auf jene, die Ihnen sagen: Man kann mit Zuwanderung den Kinder­mangel nicht kompensieren! Es gibt keinen seriösen Wissenschafter, der sich damit lächerlich macht, das auch behaupten zu wollen.

Der Punkt ist: Wir werden um eigene Kinder nicht herumkommen, und daher wird es ganz dringend notwendig sein, einen Paradigmenwechsel durchzuführen, und zwar in zweierlei Hinsicht:

Zum einen muss die materielle Stellung der Familie massiv verbessert werden. Es ist so, wie Herwig Birg sagt, dass in unserer Gesellschaft derjenige von Kindern profitiert, der keine hat; schon allein durch das Umlagesystem bei der Alterssicherung. Und solange man diese Rahmenbedingungen hat, kann man davon ausgehen, dass sich die Leute daran orientieren. Es ist eine Reihe von Anreizen zu sehen, die es ratsam erscheinen lassen, auf Kinder zu verzichten – allein in materieller Hinsicht. Wir schlagen daher vor, noch einmal ein großes Familienpaket zu schnüren. Die Kosten für Kinder müssen erstens im Steuerrecht berücksichtigt werden und das Aufziehen von Kindern darf in der Altersversorgung – weil es für die Altersversorgung im Gesamten


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die Grundlage ist! – nicht zur individuellen Benachteiligung derer werden, die das tun. Das ist aber so: je mehr Kinder desto geringer die Pension! (Beifall bei der FPÖ.)

Zum anderen aber natürlich ...

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Frau Abgeordnete, Entschuldigung, aber auf Grund der Unterbrechung hat das Lämpchen nicht funktioniert. Sie haben nur noch einen Schlusssatz. Es tut mir leid, aber ich bitte Sie, den Schlusssatz zu formulieren.

 


Abgeordnete Barbara Rosenkranz (fortsetzend): Der wird jetzt aber lang werden, denn dafür kann ich jetzt wirklich nichts.

Zum anderen braucht es einen Paradigmenwechsel in ideeller Hinsicht, und dies­bezüglich bin ich, Frau Bundesministerin Kdolsky, sehr skeptisch, wenn ich lese, dass Sie in dem Buch „Kinderlos, na und?“ als Interviewpartnerin gesagt haben – übrigens eines der dümmsten Bücher, das ich je gelesen habe –, Sie seien eine „leiden­schaftliche Tante“ – auch, weil man die Kinder „irgendwann wieder zurückgeben kann“, denn bei längerem Kontakt könne Ihr Nervensystem schon einmal überreizt werden.

Es geht so weiter: „Ich bin eine große Kinderfreundin, aber ich stehe dazu, dass ich ein gehöriges kritisches Potential haben kann, wenn Kinder in unangenehmer Weise in mein Leben intervenieren. Wenn ich einen Abend in einem Nobellokal genießen will, wenn ich im Flugzeug nach New York sitze, dann kann mir ein schreiendes Kind einiges vermiesen.“ – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Im Gegensatz dazu sind für uns Kinder das höchste Gut, und wir halten es für Österreichs Zukunft für unverzichtbar, Kinder und Familien besser­zustellen. (Beifall bei der FPÖ.)

13.24


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Neugebauer. – Bitte.

 


13.24.13

Abgeordneter Fritz Neugebauer (ÖVP): Meine sehr geehrten Kolleginnen, Frau Präsidentin mit eingeschlossen! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Meine sehr geschätzten Kollegen! Herr Dr. Gusenbauer hat bei seiner Präsentation des Regierungsprogramms den Satz ge­prägt: „Wir leben in einem guten und auch in einem vergleichsweise reichen Land.“ Es ist daher sachgerecht und nur logisch, dass dieses Regierungsprogramm auf dem Erfolgskurs der letzten Jahre aufbaut. (Beifall bei der ÖVP.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese breite parlamentarische Mehrheit, auf die sich die Bundesregierung künftig stützen kann, bietet die Möglichkeit, auf der Grundlage des Österreich-Konvents Markierungen zu setzen, die vielleicht in anderen Konstel­lationen bisher nicht möglich waren. Die Bundesregierung hat den Experten ein sehr ehrgeiziges Zeitziel, nämlich bis Jahresende 2007, gesetzt. Kostelka, Fiedler und andere werden sich bemühen, Reformen anzugehen, umzusetzen: eine Grundrechts­reform, ein Mehr an demokratischer Kontrolle, im Wahlrecht ein Wählen ab 16, die Briefwahl, allenfalls auch ein E-Voting schon anzudenken, Verfassungsbereinigungen durchzuführen, aber auch, was wichtig ist – also ein permanenter Prozess –, eine Verwaltungsreform auf allen Ebenen der Gebietskörperschaften durchzuführen.

Ich bin sehr froh darüber, dass eine neue Aufgabenverteilung zwischen Bund und Län­dern angedacht ist und man alle Ebenen, Europa, Bund, Länder, Gemeinden, nach Parallelen durchforstet, um ganz einfach Einsparungen durchführen zu können. Die Autonomie der Länder und Gemeinden zu stärken entspricht jenem Grundsatz, den wir gerne Subsidiarität nennen. – Das alles vor dem Hintergrund eines funktionierenden


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öffentlichen Dienstes in Bund, Ländern und Gemeinden, der dem Gemeinwohl ver­pflichtet ist. Wir werden eine Rechtsform suchen, sodass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der öffentlichen Dienste ihre Arbeit druckresistent durchführen können, und wir wollen auch eine Neuverteilung der Gehaltsverläufe angehen, weil auch der öffentliche Dienst auf qualifizierten Nachwuchs nicht verzichten kann. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten SPÖ.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße außerordentlich, dass die Bundes­regierung in ihr Programm den Stellenwert der Sozialpartner verstärkt aufgenommen hat. Wesentliche Teile dieses Papiers sind von den Sozialpartnern erarbeitet worden. Vor allem Fragen, die sich aus der Demographie ergeben, wie Hand anzulegen in der Pflegevorsorge, in der Altersversorgung, in Gesundheit und Bildung, sind vielen Menschen in unserem Lande noch nicht bewusst. Machen wir uns doch deutlich, dass vor knapp drei Lebensdauern, also vor etwa 200 Jahren, die durchschnittliche Lebens­erwartung bei 35 Jahren lag und dass ein heute 50-Jähriger diese damalige Lebens­erwartung noch vor sich hat! – Das ist eine Herausforderung für die Politik, die nur durch eine gemeinsame Anstrengung geschafft werden kann. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Kapitel „Arbeitsmarkt und Arbeitswelt“ stammt fast vollständig von den Sozialpartnern, die die Ziele und Maßnahmen sehr genau definiert haben: für die älteren Arbeitnehmer, für die Jugend die Fragen der Weiter­bildung, für die aktive Arbeitsmarktpolitik das Arbeitsmarktservice weiter zu verbessern, nicht nur in der Vermittlung, sondern auch in der Betreuung und letztendlich auch in der Bekämpfung der Schwarzarbeit, um ganz einfach für fairen Wettbewerb in der sozialen Marktwirtschaft zu sorgen. Herr Professor Van der Bellen vermisst laut seiner heutigen Ausführungen Maßnahmen – ich empfehle ihm das Studium des Kapitels „Wachstum und Konjunkturpolitik“; da gibt es 23 Maßnahmen, von den Investitionen in die Infrastruktur bis zur Mitarbeiterbeteiligung, die uns Arbeitnehmern ein ganz beson­ders wichtiges Anliegen ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Höchste Beschäftigungszahlen jetzt und sinkende Arbeitslosigkeit rechtfertigen, hier viel Geld in die Hand zu nehmen.

Lassen Sie mich noch einen Blick auf meine Profession werfen, auf das Bildungs­kapitel, das ich mit der sehr verdienstvollen Frau Ex-Bundesministerin Elisabeth Gehrer verhandeln durfte. Wer schon seit vielen Jahrzehnten die Debatten und The­menschwerpunkte in der Bildungspolitik mitverfolgt, wird feststellen, dass sich zunächst alles immer um Struktur- und Systemdebatten handelt. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, das kann man zwar mit Leidenschaft verfolgen, aber das ist ein Thema, das Leiden schafft. In Wirklichkeit geht es darum, sich auf die inneren Zustände und Rahmenbedingungen zu konzentrieren: Ausbau der Schulpartnerschaft, Qualitäts­sicherung, die Pädagogisierung und nicht die Verpflichtung des Kindergartenwesens und letztendlich kleinere Schulklassen, wo die Hinwendung auf den einzelnen Schüler stärker als bisher in Angriff genommen wird. Differenzierte Gesellschaften brauchen ein differenziertes Schulsystem. (Beifall bei der ÖVP.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich die Damen und Herren auf der Regie­rungsbank teilweise seit vielen Jahren persönlich und auch ihr Wirken kenne, andere durch die veröffentlichten Biographien, dann darf ich sagen: Alle, die hier sitzen, haben immer etwas mit Politik zu tun gehabt, etwa schon als Minister, als Abgeordnete, als Beteiligte in Landtagen oder in Landesregierungen oder in Bereichen, wo man hart an der Politik gearbeitet hat. Ich gehe daher davon aus, dass eine hunderttägige Schon­frist, die üblicherweise gegeben wurde, für die Damen und Herren dieser Bun­desregierung nicht notwendig sein wird. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auch positiv anmerken, dass – und das hat Herr Dr. Gusenbauer ja ausgeführt – sich von einem Aufeinander-Zugehen von den ersten Verhandlungen bis heute auch im Umgang miteinander einiges geändert hat. Das hat mich an das Jahr 2000 erinnert. Die Übergabe der Ressorts diesmal war kein Gegenstand in den Schlagzeilen – anders als im Jahr 2000 –, und dazu darf ich sehr, sehr herzlich gratulieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte ebenso anmerken, dass sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt hat, in allen Ressorts alles, was EU-relevant ist, besonders zu unterstreichen. Ich habe bewusst am heutigen Tag das Emblem der Europäischen Union angesteckt, weil es mir in allen Lebensbereichen wichtig ist, das Ziel – das einzige, das wirklich zählt –, diese Union als das größte Friedenswerk überhaupt in der Geschichte Europas darzu­stellen, zu verfolgen. Ich wünsche allen viel Kraft dazu, dass sie das auch ent­sprechend durchbringen. Das hat mich auf Robert Schuman gebracht, der einmal gesagt hat, am gefährlichsten in der Politik seien jene Leute mit starker Phantasie und schwachen Nerven. – Das kann man den Damen und Herren hier nicht unterstellen. Ich wünsche Ihnen allen einen starken Realismus, gute Kreativität und eine gute Kondition.

Ich möchte abschließend als einer, der mitverhandeln durfte, darauf hinweisen, dass es viele Dinge gibt, die nicht in diesem Koalitionspapier stehen, die es auch wert wären, besprochen zu werden.

Herr Bundeskanzler, Herr Vizekanzler, Sie dürfen mit unserer Unterstützung rechnen. Willi Molterer hat – und das möchte ich unterstreichen – nicht nur alle aufgefordert, sich mit diesen Zielsetzungen vertraut zu machen, sondern auch die Bereitschaft bekundet, die Menschen mitzunehmen auf diesem Weg. Wir als Parlamentarier – das möchte ich jedenfalls für mich in Anspruch nehmen – möchten in der politischen Diskussion für die Festigung der Wege zu dem beschriebenen Ziel in diesem Regierungsprogramm sorgen, denn: Wo Österreich draufsteht, muss auch Österreich drin sein! – Alles Gute. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.32


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Scheibner. Ihre Redezeit beträgt 12 Minuten. – Bitte.

 


13.32.40

Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Frau Präsidentin! Werte Mitglieder dieser Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Etwas geht mir ab – vielleicht nicht unbedingt mir, aber doch den ZuseherInnen vor den Fernsehschirmen, die sich die Übertragung dieser Debatte anschauen –, wahrscheinlich auf Grund der wenig Verbliebenen hier, vor allem bei der Sozialdemokratie: Es fehlt die Euphorie, die Auf­bruchs­stimmung. Wir haben in den letzten sieben Jahren gehört – sieben Jahre lang –, was denn alles passieren wird (Abg. Broukal: Entschuldigung, von Ihnen sind auch nur zwei Drittel da!) – lieber Kollege, deinen Frust, dass du nicht Wissenschaftsminister geworden bist, verstehe ich schon, aber das müsst ihr euch selber ausmachen –, wenn diese ungeliebte Regierung aus Schwarz und Blau und dann Orange endlich abgelöst werden kann, welche großen Reformen man machen wird. Den Pensionsraub will man wieder umkehren, die Gesundheitsreform wird endlich durchgesetzt. Was war noch alles? Endlich wird in Infrastruktur investiert, und, und, und. (Zwischenruf des Abg. Mag. Gaßner.)

Lieber Kollege Gaßner, wo ist die Euphorie jetzt? Jetzt habt ihr es endlich geschafft, ihr habt einen Bundeskanzler – und ich bin gar nicht so sicher, ob ihr ihn jetzt auch wirklich wollt, diesen Bundeskanzler, ob ihr auch wirklich so froh seid darüber, dass ihr jetzt diesen Bundeskanzler und dieses Regierungsprogramm und diese große Koalition


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habt. Aber da seid ihr nicht alleine, glaube ich, denn mittlerweile ist schon die Mehr­heit – ich habe gerade einen Umfragewert bekommen: mehr als 60 Prozent – der Österreicher und Österreicherinnen der Meinung, dass das ein sehr schlechter Start für die Regierung Gusenbauer – ich kann nicht sagen Gusenbauer I, denn das wird die Regierung Gusenbauer sein und bleiben; es wird kein Gusenbauer II geben – gewesen ist.

Von Abgeordneten der ÖVP habe ich schon gehört, sie bekommen per SMS von Zusehern Beileidsbekundungen und Durchhalteparolen: Haltet durch, ihr tut uns ja alle leid! – Bei der SPÖ, habe ich gehört, gibt es schon ein SMS, Kollege Gusenbauer solle keine Nachhilfestunden geben. – Herr Bundeskanzler, das war wirklich eine Ent­gleisung, dass Sie sich da auf eine Stufe mit Studenten stellen, die sich die Studien­gebühren nicht leisten können. (Zwischenruf des Abg. Parnigoni.)

Herr Kollege Parnigoni, dass ein Bundeskanzler mit 19 000 € Monatseinkommen sagt, er gebe um 6 € Nachhilfestunden, das ist ja wirklich eine Verhöhnung der Studenten! (Beifall beim BZÖ.) Da sagt selbst Ihre Basis per SMS, meine Damen und Herren von der SPÖ, er solle keine Nachhilfestunden geben, sondern ein Training in Verhand­lungsführung nehmen, sodass das nächste Mal die Verhandlung vielleicht anders ausgehen kann. Wer das Sagen hat in dieser Bundesregierung, das haben wir ja nicht nur bei der Ressortverteilung gesehen, sondern heute auch während der Ausfüh­rungen der verschiedenen Repräsentanten dieser Bundesregierung.

Aber auf eines kann man durchaus stolz sein, meine Damen und Herren: dass auch diese Bundesregierung und damit auch die Sozialdemokratie jetzt endlich einmal zugibt, wie gut die letzten sieben Jahre für Österreich gewesen sind, dass wir jetzt auf Grund der Regierungsmaßnahmen während der Jahre 2000 bis 2007 das beste Pen­sionssystem in Europa haben – wie Sie das in diesem Regierungsprogramm festhalten –, dass Österreich eines der sichersten Länder in Europa ist, dass wir ein gutes Bildungssystem haben, dass wir ein gutes Sicherheitssystem haben, dass wir ein gutes Gesundheitssystem haben. Kollege Cap – er ist jetzt wieder da – hat von einem schweren Erbe, das er jetzt antreten muss, gesprochen: Das ist das positive Erbe, das wir Ihnen übergeben, und ich hoffe, dass Sie damit im Sinne der Österreicherinnen und Österreicher gut umgehen. (Beifall beim BZÖ.)

Was es heißt, einen Scherbenhaufen aufzuräumen, das haben wir im Jahr 2000 gesehen; einen Scherbenhaufen mit Rekorddefizit, mit einem Gesundheitssystem, das wirklich an die Grenzen der Finanzierbarkeit gegangen ist, mit einem Proporzsystem, mit Stillstand, mit Depression in einer Bundesregierung. Wir sind aufgebrochen und zu neuen Ufern gekommen. – Schauen wir, was Sie tun!

Es gibt zunächst einen Rekord in der Anzahl der neuen Regierungsmitglieder. – Das, Herr Bundeskanzler, war ja auch so ein Versuch der Täuschung, dass Sie gesagt haben, aus arithmetischen Gründen müssten Sie die Bundesregierung von 19 auf 20 Mitglieder erweitern. Ich darf Sie daran erinnern, die letzte Bundesregierung ist mit 18 Regierungsmitgliedern angetreten. (Abg. Parnigoni: Mit 19!) – Nicht mit 19, auch Sie haben es schon wieder vergessen, Herr Kollege Parnigoni. Mit 18 (Abg. Öllinger: Und die Kabinettsmitglieder, zählen Sie die einmal auf!), denn Staatssekretär Winkler, das 19. Mitglied, ist erst eingesetzt worden, als es darum gegangen ist – im Übrigen sehr professionell erledigt, Herr Staatssekretär –, die EU-Präsidentschaft Österreichs vorzubereiten und umzusetzen; begonnen haben wir mit 18 Regierungsmitgliedern. Sie haben versprochen, die Zahl nicht zu erhöhen, Sie haben gesagt, die Staatssekretäre seien unnötig – ich glaube das langsam auch, denn sie wissen ja selbst noch nicht, wofür sie zuständig sind –, aber jetzt haben Sie die Regierung ganz einfach um zwei Minister erweitert, damit Sie alle Ihre Vertrauensleute unterbringen können. (Abg. Parnigoni: Sie haben nicht so viel gebraucht!)


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Ja, Herr Kollege Parnigoni, haben Sie das Regierungsprogramm gelesen? Ich glaube nicht, denn ich sage Ihnen, würden die Roten Falken es vorlegen, dann würden Sie es ihnen zurückwerfen. Da stehen so viele Allgemeinplätze drin: verstärken, erhöhen, verbessern, evaluieren, Arbeitskreise einsetzen. Also wirklich, würde das eine Jugend­organisation vorlegen, würde man sagen, ihr fehlen die Perspektiven; aber das ist alles, was Sie sich in dieser Regierung vorgenommen haben. – Sehr wenig!

Sehr konkret sind Sie nur dort, wo es um zusätzliche Belastungen geht. Allein durch die Erhöhung der Mineralölsteuer belasten Sie die Österreicherinnen und Österreicher, vor allem die Pendler – gerade Sie, Herr Parnigoni, Sie sind doch einmal Verkehrs­sprecher gewesen, oder sind Sie es noch immer? –, um 100 Millionen € mehr im Jahr, meine Damen und Herren! Mit einem Federstrich, da sind Sie sehr konkret!

Oder: Gesundheitsgebühren. Wir haben hart gerungen – damals Bundeskanzler Schüssel weiß das –, wir haben extrem gestritten, als es darum gegangen ist, das Gesundheitssystem ... (Zwischenruf des Abg. Parnigoni.) – Herr Kollege Parnigoni, seien Sie nicht so nervös! Ich weiß, Sie haben ein schlechtes Gewissen, das ehrt Sie auch, aber jetzt schauen Sie einmal, dass Sie etwas weiterbringen in dieser Regierung.

Wir haben hart gerungen und uns dann darauf geeinigt, das Gesundheitssystem nicht über höhere Beiträge zu finanzieren und zu sanieren, sondern in Richtung eines Philosophiewechsels. Wir haben gesagt, wir erhöhen nicht die Beiträge, sondern wir investieren in die Prävention, in die Vorsorge, denn es gibt Gutachten, dass man nicht nur einige Millionen Euro einsparen kann, sondern bis zu 2 Milliarden € im Jahr an Einsparungspotential gegeben sind, wenn man ganz einfach verhindert, dass die Menschen krank werden, und somit das Kranksein nicht finanzieren muss. Und Verwaltungseinsparungen sind ja auch nicht verboten, Herr Kollege Parnigoni.

Steuerreform. – Herr Bundeskanzler Gusenbauer, das war Ihr Versprechen! Sie haben gesagt, zu Beginn der Legislaturperiode werden Sie eine Steuersenkung einführen. 500 € Steuerentlastung für jeden! Was ist jetzt? Sie kündigen an, vielleicht gibt es irgendetwas am Ende, aber es gibt keine Details.

Was ist mit der Ankündigung vom damaligen Finanzminister Grasser, die Erb­schaftssteuer abzuschaffen? Wie schaut es aus mit der Reduzierung der Steuersätze? Wie schaut es aus mit einer weiteren Förderung der klein- und mittelständischen Wirtschaft im Steuerbereich? – Da lesen wir in diesem Programm nichts.

Die Studiengebühren wurden ja schon angesprochen. Was das Pflegegeld betrifft, meine Damen und Herren, war eine Ihrer großen Forderungen: Erhöhung des Pflege­geldes! – Wir haben dazu Anträge eingebracht. Was kommt jetzt heraus? Einmal werden Sie es valorisieren. Als wir das damals gemacht haben, haben Sie das noch schärfstens kritisiert.

Das verpflichtende Vorschuljahr im Bildungs- und Integrationsbereich. – Ja, ich gebe Ihnen Recht, die Kenntnis der deutschen Sprache ist eines der wichtigsten Integrations­mittel, vor allem für Kinder. Wo ist denn dieses verpflichtende Vorschuljahr für alle Kinder, die die deutsche Sprache nicht in ausreichendem Ausmaß beherr­schen? – Das haben doch Sie auch immer wieder gefordert! Das findet sich in diesem Regierungsprogramm nicht.

Da könnte man noch vieles weiter ausführen, etwa auch was die Sicherheitspolitik betrifft. Es ist ja wirklich lustig, wenn in diesem Regierungsprogramm einige Male auf der einen Seite das Bekenntnis zur immerwährenden Neutralität gefasst wird – anscheinend für Sie ein kleines Zuckerl, damit Sie nicht wieder zugeben müssen, dass Sie es ja gewesen sind, die diese Situation verursacht haben, nämlich dass der Beitritt zur Europäischen Union im Jahr 1999 beziehungsweise die danach folgende Verfas-


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sungsänderung und die vollinhaltliche Teilnahme an der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik ganz krass im Widerspruch zu einer ernst genommenen immerwährenden Neutralität gestanden sind. Und genau dieser Widerspruch findet sich auch jetzt in diesem Regierungsprogramm wieder.

Interessant ist auch, dass ein Auftrag für das österreichische Bundesheer festgehalten ist: Das Bundesheer soll die Neutralität schützen. – Das ist interessant, es ist eine Aufgabe einer Armee, ein völkerrechtliches Instrument zu schützen. Wie funktioniert denn das dann, Herr Kollege Darabos, wenn irgendein Regierungsmitglied, etwa die Frau Außenministerin, in Brüssel einer Ausweitung der europäischen Verteidigungs­politik zustimmt? Das steht drinnen im Regierungsprogramm: Sie wollen eine europäische Verteidigung. Das heißt, österreichische Soldaten verteidigen dann Polen und Litauen und sonstige Länder. Ich habe nichts dagegen, aber das in Einklang mit der Neutralität zu setzen, das ist interessant. Setzen Sie dann das Bundesheer gegen so böse Regierungsmitglieder ein, die gegen die Neutralität verstoßen? – Also das können Sie ja selbst nicht ernst nehmen, was hier drinnen steht.

Herr Verteidigungsminister oder Zivildienst-Minister, das ist nicht gegen Sie persönlich, ich sage das noch einmal, aber Sie lassen sich hier von Ihrer eigenen Partei miss­brauchen, die ein Signal gebraucht hat, um zu beweisen, dass sie alles tut, um diesen angeblich so bösen und teuren Eurofighter abzubestellen. – Ich habe wirklich Respekt vor jemandem, der sagt, aus Gewissensgründen kann ich den Dienst mit der Waffe beim österreichischen Bundesheer nicht leisten; überhaupt keine Frage! Und ich sage auch nicht, dass jemand Grundwehrdienst geleistet haben muss, um Verteidigungs­minister zu sein oder irgendeine Funktion in der Sicherheitspolitik zu bekleiden, aber wenn jemand erklärt – noch einmal: ich habe Respekt, wenn das jemand mit seinem Gewissen nicht vereinbaren kann –, dass er die Wehrpflicht aus Gewissensgründen ablehnt und Waffengewalt gegen andere Menschen nicht anwenden kann und deshalb hier in einen Gewissensnotstand geraten würde, dann ist es schon problematisch, wenn derselbe dann Verteidigungsminister wird und Einsatzbefehle geben muss!

Sie haben ja in der „Zeit im Bild 2“ einmal gesagt – das war auch ein bisschen ein Aus­rutscher –: Sie selbst müssten ja die Waffe nicht in die Hand nehmen. – Ja, aber was bedeutet denn das, Herr Verteidigungsminister, Herr Zivildienst-Minister? Sie werden vor Tausenden Rekruten stehen, die folgende Gelöbnisformel sprechen: Ich gelobe, mein Vaterland, die Republik Österreich, und sein Volk zu schützen und mit der Waffe zu verteidigen! – Die werden vor Ihnen stehen, die werden vor Ihnen dieses Gelöbnis zu leisten haben – und Sie signalisieren, dass Sie diesen Dienst mit Ihrem Gewissen nicht vereinbaren können.

Herr Verteidigungsminister! Dass das ein Widerspruch in sich ist, werden wohl auch Sie zugeben.

In diesem Sinne sehen wir auch die Einsatzfähigkeit des Bundesheeres gefährdet, und wir verlangen deshalb ein klares Bekenntnis von Ihnen! Und ich sage Ihnen: Auf der Sachebene werden wir mit Ihnen und auch mit allen anderen Regierungsmitgliedern zusammenarbeiten, soweit es möglich ist, aber hier brauchen wir die Gewissheit, dass Sie auch die verfassungsrechtlichen Agenden wahrnehmen.

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Scheibner, Dolinschek, Darmann, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Vollziehung durch den Bundesminister für Landesverteidigung gemäß seiner verfas­sungsmäßigen Aufgaben


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Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Landesverteidigung wird aufgefordert, ein klares Bekenntnis zum österreichischen Bundesheer und zu seinen umfassenden Aufgaben, bis hin zur bewaffneten Landesverteidigung abzulegen. Er möge sicherstellen, dass das öster­reichische Bundesheer die für die Auftragserfüllung notwendigen Ressourcen erhält und er im Anlassfall alle notwendigen Anordnungen und Befehle bis hin zum Befehl für bewaffnete Einsätze geben wird.“

*****

Meine Damen und Herren! Herr Minister, das ist wohl das Mindeste, was Sie für die Soldaten des österreichischen Bundesheeres tun können, die mit ihrem Leben für unsere Sicherheit und, wenn es notwendig ist, auch mit der Waffe in der Hand bürgen. Und ein Minister, der sagt, aus Gewissensgründen lehne er diese Aufgabe ab, ist schwer zu verdauen. (Beifall beim BZÖ.)

13.45


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Der Entschließungsantrag ist einge­bracht. Der erste Teil allein wäre nicht möglich, allerdings in Kombination mit dem zweiten Satz ist der Antrag zugelassen.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Scheibner, Dolinschek, Darmann, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Vollziehung durch den Bundesminister für Landesverteidigung gemäß seiner verfassungsmäßigen Aufgaben

eingebracht im Zuge der Debatte des Nationalrates über die Regierungserklärung des Bundeskanzlers in der Sitzung am 16.01.2007

Der Bundesminister für Landesverteidigung Mag. Norbert Darabos hat im Jahr 1987 Zivildienst geleistet. Somit musste er vor der Gewissensprüfungskommission glaubhaft darstellen, dass er Waffengewalt und somit auch den Dienst mit der Waffe ablehnt. Dies wurde im § 2 Zivildienstgesetz in der damals gültigen Fassung wie folgt geregelt: „Wehrpflichtige.....sind auf ihren Antrag von der Wehrpflicht zu befreien, wenn sie es – von den Fällen der persönlichen Notwehr oder Nothilfe abgesehen – aus schwer­wiegenden, glaubhaften Gewissensgründen ablehnen, Waffengewalt gegen andere Menschen anzuwenden und daher bei Leistung des Wehrdienstes in schwere Gewissensnot geraten würde; sie sind zivildienstpflichtig“. Nun wurde Mag. Darabos als Verteidigungsminister angelobt und hat in diesem Zuge gelobt, die Gesetze der Republik Österreich zu beachten. Dies umfasst in seinem Fall insbesondere den Art 79 B-VG ff und das einschlägige Wehrrecht.

Es bedarf schon eines beachtlichen Meinungsumschwunges vom Ablehnen des Dienstes mit der Waffe bis hin zum Ausüben des Amtes des Bundesministers für Landesverteidigung, der immerhin den Einsatzbefehl über das Österreichische Bun­des­heer verfügen muss. Besondere Bedeutung kommt dabei der Frage zu, welcher Ausrichtung seines Gewissens sich der Herr Bundesminister verpflichtet fühlen wird. Unter Umständen müsste Bundesminister Darabos von den Soldaten des öster-


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reichischen Bundesheeres die Befolgung ihres Treuegelöbnisses verlangen, welches wie folgt lautet:

Ich gelobe, mein Vaterland, die Republik Österreich, und sein Volk zu schützen und mit der Waffe zu verteidigen; ich gelobe, den Gesetzen und den gesetzmäßigen Behörden Treue und Gehorsam zu leisten, alle Befehle meiner Vorgesetzten pünktlich und genau zu befolgen und mit allen meinen Kräften der Republik Österreich und dem öster­reichischen Volke zu dienen.

Durch Art. 80 Abs. 2 und 3 B-VG iVm § 3 WG sowie der 1966 erstmals erlassenen Ermächtigung der Bundesregierung zum Einsatz des Österreichischen Bundesheeres ist der Bundesminister für Landesverteidigung daher verpflichtet, jeden Einsatzbefehl an das Bundesheer zu geben. Durch den § 19 iVm § 26 des geltenden Militär­befugnisgesetzes (MBG) sowie dem diesbezüglichen Erlass ist keinem Piloten im Luftraumüberwachungsdienst der Waffengebrauch gegen Luftfahrzeuge – außer in Fällen der unmittelbaren Nothilfe und Notwehr – gestattet, außer der Bundesminister für Landesverteidigung ermächtigt ihn hiezu. Nur bei Unerreichbarkeit kann diese Aufgabe vom Generalstabschef – oder früher in dessen Abwesenheit vom Komman­danten der Luftstreitkräfte – wahrgenommen werden.

Es kann wohl als völlig unvereinbar gelten, wenn jemand die Anwendung von Waffen­gewalt im Zuge der ihm von der Republik Österreich zugestandenen Rechte – Art. 80 Abs. 2 B-VG: Soweit nicht nach dem Wehrgesetz der Bundespräsident über das Heer verfügt, steht die Verfügung dem zuständigen Bundesminister innerhalb der ihm von der Bundesregierung erteilten Ermächtigung zu“ und Wehrgesetz § 3 : Der Bun­desminister übt die Befehlsgewalt über die Dienststellen des Bundsheeres grund­sätzlich durch deren Kommandanten und Leiter aus – anordnen darf, dies aber gleichzeitig aus Gewissensgründen ablehnt.

Da ein Ableisten des Präsenzdienstes durch Bundesminister Darabos nicht nur unwahrscheinlich, sondern durch seinen abgeleisteten Zivildienst unmöglich ist und somit die Antwort von Bundeskanzler Dr. Gusenbauer im Ö3-Radio auf eine Hörer­frage: „Wenn Sie vorschlagen, Darabos soll die Grundausbildung machen – schaden tät’s ihm nicht“, nicht umsetzbar ist, erscheint ein Konflikt vorprogrammiert.

Vor allem auch deshalb, weil Bundesminister Darabos nach dem ersten Ministerrat am 11. Jänner auf Nachfrage bestätigt hat, dass er grundsätzlich zu seiner damaligen Entscheidung Zivildienst zu leisten steht. In diesem Zusammenhang erscheint es unumgänglich, dass der Bundesminister für Landesverteidigung sich zur umfassenden Landesverteidigung bekennt und damit – vor allem für die Bediensteten seines Res­sorts und die Soldaten des Österreichischen Bundesheeres – ein deutliches Zeichen seiner Abkehr von der Einstellung den Dienst mit der Waffe abzulehnen und seiner Absicht zur Einhaltung aller gesetzmäßig vorgeschriebenen Aufgaben setzt.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Landesverteidigung wird aufgefordert, ein klares Bekenntnis zum Österreichischen Bundesheer und zu seinen umfassenden Aufgaben, bis hin zur bewaffneten Landesverteidigung abzulegen. Er möge sicherstellen, dass das Öster­reichische Bundesheer die für die Auftragserfüllung notwendigen Ressourcen erhält


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und er im Anlassfall alle notwendigen Anordnungen und Befehle bis hin zum Befehl für bewaffnete Einsätze geben wird.“

*****

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bun­desministerin für auswärtige und europäische Angelegenheiten Dr. Plassnik. – Bitte.

 


13.45.35

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Ursula Plassnik: Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren! Seit gestern gibt es eine gemeinsame Währung auf beiden Seiten der Karawanken. Ich war gestern im Namen der Bundesregierung für Österreich in Slowenien und habe dort an einem Festakt teilgenommen. Ich muss sagen, ich bin stolz auf unseren Partner, auf unseren Nachbarn Slowenien, denn hinter dieser Euro-Einführung liegt ein anspruchs­voller Weg, den Slowenien in einer Rekordzeit bewältigt hat.

Gestern war auch der 15. Jahrestag der Anerkennung der staatlichen Souveränität Sloweniens durch Österreich und durch die Europäische Union. (Abg. Öllinger: Und wie schaut es mit den Minderheitenrechten aus? Mit den Ortstafeln?) Meine Damen und Herren, ein Tag, an dem wir die Kraft dieses europäischen Einigungswerkes spüren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich spreche zu den jungen Freunden, die hier auf der Galerie an der Präsentation dieses Regierungsprogramms teilnehmen. Auf Seite 158 des Regierungsprogramms finden Sie den Hinweis, den Eisernen Vorhang wissenschaftlich museal aufzu­arbeiten. – Ich gebe zu, es war eine Anregung, die von mir gekommen ist, und ich finde, es ist ein Privileg, in einem Europa leben zu dürfen, wo wir die Überwindung des Eisernen Vorhanges in einem Museum darstellen werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Daher auch die Arbeit an der Wiedervereinigung Europas, die aktive Mitgestaltung des Friedensprojektes Europa in unserer Generation – das ist ein Kernanliegen dieser Bundesregierung. So sieht auch Nachbarschaftspolitik aus, das ist Außenpolitik konkret.

Ich werde morgen nach Serbien reisen. In Serbien finden am 21. Jänner Wahlen statt. Wir wollen und wir werden Serbien unterstützen auf seinem europäischen Weg. Wir werden keinerlei Abstriche machen im Hinblick auf die Anforderungen, die von der Europäischen Union hier gestellt werden, aber ich bin mir ganz sicher, meine Damen und Herren, eines Tages – eines nicht allzu fernen Tages – wird Serbien so wie Slowenien in der Europäischen Union sein und wird in die Euro-Zone kommen. Und für diesen Tag werden wir arbeiten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ und der Grünen.)

Der Balkan wird also weiterhin ein Schwerpunkt der österreichischen Europa- und Außenpolitik sein. Hier gilt es, diese Perspektive des Beitritts glaubhaft zu machen.

Ein Wort zur Türkei: Wir haben in diesem Regierungsprogramm festgehalten, dass wir uns die Zielsetzung eines schrittweisen Vorgehens geben, zunächst mit dem Ziel einer maßgeschneiderten türkisch-europäischen Gemeinschaft. Und wir haben auch festgehalten, dass es eine Volksabstimmung geben wird, sollte dieser Verhandlungs­prozess, der ein langwieriger sein wird, ein Beitrittsziel herbeiführen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die Grundphilosophie im europa- und außenpolitischen Teil dieses Regierungs­abkommens ist, Europa als Chance zu begreifen. Und ich bin überzeugt davon, dass,


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wenn SPÖ und ÖVP gemeinsam an dieser Darstellung, an diesem Bewusstsein arbeiten, die Akzeptanz des europäischen Einigungswerkes auch bei den Öster­reichern und Österreicherinnen steigen wird.

Wir wollen aktiv und vollberechtigt mitgestalten. Wir werden an allen Politikfeldern der Europäischen Union mitwirken, und wir werden dazu beitragen, dass Europa ein Kontinent der Zuversicht bleibt, dass Europa nicht getrieben ist von seinen Ängsten.

Das europäische Lebensmodell mit all seinen Komponenten, mit der ausgeprägten sozialen Komponente, aber auch mit den Komponenten Nachhaltigkeit, Vielfalt und kulturelle Vielfalt, werden wir bewahren – wir werden das weiterentwickeln. Und wir werden es gemeinsam tun: Es wird eine Teamarbeit sein, wie Außenpolitik und Euro­pa­politik insgesamt Teamarbeit ist.

Wir werden an der Verfassung arbeiten, die deutsche Präsidentschaft jetzt unter­stützen. Wir brauchen klare Grundregeln. Wir können nicht in die Wahlen zum Euro­päischen Parlament 2009 gehen, ohne Klarheit über diese Regeln zu haben.

Die Europäische Union wird aber auch von uns gestärkt werden als globaler Partner, und ich sage von dieser Stelle aus dem neuen Generalsekretär der Vereinten Nationen, der Österreich gut kennt, Ban Ki-moon: Herr Generalsekretär! Sie können weiterhin darauf zählen, dass Österreich ein verlässlicher, ein engagierter, ein mitgestaltender Partner der Vereinten Nationen sein wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ und der Grünen.)

Die Weltgemeinschaft steht vor großen Herausforderungen. Ein regionaler Schwer­punkt dieser Arbeit für die Weltgemeinschaft, für die Europäische Union und auch für Österreich wird der Nahe Osten sein, denn es ist Zeit, meine Damen und Herren, dass hier ein Impuls kommt, und dieser Impuls sollte von der Europäischen Union aus­gehen. Daran arbeiten wir. Wir haben viel Vertrauenskapital auf beiden Seiten, jetzt gilt es dieses Vertrauenskapital zu nützen und energisch die Voraussetzungen zu schaffen, dass wir zu einer Zweistaatenlösung kommen.

Ein Wort zur Auslandskultur und zur Entwicklungszusammenarbeit. Hier werden wir auf die Frauen ein besonderes Augenmerk legen. Wir haben in diesem Regierungs­abkommen vereinbart, dass jedes einzelne Projekt der österreichischen Entwicklungs­zusam­menarbeit darauf geprüft werden wird, ob es den Interessen und Anliegen der Frauen entsprechend Rechnung trägt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir werden weiterhin mit der Wirtschaft eng zusammenarbeiten, und wir werden dieses Ministerium im Sinne auch einer fortgesetzten Bewusstseinsentwicklung neu benen­nen: Ministerium für europäische und internationale Angelegenheiten.

Die österreichische Außenpolitik und Europapolitik wird, meine Damen und Herren, nicht rot sein, sie wird nicht schwarz sein, sie wird rotweißrot sein. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.52


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bun­desminister für Landesverteidigung Mag. Darabos. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: „Bundesminister für Zivildienst“, um korrekt zu sein!)

 


13.52.40

Bundesminister für Landesverteidigung Mag. Norbert Darabos: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Vorerst einmal danke für die verstärkte Aufmerksamkeit. (Abg. Ing. Westenthaler – auf die Bänke der SPÖ weisend –: Wo? Wo? Wo ist die, bitte?) Ich möchte ganz


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persönlich beginnen. Ich bin stolz darauf, in den nächsten Jahren als Minister für ein Heer verantwortlich zu sein, von dem ich weiß, dass es in jeder Situation Schutz und Hilfe für die österreichische Bevölkerung bietet.

Ich habe höchsten Respekt vor der Arbeit der Soldatinnen und Soldaten, von der Generalität bis hin zu den Grundwehrdienern, und ich werde mein Bestes geben und immer hundertprozentig loyal zur Truppe stehen und bin überzeugt davon, dass sich das umgekehrt genauso verhält. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte mich auch explizit für den offenen Empfang bedanken, der mir von Seiten des Bundesheeres bei meiner Amtseinführung zuteil wurde, und ich weiß es auch zu schätzen, dass hochrangige Offiziere heute dieser Sitzung beiwohnen.

Meine Damen und Herren! Das Bundesheer befindet sich im Aufbruch und im Um­bruch. Die geopolitische Lage hat sich in den letzten Jahrzehnten in hohem Ausmaß verändert und ist immer noch in Bewegung. Mit der Erweiterung der Europäischen Union ist das Friedensprojekt Europa weit fortgeschritten, und Österreich ist aus­schließlich von Staaten umgeben, die uns freundlich gesinnt und freundschaftlich verbunden sind.

Die Bundesheer-Reformkommission, die im Jahr 2004 mit ihren Vorschlägen ihre Arbeit beendet hat, hat dieser Entwicklung Rechnung getragen. Ich möchte mich bei allen bedanken, die daran mitgewirkt haben, an der Spitze bei Dr. Helmut Zilk, meinem Amtsvorgänger Günther Platter und meinem freundschaftlichen Berater Toni Gaál. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP sowie Beifall des Abg. Scheibner.)

Die Konzeptionsphase für das Bundesheer 2010 ist also abgeschlossen, und es ist eine meiner Hauptaufgaben, dieses Projekt mit Leben zu erfüllen und auf den Vor­schlägen aufzubauen.

Ein weiterer Schwerpunkt der Verteidigungspolitik wird in den nächsten Jahren in den internationalen Aktivitäten liegen. Das österreichische Bundesheer ist weltweit hoch angesehen für seinen Einsatz in der Katastrophenhilfe und in der Friedenserhaltung. Aber nicht nur hier gilt es diesem Ruf weiterhin gerecht zu werden, auch als Standort von internationalen Organisationen möchte ich Österreich noch attraktiver machen.

Ein ganz wichtiger Faktor in diesem Zusammenhang ist unser Bekenntnis zur immer­währenden Neutralität. Sie ist nicht nur seit Jahrzehnten ein Garant für Frieden und Sicherheit in Österreich, sondern auch eine hervorragende Grundlage für unsere inter­nationalen Friedenseinsätze. Deswegen bin ich froh, dass ich mit dem Kollegen Platter ein Programm ausarbeiten, ausverhandeln konnte, in dem der Neutralität ganz beson­derer Stellenwert zukommt. Ich halte diese explizite Betonung für unerlässlich und für wichtig, denn diese Neutralität ist der Schlüssel zur Gestaltung einer Friedenspolitik, die weit über die Grenzen Österreichs hinausreicht. Sie zu erhalten und zu stärken heißt Frieden sichern.

Sie wissen, ich habe vom Bundeskanzler den Auftrag erhalten, alternative Lösungen zur Eurofighter-Beschaffung zu suchen. Auch hier handelt es sich um eine Aufgabe, die ich in engster Abstimmung mit dem Parlament und vor allem mit dem laufenden Untersuchungsausschuss erfüllen werde. Es handelt sich hier um eine Frage, bei der ich die Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher hinter mir weiß. SPÖ und ÖVP haben sich in diesem Koalitionsabkommen zur Luftraumsicherung bekannt; es wurde heute schon gesagt. Ich bin der Ansicht, dass es billigere Lösungen geben kann, die im gleichen Ausmaß die Sicherheit Österreichs gewährleisten. Ich werde mich um eine optimale Lösung bemühen. Darauf können sich die Österreicherinnen und Österreicher verlassen. (Beifall bei der SPÖ.)


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Eine wichtige Maßnahme meiner ersten Tage in der Amtszeit als Minister wird eine Maßnahme zur Attraktivierung des Wehrdienstes sein. Sie wissen, dass wir im Regie­rungsübereinkommen vereinbart haben, gesetzlich die Verkürzung des Wehrdienstes auf sechs Monate festzulegen. (Abg. Scheibner: Das ist ja schon umgesetzt worden, Herr Minister! Das gilt ja schon! Lesen Sie das Gesetz!) Bislang lag es im Ermessen des Ministers, den Wehrdienst allenfalls auf diese Dauer zu verkürzen. (Abg. Scheibner: Mit 1.1.2008 ist das in Kraft!) Bisher war es auf Weisung des Ministers möglich, den Wehrdienst zu verkürzen. Wir werden eine gesetzliche Reduzierung der Dauer des Wehrdienstes auf sechs Monate durchsetzen. Das wird eine meiner ersten Amtshandlungen sein. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Ein Ahnungs­loser mehr auf der Regierungsbank!)

Neben all diesen Bereichen, die ich angesprochen habe, gibt es zwei Bereiche, die im Selbstverständnis des Bundesheeres nicht wegzudenken sind: erstens der Katas­trophenschutz und die Katastrophenhilfe. Was hier in den letzten Jahren geleistet wurde, und zwar unter widrigsten Umständen, ist unbezahlbar und wertvoll.

Der zweite Punkt ist der Einsatz des Bundesheeres an der Grenze. Das Bundesheer hat sich durch den Assistenzeinsatz in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten in der Bevölkerung großen Respekt und Anerkennung erarbeitet. Ich selbst, der ich in einer Grenzregion lebe, habe diesen Einsatz immer hochgeschätzt. Bis zur endgültigen Erreichung der Schengen-Reife unserer Nachbarstaaten wird sich an dieser Aufgabe nichts ändern. Ganz im Gegenteil: Sie wird bis zum Jahre 2008 in vollem Umfang erhalten bleiben. Und auch danach werde ich in Zusammenarbeit mit dem Innen­minister versuchen, Konzepte zu erarbeiten, die die Sicherheit des Landes im Allgemeinen und der Grenzregionen im Speziellen gewährleisten.

Zum Abschluss kommend: Ich bin der festen Überzeugung, dass sich Verteidigungs- und Friedenspolitik, wie es heute schon da und dort leider angeklungen ist, nicht dazu eignet, parteipolitisches Kleingeld zu wechseln. Ich werde das nicht tun, und ich darf an alle Vertreterinnen und Vertreter in diesem Hause appellieren, das ebenso zu halten. Ich werde transparent arbeiten und mit allen Parteien das Gespräch und die Zusam­menarbeit suchen – das ist mir wichtig im Interesse des Landes –, und genauso werde ich im Sinne Österreichs an meine Aufgaben herangehen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.58


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abge­ord­neter Dr. Grünewald. – Bitte.

 


13.59.05

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Was heute irgendwo fehlt – das Wort „Melancholie“ ist ja schon einmal aufgetaucht –, ist schon so etwas wie Aufbruchsstimmung und Freude. Irgendwie trübsinnig ist die Stimmung, und ich frage mich, ob man das nicht ganz kurz analysieren könnte, was da dahintersteckt.

Vizekanzler Molterer hat gemeint, die Regierung wird den Elch-Test bestehen. Also ich glaube, der Elch-Test ist kein guter Test, weil erstens zählt ein Vizekanzler nicht zur Familie der Paarhufer, das werden Sie mir ja zugeben. Und zweitens spielt hier kein Mercedes eine Rolle, sondern Studiengebühren, MigrantInnen, Arbeitslosigkeit und sterbenskranke Menschen in Hospizen. Die werden der Test für Sie sein, ob das Regierungsprogramm gut, richtig und umsetzbar ist.


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Ich gebe auch ohne weiteres zu – und geniere mich nicht zu sagen –, dass es in der Welt und in Österreich größere Katastrophen geben mag als die Studiengebühren, dass an der Universität und in der Forschung viele Baustellen sind, die ebenso wichtig sind. Trotzdem haben Studiengebühren doch ein bildungspolitisch infernales Signal, ich glaube auch, ein kontraproduktives Signal. Warum? – Verglichen mit anderen Län­dern braucht Österreich mehr Studierende, nicht weniger! Wir sehen, dass einzelne ... (Zwischenruf der Abg. Dr. Brinek.)

Frau Brinek! Lassen Sie mich reden! Ich kenne mich mindestens so gut aus wie Sie, das können Sie mir glauben. (Beifall bei den Grünen.)

Es gibt eine Reihe von Berufsgruppen in Österreich, die bei uns nicht EU-kompatibel und international vergleichbar ausgebildet sind. Ich zähle dazu Berufe mit einem riesengroßen Frauenanteil: die ganzen Diplompflegeberufe, Krankenschwestern, Kran­kenpfleger, Medizinisch-Technische Dienste und nicht zuletzt die PflichtschullehrerIn­nen, die nicht auf EU-Niveau ausgebildet werden. Es ist ja überhaupt witzig, dass die Pädagogischen Hochschulen jetzt zum Bildungsministerium gehören – an und für sich richtig, weil sie keine Hochschulen sind, sondern reiner Etikettenschwindel. Ich bin aber trotzdem nicht unfroh, weil ich sie da vielleicht besser aufgehoben finde als im Wissenschaftsressort. (Abg. Dr. Fekter: Sie haben keine Ahnung, Herr Professor!)

Aber: Wie ist man mit Studiengebühren umgegangen, wenn wir hunderttausend Studie­rende mehr brauchen, wenn man Studierenden signalisiert, die Universitäten haben Angst vor euch, sie zerbrechen an euch, sie haben keinen Platz für euch, sie werden überlastet, sie müssen Zugangsregelungen schaffen, die ihnen dann selbst teilweise peinlich sind? Man schafft Prüfungen, deren Treffsicherheit mehr als fragwürdig ist, beschränkt Studienplätze und lässt die Leute vor der Tür stehen.

Was für Hoffnung gibt das der Jugend? Was für Vertrauen gibt das der Jugend? Wie denken die Eltern dieser jungen Leute? – Das ist nicht zuletzt Ihr Verdienst, sondern Ihre Schuld!

Wenn man meint, man kann mit Studiengebühren Anreize bilden, damit mehr Stu­dierende kommen, so muss ich anmerken, das wird wohl keiner, der halbwegs alle Nervenzellen im Kopf beisammen hat, nachvollziehen können. Wenn Familien Kinder haben – drei an der Zahl, zwei an der Zahl –, die studieren, macht das eine Summe pro Jahr aus, die wirklich auch dem Mittelstand an die Substanz geht, weil Studieren ja nicht gratis ist. Das ist alles Unfug, was hier behauptet wird. Studieren heißt auch, jahrelang auf Einkommen zu verzichten, abhängig zu sein von den Eltern, abhängig zu sein, dass man sich nebenbei den Lebensunterhalt verdient und damit auf Beitrags­jahre der Sozialversicherung verzichtet. Keine AkademikerIn kommt auf diese 45 Beitrags­jahre. Was ist denn da so toll daran?

Oder: Wissen Sie, Herr Bundeskanzler – Sie wissen es schon –, dass letztlich fast 80 Prozent der Studierenden arbeiten? Wenn man in der Regelstudienzeit fertig sein will, dann ist das mindestens eine 40-Stunden-Woche an Vorlesungen, an Seminaren und so weiter.

Und wenn Sie dann noch sagen – und das halte ich, wohlwollend betrachtet, für höchst unglücklich –, dass die Studierenden auch, nicht nur, Hospizarbeit leisten müssen, dann ist das eine schwere Kränkung und Missachtung schwer kranker und lebens­bedrohlich kranker Menschen. Jeder, vermute ich einmal, auf der Regierungsbank wird sich, wenn er krank ist, unter einem Klinikvorstand, einem Ordinarius am AKH nicht zufrieden geben. Sterbende, alte kranke Leute sollen dann StudentInnen zu Besuch geschickt bekommen – das desavouiert auch die Sozialberufe. (Beifall bei den Grünen.)


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Ich glaube, dass Ihre ehemalige Parteigenossin Blaha mit 200 € Zuwendung als Stipendium nicht flott lebt. Ob das eine soziale Hängematte ist, ist eine andere Frage. So ein flapsiger Umgang zerstört Hoffnung. Hoffnung zerstören soll das Letzte sein, was eine Regierung will. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.04


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abge­ordneter Dr. Einem. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

 


14.04.40

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Verehrte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren, erlauben Sie mir ein paar Anmerkungen, die in fünf Minuten möglich sind, zu der breiten Palette der Themen, die im Bereich Außenpolitik, Europapolitik und internationale Politik zu machen wären! Auch zur Sicherheits- und Verteidigungspolitik ein Wort.

Zunächst zum Thema Europapolitik. Ich denke, dass das, was im Koalitionspakt vereinbart worden ist, eine gute Grundlage ist für die gemeinsame Arbeit, dass es auch eine gute Übereinstimmung hier zwischen den beiden Regierungsparteien gibt. Ich bin auch ganz froh darüber, dass Töne, die teils noch um die Regierungsbildung herum von Ihnen, Frau Bundesministerin Plassnik, angeklungen sind, dass Sie froh sind, dass es Ihnen gelungen sei, auch uns wieder zu Europäern zu machen, nun verklungen sind, denn das ist nicht unser Problem gewesen.

Das Problem, das Österreich in den letzten Jahren hatte, war, dass Sie mit einer Partei in der Regierung waren, die ausgesprochen europafeindlich war. Und das sollte man klar sagen: Dieser Punkt ist jetzt überwunden. Es ist jetzt eine europaorientierte Bun­desregierung im Amt – und das ist gut so. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich denke daher auch, dass das Wort von Klubobmann Schüssel mit der „Stimme für Europa“ angesprochen werden kann. Jetzt klingt sie wieder rein und ist im Ausland nicht halb von Europafeindlichkeit oder von Ausländerfeindlichkeit gekennzeichnet. Das ist wichtig. Ich werfe nicht Ihnen (in Richtung von Bundesministerin Dr. Plassnik) vor, dass Sie ausländerfeindlich waren, aber Sie müssen wissen, welche Töne Sie mit zu verkaufen hatten. Wir wissen es jedenfalls noch, falls Sie es vergessen haben sollten.

Der zweite Punkt ist, dass ich durchaus auch mit einer gewissen Besorgnis das Wort des Herrn Vizekanzlers gehört habe, der davon gesprochen hat, dass es um einen neuen Verfassungsvertrag geht. Ich weiß nicht, was er wirklich damit gemeint hat. Aber er hat „neuer Verfassungsvertrag“ gesagt. Ich glaube, das, worum es geht, ist, den vorhandenen Verfassungsvertrag wiederzubeleben und auf den Weg zu bringen. Er wird dann ein neuer Vertrag für Europa sein, aber ich denke, da sollten wir auch versuchen, eine gemeinsame Sprache zu finden.

Das andere, was man klar sagen muss, ist: Die Aufgabe des Ressorts, nämlich des Außen- und Europaministeriums oder des Ministeriums für europäische und inter­nationale Angelegenheiten, wie Sie es gerne nennen wollen – ich hätte mit dem alten Begriff auch weiterleben können –, besteht im Wesentlichen darin, die österreichischen Interessen in der Welt zu vertreten. Und die Voraussetzung dafür ist, sich darüber klar zu werden, was denn diese österreichischen Interessen sind.

In einem Punkt ist heute Folgendes sehr klar geworden: Natürlich ist es unser Inter­esse, österreichisches Interesse, jene Länder des westlichen Balkans, die heute noch vor der Tür der Europäischen Union stehen, für einen künftigen Beitritt zur Euro­päischen Union reif zu machen. Das ist eine ganz wesentliche Aufgabe, bei der Sie


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natürlich auch unsere Unterstützung haben. Ich denke, auch in anderen Feldern, etwa bei der Frage des Umgangs mit der Türkei, könnte Ähnliches entwickelt werden.

Insgesamt gibt das Koalitionsübereinkommen durchaus Spielraum für die Weiterent­wicklung von Politikfeldern, das gilt auch für den Bereich der Außenpolitik, der inter­nationalen und der multilateralen Politik. Und es gibt auch wesentliche Akzentset­zungen, die wir vollkommen unterschreiben.

Was mich freut, ist, dass in diesem Koalitionsabkommen auch wieder ein etwas deutlicheres Bekenntnis zur Entwicklungspolitik und zur Ausweitung der finanziellen Mittel für diesen Zweck enthalten ist. Ich denke, das ist entscheidend, denn es war beschämend, wie wenig Geld Österreich in den vergangenen Jahren als eines der reichsten Länder dieser Welt für diesen Zweck ausgegeben hat. Ich bin froh darüber, dass jetzt klare, eindeutige Zahlen im Koalitionspakt stehen und dass wir uns vor­nehmen, sie einzulösen. (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich vielleicht noch zwei kurze Worte zum Thema Sicherheits- und Ver­teidigungspolitik sagen. Zunächst zu dem Punkt, der von den Oppositionsparteien angesprochen worden ist, zur Sorge, dass die europäische Verteidigungspolitik, die es anzustreben gilt, mit der immerwährenden Neutralität in Widerspruch stehen könnte. Ich denke, das ist ein Problem, das Sie deutlicher sehen als wir, und zwar einfach des­halb, weil Sie nicht verstehen können, dass die Europäische Union auch wir sind und dass die Verteidigung der Europäischen Union etwas ist, was durchaus genau so ge­sehen werden könnte wie der Verteidigungsfall Österreichs, denn wenn Österreich den Verteidigungsfall hat, dann ist die Europäische Union angegriffen. (Abg. Scheibner: Aber die EU ist nicht neutral!)

Wir sollten vielleicht versuchen, es in unsere Köpfen hinzubekommen, dass man das, was derzeit noch der Kern der immerwährenden Neutralität ist, nämlich keine fremden Truppen im eigenen Land und keine Beteiligung an Kriegen – Selbstverteidigung und Polizeiaktionen im Rahmen eines UNO-Mandats sind ausgenommen –, durchaus anders lösen kann, als Sie das lösen.

Letzter Punkt. Sie haben es für notwendig befunden, den Verteidigungsminister wegen seiner Zivildienstvergangenheit in Frage zu stellen. Wenn ich nicht wüsste, wie ich als Innenminister nur deswegen in Frage gestellt worden bin, weil ich früher Bewäh­rungshelfer war, dann hätte ich Ihren Vorwurf vielleicht ernst genommen. (Präsidentin Dr. Glawischnig-Piesczek gibt das Glockenzeichen.)

Ich meine, Sie sollten bedenken, es nützt nichts, dass Sie das sagen. Ich war auch Offizier des Bundesheeres, und Sie hätten mich nicht als Verteidigungsminister akzep­tiert. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Mag. Stadler: Wohl! – Ruf bei der FPÖ: Wir hätten uns sogar gefreut!)

14.10


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abge­ordneter Mag. Stadler. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

 


14.10.21

Abgeordneter Mag. Ewald Stadler (FPÖ): Herr Kollege Einem, Sie werden es gar nicht glauben, wenn ich Ihnen sage, dass sogar ich Sie als Verteidigungsminister akzep­tiert hätte. Glauben Sie mir das! Das mag Sie überraschen, ich habe mit Ihnen harte Sträuße ausgefochten, aber ich habe immer noch ein Herz dafür, wenn jemand wenigstens Dienst mit der Waffe geleistet hat. Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Der Unterschied ist beträchtlich, wenn man sich die Aufgaben eines Verteidigungs­ministers anschaut.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 110

Aber lassen Sie mich zunächst etwas dazu sagen, was dieses Regierungsprogramm kennzeichnet. Ich habe noch Regierungsprogramme und Regierungserklärungen von Viktor Klima in Erinnerung. Das waren geradezu literarische Meisterwerke, die er hier damals zum Besten gegeben hat. Ich hatte heute nur den Verdacht – der Herr Bun­deskanzler ist jetzt nicht da –, dass bei seiner mündlich vorgetragenen Erklärung, die er heruntergelesen hat, derselbe Autor tätig war; ich glaube, es war Herr Kalina, der damals schon Viktor Klima die Beiträge geschrieben hat und sie jetzt auch Alfred Gusenbauer schreibt.

Man müsste den Subtitel darunter schreiben: Wenn ich nicht mehr weiterweiß, dann gründ’ ich einen Arbeitskreis! – Und diese Regierung gründet gleich 40 Arbeitskreise, meine Damen und Herren! So etwas von Ratlosigkeit hat damals nicht einmal Viktor Klima repräsentiert. Er hat sich noch bemüht, wenigstens so zu tun, als ob er wüsste, wie es weitergeht. Die Plattitüden, die in diesem Regierungsprogramm enthalten sind, kommen wirklich noch an Viktor Klima heran: Wenn ich keine Ideen mehr hab’, setz’ ich halt Politsprech ab!

Frau Bundesministerin Plassnik, auf Seite 7 steht, dort heißt es wörtlich – ich darf zitieren –:

„Ziel ist es, die optimale Durchsetzung österreichischer Interessen durch größtmögliche Kohärenz und Effizienz zu garantieren.“

Was heißt das überhaupt? Was fängt man mit so einem Satz an?

Es wird noch schöner, es kommt dann noch unfreiwillige Komik dazu. Da geht es um die Donau. Es heißt wortwörtlich – ich zitiere wiederum – auf Seite 7:

„Das Potenzial dieses Flusses“ – das ist bitte Außenpolitik, nicht Wasserwirtschaft – „nicht nur als Transportarterie, sondern auch in den Bereichen Kultur, Umwelt, Touris­mus, gilt es in umfassender Form zu beleben;“

Die Flussbelebung durch die Außenpolitik, meine Damen und Herren! Ich wohne an der Donau, ich glaube schon ... (Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich habe gehört, dass der Satz von Ihnen inspiriert wurde, aber den können Sie nicht erfunden haben. Hören Sie, ich war einmal für die Wasserwirtschaft in der Nieder­österreichischen Landesregierung tätig, aber so einen elegischen Belebungssatz hätte ich mir überhaupt nicht träumen lassen können, und schon gar nicht in der Außen­politik. Die Frau Bundesministerin als Donauweiberl – das stelle ich mir lustig vor –, die den Fluss belebt mit Kultur, mit Umwelt und mit Tourismus! Meine Damen und Herren, das ist ja unfreiwillig komisch. – Aber es geht so weiter.

Frau Bundesministerin, das ist doch nicht Ihr Niveau! Sagen Sie mir doch, dass das nicht von Ihnen kommt!

Dort, wo Sie konkret werden hätten können, bei der Türkei-Frage, da ist Ihnen nichts eingefallen, da wissen Sie nicht so recht: Sind Sie jetzt ein Donauweiberl oder sind Sie doch ein Donaumanderl? Denn da hätten Sie klar sagen können, ob Sie für den Beitritt oder nicht für den Beitritt der Türkei zur EU sind.

Ich sage Ihnen ganz klar: Wir Freiheitlichen sind gegen diesen Beitritt! (Beifall bei der FPÖ.) Mit 78 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher sind wir gegen diesen Beitritt; Sie täten gut daran, das auch in ein Regierungsprogramm zu schreiben.

Und jetzt weiter, das ist überhaupt ganz falsch – ich zitiere von Seite 8 –:

„Die EU soll nur jene Aufgaben wahrnehmen, die wirklich besser gemeinschaftlich in Brüssel gelöst werden können, sowie nationale Volksvertretungen stärker einbinden (Subsidiarität).“


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 111

Herr Professor (in Richtung des Abg. Dr. Van der Bellen), haben Sie „Subsidiarität“ schon einmal so falsch definiert gehört? – Ich nicht! Subsidiarität, Frau Bundes­minis­terin, ist etwas ganz anderes, nämlich genau das Umgekehrte: Alles, was im nationalen Bereich besser oder zumindest gleich gut erledigt werden kann, ist dort und nicht in Brüssel zu belassen, solange die nicht beweisen, dass sie es wirklich gemeinschaftlich besser machen können, meine Damen und Herren, Hohes Haus! (Beifall bei der FPÖ.)

Da sieht man schon, dass der falsche Denkansatz vorhanden ist. Ich will mich aber gar nicht länger mit diesen Plattitüden der Außenpolitik hier aufhalten, sondern möchte wirklich zu einem Lieblingsthema kommen. Das ist diese Besetzung im Verteidigungs­ressort, meine Damen und Herren. Diese ist wirklich unfreiwillig komisch.

Ich weiß, Herr Bundesminister Darabos, dass Sie gerne Innenminister geworden wären – aber dann hätten Sie das Amt ablehnen sollen. Dass man Sie nach dem Ene-mene-muh-System bestellt hat – ene, mene, muh, der Innenminister ist leider schon besetzt, daher wird er Verteidigungsminister –, das kann ja wohl wirklich nicht wahr sein. Wir sehen ja alle, wie unglücklich Sie mit diesem Ressort sind. Aber natürlich, man sieht Ihnen das Unglück ja buchstäblich im Gesicht an.

Meine Damen und Herren! Ich verstehe es ja auch, wenn Sie großmundig versprochen haben, dass Sie den Eurofighter beseitigen werden, und jetzt kündigen Sie an, Sie werden mit EADS reden und haben noch nicht einmal – ORF-Interview mit Ihnen – den Vertrag gelesen. – Ja, wie stellen Sie sich überhaupt vor, wie Sie mit denen verhandeln wollen? (Abg. Ing. Westenthaler: Gezahlt wird schon!)

Er zahlt schon, aber das hat, glaube ich, schon sein Amtsvorgänger eingeleitet, aber wie er den Vertrag verhandeln kann, wo er ihn nicht einmal gelesen hat, ist eine andere Frage. Hätten Sie sich beim Kollegen Kräuter erkundigt, der kennt sich wenigstens im Untersuchungsausschuss aus, der hat diesen Vertrag zumindest gelesen. Mir kommt das so vor – das hat jetzt nicht mit seiner Wehrdienstverweigerung zu tun, damals hieß es noch „Wehrdienstverweigerung“ –, wie wenn man einen Antialkoholiker zum Schnapsbrennerei-Geschäftsführer bestellt. So kommt mir Ihre Bestellung, Herr Minis­ter Darabos, vor. (Beifall bei der FPÖ.) Irgendjemand hat gesagt, das ist so, wie wenn man einen Atheisten zum Papst macht. Es fehlt ja nur noch, dass Sie Peter Pilz zum Luftwaffenchef bestellen. Dann ist die Runde fertig. Das darf nicht wahr sein! (Präsidentin Dr. Glawischnig-Piesczek gibt das Glockenzeichen.)

Meine Damen und Herren, Hohes Haus! Sie werden erst beweisen müssen, Herr Bundesminister, dass Ihnen das Bundesheer wirklich jenes Anliegen ist, wie Sie es von der Regierungsbank aus behauptet haben. Ich weiß nur aus der Vergangenheit und aus Ihrem politischen Gebaren, dass dem nicht so ist. (Präsidentin Dr. Glawischnig-Piesczek gibt neuerlich das Glockenzeichen.)

Ein Schlusssatz, meine Damen und Herren von der SPÖ, weil Sie gar so traurig drein­schauen auf der Regierungsbank: Hätten wir Blauen ein rotes Herz, wir müssten Mitleid mit Ihnen haben. Wir haben aber Mitleid mit den Wählern, die Sie verraten haben, meine Damen und Herren, und nicht mit Ihnen! (Beifall bei der FPÖ.)

14.16


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abge­ordnete Rauch-Kallat. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Frau Abge­ordnete.

 


14.16.23

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Regierungsmitglieder! Hohes Haus! Allein der neue Name des Bundesminis-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 112

teriums für auswärtige Angelegenheiten, das in Zukunft Bundesministerium für euro­päische und innere Angelegenheiten heißen wird (Rufe bei der SPÖ: Inter­nationale Angelegenheiten!) – Bundesministerium für europäische und internationale Angelegen­heiten heißen wird –, unterstreicht die wichtigen Herausforderungen und Aufgaben dieses Ressorts.

Die Außenpolitik allerdings, die erfolgreiche Außenpolitik Österreichs mit dem Höhe­punkt der EU-Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2006 wird auch in Zukunft den bisher eingeschlagenen Weg fortsetzen, der ein guter Weg war, auch in den beiden Regierungen Schüssel.

Herr Abgeordneter Einem, wenngleich manche Entscheidungen nicht immer leicht waren, sie sind immer gemeinsam getroffen und es ist ein gemeinsamer Weg gefun­den worden, während in dieser Zeit die zweitgrößte Partei, die SPÖ, einen außen­politischen Zickzackkurs gefahren ist, der nicht immer ganz hilfreich war, auch international.

Diese Außenpolitik liegt bei Ursula Plassnik in den Händen einer erfahrenen Diplo­matin, die schon in der Regierung Schüssel II bewiesen hat, dass sie national und international schwierige Situationen hervorragend meistern kann. (Abg. Mag. Stadler: Wo? In der Donau? Wo hat sie das gemacht?)

Herr Abgeordneter Stadler, sogar Sie haben sich, wenn das noch möglich wäre, unter Ihr Niveau begeben. (Beifall bei der ÖVP.)

Erinnern Sie sich daran, dass Frau Bundesminister Plassnik in der EU die Einzige war, die in der Türkeifrage standgehalten hat (Abg. Mag. Stadler: Dafür oder dagegen?), die damit eine gesamte EU zum Umdenken bewegt und damit erreicht hat, dass die EU jetzt diesen Weg gehen kann, den sie geht. Das war ihr Verdienst, und das war sicher nicht leicht! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Sie hat Verhandlungen aufgenommen mit der Türkei!)

Österreich wird weiter eine starke Stimme in der EU bleiben, und Österreich wird natürlich auch seine Kandidatur für einen Sitz im UN-Sicherheitsrat 2009/2010 weiter betreiben. Das gilt auch für das Ziel in der Entwicklungspolitik, besonders die Anliegen der Frauen im Auge zu behalten.

Auch die Ziele der Frauenpolitik der letzten Jahre finden sich im Frauenkapitel dieses Regierungsprogramms wieder: eine weitere Steigerung der Frauenbeschäftigung von 62 auf 65 Prozent. Der EU-Durchschnitt liegt derzeit bei 55 Prozent. Vor allem die neue Staatssekretärin Christine Marek wird sich in diesem Bereich besonders engagieren. Aber auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die Förderung von Frauenkarrieren in Wirtschaft, Wissenschaft, Forschung, Kunst, Sport und Politik und vieles andere mehr, bis hin zum Gewaltschutz für Frauen, die sich bedroht fühlen und tatsächlich bedroht sind, finden sich wieder.

Die Sehnsucht nach einem eigenständigen Frauenministerium – denn es hat auch in den letzten sechs Jahren eines gegeben – hat sich nur bedingt erfüllt. Dieses Minis­terium ist nun im Kanzleramt angesiedelt. Wenn ich die Meldungen richtig sehe, wer­den auch die Personalangelegenheiten bei Frau Minister Bures sein, also sie wird auch da eine Menge anderer Dinge zu tun haben.

Trotzdem, trotz aller Auseinandersetzungen der letzten Jahre, die meist ebenso unwahr wie unfair waren, wünsche ich meiner Nachfolgerin beim „Bohren harter Bretter“ zum Wohle der Frauen viel Erfolg!

Ich freue mich aber vor allem, dass mit „Jugend und Familie“ wieder eine Kernkom­petenz der Österreichischen Volkspartei in die Hände einer ÖVP-Ministerin gekommen


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ist, und ich bin stolz darauf, dass der erfolgreiche Weg der beiden Regierungen Schüssel I und II, der Österreich mit dem Kinderbetreuungsgeld und vielem anderem mehr an die Spitze der Länder mit den höchsten Familienleistungen gebracht hat, fort­gesetzt wird.

Ich bin froh, dass es gelungen ist, Verschlechterungen beim Kinderbetreuungsgeld hintanzuhalten, und ich bin auch froh, dass die Wahlfreiheit erhalten bleibt. Wer wie bisher 36 Monate in Anspruch nehmen will, kann dies tun; wer es kürzer tun will, 18 Monate, bekommt 800 € im Monat.

Mit der Valorisierung der Pensionsbeiträge, der Erhöhung und Valorisierung der Zuver­dienstgrenze und zusätzlichen Förderungen von Mehrkindfamilien wollen wir jene bei ihrem erhöhten finanziellen Aufwand unterstützen, deren Mut zum Kind nicht beim zweiten Kind endet. Aber, Frau Abgeordnete Rosenkranz, lassen Sie mich doch eines sagen: Hochachtung vor Müttern und Vätern mit Kindern, mit vielen Kindern – aber ich verwahre mich gegen eine Diskriminierung von Frauen und Männern ohne Kinder, egal, ob gewollt oder ungewollt! (Beifall bei der ÖVP.) Und wenn Sie aus dem Buch zitieren, Frau Abgeordnete Rosenkranz, dann sollten Sie auch wissen, wie tragisch es sein kann, keine Kinder bekommen zu können. (Abg. Strache: Das waren Äußerungen und Zitate, die ungeheuerlich sind! – Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler. – Präsidentin Dr. Glawischnig-Piesczek gibt das Glockenzeichen.)

Lassen Sie mich noch ganz kurz etwas zum Kapitel Gesundheit sagen. Auch in diesem Kapitel wird es eine erfolgreiche Fortführung der großen Gesundheitsreform des Jahres 2004 geben. (Präsidentin Dr. Glawischnig-Piesczek gibt neuerlich das Glockenzeichen.) Andrea Kdolsky hat an dieser Gesundheitsreform mitgearbeitet und wird diesen Weg fortsetzen. Sie ist eine ausgewiesene Expertin, sie hat das Herz am rechten Fleck, und sie ist kampferprobt. All das wird sie in ihrer neuen Aufgabe brauchen, und ich wünsche ihr dafür alles, alles Gute! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.22


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abge­ordneter Bucher. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. Ich bitte um Zeit­disziplin. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


14.22.23

Abgeordneter Josef Bucher (BZÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Bundes­regierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Auch ich habe mir die Mühe gemacht, das Regierungsprogramm zu analysieren. Ich habe mich dabei vornehmlich dem Kapitel Wirtschaft, Finanzen und Budget gewidmet und mich natürlich auch gefragt: Wo ist denn das Große, wo ist denn das Besondere, wo ist denn das Neue in diesem Regierungsprogramm?

Wenn man sich anschaut, was hier geschrieben steht und was hier an neuen Visionen und Perspektiven eröffnet wurde, wird man feststellen, dass es der ÖVP gelungen ist, die SPÖ über den Tisch zu ziehen. In einer beispiellosen Art und Weise ist es dem scheidenden Bundeskanzler gelungen, die SPÖ „abzuräumen“, und dies wahr­scheinlich an einem traditionellen Tag, nämlich zu „Hl. Drei Könige“. Da ist der traditionelle Tag, wo wir die Christbäume in den Kisten verschwinden lassen, und Sie haben diesen Zeitpunkt genutzt, um die SPÖ wie einen Christbaum abzuräumen. (Abg. Dr. Schüssel: Lichtmess räumen wir ihn ab! – Abg. Steibl: Also ich lasse keinen Christbaum „verschwinden“!)

Die SPÖ, das war wahrscheinlich das Neue daran, hat alle ihre Prinzipien, alle ihre Grundsätze, die sie über viele Jahre hier im Hohen Haus vertreten hat, über Bord


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geworfen, nur um einem Menschen einen Gefallen zu tun, nämlich Bundeskanzler dieser Republik zu werden. (Beifall beim BZÖ). Da frage ich mich, ob diese Republik das verdient hat.

Ich gebe schon zu, dass ich auch über die Haltung der ÖVP enttäuscht bin, weil wir über viele Wochen und Monate gemeinsam in einer Steuerreform-Kommission geses­sen sind, Willi Molterer, Martin Bartenstein, Kollege Stummvoll, und uns darüber den Kopf zerbrochen haben, wie es denn in den nächsten Jahren mit dem Wirt­schafts­standort und Finanzplatz Österreich weitergehen soll. Und mir hat es sehr, sehr leid getan – das sage ich ganz offen, Herr Klubobmann Dr. Schüssel –, dass KHG, Karl-Heinz Grasser, diese Bundesregierung verlassen hat – nicht nur, weil er mich in die Politik gebracht hat (Zwischenrufe bei der SPÖ), sondern weil er ein Garant für die Wirtschaft, für eine positive Entwicklung der Wirtschaft, für geordnete Finanzen in diesem Land war, und weil er unter Beweis gestellt hat, dass man ein Budget sanieren kann. Das muss diese Bundesregierung erst einmal zustande bringen! Er hat im zweiten Jahr bereits unter Beweis gestellt, dass er in der Lage ist, ein zerrüttetes Budget wieder zu ordnen, zu strukturieren. Und das geht mir jetzt ab, auch in diesem Regierungsprogramm. Das geht mir ab! (Abg. Öllinger: Erzählen Sie keine Märchen!)

Wo sind denn die mutigen Reformen? Wir waren uns doch einig darüber, wir haben doch gesagt, wir müssen das Steuersystem in Österreich endlich einmal strukturell reformieren, vereinfachen, damit sich die Leute in unserem Land auskennen, damit sie in die Lage versetzt werden können, selbst ihre Steuererklärung auszufüllen. (Abg. Dr. Graf: Aber das hat doch der Grasser verhandelt!) Es gibt nur eine Handvoll Experten in Österreich, die sich im Einkommensteuerrecht auskennen. Da haben wir doch eine ganze Fülle an Reformen immer vor uns hergeschoben.

Oder: Mir fehlt auch das Bundeshaushaltsgesetz, das wir über viele Monate in diesem Haus verhandelt haben, gemeinsam mit der SPÖ, mit dem Kollegen Matznetter, dem jetzigen Staatssekretär Matznetter, der auch darauf gedrängt hat, dass es in Zukunft eine vereinfachte Darstellung der Budgets in der öffentlichen Verwaltung geben soll, so, wie wir das aus der Wirtschaft kennen. (Abg. Parnigoni: Wir werden dazu kommen! Kommt schon!)

Viele Dinge also, die ich vermisse. Stattdessen gibt es unter dem Synonym Valorisie­rung eine ganze Reihe versteckter Steuererhöhungen in diesem Papier. Da frage ich mich, wenn Sie beispielsweise den Preis für die Vignette erhöhen, wenn Sie beispielsweise auch die Mineralölsteuer erhöhen, wenn Sie wissen, dass Mitte dieses Jahres auch die Kfz-Steuer erhöht wird, was das für die Pendler im ländlichen Raum bedeutet. Was ist denn da sozial daran?, frage ich die Kollegen der Sozialdemokraten. Was ist sozial daran, wenn zukünftig die Pendler 150 bis 200 € mehr pro Jahr ausgeben müssen, damit sie zu ihrem Arbeitsplatz kommen? Was ist daran sozial?

Wir haben uns bemüht, in der letzten Legislaturperiode die größte Steuerreform der Zweiten Republik (Abg. Öllinger: Ja, ja, ja!) durchzubringen – 3 Milliarden zur Ent­lastung. Herr Kollege, Sie lachen, aber 3 Milliarden gehen ja ab im Staatshaushalt. (Abg. Öllinger: Wo sind die?) Die sind zurückgeflossen an die Arbeitnehmer und an die Wirtschaft. (Beifall beim BZÖ.) Da müssen Sie einmal das Budget genau lesen!

Das sind also Dinge, die mir einfach schleierhaft sind. Wir haben uns doch immer auch dazu bekannt, den Mittelstand zu fördern, die mittelständische Wirtschaft zu fördern. Wir sprechen bei jeder dritten Rede davon, dass der Mittelstand, die mittelständische Wirtschaft das Rückgrat dieser Republik ist. – Keine Rede davon im Regierungs­programm, obwohl wir in diesem Zusammenhang in der letzten Legislaturperiode viele, viele Ideen eingebracht haben.


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Ich hoffe, dass da noch einiges kommt, dass hier auch im Zuge der Diskussionen um die Steuerreform, die 2009/2010 angepeilt wurde, noch einiges an neuen und kreativen Steuerideen kommt. Ich hoffe, dass das vorgezogen wird. Das wäre gut für Öster­reich – und nicht eine mutlose Politik, wie sie heute hier präsentiert wurde. (Beifall beim BZÖ.)

14.27


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesminister für soziale Angelegenheiten Dr. Buchinger. 6 Minuten freiwillige Rede­zeitbeschränkung. – Bitte.

 


14.27.58

Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Dr. Erwin Buchinger: Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen auf der Regierungsbank! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Hohes Haus! Im Herbst vergangenen Jahres hat das Wirtschaftsforschungsinstitut, das Wifo, ein Weißbuch für Wachstum und Beschäfti­gung vorgelegt. In diesem Weißbuch gibt es ein ganzes Kapitel unter der Überschrift: Sozialsystem als Produktivkraft

Das mag vielleicht den einen oder die andere überraschen, der/die bisher Sozialpolitik unter dem Aspekt der Verteilung von erworbenem Wohlstand gesehen hat, aber das Wifo weist ganz ausdrücklich darauf hin, dass soziale Sicherheit auch einen starken Einfluss auf die Erwirtschaftung des gesellschaftlichen Reichtums, weil es ein Moment von Stabilität ist, auch über Krisenzyklen im Konjunkturverlauf hinweg, weil Niveau von sozialer Sicherheit stabilisierend wirkt, weil es bedeutet, auch persönlich Mut zu haben, Risikobereitschaft zu zeigen, weil es Erneuerung und auch Mobilität und Flexibilität bedeutet, im Bewusstsein dessen, dass es ein Auffangnetz gibt, wenn das Risiko schlagend werden sollte. Und es ist auch eine Produktivkraft, das Vertrauen in ein ausgebautes System von sozialer Sicherheit.

Diese Sichtweise und Politik auf Grundlage dieser Sichtweise war über viele Jahre für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung Österreichs, mit besonderer Dynamik in den siebziger und achtziger Jahren, prägend. Erst später wurde die Ansicht vertreten, unter sozialen Ausgaben seien vor allem soziale Kosten zu verstehen, und der Wohlfahrts­staat würde eine Belastung, eine Hürde für die Gesellschaft darstellen, die Inves­titionen und wirtschaftliche Entfaltung verhindern würde.

So falsch dieser Ansatz – ich verweise auf das Wifo – theoretisch war und ist, so schädlich ist er auch in der politischen Praxis, und wir haben erlebt, wie rasch Vertrauen in den Sozialstaat auch erschüttert werden kann.

Sie kennen alle die Vergleiche mit den „scheuen Rehen“. Normalerweise werden sie gebraucht, um das Verhalten von Kapital, das scheu und flüchtig ist und das man nicht erschrecken darf, zu kennzeichnen. Mindestens genauso zutreffend sind diese Ver­gleiche mit dem „scheuen Reh“ in Bezug auf Vertrauen in soziale Sicherheit. (Präsidentin Dr. Glawischnig-Piesczek gibt das Glockenzeichen, da der Redner im Begriff ist, die vereinbarte Redezeit zu überschreiten.)

Denn so, wie es eine reale Kälte gibt und eine gefühlte Kälte, wenn der Wind weht, so, wie es eine reale Inflation gibt und eine gefühlte Inflation, die bedeutend höher ist, wie wir wissen, so gibt es auch eine reale, tatsächliche Sicherheit und eine gefühlte soziale Sicherheit, die wichtig ist für die Entwicklung des Landes, die ein wertvolles Gut ist.

Die neue Bundesregierung misst diesem Vertrauen in die soziale Sicherheit und der Weiterentwicklung unseres sozialen Sicherungssystems große Bedeutung bei. Die Bundesregierung und ich, wir bekennen uns damit zur laufenden Erneuerung der


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sozialen Systeme und der sozialen Absicherung der einzelnen Menschen, in Ver­bindung mit einer gerechten Wettbewerbswirtschaft.

Das Ziel der Vollbeschäftigung, das wir gemeinsam und energisch anstreben und verfolgen, wird durch eine ambitionierte Sozialpolitik unterstützt, und ich freue mich, dass ich als Teil der Bundesregierung mit Verantwortung übernehmen kann. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Flankiert wird das durch eine offensive Bildungspolitik und eine aktive Arbeitsmarkt­politik. Damit können wir die bestehenden und auch die neuen sozialen Heraus­forderungen annehmen und zur Lösung der Probleme in diesem Bereich beitragen.

Im Bereich der Pflege und der Altenbetreuung steht der weitere Ausbau einer leis­tungs­fähigen und differenzierten Pflegelandschaft im Vordergrund. Das reicht von sozialen Informations- und Betreuungsangeboten bis hin zur stationären Pflege und Betreuung in unseren guten Senioren-Wohn- und -Pflegehäusern.

Auf größtmögliche Wahlfreiheit zwischen den verschiedenen Formen der Inanspruch­nahme sozialer Dienstleistungen legen wir großen Wert. Für Betroffene und Ange­hörige, wenn sie pflegen, aber auch für zivilgesellschaftliches, ehrenamtliches Engage­ment sind zusätzliche, unterstützende Maßnahmen und Angebote im Regierungspro­gramm zu finden. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine Vielfalt von Einzelmaßnahmen zum Ausbau der Pflegevorsorge, zum Ausbau von Pflege und Betreuung wird diese Umsetzung unterstützen, unter dem Gesichtspunkt von Leistbarkeit, Qualitätssicherung und erlaubter, legaler Verhältnisse.

Es ist zur Unterstützung der Pflege von Angehörigen auch ein bedeutender zusätz­licher Schritt mit der Übernahme von Dienstnehmerbeiträgen zur Pensionsversiche­rung vorgesehen. Generell werden im Pensionsrecht wichtige Anpassungen und Verbesserungen der Pensionsgesetze der Jahre 2003 und 2004 vorgenommen, Anpassungen, welche bestehende soziale Härten mildern und die Fairness im Pen­sionssystem erhöhen.

Eine Verlängerung der abschlagsfreien Möglichkeit des Pensionszuganges mit 55 und 60 nach 40 beziehungsweise 45 Beitragsjahren bei der Langzeitversicherungsregelung über die gesamte Dauer der Legislaturperiode wird das Versprechen einlösen, dass 45 Jahre genug sind, um abschlagsfrei unter den derzeitigen Rahmenbedingungen in Pension gehen zu können. (Beifall bei der SPÖ. – Präsidentin Dr. Glawischnig-Piesczek gibt das Glockenzeichen. – Rufe: Redezeit!)

Die bisherigen Doppelt-Abschläge bei der Korridorpension werden im Ergebnis halbiert.

Ein zentrales Herzstück der neuen Sozialpolitik ist die Armutsbekämpfung, die bereits auch in den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers und des Herrn Vizekanzlers ausführlich und prominent dargelegt worden sind.

Wir zeigen bei der bedarfsorientierten Mindestsicherung beispielhaft, wie aus der Verknüpfung von moderner Sozialpolitik und aktiver Arbeitsmarktpolitik Brücken zur Beschäftigung geschlagen werden. (Präsidentin Dr. Glawischnig-Piesczek gibt neuer­lich das Glockenzeichen. – Abg. Dr. Graf: Redezeit!) Wir zeigen, wie hier ein Sprungbrett, ein Trampolin geschaffen wird, um aus Armut und Ausgrenzung wieder in Teilhabe am Arbeitsmarkt und in andere soziale Verhältnisse zu kommen.

Für Menschen mit Behinderung haben wir eine Fülle von Maßnahmen entwickelt, auf die wir in der Folge im Detail eingehen können. (Rufe bei der FPÖ: Redezeit!)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 117

Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Während in vielen Ländern weltweit soziale Sicherungssysteme brüchiger und löchriger werden und es Tendenzen gibt, dass der Sozialstaat zum Charity-, zum Wohltätigkeitsstaat wird, setzt die neue Bun­desregierung andere expansive Momente und Elemente. Ich freue mich, dass ich in einer neuen Bundesregierung gemeinsam mit Ihnen und den Sozialpartnern dazu beitragen kann, gemeinsam dafür zu sorgen, dass im Mittelpunkt der Politik die Bedürfnisse und Interessen der Menschen stehen. Ich lade Sie ein, gemeinsam daran mitzuwirken. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.35


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bun­desminister für Umwelt, Land- und Forstwirtschaft Dipl.-Ing. Pröll. – Ich bitte, die Redezeitvereinbarung zu respektieren und die Zeit einzuhalten. (Abg. Dr. Graf: Dem werden 2 Minuten abgezogen, oder? Weil 2 Minuten fehlen!)

 


14.36.09

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Meine Kolleginnen und Kollegen auf der Regierungsbank! Das heute vorgelegte Regierungs­programm ist ohne Zweifel ein sehr gutes Programm, was die Lebensqualität für unser Land betrifft, was die Zukunftschancen für die Bäuerinnen und Bauern betrifft, was die Sicherung der Lebensqualität und der Umwelt insgesamt betrifft, und dieses Programm wird auch dazu beitragen, dass wir zufriedene KonsumentInnen in Österreich auch in Zukunft haben werden.

Und ich bin auch darüber froh, dass zusammen bleibt, was zusammen gehört. Es hat sich seit 2000 bewährt, Landwirtschaft und Umwelt in einer Ressortverantwortung zu haben, optimal ergänzt und sehr schlagkräftig auch für die Zukunft, um die Lebens­qualität in einem gemeinsamen Ressort zu verantworten. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuständig zu sein für die Landwirtschaft, für die Wasserressourcen, die Qualität des Wassers und die Verfügbarkeit des Waldes als eine immer wichtiger werdende Ressource auch für die nachhaltige Energiezukunft, für den gesamten Umweltbereich und auch für die Frage Sicherheit und Unabhängigkeit im Bereich der Energie und Lebensmittelversorgung, ist eine tolle Aufgabe.

Und wenn ich heute das eine oder andere Mal gehört habe, im Programm dieser Koalition käme die Zukunft zu kurz, so widerlegen allein die drei Kapitel Landwirtschaft, Umwelt und Energie eindrucksvoll diese Behauptungen. – Alles sozusagen im grünen Bereich für Rot-weiß-rot. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben uns zu Beginn der Verhandlungen zwei wichtige Fragen gestellt, nämlich erstens: Was müssen wir für unsere Bauern tun, um im schärfer werdenden internationalen und europäischen Wettbewerb ein Umfeld zu schaffen, das es ihnen ermöglicht, ihre Aufgabe der nachhaltigen Lebens­mittel­produktion und der Landschaftspflege erfüllen können?, und zweitens: Was müssen wir tun, um unseren Kindern eine Welt zu hinterlassen, die ihnen eine gesunde und gesicherte Lebensgrundlage bietet?

Und die Eckpunkte des Regierungsübereinkommens sind klar, auch wenn das manche bestreiten. Die Zielsetzungen sind klar, und gehen Sie davon aus, Herr Professor Van der Bellen, dass ich und wir gemeinsam daran arbeiten werden, mit den entsprechenden Maßnahmen alle diese Ziele, die in die Zukunft gerichtet sind, zu erreichen.

Was sind die wichtigen strategischen Zielsetzungen?


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 118

Zum Ersten: Jeder Euro wird aus Brüssel „abgeholt“. Das war nicht immer so, das war keine Selbstverständlichkeit, auch in der Debatte vor dem 1. Oktober keine Selbst­verständlichkeit, dass das Geld für die Bäuerinnen und Bauern und den ländlichen Raum zur Gänze „abgeholt“ wird. Das ist sichergestellt. Ein 3-Milliarden-€-Paket bietet in Zukunft diese Grundlage bis 2010. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir können diese 3 Milliarden € für die Bergbauern, für ein Umweltprogramm im Landwirtschaftsbereich und für eine Investitionsoffensive – ich halte das für einen ganz wichtigen Punkt zur Wettbewerbsstärkung – verwenden. Wir werden für die Chancen der Frauen im ländlichen Raum einen klaren Impuls setzen. Wir werden mit dem Agrardiesel dafür sorgen, dass Wettbewerbssicherheit mit den Konkurrenten in ganz Europa gegeben ist, und wir werden auch in vielen sozialen Fragen, die die Bäuerin­nen und Bauern betreffen, ganz neue, wichtige Akzente setzen.

Wir werden auch gemeinsam – und dieses Bekenntnis haben wir in den letzten sieben Jahren ebenfalls getragen – weiterkämpfen für ein gentechnikfreies Österreich. Auch daran wird uns niemand hindern, nicht in Brüssel und auch nicht international, weil dieser Weg erfolgreich war, weil er erfolgreich sein soll und uns auch unterscheidet von vielen anderen, die bereits jetzt auf Gentechnik setzen. Wir bekommen damit auch ein wichtiges marktwirtschaftliches Asset in unsere Hand.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, was den Menschen am Nächsten ist, muss der Politik besonders wichtig sein, und das sind die Gemeinden. Wenn Sie sich dieses Regierungsprogramm durchsehen, werden Sie sehen, wir setzen gerade für die Gemeinden einen wichtigen Impuls: Breitbandoffensive mit 300 Millionen € – wesentlich und spürbar mehr Geld, gerade für die Gemeinden –, im Bereich des Hochwasserschutzes und des Schutzes vor Naturgefahren. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was die Energiefrage betrifft, setzen wir auf Unabhängigkeit, auf Sparsamkeit und auf das Prinzip Nachhaltigkeit. Wir setzen mehr als andere Länder auf erneuerbare Energiequellen, mit sehr ambitionierten Ziel­setzungen: bis 2010 Erhöhung der Beimischung im Treibstoffbereich – vieles wurde heute schon genannt –, Ausweitung der Biomasse; alles wichtige Beiträge auch zur Erreichung unseres Klimaschutzzieles.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden gemeinsam mit den Menschen in Österreich ganz besonders auch die Frage Energiesparen/Energieeffizienz in den Vordergrund rücken. Gut für die Umwelt, gut für die Brieftasche – gerade bei steigenden Energiepreisen! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Umwelt schützen, Chancen nützen – auf Grund der Kürze der Zeit nur ein paar Stichworte. Ja, Umwelttechnologie-Offensive im Ausland: In den zehn neuen Mitgliedsländern und darüber hinaus auch in China, in den boomenden Märkten, wollen wir die Lebensqualität mit unserer Technologie verbes­sern und Arbeitsplätze in diesem Land, hier in Österreich, schaffen. Wir werden klarer­weise auch das, was im Zentrum unserer Umweltpolitik steht, nämlich den Klima­schutz, in Österreich, in Europa und international vorantreiben.

Wir werden unseren Weg der aktiven Anti-Atom-Politik in Europa konsequent weiter­gehen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.) Ziel ist, die einzige – mittlerweile leider fast einzige – Anti-Atom-Lobby in Europa zu bleiben und noch stärker zu werden. Dafür machen wir Werbung in allen Institutionen, in deren Formationen wir zu diesem Thema auch aufzutreten haben.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 119

In diesem Sinne: Ein sehr gutes Programm für die Lebensqualität in Österreich, für den ländlichen Raum, für die Bäuerinnen und Bauern, schlicht und einfach: für uns alle! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.42


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Weinzinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

 


14.42.31

Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Herr Minister Pröll! Herr Neo-Minister Buchinger, Sie sind leibhaftige Vertreter dieses Regierungsprogramms, wie es treffender kaum geschildert werden könnte, wenn man Ihnen jetzt zugehört hat: Floskeln, Worthülsen, nichts Konkretes – und bei so viel heißer Luft ja schon ein aktiver Beitrag zum Klimawandel. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Na, Frau Kollegin! Da klatschen nicht einmal die Grünen! – Beifall bei den Grünen.)

So viel heiße Luft ist ja kein Grund zum Klatschen, Herr Minister Pröll, es tut mir leid. Gerade von Ihnen sollte man sich etwas Konkreteres erwartet haben. Immerhin sind Sie ja nicht neu in der Regierung und sollten das Regieren schon ein bisschen können.

Dass sich Herr Minister Buchinger vielleicht noch ein bisschen plagt mit der ersten Rede auf der Regierungsbank, mag jetzt weniger überraschen. Etwas mehr Konkret­heit hätte ich mir allerdings erwartet. Vor allem hätte ich mir etwas mehr soziale Kompetenz zu der auch im Regierungsprogramm wieder einmal bemühten Quer­schnitts­materie der Frauenpolitik erwartet.

Wie man zu Armut in Österreich reden kann, ohne das Wort „Frau“ überhaupt zu erwähnen, ist mir schleierhaft. Wie man zu Sozialsystem und sozialer Sicherung reden kann, ohne auf Frauen und ihre Problematik überhaupt einzugehen, ist mir genauso unverständlich. Herr Minister Buchinger, ich hoffe, da gibt es irgendwo noch Nachhilfeunterricht für Sie, der nicht von Bundeskanzler Gusenbauer kommt!

Zum Stellenwert der Frauenpolitik im Regierungsprogramm kann man ja sehr deutlich auf magere drei Seiten von 170, oder wie viele es sind, verweisen. Es ist die Quantität nicht immer das Ausschlaggebende, damit bin ich völlig einverstanden. Analysiert man – was nicht lange dauert – diese Überschriften, die auf drei Seiten zusammen­gefasst sind, merkt man, dass auch die Qualität mehr als zu wünschen übrig lässt.

Wir haben in manchen Bereichen ganz konkrete Vorschläge der Regierung – zuge­geben, in ganz wenigen. Herr Bundeskanzler Gusenbauer hat zum Beispiel eine konkrete Maßnahme am Vormittag genannt, im Bereich der neuen Selbstständigen, in dem wir, gerade auch frauenpolitisch gesehen, große Probleme mit marginalen Beschäf­tigungen, unzureichend abgesicherten Arbeitsformen und unzureichender sozialer Sicherung haben. Da hat die Regierung eine ganz konkrete Maßnahme vorgesehen, nämlich ein Gütesiegel „Geprüfter Meisterbetrieb“. Ob das die Probleme im Leben der vielen Menschen lösen wird, die als „Ich-AG“ im IT-Bereich, als Dienst­leister im persönlichen Bereich arbeiten, bezweifle ich, aber es ist immerhin etwas Konkretes.

So etwas Konkretes suche ich im gesamten frauenpolitischen Kapitel und in anderen frauenrelevanten Passagen des Regierungsprogramms völlig vergeblich. Nehmen wir nur das Beispiel Arbeitsmarkt. Es gibt eine Zahl, eine Zielsetzung: Man möchte die Frauenerwerbsquote bis zum Jahr 2010 auf 65 Prozent heben. Wunderbar: Wir hatten 64,7 Prozent im Jahr 2006; das heißt, Sie brauchen jetzt dreieinhalb Jahre, um die Erwerbsquote noch um 0,3 Prozent hochzudrücken. Das nennen Sie eine Zielsetzung


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 120

in der Frauenpolitik? – Das ist erbärmlich, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen.)

Nehmen wir das angesprochene Beispiel der Armut, die ja ein großes und drängendes Problem ist, wie auch die SPÖ in den vergangenen Jahren nicht müde wurde, anzumerken. Was haben armutsgefährdete Frauen in Österreich von dieser Bundes­regierung zu erwarten? – Nichts! Denn diese sagt, den Mindestlohn sollen sich wieder einmal die Sozialpartner und -partnerinnen „ausschnapsen“. Das hatten wir schon im letzten Regierungsprogramm, sehr geehrte Damen und Herren! Den Verdienst von mindestens 1 000 € haben die Österreicherinnen und Österreicher trotzdem bis heute nicht, und sie werden auch weiter vergeblich darauf warten.

Oder: Wie geht es einer Frau, die nach einer Kinderpause versucht, zurück in den Beruf zu kommen? Was bietet die Regierung ihr an? – So wie bisher: einen Orientierungs­kurs während der Karenzphase. So gesehen, kann man nur sagen, Frau Abgeordnete Rauch-Kallat – jetzt Abgeordnete – hat völlig Recht, wenn sie sagt: Die Ziele der letzten Jahre finden sich wieder in diesem Regierungsprogramm, wenn es um Frauenpolitik geht – und sonst nichts! Es gibt ein bisschen Orientierung, ein bisschen Mentoring, ein bisschen an schönen Absichtserklärungen, aber jedenfalls eines nicht: zusätzliche Finanzmittel, damit Frauenpolitik endlich mit Leben erfüllt werden kann. –Das ist mehr als schade!

Lassen Sie mich noch eine letzte Anmerkung zu Frau Rosenkranz und der Debatte um kinderlose Frauen machen, seien sie jetzt Ministerinnen oder nicht. Ich möchte einmal erleben, dass diese Frage bei einem Mann gestellt wird! Warum muss sich eine Frau auf der Regierungsbank dafür verantworten, ob sie Kinder hat oder nicht? (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP. – Präsidentin Dr. Glawischnig-Piesczek gibt das Glockenzeichen.) Ich halte das für eine Privat­angelegenheit, aber für verräterisch für das Frauenbild, das auch in dieser Regierung, insbesondere bei der ÖVP, wieder vorherrscht.

Ich hoffe, dass die Regierung da von der Bevölkerung und den WählerInnen auf den Prüfstein gestellt wird. (Beifall bei den Grünen. – Vizekanzler Mag. Molterer: Frau Weinzinger, das war jetzt ein Pech!)

14.48


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Gaßner. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


14.48.11

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und Herren der neuen Regierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich ganz kurz, in 5 Minuten, mit dem Kapitel Landwirtschaft beschäftigen und zunächst feststellen, dass in dieser Regierungserklärung zum ersten Mal beim Kapital Landwirtschaft dabeisteht: „und ländlicher Raum“. Das ist neu; ich habe mir die Regierungsprogramme der letzten Regierungserklärungen genau ange­schaut. Hier steht ganz prominent der „ländliche Raum“ bereits vorne.

Was ist der ländliche Raum? – Das sind alle Menschen, die dort leben, alle Menschen, die dort wohnen, alle Menschen, die dort arbeiten. Sehr wesentlich ist natürlich die Landwirtschaft, die Bäuerinnen und Bauern, die dort als eine wesentliche Säule ihre Arbeit verrichten.

Da haben wir als Erstes auch eine sehr wesentliche Aufgabe zu verrichten, Herr Bun­desminister: Die Marktordnungsgesetze sind ehestens zu ändern beziehungsweise neu festzulegen. Das hat nicht nur der Verfassungsgerichtshof von uns verlangt,


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 121

sondern das verlangen auch die Bauern und Bäuerinnen von uns, damit sie Rechts­sicherheit haben in ihrer Arbeit, in ihrem Werken, in ihrem Wirken.

Eine zweite wesentliche Voraussetzung und Arbeit wird sein, es zu verwirklichen, weil in dem Regierungsprogramm ein erstes Mal die Rede davon ist, dass die Intensität des Arbeitseinsatzes als Förderkriterium verankert und enthalten ist. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist wirklich ein Meilenstein, würde ich sagen, dass Förderungen auch nach der Arbeitskraft, nach dem Arbeitseinsatz berechnet werden.

In diesem Zusammenhang muss auch gesagt werden, dass in diesem Regierungs­programm eine betriebsgrößenabhängige Modulation für Großbetriebe drinsteht. Dadurch können und werden auch kleinere und mittlere landwirtschaftliche Einheiten die Möglichkeit bekommen, zu überleben. Es ist eine sehr, sehr große Verantwortung, endlich das Bauernsterben, das Zusperren dieser Betriebe zu stoppen, wenn es darum geht, unsere Kulturlandschaft, unseren Freizeit-Nahbereich so zu erhalten, wie wir uns das gemeinsam wünschen. All diese Maßnahmen sichern daneben auch Arbeitsplätze, Arbeitsplätze in der Landwirtschaft, Arbeitsplätze im ländlichen Raum.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, eine wesentliche Neuerung, die auch in diesem Regierungsprogramm drinsteht, ist die Sicherung und Stärkung des gesamten Wirtschaftsgefüges im ländlichen Raum. Also nicht mehr nur Landwirtschaft, sondern darüber hinaus sehr wohl all die kleinen und kleinsten Betriebe sind in dem Programm mit erwähnt und wichtig und notwendig zur Erhaltung und zur Weiterentwicklung unserer ländlichen Regionen – natürlich im Zusammenhang mit der Landwirtschaft, natür­lich im fairen Wettbewerb mit der Landwirtschaft als wesentliche Nahversorger. All das steht auch in diesem Regierungsprogramm drin, das natürlich die Oppositions­parteien jetzt klarerweise zunächst einmal schlechtmachen wollen und einfach hinterfragen wollen.

Eine wesentliche Säule – und das macht mich sehr froh und glücklich – sind im ländlichen Raum die ländlichen Gemeinden und die kleineren Städte. Es gibt ja auch kleinere Städte – nicht nur die großen, sondern auch kleinere Städte –, die dezidiert erwähnt sind, und hier wird – auch in diesem Regierungsprogramm nachzulesen – gesagt: mehr finanzielle Mittel für die kleineren und mittleren Gemeinden! Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist ein wesentlicher Kernsatz, und es ist nicht der einzige! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Es steht auch ganz klar drin, dass für die Ver- und Entsorgung im Wasserbereich die notwendigen Mittel zur Verfügung gestellt werden müssen. Es steht auch ganz klar und sehr zentral drin, meine Damen und Herren, dass die Kernkompetenz in der Wasser­versorgung bei den Gemeinden bleiben muss – eine klare Absage an jeden Versuch der Privatisierung in diesem Bereich! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein letzter Satz: Es wurde heute schon davon geredet, dass auch der Hochwasserschutz sehr wesentlich in diesem Regie­rungs­programm verankert ist. Dafür bin ich im Namen derer, die sich immer noch und immer wieder vor diesen Ereignissen fürchten, sehr, sehr dankbar. (Präsidentin Dr. Glawischnig-Piesczek gibt das Glockenzeichen.)

Herr Bundesminister! Hier haben Sie bisher schon hervorragende Mitarbeiter gehabt, und auch in Zukunft setzen wir diese Arbeiten gemeinsam um. (Beifall bei der SPÖ.)

14.53


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Kickl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 122

14.53.45

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Meine Damen und Herren, eines muss man dem Verhandlungsteam der SPÖ, das ja in weiten Teilen jetzt deckungs­gleich mit der Regierungsmannschaft ist, wirklich lassen: Es ist Ihnen insgesamt – und daher wahrscheinlich ganz besonders auch im Bereich der Sozialpolitik – gelungen, das Unmögliche möglich zu machen.

Denn: Genau dasjenige, meine Damen und Herren von der SPÖ, wovon Sie vor wenigen Wochen und Monaten gesagt haben, dass das unter Ihrer Federführung in Österreich niemals möglich sein wird, haben Sie jetzt in weiten Bereichen umgesetzt. Ein Schreckensszenario für viele Österreicherinnen und Österreicher! Aber offen­sichtlich sind Sie so knapp am Angesicht der Macht, so knapp vor der Chance, hineinzukommen, dann in die Knie gegangen und haben alles über Bord geworfen, was sie sich vorher hoch und heilig selbst versprochen haben.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, dass viele Menschen – und auch viele Ihrer eigenen Abgeordneten, was man merken kann, wenn man hier so in die Gesichter hineinschaut –, die darauf gehofft haben, dass es nun mit dem Kurs der sozialen Kälte in diesem Land vielleicht ein Ende nimmt, jetzt nur noch die Hoffnung haben, dass es sich bei dem Ganzen um einen schlechten Traum oder einen Albtraum handelt, aus dem sie möglichst bald munter werden. Aber die Wirklichkeit ist eine andere: Nein, es ist so, wie es ist und wie es in diesem Regierungsprogramm auch festgehalten wird! Konkret heißt das: Den Eurofighter werden wir ausgeliefert bekommen. Auf den „Sozialfighter“ – der hat sich in Luft aufgelöst – wird Österreich, wenn es nach Ihnen geht, bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag warten müssen.

Meine Damen und Herren! Die einzige Funktion, die die SPÖ erfüllt, ist die Funktion eines sozialen Feigenblattes, das sich die ÖVP ungehängt hat. Ich verstehe schon, dass Sie sich darüber freuen: damit Sie nämlich Ihre Politik für die Großkonzerne, Ihre Politik für Ihre Lobbygruppen weiter fortführen können (Beifall bei der FPÖ), damit Sie es zustande bringen, dass die Reichen in diesem Land noch reicher und die Armen eben noch ein bisschen ärmer werden. Ihnen kann es ja gleichgültig sein.

Wenn der Herr Neo-Sozialminister heute quasi als sozialpolitischer Löwe den Mund aufreißt, dann muss er eben aufpassen, weil man ihm dann in diesen Mund hinein­schauen kann, und dann merken wir, dass man ihm so gut wie alle Zähne, vor allem die Reißzähne, gezogen hat. Und die, die man nicht gezogen hat, haben Sie selbst noch abgelegt, um ja nicht zubeißen zu können. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ja, Sie sind in Wirklichkeit völlig zahnlos, nämlich dort, wo es um die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit geht, gar keine Frage – eben weil Sie nur Sozialminister, aber nicht Arbeits- und Sozialminister sind, wie es eigentlich das Versprechen der SPÖ gewesen ist! (Beifall bei der FPÖ.) Sie haben damit den gesamten Bereich des Arbeitsmarktes, den gesamten Bereich der Arbeitslosigkeit und den gesamten Bereich der Bekämpfung der Armut im Grunde genommen der ÖVP vor die Füße geworfen. Ein Totalumfaller, den Sie sich da geleistet haben!

Meine Damen und Herren! Wenn es nur zum Schaden der SPÖ wäre, dann wäre es ja uns allen egal, aber die Opfer sind die Arbeitslosen, die uns diese abgewählte Regie­rung zuhauf hinterlassen hat, und das sind Menschen, die eine Perspektive gesucht haben und die das nicht verdient haben, was sie jetzt im Namen der Sozialdemokratie serviert bekommen!

Meine Damen und Herren, diese Menschen sind von Ihnen verraten und verkauft worden, genauso wie Sie die Pensionisten schon am ersten Tag ihrer groß­koalitio­nären Wiederannäherung verkauft und verraten haben. Sie sind genauso verraten


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worden, wie Sie die Studenten verraten haben und wie Sie sie – wie Sie es ja schon ankündigt haben – noch weiter verraten werden. Ich möchte auf die Details gar nicht eingehen.

Von einer Entlastung kann in diesem Bereich jedenfalls keine Rede sein. Was Sie machen, ist: Sie „erhöhen“ – unter Anführungszeichen – die Pensionen um 1,6 Prozent brutto, sagen den Leuten nicht dazu, dass das netto weitaus weniger ist – die kommen jetzt langsam drauf –, und führen damit den Kurs fort, der in den letzten Jahren dazu geführt hat, dass es eine permanente Entwertung gibt. Dafür erhöhen Sie die Kranken­versicherungsbeiträge, und Sie senken nicht die Mehrwertsteuer auf die Medikamen­ten­kosten.

Dort, wo Sie sich endlich einmal dazu durchringen, etwas auszugeben, fällt Ihnen so etwas Großartiges wie die Mindest- oder Grundsicherung ein, bei der Sie wieder keinen Unterschied machen zwischen denjenigen, die in diesem Land Staatsbürger sind, und denjenigen, die eben keine Staatsbürger sind und für die wir uns vorstellen, dass es ein eigenes System der sozialen Verantwortung und der sozialen Absicherung geben soll. (Abg. Öllinger: Apartheid!) Das ist nichts Unanständiges, sondern das ist nur gerecht gegenüber denjenigen, die als Staatsbürger auch ihre Pflichten dieser Republik gegenüber haben. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Öllinger: Das ist ein Apartheidsystem!) – Ja, ich weiß schon, dass Sie Ihre Probleme damit haben. Wir sehen das ein bisschen anders.

Meine Damen und Herren! Vielleicht am Ende noch das eine oder andere Wort zu Kollegen Pröll: Er ist ein kongenialer Partner der SPÖ, ein zweiter Master of Desaster. (Präsidentin Dr. Glawischnig-Piesczek gibt das Glockenzeichen.) Wenn beide gemeinsam wirken – das kann man Ihnen versprechen; und ich komme schon zum letzten Satz –, dann werden diejenigen, die es gut mit diesem Land meinen, dann werden diejenigen, die Hoffnung gehabt haben, schweren Zeiten entgegengehen. Zur Sorge besteht genügend Anlass, zur Hoffnung kaum! (Beifall bei der FPÖ.)

14.59


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Ich unterbreche nunmehr die Verhand­lungen über die Erklärung der Bundesregierung, damit die verlangte Behandlung einer Dringlichen Anfrage gemäß der Geschäftsordnung um 15 Uhr stattfinden kann.

14.59.31Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler, Kollegin und Kollegen an den Bun­des­minister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betref­fend sozialdemokratischen Vertrauensbruch in der Sozialpolitik (247/J)

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Wir beginnen mit dem Aufruf der Dring­lichen Anfrage. Es ist ein paar Sekunden vor 15 Uhr, aber ich denke, es geschieht im Einvernehmen mit allen Beteiligten.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Nach dem Wahlergebnis vom 1. Oktober war die Erwartungshaltung klar: Die SPÖ würde das Sozialressort (inkl. Arbeit) für sich reklamieren und alles daran setzen, ihre Wahlversprechen (Pflege, Arbeitslosigkeit, Ausländerbeschäftigung, Pensionen, Grund­sicherung) einzuhalten. Nach bekannt werden der Tatsache, dass der bisherige Salzburger Landesrat für Arbeit und Soziales Erwin Buchinger das Sozialressort übernehmen wird wurde auch allgemein angenommen, dass die Arbeitsmarkt- und Arbeitsrechtsagenden wieder in das Sozialressort zurückwandern werden.


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Umso erstaunter war daher die Öffentlichkeit, als das Regierungsprogramm und die Ressortverteilung bekannt wurden: Die Wahlversprechen wurden ganz überwiegend gebrochen und das Sozialressort durch die Abgabe der Agenden Familien- und Generationenpolitik weiter verkleinert und geschwächt (über den Verbleib des Konsumentenschutzes ist noch gar nicht Genaueres bekannt geworden).

Der neue SPÖ-Sozialminister zeichnet sich in seinen bisherigen öffentlichen Auftritten nicht eben durch Wahrheitsliebe aus, wenn er für Bildung 200 Millionen Euro jährlich und für den Sozialbereich 400 Millionen Euro jährlich verspricht. Im Budgetfahrplan des Regierungsprogramm sind demgegenüber nur folgende Mehrausgaben vorgesehen:

Soziale Absicherung:

2007: 185 Mio. Euro

2008: 260 Mio. Euro

2009: 340 Mio. Euro

2010: 400 Mio. Euro

Bildung:

2007: 35 Mio. Euro

2008: 160 Mio. Euro


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2009: 180 Mio. Euro

2010: 200 Mio. Euro

Ansonst zeichnet sich das sog. Regierungsprogramm durch Allgemeinplätze und Ankündigungen aus. Vielfach wird in Kompetenzen der Bundesländer eingegriffen und so getan, als ob deren Einverständnis hiezu bereits vorläge. Oft vermisst man neben der sozial(demokratisch)en Handschrift auch die nötige Sachkompetenz, wie sie viel früher aus Gewerkschaft und Arbeiterkammer in die SPÖ und das Sozialressort eingebracht wurde.

Da dadurch eine Vielzahl an Fragen offen bleibt, richten die unterfertigten Abgeord­neten an den Herrn Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Kon­sumen­tenschutz die nachstehende

Dringliche Anfrage:

1. Sie haben in der ORF-Sendung „Offen gesagt“ vom 14. Jänner 2007 jährliche Mehrausgaben für den Sozialbereich von 400 Millionen Euro bis 2010 versprochen; im Budgetfahrplan des Regierungsprogramm sind demgegenüber nur folgende Mehraus­gaben vorgesehen:

Soziale Absicherung:

2007: 185 Mio. Euro

2008: 260 Mio. Euro

2009: 340 Mio. Euro

2010: 400 Mio. Euro

Bildung:

2007: 35 Mio. Euro

2008: 160 Mio. Euro

2009: 180 Mio. Euro

2010: 200 Mio. Euro

Haben Sie vor den Jugendlichen im Studio bzw. vor hunderttausenden TV-Zusehern die Unwahrheit gesagt?

2. Wieviel wird nun tatsächlich jährlich zusätzlich im Sozial- und Bildungsbereich veranschlagt werden?

3. Welche Agenden und wie viel Budgetmittel verliert das Bundesministerium für soziales Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz künftig im Vergleich zur XXII. Gesetzgebungsperiode durch die Abgabe an andere Ressorts?

4. Sie haben mehrmals in der Öffentlichkeit in den letzten Tagen über Ihre „Ent­täuschung“ und Ihre „Betroffenheit“ bezüglich des Verbleibes der Arbeitsmarktagenden bzw. des Verlusts der Familien- und Jugendagenden geklagt. Werden Sie daher bei der Novelle zum Bundesministeriengesetz im Ministerrat gegen einen solchen Vor­schlag stimmen?

a. Wenn nein: warum nicht?

5. Wäre die Einbindung der Arbeitsmarktagenden in das Sozialressort aus Ihrer Sicht sinnvoll gewesen und wurden diese durch Sie verhandelt?

a. Wenn ja: Warum haben Sie sich nicht durchgesetzt?

6. Wenn nein: Stehen Sie zu diesem Verhandlungsergebnis?

7. Warum sind bei fünf Milliarden € Mehreinnahmen im Budget 2006 (Quelle: Finanzministerium) erst 2010 400 Millionen für Soziales vorgesehen?

8. Werden Sie etwaige Gebühren im Sozialbereich künftig wie angekündigt jährlich anheben – wie Sie etwa in der Sendung „Offen gesagt“ bei den Studiengebühren nicht ausgeschlossen haben – oder schließen Sie Gebührenerhöhungen jetzt plötzlich aus?

9. Welche Schritte werden Sie setzen, um das angekündigte Mindesteinkommen von 1.000 € zu erreichen?

10. Welcher Nettobetrag verbleibt einem Arbeitnehmer bei dem angekündigten Mindesteinkommen von 1.000 Euro nach Abzug der Sozialabgaben?

11. Welcher Nettomehrbetrag im Vergleich zur bedarfsorientierten Grundsicherun  – einschließlich deren Zuschläge, Vergünstigungen und Befreiungen – verbleibt einem Arbeitnehmer (der für seine Arbeit regelmäßig Mehrkosten z.B. für die Fahrt zur Arbeit und die notwendige Bekleidung auf sich nimmt) mit einem neuen Mindesteinkommen von 1.000 € daher monatlich?

12. Wie hoch sind bei diesem Einkommen Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe?

13. Welcher Einkommensunterschied zwischen Mindestlohn (für Vollerwerb) und bedarfs­orientierter Grundsicherung ist im Sinne des Grundsatzes der im Regierungs­programm zitierten AMS-Politik „Arbeitslose aktivieren...“ noch angemessen?

14. Das Regierungsprogramm der neuen Bundesregierung kündigt eine bedarfs­orientierte Grundsicherung an, die aber aus einer Vereinheitlichung und deutlichen Erhöhung der Sozialhilfeleistungen der Länder besteht; wie wollen Sie die Länder davon überzeugen, dass sie die vom Bund angekündigte bedarfsorientierte Grund­sicherung durchführen und finanzieren sollen?

15. Sie bezeichneten die geplante bedarfsorientierte Mindestsicherung auf der SPÖ-Neujahrskonferenz am 10. Jänner 2007 als Schritt in die richtige Richtung und als das wahrscheinlich innovativste System in der Armutsbekämpfung in Europa; ist Ihnen


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bewusst, dass Sie keine Kompetenz zum Umsetzung dieses Modells haben, da die Sozialhilfe im Zuständigkeitsbereich der Länder liegt und haben Sie daher mit Ihren Aussagen die Öffentlichkeit bewusst in die Irre geführt?

16. Welche Mehrkosten werden den Ländern jeweils aus dieser Grundsicherung nach derzeitigen Schätzungen entstehen?

17. Wie hoch werden die Mehrkosten für den Bund für die verbesserten Notstands­hilfeleistungen sein?

18. Wofür werden die von Ihnen im Format angekündigten 118 Millionen Euro im Jahr 2007 genau eingesetzt werden?

19. Ist es richtig, dass der Bund seine Verbesserungen in der Notstandshilfe davon abhängig macht, dass die Länder eine bedarfsorientierte Grundsicherung einführen?

20. Wann wird die Sozialhilfe gleich hoch sein wie der dann geltende Ausgleichs­zulagenrichtsatz bzw. Familienrichtsatz?

21. Wie viele Menschen werden nach Ihren Schätzungen künftig eine bedarfs­orientierte Grundsicherung erhalten?

22. Gehen Sie davon aus, dass künftig gekündigte Lehrlinge vermehrt die bedarfs­orientierte Grundsicherung werden in Anspruch nehmen müssen, wenn es zu einer Aufweichung des Kündigungsschutzes für Lehrlinge kommt?

23. Wie beurteilen Sie das derzeitige von der letzten Bundesregierung reformierte Pensionssystem, das laut Regierungsprogramm zu den Besten der Welt gehört?

24. Im Regierungsprogramm werden regelmäßige Anhebungen des Pensionsalters im Gleichklang mit den Veränderungen der Lebenserwartung – seltsamerweise aber erst für die Zeit ab 2010 – angekündigt; wie hoch wird die erste Erhöhungen des Pensionsantrittsalter im Jahr 2010 nach den derzeitigen Prognosen auszufallen haben?

25. Werden Sie über den von Ihnen angekündigten Solidarbeitrag für Höchstpensionen über der ASVG-Höchstpensionsgrenze, die im wesentlichen nur Beamte betrifft, mit dem zuständigen Bundeskanzler und den Ländern verhandeln?

26. Werden Sie die beabsichtigte „Harmonisierung“ der unterschiedlichen Pensions­systeme in den Bundesländern und Gemeinden selbst in die Hand nehmen oder wird diese Zuständigkeit dem Bundeskanzler obliegen?

27. Werden Sie die Schwerarbeiterregelung abschaffen? Wenn nein – garantieren Sie wie versprochen den Pensionsantritt nach der Schwerarbeiterverordnung zukünftig ohne Abschläge?

28. Schließen Sie aus, dass unter Ihrer Beteiligung in dieser Legislaturperiode eine Pensionsreform mit Nachteilen für auch nur einen Österreicher kommt?

29. Wären gebrochene Wahlversprechen einklagbar, würden Sie als Sozialminister eine solche Erhöhung auch für die nächste Gesetzgebungsperiode unter Ihrer Regierungs­beteiligung ausschließen?

30. In welchem Ausmaß sollen die ASVG-Pensionen im Jahr 2008 angehoben werden (Verbraucherpreisindex oder Pensionistenindex)?

31. Welche konkreten Änderungen sind im Bereich der Invaliditätspensionen ange­dacht?

32. Am 16. August haben Sie gemeinsam der SPÖ-Behindertensprecherin Christine Lapp das vom Kompetenzteam Soziales ausgearbeitete SPÖ-Pflegekonzept präsen-


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tiert - mit dem Versprechen das Pflegegeld zu valorisieren und einen bundesweiten Pflegefonds, der jährlich mit 200 Millionen Euro dotiert ist, einzurichten. Wann werden Sie das Pflegegeld erhöhen?

a. Wie hoch wird diese Erhöhung sein?

b. Wie viele Menschen sind davon betroffen?

c. Welche Mehrkosten werden dadurch entstehen?

d. Wie werden diese Mehrkosten finanziert?

33. Warum lehnen Sie eine sofortige Erhöhung des Pflegegeldes um fünf Prozent und anschließend eine jährliche Valorisierung ab?

34. Wann kommt der von Ihnen versprochene Pflegefonds?

35. Warum greifen Sie nicht auf die konkreten und umsetzbaren Ergebnisse des vorjährigen Arbeitskreises zum Thema Pflege im Sozialministeriums zurück, sondern bilden erneut einen Arbeitskreis?

36. Ist es budgetär gesichert, dass die Beschäftigungsinitiative für Menschen mit Behinderung („Behindertenmilliarde“) jährlich bis ins Jahr 2010 als Angebot für Menschen mit Behinderung am Arbeitsmarkt vorgesehen ist?

a. Wenn ja, in welchen Budgetkapitel?

b. Wenn nein, warum nicht?

37. Wie soll die von der Bevölkerung gewünschte 24-Stunden-Pflege zu Hause Ihrer Vorstellung nach legal ermöglicht und finanziert werden?

38. Sie haben sich als Autor des Pflegekonzepts der SPÖ vom August 2006 noch dezidiert gegen eine Legalisierung ausländischer Pflegehelfer ausgesprochen („gegen eine wenig durchdachte Legalisierung ausländischer Pflegekräfte“); warum enthält das Regierungsprogramm gerade für die Pflege eine Durchbrechung der von Österreich geforderten siebenjährigen Übergangsfrist für den Zugang von Arbeitnehmern aus den neuen EU-Mitgliedstaaten zum österreichischen Arbeitsmarkt?

39. Was gedenken Sie zu tun, um die schwindenden Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds zu kompensieren?

40. Werden Sie den Ausgleichstaxfonds neu dotieren, respektive neue Finanzierungen erstellen?

a. Wenn ja, wie genau, wie viele Menschen oder Unternehmen sind davon betroffen?

41. Wie werden sie die Mittel aus der Beschäftigungsoffensive für Menschen mit Behin­derungen zukünftig genau verteilen?

42. Warum ist der Ausbau des freiwilligen sozialen Jahres nicht im Regierungs­programm enthalten, obwohl Sie sich im SPÖ-Pflegekonzept für eine Verbesserung der Bedingungen und die Weiterzahlung der Familienbeihilfe ausgesprochen haben?

43. Werden Sie die derzeitige Corporate Identity des Sozialministeriums verändern und wenn ja, welche Mittel sind dafür vorgesehen?

44. Schließen Sie aus externe Berater zu beschäftigen – bzw. beschäftigen Sie bereits externe Berater?

a. Wenn ja, wofür und in welchem finanziellen Umfang?

45. Welche Reform des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger denken Sie derzeit an?


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46. Was verstehen sie unter der Formulierung im Regierungsprogramm: Das Konsumentenschutzrecht soll unter Berücksichtigung der europarechtlichen Vorgaben in Richtung eines vertretbaren Ausgleichs der unterschiedlichen Interessenslagen weiter entwickelt werden?

a. Welche konkreten Umsetzungen betrifft dies, was sind die Kosten und wann wird dies umgesetzt?

47. Welche konkreten Maßnahmen planen Sie im Bereich Konsumentenschutz tatsächlich?

48. Übrigens: Was macht eigentlich Frau Silhavy?

In formeller Hinsicht wird verlangt, die Anfrage gemäß § 93 Abs. 2 GOG dringlich zu behandeln.

*****

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Ich ersuche nunmehr Herrn Abgeord­neten Klubobmann Westenthaler um seine Ausführungen zur Behandlung der Dringlichen Anfrage. – Bitte.

 


15.00.00

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (BZÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es steht ja auch etwas Gutes in diesem Regierungsübereinkommen, ganz am Anfang nämlich die Bemerkung, dass man auf dem Erreichten aufbauen soll. Das ist eigentlich ein gutes Zeugnis für die Regierung der vergangenen sieben Jahre, und ich nehme dieses Zeugnis für die Sozialleistungen der vergangenen sieben Jahre auch für die Führungs­minister zuerst der FPÖ und dann des BZÖ im Sozialministerium in Anspruch. Wir haben die Sozialquote in diesen sieben Jahren erhöht, wir haben eine Pensions­sicherungsreform durchgeführt, die im Regierungsübereinkommen ausdrücklich gelobt wird, indem davon gesprochen wird, dass wir eines der besten Pensionsmodelle der Welt haben. Jawohl, wir haben es, und wir haben das in den letzten sieben Jahren umgesetzt.

Wir haben mit dem Kindergeld eine große sozialpolitische Errungenschaft umgesetzt, gegen das die SPÖ – erinnern Sie sich! – am Anfang massiv gewettert und auch gestimmt hat. Sie war massiv gegen das Modell des Kindergeldes. Wir haben erstmals Kindererziehungszeiten auch zu Pensionszeiten für Frauen gemacht, die angerechnet werden können. Auch das eine wichtige Maßnahme. Wir haben eine Schwerarbeiter­regelung durchgesetzt. Wir haben eine so genannte Hacklerregelung durchgesetzt, jawohl, sodass bei entsprechenden Versicherungszeiten auch nach 45 Jahren in Pension gegangen werden kann. (Präsidentin Mag. Prammer übernimmt den Vorsitz.)

Ich bin ja bass erstaunt, wenn ich heute in den „Oberösterreichischen Nachrichten“ eine Äußerung des Herrn Sozialminister lese, der da sagt: „Wer will, dass die Hacklerregelung bleibt, muss 2010 wieder SPÖ wählen.“ – Herr Minister! Die Hackler­regelung hat die Regierung vor Ihnen eingeführt, daher wird’s nix nutzen. Da müssen Sie eigentlich BZÖ wählen, wenn Sie die Hacklerregelung wollen, denn wir haben sie eingeführt. (Beifall beim BZÖ.)

Wir haben im Behindertenbereich sehr viel durchgesetzt. Das bestreitet eigentlich niemand mehr. Das Behindertengleichstellungsgesetz; wir haben eine „Behinderten-Milliarde“ durchgesetzt. 1999 haben wir 52 000 behinderte Menschen in Beschäf­tigungsverhältnissen gehabt. Schon vier Jahre später waren es rund 60 000 behinderte Menschen in Beschäftigungsverhältnissen. Das ist ein Erfolg!


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Wir haben das Pflegegeld erstmals seit 1995 um 2 Prozent erhöht, und wir haben das geleistet, obwohl wir eine zweifache Steuerreform durchgesetzt und auch den Staats­haushalt stabil gehalten haben. Und das ist doch eine Leistung, auf der man tatsächlich, so wie Sie es im Regierungsübereinkommen drinstehen haben, aufbauen kann. Ein gutes Zeugnis! Ich hab nur die Sorge, dass auf Grund der vielen Ver­sprechen, die sie gebrochen haben, jetzt auch in der Sozialpolitik nicht die berühmte soziale Wärme daherkommt, die Sie versprochen haben, sondern hier eine Umkehrung der bisherigen Entwicklung stattfinden wird. Die Aussagen des Sozialministers lassen darauf schließen.

Über die Wahlversprechen, die gebrochen worden sind seitens des Bundeskanzlers, wurde heute ausgiebigst diskutiert. Sie noch einmal aufzuzählen, würde den Rahmen sprengen. Kommen wir also nun zu seinem Exekutor beim Bruch der Versprechungen, dem Sozialminister, der sich selbst immer wieder so gerne als Robin Hood in Szene setzt. Und wir kommen jetzt drauf, dass er nicht ein Robin Hood ist, der das Geld von den Reichen zu den Armen schaufelt, sondern dass er einkassiert als Sheriff von Nottingham und den Menschen in Wirklichkeit das Geld aus der Tasche zieht. Und den Beweis dafür werden wir heute hier in dieser Debatte über unsere Dringliche Anfrage führen, und deswegen haben wir diese Dringliche Anfrage auch eingebracht, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall beim BZÖ.)

Ich bin auch bass erstaunt über das, was der Sozialminister heute in seinem ersten Statement von der Regierungsbank aus an Allgemeinfloskeln, an Plattitüden von sich gegeben hat. Der einzige greifbare Satz war: Er ist froh, dass er da ist. Selbst der ist widerlegbar! Selbst der stimmt nicht.

Herr Sozialminister, ich zitiere ein Interview im Ö1-Morgenjournal vom 12. Jänner, wo Sie gefragt worden sind: Na was halten Sie eigentlich davon, dass Ihnen Ihr Ressort geschröpft worden ist, dass sie keine Kompetenzen mehr haben, dass Arbeit bei der ÖVP ist, dass Familien bei der ÖVP ist, dass Jugend bei der ÖVP ist, und dass Sie in Wirklichkeit null Kompetenzen haben? – Wissen Sie, was Sie darauf gesagt haben? – Ich zitiere: Die SPÖ hat anderen Fragen ein höheres Augenmerk geschenkt, aber ich persönlich bin natürlich betroffen und auch ein bisschen traurig. – Zitatende.

Er ist ein bisschen traurig, der Sozialminister, so schaut er auch aus, wie er heute da oben sitzt. Und im „Standard“ sagt er zur selben Thematik, nämlich zur Schröpfung seines Ressorts: Ich kann es verstehen, aber es schmerzt! – Also, es tut ihm weh. Er sitzt gleich am ersten Tag als trauriger, Schmerz leidender Minister auf der Regie­rungsbank, und deswegen auch die Dringliche Anfrage, damit er sich von diesem Leid erholen und uns sagen kann, wie er es denn wirklich meint, denn alles, was er bis jetzt von sich gegeben hat, ist schon etwas, das zu hinterfragen ist.

Herr Minister Buchinger! Sie saßen am Sonntag in der Sendung „Offen gesagt“. Das ist an sich nichts Außergewöhnliches, sie findet ja jeden Sonntag statt. Diese Sendung war aber deshalb außergewöhnlich, weil Sie dort mit Vertretern der Jugend gesessen sind, mit jungen Menschen. Ich denke, es gab eine recht hohe Einschaltquote, ungefähr 600 000 Menschen waren dabei. Und wissen Sie, was Sie dort von sich gegeben haben? – Sie sagten dort allen Ernstes, dass künftig für Soziales jährlich 400 Millionen € an Mehrausgaben verwendet werden – jährlich! –, und dazu, sagten Sie, jährlich 200 Millionen € an Bildungsausgaben. Und die jungen Vertreter saßen vis-à-vis und schauten, weil sie dem natürlich nichts entgegnen konnten und weil sie nicht wussten, dass das, was Sie zu diesem Zeitpunkt gesagt haben, die blanke Unwahrheit war, Herr Minister.

Ich werde Ihnen jetzt den Budgetplan Ihrer Bundesregierung vorlesen: Für das Jahr 2007 sind bei der sozialen Absicherung Mehrausgaben nicht von 400 Millionen €,


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sondern nur von 185 Millionen € geplant. Wissen Sie, was das bedeutet? Ich habe Ihnen hier ein Diagramm gemacht. Wir haben laut Finanzminister Grasser allein im Jahre 2006 5 Milliarden € an Mehreinnahmen aus Steuern, die nicht budgetiert waren. 5 Milliarden € an Mehreinnahmen! Und Sie geben nächstes Jahr ganze 185 Millionen € mehr aus für Soziales. Da habe ich Ihnen eine Grafik ... (Der Redner zeigt eine Tafel Richtung Regierungsbank.) Herr Sozialminister, vielleicht haben Sie die Güte und schauen sich das auch an. – Interessiert ihn ohnehin nicht! (Der Redner wendet die Tafel Richtung Plenarsaal.) Eine Grafik: 5 Milliarden € an Mehreinnahmen, und das kleine Eckerl da, die 185 Millionen €, das geben Sie mehr für Soziales aus. – Das ist Ihr soziales Gewissen! Sehr, sehr dürftig, meine Damen und Herren von der Sozial­demokratie, und sehr dürftig, Herr Sozialminister! (Beifall beim BZÖ.)

Sie, Herr Sozialminister, haben die Unwahrheit gesagt, und ich sage Ihnen: Die Unwahrheit zu sagen, ist eigentlich grundsätzlich unfair, aber die Unwahrheit vor jungen Menschen zu sagen, das zählt doppelt schlecht und doppelt negativ, und Sie sollten sich entschuldigen bei den jungen Menschen, vor denen Sie die Unwahrheit gesagt haben. (Beifall beim BZÖ.)

Wir haben also einen Sozialminister, der den Budgetfahrplan gar nicht kennt, der gar nicht weiß, welche Mittel er hat. Er weiß auch nicht, welche Kompetenzen er hat. – Er hat nämlich gar keine Kompetenzen, er muss fragen gehen.

Wenn es zum Beispiel um Fragen der Mindestsicherung geht – ein Steckenpferd des Herrn Sozialministers; damit brüstet er sich ja immer –, dann muss er die ÖVP fragen gehen, konkret den Finanzminister und den Minister für Arbeit und Wirtschaft.

Wenn er bezüglich der Notstandshilfe etwas machen will, dann muss er zum Herrn Minister Bartenstein gehen. Er kann überhaupt nichts alleine durchsetzen. Er leitet sozusagen ein „gerupftes“ Ministerium, das einfach keine Kompetenzen hat. – Das ist etwas, was man sich genauer anschauen muss!

Und genau dort hat ja auch in Wirklichkeit die Kritik der ureingesessenen Sozial­demokraten eingehakt – na selbstverständlich, der Frau Hostasch, der früheren Sozial­ministerin, des Herrn Edlinger, des früheren Finanzministers, und auch Ihres ober­österreichischen Parteivorsitzenden Haider, der gesagt hat, die vereinbarten Inhalte, etwa im Bereich des Sozialen, seien mit der Glaubwürdigkeit der Partei, nämlich der SPÖ, nicht vereinbar.

Das ist es! Sie haben sich „abräumen“ lassen – das ist heute schon gesagt worden – wie ein Christbaum im Jänner und haben die soziale Kompetenz im Bundeskanzleramt in der Garderobe wie einen Mantel abgehängt und haben keinerlei Kompetenzen mehr im Sozialbereich, außer in einigen Randbereichen. Und das ist zu kritisieren!

Das muss man kritisieren, wie zum Beispiel auch den Pflegebereich. – Da oben sitzt Kollegin Lapp, die das wissen sollte: In der letzten Sitzung des Nationalrates haben wir hier in diesem Hohen Haus einen Initiativantrag eingebracht mit der Forderung, dass das Pflegegeld um fünf Prozent erhöht und dann jedes Jahr valorisiert wird. Sie jedoch haben gesagt, da bräuchten Sie nicht zuzustimmen, denn das werde im Regierungs­übereinkommen stehen. Frau Kollegin Haidlmayr – und die hat sich wirklich aufopfe­rungsvoll dafür eingesetzt – sei Zeugin, dass das im Ausschuss beschlossen wird.

Was ist jetzt das Ergebnis? – Wir haben überhaupt keine Erhöhung des Pflegegeldes, sondern eine einmalige, eine einzigartige Valorisierung. Um wie viel? – Um ein oder zwei Prozent in vier Jahren! Wissen Sie was das ist? – Das ist eine Gemeinheit gegenüber den pflegenden Menschen in diesem Land, eine Verhöhnung, weil Sie in diesem Bereich die Menschen so im Stich gelassen haben, meine sehr geehrten Damen und Herren.


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Oder: Herr Sozialminister, was sagen Sie dazu, dass Sie sich noch in Ihrem Programm im August 2006, in Ihrem SPÖ Programm dafür eingesetzt haben, dass es zu keiner Legalisierung ausländischer Arbeitskräfte kommt? – Sie haben sich dafür in Salzburg eingesetzt. Sie haben gesagt: Das ist nicht die Lösung!

Jetzt haben wir es: Legalisierung von ausländischen Arbeitskräften und Öffnung der Schutzbestimmungen des Arbeitsmarktes, die wir haben, nämlich für sieben Jahre. Die wird geöffnet, sodass alle hereinkommen können und im Sozialbereich, im Pflege­bereich letztlich auch Lohn- und Sozialdumping machen und überall arbeiten können.

Wie das wohl die Gewerkschaft sieht? – Herr Haberzettl steht ja auf der Rednerliste, und ich bin schon sehr gespannt darauf, was er zu diesem Thema sagen wird, und auch darauf, was er dazu sagen wird, der Herr Kollege Haberzettl von der Gewerk­schaft, wie mit Lehrlingen künftig umgegangen wird, dass Lehrlingen der Kündigungs­schutz im Wesentlichen nahezu gestrichen wird, weil sie jedes Jahr kündbar sind. Bisher war das nur in den ersten drei Monaten der Fall. Künftig sind sie das auch am Ende des ersten und am Ende des zweiten Lehrjahres.

Wir werden uns das genau anschauen, und ich lade jetzt schon – weil viele auch vor den Bildschirmen sitzen – jeden einzelnen Lehrling ein, der sich ungerecht behandelt fühlt, der auf Grund Ihres neuen Gesetzes gekündigt werden soll, sich bei uns zu mel­den, und wir werden ihm helfen. Das ist eine Zusage, die wir im Gegensatz zu Ihren, diesmal auch einhalten werden, das kann ich Ihnen versprechen. (Abg. Öllinger: Diesmal auch – sehr bezeichnend!)

Sie wollen eine Pflegeversicherung einführen – eine Pflegeversicherung, von der sich bereits in Deutschland gezeigt hat, wie unsozial das ist, weil genau die Betroffenen dort hineinzahlen müssen, weil sie nicht finanzierbar ist?!

Weil sie in Deutschland knapp vor dem Scheitern steht, sind wir gegen diese Pflege­versicherung. Nein, erhöhen Sie endlich das Pflegegeld um mindestens 5 Prozent und lassen Sie Gerechtigkeit walten, Herr Sozialminister! – Das und nichts anderes verlangen wir von Ihnen! (Beifall beim BZÖ.)

Keine Pflegegelderhöhung – dafür erhöhen Sie die Krankenversicherungsbeiträge! – „Wunderbar“, alle sollen zahlen! Wir haben sieben Jahre lang in unserer Zeit in der Regierung nicht ein einziges Mal die Krankenversicherungsbeiträge erhöhen müssen – Sie erhöhen sie, Sie haben sie erhöht, aber beim Pflegegeld schauen Sie einfach weg!

Mindestsicherung, Herr Sozialminister, das ist überhaupt das Beste: 726 € fürs Nichts­tun im Wesentlichen! Und das ist nicht das berühmte Trampolin sozusagen hinein in eine bessere Welt, sondern wissen Sie, was das ist? – In Wirklichkeit ein Sprungbrett in die soziale Abhängigkeit, ein Sprungbrett aber auch in die soziale Hängematte! Was denkt sich denn heute ein österreichischer Arbeitnehmer, eine Arbeitnehmerin mit Ihren 1 000 € Mindestlohn, der netto natürlich viel weniger ist, der netto nicht einmal 900 € ist, wenn man die Sozialabgaben abzieht, wenn er beziehungsweise sie dann nur mehr ganz knapp über der so genannten Mindestsicherung liegt? Warum soll denn der noch arbeiten gehen? – Fragen Sie ihn einmal! Warum soll der in diesem Land noch arbeiten gehen, wenn Sie das Geld mit beiden Händen für Menschen ausgeben und letztlich verschenken, die überhaupt keine Leistung erbringen wollen?

Da sind wir dagegen! Das ist nicht nur unausgereift, sondern das ist auch schlecht verhandelt, schlecht durchdacht! Und – noch einmal – Sie können es hier auch gar nicht versprechen – jetzt bin ich wieder am Anfang –, denn Sie haben dafür die Kom­petenz nicht, Herr Sozialminister! Noch einmal: „gerupftes Suppenhuhn“! Sie haben die Kompetenz nicht, weil die Kompetenz bei den Sozialleistungen, auch bei der Mindest­sicherung, bei der Finanzierung bei den Ländern ist! Sie versprechen hier etwas, was


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Sie gar nicht umsetzen können, solange die Länder nicht bei der Finanzierung zuge­sagt haben. Und da wünsche ich Ihnen noch alles Gute für die Verhandlungen, die Sie aber gar nicht führen können, weil Sie nämlich dafür gar nicht zuständig sind. – Also, wie das gehen soll, weiß ich nicht.

Und da gibt es noch etwas, was bei dieser Mindestsicherung sozial ungerecht ist. Wissen Sie, was noch ungerecht ist? – Der Sozialminister geht her und sagt: 726 € – aber sämtliche Landes-Sozialleistungen werden eingerechnet! Das heißt, Wohn­beihilfe, Heizkostenzuschuss, alle Länderunterstützungen im Sozialbereich sind weg! Das heißt, die 726 €, mit denen jemand auskommen muss, sind wesentlich weniger! Das alles wird eingerechnet! Das ist im Modell drin, und das ist daher wirklich unsozial und nicht gerechtfertigt.

Sie hätten sich darüber Gedanken machen sollen, wie wir tatsächlich Menschen, die voll arbeiten, die vollzeitbeschäftigt sind, die rund um die Uhr arbeiten, helfen können. – Warum steht da nichts drin von einem Investiv-Lohnmodell, wie wir es vorgeschlagen haben, damit wir endlich die Ungerechtigkeit zwischen den stark steigenden Unternehmensgewinnen und den minder steigenden realen Arbeitsein­kommen endlich etwas vermindern, damit wir den Menschen die Möglichkeit geben, sich an Unternehmensgewinnen zu beteiligen, wie das in manchen Betrieben schon der Fall ist? Dann werden sie auch mehr arbeiten und werden motiviert sein, und dann haben sie am Ende des Jahres mehr Geld zur Verfügung und mehr Kaufkraft, um letztlich auch ihre Familie zu ernähren. – Das sind gute Modelle, die wir uns überlegen sollten, und nicht irgendwelche marxistischen Mindestlohn-Modelle, mit denen Sie ansetzen wollen! (Beifall beim BZÖ.)

Oder: Gebührenerhöhung. – Herr Sozialminister, wissen Sie, dass sämtliche Gebüh­ren erhöht werden? – Rund 100 Millionen € prasseln da auf die Österreicher ein! Nur ein kleines Beispiel: Nächstes Jahr, im Jahr 2008, werden eine Million Reisepässe in Österreich neu ausgestellt. Jeder Österreicher, der im nächsten Jahr einen neuen Reisepass bekommt, zahlt schon die höheren Gebühren, weil die Gebührenerhöhung bereits über die Bühne gegangen ist und letztlich schon Realität ist. – Das ist der Punkt!

Oder: Bei den Pendlern, bei den Autofahrern, da wird draufgehaut! Der Benzinpreis wird durch die Mineralölsteuer-Erhöhung erhöht – da wird voll draufgehaut! Wir haben uns das angeschaut: Ein Pendler, der täglich von Wien noch Oberwart und zurück pendeln muss – und da gibt es einige! –, zahlt ab dem nächsten Jahr 144 € mehr allein für das Fahren, damit er in die Arbeit kommt.

Was sagt der Herr Gewerkschafter Haberzettl da dazu? Und ich bin auch schon sehr gespannt darauf, was der Herr Sozialminister dazu sagen wird, dass die Arbeitnehmer, die auf das Auto angewiesen sind, jetzt auch von dieser Regierung – wie schon zuvor durch die Sozialdemokraten auch in den Bundesländern – massiv belastet werden.

Was ist mit der Invaliditätspension? – Das ist noch sehr interessant! Herr Bundes­minister Buchinger, im Regierungsübereinkommen steht drinnen, die Invaliditäts­pension werde harmonisiert. Wunderbares Wort! Nur: Was steckt dahinter, weil es eben ungleiche Pensionsmodelle auf Grund verschiedener Berufsmöglichkeiten gibt?

Geben Sie heute – und das verlangen wir von Ihnen – die Garantie, dass die Invali­ditäts­pension nicht gekürzt wird, sondern aufrechterhalten bleibt, weil es für kranke, arme Menschen eine Möglichkeit ist, früher in Pension zu gehen! Das verlangen wir von Ihnen! Interpretieren Sie das Regierungsübereinkommen so, wie wir das von Ihnen verlangen! (Beifall beim BZÖ.)


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Herr Sozialminister Buchinger, eines muss man Ihnen lassen: Sie haben auch einen Anflug von Ehrlichkeit bei dieser „Offen gesagt“-Sendung gehabt. – Ich habe wirklich lauthals lachen müssen, als Sie dort plötzlich allen Ernstes gesagt haben: Ja, die SPÖ hat ja nicht die Mehrheit, daher konnten wir auch nicht 100 Prozent umsetzen! – Und dann ist es losgegangen: Na, ich weiß, auch nicht 90, auch nicht 80, auch nicht 70, auch nicht 60. – Zitat Buchinger. Bei 60 hat er dann aufgehört, weil er gemerkt hat, dass das Runterstapeln auch nicht so gescheit ist.

Ja, was haben Sie denn dann überhaupt umgesetzt? – Das ist ja wie in einem Basar: nicht 80, nicht 70, nicht 60 Prozent umgesetzt! Ich sage Ihnen etwas: Das ist wie in einem Basar, Sie haben letztlich Ihre sozialpolitischen Anliegen in diesem Basar der Macht für die Macht, für den Eintritt in die Regierung verkauft und verspielt! – Das haben Sie getan! Und daher werden wir Sie beim Wort nehmen!

Wir nehmen Sie schon heute beim Wort, was den Bruch von Wahlversprechen anlangt.

Daher bringen wir folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesministerin für Justiz wird ersucht, dem Nationalrat bis 1. Mai 2007 schriftlich darüber zu berichten, in welcher Form Parteien oder einzelne Mandatare beziehungs­weise Wahlkandidaten wirksam für den Bruch von Wahlversprechen sanktioniert werden können, und in der Folge entsprechende Gesetzentwürfe vorzulegen.

*****

Jawohl, wir sollten uns überlegen, ob nicht – so wie auch in der Privatwirtschaft oder bei jedem einzelnen Privaten: Wenn er etwas Unrechtes tut und etwas Falsches sagt, kann er dafür belangt werden – auch ein Politiker, und zwar ein Regierungsmitglied, ein Mandatar oder ein Abgeordneter, immer dann, wenn er bei einem Bruch eines Wahlversprechens erwischt wird, einer Sanktion unterzogen werden kann. (Abg. Öllinger: Das wäre aber höchst gefährlich für das BZÖ! – Heftige Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich sage Ihnen auch, wie: entweder er zahlt ein Pönale für einen karitativen Zweck – dagegen wird ja keiner etwas haben –, oder er leistet soziale Arbeit, vielleicht für 6 € in der Stunde – das wäre eine Möglichkeit –, oder es wird die Parteienförderung gekürzt – auch das wäre eine Möglichkeit, ein Instrument dafür –, und die Justizministerin soll Überlegungen anstellen, wie wir zu mehr Wahrheit und zu mehr Wirklichkeit auch in der Politik kommen. – Dafür werden wir uns einsetzen! (Beifall beim BZÖ. – Abg. Öllinger: Gilt das dann auch für Haider?)

Herr Sozialminister Buchinger! Die gebrochenen Versprechen der SPÖ – nicht nur die des Herrn Gusenbauer, sondern auch die aus der Vergangenheit – sind Legion. Das ist ja nichts Neues. Erinnern wir uns doch, bitte!

Die berühmte „Pensionslüge“: Franz Vranitzky hat vor der Weihnachtswahl den Menschen versprochen, dass die Pensionen nicht gekürzt werden. – Dann war die Wahl, und danach sind sie gekürzt worden.

Die berühmte „Lehrlingslüge“: Viktor Klima hat gesagt: In meiner Zeit wird es keinen Lehrling mehr geben, der auf der Straße steht und der keine Arbeit bekommt! – Falsch! Nicht eingehalten! (Abg. Eder: Was habt ihr alles versprochen und nicht gehalten?)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 134

Von Gusenbauer haben wir heute bereits eine zweistellige Zahl von gebrochenen Wahlversprechen hier bekannt gegeben – und der Herr Sozialminister Buchinger reiht sich jetzt ein in diese Historie.

Ich weiß nicht, vielleicht wollen Sie einmal Regierungschef werden, Herr Minister Buchinger, denn Sie reihen sich ein mit diesen gebrochenen Versprechen – vor der Wahl, nach der Wahl, bis hin zu dem, was Sie erst vor wenigen Tagen in der Sendung „Offen gesagt“ vermelden ließen, wo Sie jungen Menschen die Unwahrheit gesagt haben.

Das heißt, es ist notwendig, dass wir nach dem Prinzip urteilen: Sozialleistungen für alle, die sie brauchen, und nicht für alle, die sie wollen. Das heißt soziale Treff­sicherheit!

Das heißt, Sozialleistungen in erster Linie für österreichische Staatsbürger, für sozial bedürftige Menschen. Wir müssen der Kälte der Globalisierung die soziale Wärme der Heimat entgegensetzen. Da können wir uns treffen – aber nicht mit den Maßnahmen, wie Sie sie letztlich entwickelt haben!

Es braucht für diese Umsetzung Sozialreformer – und nicht irgendwelche Schönredner oder Wortbrecher, sondern Politiker, die anpacken und auch umsetzen. (Abg. Öllinger: Beim Anpacken müssen Sie vorsichtig sein, Herr Westenthaler!)

Wie ernst Sie das nehmen und wie ernst Sie auch den Parlamentarismus nehmen, das schauen wir uns ganz genau an. Schon bei der Beantwortung dieser unserer Dringliche Anfrage – Ihre erste, die Sie beantworten müssen, Herr Minister Buchinger; es sind 48 Fragen – wird sich zeigen, Herr Kollege Cap, wie ernst diese Regierung das Parlament nimmt. Ich bin schon sehr gespannt auf die Antworten, die Sie, Herr Minister Buchinger, uns jetzt geben werden.

Ich hoffe, dass Sie immer dann, wenn es um die soziale Treffsicherheit geht, auch die Kommunikation mit den Oppositionsparteien suchen, denn vielleicht können Ihnen die erklären, wofür Sie wirklich zuständig sind und wofür nicht. (Beifall beim BZÖ.)

15.19


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, auch ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Ver­handlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Westenthaler, Scheibner und Kollegen betreffend Sanktionen für gebrochene Wahlversprechen; eingebracht im Zuge der Dringlichen Anfrage betreffend sozialdemokratischen Vertrauensbruch in der Sozialpolitik

Die SPÖ hat im letzten Wahlkampf gezielt Wahlversprechen wie etwas das der Ab-schaffung der Studiengebühren; der Abbestellung des Eurofighters und einer Steuer-reform, die 500 Euro für jeden Österreicher und jede Österreicherin bringen soll, be-nutzt, um Wähler zu gewinnen. Dies wäre legitim, wenn sie – als Wahlsieger – in der Folge die getroffenen Versprechen auch umsetzte. Da praktisch alle wesentlichen Wahlversprechen (so auch das auf Abschaffung der Studiengebühren) sich aber nicht im mit der ÖVP vereinbarten Regierungsprogramm wiederfinden, kann dies wohl ausgeschlossen werden. Die Wähler, für deren Wahlentscheidung die gebrochenen Versprechen maßgeblich waren, wurden damit betrogen.


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Es ist demokratiepolitisch unerträglich und fördert das Desinteresse der Bürger am politischen Geschehen und das Misstrauen gegenüber Politikern, wenn Parteien und einzelne Kandidaten ungehemmt vor der Wahl den Wählern Versprechungen machen können, um sie nachher nicht einzuhalten oder sogar (Stichwort: Valorisierung der Studiengebühren statt ihrer Abschaffung) das Gegenteil des Versprochenen zu tun. Das freie Mandat darf kein Freibrief zum Betrug am Wähler sein.

Die Antragsteller fordern daher, für gebrochene Wahlversprechen Sanktionen sowohl gegenüber einzelnen Politikern als auch gegenüber ganzen Parteien zu ermöglichen. Zur Verfolgung des Bruchs von sozusagen „offiziellen“, nämlich namens einer Partei gemachten Wahlversprechen wäre etwa eine (gebührenfreie) Sammelklage von mindestens 10.000 Wählern denkbar. Im Falle einer gerichtlichen Feststellung des Bruchs eines Wahlversprechens könnte eine prozentuelle Kürzung der Parteienför-derung (ev. mit Umwidmung dieser Gelder zugunsten der Ziele des Wahlverspre-chens) als Sanktion verhängt werden. Gebrochene Versprechen einzelner Mandatare sollten individuell eingeklagt werden können und zu einer persönlichen Haftung (etwa in Form einer Pauschalzahlung an eine karitative Einrichtung oder Ableistung von gemeinnützige Arbeit) führen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher den nachstehenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Justiz wird ersucht, dem Nationalrat bis 1. Mai 2007 schriftlich darüber zu berichten, in welcher Form Parteien oder einzelne Mandatare bzw. Wahlkandidaten wirksam für den Bruch von Wahlversprechen sanktioniert werden können, und in der Folge entsprechende Gesetzentwürfe vorzulegen.“

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage hat sich der Herr Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumenten­schutz zu Wort gemeldet. Die Redezeit soll 20 Minuten nicht übersteigen. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


15.20.00

Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Dr. Erwin Buchinger: Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich bitte um mehr Nachsicht mit Herrn Klubobmann Westenthaler, als ich sie von Teilen des Hohen Hauses hier in den Wortmeldungen jetzt gemerkt habe. Er hat immerhin einen Beitrag geleistet für unsere gesundheitliche Besserstellung nach dem Essen, das vielleicht der eine oder die andere gehabt hat. Ein bisschen mehr Blutzufuhr in den Magen- und Bauchbereich durch ein höheres Ausmaß an Zirkulation wird uns allen nicht schaden. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich plädiere für diese Nachsicht und möchte zu diesem mächtig vorgetragenen Gegen­programm zu unserem Programm für soziale Sicherheit in der Regierungserklärung und in meinem Beitrag nicht sehr ausführlich Stellung nehmen, weil ich mich auf die Fragen konzentrieren werde. Ich sage so viel dazu, dass der Wähler, die Wählerinnen eine weise Antwort erteilt hat.


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Ich beantworte die Frage 1 und sage Ihnen, dass ich die korrekten Zahlen genannt habe. Bis zum Jahr 2010 stehen zusätzliche Mittel für die Sozialpolitik bis zur Höhe von 400 Millionen € zur Verfügung. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie haben „jährlich“ gesagt!)

Diese Mittel werden im Jahr 2007 185 Millionen € umfassen – ich komme damit zur Frage 2 –, im Jahr 2008 260 Millionen € (Abg. Ing. Westenthaler: Jährlich haben Sie gesagt!), im Jahr 2009 340 Millionen €, im Jahr 2010 400 Millionen €.

Die Frage 3 kann ich aus Respekt vor dem Hohen Haus, das da entsprechende Änderungen im Bundesministeriengesetz vornehmen wird – oder auch nicht (ironische Heiterkeit des Abg. Ing. Westenthaler) –, nicht beantworten. Das obliegt Ihrer Be­schluss­fassung.

Die Frage 4 beantworte ich dahin gehend, dass tatsächlich im ... (Abg. Ing. Westen­thaler: Das meinen Sie jetzt aber nicht ernst! Sie müssen doch wissen, wofür Sie ressortzuständig sind!) Wollen Sie Ihre Fragen komplettieren oder wollen Sie meine Antworten hören, Herr Klubobmann? Wenn Sie die Fragen komplettieren wollen, dann kommen Sie heraus oder machen Sie das schriftlich, dann kann ich sie auch gut beantworten. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich beantworte die Frage 4 mit einem Nein. Ich werde nicht gegen einen derartigen Vorschlag stimmen. Ich habe das Regierungsprogramm unterschrieben und fühle mich selbstverständlich diesem Regierungsprogramm verpflichtet.

Die Frage 5 beantworte ich auch mit einem klaren Nein. Es wurde die Ressort­verteilung nicht durch mich verhandelt, das war Chefsache.

Die Frage 6 beantworte ich mit einem klaren und eindeutigen Ja. Ich stehe zu diesem Verhandlungsergebnis, auch wenn es mich, Herr Klubobmann, in Teilbereichen schmerzt.

Zur Frage 7 teile ich mit, dass wir im Jahr 2007 mit einer Ausweitung des Sozialbud­gets um 185 Millionen € beginnen werden, und ich hätte für jede zusätzliche Million, die unter der Regierung, an der Sie auch beteiligt waren, an der Ihre Partei beteiligt war, für den Sozialbereich gewidmet worden wäre, applaudiert. Ich hätte mich gefreut darüber. Wir widmen zusätzlich 185 Millionen €. Das ist mathematisch unendlich mehr, Herr Klubobmann, unendlich mehr als zu Ihrer Zeit! (Beifall bei der SPÖ.)

Zur Frage 8: Im Sozialbereich gibt es grundsätzlich eine Gebührenfreiheit. Wenn Sie konkret auf Gebühren hinweisen, wo Sie mich fragen, ob sie erhöht werden, dann werde ich Ihnen auch die konkrete Antwort geben. In dieser Allgemeinheit kann ich Ihnen nur eine allgemeine Antwort geben.

Zur Frage 9 teile ich Ihnen mit, dass die Sozialpartner aufgefordert sind und es auch übernommen haben, sich zu bemühen, einen Generalkollektivvertrag mit einem Min­dest­erwerbseinkommen von 1 000 € abzuschließen. Wir haben positive Signale der Sozialpartner. Sollte dieses Vorhaben nicht umgesetzt werden können, dann werde ich mich als Sozialminister dafür einsetzen, dass wir eine entsprechende gesetzliche Regelung überlegen.

Ich werde mich mit besonderer Hartnäckigkeit auch dafür einsetzen, dass für die in die Regelungskompetenz der öffentlichen Hand fallenden Mindestlohntarife für Beschäfti­gungs­gruppen, die nicht kollektivvertraglich erfasst sind, auch ein Mindesterwerbs­einkommen von 1 000 € gesichert wird.

Zur Frage 10 teile ich Ihnen mit, dass die von dem Arbeitnehmer, von der Arbeit­nehmerin zu leistenden Sozialbeiträge etwa 18 Prozent ausmachen. Der monatliche Nettolohn, Herr Klubobmann, beträgt daher bei einem Bruttogehalt von 1 000 € etwa 850 €, 14-mal jährlich.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 137

In der internationalen Literatur und in der Politik spricht man – dazu kann man stehen, wie man will – von einem Abstandsgebot von etwa 20 Prozent, das zweckmäßig wäre zwischen Ersatzeinkommen und Arbeitseinkommen. Wir liegen, wenn Sie das nach­rechnen – ich habe das für Sie getan – bei einer Steigerung von 23 Prozent von diesen 726 € auf die 850 €, 14-mal jährlich.

Zur Frage 11 ist mitzuteilen, dass Sie vielleicht gar nicht wissen – dann sage ich es Ihnen jetzt –, dass Arbeitswilligkeit eine Voraussetzung und ein Grundpfeiler der bedarfsorientierten Mindestsicherung ist und überdies gegenüber dem in der Endaus­baustufe angestrebten Schwellenwert der bedarfsorientierten Mindestsicherung von – da müssen Sie vom Brutto abziehen – netto 692 € mit dem genannten Wert das Abstandsgebot gut eingehalten ist.

Zur Frage 12 teile ich mit, dass eine alleinstehende Person mit einer Bemessungs­grundlage von 850 € netto – von der Frage vorher zu übernehmen –, mal 14, Anspruch auf ein Arbeitslosengeld von zirka 600 € hat, inklusive Ergänzungsbeitrag 12-mal im Jahr.

Wenn diese Ergänzungsbeiträge, wie im Regierungsprogramm vorgesehen, auch für BezieherInnen von Notstandshilfeleistungen eingeführt werden – das war etwas, was ich mit meinem Kollegen Bartenstein sehr lange verhandelt habe –, dann würde die Leistung bei alleinstehenden Personen bei dieser Höhe des Erwerbseinkommens als Notstandshilfe 570 € betragen – also Arbeitslosengeld 600 €, Notstandshilfe 570 €. Für Mehrpersonenhaushalte sind entsprechenden Berechnungen nicht möglich, da der Notstandshilfebezug ja vom anzurechnenden Einkommen der Familienangehörigen abhängt, wobei wir auch dort eine sozialpolitische Verbesserung gemeinsam vereinbart haben und auch gemeinsam realisieren werden.

Zur Frage 13 darf ich Ihnen meine Position mitteilen: Ich meine, dass dieser Einkom­mensunterschied angemessen ist. Es ist auch zu bedenken, dass bei einem Erwerbseinkommen, Lohneinkommen noch zusätzliche Ansprüche, etwa arbeits­rechtlicher Natur, erworben werden.

Wenn Sie gestatten, würde ich die Fragen 14 bis 17 und 19 bis 22, weil sie zusam­menhängen, im Gesamten beantworten, die Antwort zur Frage 18 dann extra geben.

Ich war fast während der gesamten letzten drei Jahre Sozialreferent der Salzburger Landesregierung, kenne also sowohl die Interessenslage der Länder als auch – was viel wichtiger ist, Herr Klubobmann – die Interessen und Bedürfnisse von Sozialhilfe­bezieherinnen und -beziehern in den Ländern, die mit großer Hoffnung und Erwartung – ich habe viele hundert zustimmende Mails bekommen – unser gemein­sames Modell der bedarfsorientierten Mindestsicherung aufgenommen haben. Die Länder haben in der Vergangenheit – teilweise auch unter meiner Mitwirkung bei Landes­sozialreferentenkonferenzen in den Jahren 2003 und 2004 – das Ergebnis einer gemeinsamen Arbeitsgruppe zur Weiterentwicklung des Sozialhilferechtes, die bereits unter meiner Vorvorvorvorgängerin – wenn ich es jetzt richtig gerechnet habe –, Bundesministerin außer Dienst Lore Hostasch, eingesetzt wurde, positiv zur Kenntnis genommen und erklärt, dass das ein gutes Instrument ist, um eine Harmonisierung der Bundes- und Landesleistungen unter Berücksichtigung von Mindestsicherungs­elemen­ten herbeizuführen.

Die Länder haben sich auch zu einer raschen Umsetzung dieser erarbeiteten Vor­schläge im Rahmen einer Vereinbarung des Bundes und der Länder nach Artikel 15a B-VG – die lautet: über gemeinsame Maßnahmen für eine soziale Mindestsicherung; Zitatende – bereit erklärt, sofern der Bund in seinem Zuständigkeitsbereich auch Anstren­gungen für eine entsprechende Umsetzung von Mindeststandards konzipiert und in die Verhandlung einbringt.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 138

Genau das haben Minister Bartenstein und ich getan, und vor diesem Hintergrund ist daher zu erwarten – und die Signale der Länder sind sehr positiv, sowohl vom ausge­schiedenen Vorsitzenden der Landeshauptleutekonferenz, Landeshauptmann Pührin­ger, als auch von der derzeitigen Vorsitzenden der Landeshauptleutekonferenz, Lan­des­hauptfrau Burgstaller –, dass die Länder weiterhin eine positive Haltung zu dieser im Regierungsprogramm formulierten und geplanten bedarfsorientierten Mindest­sicherung einnehmen und ihren Beitrag im Rahmen der Landesgesetzgebung leisten werden, insbesondere da jetzt bereits mit der Anhebung des Ausgleichzulagen­richtsatzes auf die Armutsgefährdungsschwelle und den im Regierungsprogramm vorgesehenen maßgeblichen Verbesserungen im Bereich der Arbeitslosenversiche­rungsleistungen auch der Bund wichtige Maßnahmen zum selben Zeitpunkt akkordiert in diesem Feld der sozialen Sicherheit ausbaut und damit als Leistung des Bundes einbringt.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist geplant, dass die Höhe der Sozialhilfeleistungen der Länder allenfalls in Etappen nach Leistungsfähigkeit bis zum Jahr 2010, also noch in dieser Legislaturperiode, auf das Niveau des Ausgleichszulagenrichtsatzes, das ist zugleich der von uns festgelegte Wert für die Armutsgrenze, angehoben wird.

Schätzungen zufolge könnten die Länderbudgets aller neun Länder insgesamt durch diese Ausweitung der Sozialhilfeleistungen mit bis zu maximal 120 Millionen € belastet werden. Ich gehe davon aus, dass die tatsächliche Belastung deutlich darunter liegen wird, weil durch den Ausbau mindestsichernder Elemente bei der Notstandshilfe und in der Ausgleichszulagenrichtsatzhöhe auch Entlastungen der Länder erfolgen.

Wie ich weiß, rechnen fast alle Länder – vielleicht sogar alle, ich vermute es – die entsprechenden Entlastungseffekte und mögliche zusätzliche Ausgabeneffekte durch, um am Schluss in einem Saldo den tatsächlichen Mehraufwand feststellen zu können. Wo auch immer dieser Mehraufwand der Länder liegen wird: Das ist ein Mehraufwand, der sich – und ich bitte um diesen Sichtwechsel – für die betroffenen Bezieher der neuen, bedarfsorientierten Mindestsicherung als zusätzliche Leistungen, als zusätz­liche Existenzsicherung, als Beitrag zur Armutsvermeidung wiederfinden wird. Das ist ja etwas, worum es uns geht, und wir freuen uns darüber, dass wir hier nach guten Verhandlungen einen Konsens mit dem Koalitionspartner gefunden haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf bei dieser Gelegenheit die vielen gesellschaftlichen Einrichtungen erwähnen – ich nenne beispielsweise die Caritas, die Diakonie, die Volkshilfe und andere –, die uns dabei unterstützt haben, auch in der öffentlichen Meinung darzustellen, dass diese bedarfsorientierte Mindestsicherung, dieses Modell der Armutsvermeidung ein ganz, ganz wesentlicher Fortschritt ist, um Ausgrenzung und Armut in Österreich entschieden zu bekämpfen. Und ich freue mich, dass es zu diesen Lösungen gekommen ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Derzeit, Herr Klubobmann, beziehen rund 230 000 Personen eine Ausgleichszulage, rund 90 000 Personen Notstandshilfe und rund 114 000 Personen eine Leistung aus der offenen Sozialhilfe. Wie viele Personen endgültig in den Genuss einer bedarfs­orientierten Mindestsicherung kommen werden, hängt von der konkreten Ausgestal­tung ab, die wir in den nächsten Tagen in vielen Verhandlungen und Gesprächen versuchen werden zu gestalten.

Auch die derzeitige so genannte Non-Taker-Quote von Personen, die sich aus Entmuti­gungs­gründen die entsprechenden Leistungen, auf die Rechtsanspruch besteht, gar nicht in Anspruch zu nehmen trauen oder das nicht tun – sie wird von Experten unterschiedlich hoch eingeschätzt –, wird bei der endgültigen Feststellung der Zahl derjenigen, die von der bedarfsorientierten Mindestsicherung profitieren werden, von


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Bedeutung sein. Ich habe sie im Vorfeld der Verhandlungen auf eine Größenordnung von 400 000, vielleicht auch 450 000 Österreicherinnen und Österreicher geschätzt.

Wenn Sie das zusätzliche Niveau, wenn Sie die zusätzlichen Mittel, die wir hier gemeinsam mit den Ländern einbringen wollen, durch diese Zahl der Personen teilen, dann sehen Sie, dass das respektable und auch individuelle Verbesserungen in der Lebenssituation bringen wird. Aber noch stärkere Verbesserungen wird es bringen, dass wir die Verknüpfung von Mindestsicherungsbezug und Arbeit, auch organisa­torisch abgesichert durch das Arbeitsmarktservice und die entsprechenden Angebote des Arbeitsmarktservices, herstellen und damit den Weg, die Brücke für Beschäftigung auf dem ersten, zweiten, allenfalls auch auf dem dritten Arbeitsmarkt schaffen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte auch festhalten, geschätzter Herr Klubobmann, dass der Bund im Bereich der Sozialhilfe sehr wohl eine Kompetenz hat, und verweise Sie auf Artikel 12 B-VG, in dem eine entsprechende Kompetenz festgeschrieben ist.

Für die Notstandshilfe kann ich noch die Zahl nennen – denn die ist vergleichsweise präzise verfügbar –: Der Mehraufwand wird laut Schätzungen des Arbeitsmarktservices und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit bei etwa 70 Millionen € jährlich liegen.

Die Frage 18, wofür die im „Format“ angekündigten 118 Millionen € im Jahr 2007 genau eingesetzt werden, ist so allgemein. Sie nennen keine Ausgabe des „Format“. Ich vermute, Sie meinen das Nachrichtenmagazin; auch das ist nicht ganz klar. Auf eine präzise Frage bekommen Sie eine präzise Antwort. Ich bitte hier um Nachsicht. Ich muss raten. Ich glaube, Sie meinen eine Äußerung, die ich gemacht habe und in der ich mich auf die errechnete Höhe der Mehrkosten der neuen Ausgleichs­zulagen­richtsätze beziehe, so wie sie zum damaligen Zeitpunkt aus unseren Berechnungen hervorgegangen sind.

Zur Frage 23 antworte ich, dass ich der Überzeugung bin, dass Österreich tat­sächlich – jetzt kann ich sagen: immer noch – eines der besten Pensionsversiche­rungs­systeme hat. Es haben die Interessenvertretungen der Arbeitnehmer, es haben ÖGB, Arbeiterkammer, es haben viele gesellschaftliche Einrichtungen in den letzten Jahren auch sehr dafür gekämpft, dass gegen Absichten, die es gegeben hat, diese Güte unseres Pensionssystems weiter erhalten werden konnte (Abg. Ing. Westen­thaler: Vor den Wahlen hat das anders geklungen!) und wir darauf aufbauen können, um nach Milderung von einigen Härten – ich habe das genannt – auch das System insgesamt stabil zu halten und das Vertrauen – das ist so wichtig, ich konnte das auch in meiner Antrittsrede sagen – der Österreicher und Österreicherinnen in die soziale Sicherheit, insbesondere dort, wo sie langfristig angelegt ist – und das ist ein Element der Pensionsversicherung – aufrechtzuerhalten, denn soziale Systeme und das Vertrauen in diese Systeme sind, wie auch das Wifo schreibt, eine Produktivkraft. Das sichert unseren Wohlstand.

Es gibt den Korrekturbedarf, den ich ausgeführt habe, und ich werde die Vorschläge für diese Korrekturen so rechtzeitig vorlegen, dass das Hohe Haus noch im ersten Halbjahr 2007 die entsprechenden Änderungen beschließen kann, damit sie rasch bei den Menschen sind. Die warten schon darauf. Das wird für den einzelnen Bezieher, für die einzelne Bezieherin Entlastungen zwischen 50 € und 180 € im Monat bringen. Das ist etwas, was wir uns auch in den Vorjahren gewünscht hätten. Wir tun es, wir setzen unsere Ankündigungen um. Wir tun das, was die Menschen wollen, wir stellen die Menschen in unserem Land in den Mittelpunkt unserer Politik. Das ist das Programm der neuen gemeinsamen Bundesregierung! (Beifall bei der SPÖ und der Abg. Mag. Aubauer.)


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Zur Frage 24 antworte ich Ihnen, dass sich im Regierungsprogramm keine Hinweise auf die Anhebung des gesetzlichen Pensionsanfallsalters in dieser Legislaturperiode finden; und mit gutem Grund finden Sie sich nicht, weil wir sie nicht planen. Die Rede ist von einem Nachhaltigkeitsfaktor im Pensionssystem, bei dem die Lebenserwartung berücksichtigt werden soll und was dann einen Automatismus auslöst. So ein Nachhaltigkeitsfaktor wird von Sozialpartnern und Experten gemeinsam erarbeitet werden.

Meine Antwort zur Frage 25: Die Anhebung des Solidarbeitrages für Höchstpensionen steht nicht im Koalitionsabkommen und ist daher nicht Bestandteil des gemeinsamen Regierungsprogramms. Damit ist es so festgehalten.

Zur Frage 26 antworte ich, dass es im Verantwortlichkeitsbereich des Bundeskanzlers liegt, diesen Punkt in die Diskussion zu bringen. (Abg. Ing. Westenthaler: Das wurde versprochen!) Ich werde ihn selbstverständlich, so wie überall, bei diesen Initiativen mit voller Kraft unterstützen.

Zur Frage 27: Ich denke gar nicht daran, Herr Klubobmann – ich weiß nicht, wie Sie auf die Idee kommen –, die Schwerarbeitspension abzuschaffen. Ich hoffe, auch Sie im Hohen Haus denken nicht daran, denn in Ihren Händen würde das liegen. Ich denke, dass wir gemeinsam das nicht planen und nicht vorhaben, ich denke aber sehr wohl an Verbesserungen und Modernisierungen, die bisher unterlassen worden sind, deren Notwendigkeit aber alle Experten und Expertinnen sehen. (Abg. Ing. Westenthaler: Wir haben das eingeführt, falls Sie das nicht wissen!) Auch Ihre Experten, sehr ge­schätzte Damen und Herren, sehen diese Notwendigkeiten (Abg. Ing. Westenthaler: Wir haben das eingeführt, Herr Minister!), und wir haben beschlossen, eine gemein­same Arbeitsgruppe von Experten und Sozialpartnern einzurichten, die genau diese Verbesserungen, die genau diese Änderungen erarbeiten und zur politischen Diskussion und Ihnen zur Beschlussfassung überreichen wird.

Zur Frage 28: Sehr geschätzter Herr Klubobmann, das österreichische Pensions­system gewährt nicht nur Österreichern und Österreicherinnen – das sollten Sie bitte ernst nehmen –, sondern allen Menschen, die mit ihren Versicherungsbeiträgen dieses umlagefinanzierte System aufrechterhalten, Anspruch auf eine Pension. Alle Men­schen, die in Österreich sozialversichert sind, haben damit Anspruch auf die ent­sprechende Versicherungsleistung. Ich stehe dafür, und ich bin zuversichtlich und sicher, die gesamte Bundesregierung und auch eine sehr große Mehrheit in diesem Hohen Haus stehen dafür, dass die Menschen weiterhin auf Leistungen vertrauen können, die ihnen durch Gesetze zustehen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie haben hier einen Vorstoß angekündigt und einen entsprechenden Entschließungs­antrag bezüglich gebrochener Wahlversprechen vorgelegt. Herr Klubobmann, ich bewundere Ihren Mut. Ich weiß nicht, ob das nicht einer Selbstgefährdung nahe kommt, aber ich muss sagen, das, was Sie mich hier unter Punkt 29 fragen, verstehe ich auch sprachlich nicht. (Ruf bei der SPÖ: Genau!) Von welcher Erhöhung sprechen Sie hier? Ich bitte Sie, auch wenn es ein umfangreicher Anfragekatalog ist, dass Sie jede einzelne Frage so sorgfältig ausarbeiten, wie auch ich mich bemühen werde, Herr Klubobmann, weiterhin Antworten mit entsprechender Sorgfalt zu geben. (Beifall bei der SPÖ.)

Zu Frage 30 sage ich Ihnen, dass die Rechtslage gilt, die die BZÖ-ÖVP-Regierung – ich glaube nicht, dass ich daran erinnern muss – geschaffen hat, also die Anhebung der Pensionen mit dem VPI. Ich werde aber in diesem Jahr über Arbeitsgruppen auch entsprechende mögliche Alternativen prüfen lassen.


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Zu Frage 31: Für die Invaliditätspensionen ist, weil es da auch Verbesserungsbedarf, Modernisierungsbedarf gibt, ebenfalls die Erarbeitung von Vorschlägen vorgesehen. Mir persönlich liegt insbesondere ein Korrektiv zum derzeit fehlenden Berufsschutz für ungelernte ArbeitnehmerInnen am Herzen. Und ich bin gerne auch bereit zu prüfen und mich dort einzubringen, wo es Ungerechtigkeiten im Bereich der Selbständigen geben mag. Wir werden gemeinsam in einer Arbeitsgruppe versuchen, auch hier dem Grundsatz von mehr Fairness in den sozialen Sicherungssystemen zum Durchbruch zu verhelfen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zu den Fragen 32 und 33: Das Pflegegeld nach dem Bundespflegegeldgesetz wurde zuletzt mit Wirkung vom 1. Jänner 2005 um 2 Prozent erhöht. Diese Valorisierung und Durchführung verursachen jährliche Mehrausgaben im Bereich des Bundes in Höhe von 30 Millionen €. Entsprechende Mehrausgaben der Länder, grob geschätzt unter 10 Millionen €, resultieren auch daraus, dass die Länder nach Artikel 15a B-VG-Verein­barung nachgezogen haben.

Eine Erhöhung des Bundespflegegeldgesetzes, wie Sie das hier am Rednerpult gesagt haben, um 5 Prozent mit Wirkung vom 1. Jänner 2007 wäre mit einem finanziellen Mehraufwand von rund 84 Millionen € im Jahr 2007 im Bereich des Bundes verbunden, entsprechend der Anteil auch der Länder.

Und unter der Annahme, dass der Pensionsanpassungsfaktor nach ASVG für die Folgejahre jeweils 2 Prozent erreicht, hätte der budgetäre Mehraufwand für das Jahr 2008 rund 125 Millionen €, für 2009 169 und für 2010 zirka 217 Millionen € ausgemacht.

Derzeit – Stand November 2006 – beziehen 327 456 Personen ein Pflegegeld nach dem Bundespflegegeldgesetz, darunter in den Stufen 1 bis 6 Personen, die ich Ihnen gerne von der Zahl her vorlese, Herr Klubobmann, wenn Sie das detailliert wünschen. (Abg. Ing. Westenthaler: Nein, Herr Minister, ich will nur wissen: Warum erhöhen Sie es nicht?) Sie wünschen das nicht, danke, dann helfen Sie mir auch, die Redezeit, die bereits überzogen ist, einzuhalten. Und der Bund hat im Jahr 2005 1,566 Milliarden € für Leistungen nach dem Bundespflegegesetz ausgegeben. Die Finanzierung erfolgt aus dem Bundeshaushalt.

Auf Grund der bestehenden Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG ist eine weitere Valorisierung des Pflegegeldes, die sich im Regierungsprogramm findet, mit den Ländern zu verhandeln und als Teil einer gesamten Neugestaltung zu sehen, die im Rahmen der Budgetverhandlungen im Detail auch erörtert werden kann und erörtert werden wird. (Abg. Ing. Westenthaler: So eine Überheblichkeit!) Sie wissen, dass im Regierungsprogramm vorgesehen ist, in dieser Gesetzgebungsperiode einmal selektiv nach Pflegestufen zu valorisieren. Das ist das Mindestprogramm, das wir uns vorge­nommen haben. Wenn wir einen Spielraum sehen, dann können wir auch weitere Diskussionen, vielleicht auch Realisierungen einleiten. Verbindlich und vereinbart ist eine Valorisierung einmal selektiv nach Pflegestufen. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist jämmerlich!)

Ich brauche Sie nicht daran zu erinnern, wie selten das Pflegegeld bislang valorisiert worden ist und dass es grundsätzlich im Bereich der Pflegegeldleistungen einen großen Bedarf gibt, den wir durch Sachleistungen, aber auch durch Geldleistung versuchen werden noch besser als bisher abzudecken.

Zu Frage 34 darf ich Ihnen berichten, dass im Regierungsprogramm vorgesehen ist, eine Neugestaltung der Pflege mit Leistbarkeit sicherzustellen, eine Arbeitsgruppe auch dafür einzurichten, weil hier Bund, Länder und Gemeinden abstimmen müssen. Die entsprechenden Ergebnisse, nämlich die Erarbeitung eines leistbaren, qualitäts­gesicherten und legalen Modells, sollten nach Möglichkeit – ich werde alles tun, um


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das zu unterstützen – im Jahr 2007 vorliegen, weil die entsprechende Amnestiere­gelung zum 30. Juni 2007 – das Hohe Haus weiß das ja – ausläuft.

Auf Frage 35 gebe ich die Antwort, dass wissenschaftliche Studien bestätigen, dass mit dem österreichischen System der Pflegevorsorge der richtige Weg eingeschlagen worden ist. Herr Klubobmann, hier haben wir vielleicht eine Gemeinsamkeit – ich bemühe mich um jede Gemeinsamkeit, die wir ausdehnen können –, dass Skepsis gegenüber einer Pflegeversicherung, wie sie als ein mögliches, alternatives Modell auch angedacht werden soll, auch genau geprüft werden soll, auch in der Arbeits­gruppe, auch aus meiner derzeitigen vorläufigen Sicht besteht. Ich bin aber nach den Ergebnissen der Arbeitsgruppe, wenn sich das als besseres Modell herausstellt, offen, auch dieses bessere Modell vorzuschlagen. Derzeit wäre ich skeptisch, vor allem unter dem Gesichtspunkt der damit verbundenen Erhöhung der Lohnnebenkosten, die den Wirtschaftsstandort und damit letztlich auch den Sozialstandort Österreich unter Umständen gefährden könnte. Das werden wir aber sehr verantwortungsvoll in gemein­samen Arbeitsgruppen zum gegebenen Zeitpunkt, nämlich möglichst rasch, erarbeiten, diskutieren und einen entsprechenden Vorschlag an das Hohe Haus erstatten.

Auch wenn sich das derzeitige System aus meiner Sicht bewährt hat, ein System, das noch keine 15 Jahre alt ist, braucht es dennoch Adaption, Anpassung an geänderte Verhältnisse, und diese Weiterentwicklung der Pflegevorsorge, der Pflegesicherung ist im gemeinsam beschlossenen Regierungsprogramm auch sehr prominent zugrunde gelegt. Wir werden das gemeinsam erarbeiten.

Zu den Fragen 36a und 36b darf ich Ihnen sagen, dass die Budgetierung im Kapitel 15 beim Voranschlagsansatz 1/15456, Maßnahmen für Behinderte, erfolgt. Der Herr Staats­sekretär außer Dienst und die Frau Bundesminister außer Dienst werden das auch sehr präzise wissen, aber ich sage es Ihnen gerne auch von der Regierungsbank.

Zu den Fragen 37 und 38: 24-Stunden-Betreuung. Diesbezüglich werde ich in Anbetracht der Kompetenzverteilung gemeinsam mit dem Herrn Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit die Arbeit in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe aufnehmen, um die vorliegenden Vorschläge zu prüfen und ein Modell zu erarbeiten, das die 24-Stunden-Betreuung arbeitsrechtlich, berufsrechtlich und sozialversicherungsrechtlich auf eine neue gesetzliche Grundlage oder auf eine verbesserte bestehende gesetz­liche Grundlage stellt. In diesem Rahmen wird auch die Frage der Beschäftigungs­bewilligungen für ausländische Arbeitskräfte, soweit sie bislang nicht geregelt ist, noch mitbedacht werden können. Und ich sage Ihnen, dass die ursprünglich wenig durchdachte Lösung – darauf hat sich meine Kritik bezogen, die Sie zitiert haben – in mehreren Gesprächen mit Herrn Bundesminister Bartenstein und mit Experten weiterentwickelt worden ist zu einem umfassenden, runden Lösungsvorschlag, dem wir dann auch zustimmen konnten und hinter dem ich auch persönlich stehe.

Zur Frage 39 sage ich Ihnen, dass die geringen Mittel aus dem ESF so wie auch bisher, Herr Staatssekretär und Frau Bundesminister außer Dienst, durch Mittel des Ausgleichstaxfonds kompensiert werden sollen. Auch hier gibt es einen direkteren Weg, aber ich sage es Ihnen auch.

Zu den Fragen 40 und 40a gebe ich Ihnen die Antwort, dass nach den Bestimmungen des Behinderteneinstellungsgesetzes alle Dienstgeber, die mehr als 24 Dienstnehmer und Dienstnehmerinnen beschäftigen, verpflichtet sind, auf je 25 Dienstnehmer einen begünstigten Behinderten einzustellen. Kommt ein Dienstgeber dieser Verpflichtung, aus welchen Gründen auch immer, nicht oder nicht zur Gänze nach, hat er eine Ausgleichstaxe zu entrichten.


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Im Jahr 2005 – ich nenne diese Daten, weil die für 2006 noch nicht vorliegen, da die Überprüfung jeweils im Nachhinein erfolgt – fielen 15 711 Dienstgeber in Österreich unter die gesetzliche Einstellungspflicht. Insgesamt wurden 78 Millionen € an Aus­gleichs­taxen eingenommen, beachtliche Mittel, die aus der Wirtschaft für soziale Aufträge, für soziale Leistungen fließen. Noch lieber wäre es uns, wenn sie nicht fließen würden und wenn die Einstellungspflicht in noch stärkerem Umfang wahrge­nommen würde. Diese Mittel werden aber sehr gut zum Zwecke der beruflichen Eingliederung von Menschen mit Behinderungen eingesetzt.

Um das System, das bestehende gute System weiter zu optimieren, sieht das Regie­rungsprogramm die Prüfung der Möglichkeit eines progressiven Elements in der Ausgleichstax-Regelung vor. Bei der Erarbeitung und Bewertung des entsprechenden Modells werden die Sozialpartner wie in so vielen Fragen, wo sie wieder – und ich freue mich darüber – ein großes Gewicht gewinnen, gut eingesetzt, und wir sind dankbar für diese Expertise.

Antwort auf die Frage 41: Zur Fortsetzung der im Regierungsprogramm vereinbarten Beschäftigungsoffensive – das ist ein gutes Instrument, das ist eine gute Initiative, darum sage ich Fortsetzung dieser Beschäftigungsinitiative – habe ich den Auftrag erteilt, ein Strategiepapier zur beruflichen Integration von Menschen mit Behinderung zu erstellen, das unter Berücksichtigung zukünftig absehbarer Entwicklungen Proaktiv-Ziele, Zielgruppen und Maßnahmen festlegt und nach Möglichkeit finanziell dotiert.

Sie können in Salzburg nachfragen, wie ich diesem Auftrag, als Verantwortlicher für den Sozialbereich auch die erforderlichen finanziellen Mittel bereitzustellen, in Salzburg nachgekommen bin. Sie können darauf vertrauen, dass ich das mit derselben Hartnäckigkeit, mit derselben Überzeugung, mit demselben Einsatz und gestützt auf gemeinsame Programme auch in meiner neuen Funktion als Bundesminister für Soziales tun werde.

Antwort zur Frage 42: Auch wenn der Ausbau des Feiwilligen Sozialen Jahres nicht ausdrücklich im Regierungsprogramm erwähnt ist, so schließt dies eine Einbeziehung in die Überlegungen als Ressortmaßnahme nicht aus. Ich habe entsprechende Über­legungen in diese Richtung bereits als Landesrat in Salzburg nicht nur angestellt, sondern auch realisiert, und ich kann das mit den entsprechenden Gründen auch als Bundesminister weiter tun.

Sie fragen, ob ich die derzeitige CI, Corporate Identity, des Sozialministeriums verändern werde. – Nun, Sie kommen auf die Frage, weil es derartige Veränderungen in den letzten Jahren offensichtlich in sehr heftigem Ausmaß gegeben hat, und zwar mit hohem finanziellem Aufwand. Ich möchte anknüpfen an eine konsensuale, gemeinsam formulierte, in die Zukunft gerichtete moderne Sozialpolitik und werde alle Sozialsprecher der Fraktionen zu Gesprächen, zu entsprechenden Unterstützungen einladen. Die Änderung der Corporate Identity spielt in meinen Überlegungen eine sehr geringe Rolle. Wichtig ist die Wirkung bei den Menschen, das ist das Entscheidende. Und hier mitzuhelfen lade ich parteiübergreifend alle Menschen guten Willens – und alle sitzen hier im Hohen Haus – sehr, sehr gerne ein. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich plane derzeit keine Beschäftigung externer Berater und verspreche Ihnen, wenn die Notwendigkeit in Zukunft bestehen sollte und ich entsprechende Aufträge erteile, werde ich weit unter der Latte bleiben, die Sie mit vollen Händen teilweise hier gelegt haben. (Beifall bei der SPÖ.) Meine Hände werden klein sein, wenn es um externe Berater geht, und werden groß sein, wenn es um Leistungen für Betroffene geht.

Auf Frage 45 darf ich antworten, dass die Reform des Hauptverbandes in engem Zusammenhang mit der Entwicklung der Gebietskrankenkassen zu sehen ist. Mir geht


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es bei der möglichen Reform vor allem darum, Regelungen, die ausschließlich zur Machtverschiebung innerhalb der Gremien geführt haben, wenn es die gibt, zu beleuchten, zu analysieren, auf eine sachliche Ebene zu bringen, sodass Entscheidun­gen im Hauptverband schnell und effizient getroffen und umgesetzt werden können. Auch das soll keine Spielwiese für parteitaktische Überlegungen sein, sondern eine Einrichtung, die Maßnahmen der Sozialpolitik für die betroffenen Menschen in Österreich möglichst gut umsetzen soll.

Zur Frage 46: Die Interpretation dieser Formulierung muss sich zunächst mit den derzeit absehbaren europarechtlichen Vorgaben im Bereich der Verbraucherrechte beschäftigen. Hier hat ja die Europäische Kommission im Grünbuch, das für Jän­ner 2007 angekündigt worden ist, für das gesamte Verbraucherrecht das Prinzip der Maximalharmonisierung vorgeschlagen. Dieses verbietet den Mitgliedstaaten, national strengere Regelungen zugunsten von Verbrauchern und Verbraucherinnen vorzu­sehen. Ich sehe die Gefahr der Nivellierung nach unten, möchte aber alles, was in meinen Möglichkeiten steht, tun, das zu verhindern. Und bei einer Maximal­harmoni­sierung würde es nach meinem Dafürhalten sicher nicht zu einer Übernahme all dieser spezifischen Regelungen kommen.

Weiters ist absehbar, dass die Europäische Kommission die Einführung des Prinzips der gegenseitigen Anerkennung im Verbraucherrecht verankern will. Dies wiederum würde bedeuten, dass die Unternehmer bei grenzüberschreitenden Geschäften die Möglichkeit haben, für sie günstigere Bestimmungen des Herkunftslandes des Unter­nehmers im Vertrag zu vereinbaren. Das könnte und würde, wie ich meine, die Rechts­unsicherheit der Verbraucher und Verbraucherinnen vergrößern. Unternehmer mit leichterem Zugang zu Information und Recht könnten einseitig bevorzugt werden. Also auch da sollte noch sehr kritisch diskutiert und entwickelt werden.

Insbesondere gilt es, diese europarechtlichen Entwicklungen auf die österreichischen Verhältnisse hin zu überprüfen und – und dafür stehe ich in allen Zusammenhängen – einen vertretbaren Ausgleich der unterschiedlichen Interessen von Marktteilnehmern herbeizuführen. Auf die tendenziell schwächere Ausgangslage der Verbraucher ist besonders Bedacht zu nehmen.

Bei der Unterstützung des Lissabonprozesses muss auf ein Funktionieren des Marktes und auf eine Verbesserung der Funktionsprinzipien insofern geachtet werden, als Verbraucher ausreichend gestärkt werden, um das balancierte System, das ausge­glichene System nicht zu gefährden. Ich bin überzeugt, dass dieses Prinzip der ausgeglichenen Berücksichtigung der Interessen im Interesse aller, auch im Interesse der Wirtschaft sein wird.

Ich möchte auf die weiteren konkreten Vorhaben, wenn Sie erlauben, nicht mehr ins Detail eingehen, weil es zu lange werden könnte.

Ich möchte zur Frage 47, Herr Klubobmann, sagen, dass ich die Absicht habe, den Bericht zur Lage der Verbraucher, der ja in den Jahren 1992 bis 2000 regelmäßig erstellt worden ist, in erweitertet Form wieder aufzulegen und dem Nationalrat auch zuzuleiten. (Beifall bei der SPÖ.)

Leider hat der ehemalige Justizminister Dr. Böhmdorfer diesen Bericht eingestellt. Der neue Sozialminister Dr. Buchinger wird sich bemühen, diesen wieder aufzulegen. Insbesondere die sozialdemokratische Fraktion und die Grünen haben in den letzten Jahren eine derartige Neuauflage wiederholt gefordert. Ich komme somit diesen Wün­schen und Forderungen gerne nach, gestattet doch dieser Bericht einen umfassenden Einblick in die Probleme von Konsumenten und Konsumentinnen quer durch alle Branchen, und er kann und wird eine wichtige Grundlage für effiziente Konsumen-


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tenpolitik und eine wichtige Informationsquelle für Entscheidungsträger auch hier im Hohen Hause sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Sie erlauben, Herr Klubobmann, komme ich zur letzten Frage, zur Frage 48. Sie lautet pikanterweise: „Übrigens: Was macht eigentlich Frau Silhavy?“ (Abg. Ing. Westenthaler: Wir würden es gerne wissen!) Ich wundere mich über das Wort „übrigens“ in einer Dringlichen Anfrage. „Übrigens“ heißt: so nebenbei und wenn sonst nichts ist. In einer Dringlichen Anfrage, hätte ich gemeint, beschäftigt man sich mit den dringlichen Problemen des Landes und der Menschen. Ob wirklich das, was die Frau Silhavy gerade macht, die dringlichste Frage der Menschen in Österreich ist, wage ich zu bezweifeln. Übrigens: Ich bin dafür auch nicht verantwortlich. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Das ist ja die Staats­sekretärin!)

15.56


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gehen nun in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß der Geschäftsordnung kein Redner/keine Rednerin länger als 10 Minuten sprechen darf, wobei jedem Klub eine Gesamtredezeit von 25 Minuten zukommt.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Haubner. 10 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


15.57.05

Abgeordnete Ursula Haubner (BZÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr verehrter Herr Sozialminister, Minister der neuen Regierung! Ich glaube, wir haben heute gesehen, dass in Zukunft auch bei den Anfrage­beant­wortungen ein neuer Stil einkehren wird (Zwischenrufe), dass ein Minister auf eine ganz einfache Frage, welche Aufgaben aus dem Sozialministerium in ein anderes Ministerium gebracht werden, keine Antwort gibt. (Abg. Ing. Westenthaler: Der Minis­ter weiß nicht einmal, was er zu tun hat! Peinlich ist das!) Und da kann man jetzt darüber streiten, welche Aufgaben Frau Staatssekretärin Silhavy hat. (Beifall bei BZÖ und FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Dr. Niederwieser.)

Ich denke, das Hohe Haus hat hier Anspruch auf eine Antwort, denn letztendlich erin­nere ich daran, dass gerade von Ihrer Fraktion immer gekommen ist, wie unnötig Staatssekretäre sind und welche Aufgaben sie haben. Hier können wir sehr wohl nachfragen.

Ich denke, es ist auch ein neuer Stil, wenn ein Minister bei der Beantwortung einer Frage sagt: Das wissen die ehemalige Ministerin und der ehemalige Staatssekretär sicher auch. (Abg. Ing. Westenthaler: Eine Frechheit, so etwas!)

Also hier, denke ich, sollten wir im Umgang mit dem Parlament – und ich habe selbst erlebt, wie kritisch die Opposition damals im Hinblick auf die Regierung gewesen ist –, sehr geehrter Herr Minister, ein bisschen vorsichtiger sein.

Vielleicht – ich weiß es nicht – ist es in der Landesregierung in Salzburg so üblich. Ich komme zwar auch aus einer Landesregierung, nämlich der oberösterreichischen, ist schon einige Zeit her, aber das hat es bei uns nicht gegeben.

Ich möchte aber auch auf eines hinweisen, sehr geehrter Herr Minister: Ich bin andererseits froh über die Beantwortung einiger Fragen, denn ich glaube, es ist gerade in einem Regierungsprogramm, in einem sozialen Regierungsprogramm, das so unkonkret ist, das so oberflächlich ist, das so unverbindlich ist, notwendig, auf gewisse Fragen ganz konkrete Antworten zu bekommen. Ich bin erfreut, wenn Sie sagen, dass


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das Pensionssystem zu den besten der Welt gehört. Ich frage mich nur, wieso Ihre Fraktion monatelang, jahrelang immer wieder von „Pensionsraub“ gesprochen hat.

Ich bin froh, dass Sie sagen, dass die Schwerarbeiterregelung nicht abgeschafft wird, dass Sie nicht daran denken, eine Arbeitsgruppe einzusetzen. Hier ist sicher noch zusätzlich eine Möglichkeit. Aber im Zusammenhang mit den 30 Arbeitsgruppen, glaube ich, kommt es auf diese Arbeitsgruppe auch nicht mehr an.

Ich freue mich auch, dass Sie ganz klar gesagt haben, dass die Behindertenmilliarde weiter für die Beschäftigungsoffensive eingesetzt wird, dass Sie nicht ausschließen, dass das Freiwillige Soziale Jahr auch zukünftig hier einfließen wird und es Neuerun­gen geben wird.

Aber insgesamt, meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Minister, muss ich sagen, im Sozialressort herrscht trotzdem Flaute, Flaute, was die Kompeten­zen und die Aufgaben betrifft. (Abg. Dr. Jarolim: Das sagen gerade Sie ...!) Der wichtige Bereich der Generationen, der wichtige Bereich der Familien, der Jugend und der Senioren kommt zum Gesundheits- und Frauenressort. Das, glaube ich, ist ein Rückschritt, ein Rückschritt einer Politik, die in den letzten Jahren klare Ansagen in Richtung Generationenpolitik gemacht hat. Ich halte nichts davon, wenn die Senioren wieder in einem anderen Ressort sind als zum Beispiel die Jugend und wenn die Familien und die Jugend auch wieder in einem anderen Ressort sind. (Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler.) Ganz eigenartig ist, dass die Männer bei Ihnen bleiben. (Abg. Ing. Westenthaler: Ein völlig Ahnungsloser, der Minister! Der weiß gar nichts! Keine Ahnung!) Was haben die Männer letztendlich mit der sozialen Sicherheit zu tun? Ich glaube, die würden auch in dieses Paket gehören.

Flaute, habe ich schon gesagt, vor allem Unverbindlichkeit ist zu sehen. Eines muss ich Ihnen aber zugestehen, Herr Minister – vielleicht haben das Minister, die aus Lan­desregierungen kommen, so an sich –: Dass Sie von einer beeindruckenden Ehr­lichkeit sind. Das konnte ich heute auch beim Lesen der „Oberösterreichischen Nach­richten“ feststellen. Es heißt dort – Sie sagen das ganz ehrlich –, dass die Zuständig­keiten nicht optimal sind, was Senioren und Männer anlangt.

Im Regierungsprogramm steht auch, dass eine Volksabstimmung über ein neues Pflegemodell angesagt ist. Sie aber sagen, dass das eher unwahrscheinlich ist. Der Pflegeversicherung – das freut mich auch – stehen Sie eher skeptisch gegenüber in diesem Interview. Und mein Klubobmann hat schon gesagt, dass die „Hacklerregelung“ ja auf diese Legislaturperiode befristet wird, und Sie sagen ganz klar, dass eine unbefristete Verlängerung nicht notwendig ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, machen wir hier Politik für Legislaturperioden oder für Generationen? – Ich denke, das ist ein Rückschritt! Ich meine, Fairness und soziale Wärme bedeuten nicht nur eine bedarfsgerechte Mindestsicherung. Ich bin sehr froh darüber, dass Sie von Ihrem ursprünglichen Ansatz einer Grundsicherung von 800 € Abstand nehmen, denn gerade eine Grundsicherung von 800 € ist etwas, was heute nicht in ein aktives soziales System passt.

Daher sage ich, dass Fairness und soziale Wärme natürlich auch bedeuten, dass man das Pflegegeld erhöht – nicht nur einmal in einer Legislaturperiode.

Ich weiß nicht, was Sie unter „selektiv“ verstehen. Ich muss sagen, das ist ein Wort, vor dem ich mich ein bisschen fürchte, nämlich wenn das Pflegegeld selektiv einmal erhöht wird. (Abg. Riepl: Wie oft haben Sie das Pflegegeld erhöht?)

Wir haben es einmal erhöht, und wir sind von Ihnen, sehr geehrter Herr Kollege, ständig geprügelt worden. Sie haben gefragt, warum wir nicht jährlich valorisiert haben. Also lassen Sie bitte die Dinge im Dorf, wohin sie gehören.


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Für mich bedeuten Fairness und soziale Wärme auch, dass die Autofahrer nicht durch eine LKW-Maut und eine Erhöhung der Mineralölsteuer belastet werden, denn die Pendler haben, wie Sie wissen, alle Familie, und es sind in etwa zwei Millionen Pendler in Österreich, die davon besonders hart betroffen sind. (Abg. Öllinger: Aber nicht von der LKW-Maut!)

Für uns, das BZÖ, gilt: dauerhafte Valorisierung des Pflegegeldes, Kostensenkung im Gesundheitswesen und keine Erhöhung von Krankenversicherungsbeiträgen sowie volle steuerliche Absetzbarkeit von Pendlerkosten für jene, die das besonders brauchen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine große Enttäuschung – Sie haben es zwar jetzt etwas konkretisiert – ist für mich das, was in diesem Regierungsprogramm über die Pflege steht. Nicht nur, dass das Wahlversprechen Pflegegelderhöhung gebrochen wurde, nein, es ist, ich sage es ganz ehrlich, ein Sammelsurium an Ideen, zusammengetragen aus verschiedensten Arbeitsgruppen, um wiederum eine neue Arbeitsgruppe einzurichten.

Ich verstehe das nicht: Vor der Wahl hat es im Ministerium eine Arbeitsgruppe gegeben, aber auch eine unter Federführung von ÖVP und SPÖ, und da hat es geheißen, das sei die Basis für ein zukünftiges Regierungsprogramm. Daher frage ich: Warum sind in diesem Regierungsprogramm nicht ein paar ganz konkrete Handlungs­felder festgemacht worden, wie zum Beispiel Prävention, um Pflegebedürftigkeit hintanzuhalten? Hier hört man nichts mehr von der Sicherheit für die Senioren.

Warum ist nicht festgemacht, dass Pflege zu Hause der wichtigste Pflegedienst des Landes, der Nation ist und dass wir weiter darauf aufbauen müssen, dass pflegende Angehörige entlastet werden?

Warum gibt es nichts Konkretes hinsichtlich der Tagesbetreuung? Wir müssen die Tagesbetreuung ausbauen. Warum ist das positive Modell des Pflegeschecks hier nicht angeführt? Ich vermisse auch die konkreten Chancen für junge und ältere Arbeitnehmer in dieser Zukunftsbranche. Warum steht nichts von einem Lehrberuf drinnen? Warum steht – Sie haben es ja beantwortet – nichts vom Freiwilligen Sozialen Jahr drinnen?

Dürfte ich Ihnen einen Rat geben, würde ich sagen: Investieren Sie im Zusammenhang mit Ihrer Arbeit jetzt mehr Energie in konkrete Lösungen des Problems des Betreu­ungs- und Pflegekräftemangels (Abg. Dr. Jarolim: Weil Sie es seinerzeit gemacht haben!) als in wenig durchdachte Lösungen zur Legalisierung und Forcierung der Ausländerbeschäftigung, die letztendlich die inländischen Betreuungs- und Pflegekräfte diskriminiert. (Beifall beim BZÖ.)

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Westenthaler, Haubner und Kollegen betreffend fehlende nach­haltige Lösung der Pflegevorsorge

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, die Umsetzung der nachstehenden Maßnahmen raschest möglich vorzubereiten und dem Nationalrat die entsprechenden Gesetzes­vorschläge zu übermitteln:

Einmalige Erhöhung des Pflegegeldes um 5 Prozent im Jahr 2007,

dauerhafte Valorisierung des Pflegegeldes,


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 148

Einführung eines zweckgebundenen Pflegeschecks zur Unterstützung der Pflege zu Hause und

Schaffung eines Lehrberufes für Pflege und Betreuung.“

*****

Danke schön. (Beifall beim BZÖ.)

16.07


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der soeben verlesene Entschließungsantrag ist entsprechend eingebracht, auch ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Westenthaler, Haubner und Kollegen betreffend fehlende nach­haltige Lösung der Pflegevorsorge; eingebracht im Zuge der Debatte zur Dringlichen Anfrage an den Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumen­ten­schutz in der Sitzung am 16.01.2007

Bei der Nationalratswahl war die Pflegevorsorge in Österreich innenpolitisches Tages­thema. Im Zuge des Wahlkampfes brachte der nunmehrige Sozialminister Buchinger klar zum Ausdruck, dass er dem drohenden Pflegekräftemangel durch entsprechende Ausbildung und Aufwertung des Pflegeberufes entgegenwirken wolle:

„Zwischen 2004 und 2006 stieg die Beschäftigung in den Pflegeberufen allein in Salzburg um 6,2 % oder 633 Personen an und trug damit wirksam zum Abbau der Arbeitslosigkeit bei. Für die SPÖ auch ein wichtiger Punkt, der gegen eine wenig durchdachte Legalisierung ausländischer Pflegekräfte spricht.“(SPÖ-Konzept für die Betreuung und Pflege älterer Menschen verfasst von Buchinger und Lapp 16. August 2006).

Von dieser Ankündigung wurde aber wenig ins Regierungsprogramm übernommen. Ganz im Gegenteil: So ist im Regierungsprogramm unter dem Kapitel Pflege und Altenbetreuung folgendes zu lesen:

„Neben der Bereitstellung ausreichender bedarfsgerechter Infrastruktur ist dabei auch die Forcierung des Arbeitsmarktes in diesem Bereich als moderner Berufssektor mit Zukunftschancen sowie die Stärkung und Unterstützung von pflegenden Angehörigen und Ehrenamtlichen wichtig.“

Gleichzeitig wird aber beim Thema Ausländerbeschäftigung eine Forcierung der Ausländerbeschäftigung angekündigt:

„Fachkräfte: Für Fachkräfte aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten ist in Branchen mit besonderem, aus dem verfügbaren Arbeitskräftepotential nicht abdeckbaren Bedarf eine flexible Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen vorgesehen.“

Weiters wurden vom nunmehrigen SPÖ-Sozialminister Buchinger folgende klare Aussagen getroffen:

„Das Pflegegeld selbst deckt die erforderlichen Aufwendungen nicht zur Gänze ab. Das Pflegegeld unterliegt bislang keiner regelmäßigen Valorisierung. Dies führt zu einer unzumutbaren Entwertung der entsprechenden Beträge bei gleich bleibendem oder sogar steigendem Pflegebedarf und ist daher durch eine gesetzliche Valorisierungs-


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regel zu korrigieren.“ (SPÖ-Konzept für die Betreuung und Pflege älterer Menschen verfasst von Buchinger und Lapp 16. August 2006).

Prompt folgte der Umfaller Buchingers und er vereinbarte bei den Regierungs­ver­handlungen eine einmalige selektiv nach Pflegestufe erfolgende Valorisierung des Pflegegeldes. Darüber hinaus plant die neue Koalition, die Einteilung der Pflegestufen zu überprüfen, was eine Kürzung des Pflegegeldes zur Folge haben kann.

Aus diesen Gründen stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, die Umsetzung der nachstehenden Maßnahmen raschest möglich vorzubereiten und dem Nationalrat die entsprechenden Gesetzes­vorschläge zu übermitteln:

Einmalige Erhöhung des Pflegegeldes um 5 Prozent im Jahr 2007,

dauerhafte Valorisierung des Pflegegeldes,

Einführung eines zweckgebundenen Pflegeschecks zur Unterstützung der Pflege zu Hause und

Schaffung eines Lehrberufes für Pflege und Betreuung.“

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Haberzettl. Wunschredezeit: 7 Minuten. – Bitte.

 


16.07.17

Abgeordneter Wilhelm Haberzettl (SPÖ): Verehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Regierungsmitglieder! Sehr geehrter Herr Klub­obmann Ing. Westenthaler, ich werde Ihnen die Antwort auf Ihre Frage nicht verweigern, ich würde Sie aber ersuchen, wenn Sie das Regierungsübereinkommen lesen, es zur Gänze zu lesen. (Abg. Ing. Westenthaler: Habe ich!)

Sehr wohl ist die Kündigungsmöglichkeit für Lehrlinge vorgesehen, aber unter bestimmten Bedingungen (Abg. Ing. Westenthaler: Bis jetzt war sie nicht vorge­sehen!): Es muss ein Mediationsverfahren eingehalten werden, und – ein zweimaliger Hinweis im Regierungsübereinkommen – es muss ein Ersatzarbeitsplatz zur Verfügung gestellt sein.

Ich verweise darauf, dass im Regierungsübereinkommen auch noch einmal der Hin­weis zu finden ist, im Zuge der Ausbildungspolitik, dass entsprechend dem Lehrlingsbeauftragten Blum zentrale Arbeits-Ausbildungseinrichtungen zu situieren sind. Ich denke, es gibt hier Rahmenbedingungen, um diese Möglichkeit zu schaffen.

Herr Klubobmann, erlauben Sie mir eine Bemerkung: Es ist Aufgabe einer Interes­senvertretung, Realitäten nicht zu verweigern. Sie aber verweigern mit Ihrer Behaup­tung, dass Lehrlinge, wenn es sein soll, hinausgemobbt werden. Wir wollen diese Möglichkeit einschränken und vernünftige Ersatzmöglichkeiten gestalten. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Herr Klubobmann, noch eine Bemerkung: Wenn die Aufzählung Ihrer Leistungen der Realität entsprechen würde, dann frage ich mich, warum in der letzten Zeit immer mehr Menschen in die Nähe der Armutsgrenze gekommen sind, dann frage ich mich, warum


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eine neue Bundesregierung unter dem Titel Armutsbekämpfung ein ganzes Maß­nahmen­paket beschließen muss, wo ja die ersten Schritte durch den Herrn Sozialminister bereits in Richtung bedarfsorientierter Mindestsicherung gesetzt sind. Auch die Erhöhung des Ausgleichszulagenrichtsatzes sei hier erwähnt. Weitere Schritte wurden vom Herrn Sozialminister bereits beschrieben.

Ich möchte aber schon auch ein bisschen in die Vergangenheit schauen, weil ich denke, dass wir dann auch noch zu den Folgen der Vergangenheit kommen.

Ich glaube, es ist evident, dass gerade das BZÖ in der Vergangenheit immer wieder jede Menge Verbesserungs- und Initiativvorschläge der Opposition verhindert, in den Ausschüssen vertagt und somit ad absurdum geführt hat und somit sehr wesentlich soziale Verbesserungen gerade im sozialpolitischen Bereich verhindert hat. (Abg. Scheibner: Welche zum Beispiel? Sagen Sie einmal, welche!)

Ich darf Sie aber auch daran erinnern, dass im Jahr 2003 die größte Errungenschaft der BZÖ-Politik ein Pensionsreform-Entwurf war, der bis zu 60 Prozent Verschlech­terungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Pensionsbereich bedeutet hätte. (Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler.)

Herr Klubobmann, nehmen Sie wenigstens heute noch zur Kenntnis: Nur die Tatsache, dass damals Menschen auf der Straße waren und dass Streiks durch die Gewerk­schaftsbewegung stattgefunden haben, hat Sie daran gehindert, diese Pensionsreform auch umzusetzen. (Beifall bei der SPÖ.)

Hohes Haus! Sehr geschätzter Herr Klubobmann! Interessant wird es bei der Frage, warum das Thema Arbeit im Wirtschaftsministerium angesiedelt ist. Ich mache es mir sehr einfach: weil Sie es im Jahr 2000 dorthin gegeben haben, Herr Westenthaler! (Abg. Ing. Westenthaler: Sie wollten es nicht mehr zurück!) Sie haben unter größtem Einsatz Ihrer Möglichkeiten zugestimmt, dass der Bereich Arbeit im Wirtschafts­ministerium landet (Abg. Ing. Westenthaler: Na, gefällt Ihnen das? Sind Sie damit einverstanden?), und es ist sehr schwierig, es wieder dorthin zu bringen, wohin es gehören würde.

Und dann zum Thema Finanzierung, weil Sie auch das Thema LKW-Abgabe, Mineral­ölsteuer-Erhöhung auf den Tisch gebracht haben. Herr Klubobmann! Ich muss Ihnen leider vor Augen führen, dass in allen Bereichen, in denen Ihre Minister in der Vergangenheit tätig waren, katastrophale finanzielle Verhältnisse bestehen (Abg. Ing. Westenthaler: Aber das stimmt ja nicht!), etwa beim Familienlastenausgleich – der ist ja nicht nur ausgeräumt, sondern der ist mit über einer Milliarde € verschuldet (Abg. Ing. Westenthaler: Weil es den Familien besser geht!), und die Tendenz bis zum Jahr 2010 ist mit über 3 Milliarden festgelegt.

Wenn man den Bereich Infrastruktur anschaut, kriegt man überhaupt das Augen- und Ohrensausen. Im Bereich der Infrastruktur der Eisenbahn hat Ihr Minister 7 Milliarden Verschuldung hinterlassen! (Abg. Ing. Westenthaler: Wie hoch ist die Verschuldung der Gewerkschaft? Wie viele Schulden habt ihr?) Bei der Asfinag eine noch höhere Verschuldung – die Asfinag steht eigentlich an der Grenze ihrer Existenz. (Abg. Ing. Westenthaler: Als Gewerkschafter von dem reden, ist kühn!) In Wirklichkeit, glaube ich, sollte man da nicht hinterfragen, warum Finanzierungsmaßnahmen notwen­dig sind.

Herr Klubobmann, eines ist evident – der Herr Sozialminister hat das gesagt, und ich möchte es betonen –: Es wird bis 1. Jänner 2008 zu einer Neuordnung im Bereich der Invaliditätspension kommen müssen, weil es dort auch sehr gravierende Ungerechtig­keiten gibt. (Abg. Ing. Westenthaler: Kürzen?)


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Die „Hacklerregelung“ oder eine ähnliche Lösung wird für länger als bis 2007 notwendig sein, dazu bekennen wir uns. Und die Schwerarbeiterregelung, Herr Klub­obmann, würde ich sagen, ist so missglückt, dass sie fast lächerlich ist. Es gibt auch nur sieben Bewerbungen, weil die Verordnung einfach ein Murks ist! (Abg. Ing. Westenthaler: Deshalb wird sie auch weitergeführt!)

Herr Klubobmann, ich würde es so formulieren: Sie sitzen im Glashaus – werfen Sie bitte nicht mit Steinen! (Beifall bei der SPÖ.)

16.13


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Amon zu Wort gemeldet. Wunschredezeit: 8 Minuten. – Bitte.

 


16.13.11

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bun­deskanzler! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Haberzettl, nicht böse sein, aber: Ein bisschen kühn ist es schon, zu sagen, dass Klubobmann Westenthaler schuld daran sei, dass die Arbeitsagenden nicht im Sozialministerium, sondern im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit sind. – Sie sind vielleicht dort, weil Martin Bartenstein sehr erfolgreich die Arbeits­marktpolitik gemacht hat. Deshalb sind sie dort. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben Gott sei Dank auch seit dem Sommer die Trendwende auf dem Arbeits­markt geschafft, und zwar mit einem guten, offensiven arbeitsmarktpolitischen Pro­gramm – 285 Millionen € sind in diesen Bereich geflossen –, und dieses Programm wird offensiv fortgesetzt, damit diese Trendwende anhält. Das Ziel bleibt, wie Vizekanzler Molterer heute schon gesagt hat, die Vollbeschäftigung, meine Damen und Herren, Vollbeschäftigung bis 2010, und das ist die wichtigste sozialpolitische Maßnahme, die es überhaupt geben kann. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das Regierungsprogramm – darum verstehe ich die Dringliche Anfrage, die das BZÖ heute eingebracht hat, nicht ganz – enthält einen wirklich sehr umfassenden Teil zur Arbeitsmarktpolitik, zur Sozialpolitik, baut aber auch fast ineinandergreifend auf der bisherigen Regierungspolitik auf, und zwar in sämtlichen Bereichen, im Pensions­sicherungsbereich ebenso wie in der aktiven Arbeitsmarktpolitik.

Darum verstehe ich die heutige Dringliche nicht ganz (Abg. Ing. Westenthaler: Nein, ich habe es ja gesagt!), weil Sie damit ein wenig die eigene Sozialpolitik in Frage stellen, wozu Sie eigentlich überhaupt keinen Grund haben, meine Damen und Herren vom BZÖ! (Abg. Ing. Westenthaler: Habe ich am Anfang gesagt!)

In diesem Programm sind eine Fülle von Maßnahmen enthalten, die, glaube ich, sehr sinnvoll sind. Wir definieren den Mindestlohn etwa im Wege eines von den Sozial­partnern zu verhandelnden Mindestlohns von 1 000 €. Wir haben im Bereich der Jugendbeschäftigung etwa die Bildungsgarantie bis 18 Jahre ausdrücklich angeführt – eine wichtige Maßnahme gerade auch für Jugendliche, die keine Arbeit finden oder sich schwer tun.

Wir bekennen uns dazu, dass der sehr erfolgreiche Blum-Bonus weiter verlängert wird – ich glaube, eine wichtige Maßnahmen –, weiters zum Ausbau der Pflege­vorsorge. Letztlich geht es aber auch um die Sicherung des Pensionssystems in der Form, dass die Pensionssicherungsreform, die wir gemacht haben, auch weiterhin Bestand hat.

Und wir haben letztlich – das halte ich für besonders wichtig, gerade im Hinblick auf intergenerative Gerechtigkeit und im Hinblick auf die Frage, dass wir es unterstützen wollen, dass sich Frauen auch für Kinder entscheiden können – etwa auch weitere


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Verbesserungen im Zusammenhang mit der Pensionsbemessung bei den Kinder­erziehungszeiten in das Koalitionsübereinkommen geschrieben.

Nun komme ich zu einem wichtigen Punkt, der in der heutigen Debatte auch schon Thema war – Herr Sozialminister Buchinger ist umfassend darauf eingegangen –, und zwar die Frage der Armutsbekämpfung auf der einen Seite und die intensive Debatte um eine sogenannte Grundsicherung auf der anderen Seite.

Wir als Österreichische Volkspartei haben uns relativ klar gegen eine Grundsicherung ohne Arbeit ausgesprochen, weil es schon sehr problematisch und durchaus auch nicht im Sinne etwa der christlichen Soziallehre ist, dass es ein Grundeinkommen ohne Arbeit – die Pension jetzt ausgenommen – auf Dauer gibt, denn Arbeit ist Teil der Sinnerfüllung des Lebens, und daher ist ein Einkommen ohne Arbeit auf Dauer sozusagen auch gegen die Würde des Einzelnen gerichtet. Darum würde ein Grund­einkommen ohne Arbeit jedenfalls niemals die Zustimmung der Volkspartei finden, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Deshalb ist es auch in den sehr interessanten Verhandlungen mit Herrn Sozialminister Buchinger zu dieser bedarfsorientierten Mindestsicherung gekommen. Wir haben uns hier im Hohen Haus darauf verständigt, dass wir etwa bei den Pensionen mit den 726 € so etwas wie eine Mindestpension einführen. Ich glaube, dass das eine sehr vernünf­tige Maßnahme ist.

Wir haben uns im Koalitionsübereinkommen aber auch dazu bekannt, dass wir uns etwa im Wege des Arbeitslosengeldes, der Arbeitslosenversicherung über Nettoersatz­raten unterhalten und nicht automatisch etwa die 726 € hier auch als Arbeitslosen­entgelt anlegen, weil das tatsächlich zu einer Fülle von Ungerechtigkeiten führen würde, wenn dann jemand plötzlich aus dem Arbeitslosenentgelt zu einem höheren Einkommen kommen könnte, als er mit Erwerbsarbeit erhalten hat. Das wäre nicht fair, das wäre nicht gerecht und das wäre gegenüber jenen, die arbeiten, natürlich auch nicht zu argumentieren.

Wir haben darüber hinaus – das, glaube ich, ist schon auch wichtig im Zusammenhang mit der Frage der Arbeitslosigkeit (Zwischenruf des Abg. Öllinger) und diesbezüglicher sozialer Unterstützungen – natürlich auch die Frage der Arbeitswilligkeit ins Zentrum gestellt.

Es geht schon darum, dass jemand, der in die zweifelsohne schwierige Situation von Arbeitslosigkeit kommt, natürlich unterstützt werden muss. Dem muss geholfen wer­den, durch Weiterbildung, durch Schulungsmaßnahmen, auch finanziell (Abg. Öllinger: Welche Schulungen?), aber selbstverständlich muss auch der Anspruch der Gesellschaft bestehen bleiben, dass jemand, der in diese Situation kommt, von sich aus zurück in den Arbeitsprozess will und sich nicht gleichsam hier in die viel zitierte soziale Hängematte legt. Ich halte das für einen wichtigen Punkt. Und deshalb ist es auch in Ordnung, wenn man bei den Zumutbarkeitsbestimmungen gerechter und praxisnäher wird, dass auch Arbeitsplätze anzunehmen sind, die es dann auch tat­sächlich in dem Gebiet und in der Region gibt. Denn mitunter werden hier auch Arbeitsplätze angeboten, die es vor Ort dann nicht gibt. Und dass sich dann natürlich jemand schwer tut, liegt, glaube ich, auf der Hand.

Zum Schluss kommend: Bei all der sozialen Gerechtigkeit und sozialen Fairness, die notwendig sind, und bei all der Sozialhilfe, für die wir alle kämpfen, um es jenen Mitbürgerinnen und Mitbürgern zu erleichtern, die es eben schwer im Leben haben, darf man eines, glaube ich, nicht übersehen: Alles, was hier an Mitteln ausgeschüttet wird, muss zunächst erwirtschaftet werden! Deshalb müssen im Zentrum der Politik natürlich auch die Absicherung des Wirtschaftsstandortes, die Förderung der Leis­tungs­willigkeit und die Entlastung der Bürger, die bereit und imstande sind, zu leisten,


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stehen, damit wir uns ein Sozialsystem auch leisten können und ein gutes Sozial­system auch weiterhin finanzierbar bleibt. (Beifall bei der ÖVP.)

16.20


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Öllinger. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte.

 


16.20.41

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Wertes Hohes Haus! Ich möchte Ihnen sagen: Manches an diesen neuen Umständen ist schon noch gewöhnungsbedürftig!

Herr Kollege Westenthaler, wenn etwa ein Vertreter des BZÖ dieser neuen Bundes­regierung vorwirft, dass sie ihre Prinzipien verrät, dann muss ich festhalten bezie­hungsweise fragen: Wer hat sich denn 2000, als das Sozialministerium übergeben wurde, die Agenden Arbeitsmarkt, Arbeitsrecht und Arbeitsinspektion wegnehmen lassen beziehungsweise hat diese weggegeben? Wer war es denn, wenn nicht die FPÖ beziehungsweise das BZÖ, die sich 2003 auch noch die Agenden Gesundheit und einen Gutteil der Agenden Sozialversicherung aus dem Sozialressort wegräumen lassen haben? – Das war doch die FPÖ beziehungsweise das BZÖ!

Wer war es denn, der uns 2003 als Sozialminister erklären wollte, dass das, was im Bereich Pensionen mit der ÖVP verhandelt wurde, ein toller Erfolg ist, obwohl Pensionskürzungen von 30 bis 50 Prozent beinhaltet waren? Ich habe es noch gut im Ohr: Es war Herr Kollege Haupt! Er hat sich hergestellt und hat gesagt: Das ist super! Das ist das Beste! – Und erst der breite Protest der Öffentlichkeit hat bewirkt, dass Sie und auch die ÖVP diese Pensionskürzungen – zumindest teilweise – zurücknehmen mussten. So schaut es aus, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Sie sind offen­sichtlich der rote Pflichtverteidiger!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer war es denn, der 2003 in das Regie­rungsabkommen hineingeschrieben hat, dass es 1 000 € Mindestlohn für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geben soll, und dann nichts gemacht hat? – Reden Sie sich jetzt nicht auf die Sozialpartner aus, denn mit diesen hätten Sie auch reden können! Jetzt herzugehen und das zu kritisieren, ist zwar gut und recht! Das sage ich auch! Die SPÖ braucht sich nicht weiter abräumen zu lassen. Das halten wir einmal fest. Ich halte es aber für unerträglich – und auch für ein Riesenproblem, Herr Sozialminister! –, dass die Sozialdemokratie, die sich ein Sozialministerium ohnehin schon, wie ich es gerade beschrieben habe, hat zergliedern lassen, jetzt auch noch freiwillig daran mitwirkt, dass das Sozialministerium noch weniger Kompetenzen hat.

Ich erläutere Ihnen das, und man braucht dabei nicht auf diesen ständestaatlichen Streit zwischen Wirtschaft und Arbeit beziehungsweise Sozialministerium zurückgehen. Ich erkläre Ihnen das Ganze am Beispiel des Problemkomplexes von Unfällen: Für die Verhinderung von Unfällen beziehungsweise deren Kontrolle ist das Wirtschaftsminis­terium zuständig. Für die Verhinderung von Unfällen und die entsprechende Bezah­lung – also teilweise für das Gleiche – ist nicht das Sozialministerium, sondern das Gesundheitsministerium zuständig. Und nur bei jenen Unfällen, durch welche es zu Unfallopfern gekommen ist, die damit zu Pensionisten geworden sind, ist das Sozial­ministerium zuständig.

Man verbindet also mittlerweile mit dem Sozialministerium etwas völlig anderes, als es tatsächlich ist. Das Sozialministerium ist nur mehr für Pensionisten, für Pflege bezie­hungsweise für behinderte Menschen zuständig. Möglicherweise sind Sie auch noch


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für den Konsumentenschutz zuständig. Diesbezüglich, Herr Bundesminister, war Ihre Antwort enttäuschend beziehungsweise haben Sie die Antwort vergessen. Wir hätten nämlich schon gern gewusst, ob Sie jetzt wirklich zuständig sind oder nicht!

Aber nun noch einmal kurz zurück zu der Ressortfrage, denn dabei geht es funda­mental um viel. Die jetzige Segmentierung im Bereich Soziales durch die ministeriellen Kompetenzen tut der Sozialpolitik nicht gut. Das wissen Sie, das weiß ich, und das wissen einige andere auch! Daraus sollte man keine billige Polemik machen, denn das ist ein Faktum! Dass sich die Sozialdemokratie in diesen Regierungsverhandlungen dazu hergegeben hat, sich auch noch den Rest der Sozialpolitik abkaufen zu lassen, ist ein großes Versagen! (Beifall bei den Grünen.)

Ich komme zurück zu einem Thema, das ich bereits angesprochen habe: Mindest­lohn. – 2003 wurde das im Regierungsprogramm festgehalten, geschehen ist aber nichts. Auch das BZÖ hat nichts gemacht. Jetzt haben wir aber bereits 2007, und Sie klatschen einander jeweils Zustimmung zu und sagen: Wir werden jetzt die 1 000 € durchsetzen.

Dazu sage ich: Himmel, Herrgott! Wir haben 2007, und die 1 000 €, die damals schon als Mindestlohn zu wenig waren, sollten jetzt zumindest mit 1 100 € beziffert werden! Herr Bundesminister, arbeiten Sie bitte nicht wieder mit diesen Beträgen von 1 100 € oder 1 200 €! Gehen wir doch stattdessen zu Stundenlöhnen über, denn das wäre eine ehrliche Beschreibung dessen, was man leisten muss! Bei 1 100 € oder 1 200 € kann man wiederum nicht festmachen, ob das für 35, für 38, für 40 oder gar für 45 Stunden ist! Warum verwenden wir als Berechnungsbasis nicht den Stundenlohn? Dann würden wir nämlich sehen, dass 1 000 € wirklich verdammt wenig sind!

Dann würden wir aber auch sehen – und ich bitte, diese Anregung mitzunehmen, Herr Bundesminister! –, dass beispielsweise die Gemeinde Wien im Bereich der Schnee­räumung für Tagelöhnerarbeiten in der Nacht noch immer nur 5 € zahlt! Himmel! Herrgott! Wo sind wir denn? Wenn, dann sollten wir diese Debatte für den Bereich der Mindestlöhne ehrlich führen! Und da wird offensichtlich, dass 5 € mit Sicherheit zu wenig sind, ganz egal, ob Sie diesen Betrag auf 45, 40 oder 38 Stunden hochrechnen! (Beifall bei den Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein anderer Punkt wurde ebenfalls leider noch zu wenig angesprochen, nämlich der Bereich der Lehrlinge. Ich greife jetzt nicht die Debatte über die Stipendien auf, obwohl mich das auch jucken würde, wenn der Herr Bundeskanzler jetzt hinter mir sitzt. Ich beschränke mich jedoch auf die Lehrlinge.

Sie haben vereinbart, die Kündigungsmöglichkeiten zu erleichtern. Ich bin betreffend den Beschäftigungseffekt, der bewirkt werden soll, skeptisch. Aber sei es drum: Das ist eine Vereinbarung. Etwas frage ich Sie aber schon, Herr Bundesminister bezie­hungsweise Herr Bundeskanzler: Die Betriebe erhalten Prämien für die Ausbildung von Lehrlingen, wenn sie Ausbildungsarbeit machen, und diese werden extra auch als solche deklariert. Meine Frage: Behält ein Betrieb die Prämie auch dann, wenn jemand gekündigt wird? Sollten wir nicht auch darüber diskutieren, was mit den Prämien geschieht?

Ich sehe schon ein, dass es fraglos eine Verantwortung für ein Unternehmen ist, wenn es sich auf einen schwierigen Jugendlichen einlässt. Es sind nicht alle Jugendlichen gleich, und es ist auch der Ausbildungsgrad zwischen den einzelnen Lehrberufen unterschiedlich. Wir wissen aus den letzten Jahren, dass es ein beträchtliches Maß an Förderungen durch den Bund, die Länder und die Gemeinden gegeben hat. Aber mit der Förderung war selbstverständlich jeweils auch verbunden, dass das Unternehmen die Lehrlinge tatsächlich fördert und gleichsam durch zugegebenermaßen möglicher-


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weise schwierige drei Jahre durchträgt. Was aber geschieht mit den Förderungen, wenn das nicht funktioniert? Darüber muss man, wie ich meine, auch reden!

Ein weiterer Punkt, den auch Kollege Amon angesprochen hat, interessiert mich natürlich besonders. Ich halte diese Debatte, die auch von Seiten der FPÖ geführt wird, nicht mehr aus! Herr Kollege Strache! Sie waren im Wiener Wahlkampf doch selbst einmal für die Grundsicherung! Damals haben Sie immer gesagt: Ja, ich bin dafür! (Abg. Strache: Ja, für Menschen, die auch etwas leisten!)

Was ich jetzt aber nicht mehr aushalte, ist der Vorwurf, dass diese Mini-Grund­sicherung, die Sie jetzt vorstellen, sozusagen eine Verleitung zur Arbeitslosigkeit sein soll! Wovon reden wir? Ich nenne Ihnen die Beispiele: Wir reden von Frauen, die 400 € oder 500 € Notstandshilfe erhalten. Mehr erhalten sie nicht, denn Frauen erhalten im Durchschnitt nicht mehr Notstandshilfe! Mit dieser Mini-Sicherung, die jetzt kommt, kommen vielleicht noch 50 € für die Frau dazu. Wenn sich eine Frau jetzt aber schon gefreut hat, dass Bundesminister Buchinger nun eine Grundsicherung von 726 € versprochen hat, jedoch das Pech hat, in einer Eigentumswohnung zu leben, dann bekommt sie, wenn geprüft wird, möglicherweise nicht einmal einen Euro oder einen Cent mehr! Das kann es doch nicht gewesen sein!

Von Seiten der ÖVP wird immer wieder gesagt: Wir wollen die Leute nicht irgendwie aus dem Arbeitsleben herausnehmen. Sie wissen beziehungsweise wir beide wissen, wovon wir reden. Welche Frauen betrifft das? Es geht dabei um Frauen, die alleinerziehend sind, zwei, drei oder vier Kinder zu versorgen haben, vorher gearbeitet haben und gerne wieder arbeiten würden, was aber natürlich mit allen Betreuungs­pflichten nicht leicht organisierbar ist. Und da gehen Sie her und sagen: Das sind die Drückeberger! Denen muss man das wegnehmen! – Diese Debatte ist doch absurd! (Beifall bei den Grünen. – Präsidentin MagPrammer gibt das Glockenzeichen.)

Auf der anderen Seite sagen Sie impertinenterweise auch noch: Die sollen doch Arbeit annehmen! – Als ob Sie oder irgendjemand dazu einen Beitrag leisten würde! Hören Sie es sich doch selbst in den politischen Debatten an! Da wird gesagt: Es wäre schön, diesen Leuten eine Arbeit zu geben! Aber dann dürften Sie andererseits nicht sagen: Wir als Politiker sind gar nicht dazu da, Arbeit zu geben!

Nehmen Sie sich an der eigenen Nase, und dann werden Sie feststellen, dass Sie bestimmte Debatten anders führen müssten! (Beifall bei den Grünen.)

16.31


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Klubobmann Strache. Wunschredezeit: 8 Minuten. – Bitte.

 


16.31.23

Abgeordneter Heinz-Christian Strache (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Werter Minister! Die Frage des Vertrauensbruchs der Sozialdemokratie in der Sozialpolitik ist sicherlich berechtigt.

Ich möchte aber am Beginn auch anmerken, dass auch ein bisschen der Eindruck entsteht, dass wir hier heute eine gewisse Wehmütigkeit der Orangen mitzuerleben haben, die Rotz und Wasser heulen, weil sie jetzt aus den Ministerien ausziehen mussten und alle Begünstigungen verloren haben: Blaulichter auf den Dienstwägen sind nicht mehr vorhanden. Die Autobahnvignette ist weg. All das ist schmerzvoll. Das verstehe ich schon!

Wenn man sich dann aber herausstellt und den Verrat der SPÖ an ihrer Wählerschaft zu Recht anprangert, dann muss man, wie ich meine, zunächst schon bei sich selbst anfangen und sich an der eigenen Nase nehmen. – Ich sage: Da können sich Dr. Haider, Ing. Westenthaler und Dr. Gusenbauer die Hände reichen! Sie alle haben


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nämlich leider Gottes gegenüber ihrer Wählerschaft Verrat geübt, und man hat ja auch die Rechnung dafür präsentiert bekommen! (Beifall bei der FPÖ.)

Es tut natürlich weh, wenn man das anspricht, ich spreche es aber dennoch an, weil es letztlich richtig ist. (Zwischenruf des Abg. Scheibner.)

Nun aber zurück zum sozialen Gewissen der Sozialdemokratie: Es hat in vielen Bereichen einen Vertrauensbruch gegenüber den Wählern gegeben. Wir haben hier x-fach die Pensionistenfrage besprochen. Das wird jetzt immer so weggewischt! Man muss das aber einmal betonen: Nettopensionen von 1 215 € im Monat haben letztlich bis zum Jahr 2006 93 € an Kaufkraft verloren! Somit gab es jahrelang Verluste, und es wurde jahrelang nicht angepasst. (Abg. Mag. Wurm: Da waren Sie mit dabei!) Jahre­lang hat die Vorgängerregierung diesbezüglich versagt! Kaum hatten Sie jedoch die Chance, das gutzumachen, haben Sie mitgespielt bei diesem Verrat an den Pensionisten und haben nur 1,6 Prozent möglich gemacht!

Genau das muss man anprangern, denn es ist sozialpolitisch nicht verantwortlich, die Pensionisten unter der Inflationsrate sozusagen abzufertigen und sich dann zu wun­dern, wenn es zu einer schleichenden Verarmung kommt! Sie können sich doch nicht wundern, wenn die Lebenshaltungskosten permanent steigen und sich gerade jene Menschen, die ein Leben lang etwas geleistet haben, immer weniger leisten können und Probleme damit bekommen, den Strom, das Gas und die Miete zu bezahlen! Das ist Ihre fehlende sozialpolitische Verantwortung! Um diese geht es!

Mindestpensionistinnen sind mir im Wahlkampf entgegengekommen, Frauen und Mütter, die zwei, drei oder vier Kinder großgezogen haben und sogar 36, 37 bis 38 Jahre Sozialversicherungsbeiträge geleistet haben, dann aber mit 450 € Pension sozusagen abgefertigt wurden. Das tut einem im Herzen weh! Es tut einem wirklich weh, dass es überhaupt Menschen in Österreich gibt, die mit so einer Pension sozu­sagen abgefertigt beziehungsweise abgespeist werden. (Abg. Mag. Wurm: Daher ist es gut, dass jetzt die SPÖ wieder in der Regierung ist!) Ich hätte mir von Ihnen erwartet, dass Sie genau da gegensteuern! Aber Sie haben nichts gemacht!

Deshalb muss man leider auch sehr zynisch festhalten: Machtbesessenheit kann man Dr. Gusenbauer nicht vorwerfen, denn Macht hat er heute als Kanzler keine. Wenn, dann ist es Amtsbesessenheit, wobei ihm offensichtlich der Schein wichtiger als das Sein ist. In diesem Zusammenhang kann man vielleicht auch Karl Marx bemühen: Bei Bundeskanzler Gusenbauer bestimmt offensichtlich der Schein das Bewusstsein. Anders ist das nicht zu werten.

Schauen wir uns doch all die sozialpolitischen Vertrauensbrüche an! Wo findet denn, bitte, Armutsbekämpfung statt? Wir finden heute Armut sowohl bei Jung und Alt! Armut gibt es heute bei jungen Menschen, die nach der Schule eine Lehrstelle suchen, aber keine finden und überhaupt keine Chance haben, irgendwo unterzukommen. Und dann geht man her und weicht auch noch den Kündigungsschutz bei den Lehrlingen auf, anstatt die überholten Bestimmungen, die es heute im Lehrlingsbereich gibt, zu verändern!

Dann hätte man heute zum Beispiel die Bestimmung für einen Tischler ändern müs­sen, dass er, wenn er hobelt, auch den Dreck aufkehren soll und nicht, wie es heute geregelt ist, diesen nicht aufkehren muss. Das sind unsinnige Bestimmungen! Dafür gibt es unzählige Beispiele, bis hin zum Bäcker, der seine Torten nicht ausliefern darf, die er gebacken hat, und der, wenn ihm der Lehrherr das anschafft, zur Gewerkschaft gehen kann und dann von der Gewerkschaft unterstützt wird. – Das sind die Unsinnigkeiten, warum Unternehmer heute nicht oder immer weniger bereit sind, mehr Lehrlinge aufzunehmen! Und dann lockern Sie den Kündigungsschutz! Das ist genau


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der falsche Weg! Sie lassen diese jungen Menschen, die unseren Schutz brauchen, wiederum im Stich!

Auf genau diese Art geht das weiter. Ich rede jetzt gar nicht von all den Belastungen, die kommen werden. Das habe ich heute schon gesagt: 3 Milliarden € an Einsparungs­maßnahmen finden sich Regierungsprogramm; das ist nachzulesen. Und das werden keine Einsparungen sein, sondern das werden weitere Belastungen sein, die auf die Menschen zukommen werden.

Vom Eurofighter wissen wir, dass Sie diesen werden bezahlen müssen. Sie haben nämlich nicht dafür Sorge getragen, dass hier letztlich eine Veränderung vonstatten geht und andere soziale Initiativen möglich werden.

Im Pflegebereich haben Sie bei dem mitgespielt, was wir auch im Wahlkampf kritisiert haben, nämlich bei der Legalisierung von illegalen Pflegekräften. Da haben Sie alles ohne Ausnahme über einen Kamm geschert, ohne an einen entsprechenden Befähi­gungsnachweis und somit auch an die österreichischen Pflegekräfte zu denken, die arm sind. Diese werden nämlich verdrängt und fallen unter Lohndumping. Sie reden immer von einer Krise. Wenn man dann aber im Ausbildungsbereich bei den Pflegeberufen nachschaut, dann kommt man drauf, dass sich beispielsweise in der Steiermark jährlich 500 junge Menschen bewerben, um eine Ausbildung im Pflegebereich zu erhalten, 250 jedoch abgewiesen werden, weil man dort angeblich gar nicht so viele junge Menschen braucht!

Wir hören einerseits permanent, dass es in diesem Berufssegment eine Krise gibt, wenn aber unsere jungen Österreicher diesen Beruf erlernen wollen, dann lehnt man sie ab! Da stimmt doch etwas nicht! Und genau um diese Falschheit geht es! Bei der Gruppenbesteuerung haben Sie mitgespielt. Wo bleibt hier Ihr soziale Verantwortung, etwas zu verändern? Das geht bis dahin, dass sie nicht bereit sind, eine sofortige Erhöhung des Pflegegeldes sicherzustellen! Auch da zögern Sie letztlich wieder hinaus und haben lediglich Arbeitsgruppen angesetzt

Auch die Grundsicherung wurde angesprochen. Herr Kollege Öllinger, ja, ich bin für eine Grundsicherung, wenn man von den Menschen für diese Grundsicherung auch eine Gemeinschaftsleistung erwartet und erwarten kann. Dafür bin ich, nicht aber für ein arbeitsloses Grundeinkommen. Da liegt der Unterschied zwischen unserer Fraktion und Ihrer! (Beifall bei der FPÖ.)

Rechnen Sie es sich einmal aus, wenn man heute von einem Mindestlohn von 1 000 € ausgeht, was das netto bedeutet! Das ist nicht viel mehr als diese Grundsicherung, die Sie als arbeitsloses Grundeinkommen planen! Wozu soll dann eine Halbtagskraft heute noch arbeiten gehen? Wozu soll ein Hilfsarbeiter dann noch arbeiten gehen? Wozu soll eine Billa-Verkäuferin dann noch um 800 € arbeiten gehen, wenn sie in die Arbeits­losigkeit geht und eine Grundsicherung von 726 € erhält? Das ist widersinnig! Da muss man auch einmal kritikfähig sein und das hinterfragen!

Das ist ein Schlag ins Gesicht für fleißige Menschen, die arbeiten! Die wollen einen gescheiten Lohn und nicht so niedrige Löhne, wie sie heute bezahlt werden! Und wenn die Leute Steuern zahlen, dann wollen sie auch gesichert wissen, dass jene, die unsere soziale Hilfe und Unterstützung wollen und brauchen, diese auch einfordern können, dass sie aber auch bereit sind, etwas für die Gemeinschaft zu leisten. Das ist ein Geben und Nehmen. Darüber und über einen gerechten Verteilungsschlüssel muss man diskutieren.

Ganz kurz zu den Studiengebühren: Auch das ist eine soziale Frage. Qualität ist nicht gesichert, kassiert wird aber. Da gibt es in Österreich Systeme wie in Innsbruck, in deren Rahmen für die Wirtschaftsstudienrichtungen 1 000 Punkte vergeben werden,


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und die Studenten müssen dann wie auf dem Spekulationsmarkt Punkte setzen, damit sie an irgendeiner Vorlesung teilnehmen dürfen. Da gibt es 500 Punkte für eine Vorlesung und 500 Punkte für eine zweite, und jemand hat vielleicht Pech und kann keine Vorlesung in einem Semester besuchen, weil er zuwenig gesetzt hat, muss aber trotzdem Studiengebühren zahlen. Das gibt es in Innsbruck!

Es gibt Fälle an österreichischen Universitäten, wo man zwölf bis 18 Monate auf eine Prüfungsbeurteilung warten muss. Die Qualität muss man verbessern, und deshalb sage ich: Die Studiengebühren in der heutigen Form gehören abgeschafft, weil sie in Wirklichkeit nichts von dem, was versprochen wurde, bewirkt haben, sondern vielmehr das Gegenteil. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich komme zu einer Schlussfolgerung: Wer geglaubt hat, dass die Wetterkapriolen, die wir aktuell erleben, das Einzige ist, was momentan absurd ist, der ist heute eines Besseren belehrt worden, denn die Regierungskapriolen, die wir aktuell erleben, sind noch absurder als die Wetterkapriolen. Und wenn man Dr. Gusenbauer als Bundes­kanzler mit seinen Vorgängern Vranitzky und Klima vergleicht, dann muss man sagen: Das waren ja im Vergleich zu ihm geradezu Sozialrevolutionäre! – Das ist das, was man enttäuschenderweise feststellen muss. (Zwischenrufe bei der SPÖ. Abg. Prähauser: Ein Stückerl übertrieben!)

Aber damit werden Sie leben müssen, und Sie werden den Menschen erklären müs­sen, warum Sie in all diesen Bereichen letztlich umgefallen sind, warum Sie nicht den Mut gehabt haben, etwas zu ändern. Wir werden heute mit einem Antrag für eine Nagelprobe bei den Studiengebühren sorgen. (Beifall bei der FPÖ.)

16.41


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es hat sich nun der Herr Bundeskanzler zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


16.41.21

Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mir gedacht, nach der ausführlichen Beantwortung der Dringlichen Anfrage durch den Herrn Sozialminister ist der Informationsstand beim Herrn Klubobmann Strache und beim Herrn Klubobmann Westenthaler etwas angestiegen.

Gerade aber Ihr letzter Redebeitrag, Herr Klubobmann Strache, veranlasst mich schon, Sie Folgendes zu fragen (Abg. Dr. Graf: Umgekehrt! Das Parlament fragt, nicht der Minister beziehungsweise der Kanzler!): Glauben Sie, dass eine Erhöhung der Mindestpension – nämlich der Ausgleichszulage – um über 5 Prozent, was dazu führt, dass in Österreich kein Pensionist und keine Pensionistin mehr eine Pension unterhalb der Armutsgrenze haben wird, ein sozialer Skandal ist? – Ich glaube nicht. (Abg. Strache: Das hab’ ich ja nicht angesprochen!) Ich glaube, das ist ein wesentlicher sozialpolitischer Fortschritt.

Es gibt damit nur drei Länder in der gesamten Europäischen Union, wo kein Pensionist und keine Pensionistin unter der Armutsgrenze leben. (Abg. Strache: Stimmt ja nicht! Falsch!) Darauf sollten wir stolz sein und das nicht zur Verunsicherung der Menschen in unserem Land gebrauchen! (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Zweiten, wenn es um das Pensionsniveau geht: Sie haben Recht, dass es in den letzten Jahren einen Kaufkraftverlust der Pensionisten gegeben hat, aber wir stellen fest, dass die Pensionserhöhung, die jetzt stattgefunden hat, für alle Pensionistinnen und Pensionisten eine Abgeltung der Teuerungsrate bedeutet und der Unterschied zu dem Pensionistenpreisindex sozial, gerecht und fair auf die unterschiedlichen Einkom­mensgruppen verteilt wurde.


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Das heißt, ein jeder kriegt zumindest die Teuerungsrate abgegolten und zusätzlich noch eine Einmalzahlung (Abg. Öllinger: Nein!), und das in Zeiten, wo Sozialpolitik in dieser Regierung wieder im Vordergrund steht. Ganz im Gegenteil zu Ihren Behaup­tungen versuchen wir den Pensionistinnen und Pensionisten das zu geben, was sie brauchen, um Würde im Alter auch realisieren zu können. Das halten wir für wichtig.

Zum Dritten: Sie sagen, es kommt zu einer schleichenden Verarmung der Pensionis­ten. – Man muss sich vorstellen: in einer Situation, wo nicht nur die Inflationsrate abgegolten wird, sondern wo es eine Zusatzzahlung gibt (Abg. Strache: Nicht einmal die Inflationsrate!), wo dazu noch die Mindestpensionen überproportional erhöht wer­den, von einer schleichenden Verarmung der Pensionisten zu reden! (Abg. Strache: Es wird die Inflationsrate nicht abgegolten! Das ist der Punkt!)

Da muss ich Ihnen sagen: Es tut mir leid, da versuchen Sie einen großen Teil der Bevölkerung in unserem Land zu verunsichern, was nicht gerechtfertigt ist, weil heute wieder mehr als jemals zuvor für die Pensionisten und Pensionistinnen in Österreich getan wird. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn Sie über wesentliche Fragen der Versorgung sprechen, dann sage ich Ihnen: Wer werden die Hauptprofiteure jener Regelung sein, die wir im Gesundheitsbereich getroffen haben? – Die Rezeptgebührenselbstbehalte werden auf 2 Prozent des Monatseinkommens beschränkt werden. Das bedeutet bei einer Pension von 1 000 € nicht mehr als 20 € Rezeptselbstbehalt. (Abg. Strache: 450 € ...!)

Soll ich Ihnen etwas sagen? – Ich habe viele ältere Frauen getroffen, die keine 1 000 € verdienen, die aber über 100 € pro Monat an Selbstbehalten für Rezepte ausgeben müssen, und die ersparen sich mit dieser Regelung über 80 € und manchmal sogar 100 € pro Monat. (Abg. Strache: Den Selbstbehalt habt ihr eingeführt!) Das verstehe ich unter sozialer Fairness für die Pensionistinnen und Pensionisten in unserem Land! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn Sie davon sprechen – und ich habe Ihnen genau zugehört! –, welcher Art von Mindestsicherung Sie zustimmen und welcher nicht, dann würde ich Sie einladen: Unterschreiben Sie das Regierungsübereinkommen (Abg. Strache: Nein!), denn genau dort ist eine bedarfsorientierte Mindestsicherung festgehalten (Abg. Strache: Es gibt keine Leistung!), die dann zur Anwendung kommt, wenn der oder die Betroffene die Bereitschaft zur Arbeit, zur Ausbildung oder zu einer gemeinnützigen Tätigkeit hat! (Abg. Strache: Die Bereitschaft! Aber Sie verlangen es nicht! Sie müssen es fixieren!)

Das heißt, Herr Strache: Regierungsprogramm nachlesen, Einkehr halten und Regie­rungsprogramm unterschreiben! Wir freuen uns sehr über Ihre Unterstützung unserer guten Vorschläge. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Was Ihre Aussage betrifft, die Jugend würde verarmen: Na ja, das wäre ja genau unser Anliegen, zu sagen, es sollen die 15-Jährigen nicht auf der Straße stehen. Daher gibt es ja die Ausbildungsgarantie bis zum 18. Lebensjahr. Entweder ist ein Jugendlicher in einer Schule, oder er ist in einer Lehre, oder er ist in einer anderen Bildungsmaß­nahme, sei es in einer Lehrwerkstätte oder einer sonstigen Maßnahme.

Damit ist nämlich gewährleistet, dass niemand auf der Straße steht, dass die Gefähr­dungen von hoffnungslosen Jugendlichen durch Alkohol und Drogen abnimmt und dass jeder Jugendliche in unserem Land eine Ausbildungsperspektive hat. – Das ist die beste Methode, um die Armut und die Chancenlosigkeit in Österreich zu bekämp­fen!

Ich sage erneut: Wenn Ihnen das ein Anliegen ist, unterschreiben Sie das Regierungs­programm! (Abg. Strache: Das wäre ein Fehler! Ein schwerer Fehler!) Es würde uns große Freude machen.


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wurde in der Debatte vom Herrn Ing. Westenthaler unzuständigerweise an den Sozialminister die Frage gestellt, wofür denn die Frau Staatssekretärin Silhavy zuständig sei. (Abg. Dr. Graf: Das ist der neue Parlamentarismus, dass Sie die Abgeordneten nicht mehr zu Wort kommen lassen?)

Sie brauchen die Frage nicht an den Herrn Sozialminister zu stellen, Sie können sie an mich stellen. Ich bin ebenfalls gerne bereit, Ihnen die Fragen zu beantworten, und sage Ihnen, dass ich die Frau Staatssekretärin Silhavy neben der allgemeinen Vertretung des Bundeskanzlers im eigenen Wirkungsbereich mit den Angelegenheiten der Regionalpolitik, der Regionalförderung, mit den Angelegenheiten der Verwaltungs­reform und den Angelegenheiten der Bioethikkommission betraut habe. (Abg. Ing. Westenthaler demonstrativ Beifall spendend : Dazu brauchen wir einen Staats­sekretär!)

Das heißt, wenn Sie an der Entwicklung des ländlichen Raumes interessiert sind, an der österreichischen Raumordnungskonferenz teilnehmen und bei der Regional­förderung mitreden wollen, dann wenden Sie sich vertrauensvoll an die Frau Staatssekretärin, sie wird Sie gerne empfangen. (Beifall der SPÖ. Abg. Dr. Graf: Weiß der Herr Buchinger nicht alles, sodass Sie da einspringen müssen? Bundes­kanzler Dr. Gusenbauer: Nein, aber da bin ja ich zuständig, nicht er! Abg. Mag. Stadler: Es war Redezeit im Fernsehen! Schon klar!)

16.47


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Dolinschek. 10 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


16.47.46

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Werte Vertreter auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Herr Bundesminister, die Mindestsicherung – das hat man bei der Beantwortung der Dringlichen Anfrage gesehen – war sozusagen Ihr „Hobby“, Ihr Einstand in die Bundesregierung – auch bei den Verhandlungen. Sie haben ein Hauptaugenmerk darauf gerichtet.

Ich muss sagen: Eine gewisse Vorarbeit für eine bedarfsorientierte Mindestsicherung haben wir in der Vergangenheit, in den letzten Jahren geleistet, als wir die Verant­wortung hier im Hohen Haus und in der Bundesregierung gehabt haben, als wir die Ausgleichszulagen wesentlich erhöht haben.

Von 1999 bis 2006 ist ja die Ausgleichszulage bei den Alleinstehenden um 100 € erhöht worden, und die jetzige Erhöhung der Ausgleichszulage für Alleinstehende auf 726 €, was groß in Ihrem Regierungsprogramm steht, hat noch die alte Bundes­regierung beschlossen. – Das ist eine Tatsache! (Beifall beim BZÖ.)

Das war eine wesentliche Erhöhung der sozialen Absicherung in Österreich, und ich muss dazu noch sagen: Herr Bundeskanzler, wenn Sie von sozialer Fairness gesprochen haben, so darf ich Ihnen sagen, es ist auch Auslegungssache, wie man sie angeht, denn zwischen einer Mindestsicherung und einem Mindestlohn muss eine gewisse Differenz bestehen, damit auch der Anreiz da ist, einer geregelten Arbeit nachzugehen und Beiträge einzuzahlen, damit man dann in der Sozialpolitik, die natürlich immer auch eine gewisse Umverteilungspolitik ist, dieselbe auch gewähr­leisten kann.

Herr Bundesminister für Soziales, ich habe aber vernommen, dass Sie gesagt haben, soziale Sicherheit sei nicht nur Verteilungssicherheit, sondern es spielten auch andere Komponenten mit. Das finde ich sehr gut, weil natürlich Voraussetzungen vorher geschaffen werden müssen, dass diese Verteilung auch gemacht werden kann, sodass


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auch jene Leute, die es im Leben nicht so leicht haben, in einem Sozialstaat wie dem unsrigen Unterstützung bekommen. Natürlich muss damit aber auch hausgehalten werden, und diesen wichtigen Aspekt sollten wir beibehalten.

Ich glaube, dass eine bedarfsorientierte Mindestsicherung – wir schauen uns noch genau an, wie Sie das dann im Detail machen werden – einiges für sich hat. Es kann aber nicht nach dem Gießkannenprinzip vorgegangen werden, sondern es müssen gewisse Kriterien vorhanden sein, und vor allem muss es einen Unterschied zum Mindestlohn geben. Wenn es heute einen Mindestlohn von 1 000 € geben sollte, so ist das ja schon bald überholt, denn das sind 1 000 € brutto, Steuern zahlt man dafür ja keine, aber wenn man die Sozialversicherungsbeiträge abrechnet, kommt man auf 850 €.

Sie kommen ja vom Arbeitsmarktservice und wissen das: Wenn Sie einen Arbeitslosen vermitteln wollen, und der hat zu der Arbeitsstätte höhere Fahrtkosten, dann muss man auch dahingehend Rahmenbedingungen schaffen, dass er als Pendler auch die Fahrt­kosten zu 100 Prozent zurückerhält, denn sonst ist das ja kaum machbar, dass jemandem, der wesentlich weiter zur Arbeit fährt und höhere Kosten hat, diese dann auch abgegolten werden. – Das muss aber schon gewährleistet sein, und darauf ist natürlich auch Bedacht zu nehmen.

Wenn ich mir jetzt das neue Regierungsprogramm so anschaue und an die Reden der sozialdemokratischen Fraktion in der Vergangenheit zurückdenke, so muss ich sagen: Es ist immer wieder von „Rentenklau“ oder „Pensionsklau“ gesprochen worden und von einer unsozialen Pensionsreform, die ungerecht und frauenfeindlich gewesen sei. Wenn ich mir aber dieses Regierungsprogramm anschaue, so muss ich feststellen, dass das im Prinzip eine Fortschreibung des Programms der letzten sieben Jahre ist.

Wir haben auf Grund der absehbaren und eingetretenen Entwicklungen das System nachhaltig umgestellt, um es an die neuen Herausforderungen anzupassen, um finanziell stabil und zukunftsgerecht zu sein und gleichzeitig den sozialen Zusam­menhalt zwischen den Jungen, die im Erwerbsleben stehen, und jenen, die im Ruhestand sind, zu gewährleisten, sodass es eine gewisse Ausgewogenheit zwischen den Jungen und den Älteren gibt. – Das ist ebenfalls passiert.

Wenn ich mir im Gegensatz dazu anschaue, dass man gesagt hat, die Pensions­harmonisierung wolle man jetzt weiterführen, Länder und Gemeinden sollten mit einbezogen werden: No na nicht! Hätten Sie in der letzten Periode bei der Pensions­harmonisierung mitgestimmt, wären die Länder und Gemeinden schon mit dabei gewesen, dazu hätten wir eine Zweidrittelmehrheit gebraucht. Oder nicht? (Beifall beim BZÖ.)

Die Hacklerregelung wird von Ihnen immer wieder als „Murks“ geschmäht. – Der Herr Gewerkschaftler Haberzettl sagt: Hacklerregelung, Schwerarbeiterregelung – ein großer Murks. – Das sagt einer, der den Gewerkschaftsbund in die Pleite geführt hat! Es ist so: Aber schuld sind immer die anderen, nie sie selbst! Schuld sind alle anderen, genauso wie es seinerzeit bei der Pleite des „Konsum“ war. – So ist es nun einmal.

Aber keiner sagt, die Hacklerregelung und die Schwerarbeiterregelung heben wir auf. – Das passiert nicht, weil es ein gutes System ist, weil wir es geschafft haben, gewisse Übergänge abzufedern, wenn es nicht die Möglichkeit einer frühzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer gibt. – Dafür ist die Hacklerregelung da, da zählen die Beitragszeiten. Aber Sie werden, Herr Bundesminister, wahrscheinlich wissen, dass heute nur 15 Prozent jener Leute, die in die Pension eintreten, 45 Versicherungsjahre erreichen. Die anderen gehen schon früher: Jedes Jahr gehen 41 Prozent in die Invaliditätspension.


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Das schaue ich mir an, wie Sie die Invaliditätspension richten wollen! Sie haben da einiges zu tun. – Das ist nicht ganz einfach. Ich frage mich aber auch, wie Sie das dann im Jahr 2010 machen wollen: Da haben Sie ja entweder eine abrupte Schlechter­stellung für die anderen Jahrgänge, die dann drankommen, oder Sie führen das weiter. – Meine Ansicht war immer jene, dass wir diese Hacklerregelung einfach moderat weiterführen und nicht irgendwo stehen lassen, sodass man sich darauf einstellen kann.

Die Schwerarbeiterregelung ist auch notwendig, weil es viele Leute gibt, die in ihrem Leben schwer gearbeitet haben und die einfach nicht auf die Beitragszeiten kommen, weil Schwerarbeit oft saisonbedingt unterbrochen wurde und Ersatzzeiten angefallen sind und daher anders bewertet werden muss. Die Nachverfolgung von Schwer­arbeitszeiten ist nur im letzten Arbeitsabschnitt möglich.

Wenn Sie die Mortalitätsrate mit einbeziehen, soll mir das recht sein. Wir haben das in verschiedenen Arbeitkreisen erörtert. – Das war nicht immer ganz einfach, weil es einfach mangelnde Aufzeichnungen darüber gibt. Daher ist es ja auch der Fall, dass wir nur die letzten 20 Jahre einbeziehen, weil es vorher einfach zu wenige Aufzeich­nungen in diesem Bereich gibt.

Das trifft aber auch auf andere Bereiche zu: Das Kinderbetreuungsgeld wurde ebenfalls immer wieder verteufelt, und es wurde gesagt, das bedeute nichts anderes als Frauen zurück an den Herd. – Heute will das von den geschätzten Damen aus der Sozialdemokratie niemand mehr abschaffen, weil es einfach Wahlfreiheit bietet und weil es nicht an eine unselbständige Beschäftigung gekoppelt ist, sondern Studentinnen, Bäuerinnen und Selbständige ebenfalls ein Kinderbetreuungsgeld bekommen, was beim Karenzgeld nicht der Fall war. (Abg. Mag. Wurm: Flexibilisierung!) – Sie wollen das jetzt flexibel gestalten, ja! (Abg. Mag. Wurm: Ja!)

Sie wollen das flexibel gestalten. – Ich bin immer für eine Flexibilisierung, nur muss man auch aufpassen, wohin die Flexibilisierung dann führt. (Abg. Mag. Wurm: Da haben wir genau geschaut!) Bekommen dann die Frauen weniger? – Momentan sieht es so aus, dass die Frauen mit den 18 Monaten summa summarum weniger bekom­men würden als jetzt mit den 30 Monaten.

Man muss nämlich ein System schaffen, um die Männer zu motivieren, stärker in die Väterkarenz zu gehen. Das können Sie nur mit der Streichung der Zuverdienst­grenze. – Das war immer unser Thema. (Beifall beim BZÖ.)

Die Streichung der Zuverdienstgrenze muss Ihnen gelingen, dann haben Sie auch die Chance, dass sich mehr Männer für die Kinderbetreuung hergeben (Abg. Mag. Wurm: Dass mehr die Chance haben!), denn dann ist das Einkommen egal.

Schaffen Sie in der roten Gewerkschaft doch andererseits endlich einmal gleichen Lohn für gleiche Arbeit für die Frauen! Schaffen Sie das! (Beifall beim BZÖ.)

Bei der Pension und anderen Bereichen ist es natürlich immer vom Erwerbsleben abhängig, wie viel jemand dann im Ruhestand bekommt. Die Voraussetzungen müs­sen Sie beim Einkommen schaffen! (Abg. Reheis: Waren Sie nicht Staatssekretär? Warum haben Sie das nicht geschafft?) – Ich bin ja nicht in der Gewerkschaft als hoher Funktionär tätig, ich bin ja nur einfaches Mitglied! Das stört mich immer wieder in diesem Bereich. (Abg. Mag. Wurm: Staatssekretär waren Sie!) – Ja, Staatssekretär war ich schon, aber da war ich für den Pflegebereich, für den Behindertenbereich und für den Konsumentenschutz tätig. Dazu komme ich jetzt.

Der Pflegebereich, Herr Bundesminister, wird sicherlich eine Aufgabe sein, der Sie sich in Zukunft besonders werden widmen müssen, weil es einfach einen steigenden Bedarf gibt. Einerseits wird die Zahl der Hochbetagten immer größer, aber natürlich muss


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auch für jene Leute, die schon mit einer Behinderung geboren worden sind oder durch einen Unfall oder durch eine Krankheit eine Behinderung erleiden – und niemand ist davor gefeit, auch wir nicht; das kann jedem einmal passieren –, ganz einfach Geld da sein. Wir müssen in Zukunft mehr Geld für diese Leute in die Hand nehmen, um dieses Problem zu entschärfen!

Wenn ich jetzt lese, dass es beim Pflegegeld keine Valorisierung geben soll, dann bin ich darüber schon sehr traurig, denn wir haben zwei Erhöhungen durchgeführt – im Jahr 1995 und im Jahr 2005 um 2 Prozent. (Abg. Haidlmayr: Eine!) Natürlich kostet 1 Prozent Erhöhung 15 Millionen € – und in Zukunft wird es noch teurer werden! –, aber es ist ganz einfach notwendig, dass wir dort mehr Geld in die Hand nehmen. Dass die Leute auch zu Hause gepflegt werden können, ist ganz wichtig.

Zur Behindertenpolitik möchte ich Folgendes sagen: Ich bitte Sie, führen Sie die Beschäftigungsoffensive der Bundesregierung, die für Menschen mit Behinderung eingeführt worden ist, auch fort. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.) Es ist wichtig, dass es für diesen Bereich eine Ausbildung und eine Arbeitsassistenz gibt.

Führen Sie auch die Behinderten-Milliarde weiter fort! (Präsidentin Mag. Prammer gibt neuerlich das Glockenzeichen.) Das ist in diesem Bereich ganz wichtig. – Wenn Sie etwas brauchen: Meine Unterstützung in diesem Bereich werden Sie immer haben.

Zum Konsumentenschutz ...

16.58


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter, Sie haben Ihre 10 Minuten Redezeit bereits verbraucht. Ich kann Ihnen kein zusätzliches Kapitel mehr zuge­stehen. Es tut mir leid. (Beifall beim BZÖ für den das Rednerpult verlassenden Abg. Dolinschek.)

Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Mag. Lapp zu Wort. Wunschredezeit: 6 Minu­ten. – Bitte.

 


16.58.43

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Frauen Staatssekretärinnen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Wir sind heute Zeuginnen und Zeugen einer öffentlichen Supervision des BZÖ. Wir merken, dass das BZÖ sich mit dem Abschiednehmen von der Regierungsverantwortung sehr schwertut.

Sehr geehrter Herr Kollege Dolinschek, unserem Herrn Sozialminister Buchinger müssen Sie nichts erklären. Der kennt sich aus, und der wird etwas weiterbringen. (Ruf beim BZÖ: Der kennt sich so gut aus, dass er ...  Abg. Scheibner: Das beste Pen­sions­system Europas!)

Ihre VertreterInnen der letzten Jahre waren verantwortlich für Ambulanzgebühren oder für die Unfallrentenbesteuerung. – Und das sind wirklich nur einige Themen, denn es gab zahlreiche Belastungen, und zwar zig Belastungen und Verschlechterungen im Sozialbereich. (Präsident Dr. Spindelegger übernimmt den Vorsitz.)

Zu dem Thema, das Sie einmal plakatiert haben, nämlich, Sie hätten die Abfangjäger abgeschafft, denke ich mir: Auch das ist ein Kapitel in der Zeitgeschichte, und Sie werden dieses Kapitel in der Zeitgeschichte auch schon bald beenden. Denn deswegen sind Sie abgewählt worden: Sie waren zuständig im Sozialbereich für Inkompetenz und für Verschlechterung. – Jetzt die weinerliche Vergesslichkeit gepaart mit einem Ablaufdatum zur Schau zu stellen (Abg. Scheibner: Können Sie Ihre


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Beschimpfungen wenigstens frei vortragen und nicht herunterlesen?), das, denke ich mir, werden Ihnen die Menschen nicht abnehmen. Die Menschen vergessen es nicht. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Wer hat Ihnen das aufgeschrieben? – Gott sei Dank sehen das die Fernsehzuschauer nicht!)

Der Vergleich, meine sehr geehrten Damen und Herren, macht sicher. Heute haben einige KollegInnen Ihrer Fraktion sehr blendend dargestellt, dass sie nicht einmal noch das ganze Regierungsprogramm gelesen haben. Das ist natürlich kein Wunder: Das Regierungsprogramm aus dem Jahr 2003 hatte 42 Seiten – das jetzige Regierungs­programm hat 180 Seiten. Und dieser Vergleich macht uns sicher (Beifall bei der SPÖ – Rufe beim BZÖ: Mehr Papier ...! – Abg. Strache: Die Schrift ist größer!), denn es ist so, dass hier wesentliche, wichtige Bereiche abgedeckt sind und dass soziale Themen behandelt werden, verändert werden und für die Menschen verbessert werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei den früheren Regierungen wurden die Bundessozialämter immer in die Reform gestellt und abgeschafft. Jetzt haben wir festgeschrieben, dass die Bundessozialämter als Kompetenzzentren für behinderte Menschen gelten. Dieser Vergleich macht uns sicher! Wir machen Politik mit Köpfen (ironische Heiterkeit des Abg. Ing. Westenthaler), wir machen Politik mit Kopf!

Sehr geehrter Herr Kollege Westenthaler! Es freut mich, dass Sie sich so gut unter­halten (Abg. Ing. Westenthaler: Bei Ihnen nicht mehr!), aber das zeigt ganz einfach Ihre Unernsthaftigkeit. Und ich muss Ihnen noch sagen: Das Wahlergebnis, das Sie im Regionalwahlkreis Wien-Süd mit 1,8 Prozent eingefahren haben, zeigt auch, dass uns der Vergleich sicher macht, wo die Sozialkompetenz liegt. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Thema Pflege ist im vorliegenden Regierungsprogramm ein wesentlich fundier­terer Bereich festgeschrieben: Es stehen die Menschen im Mittelpunkt! – Beim BZÖ war es immer so, dass das Orange im Mittelpunkt gestanden ist. Vielleicht können sich einige Kolleginnen und Kollegen erinnern: Es gab einmal zum neuen Behinderten­gleichstellungsgesetz Spots im Fernsehen. Da war es den VertreterInnen des BZÖ sehr wichtig, dass auch die Farbe Orange in den Spots vorkommt. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das zeigt, womit Sie sich beschäftigt haben, was für Sie im Mittelpunkt der Politik stand.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei uns sind die Menschen im Mittelpunkt! Wir kümmern uns um ihre Belange, und wir wollen in diesem Land etwas weiter­bringen. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Bereich der Pflege ist ein sehr essentieller. Wir wollen 24 Stunden Pflege und Betreuung initiieren, wir stehen für mehr mobile Dienste (Abg. Scheibner: Herr Bundeskanzler, habt ihr keine andere ...?), wir sind für eine bessere Abstimmung zwischen den Anbietern und den Verantwortlichen. – Ich weiß, dass Sie das nicht interessiert (Abg. Scheibner: Ja, schon, aber wenn es wenigstens frei vor­getra­gen ...!), das haben wir an der Regierungspolitik der vergangenen Jahre gesehen. Aber wir wollen wirklich mit Ernsthaftigkeit daran arbeiten! (Abg. Ing. Westenthaler: Ein peinlicher Auftritt! – Eine Parlamentsrede soll frei gehalten sein!) Es gibt zahlreiche konkrete Überlegungen. Sie hingegen haben in Kärnten und in der Steiermark nur Schecks verteilt, sich sonst aber keinen Deut um pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen Gedanken gemacht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben die Sachkompetenz, die Inno­vation (Abg. Ing. Westenthaler: Und die Lesekompetenz habt ihr auch! Lesen könnt ihr auch!) und die sozialen Überlegungen im politischen Handeln. Bei uns ist


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Ernsthaftigkeit an der Tagesordnung, und wir haben einen Sozialminister, der kompe­tent, lebensnah und engagiert seine Aufgabe erfüllen wird! (Beifall bei der SPÖ.)

17.03


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Mitterlehner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

 


17.04.02

Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als ich mir jetzt diese Dringliche Anfrage angehört habe, hatte ich, liebe Kollegen vom BZÖ, angesichts der Ausführungen insbesondere von Sigisbert Dolinschek schon den Eindruck: Buchinger, der neue Minister, hat eine Anfrage an Sie gestellt, und Sie haben einen richtigen Rechtfertigungsbedarf, darzustellen, was Sie alles in den letzten Jahren gemacht haben. – Ich glaube, das haben Sie einfach nicht notwendig. Es war eine gute Sozialpolitik!

Aber von diesen 48 Fragen, muss ich schon sagen, bin ich einigermaßen enttäuscht, erstens einmal quantitativ, denn: Wie soll man einem neuen Minister zumuten, dass er innerhalb von 20 Minuten 48 Fragen beantwortet? (Abg. Ing. Westenthaler: Ja wieso nicht?) Da hat er für jede Frage eine halbe Minute Zeit! – Gebraucht hat er natürlich 45 oder 50 Minuten.

Aber das Zweite, was ich eigentlich noch problematischer finde: Da waren Fragen dabei, bei denen sich Herr Westenthaler umgedreht und zu Frau Haubner gesagt hat: Stimmt das so?, denn diese Fragen konnte eigentlich Frau Haubner beantworten. – Und das sehe ich nicht ganz ein. Es ist vielleicht auch Sinn und Zweck, eine Dringliche Anfrage zu machen, um im Fernsehen zu sein – das mag sein, das ist ein Motiv –, aber inhaltlich wundert es mich. (Abg. Ing. Westenthaler: Der Wirtschaftsbund als Verteidiger sozialistischer Politik!)

Und, Herr Westenthaler, am ärgsten habe ich schon den Antrag gefunden, dass man Wahlversprechen – weil Sie jetzt gerade hier herausschreien – gesetzlich sanktionie­ren muss. Ich meine, Wahlversprechen haben eine Qualität, aber politische Ansagen, die kennen Sie ja auch. Ich kenne jemanden, der dauernd gesagt hat: Bin weg – bin wieder da!, und ich kenne auch jemanden, der gesagt hat: Wir nehmen den Hut, wir sagen Adieu! (Lebhafte Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ und Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: ... habe es ja gemacht!)

Also Qualität hin, Qualität her. – Aber auch, was das Inhaltliche betrifft: Ich muss mich bei der Begründung schon fragen, warum Sie eigentlich Herrn Sozialminister Buchinger in der Einleitung vorwerfen, dass Arbeit und Wirtschaft nicht getrennt worden sind. Sie selber waren ja damals in der Freiheitlichen Partei dafür, und meines Erachtens mit guten Gründen dafür, denn es zeigt sich: Die Arbeitslosenquote hat sich nach unten, also positiv entwickelt, und auf der anderen Seite das Wirtschafts­wachstum nach oben. Es ist richtig, es hat einen bestimmten Hintergrund, dass in diesem Zusammenhang Wirtschaft und Arbeit beieinander bleiben. Das sind Erfolgs­zahlen, die sich in den letzten Jahren entsprechend entwickelt und die bestätigt haben, dass diese strukturelle Maßnahme richtig ist! – Also da würde ich sagen, ein bisschen mehr Selbstvertrauen wäre angebracht. Ich verstehe diese Wehleidigkeit nicht, die Sie da ein bisschen an den Tag legen.

Zum Zweiten möchte ich auf die Inhalte eingehen und schon ein paar Punkte aus meiner Sicht klarstellen.

Weil Sie, Herr Strache, die Lehrlingsproblematik angesprochen haben: Es steht jetzt im Regierungsübereinkommen, dass es eine Kündigungsmöglichkeit gibt, und da würde


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ich bitten, dass man dieses Thema seriös diskutiert, denn das muss vollständig dis­kutiert werden. Im ersten Moment klingt das wirklich so – da haben Sie nicht Unrecht –, als ob man jetzt leichter auflöst und damit weniger Lehrlinge hätte.

Das Gegenteil ist der Fall, und zwar aus einem einfachen Grund: Derzeit besteht nur einvernehmlich die Möglichkeit, Lehrverträge aufzulösen. Und wenn man diese Möglichkeit praktisch nicht nützen kann – und in dieser Entwicklungsphase bei einem Jugendlichen ergibt sich eben auch, dass er im Alter von 15 bis 18, oder 19 teilweise, seine Einstellung, seine Interessen ändert –, dann konnte man das bisher nicht ändern. Daher hat man nun dieses Instrument aufgenommen, weil diese Situation bis jetzt für Betriebe ein Hindernis war, Lehrlinge aufzunehmen. Der Lehrling ist dem Betrieb nach der Probezeit von drei Monaten geblieben bis zum Ende, und wenn nicht beide unzufrieden waren, gab es keine Auflösungsmöglichkeit.

Jetzt besteht die Möglichkeit, mit einem Mediationsverfahren erstens danach zu trachten, einen besseren Platz zu finden – im selben Unternehmen oder in einem anderen Unternehmen –, und dann eine beiderseitige Kündigungsmöglichkeit. Das gilt ja auch für den Lehrling! Der kann ebenfalls kündigen und hat auf der anderen Seite den Anspruch auf eine Ausbildungsmöglichkeit. – Und sagen Sie jetzt nicht, das nehmen wir nicht ernst! (Abg. Strache: Ich war ja selber Lehrling! – Sie wissen ja nicht, wovon Sie reden!)

Wir haben ein Projekt umgesetzt, mit Beteiligung der Wirtschaftskammer, auch finan­ziell. (Abg. Strache: Ich war ja Lehrling, im Unterschied zu Ihnen! Ich weiß ja, wovon ich rede!) – Ich weiß nicht, wie das bei Ihnen war. Bei den Zahntechnikern ist das möglicherweise anders. (Abg. Strache: Ich habe damals auch gekündigt!) – Ich kenne Ihre Qualität nicht; es wird irgendein Problem gegeben haben.

Aber der Hintergrund ist, dass im Endeffekt bei diesen 260 Lehrberufen und mit der Weiter-/Ausbildungsmöglichkeit mehr Lehrlinge entsprechend ausgebildet werden – nicht weniger! Daher: Messen Sie diese Maßnahme daran, was in der Praxis dann passieren wird!

Da verstehe ich auch eines nicht: Was Sie heute in der Dringlichen Anfrage gemacht haben, das ist so, als ob die Regierung einen Tag arbeiten würde, und dann stellen Sie die ganzen Fragen: Alles muss an einem Tag erledigt werden! – Das ist ja wie bei einer Bilanzpressekonferenz nach vier Jahren, was Sie da heute alles gefragt haben! Und: Beantragt als Frage ist noch lange nicht beschlossen und noch lange nicht finanziert. Da hinten ist ja nirgendwo der große Pot mit Geld, aus dem man nur mit einem Antrag entsprechend abzuzapfen braucht! – Daher: Die Maßnahme bei den Lehrlingen ist eine sehr gute Maßnahme.

Zweite Geschichte: Die Grundsicherung, also dieses Grundeinkommen. (Abg. Öllinger: Grundsicherung!) – Nein, Grundeinkommen; bleiben wir einmal bei dem, Herr Öllinger. – Dazu muss ich schon sagen: Ich habe mit Interesse heute gehört: 1 100 € – das ist ja eigentlich die adäquate Geschichte – Mindestlohn, weil wir das ja schon im Jahr 2003 in dieser Richtung im Regierungsprogramm drinnen hatten. (Abg. Öllinger: Mindestlohn ...!) – Ja: Mindestlohn.

Wenn das so einfach wäre, dass die Sozialpartner einen General-Kollektivvertrag mit 1 000 € beschließen, und dann fährt man mit 1 000 € durch ganz Österreich durch: Wunderbar, dann beschließen wir 1 500, 2 000 €! – Ich meine, Herr Minister, da würde ich schon ernsthaft über diese Geschichte reden. Warum? – Wir haben doch Branchen-Kollektivverträge, und der Markt hat bestimmte Spielregeln. Und diese Spiel­regeln treffen ja nicht zufällig ein, sondern es gibt am Markt Angebot und Nachfrage.


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Wenn man jetzt der Meinung ist, 1 000 € sind mindestens angebracht, und wenn man sogar der Meinung ist, man macht einen General-Kollektivvertrag, dann sollte man aber schon auch die Folge sehen. Was ist die Folge? – Erstens gibt es auch Unter­nehmen, die keine Gewinne machen, und zwar zirka 80 000 von über 300 000. Daher: Die machen das ja nicht per Spaß, dass sie nicht so viel zahlen können. Aber die meisten werden die Preise erhöhen! Und wenn man die Preise erhöht, was passiert dann? – Dann gibt es irgendwo eine Inflation, und dann kommt es irgendwo zu höheren Lohnforderungen. Und wenn das alles kumuliert auftritt, was ist dann die Folge?

Möglicherweise werde ich dann wirklich mit der Globalisierung ein Problem haben, so wie es Herr Van der Bellen heute angesprochen hat. Mich hat es auch ein bisschen gewundert, dass er die Globalisierung so als große Gefahr gesehen hat. Wenn wir mehr als 50 Prozent des Bruttonationalproduktes exportieren, dann müssen wir die ganze Globalisierung nicht so sehr fürchten. Aber wenn wir da den falschen Hebel in Bewegung setzen, dann könnten wir uns, glaube ich, ein Grundproblem machen.

Abschließend: Die Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge sehen wir wirklich nicht unbedingt sehr positiv – aber noch positiver, als wenn wir die Höchstbeitragsgrundlage angehoben hätten, denn da wäre genau dasselbe passiert. Es wäre nämlich auch das alles inflationär nach oben gegangen, und das hätte dem Standort nicht gedient. Ich bin nicht der Meinung, dass, wie gesagt worden ist, Sozialpolitik nur eine Frage des Produktivitätsfaktors ist – das ist sie auch, aber im Wesentlichen hängt eine gute Sozialpolitik von einer guten Wirtschafts- und Finanzpolitik ab. Und beides ist meiner Meinung nach gesichert. Daher sollten wir die nächsten Ereignisse, die Umsetzungen abwarten und uns nicht zu sehr jetzt mit dem Programm dieser 48 Fragen auseinander setzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.11


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mandak mit einer freiwilligen Redezeitbeschränkung von 5 Minuten. – Bitte.

 


17.11.38

Abgeordnete Sabine Mandak (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Minister Buchinger! Sie haben sowohl bei Ihrem ersten Statement heute Vormittag als auch jetzt in der Anfragebeantwortung klargestellt, dass Ihnen der Bereich Pflegeunter­stützung und Betreuung von Menschen im Alter ein wichtiges Anliegen ist – was mich persönlich sehr freut, weil ich denke, das ist tatsächlich eine der ganz großen politi­schen Herausforderungen, die künftig auf uns zukommen.

Ich habe mir, als ich das Regierungsübereinkommen bekommen habe, sofort diesen Bereich angeschaut. Da stehen dann solche Dinge drinnen wie – ich zitiere –:

„Jeder Betreuungs- bzw. Pflegebedürftige soll eine bestmögliche Form der Betreuung nach seinen Vorstellungen erhalten können. Pflege in den eigenen vier Wänden soll genauso möglich sein wie Pflege im Heim. Die zahlreichen Möglichkeiten von Selbst- und Angehörigenpflege, über mobile Versorgung zu Hause, Rund-um-die-Uhr-Betreu­ung zu Hause und betreute Wohnformen, ...“ und so weiter „... sollen möglichst flächendeckend verfügbar sein.“

Dann steht noch sehr viel drinnen über neues Ausbauen, Fördern, Weiterentwickeln. –Schön.

Dann bin ich zum Budgetpfad gegangen und habe mir gedacht: Okay, jetzt bin ich neugierig, wie Sie das im budgetären Bereich verankert haben. Denn aufschreiben kann man viel; solange man die Bedeckung nicht gesichert hat, wird das nichts wert sein.


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Und da stehen im Budgetpfad im Bereich „Soziale Absicherung“ für das Jahr 2007 185 Millionen € drinnen. Davon brauchen Sie allein 156 Millionen € für Pensionsmaß­nahmen, die wir bereits beschlossen haben, und Sie werden 25 Millionen € für die Veränderung der Familienbeihilfe, die Sie vorhaben, brauchen – das sind zusammen schon 180 Millionen €. Und für den Bereich Pflegeunterstützung, Betreuung alter Menschen und den gesamten Bereich der Kinderbetreuung, den gesamten Bereich Änderung von Unterhaltsvorschussrecht – das ist auch in diesem Budgetposten drinnen – bleiben Ihnen derzeit für das heurige Jahr 5 Millionen € übrig, Herr Minister, 5 Millionen für diesen gesamten Bereich! – Da habe ich mir gedacht: Diese ganzen Beteuerungen, die Sie in Ihrer Regierungsvereinbarung treffen, sind ja null und nichts wert, wenn Sie nicht die budgetäre Abdeckung dazu haben! Dann sind das schöne Worte und weiter nichts, Absichtserklärungen!

Mich würde sehr interessieren, wie Sie das budgetieren wollen, wie Sie das alles finanzieren wollen. Noch dazu haben Sie in Ihrem Budgetpfad Einsparungen drinnen – so nennen Sie es, und dann steht: minus 800 Millionen € von den Ländern in den kommenden Jahren. – Das heißt, Sie werden sich 800 Millionen € von den Ländern holen. Und wissen Sie, was ganz wesentliche Bereiche der Länder und Gemeinden sind, die sie mit diesem Geld bezahlen? – Betreuung von Kindern, Kindergärten, Tagesangebote für Kinder, Heime für alte Menschen, mobile Betreuungsformen für alte Menschen.

Das heißt, Sie haben nicht nur im Budget keine weiteren Budgetmittel vorgesehen, sondern haben sehr klar und sehr konkret geplant, wesentlich Geldmittel aus den Ländern und Gemeinden abzuziehen und damit genau diesen Körperschaften das vorzuenthalten, was sie dringend brauchen, um im Sozialbereich die notwendigen Verbesserungen einzuführen.

Ich frage mich: Wie sollen Sie es machen? – Ich kritisiere das vehement und kann mir nicht vorstellen, wie das laufen soll.

Sie sagten in Ihrer Anfragebeantwortung vorher, die Leistbarkeit von Pflege muss sichergestellt werden. Ich frage mich: Von wem muss sie sichergestellt werden? Von den Betroffenen selbst? Also bedeutet Ihr Modell, dass die Betroffenen eben dann mit einer privaten Pflegeversicherung selbst Vorsorge treffen müssen, damit sie im Falle der Pflegebedürftigkeit einmal gepflegt werden können? Was heißt das? Und ich denke, Sie als sozialdemokratischer Minister müssen wissen, was das für sehr viele Menschen mit kleinem Einkommen heißt. Ich denke an all die Alleinerzieherinnen, aber auch an die Familien mit mehreren Kindern. Da ist es nicht machbar, sich eine zusätzliche Pflegeversicherung zu leisten. Oder wollen Sie es so, wie Sie es im Regierungsübereinkommen festgeschrieben haben: „Mehrkosten sind solidarisch durch Beiträge von potentiellen Nutznießern aufzubringen“?

Das heißt also, all jene, die Sozialversicherung zahlen, werden das zahlen müssen. In Ihrer Regierungserklärung steht nichts davon drinnen, dass Sie auch Gelder zum Beispiel aus Kapitalerträgen, aus Einkünften, wenn man sehr viel Geld bezieht, da hinübersteuern wollen. Das fehlt völlig! Und genau das wären Quellen gewesen, wo man Finanzmittel hernehmen kann, gerade auch für den Pflegebereich. Ich meine, da sind in diesem Regierungsübereinkommen ganz, ganz wichtige Punkte versäumt worden.

Ich bin gerne bereit, mitzuarbeiten, wenn es darum geht, fachlich Lösungen zu suchen, bin aber sehr gespannt, wie eine Finanzierung dieser großen künftigen Fragen sicher­gestellt werden soll. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

17.17



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 169

Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kickl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

 


17.17.13

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte nach 17 Uhr auf der Regierungsbank verbliebene Herren! Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. (Abg. Parnigoni: Wir haben aber nur eine ganz normale Dringliche! Da ist nicht mehr notwendig als der zuständige Minister!) Na ja, in dem Fall, wo es um das BZÖ geht, müsste man eigentlich sagen: Wer zu spät kommt, den bestraft der Wähler. Und so haben wir es am 1. Oktober ja auch erlebt. Denn irgendwie passt dieses Zitat sehr wohl zu der Anfrage, die Sie heute gestellt haben.

Ich meine, ich gebe schon zu, Herr Scheibner – Herr Westenthaler ist ja auch nicht mehr da –, dass es eine sehr löbliche Aufgabe ist, wenn man dieses Regierungs­programm vor allem im Sozialbereich einmal analysiert, auseinander nimmt und kritisch hinterfragt – von der Frage der Finanzierung bis hin zur Strukturreform, all das, was da drinnen steckt und was man vielleicht auf den ersten Blick auch gar nicht findet –, aber eines müssen Sie sich dabei schon gefallen lassen: dass Sie nämlich hier mit diesem Ansinnen direkt und indirekt schon so etwas wie ein massives Eingeständnis auch der eigenen Versäumnisse und der eigenen Fehler der Vergan­genheit vorgetragen haben.

Seien Sie einmal ganz ehrlich: Wer, wenn nicht Sie, hat denn das Sozialressort und die Geschicke der Sozialpolitik in den letzten Jahren sogar im Doppelpack in dieser Regie­rung getragen? Wer? Und wer, wenn nicht Sie, hätte in diesem Fall tatsächlich Sozialpolitik im Interesse der österreichischen Bevölkerung – und nicht im Interesse der ÖVP und der dahinter stehenden Gruppierungen, der Wirtschaftslobbys und derjenigen, die einem Turbokapitalismus in Richtung EU frönen – betreiben können? Diese Frage müssen Sie sich gefallen lassen.

Kollege Westenthaler hat vorhin – das bringt mich auf die gebrochenen Wahl­versprechen, und deswegen fällt mir das jetzt ein – die grandiose Idee geboren, dass man die Wahlversprechen auch irgendwie einklagen können soll. Das ist gar nicht so schlecht. Ich würde da einen Zusatz dazuhängen, der sich nämlich mit dem Faktum Wählerbetrug und Mandatsraub auseinander setzt. Diese Antwort ist uns Herr Westenthaler schuldig geblieben. Aber wenn er es ernst meint, dann soll er bitte diesen Vorschlag darum ergänzen. (Beifall bei der FPÖ.)

Schauen Sie, es gibt im Sozialbereich viele offene Wunden, und das nicht erst, seitdem diese Regierung im Amt ist – es ist zu erwarten, da gebe ich Ihnen Recht, dass vieles nicht besser, sondern vielleicht noch schlechter werden wird –, sondern da reicht ja manches auch schon einige Zeit zurück, und da können Sie nicht so tun, als ob Sie mit all dem nichts zu tun hätten.

Der Pflegebereich zum Beispiel ist etwas, was nicht erst seit gestern oder seit vor­gestern so etwas ist wie eine klaffende Wunde im österreichischen Sozialsystem, sondern das ist ja schon seit Jahren und Jahrzehnten eine Baustelle, wenn man so sagen will, am Rücken der Ärmsten der Armen in diesem Land. Und da müssen Sie sich auch den Vorwurf gefallen lassen – trotz der Tatsache, dass Sie sich jetzt für eine „halbherzige Valorisierung“, unter Anführungszeichen, stark machen –, noch vor wenigen Monaten dagegen gestimmt zu haben, als wir den Antrag gestellt haben, mit einer 17-prozentigen Anpassung dafür zu sorgen, dass das, was tatsächlich zehn Jahre lang verschlafen worden ist, ausgeglichen wird. Das, was Sie da haben wollen, ist nichts anderes, als eine billige Alibiaktion, wie Sie ohnehin schon viel zu viele geliefert haben.


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Sie hätten ja in der Vergangenheit – und da muss man schon sagen: Da unterscheiden Sie sich gar nicht von der neuen Regierung! – durchaus die Möglichkeit gehabt, zum Beispiel unseren FPÖ-Vorschlag für eine grundlegende Reform, für einen Paradig­men­wechsel, würde ich fast sagen, im Bereich des Sozialstaates einmal aufzugreifen und zumindest ansatzweise etwas in diese Richtung zu unternehmen.

Wir Freiheitliche sagen – ich weiß schon, dass das nicht jedem gefällt (Zwischenruf des Abg. Öllinger); und ich freue mich, dass Sie sich auch zu Wort gemeldet haben; jetzt werden Sie sich gleich noch einmal zu Wort melden, weil Ihnen das nicht gefällt –: Der Sozialstaat ist für Inländer da! Das ist das, was wir in erster Linie wollen. Das heißt nicht, wie Sie uns immer unterstellen, dass es keine soziale Absicherung für Nicht­staatsbürger geben soll, aber wir wollen die beiden Systeme trennen, und das Ganze heißt Kostenwahrheit.

Es hätte in der Vergangenheit genügend Gelegenheiten gegeben, Schritte in diese Richtung zu setzen. Ich denke da nur an das Kindergeld, das sicherlich eine wichtige Einführung ist, das man durchaus als Meilenstein bezeichnen kann, aber da hätten Sie unseren Vorschlag aufgreifen und sagen können, Sie verlängern die Laufzeit für den Kindergeldbezug für Inländer und nehmen dafür diejenigen vom Kindergeldbezug aus, die als Nichtstaatsbürger jetzt auch ordentlich in die Sozialtöpfe hineingreifen.

Diesen Vorwurf müssen Sie sich gefallen lassen. Und es ist damit so, dass Sie im Grunde genommen den Grundstein auch dafür gelegt haben, was diese neue Regie­rung jetzt, wenn man es etwas unvornehm sagen darf, weiter verbocken wird.

Es ist auch niemand anderer als Sie gewesen – das muss man sagen –, und zwar in Einheit mit der ÖVP als alte Regierung, die der SPÖ sowohl die Rutsche ins Kanzleramt als auch die Rutsche in das Sozialministerium gelegt hat, wo man heute schon gesehen hat, dass es wahrscheinlich diesen Namen in einer bekannten Art und Weise gar nicht mehr richtig verdient. Das müssen Sie sich gefallen lassen!

Insofern gibt es relativ wenig Unterschied zwischen dem Kurs der letzten paar Jahre und dem Kurs, der uns jetzt erwartet. Sie können das drehen und wenden, wie Sie es wollen, wer sich von der neuen Regierung eine Änderung des Kurses erwartet hat, in Richtung mehr Fairness, in Richtung mehr Gerechtigkeit, einen Wechsel, weg von der sozialen Kälte, hin zur sozialen Verantwortung, der wird enttäuscht werden.

Aber Sie, meine Damen und Herren, können es auch drehen und wenden, wie Sie es wollen, denn Sie haben Ihre Chance gehabt. Und wie es so schön heißt: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben! (Beifall bei der FPÖ.)

17.23


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Riepl. Selbst gewählte Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


17.23.35

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte vorerst einmal eine Gratulation an den Sozialminister aussprechen: Nach wenigen Tagen im Amt 48 Fragen korrekt, kompetent und in der verfügbaren Zeit inhaltsvoll zu beant­worten, ist, glaube ich, eine gute Leistung. (Beifall bei der SPÖ. – Ironische Heiterkeit des Abg. Ing. Westenthaler.)

Das sollte man, meine ich, erwähnen. Und der Gratulation möchte ich einen Dank anschließen, natürlich an das BZÖ, denn die haben dem Sozialminister das ja ermöglicht, sonst wäre die Möglichkeit nicht gegeben gewesen. (Zwischenruf des Abg. Scheibner.) Mittlerweile zeigt ja die Diskussion, Herr Abgeordneter Scheibner, dass die ganze Geschichte ein bisschen ein Rohrkrepierer geworden ist. (Abg. Ing. Westen-


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thaler: Nein! Das war sehr gut!) – Natürlich, das können Sie nicht zugeben, ist ja klar, aber es ist in Wirklichkeit, glaube ich, so.

Wenn man sich die Dringliche Anfrage durchliest, etwa den ersten Satz, wo von Vertrauensbruch in der Sozialpolitik gesprochen wird, dann muss man sagen: Man sollte noch einmal darüber nachdenken, welche Partei denn die Sozialminister der letzten Jahre gestellt hat. Es war das BZÖ, vorher die Freiheitlichen: Die waren beim Sozialabbau dabei, die waren bei der Pensionskürzung dabei, die waren beim Zuschauen dabei, wie der Familienlastenausgleichsfonds in das Defizit schlitterte, die waren beim Zuschauen dabei, wie die Staatsschulden gestiegen sind. Heute hören wir: Die beste Situation war da! Aber die Staatsschulden sind gestiegen. (Abg. Scheibner: Ach ja!) Sie hören mich, glaube ich, schlecht. (Abg. Scheibner: Ich glaube nicht, was ich da höre!) – Sie glauben es nicht. Dann sollten Sie schauen, wie es wirklich ist, denn wir haben heute um viele Milliarden Schulden mehr als im Jahr 2000. Das alles sollte man nicht vergessen. (Abg. Scheibner: Und das Defizit?) Sie, die Damen und Herren vom BZÖ, waren auch beim Zuschauen dabei, als sich die Arbeitslosigkeit, insbe­sondere bei der Jugend, verdoppelt hat.

Ich denke, man soll bei so einer Diskussion, auch am heutigen Tag, klar und deutlich erwähnen, dass Herr Kollege Westenthaler, der gesagt hat, der Herr Klima sei damals mit der Lehrlingslüge gekommen: kein Lehrling ohne Lehrstelle! am 28. Novem­ber 2000 anlässlich der Budgetdebatte zum Budget 2001 unter anderem gesagt hat: „Wir haben nahezu keine Jugendarbeitslosigkeit.“ (Zwischenruf des Abg. Ing. Westen­thaler.)

Das war gleich danach, als Klima als Bundeskanzler nicht mehr zur Verfügung stand. Da haben Sie am 28. November 2000 gesagt: „Wir haben nahezu keine Jugendarbeits­losigkeit.“

Und Sie haben noch gesagt: „Budget 2001 ist der Beginn einer neuen österreichischen Erfolgsstory.“

Und was haben wir jetzt?

Was haben Sie am 11. September vorigen Jahres gesagt? – Ich zitiere:

„Auch BZÖ-Chef Westenthaler hält die Jugendarbeitslosigkeit für ‚eindeutig zu hoch‘. Er forderte eine ‚gesellschaftliche Umbildung‘.“ – Das waren Ihre Worte.

Also im Jahre 2000 sagen Sie, es habe keine Jugendarbeitslosigkeit gegeben, und sechs Jahre später sagen Sie, die Jugendarbeitslosigkeit sei zu hoch, man müsste etwas anderes machen.

Offensichtlicher ist das Scheitern der BZÖ-Politik in den letzten Regierungen nicht dokumentierbar. (Abg. Ing. Westenthaler: Falsch zitiert!) – Das ist nicht falsch zitiert, das kann ich Ihnen alles geben, das können Sie alles nachlesen. (Abg. Ing. Westenthaler: Sagen Sie mir die Quelle des Zitats! Wenn man zitiert, muss man die Quelle dazusagen!) Das Problem ist, dass Sie vergessen haben, was Sie gesagt haben, und darauf möchte ich eben hinweisen.

Diese gesellschaftliche Umbildung passiert jetzt mit einer neuen Regierung, die sich vorgenommen hat, die Jugendarbeitslosigkeit im Besonderen zu minimieren und zu bekämpfen.

Aber beklagt wird in Ihrer Dringlichen Anfrage auch die angeblich fehlende Sachkom­petenz der Arbeiterkammer und der Gewerkschaften. Das ist ganz interessant! Das muss Ihnen in Ihre Dringliche Anfrage hineingerutscht sein, denn bisher haben Sie eigentlich das Gegenteil von dem gesagt und auch gemacht.


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Was ist da passiert? – Es war immer der Wunsch das Gegenteil (Abg. Ing. Westen­thaler: Das hat sich alles bestätigt!): Die Gewerkschaft ist schlecht, sie ist rot. Die Arbeiterkammer liefert falsche Zahlen. Eine eigene Gewerkschaft hat Ihr Freund, der Herr Gaugg, gegründet. Erinnern wir uns zurück! Die Abschaffung der Arbeiterkammer haben Sie sogar noch zuletzt verlangt (Abg. Ing. Westenthaler: Die Pflichtmitglied­schaft!), und zwar am 27. September 2006, und weniger Geld für die Arbeiterkammer durch Kürzung – so Ihre eigenen Anträge – der Arbeiterkammerumlage. – Das war Ihre Politik und Ihre Situation! Und ich denke, auf all das soll man jetzt hinweisen, denn Sie haben sichtlich vergessen, was Sie selber alles gesagt haben.

Zwei, drei Bemerkungen noch zu der Kündigungsschutz-Geschichte oder der Auf­weichung des Kündigungsschutzes für Lehrlinge. Ich sage es ganz offen: Ich per­sönlich habe damit keine Freude, überhaupt keine Freude! (Abg. Ing. Westenthaler: Na bitte, da haben wir wenigstens etwas gemeinsam!) Aber wir werden uns einmal anschauen – und ich glaube, wir werden Zeit genug haben, dies zu diskutieren –: Wie kommt das, wie schauen die Rahmenbedingungen aus, und in welcher Art und Weise wird das tatsächlich umgesetzt?

Es ist ja schon gesagt worden: Wir haben heute einvernehmliche Auflösungsmög­lichkeiten. In Wien beispielsweise werden 20 Prozent der Lehrverhältnisse – 20 Prozent! – vorzeitig aufgelöst, und da gibt es keinen Anspruch darauf, dass derjenige, der das Lehrverhältnis auflöst, nachher noch irgendwo weiterlernen kann. Also wenn wir das mit der Garantie auf einen Platz zum Weiterlernen verbinden können, dann schaut die ganze Geschichte, sage ich einmal, schon etwas besser aus.

Stichwort „Garantie“. – Die Bildungsgarantie bis 18, die jetzt im Regierungsüber­einkommen festgeschrieben wurde, bedeutet: entweder Lehrplatz, entweder Ausbil­dungsplatz in Einrichtungen oder Schulplatz. Und das Ziel ist, dass es künftig in unserer Republik keine 15-Jährigen, wie schon gesagt worden ist, ohne ein Bildungs- oder Ausbildungsangebot geben soll.

Ich denke, dass diese Maßnahme ganz wichtig ist, und freue mich schon auf die Vor­schläge zu dieser Problematik der Interessenvertretungen, insbesondere der Gewerk­schaftsjugend, die sich mit einigen Überlegungen und Vorstellungen schon angemeldet hat.

Ich freue mich schon auf die Diskussion in den Ausschüssen, wenn es darum geht, die Umsetzung durchzuführen, und ich freue mich auch auf die Vorschläge der Opposition; sie sind jedenfalls willkommen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.29


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Schatz. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

 


17.30.05

Abgeordnete Mag. Birgit Schatz (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! 253 000 Menschen in Österreich sind armuts­gefährdet, obwohl sie arbeiten. Bei 253 000 Menschen reicht der Verdienst nicht aus, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Die Antwort der Regierung darauf ist ein Mindestlohn per General-Kollektivvertrag. Dieser Mindestlohn von 1 000 € für 38, 40 Stunden – wir wissen es nicht genau –, brutto wohlgemerkt, ist netto – wir haben das heute schon gehört – in etwa 850 €, je nach Zuschlägen, womöglich sogar ein bisschen weniger.

850 € – mögen sie es sein. Das ist nicht viel! Wissen Sie eigentlich – vor allem die Herren von der FPÖ –, wie wenig das ist? – Das ist beschämend wenig, und vor allem


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ist es weit weg von dem gesetzlichen Mindestlohn von 7 €, wie wir Grüne ihn fordern. (Beifall bei den Grünen.)

Es ist in diesem Regierungsprogramm die Rede von 1 000 €, 850 € netto – aber bei Vollerwerb! Wie viel bleibt da übrig, wenn es sich um eine Teilzeitbeschäftigung von in etwa 20 Stunden handelt? – Da bleibt nicht viel übrig. Und für uns Grüne definitiv zu wenig! Ich hoffe eigentlich, für die Sozialdemokratie auch zu wenig. (Beifall bei den Grünen.)

Aber für solche Menschen haben wir ja jetzt die bedarfsorientierte Mindestsicherung, und zwar bis zu 726 € im Monat. Aber, bitte, was ist daran so großartig? Und was ist das etwas anderes als die Sozialhilfe? Dieser Betrag liegt 100 € unter der Armuts­gefährdungsschwelle. Ich betone: 100 €.

Wissen Sie, wie viel wiederum das ist, wenn es darum geht, die Kosten des täglichen Lebens zu bezahlen? – Sie eben nicht bezahlen zu können!

Etwas wirklich sehr Interessantes, etwas Pikantes an dieser Mindestsicherung sind die Rahmenbedingungen, und zwar die Rahmenbedingungen im Bereich der Notwendig­keit der Arbeitswilligkeit. Zum Ausdruck kommt diese Arbeitswilligkeit zum Beispiel durch die Anforderung nach höherer regionaler Mobilität. Das finde ich ja super-zynisch: arbeitslos, mittellos und dann als Tellerwäscher nach Tirol geschickt. Oder wie stellen Sie sich das vor, meine Damen und Herren?

Diese Zumutbarkeitsbestimmungen sind meiner Meinung nach vor allem eines, näm­lich eine Zumutung.

Und dann gibt es noch die tolle Idee mit der Verpflichtung zu gemeinnütziger Arbeit. Das ist ja wirklich ziemlich schräg: gemeinnützige Arbeit, die von denen, die die Mindestsicherung beziehen, ausgeführt wird und die wahrscheinlich anderen Men­schen, die auf dem Arbeitsmarkt nicht wirklich super etabliert sind, wie etwa Straßenreiniger, den Job wegnehmen. Die sind dann arbeitslos, kommen womöglich in den Genuss der Mindestsicherung und kehren dann so wieder zu ihrem Metier zurück? Also bitte, was soll das für einen Zweck haben: ordentliche Beschäftigung durch gemeinnützige Arbeit ersetzen?

Sehr geehrter Herr Minister! Wollen Sie vielleicht so die Einsparungen der Verwaltung hereinbringen, so wie Sie es in Salzburg gemacht haben? Dort wurden nämlich ordentliche Reinigungskräfte in der Landesverwaltung privatisiert. Die Reinigungs­arbeiten wurden einer privaten Firma übertragen. Und kennen Sie die Arbeitsbedingun­gen von solchen Firmen? – Die sind nicht gut, die sind ganz und gar nicht gut. Das ist harte Arbeit zu ziemlich schlechten Konditionen.

Meine Damen und Herren, wissen Sie, wie die Geschichte weitergegangen ist? – Jetzt, nach geraumer Zeit, haben sich die Angestellten, die ArbeitnehmerInnen im Landes­dienst beschwert, dass die Räume nicht sauber genug sind. Man hat das Problem analysiert und ist dann draufgekommen, dass die Arbeitsbedingungen dieser Reini­gungskräfte aus den privaten Firmen so schlecht sind, dass sie so unter Stress sind, dass es ihnen einfach nicht möglich ist, in der kurzen Zeit, für die sie bezahlt werden, das ordentlich zu reinigen. Ich meine, das muss man sich einmal vorstellen!

Uns war das klar, Ihnen, Herr Sozialminister, offensichtlich nicht. Das waren Maßnah­men, die massiv zur Verschlechterung der Arbeitsbedingungen von ArbeitnehmerInnen beigetragen haben. Von der sozialen Sicherheit, die Sie heute so oft zitiert haben, nämlich von der emotionalen sozialen Sicherheit, davon werden diese Reinigungs­kräfte nicht viel spüren. Doch Sie haben das in Kauf genommen, Herr Sozialminister.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 174

Ich mag den Geist dieser Dringlichen Anfrage ganz und gar nicht, das können Sie sich sicher vorstellen. Doch ich kenne Sie aus Salzburg, und ich bin skeptisch – sicher nicht, was Ihre administrative Ressortkompetenz betrifft –, was Ihre solidarische Kom­petenz betrifft. Da haben Sie mich in Salzburg keinesfalls überzeugt. Glauben Sie mir: Wir Grüne werden Sie auch hier in Wien sehr genau beobachten! (Beifall bei den Grünen.)

17.35

Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Hofer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten; Restredezeit der Fraktion: 9 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


17.35.57

Abgeordneter Ing. Norbert Hofer (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Herr Sozialminister, Sie machen auf mich den Eindruck eines Menschen, dem soziale Anliegen tatsächlich am Herzen liegen. Daher frage ich Sie: War das wirklich notwendig? Wir wissen, dass Wolfgang Schüssel ein sehr harter Verhandler ist. Wir wissen, dass er ein guter Taktiker ist. Und das Ergebnis zeigt uns jetzt, dass in diesem Regierungsprogramm vor allem die Handschrift der ÖVP zu finden ist, die wir auch kennen.

Ich habe heute auch bei der Präsentation des Regierungsprogrammes sehr gut auf­gepasst. Da ist mir aufgefallen, dass sich offensichtlich die Sozialdemokratie verändert hat. Früher hat es noch Sozialisten gegeben. Heute gibt es Tony Blair, es gab Schröder, es gab Klima, und ich habe geglaubt, mit Alfred Gusenbauer wird jetzt wieder ein bisschen mehr der Geist des Sozialismus hier Einkehr halten, der Geist von Bruno Kreisky. (Abg. Pfeffer: Der kommt schon noch!)

Als heute Vizekanzler Molterer bei seiner Rede ausgeführt hat, dass sich der Wert eines Menschen auch am Wert der Arbeit orientiert, die der Mensch ausübt, haben Sie meine Damen und Herren von der SPÖ, geklatscht – vielleicht automatisch. (Abg. Mag. Trunk: Na sicher nicht!)

Lesen Sie es nach im Protokoll! Genau das ist dieser eigenartige Geist, der hier Einzug hält: Der Wert eines Menschen orientiert sich am Wert seiner Arbeit.

Was ist die Arbeit eines Bundeskanzlers wert? – 19 000 € im Monat. Also ist der Kanzler sehr viel wert.

Was ist die Arbeit einer Reinigungskraft im Krankenhaus oder im Pflegeheim wert? – 800 €. Dieser Mensch ist also wenig wert nach dieser Darstellung.

Ich bin sehr froh, dass diese Worte heute gefallen sind, weil sie einen Geist offenbaren, der ein völlig falscher Geist ist, denn der Wert eines Menschen orientiert sich eben nicht an dem, was er arbeitet, sondern orientiert sich an völlig anderen Kriterien, die wir kennen: an seinem Charakter, an seiner Glaubwürdigkeit, an seinem Verhalten gegenüber den Mitmenschen. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren! Viele Dinge, die in diesem Programm stehen, sind nicht von Haus aus schlecht, es ist nur in sehr vielen Bereichen sehr oberflächlich, es ist in vielen Bereichen eine Enttäuschung, weil, wie wir alle wissen, ein Pflegenotstand im Wahlkampf ausgebrochen ist. Und wir haben uns alle gedacht, jetzt, nach der Wahl, wird dieser Pflegenotstand behoben. Es steht im Programm, es werde ein Arbeitskreis eingesetzt werden, der diesen Pflegenotstand beheben wird. Es hat doch schon einen Arbeitskreis gegeben, und dieser Arbeitskreis hat auch bereits seine Ergebnisse vorgelegt. Warum setzt man das nicht um?


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 175

Warum passt man das Pflegegeld nicht wirklich an? Wir haben beim Pflegegeld einen Wertverlust von 17 Prozent. Ich betone: 17 Prozent! Das tut jedem, der Pflege in An­spruch nehmen muss, weh. Ich weiß, das kostet Geld, aber schon allein mit den Mehreinnahmen aus den gestiegenen Ölpreisen des Jahres 2006 könnte das bezahlt werden.

17 Prozent Entwertung seit Einführung des Pflegegeldes, meine Damen und Herren!

Ein wichtiger Punkt, der auch immer von der SPÖ kritisiert worden ist, ist der Entwurf der Schwerarbeiterregelung, und zwar deswegen, weil Schwerarbeit nur dann einge­rechnet wird, wenn sie in den letzten 20 Berufsjahren anfällt. Und das ist in der Praxis oft gar nicht möglich.

Wer ist denn nach wirklich harter Arbeit noch so gesund, dass er in den letzten 20 Berufsjahren auch noch zehn Jahre aufbringen kann? Selbst wenn man das schafft, kann man nicht abschlagsfrei in Pension gehen, auch dann muss man Abschläge in Kauf nehmen.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Die Politik hat an Glaubwürdigkeit verloren, und ich möchte einen Beitrag dazu leisten, dass sie wieder an Glaubwürdigkeit gewinnen kann, und Ihnen helfen, ein Wahlversprechen einzuhalten, das Sie in Ihrem Wahlmanifest festgeschrieben haben, nämlich die Abschaffung der Studienbeiträge.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Hofer, Strache, Dr. Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend soziale Gerechtigkeit für Österreichs Studierende durch Abschaffung der Studien­beiträge

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat schnellst möglich eine Gesetzesnovelle zum Universitätsgesetz 2002 vorzulegen, die die Abschaffung der allgemeinen Studiengebühren ab dem Sommersemester 2007 vorsieht.“

*****

Ich bitte Sie, Ihrem Gewissen zu folgen und diesem Antrag zuzustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

17.41


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Hofer, Strache, Dr. Graf betreffend soziale Gerechtigkeit für Österreichs Studierende durch Abschaffung der Studienbeiträge ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Hofer, Strache, Dr. Graf und anderer Abgeordnete betreffend soziale Gerechtigkeit für Österreichs Studierende durch Abschaffung der Studien­beiträge

eingebracht im Zuge der Debatte über die Dringliche Anfrage betreffend sozialdemo­kratischer Vertrauensbruch in der Sozialpolitik in der 9. Sitzung des Nationalrates am 16. Jänner 2007


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 176

In der heutigen Zeit, in der fast 80 Prozent aller Studierenden darauf angewiesen sind einer Arbeit, zum Teil auch sogar zwei Beschäftigungen parallel zum Studium nach­zugehen, um ein geregeltes Einkommen zu haben, erzeugen Wahlkampfversprechen wie „die Abschaffung der Studienbeiträge“ einen Hoffnungsschimmer von sozialer Gerechtigkeit am finanziellen Horizont der Studierenden.

Ist doch vortrefflich im Wahlmanifest der Sozialdemokratischen Partei Österreichs mit dem vollmundigen Titel „Den Wohlstand gerecht verteilen. 20 Projekte für mehr Fairness in Österreich.“ auf Seite 10 eine der Hauptforderungen aus dem Wahlkampf und  größten Versprechen der SPÖ an die österreichischen Studenten festge­schrieben:

Die SPÖ wird deshalb eine hochschulpolitische Wende einleiten. Wir werden die Studiengebühren abschaffen und die Zugangsbeschränkungen so weit wie möglich aufheben.

Im SPÖ-ÖVP Regierungsprogramm ist im Vergleich dazu auf Seite 97 folgendes zur Thematik der Studienbeiträge zu lesen:

Das bestehende System der Studienbeiträge wird folgendermaßen verändert: Eine interministerielle Arbeitsgruppe wird das Studienbeihilfensystem im Hinblick auf seine soziale Treffsicherheit untersuchen und Verbesserungsvorschläge erstatten. Das be­reits existierende Kreditmodell wird ausgebaut und in der Öffentlichkeit mit dem Ziel verstärkt bekannt gemacht, dass es von einem größeren Kreis an Studenten in Anspruch genommen wird. Dazu kommt die Möglichkeit, dass künftig bestimmte gemeinnützige unentgeltliche Tätigkeiten im Ausmaß von 60 Stunden im Semester eine Refundierung der Studienbeiträge bewirken. Hierbei wird besonders an Betreuungs- und Unterstützungsleistungen im Rahmen des Schulwesens und an Tätigkeiten im Rahmen neuer sozialer Herausforderungen (Hospiz-Bewegung u.ä.) gedacht. Bei den Fachhochschulen treten keine Änderungen ein. .“

Von einer finanziellen Entlastung und sozialen Besserstellung der Studenten kann wohl keine Rede mehr sein, denn es findet auch der noch so ambitionierte Leser selbst unter größten Mühen nichts von einer Abschaffung der Studienbeiträge und somit der Abschaffung der sozialen Belastung für Studierende im Regierungsprogramm! Tempora mutantur!

Die Probleme auf den Universitäten sind groß. Studienplätze sind nach wie vor Mangelware, große Einstiegsprüfungen führen de facto zu einem „Numerus clausus“, der finanzielle Druck steigt von Semester zu Semester, die Infrastruktur ist nach wie vor nicht ausreichend und für genügend Lehrveranstaltungen fehlen die Vortragenden. Und dies alles obwohl von über 200.000 Studierenden jährlich seit Einführung der Studiengebühren durch über eine Million Einzahlungen mehr als eine dreiviertel Milliarde Euro aufgebracht wurden. Zum einen ist dieses Geld in der Verwaltung „versickert“ zum anderen wurden die bisher vom Staat zur Verfügung gestellten Gelder für die Universitäten zum Gutteil gestrichen. Dadurch kam es nur zu einer Verschie­bung auf der Einnahmenseite der Universitäten aber zu keiner Verbesserung – weder für die Studenten noch für die Universitäten. Die grundlegende Idee und die Chance auf diese Art die Universitäten besser zu stellen und für die Studenten etwas zu erreichen ist bis dato gescheitert, obwohl dermaßen viel Geld, mehr als eine dreiviertel Milliarde Euro, aus den Taschen der Studenten an die Universitäten geflossen ist.

Das Ziel der Studienbeiträge, zur Verbesserung der Situation der Studierenden wie auch generell der Universitäten beizutragen, wurde durch die mangelnde Umsetzung des zuständigen Ministerium und der Universitäten ganz klar verfehlt. Die Studierenden wurden so schon in den letzten fünf Jahren verraten und daran soll sich nach Meinung


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 177

der neuen Bundesregierung auch nichts ändern. Die sozialen Belastungen werden beibehalten.

An Stelle des bisherigen unsozialen, nicht funktionierenden Modells, welches absolut keine soziale Treffsicherheit aufweist, wäre zu überlegen, ein neues sozialeres System einzuführen. Es sollten die Universitäten gesetzlich die Möglichkeit eingeräumt bekommen, im Rahmen der Autonomie, in einer gewissen Bandbreite Studienbeiträge einheben zu können. Das zuständige Ministerium sollte dabei auf die Kontrolle der Mittelverwendung beschränkt werden.

Vor allem für langjährige Studenten, so genannte „Bummelstudenten“, welche das Bildungssystem durch eigenes Verschulden belasten sollten höhere Studienbeiträge, für Personen, die ein Zweitstudium absolvieren, für ausländische Studierende und Senioren sollte die Einführung eines speziellen Studienbeitrages überlegt werden, da die Finanzierung von einer Ausbildung pro Studenten durch den Staat ausreichend ist. Mit solchen Überlegungen soll ein ausgewogenes Verhältnis hergestellt werden.

Eine weitere Entlastung der Studenten würde die Abschaffung der Zwangsmitglied­schaft bei der Österreichischen Hochschülerschaft mit ihren Zwangsbeiträgen bringen. Bei der bisherigen Erfolgslosigkeit bei der Durchsetzung von studentischen Angelegen­heiten durch die linksdominierten ÖH-Vertreter stellt sich ohnehin jeder Studierende die Frage wozu dieses Geld eingehoben wird.

Der budgetäre Ausfall an den Universitäten durch die weitgehende Streichung der Studienbeiträge ist durch das Regelbudget abzudecken.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat schnellst möglich eine Geset­zesnovelle zum Universitätsgesetz 2002 vorzulegen, die die Abschaffung der allge­meinen Studiengebühren ab dem Sommersemester 2007 vorsieht.“

*****

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Königsberger-Ludwig. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten; Restredezeit der Fraktion: 8 Minuten. – Bitte.

 


17.41.27

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geschätzte Minister auf der Regierungsbank! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses! Herr Kollege Ing. Hofer hat im Vorfeld meiner Rede den Geist der SPÖ angesprochen und ist in diesem Zusammenhang auf jenen Teil der Ausführungen des Herrn Vizekanzlers eingegangen, in dem dieser die „Wertfeststellung“ eines Menschen angesprochen hat.

Geschätzter Herr Kollege Hofer, ich habe Ihnen wirklich aufmerksam zugehört, aber Ihr Parteichef hat sich vor zirka eineinhalb Stunden ganz speziell mit der bedarfsorien­tierten Grundsicherung, mit der Mindestsicherung, auseinander gesetzt und in diesem Zusammenhang in einer nicht wertschätzenden Art über Menschen gesprochen, die in Not geraten sind. Für mich stellt sich, wenn Menschen in Not geraten sind und Hilfe brauchen, nicht die Frage, warum sie in Not geraten sind, sondern es genügt die


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Tatsache, dass es Menschen in Österreich gibt, die arm sind, die unter der Armuts­schwelle leben müssen. Wir sind angetreten, diesen Menschen zu helfen.

Das, was zum Nachdenken an diesem Modell anregen sollte, oder das, was ich als einen sozialpolitischen Meilenstein empfinde, ist das, dass bei der bedarfsorientierten Mindestsicherung darauf Bedacht genommen wird, dass die Menschen, auch speziell die SozialhilfeempfängerInnen – meines Wissens zum ersten Mal –, tatsächlich die Möglichkeit haben, in eine aktive Arbeitsmarktpolitik-Maßnahme eingegliedert zu werden, dass sie aktiv ein Recht darauf haben, auch über das Arbeitsmarktservice vermittelt zu werden. Ich persönlich finde das sehr wohl als sozialpolitischen Meilenstein, wiewohl ich Ihnen auch darin Recht gebe, dass der Wert eines Menschen nicht mit dem Wert der Arbeit zusammenhängt. Es ist aber so, und ich denke, darüber sind wir alle uns hier einig, dass ein Mensch selbst seinen Wert sehr oft auch daran misst, was er einer Gesellschaft zurückgibt. Daher ist, denke ich, diese Maßnahme auch in deren Sinn.

Ich habe sehr lange in einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme mit langzeitarbeits­losen Frauen gearbeitet, und ich weiß, was es für einen Menschen bedeutet, lange Zeit vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen zu sein und deshalb auch sehr, sehr wenig Selbstwertgefühl zu haben. Meiner Meinung nach ist diese bedarfsorientierte Grund­siche­rung, die wir im Regierungsprogramm festgeschrieben haben, wirklich auch eine Maßnahme dazu, dass Menschen, die vom Arbeitsmarkt weggewesen sind, die sehr wenige Chancen gehabt haben, wieder eine Reintegration in den ersten, in den zweiten Arbeitsmarkt erfahren können. – Das halte ich für einen sozialpolitischen Meilenstein. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist keineswegs so, wie Ihr Parteiobmann gesagt hat. Es ist festgeschrieben, dass jene Menschen, die diese Leistungen erhalten werden, auch die Arbeitswilligkeit vorweisen müssen. Das ist also, wie schon gesagt, wirklich ein großer Meilenstein zur Bekämpfung von Armut. Dass es das Problem der Armut in Österreich gibt, darin sind wir, glaube ich, auch alle einer Meinung.

Es ist heute so viel darüber gesprochen worden, dass in diesem Regierungsprogramm keine großen zukunftsträchtigen Projekte zu finden sind. – Ich denke, gerade im Bereich des Sozialministeriums, gerade im Bereich unseres Sozialministers finden sich sehr große, zukunftsträchtige Projekte, und vor allem finden sich in diesem Programm Antworten auf die ganz großen Herausforderungen der Zukunft.

Angesprochen wurden heute schon die Pensionen, angesprochen wurde heute schon die große Herausforderung im Bereich Pflege. Wir wissen alle, dass die Menschen immer älter werden, dass der Pflegebedarf steigen wird.

Wie wir gehört haben, werden wir zu einem ganz großen Teil auch daran gehen, die Arbeitslosigkeit zu senken, indem Jugendliche eine Ausbildungsgarantie bis 18 Jahre erhalten.

Wenn das alles keine sozialpolitischen Meilensteine sind, wenn das keine großen Projekte sind, für die es sich lohnt, einzutreten, dann weiß ich wirklich nicht, was große Projekte sein sollten.

Vielleicht noch ein Gedanke zum Schluss, weil ich weiß, dass die Maßnahmen des AMS ja auch in diesem Haus nicht immer die Zustimmung aller Fraktionen gefunden haben. Im Regierungsprogramm ist festgeschrieben, dass es nicht nur Kursmaß­nah­men und Schulungsmaßnahmen geben soll, sondern dass es vor allem auch Beschäftigung für SozialhilfeempfängerInnen, für arbeitslose Menschen geben soll. – Ich sehe das nicht als Billigarbeitskräfte in gemeinnützigen Tätigkeiten, sondern ich sehe das so, dass das ein erster Schritt in die Reintegration in den Regelarbeitsmarkt


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ist. Es gibt in Österreich eine ganze Menge von sozialökonomischen Betrieben, es gibt eine ganze Menge von gemeinnützigen Beschäftigungsprojekten, die schon hervor­ragende Arbeit in diesem Bereich geleistet haben. Ich denke, wenn wir diese ExpertInnen dazu einladen, an Maßnahmen für die bedarfsorientierte Mindestsiche­rung mitzuarbeiten, dann kann das nur gut werden.

Zum Abschluss möchte ich sagen, dass ich hundertprozentig davon überzeugt bin, dass wir mit Dr. Erwin Buchinger einen Kämpfer für Soziales haben, dass wir einen Sozialfighter im Sozialministerium sitzen haben. (Beifall bei der SPÖ.)

17.47


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung; das ist auch die Restredezeit der Fraktion. – Bitte.

 


17.47.13

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als ich die Dringliche Anfrage gesehen habe, habe ich mich, wie man so schön sagt, recht abg’haut. Es ist nämlich schon irgendwie lustig, wenn die ehemalige Frau Sozialministerin, die seit fünf Tagen nicht mehr Ministerin ist, jetzt Fragen stellt, deren Antworten Sie nach erst fünf Tagen aus dem Amt – ich hätte das zumindest gedacht – eigentlich noch wissen müsste. Sie stellte zum Beispiel Fragen, wie viele behinderte Menschen es gibt, wie viele PflegegeldbezieherInnen es gibt. – Dass man das nach fünf Tagen nicht mehr weiß, ist schon heftig und irgendwie auch ein Outing erster Klasse dazu (Beifall bei den Grünen und der SPÖ), wie intensiv man sich mit diesem Thema auseinandergesetzt hat.

Das hätte man sich ersparen können. Ich sage ja nichts, Frau Ministerin, wenn der Huber Sepp oder der Berger Max, die vielleicht am 1. Oktober neu gewählt worden und Ende Oktober angelobt worden sind, solche Fragen stellen, das nicht wissen, aber dass Sie das als ehemalige Sozialministerin nicht mehr wissen, ist, sage ich jetzt einmal, eine eigene Geschichte.

Aber jetzt zur Anfrage selbst. Herr Minister, Sie haben gesagt – und das stimmt! –, dass es im Bereich sozialer Absicherung jährlich 400 Millionen € zusätzlich an Budget­mitteln geben wird. – Das stimmt aber nicht! Es sind in Summe nur 1,185 Milliarden € und jährlich sind das im Schnitt nur 266,25 Millionen €. Das kann man aber auch sagen, dass das so ist. Wenn man von 400 Millionen im Jahr spricht, es dann aber nur 266,25 Millionen im Jahr sind, dann passt da irgendetwas nicht zusammen. Ich meine, damit kann man sich auch nicht unbedingt Vertrauen schaffen, sondern dadurch verliert man gleich am Anfang sehr viel von dem, was man eigentlich nutzen sollte, nämlich doch eine gewisse Vertrauensbasis.

Ich würde Sie ersuchen, Herr Minister, gerade im Interesse von Menschen mit Behin­derungen mit klaren Zahlen zu operieren. Wir wollen mit Ihnen einen Gesprächspartner haben und nicht jemanden, dem wir ständig misstrauen müssen, wenn er irgendetwas daherbringt, und nicht gleich wieder überlegen müssen: Stimmt die Geschichte oder stimmt sie nicht? Wir könnten das auf einer anderen Basis lösen, und ich hoffe, dass wir das auch so hinkriegen werden. Das wäre wirklich eine Bitte meinerseits.

Jetzt aber zu anderen Dingen. – Herr Minister, in Ihrem Regierungsprogramm steht, dass es die Rund-um-die-Uhr-Betreuung geben soll. Da bin ich absolut dafür, eine 24-Stunden-Betreuung muss es geben. Was Sie allerdings nicht dazusagen, ist, wer das bezahlt.

Wer soll das zahlen, bitte? Den Betroffenen können Sie nichts mehr wegnehmen! Wenn heute jemand 1 600 € Pflegegeld bekommt und damit eine Rund-um-die-Uhr-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 180

Betreuung finanzieren muss, nämlich 744 Stunden im Monat, dann bedeutet das für die betreuende Person einen Bruttolohn von 2,2 €. Muss jetzt noch ein Beschäftigungs­verhältnis eingegangen werden, dann bleibt von den 2,2 € nur mehr ein Euro übrig – und Sie werden in ganz Österreich niemanden finden, der es sich leisten kann, für einen Euro Stundenlohn arbeiten zu gehen.

Das heißt, wenn man sich wirklich zu einer 24-Stunden-Betreuung, zu einer Rund-um-die-Uhr-Betreuung bekennt – ich befürworte das unbedingt, wir brauchen sie –, dann muss aber auch klargestellt werden, dass das die öffentliche Hand zu finanzieren hat. Anderenfalls können wir das gleich vergessen, und die Hoffnung vieler Betroffenen, die sich auf dem illegalen Markt Personal eingekauft haben, dass sie doch zu Hause bleiben können, wäre mehr oder weniger dahin.

Die Fragen der Finanzierung sind im Gesamten in den Kapiteln „Menschen mit Behin­derungen“, „Altenbetreuung“, Pflegebetreuung“ überhaupt nicht klargestellt. Ganz im Gegenteil! Ich habe sogar einen ganz komischen Verdacht – vielleicht wird es nicht so –, da steht nämlich im Kapitel „Pflege und Betreuung“, dass sich Bund, Länder und Gemeinden zusammensetzen werden – wieder ein Arbeitskreis – und mehr oder weniger die inhaltliche Gestaltung dieses Teils festlegen wollen. Das halte ich für gefährlich, und das sage ich Ihnen ganz ehrlich. Wenn ich heute etwas zu zahlen habe und meine budgetären Mittel kenne, dann überlege ich: Was ist möglich, was ist nicht möglich? Das heißt, wenn man das umsetzen will – und ich sage jetzt einmal, Sie wollen das machen –, dann wird man die Rechnung nicht ohne den Wirt, nämlich nicht ohne die Betroffenen machen können.

Sie müssen bereit sein, gerade im Bereich Pflegebetreuung, persönlicher Assistenz, in allem, was Arbeit mit Alten, mit Behinderten betrifft, die Betroffenen selbst als Experten in eigener Sache miteinzubeziehen. Wenn das jetzt nur auf Basis der Kostenträger ab­gehandelt wird, dann passt das nicht, und Sie werden den Widerstand der Betroffenen ganz schnell spüren beziehungsweise es besteht die Gefahr, dass man uns wieder ausschließt, unser Selbstbestimmungsrecht in Anspruch zu nehmen. – Schaffen Sie sich Menschen mit Behinderungen als PartnerInnen und nicht als GegnerInnen, das wäre ganz gut, und greifen Sie auf deren Expertenwissen zurück, schließen Sie sie nicht aus!

Frau Abgeordnete Lapp hat gesagt, die letzte Regierung hätte das BSA abschaffen wollen. – Stimmt, gerettet haben es die Betroffenen und sonst niemand, das möchte ich hier festhalten! (Beifall bei den Grünen.)

17.52


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Vorläufig letzter Redner in dieser Debatte ist Herr Abgeordneter Neubauer. 4 Minuten Redezeit; das ist gleichzeitig die Restredezeit Ihrer Fraktion. – Bitte.

 


17.53.00

Abgeordneter Werner Neubauer (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Herr Klubobmann Schüssel hat anläss­lich einer Veranstaltung der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst Folgendes gesagt: Die Pensionisten und die heutige Seniorengeneration müssen zur Kenntnis nehmen, dass wir ihr keine Geschenke mehr machen wollen. – Zitatende.

Eben dieser Zynismus, mit dem das formuliert ist, hat sich uns heute in diesem Regie­rungs­programm offenbart. Es ist ein Regierungsprogramm, das von der ÖVP diktiert wurde und das Bundeskanzler Gusenbauer unterschreiben durfte. – Das ist es!


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 181

Herr Sozialminister, Sie haben heute zwar viele Fragen beantwortet, aber für mich sind einige Fragen offen geblieben, und ich darf Sie Ihnen im Folgenden zur Kenntnis bringen.

Warum hat in diesem Regierungsprogramm nicht Platz gegriffen, etwas für die Men­schen zu tun, die in Invaliditätspension gehen müssen, um die Schwerarbeiterregelung in Anspruch nehmen zu können? Warum wurde nichts getan betreffend Rezept­gebühren für chronisch Kranke, meine sehr geehrten Damen und Herren? Warum wurde nichts getan für die Abschaffung der Erbschafts- und Schenkungssteuer? Warum wurde nichts getan zur Beseitigung der sozialen Härten durch diese Pensions­reform? Warum wurde nichts getan für die sozialen Dienstleistungen?

Wenn man diese Fragen jetzt alle im Kontext sieht und weiß, dass man großartig angekündigt hat, eine Steuerreform für die Jahre 2009/2010 in Angriff nehmen zu wollen, dann klingt das geradezu so, als sollte es eine Verhöhnung sein, denn statt dessen bringen Sie Belastungen. Um nur ein Beispiel zu nennen: die Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge – ganz witzig, denn mit 0,15 Prozent nicht gerade viel, wie man meinen möchte, aber wenn man sich das durchrechnet, dann kommt man auf fast genau jenen Betrag im Jahr, den diese Regierung willig war, den Pensionisten mit der Einmalzahlung von 30,92 € zu überlassen. – Auf diese Art holt man sich das Geld von den Pensionisten wieder zurück, und ich sage, das ist eine ganz unsoziale Leistung gegenüber den Pensionisten! (Beifall bei der FPÖ.)

Wir fordern deshalb, auch damit so etwas nicht mehr passiert, die Anerkennung des Verhandlungsmandates für Pensionisten durch den Vorstand des Seniorenrates und gleichzeitig, Herr Bundesminister, eine Aufwertung des Seniorenrates. Es kann doch nicht so sein, dass dieser Seniorenrat noch zehn Jahre existiert, aber eigentlich keine wirkliche Handlungsfreiheit genießt.

Was den Antrag des BZÖ betreffend Pflege betrifft, darf ich Ihnen mitteilen, dass wir ihn grundsätzlich nicht ablehnen, aber einen anderen Zugang dazu haben.

Deshalb werde ich einen Entschließungsantrag einbringen, den ich jetzt zu Gehör bringen darf.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Kickl, Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhöhung des Pflegegeldes

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, alle erforderlichen Schritte zu setzen, um das Pflegegeld so anzupassen, dass es inflationsbereinigt dem Wert bei dessen Einführung im Jahr 1993 entspricht. In Zukunft soll zudem eine jährliche Valorisierung des Pflege­geldes sichergestellt werden.“

*****

Ich ersuche um Annahme dieses Antrages; ich ersuche vor allem die Sozialdemokratie um ihre Zustimmung, da laut einer APA-Aussendung vom 9. August 2006 der jetzige Bundeskanzler Gusenbauer zum Bereich Pflege gesagt hat, mit zusätzlichen 200 Mil-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 182

lionen € seien die gröbsten Probleme zu lösen. Es wird auch darauf hingewiesen, dass Grasser eventuell nur 140 Millionen € zur Verfügung stellen könnte. Nun, Grasser ist in diesem Hause nicht mehr vertreten, das heißt: Was hindert Sie daran, diesem guten Antrag zuzustimmen? (Beifall bei der FPÖ.)

17.57


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Der soeben von Herrn Abgeordnetem Neu­bauer eingebrachte Entschließungsantrag der Abgeordneten Kickl, Neubauer, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Erhöhung des Pflegegeldes ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Kickl, Neubauer und anderer Abgeordneter betreffend Erhöhung des Pflegegeldes

eingebracht im Zuge der Debatte zur Dringlichen Anfrage an den Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz in der Sitzung am 16.01.07

Das Pflegegeld verliert Jahr für Jahr an Wert. Seit vielen Jahren beklagen Behin­dertenorganisationen, dass die Regierung das Pflegegeld in den letzten Jahren nicht ausreichend erhöht hat. In den letzten 10 Jahren wurde das Pflegegeld nur ein einzi­ges Mal erhöht. Doch nicht einmal in diesem Jahr – nämlich 2005 – reichte die Erhöhung um die Inflation des laufenden Jahres auszugleichen.

Den Menschen wird es daher immer schwerer gemacht, legale Pflege durch ausge­bildete Fachkräfte zu finanzieren.

Jährlich macht die Entwertung bei der Pflegestufe 1 inzwischen Euro 393,-- aus, bei der Pflegestufe 2 sind es Euro 550,--, bei der Pflegstufe 3 Euro 848,--, Pflegestufe 4 Euro 1.273,--, Pflegestufe 5 Euro 1.728,--, Pflegestufe 6 Euro 2.358,-- und für die Pflegestufe 7 beträgt die jährliche Entwertung bereits Euro 3.146,--.

Daher ist festzuhalten, dass von einer echten Erhöhung des Pflegegeldes bisher keine Rede sein kann. Es wurde nicht einmal eine Inflationsanpassung vorgenommen. Um diese zu erreichen müsste das Pflegegeld heute um 17 % erhöht werden. Die Mehr­kosten dafür würden sich im Budget des Jahres 2007 mit rund 285 Millionen Euro niederschlagen und könnten durch die Mehreinnahmen im Jahr 2006 finanziert werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, alle erforderlichen Schritte zu setzen, um das Pflegegeld so anzupassen, dass es inflationsbereinigt dem Wert bei dessen Einführung im Jahr 1993 entspricht. In Zukunft soll zudem eine jährliche Valorisierung des Pflegegeldes sichergestellt werden.“

*****

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheibner. Restredezeit der Fraktion: 6 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 183

17.57.36

Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Neubauer, meine Fraktion wird Ihrem Antrag zur Erhöhung des Pflegegeldes zustimmen, aber auch wir haben einen eigenen Antrag eingebracht.

Ich denke, es ist wichtig, diese Initiativen zu setzen und darauf zu warten und zu hoffen, dass die SPÖ in diesem Bereich – wenigstens in diesem Bereich! – ihre Wahl­propaganda doch umsetzt. Nicht nur einmal ... (Zwischenruf des Abg. Parnigoni.) Schon wieder Parnigoni; er sitzt immer da, der Herr ehemalige Verkehrssprecher, und redet bei jedem Thema drein. Bitte, komm wenigstens du, lieber Kollege Parnigoni, deinen Wahlversprechen nach und stimme gemeinsam mit der Opposition dafür, dass das Pflegegeld nicht nur einmal valorisiert wird, sondern auch wirklich wertgesichert angepasst, erhöht und in seinem Wert auch für die Zukunft garantiert wird! (Abg. Parnigoni: Wir werden es tun!) Wunderbar! Er hat gesagt: Wir werden es tun!, also vielleicht werden wir heute wirklich die entsprechende Zustimmung bekommen. (Abg. Parnigoni: Unseren Antrag!)

Kollege Mitterlehner von der ÖVP hat sich ein bisschen gewundert, weshalb meine Fraktion, das BZÖ unter Klubobmann Westenthaler, diese Dringliche Anfrage einge­bracht hat. – Das wird ja wohl zulässig sein, dass man einen Sozialminister befragt, der in einer Fernsehsendung entweder bewusst oder unbewusst falsche Zahlen genannt hat. Darüber sollte man sich nicht wundern, sondern das ist selbstverständlich eine Verpflichtung, wenn nicht einmal er weiß – oder hat er es absichtlich gemacht? –, dass er nicht 400 Millionen pro Jahr zur Verfügung hat, um Mehraufwendungen im Sozialbereich abzusichern, sondern diesen Satz erst im letzten Jahr möglicherweise, hoffentlich oder wie auch immer erreichen wird.

Da geht es immerhin um eine angebliche Kernkompetenz der SPÖ – um auch die Wahlversprechen entsprechend festzumachen. Und es ist schon interessant, Kollege Mitterlehner, hier darüber zu diskutieren, am ersten Tag dieser neuen Bundes­regie­rung, zumindest am ersten Tag auf parlamentarischer Ebene, weshalb sich gerade die SPÖ in ihrer eigenen Kernkompetenz hat abräumen lassen wie ein Christbaum am 6. Jänner.

Das haben wir ja heute wieder gesehen, dass man hier keine besonderen Antworten bekommt. Die Frau Abgeordnete Lapp hat in ihrer Lesung hier sehr putzig gemeint, Klubobmann Westenthaler hätte die 180 Seiten des Regierungsprogramms nicht gelesen. Wenn ich es mir anschaue: Inklusive des Deckblattes und des Inhalts­verzeichnisses sind es nicht 180 Seiten, sondern 167 Seiten. Das aber nur nebenbei. (Abg. Ing. Westenthaler: Die weiß nicht einmal, wie viele Seiten das hat!)

Wenn Sie die Werbung ... (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Bitte, auf welchem Niveau diskutieren Sie denn hier? Sie sind jetzt Vertreterin einer Regierungspartei, Frau Kollegin Lapp! Das hat sich anscheinend noch nicht bis zu Ihnen in die vorletzte oder drittletzte Reihe durchgesprochen. Sie sollten jetzt wirklich auch mit einem gewissen Niveau argumentieren und nicht kritisieren, dass ein Behindertengleichstellungsgesetz mit einer orangen Farbe beworben worden ist. Sie sollten doch froh sein, gemeinsam mit uns – ich weiß nicht, wahrscheinlich haben Sie damals auch dagegen gestimmt –, dass es unter unserer Regierung gelungen ist, endlich dieses Behinderten­gleichstel­lungs­gesetz umzusetzen. (Beifall beim BZÖ.) Sie hätten lange Zeit gehabt, das zu machen. Das ist ein wirklicher Meilenstein für die Rechte der Behinderten.

Wir hätten in Ihrem Regierungsprogramm, in den 167 Seiten inklusive Deckblatt, solche Meilensteine erwartet, die Sie umsetzen werden.

Kollege Riepl, wenn Sie da wieder einmal herausgehen und sagen, wir wären gegen die Gewerkschaft gewesen: Also wenn in den letzten Jahren irgendjemand gegen die


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Gewerkschaft gearbeitet hat, dann war es die Gewerkschaft selbst, dann waren es die Sozialdemokraten, die verantwortlich gewesen sind für dieses finanzielle Desaster der Gewerkschaft. (Beifall beim BZÖ.)

Ich habe heute irgendwen gehört, der gesagt hat, die Demonstrationen der Gewerk­schaft hätten dazu geführt, dass man die Pensionsreform ein bisschen abgemildert hat. – Ja, damals haben sie wenigstens noch demonstrieren können! Heute bei dem leergefegten Streikfonds könnten sie ja nicht einmal einen Tag Demonstration finan­zieren. Aber das hätten wir auch nicht gebraucht, denn wie Sie es ja selbst in Ihrem Regierungsprogramm schreiben, haben wir das beste Pensionssystem in Europa, und das ist auch ein Erbe der vorigen Bundesregierung. Und wir werden uns sehr genau anschauen, was Sie aus diesem Erbe machen werden.

Herr Sozialminister! Eines sei Ihnen schon noch ins Stammbuch geschrieben: Wir hätten uns heute schon erwartet – und da handelt es sich um eine Kernkompetenz der SPÖ; es ist natürlich klar, dass man am ersten Tag hier im Parlament nicht über alles Bescheid wissen kann –, dass Sie zumindest Ihre eigenen Ziele und Ideen hier entsprechend präsentieren. Da haben wir leider sehr, sehr wenig gehört. Ich bin gespannt, ob sich das noch bessern wird.

Eines sage ich Ihnen schon auch als Parlamentarier: Gerade Ihre Fraktion war es immer, die sehr darauf geachtet hat, dass es keine Polemik von der Regierungsbank gibt, dass es keine allgemeinen Ausflüchte seitens der Minister gibt und dass man nicht mit irgendwelchen flapsigen Bemerkungen die Abgeordneten heruntermacht. Das werden wir bei Ihnen auch entsprechend beobachten, denn hier ist die „Bundesliga“, Herr Sozialminister! Wir sind hier nicht in irgendeinem Landtag, wo das möglicherweise durchgeht, ich weiß es nicht. Sie sind ja auch nicht mehr Landesrat in irgendeinem Bundesland, sondern Sie sind Minister der Republik Österreich. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Und wir hier im Nationalrat sind die Vertreter der Bevölkerung der Republik Österreich, und da haben Sie nicht Belehrungen abzugeben, sondern Informationen zu geben, Antworten auf Fragen, die hier gestellt werden. (Beifall beim BZÖ.)

Aber Sie werden uns ja noch einige Male hier Rechenschaft ablegen müssen, warum Sie als Sozialminister in einer Bundesregierung mit dabei sind, die als eine der wirklich konkreten Maßnahmen in dem Regierungsprogramm eine Belastungslawine mit Gebührenerhöhungen, mit Abgabenerhöhungen auf die Bevölkerung niedergehen lässt. – Das war vielleicht eine kleine Einleitung, Herr Sozialminister, üben Sie sich noch ein bisschen in Parlamentarismus!

Wir werden – Kollege Dolinschek hat es gesagt – überall dort, wo es positiv ist, kon­struktiv mitarbeiten. Aber wir werden dafür sorgen, dass Sie nicht mit Ihrer Ver­schleierungspolitik zu Lasten der Österreicherinnen und Österreicher die alte Politik der großen Koalition aus den neunziger Jahren fortführen können. (Beifall beim BZÖ.)

18.04


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich bitte alle Damen und Herren, Platz zu nehmen, denn wir kommen nun zu den Abstimmungen.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ord­neten Ing. Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sanktionen für gebrochene Wahlversprechen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.


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Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend soziale Gerechtigkeit für Österreichs Studierende durch Abschaffung der Studienbeiträge.

Es ist namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von 20 Abgeordneten gestellt wurde, ist die namentliche Abstim­mung durchzuführen. Ich gehe daher so vor.

Die Stimmzettel, die zu benützen sind, befinden sich in den Laden der Abgeord­netenpulte und tragen den Namen des Abgeordneten sowie die Bezeichnung „Ja“, das sind die grauen Stimmzettel, beziehungsweise „Nein“, das sind die rosafarbenen.

Für die Abstimmung können ausschließlich diese amtlichen Stimmzettel verwendet werden.

Gemäß der Geschäftsordnung werden die Abgeordneten namentlich aufgerufen, den Stimmzettel in die bereitgestellte Urne zu werfen.

Ich ersuche jene Abgeordneten, die für die Annahme des Entschließungsantrags der Abgeordneten Hofer, Kolleginnen und Kollegen stimmen, „Ja“-Stimmzettel, jene, die dagegen stimmen, „Nein“-Stimmzettel in die Urne zu werfen.

Ich bitte nunmehr den Herrn Schriftführer, Abgeordneten Rainer Wimmer, mit dem Namensaufruf zu beginnen; Frau Abgeordnete Dr. Maria Theresia Fekter wird ihn dabei später ablösen.

*****

(Über Namensaufruf durch den Schriftführer Wimmer und die Schriftführerin Dr. Fekter werfen die Abgeordneten die Stimmzettel in die Urne. – Während der Stimmabgabe des Abg. Broukal Rufe beim BZÖ: Umgefallen! Umgefallen!)

*****

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Bevor ich die Stimmabgabe beende, darf ich Frau Abgeordneter Dr. Gabriela Moser sagen, die Stimmkarte, auf der „Ja“ oder „Nein“ steht, gilt. Ich bitte Sie daher, die entsprechende einzuwerfen, auch wenn die Farbe nicht stimmt. Wir werden sofort veranlassen, dass Sie neue, richtig bedruckte Stimmkarten bekommen. – Haben Sie eingeworfen, Frau Kollegin? (Abg. Dr. Gabriela Moser: Ja!)

Die Stimmabgabe ist damit beendet.

Die damit beauftragten Bediensteten des Hauses werden nunmehr unter Aufsicht der Schriftführer die Stimmenzählung vornehmen. Zu diesem Zweck werde ich die Sitzung für einige Minuten unterbrechen.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Die zuständigen Beamten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 18.13 Uhr unterbrochen und um 18.21 Uhr wieder aufgenommen.)

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, wieder Platz zu nehmen. Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Ich gebe das Abstimmungsergebnis bekannt: abgegebene Stimmen: 173; davon „Ja“-Stimmen: 42, „Nein“-Stimmen: 131. – Der Antrag ist somit abgelehnt.


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Gemäß § 66 Abs. 8 der Geschäftsordnung werden die Namen der Abgeordneten unter Angabe ihres Abstimmungsverhaltens in das Stenographische Protokoll aufgenom­men.

*****

(s. Berichtung des Abstimmungsergebnisses S. 354. – Abweichend von der Bekannt­gabe des Stimmverhaltens durch Präsidenten Dr. Spindelegger lautet das tatsäch­liche Abstimmungsergebnis wie folgt: abgegebene Stimmen: 174; davon „Ja“-Stimmen: 42, „Nein“-Stimmen: 132.)

*****

Mit „Ja“ stimmten die Abgeordneten:

Aspöck;

Belakowitsch-Jenewein, Bösch, Brosz;

Fichtenbauer;

Glawischnig-Piesczek, Gradauer, Graf, Grünewald;

Haimbuchner, Hauser, Hofer, Hradescni;

Kickl, Klement, Kogler, Kurzmann;

Lichtenecker, Lunacek;

Mandak, Mayerhofer, Moser;

Neubauer Werner;

Öllinger;

Pilz, Pirklhuber;

Rosenkranz, Rossmann;

Sburny, Schatz, Stadler Ewald, Stoisits, Strache;

Themessl;

Van der Bellen, Vilimsky;

Weinzinger Brigid, Weinzinger Lutz;

Zach, Zanger, Zinggl, Zwerschitz.

Mit „Nein“ stimmten die Abgeordneten:

Ablinger, Amon, Aubauer, Auer Jakob, Auer Klaus Hubert;

Bauer, Bayr, Becher, Binder-Maier, Brinek, Broukal, Bucher;

Cap, Csörgits;

Darmann, Dolinschek, Donabauer Karl, Donnerbauer Heribert;

Eder Kurt, Eder Sebastian, Eder-Gitschthaler, Ehmann, Einem, Einwallner, Eisenschenk, Eßl;

Fasslabend, Faul, Fazekas, Fekter, Fleckl, Franz, Freund, Fuhrmann, Füller, Fürntrath;

Gaál Anton, Gahr Hermann, Gartlehner, Gaßner, Glaser, Grander, Grillitsch, Grossmann, Großruck;


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Haberzettl, Hagenhofer, Hakl, Haubner Peter, Haubner Ursula, Heinisch-Hosek, Heinzl, Hlavac, Höfinger, Höllerer, Hörl, Hornek;

Ikrath;

Kainz, Kaipel, Kapeller, Karl, Keck, Kirchgatterer, Köfer, Königsberger-Ludwig, Kopf, Kößl, Krainer, Kräuter, Krist, Kukacka, Kuntzl;

Lapp, Lentsch;

Maier Ferdinand, Maier Johann, Marizzi, Mayer Elmar, Mikesch, Missethon, Morak, Muchitsch, Murauer, Muttonen;

Neugebauer Fritz, Niederwieser;

Oberhauser, Obernosterer;

Pack, Parnigoni, Pendl, Pfeffer, Prähauser, Prammer, Praßl, Prinz;

Rada Robert, Rädler Johann, Rasinger, Rauch-Kallat, Reheis, Riener Barbara, Riepl, Rinner Sylvia;

Schalle, Scharer, Schasching, Scheibner, Schieder Andreas, Schönpass, Schopf, Schultes, Schüssel, Sieber Norbert, Sonnberger, Spindelberger Erwin, Spindelegger Michael, Stadlbauer, Stadler Astrid, Stauber, Steier, Steindl Konrad, Stummvoll;

Tamandl, Trunk;

Westenthaler, Wimmer, Wittmann, Wöginger, Wurm;

Zweytick.

*****

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Wir gelangen nunmehr zur nächsten Abstim­mung.

Ich darf wieder alle bitten, Platz zu nehmen. (Präsident Dr. Spindelegger gibt das Glockenzeichen.)

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Westenthaler, Kollegin und Kollegen betreffend fehlende nachhaltige Lösung der Pflegevorsorge.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhöhung des Pflegegeldes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

18.22.20Fortsetzung der Tagesordnung

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Ich nehme nun die Verhandlungen über die Erklärung der Bundesregierung wieder auf.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Grillitsch mit einer freiwilligen Redezeit­beschränkung von 5 Minuten. – Bitte.

 



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18.22.35

Abgeordneter Fritz Grillitsch (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! (Zwischenruf des Abg. Parni­goni.) – Das wird gleich kommen, Herr Kollege Parnigoni, keine Sorge. – Das Thema Sicherheit war ein sehr wichtiges Thema für die Österreicherinnen und Österreicher, insbesondere auch im Wahlkampf. Ich glaube, die Österreicher sind zu Recht stolz darauf, in einem der sichersten Länder der Welt zu leben.

Das vorliegende Regierungsprogramm ist eine gute Grundlage, um Österreichs Sicher­heit umfassend weiterzuentwickeln und weiter auszubauen, und zwar in mehreren Bereichen: Es geht dabei um einen sicheren Lebensraum, es geht um einen sicheren Arbeitsraum, und es geht auch um einen sicheren Wirtschaftsraum. Und unser Land – ich sage das hier heute auch ganz bewusst – ist zu schade für irgendwelche Experimente. Daher bin ich froh, dass das Regierungsprogramm auch ganz eindeutig die Handschrift der Österreichischen Volkspartei trägt, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Wer von Sicherheit redet, muss auch von Landesverteidigung reden. Diese Bundes­regierung garantiert auch die Handlungsfähigkeit des österreichischen Bundesheeres. Notwendig ist ein Bundesheer, das seine Aufgabe im Bereich der militärischen Landesverteidigung und zum Schutz der Souveränität und Neutralität erfüllen kann. Das Bundesheer muss der Bevölkerung aber auch in Katastrophenfällen zur Seite stehen, meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen.

Es geht jedoch auch um die Sicherheit des ländlichen Raumes. Ich bin sehr froh darüber, dass wir sicherstellen konnten, dass jeder Euro aus Brüssel abgeholt wird: 3,9 Milliarden € für die Periode von 2007 bis 2013. Damit sind die Programme für unsere Bergbauern sichergestellt, damit ist das Programm im Umweltbereich sicher­gestellt und damit ist auch eine Regionaloffensive im ländlichen Raum notwendig. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich sage hier heute ganz bewusst – ich bitte auch Sie, meine Damen und Herren unseres Koalitionspartners –: Sorgen Sie dafür, dass auch in den Bundesländern die Kofinanzierung für diese Programme zur Verfügung gestellt und sichergestellt wird! Es darf nicht ständig politisch verunsichernde Diskussionen geben.

Ich bitte Dr. Gusenbauer – leider ist er momentan nicht im Saal, trotzdem mache ich es –, nicht nur Nachhilfeunterricht in Wiener Schulen zu geben, sondern auch – das biete ich ihm an – Nachhilfeunterricht in Landwirtschaftsschulen zu nehmen, damit das Verständnis, das jetzt durch das Regierungsprogramm gegeben ist, intensiviert werden kann. In diesem Zusammenhang erinnere ich mich an Diskussionen hier, als wir diskutiert haben, 50 Prozent weniger für den ländlichen Raum und 50 Prozent weniger für die bäuerlichen Familien. – Ich bin sehr froh darüber, dass das mit diesem Regierungsprogramm außer Streit gestellt ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Was mich besonders für die Menschen im ländlichen Raum freut, ist die Technologie­offensive, die Breitbandoffensive mit 500 Millionen €, wo der ländliche Raum ein attraktiver Wirtschaftsraum werden kann, wo wir sozusagen die Welt in das Dorf bekommen und wo wir umgekehrt in Sekundenschnelle unsere Leistungen, unsere Ideen, unsere Produkte in die Welt hinausstellen können.

Die ÖVP und der Bauernbund sind sich dieser Zukunftschance aber auch für erneuer­bare Energieträger bewusst. Auch hier geht es um Versorgungssicherheit, um Arbeitsplätze, aber auch um den Schutz der Umwelt.

Meine Damen und Herren! Die Energie für eine sichere Zukunft wächst auf den Äckern, auf den Wiesen und in den Wäldern der Bauern. Energie aus landwirt­schaft-


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licher Produktion ist nachhaltig, ist sicher und sauber und schafft Arbeitsplätze in strukturschwachen Gebieten.

Daher sind die Ziele in diesem Regierungsprogramm klar formuliert: den Anteil der erneuerbaren Energieträger am Gesamtenergieverbrauch bis 2020 zu verdoppeln. Und hiezu wurde auch extra ein Energie- und Klimaschutz-Fonds mit 500 Millionen € geschaffen, damit wir insbesondere im Bereich der Forschung und Entwicklung mit dieser Zukunftschance entsprechend arbeiten können.

Ich glaube, dieses Regierungsprogramm ist ein gutes Programm für ein zukunfts­reiches Österreich. (Beifall bei der ÖVP.)

18.27


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Darmann. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


18.27.28

Abgeordneter Mag. Gernot Darmann (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Mitglieder auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Da für mich der Bereich der Bildung und Wissenschaft von besonderer Wichtigkeit ist, werde ich mich in meiner Rede in erster Linie mit den Studenten und den Studiengebühren befassen.

Meinen Ausführungen voranstellen möchte ich jedoch einige Aussagen von SPÖ-Größen zu einem ihrer wichtigsten Wahlversprechen, nämlich der Abschaffung der Studiengebühren.

So hat Josef Broukal als SPÖ-Wissenschaftssprecher am 23. November 2006 gesagt: Die SPÖ will selbstverständlich die unfairen Studiengebühren abschaffen!

Oder: SPÖ-Chef und nunmehriger Kanzler Gusenbauer am 4. Jänner 2007 in der „ZiB 2“: Wir wollen den freien Zugang zu Universitäten!

Der geschäftsführende SP-Klubobmann Cap forderte in der „Pressestunde“ am 17. September 2006 – also somit mitten im Wahlkampf – unter anderem die Abschaf­fung der Studiengebühren und eine Reduzierung der Klassenschüler­höchstzahl.

Doch was ist mit diesen Versprechen, mit diesen Forderungen passiert? – Im Regie­rungsprogramm wird die Klassenschülerhöchstzahl nun nur mehr als Richtwert bezeichnet; damit ist eine konsequente Umsetzung der geplanten Senkung, die sicher im Interesse der Schülerinnen und Schüler gelegen wäre, trotz anderslautender Aussagen im Wahlkampf nicht mehr gewährleistet.

Weiters ist es äußerst bedenklich, wie von Seiten der SPÖ mit den eigenen Studentin­nen und Studenten, die im Wahlkampf für die Ideale der Sozialdemokratie aktiv mitgekämpft haben, umgegangen wird. Dies geht so weit, dass diese Studentinnen und Studenten nunmehr demonstrieren, Eingangstüren von SPÖ-Zentralen zumauern und auch aus der Partei austreten.

Mit dem völlig unausgegorenen Ansatz, sich von der Entrichtung der Studiengebühr freikaufen beziehungsweise freidienen zu können, wird der Entstehung einer Zwei-Klassen-Gesellschaft unter den Studierenden Vorschub geleistet. Finanziell privile­gierte Studenten werden die Gebühren einfach leisten und in weiterer Folge absetzen können, weniger bemittelte Studenten müssen sie für einen Hungerlohn von 6 € im Sozialbereich abdienen. Jeder Werkstudent verdient heute mehr.

Deswegen frage ich mich schon: Wo, bitte, ist hier ein Anreiz für dieses System, wenn es sich nicht einmal ökonomisch rentiert? Sollte ein Student wirklich während seiner Studienzeit einer beruflichen Tätigkeit nachgehen müssen, sollte er dies für ein ange-


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messenes Entgelt tun und im besten Fall eine nützliche Tätigkeit im inhaltlichen Bereich seines Studienzweiges ausüben können?

Als ein fairer Lösungsansatz beziehungsweise Zugang von unserer Seite her für jenen Teil der österreichischen Studierenden, die sich diese 363 € im Semester nicht leisten können, wäre unserer Ansicht nach ein Modell leistungsbezogener Studienbeiträge voranzutreiben. (Beifall beim BZÖ.)

Das ist ein Modell eines sozialen Studiensystems mit Leistungsanreizen. Diesem Modell zugrunde liegend sind Universitäten verpflichtet, ihre Studien so zu organisie­ren – und damit ist gemeint, für genügend Praktikumsplätze oder Laborplätze zu sorgen –, dass für jeden Studierenden ein schnelles und zügiges Durchlaufen des Studienplanes gewährleistet ist. Unter diesen Voraussetzungen und nur unter diesen Voraussetzungen können leistungsbezogene Studiengebühren einen zusätzlichen Anreiz bieten. Die Studiengebühren werden unabhängig vom Einkommen der Eltern an eine pro Semester zu erbringende Mindeststundenanzahl, also einen Mindeststudien­erfolg gekoppelt.

Das bedeutet, dass bei Unterschreitung der geforderten Leistung die Studiengebühr vom Studierenden selbst aufgebracht werden muss, bei Überschreitung wird sie jedoch nicht nur erlassen, sondern kann zusätzlich durch eine Sonderleistungsprämie zum Beispiel ab einem Notendurchschnitt von 1,5 belohnt werden.

Schließen möchte ich mit einem Zitat der damaligen Zweiten Nationalratspräsidentin Mag. Prammer vom 26. März 2006, welches ich Ihnen auf Ihrem Weg in die Zukunft mitgeben will: Wer in der Bildungspolitik versagt, versagt gänzlich. – Danke. (Beifall beim BZÖ.)

18.32


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Von der Regierungsbank aus zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Bartenstein. Herr Bundesminister, ich stelle Ihnen die Uhr auf die gewünschten 6 Minuten. – Bitte.

 


18.32.12

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Meine geschätzten Kollegen auf der Regierungsbank! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Österreich steht nach sieben Jahren unter Bundeskanzler Schüssel hervorragend da. Der Standort ist in Topform. Österreich weist eine noch nie gekannte Rekordbeschäftigung aus. Wir erleben einen Arbeitsmarkt, der sich bestens darstellt. Die Zahl der Arbeitslosen ist auf Talfahrt: minus 10 Prozent im Jahresabstand, minus 28 000 zuletzt.

Wir feiern rund um den Jahreswechsel Exportrekorde: 100 Milliarden € und mehr, fast 107 Milliarden € an Warenexporten; wenn man die Dienstleistung noch dazurechnet, sind es 150 Milliarden €.

Unsere strategische Positionierung, nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich im Donauraum – und hier meine ich vom Schwarzwald bis zum Schwarzen Meer –, ist eine sehr bemerkenswerte und bietet Chancen für die Zukunft. Ein Wachstum von mehr als 3 Prozent, ein Wachstum, das höher ist als in der Euro-Zone, höher als in den USA, höher als in Japan. Und wer hätte gedacht, dass uns der Internationale Währungsfonds, meine Damen und Herren, vor einigen Monaten Daten präsentierte, die lauten: Pro Kopf erwirtschaftet der Österreicher, die Österreicherin nicht nur mehr als der Deutsche, die Deutsche, sondern sogar mehr als der Schweizer, die Schweizerin. (Beifall bei der ÖVP.)

Das ist eine Erfolgsgeschichte, die umso bemerkenswerter ist, als wir heute mehrfach aus berufenem Munde gehört haben, dass sich auch unsere sozialen Sicherungs-


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systeme sehr beruhigend gestalten. Wir haben eines der besten Pensionssysteme der Welt, ein Drei-Säulen-Modell, das weiter ausgebaut wird. Und wir haben ein Gesund­heitssystem, das ebenfalls zu den leistungsfähigsten der Welt gehört und im Übrigen im internationalen Vergleich durchaus durchschnittlich viel kostet, wenn man dies auf das BIP berechnet.

Aber gut zu sein heißt, noch besser werden zu können. Wir – diese Bundesregierung, die sich dem Hohen Hause heute vorstellen darf – wollen in den nächsten Jahren Österreich noch ein Stück weiter voranbringen. Vollbeschäftigung ist unser gemein­sames Ziel bis 2010. Ich sage Ihnen als Arbeitsminister: Das ist erreichbar! Das bedeutet als Zielvorstellung noch einmal minus 25 Prozent bei den Arbeitslosen. Wenn wir jetzt pro Jahr minus 10 Prozent schaffen, so ist es erreichbar. Wir liegen zurzeit bei 4,7 Prozent. Wenn ein Dreier vor dem Komma steht, spricht man in Europa von Vollbeschäftigung.

Halb Österreich, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat heute schon Vollbe­schäftigung, insbesondere der Westen; Herr Kollege Buchinger hat das fast flächendeckend. Wir werden es im Osten und im Süden auch noch flächendeckend schaffen. (Beifall bei der ÖVP.)

Dazu trägt bei, dass die Mittel für die Arbeitsmarktpolitik entsprechend aufgestockt wurden, aber – Hand auf das Herz! – die Dotierung und die Qualität der Arbeitsmarkt­politik sind das eine, das Wachstum von über 3 Prozent hilft uns hier natürlich gewaltig. Diesbezüglich sollte es ja heuer und auch in den nächsten Jahren nicht schlechter ausschauen.

Wir investieren in Zielgruppen, die es verdienen. Die Jugend, die Jugendbeschäftigung liegt uns gemeinsam sehr am Herzen. Jeder Jugendliche wird auch in Zukunft einen Lehrplatz bekommen oder zumindest in das Auffangnetz, in überbetriebliche Lehrlings­einrichtungen kommen. Wir müssen uns zunehmend um die No-future-Kids kümmern, die weder einen Lehrplatz haben noch eine Ausbildung abgeschlossen haben bezie­hungsweise anstreben. Das wissen wir.

Ich bin sehr froh darüber, dass mir über Initiative von Dr. Schüssel eine Staatsekretärin für Arbeit zur Seite gestellt wurde. Sie unterstützt weniger mich als die Arbeitswelt in diesem Lande. Ich habe die große Ehre und Freude, Frau Christine Marek – sie war ja mehrere Jahre erfolgreich auf der anderen Seite hier im Hohen Hause tätig – als Staatssekretärin für Arbeit vorstellen zu dürfen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

In diesem Umfeld, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben die Koalitionsver­handlungen ergeben – und das war nicht einfach, aber es ist ein gutes Ende für das Land und für uns alle –, dass wir vereinbart haben, Kurs zu halten – Kurs zu halten und die Maßnahmen zu setzen, die dieses Land weiter voranbringen sollen und werden. Ich nehme Herrn Kollegem Faymann nichts vorweg, auch nicht meinem Freund Gio Hahn, aber: Forschung und Entwicklung per 2010 auf 3 Prozent des Bruttoinlands­produk­tes zu bewegen, das ist beachtlich. Dazu kommen 800 Millionen € zusätzlich für Forschung und Entwicklung. In diesem Fall werden, kumuliert, seitens der öffentlichen Hand nochmals zusätzlich 600 Millionen € in Bildung und Infrastruktur investiert. Es gilt, 10,5 Milliarden €, Herr Kollege Faymann, in vier Jahren via ASFINAG, ÖBB und andere zu verbauen. – Das ist schon etwas.

Zweiter Schwerpunkt. Wir kümmern uns um mehr Flexibilität, aber gleichzeitig auch um mehr soziale Sicherheit in diesem Lande, Stichwort „Flexicurity“: Arbeitszeit­flexibilisie­rung auf der einen Seite, aber bessere soziale Absicherung für viele atypische Dienst­nehmer auf der anderen Seite.


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Wir kümmern uns, wie es Minister Buchinger ausgeführt hat, um Armutsbekämpfung, Mindestsicherung, Mindestpension und Mindestlohn. Das sind ganz wichtige Instru­mente zur Bekämpfung der Armut. Wir haben das bisher schon erfolgreich getan, wir wollen das noch erfolgreicher tun.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir vergessen auch nicht – und wir wären dumm, wenn wir das täten – auf die Leistungsträger in diesem Land. Sie werden eine ganz wichtige Zielgruppe. Der Mittelstand wird eine ganz wichtige Zielgruppe für die steuerliche Entlastung des Jahres 2010 sein. Wir werden im Rahmen dieser Steuerreform uns auch sehr um Lohnnebenkostensenkung bemühen müssen – aus meiner Sicht vor allem um den Niedriglohnbereich.

Und wir werden die Tür ein Stück weiter aufmachen in Richtung Mitarbeiterbeteiligung, damit die Arbeitnehmer, damit die Menschen in diesem Landes nicht nur über ihren Lohn und ihr Gehalt, sondern auch über Gewinnbeteiligungen, zum Teil auch über Unternehmensbeteiligungen von den Erfolgen der Wirtschaft und unserer Unterneh­mungen profitieren.

Last but not least: Um dieses ausgewogene Vorgehen der Bundesregierung auch zu unterstreichen, werden wir den Kampf gegen die Schwarzarbeit fortsetzen, meine sehr geehrten Damen und Herren. – Herr Präsident, das ist schon mein Schlusssatz. – Wir werden auf der einen Seite dafür sorgen, dass es nicht nur, sondern vor allem im Baubereich ein wenig schwerer wird, vor allem als Subunternehmer – sagen wir es auf gut Deutsch –, Sozialversicherungsbeiträge „nicht einmal ansatzweise zu bezahlen“, da wird es eine gewisse Haftung der Generalunternehmer geben, und wir werden auf der anderen Seite im Sinne der Worte unseres Vizekanzlers Molterer sagen: No tolerance!, wenn es um pfuschende Arbeitslose geht, und hier die Sanktionen deutlich verschärfen. – Also Anreize und gleichzeitig aber auch, wenn es notwendig ist, Sanktionen.

Mehr Flexibilität, mehr soziale Sicherheit, damit es diesem Land auch in Zukunft gut geht, vielleicht auch ein Stückchen besser geht. Es ist möglich! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.38


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Weiters von der Regierungsbank aus hat sich Herr Bundesminister Faymann zu Wort gemeldet. Herr Bundesminister, ich stelle auch Ihnen die Uhr auf die gewünschten 6 Minuten. – Bitte.

 


18.39.06

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Werner Faymann: Ver­ehr­ter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann eigentlich nahtlos an den Redebeitrag des Kollegen Bartenstein anschließen, der schon einiges über den Wirtschaftsstandort Österreich gesagt und auch selbst die Infrastruktur als Beispiel genannt hat.

Die Infrastruktur teilt sich in ganz verschiedene Bereiche (Abg. Mag. Stadler: Geh!), aber bei den budgetär wesentlichen, Straße und Schiene, haben wir nicht nur die Theorie anzubieten – Herr Stadler, auch wenn Sie verwundert sind –, sondern auch praktisch ganz konkrete Maßnahmen, die eben bei Schiene und Straße eine beson­dere Bedeutung in unserem Land haben (Abg. Mag. Stadler: Sie kennen sich aus!), nämlich einerseits für die Wirtschaft, für den Wirtschaftsstandort, damit für die Wirt­schaftskraft unseres Landes, andererseits für die Bevölkerung, die Arbeitnehmer, die Pendler, die nichts davon haben, wenn wir nur Projekte aufzählen und diese nicht verwirklichen könnten. Daher ist auch die budgetäre Vorsorge Teil des Koalitions-


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abkommens, Teil der Verhandlungen, Teil dessen, was einberechnet ist in den Budget­pfad, den wir gemeinsam vereinbart haben.

Die 10,5 Milliarden €, die schon genannt wurden, wo die Schiene etwas stärker als die Straße entsprechenden finanziellen Bedarf bis zum Jahr 2010 hat, haben eine hohe Beschäftigungswirkung. Die Betriebe selbst aber haben auch eine Beschäftigungs­wirkung, und die ÖBB ist mit immerhin mehr als 43 000 Mitarbeiterinnen und Mit­arbeitern einer der Betriebe, der nicht nur über Investitionen und Schlüsselindustrien wie Bauwirtschaft, sondern auch direkt eine Bedeutung hat.

Immerhin war es interessanterweise Adam Smith, der einmal gesagt hat: Eine Eisenbahn besteht zu 95 Prozent aus Menschen und nur zu 5 Prozent aus Eisen! Die ÖBB haben nicht nur für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Bedeutung, sondern auch darüber hinaus für sehr viele junge Menschen, die in Ausbildung stehen und die nach dieser Ausbildung bei den ÖBB dann in ganz anderen Bereichen unserer Wirtschaft tätig sind, gut ausgebildet, vielseitig ausgebildet, mit einem guten Rüstzeug für ihre weitere Tätigkeit ausgestattet. Also es ist, auch was das Thema Jugend­beschäftigung angeht, hier eine direkte Beschäftigungswirkung gegeben, und natürlich ist über Investitionen eine indirekte Beschäftigungswirkung in unserem Land besonders hervorzuheben und zu unterstreichen.

Nun werde ich in den letzten Tagen oft gefragt: Wie sind denn jetzt die konkreten Projekte gereiht? Und da sage ich immer sehr offen: Verträge sind einzuhalten! Die häufigste Frage bei der Eisenbahn ist natürlich die nach dem Koralmtunnel, der vertraglich genannt wird; es gibt aber auch viele andere, die immer wieder genannt werden. Wir werden in diesem Bereich nicht nur Verträge einhalten, weil das für uns sehr wichtig ist, sondern wir werden auch einen Zeitplan vorstellen, und zwar mit Rahmenvereinbarungen und Rahmenverträgen, wenn wir uns die Projekte so genau angesehen haben, dass man immer dann, wenn wir Projektraten oder Fertigstellungen bekannt geben, auch das fertige Projekt erkennen kann.

Das Schlimmste ist, wenn man allen alles verspricht. Fünf Minister in diesem Bereich seit dem Jahr 2000 haben sich so manches gewünscht und angekündigt, und ich bin überzeugt, vieles gar nicht in böser Absicht, aber es wurden viele Möglichkeiten und Zeitpläne angekündigt beziehungsweise bekannt gegeben, die einander so wider­sprechen, dass jetzt das Wichtigste ist, hier wieder Ordnung und Klarheit für genau diese Investitionen in unserem Lande hineinzubringen.

Die Bevölkerung hat auch ein Anrecht darauf, dass, wenn wir etwas ankündigen, das dann auch so geschieht und hier auch Wort gehalten wird. Daher werden für die Projekte, von denen viele bereits gereiht sind, aber andere noch eine Prioritäten­reihung brauchen, in den nächsten Wochen und Monaten auch die entsprechenden Zeitpläne vorstellen, immer mit der sachlichen Gewissheit, dass das nicht irgendeine Ankündigung ist oder nur leere Worte sind, sondern dass es schon eine ganz konkrete Vorstellung von Maßnahmen und Bereichen gibt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Moser: Wer bezahlt das?) – Die Österreicherinnen und Österreicher bezahlen, und unser Budgetaufkommen ist ja natürlich auch dafür vorgesehen, dass die Infrastruktur funktioniert.

Es werden sicher auf Dauer nicht jene, die die Bahn brauchen, seien es die Pendler oder sei es die Wirtschaft, hier alle Kosten selbst finanzieren können. Daher ist hier das Bundesbudget ganz wichtig. Und daher war es ja Teil des Koalitions­überein­kommens und des Budgetpfades, zu überlegen: Was kann man aus Eigenmitteln mit gutem Gewissen noch finanzieren oder finanzieren, was ist an Budgetzuschüssen notwendig? Das Gleiche gilt für die ASFINAG, die noch weitere Probleme, etwa des Eigenkapitals, hat. Und auch da wurden verschiedene Varianten ausgearbeitet, um


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dieses Problem nicht einfach wegzuschieben und zu sagen: Das gibt es nicht! Wir sagen, die Übertragung in das Eigentum wäre eine Möglichkeit, genauso wie Zuschüs­se aus Mehrerlösen als eine ganz konkrete Möglichkeit vorgesehen sind, um auch diese immer wieder angesprochenen Probleme der Straße und damit der ASFINAG aufzugreifen.

Kontinuität, Nachhaltigkeit sind Begriffe, die in der Infrastruktur eine besonders große Rolle spielen, und Einsparziele entstehen aus meiner Überzeugung schon daraus, dass man mit einem gewissen Weitblick in der Planung, mit einer guten Koordination, mit Straffung der Abläufe der Planung durchaus internationalen Benchmarks gerecht wird, die zeigen, welche Möglichkeiten hier an besserer Gestaltung, an mehr Effizienz vorhanden sind. So ist das Einsparungsziel von 10 Prozent bei Straßen- und Schienen­projekten aus meiner Sicht nicht unrealistisch und einfach nur hingeschrieben, weil Einsparung immer gut ankommt, sondern das entspricht eben diesem Realitätssinn, der sich in diesem Bereich durchzieht.

Verkehrssicherheit, Tempolimit – diesbezüglich gibt es natürlich öffentlich sehr wichtige Diskussionen, denn auch hier soll Klarheit geschaffen werden. Ich habe mit den Ländern in den nächsten Wochen einige Gespräche, um hier auch Klarheit darüber zu schaffen, wie wir mit Tempo 100 und anderen Regelungen vorgehen wollen.

Dasselbe gilt für Forschung und Entwicklung, einen ganz wichtigen Bereich, wo ich – und das darf ich zum Abschluss sagen – auch meine Staatssekretärin Christa Kranzl nennen möchte, die in diesem Bereich besonders tätig sein wird, und für diese Unterstützung bin ich dankbar. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.46


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Lichtenecker. Ich stelle Ihnen die Uhr auf die gewünschten 4 Minuten ein. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


18.46.15

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Geschätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Wenn man den Ausführungen von Herrn Minister Bartenstein gefolgt ist, so konnte man meinen, dass wir in einem hervorragenden Land leben (Bundesminister Dr. Bartenstein: Ja!), mit hervorragenden Werten. Wenn dem wirklich so wäre, Herr Minister – und gerade auch Sie sind zuständig dafür im Bereich der Energie –, warum sind wir dann beim Klimaschutz Schlusslicht, völlig abgeschlagen mit all den Problemen, die wir momentan haben?

Wir haben jetzt, Mitte Jänner, so milde Temperaturen wie zu Frühlingsbeginn, wir haben Stürme, die wüten, und wir haben Tourismusorte, die mit Riesenproblemen dastehen, weil der Schnee ausbleibt, was für diese Orte natürlich auch einen wirt­schaftlichen Schaden bedeutet. Und dementsprechend muss das oberste Gebot der Stunde der Klimaschutz sein.

Dass das für diese rot-schwarze Regierung nicht so ist, zeigt das Regierungs­pro­gramm sehr, sehr deutlich. Und das ist auch kein Wunder, stellen wir doch fest, wenn wir uns anschauen, wer den Bereich Umwelt und Energie verhandelt hat, dass einerseits Minister Pröll, der dafür verantwortlich war, in den letzten vier Jahren im Bereich Klimaschutz nichts weitergebracht hat und genauso fahrlässig auch in der Antiatompolitik handelt und dass andererseits der Landeshauptmann-Stellvertreter Erich Haider aus Oberösterreich von der sozialdemokratischen Fraktion mit Umwelt- und Klimaschutz so gar nichts am Hut hat und mit sehr, sehr großer Leidenschaft einem bestimmten Thema frönt, nämlich im Wesentlichen dem Populismus. Und dass


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da dann nichts weitergeht, ist kein Wunder. Er nimmt ja wissentlich Maßnahmen und Verordnungen in Kauf, die die Gesundheit der Menschen in Oberösterreich schädigen.

Fakt ist: Es haben da zwei Politiker gewerkelt, denen die Umwelt, das Klima, der Klimaschutz nicht wirklich wichtig sind. Daher muss die Umwelt vor Pröll und Haider in dieser rot-schwarzen Regierung geschützt werden.

Wenn Sie sich dieses Regierungsprogramm ansehen, dann werden Sie feststellen können, dass es viele, viele Bereiche gibt, die das von mir soeben Gesagte belegen.

Einerseits haben wir kein eigenständiges Umweltministerium, das sehr wichtig wäre, um tatsächlich diese Anliegen durchzusetzen. Am besten wäre es, die Umwelt mit der Energie zu koppeln und ein schlagkräftiges Ministerium zu schaffen, um den Klima­schutz durchzusetzen. (Beifall bei den Grünen.)

Andererseits gibt es keine ambitionierten Ziele und schon gar nicht konkrete Maßnahmen. Es gibt keine klar definierten Ziele im Bereich der Energieeinsparung. Es gibt keine Totalreform des Ökostromgesetzes, und damit gibt es auch weiterhin eine Schlechterstellung der erneuerbaren Energieträger.

Die Liste dieser Negativbeispiele könnte man fortsetzen. In diesem Regierungs­programm wird das Thema Umweltschutz nicht ernst genommen, genauso wenig ernst wie das Thema Antiatompolitik.

Versprechungen gibt es sehr wohl. Es gibt zwar entsprechende Ansätze wie im Regierungsprogramm 2003, aber es ist schon in den letzten Jahren nichts geschehen, und wir befürchten, dass auch weiterhin nichts geschehen wird.

Wenn man weitere Bereiche hernimmt, wie beispielsweise das Thema „Haftung für Umweltschäden“ oder die verstärkte Sanierung der Altlasten zum Schutz unseres Wassers oder auch die Schaffung eines bundesweit einheitlichen Naturschutz­geset­zes, so muss man leider feststellen: All diese wichtigen Themen finden sich nicht in diesem Regierungsprogramm!

Wenn Sie noch einmal einen Blick darauf werfen und ehrlich sind, dann müssen Sie sagen: Dieses Regierungsprogramm liest sich wie eine Auflistung von Neujahrs­wünschen, unverbindlich und hohl.

Sehr bedauerlich ist auch, dass diese Regierung nicht die zusätzlichen Chancen nutzt, die sich durch eine aktive Umweltschutzpolitik auftun, nämlich Arbeitsplätze zu schaffen und regionale Wirtschaftskreisläufe zu stärken. Genau das wird hier auch versäumt.

Zusammenfassend: ein mageres Papier mit schwachen Ansagen. Wir haben eine rot-schwarze Regierung, die die Zukunftsfrage Klimaschutz und die Sorgen der Menschen in diesen Bereichen nicht ernst nimmt. Kurz gesagt: ein schlechtes Zeichen für die Umwelt, ein schlechtes Zeichen für das Klima und ein schlechtes Zeichen für die Menschen in diesem Land. (Beifall bei den Grünen.)

18.51


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Eder. Ich stelle die Uhr auf die gewünschten 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


18.51.26

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Erlauben Sie mir zunächst einmal, der neuen Bundesregierung alles Gute und viel Erfolg für diese Legislaturperiode zu wünschen. Ich bin darüber hinaus erfreut darüber, dass sich gerade im Bereich der Verkehrs-, Infrastruktur- und Energiepolitik


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sehr viel aus den von Sozialdemokraten erarbeiteten Programmen hat umsetzen lassen; das ist sehr erfreulich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir, nachdem ja von der Regierungsbank aus schon verschiedene Themen aus diesem großen Themenbereich angesprochen wurden – Herr Minister Bartenstein hat eher die Wirtschaftspolitik be­tont, Herr Minister Faymann hat über die Unternehmen ÖBB, ASFINAG und über Projekte gesprochen –, ergänzend einige Anmerkungen auch zur Energiepolitik zu machen, wo es vor allem darum geht, auch jene Teile, die Frau Dr. Lichtenecker hier kritisiert hat, wieder ins rechte Lot zu rücken.

Einerseits müssen wir im Rahmen der Energiepolitik zunächst einmal über Ver­sorgungs­sicherheit sprechen, andererseits auch über leistbare Energie in den Haus­halten. Und weil hier das Ökostromgesetz angesprochen wurde: Es werden mittler­weile rund 280 Millionen € für die Erzeugung von Ökostrom wirksam, die aber von den Haushalten zu bezahlen sind. Daher hat man hier schon abzuwägen, inwieweit man hier den einzelnen Haushalt, die Familien, auch schwächere Einkommensschichten belasten kann, um entsprechend Öko-Strom, Windenergie oder andere Energien, zu fördern.

Da möchte ich hier ein zentrales Thema ansprechen: Bei all den alternativen Energien, die heute schon hier von der Regierungsbank aus angesprochen wurden, ob das Bio­masse ist, ob das Methan-Kraftstoffe sind, ob das Biogas ist, ob das andere alternative Energien sind, Energien aus Voltaikanlagen oder Sonstigem, muss man sich natürlich auf der einen Seite dazu bekennen, dass das zu geschehen hat, aber auf der anderen Seite muss man auch eine Kosten-Nutzen-Rechnung anstellen und immer auch die Förderprogramme, die notwendig sind, um das alles zu finanzieren, in Rechnung stellen. Und hier sollte letztendlich das Ziel sein – und das ist, glaube ich, auch Ziel der Bundesregierung –, dass auch diese alternativen Energien sich so zu rechnen beginnen, dass sie gegenüber den fossilen Kohlenwasserstoffen auch in der Kosten­rechnung irgendwann bestehen können, denn nur dann macht es Sinn, endgültig auf diese alternativen Energien umzusteigen.

Ich darf hier auch erwähnen, dass, was die Versorgungssicherheit betrifft, in diesem Koalitionsabkommen auch eine ganz wichtige Investition auf europäischer Ebene beinhaltet ist, nämlich eine Gasleitung aus der Türkei bis nach Europa, über die Länder Bulgarien, Rumänien, Ungarn, Slowakei und dann letztendlich Österreich, Baumgarten, und von dort wird dann Gas in das europäische Netz verteilt, was bedeutet, dass wir ein zweites Standbein zum russischen Gas bekommen werden. Ich bin froh, dass man auch in diesen Dimensionen denkt: Das ist ein 4,5-Milliarden-€-Projekt, wo allein 250 000 Stahlrohre gebraucht werden, um diese Leitung zu legen, und sehr viel andere technische Unterstützung notwendig ist.

Das heißt, hier ist Beschäftigung gefragt, und es ist auch wichtig, dass man solche Projekte zunächst einmal als Übergang für die nächsten 30, 40, 50 Jahre Energie­versorgung absichert und dann parallel dazu – und das ist auch gut so, wie im Regierungsabkommen steht – die alternativen Energien entwickelt.

Ich könnte natürlich jetzt auch über die ASFINAG, über die ÖBB, über Verkehrssicher­heit sprechen, aber vor allem einen Punkt möchte ich noch ansprechen, nämlich die Technologieoffensive und die Breitbandtechnologie, weil diese heute auch noch nicht in entsprechender Form angesprochen wurde. Hier geht es darum, dass rund 500 Millionen € in den nächsten Jahren investiert werden sollen, sodass vor allem Breit­bandtechnologie in den ländlichen Regionen kommt, nämlich dorthin kommt, wo man Hightech-Autobahnen über Kabel verbindet und weniger auf Straßen setzt. Das heißt, die Leute brauchen nicht mehr persönlich so mobil zu sein, sondern können


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teilweise direkt von zu Hause aus auch ihre Arbeit erledigen. Ich halte das für ein sehr wichtiges Programm für die Zukunft und bin froh, dass das so auch im Koalitions­abkommen steht.

Abschließend lade ich als Vorsitzender des Verkehrsausschusses alle ein, auch die Opposition, in den nächsten vier Jahren in diesem Ausschuss mitzuwirken und mitzuarbeiten, damit Österreich weiterhin ein so schönes Land bleibt – auch was diese Themenfelder angeht. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.56


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Themessl. 4 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


18.56.22

Abgeordneter Bernhard Themessl (FPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Das ist es nun, das vielgerühmte Wirtschafts­paket der neuen Regierung: auf 20 Seiten Gemeinplätze beziehungsweise Phrasen, leere Absichtserklärungen, nichts Greifbares. Seit Monaten und Wochen reisen die ÖVP-Granden durch das Land und lassen keine Gelegenheit aus, sich da hinzustellen, um allen mitzuteilen, welches Wirtschaftswunder sie vollbracht haben. Ich erinnere an die Aktuelle Stunde vor zirka einem Monat hier im Hohen Haus, als wir das Ganze doch auf Grund von besseren Zahlen, und zwar aus anderen Ländern in Europa, doch relativieren konnten. Sie haben aus hervorragenden Rahmenbedingungen eigentlich nur ein Mittelmaß gemacht. – Das ist Tatsache!

Wenn Sie hier immer wieder so tun, als ob Sie Wirtschaftswunder vollbringen könnten, und hier verkünden, wie wunderbar das in den nächsten vier Jahren weitergehen würde, dann muss ich sagen: Es wundert mich, dass Sie nicht mehr als diese 20 Seiten zustande gebracht haben.

Ich muss Ihnen auch sagen, Herr Minister Bartenstein: Als ich das durchgelesen habe, habe ich geglaubt, dass das ein Faschingsscherz ist! Ich hoffe schon, dass bis zum Aschermittwoch etwas Greifbareres nachkommen wird, was in Sachen Wirtschafts­politik auch die Klein- und Mittelbetriebe in Zukunft entlasten und weiterbringen würde.

Sie alle wissen, dass die Klein- und Mittelbetriebe und dass der Mittelstand das Rück­grat unserer Wirtschaft sind, und ich darf Sie jetzt, weil wir heute schon von so vielen gebrochenen Wahlversprechen gesprochen haben, auch daran erinnern, dass Sie auch da in allen Belangen umgefallen sind.

Ich darf die SPÖ daran erinnern, dass sie in ihrem Wahlprogramm versprochen hat, jene Beschäftigten, die weniger als 4 000 € brutto verdienen, um 500 € zu entlasten.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Sie wollten die Negativsteuer für niedrigere Einkommensbezieher verdoppeln. Sie wollten die Bedingungen für die Pendler verbessern, indem Sie die Kilometergelder und die Pendlerpauschale anheben. Sie haben die Mindest-KöSt und die Gruppenbesteuerung abschaffen wollen.

Ich erinnere vor allem auch Ihren Kollegen und jetzigen Staatssekretär, Herrn Matznetter, daran, der ja keine Gelegenheit ausgelassen hat, immer wieder zu betonen, dass ohne diese Punkte eine Regierungsbeteiligung der SPÖ mit der ÖVP nicht möglich wäre.

Aber auch die ÖVP ist in diesen Belangen keinen Deut besser. Auch sie hat in ihrem Wahlprogramm versprochen, dass sie sich für die kleinen und mittleren Betriebe, für die Bezieher mittlerer Einkommen einsetzen wird. Sie hatte im Wahlkampf ganz klar davon gesprochen, dass sie die Steuer- und Abgabenquote auf deutlich unter 40 Pro­zent senken will. Sie hat von der Abschaffung der Erbschafts- und Schenkungssteuer


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gesprochen und von weiteren gleichmäßigen Entlastungsschritten für Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen.

Meine Damen und Herren von der ÖVP, wo sind diese ganzen Versprechen geblie­ben? – Sie sind bei Ihren Wahlversprechen genauso umgefallen wie die SPÖ-Granden hier in diesem Hohen Haus!

Was dem Fass den Boden ausschlägt, ist Folgendes: Sie haben in Ihrem Wahlpro­gramm ganz klar davon gesprochen, dass es keine zusätzlichen Belastungen für die Verkehrsteilnehmer geben wird. Jetzt belasten Sie nicht nur die Verkehrsteilnehmer, sondern auch ganz klar das Transportgewerbe. Wenn Sie meinen, mit der Abschaffung der Steuer einen kleinen Schritt zur Entlastung beizutragen, dann kann ich Ihnen sagen: Das ist lächerlich! Wenn Sie heute bei einem Lkw-Transportunternehmer die durchschnittliche Kilometerleistung eines Lkw pro Jahr annehmen, so kommen Sie zu dem Ergebnis, dass dieser mit einer Mehrbelastung von 2 000 € bis 2 500 € zu rechnen hat. – Die Transportunternehmer werden es Ihnen „danken“!

Also ein Transportunternehmer, der nur zehn Lkw hat – dann ist er immer noch ein Kleinstunternehmer –, hat im Jahr eine Zusatzbelastung von 20 000 € bis 25 000 €. – Das werden Sie ihm erklären müssen!

Wenn ein Unternehmer solch ein Papier von 20 Seiten als Wirtschaftskonzept vorlegt, dann bekommt er von keiner Bank einen Euro zur Finanzierung, weil das untragbar ist, und des Weiteren wird er in spätestens vier Jahren Pleite gehen. (Beifall bei der FPÖ.) Bei Ihnen habe ich die Hoffnung, dass Sie in vier Jahren niemand mehr wählt, denn mit solch einem Regierungsprogramm können Sie nicht bestehen.

Zum Abschluss könnte ich folgenden Satz sagen: Das Ganze hier ist nichts anderes als eine dürftige Verpackung für ein inhaltsloses Paket. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

19.00


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dkfm. Dr. Stummvoll. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

 


19.00.46

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Ich habe die Freude, schon zum achten Mal in diesem Hohen Haus als Abgeordneter eine Debatte über ein Regie­rungs­programm zu erleben, und ich darf Ihnen sagen, ich bin ehrlich davon überzeugt, dass das, was wir heute diskutieren, eine sehr gute Basis ist, um eine erfolgreiche Wirtschafts-, Finanz- und Beschäftigungspolitik der letzten sieben Jahre fortzusetzen, eine Politik, die dazu geführt hat, dass wir in Europa einen Spitzenplatz im Bereich Wachstum, im Bereich Beschäftigung, im Bereich soziale Sicherheit einnehmen.

Im Bereich Wachstum: 3,2 Prozent Wirtschaftswachstum, das höchste seit zehn Jah­ren, wesentlich höher als der Durchschnitt der EU-Staaten. Beschäftigungspolitik: Wir sind in den letzten Jahren immer unter den besten fünf von jetzt 27 EU-Staaten gewesen, egal, ob es um die Gesamtarbeitslosigkeit, die Jugendarbeitslosigkeit oder die Langzeitarbeitslosigkeit geht. Und soziale Sicherheit: Wir sind auch hier, wenn wir als Messstab den Anteil der Sozialausgaben am Bruttosozialprodukt nehmen, an fünfter Stelle in der EU. (Präsidentin Dr. Glawischnig-Piesczek übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Das ist eine Erfolgsbilanz, die nicht nach dem Wahltag 1. Oktober eingetreten ist, sondern das Ergebnis einer sehr konsequenten, nach­haltigen Finanz- und Wirtschaftspolitik der letzten sieben Jahre ist. Das heißt, diese Regierung kann auf einer sehr gesunden Basis aufbauen und die Zukunft gestalten.


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Ich muss auch etwas zu der Meinungsumfrage sagen, die ich gestern im „Kurier“ gelesen habe. Danach sieht ein Großteil der Bevölkerung dieser Regierung optimis­tisch entgegen, vor allem in Wirtschafts- und Sozialfragen. Diese positive Grund­einstellung ist, so glaube ich, durchaus eine realistische Einschätzung.

Ich muss sagen, dass eigentlich auch die Stellungnahmen der Opposition sehr aus­gewogen gewesen sind. Peter Westenthaler hat gemeint, die ÖVP folgt der SPÖ auf dem sozialistischen Weg; er will damit sagen, dass die ÖVP zu stark nachgegeben hat. Strache sagt, Dr. Gusenbauer ist der erste ÖVP-Bundeskanzler mit einem roten Parteibuch; das heißt, er sagt, die SPÖ hat zu viel nachgegeben. Wenn also die eine Oppositionspartei sagt, dass wir zu viel nachgegeben haben, und die andere sagt das von den anderen, dann liegt die Wahrheit genau in der Mitte, meine Damen und Herren. Die ÖVP hat sich bei wichtigen Anliegen durchgesetzt, und die SPÖ bei den für sie wichtigen Anliegen auch – eine gute Basis für die Arbeit der nächsten vier Jahre! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Als Obmann des Finanzausschusses in diesem Haus bin ich sehr froh darüber, dass hier klare Bekenntnisse erfolgt sind: erstens zu soliden Staatsfinanzen, zweitens zu einer Politik „Keine neuen Schulden“, drittens zur Aussage „Steuerreform ohne Gegenfinanzierung“. Das heißt, dass wir keine Experimente machen. Wir können hier auf Grund einer sehr guten und soliden Basis der letzten Jahre weiter aufbauen.

Lassen Sie mich eines auch sagen, meine Damen und Herren! Es wurde hier von Oppo­sitionsrednern gesagt: Na ja, das sind nur Überschriften, nur Absichtserklärun­gen. – Meine Damen und Herren, das ist der politische Wille dieser beiden Regierungsparteien! Seien Sie sicher, wir werden diesen politischen Willen in den nächsten vier Jahren mit harter Arbeit, mit zäher Arbeit, mit harten Verhandlungen auch umsetzen.

Ein Letztes noch zum Bereich der Infrastruktur: Herr Minister Faymann, Sie waren jahrelang ein sehr erfolgreicher Stadtrat in Wien. Sie sind jetzt verantwortlich für die Infrastruktur, für etwas, was für den Wirtschaftsstandort äußerst wichtig ist. Ich kann mir vorstellen, dass Ihre Freunde in Wien sich natürlich erhoffen, dass viele dieser Finanzmittel in die städtischen Ballungsräume fließen. Als Abgeordneter des Wald­viertels kann ich nur sagen: Bitte, vergessen Sie mir nicht die Regionen!

Wir reden dauernd von einem Europa der Regionen. Ich weiß, wovon ich rede: Eine Grenzregion, die ein halbes Jahrhundert mit dem Rücken zum Eisernen Vorhang stand, braucht jetzt Investitionsimpulse. Sie haben die Mittel dazu, und ich hoffe sehr, dass Sie die Regionen nicht vergessen werden. Wir werden Sie genau beobachten, wir werden demnächst auch einen Antrittsbesuch bei Ihnen machen dürfen, weil wir einfach sicherstellen wollen, dass diese großen Chancen, die wir damit haben, wieder im Zentrum Europas zu sein, auch entsprechend genützt werden. Ich werde gerne Kollegen aus anderen Regionen mitnehmen, Herr Vizekanzler, um sicherzustellen, dass wir diese große Investitionsoffensive über ganz Österreich ausdehnen.

Herr Minister Bartenstein – er ist jetzt nicht hier – wurde schon wiederholt als „Mister Standort“ bezeichnet. Wir werden in der Kombination dieser beiden Ministerien, glaube ich, als Fraktionen hier im Hohen Haus alles tun, damit dieses Land in den nächsten vier Jahren eine erfolgreiche Zukunft hat. Die Unterstützung der beiden Fraktionen ist gegeben, und ich freue mich schon auf die Zusammenarbeit in diesen beiden Bereichen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.05


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Schalle. Sie haben sich die Uhr auf 18 Minuten eingestellt. Ist das ein


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Missverständnis? (Abg. Schalle – auf dem Weg zum Rednerpult –: Das ist ein Missverständnis!) – Okay, Sie haben das Wort.

 


19.05.47

Abgeordneter Veit Schalle (BZÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Mein Debattenbeitrag ist heute gekennzeichnet von zwei Feststellungen, nämlich: „Bundeskanzler um jeden Preis“ und „Schüssel, das Verhandlungsphänomen“. Denn, meine Damen und Herren, was Regierungsprogramm und Ressortverteilung anbelangt, verdient synonym nur diese zwei Statements.

Nach 102 Verhandlungstagen ein Regierungsprogramm auf den Tisch zu legen, das zwar 167 Seiten geduldiges Papier und eine Vielzahl von Zielen, aber keine Wege der Umsetzung aufweist, ist fast schon wieder eine Leistung – natürlich im negativen Sinn! Dieses Regierungsprogramm ist meines Erachtens genau der Rückschritt in fatale Zeiten einer großen Koalition, in denen nichts weitergegangen ist (Abg. Kurt Eder: Eine alte Rede, keine moderne Rede!), eben wirtschaftlich-politischer Stillstand ge­herrscht hat (Abg. Kurt Eder: Bitte moderner sprechen!), abgesehen davon, dass Wahlversprechen für Sie, Herr Bundeskanzler, nur Worthülsen zu sein scheinen. Da stellen Sie sich schon in eine Reihe mit Ihren Vorgängern, wie zum Beispiel Vranitzky oder Klima. (Abg. Kurt Eder: Wer schreibt solche Reden?)

Sie haben sich obendrein auf eine Ressortverteilung eingelassen, die für Sie noch ein sehr böses Ende nehmen wird. Ihre Wählerklientel ist da viel schneller munter gewor­den und hat bereits erkannt, dass Sie fast alle Wahlversprechen gebrochen haben. Das Regierungsprogramm war ja noch nicht einmal offiziell unterzeichnet (Abg. Kurt Eder: ... jetzt von Westenthaler!), da wurden schon die ersten Belastungen eröffnet: die Erhöhung der Mineralölsteuer (Abg. Kurt Eder: ... so reden, oder wie?), natürlich zu Lasten der Autofahrer und Pendler, und die Erhöhung der Krankenkassenbeiträge.

Über den vollmundig versprochenen Ausstieg aus den Eurofighter-Verträgen findet sich nichts Aussagekräftiges mehr in Ihrem Regierungsprogramm, von einer Besser­stellung der Familien ganz zu schweigen. Und die so vehement versprochene Abschaf­fung der Studiengebühren hat die jungen Menschen sogar aus Ihrer eigenen Partei auf die Barrikaden gehen lassen. Sie berufen sich darauf, dass Sie mit diesen Ansinnen bei der ÖVP nicht durchgekommen sind, nennen aber Sozialarbeit statt Studiengebühr eine Verbesserung.

Was mich ganz persönlich an Ihren Aussagen besonders stört, ist die prolongierte Aufweichung des Lehrlingsschutzes. Bei dem derzeitigen Mangel an Facharbeitern ist das wirklich ein Hohn. Oberstes Gebot wäre meiner Meinung nach, die Rechte der Lehrlinge zu stärken sowie das Jugendbeschäftigungsgesetz zu entrümpeln. Dann werden wir endlich einmal anständige Facharbeiter bekommen. (Beifall beim BZÖ.)

Ein funktionierendes Sozialsystem braucht eine florierende Wirtschaft. Was ist von der Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung zu erwarten? – Wenn man alle angekündig­ten Erhöhungen zusammenrechnet, kommt man auf Mehreinnahmen von 600 Mill­ionen €, die natürlich zu Lasten der arbeitenden Bevölkerung und des Mittelstands gehen. Damit verbunden ist ein Verlust der Kaufkraft und somit eine Verschlechterung der Wirtschaftslage.

Diese Bundesregierung erwartet am Ende der Gesetzgebungsperiode ein Wirtschafts­wachstum von nur 2,3 Prozent. Für heuer, das erste Jahr des neuen Aufschwunges, werden 3,2 Prozent erwartet. Daher wird das Wirtschaftswachstum unter den magi­schen 2,5 Prozent liegen, das bei allen Wirtschaftsforschern als Grenze für ein gleichbleibendes Beschäftigungsniveau angesetzt wird. Steigende Arbeitslosenzahlen sind also zu erwarten – und Sie prognostizieren eine Senkung von 4,7 auf 3,9 Prozent!


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Wie das gehen soll hinsichtlich der Arbeitslosenrate, da habe ich meine Zweifel. (Abg. Kurt Eder: Wie hoch soll die sein?)

Die ÖVP hat noch im letzten Sommer die von uns und von ihr selbst aufgestellte, langjährige Forderung der Abschaffung der Erbschaftssteuer übernommen. Leider ist im Regierungsprogramm die Abschaffung ebendieser und die Abschaffung der Bagatellsteuern nicht erhalten, obwohl sie mehr kosten, als sie bringen. (Abg. Kurt Eder: Vererben Sie so viel, dass Sie ein Problem haben?) – Ich nicht.

Noch eines möchte ich hier sagen, weil ich gebürtiger Kärntner bin: Frau Justizminister Berger! Sie mögen zwar ein lang gedientes SPÖ-Mitglied sein, jedoch sollten Sie zu­erst darüber nachdenken, wie Sie Herrn Elsner nach Österreich zurückbringen, bevor Sie über die Amtsenthebung eines verdienten Landeshauptmannes überhaupt nach­denken! (Beifall beim BZÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Eine Ungeheuerlichkeit!)

Herr Bundeskanzler! Viel Beifall haben Sie mit diesem Regierungsstart noch nicht geangelt. (Abg. Kurt Eder: Aber Sie auch nicht!) Parteiaustritte und Demonstrationen sind auch nichts Erfreuliches. (Abg. Parnigoni: Herr Schalle! Sie schallen falsch!) Im Sinne Österreichs hoffe ich aber, dass Ihr Koalitionspartner den in den letzten Jahren eingeschlagenen Weg zum Wohl Österreichs fortsetzt und sich nicht an Ihren Lippenbekenntnissen orientiert. – Danke. (Beifall beim BZÖ.)

19.11


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Dr. Berger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte, Frau Ministerin.

 


19.11.57

Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete zu diesem Hohen Haus! (Abg. Ing. Westenthaler: ... für die Demokratie, Frau Justizministerin!) Einen ersten Schwerpunkt in meiner Tätigkeit wird die Reform des Strafverfahrenrechts bilden müssen. Dies folgt schon aus dem Umstand, dass mit 1. Jänner 2008 die im Herbst 2004 beschlossene, umfassende Neuordnung des Vorverfahrensrechts in Kraft treten wird. Damit dies reibungslos geschehen kann, sind noch umfangreiche organisatorische Maßnahmen – etwa zur präzisen Klärung der Arbeitsteilung und der Kooperation von Polizei und Staats­anwalt­schaften, im Bereich der Personalentwicklung und der Schulung –, aber auch gering­fügige legistische Anpassungen zur Harmonisierung des Ermittlungsverfahrens not­wendig. Erst wenn dieser große Schritt genommen ist, werden wir mit der Neu­gestaltung des Haupt- und Rechtsmittelverfahrens beginnen können.

Im Kontext des Strafverfahrens, aber natürlich auch weit darüber hinaus, sind mir die Rechte der Opfer von Straftaten ein besonderes persönliches Anliegen. Die Entwick­lung einer opfergerechten Strafjustiz ist eine der erstrangigen aktuellen Herausfor­derungen für die Justiz. Innerhalb der letzten Jahre ist uns ja bewusst geworden, was die Strafjustiz den Opfern schuldet und dass Strafverfahren zuweilen nicht bloß dem Opfer vieles schuldig bleiben, sondern tatsächlich die Lage des Opfers oft noch verschlechtern.

Die Strafjustiz muss es Opfern ermöglichen, zu erleben, dass ihr Anspruch auf eine gerechte Reaktion auf das von ihnen erlittene Unrecht ernst genommen wird, und zudem mit Opfern schonend umgehen, um weitere Viktimisierungen und Traumatisie­rungen zu vermeiden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.) Auf der rechtlichen Ebene setzt hier das neue Vorverfahrensrecht wichtige und sehr dankenswerte Akzente.


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Nun geht es zum einen darum, die Rechtsreform in die anschließenden Verfahren­stadien hinein zu verlängern. Zum anderen wird es von entscheidender Bedeutung sein, es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Staatsanwaltschaften und der Gerichte durch Schulungsangebote zu ermöglichen, noch besser die besondere Situation der Straftatopfer und zumal der Opfer von Gewalttaten und Gewaltbe­ziehun­gen zu verstehen. Denn nur auf dieser Grundlage ist es letztlich möglich, den Bedürfnissen und Rechten der Opfer vollauf gerecht zu werden.

In diesem Zusammenhang bekenne ich mich dazu, dass die Strafjustiz Opfergerechtig­keit nicht im Alleingang herstellen kann, sondern auf enge Arbeitsbündnisse mit anderen Behörden, aber auch mit vielfältigen privaten Einrichtungen der psycho­sozialen und der finanziellen Opferhilfe angewiesen ist. In dieser Situation ist es wichtig, ein im Interesse der Opfer effektives und reibungsloses Zusammenspiel der beteiligten Institutionen durch Koordinationsmaßnahmen sicherzustellen, aber auch – und ich sage das mit besonderem Nachdruck – es den privaten Einrichtungen der Opferhilfe durch eine ausreichende Finanzierung zu ermöglichen, jene Rolle zu spielen, die nur sie spielen können. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Der mit dem Gewaltschutzgesetz eingeschlagene Weg, allen Formen von krimineller Gewalt mit Entschiedenheit entgegenzutreten, ist natürlich fortzusetzen. Das meint jetzt insbesondere weitere Schritte zur Unterstützung von Frauen und Kindern und besonders auch von alten Menschen, die in ihrem sozialen Nahraum von Gewalt bedroht sind. Wir brauchen auch eine Evaluierung jener Maßnahmen, die auf der Basis der jüngst geschaffenen gesetzlichen Regelungen gegen Stalking erfolgt sind. Ich denke auch an Maßnahmen im Bereich des Menschenhandels, insbesondere des Handels mit Frauen und Kindern, und andere Formen der Gewalt an Migrantinnen und Migranten.

Hohes Haus! Ich glaube, wenn wir jetzt eine große Koalition gebildet haben, so sind wir es unseren Wählerinnen und Wählern wohl auch schuldig, dass wir die spezifischen Chancen einer großen Koalition nutzen. Deshalb möchte ich auch jenen schwierigen institutionellen Fragen nicht ausweichen, die schon seit Jahrzehnten einer Antwort harren und die wir nur mit einer entsprechenden Verfassungsmehrheit auch lösen können.

Das gilt insbesondere für die Klärung der Stellung der Staatsanwaltschaften im Gesamt­gefüge der staatlichen Behörden und, damit zusammenhängend, die Frage des Verhältnisses – der Nähe oder der Distanz – der Staatsanwaltschaften zu den Gerichten. Dabei wird es noch mehr als in anderen Fragen darum gehen, eine Lösung in engster Kooperation mit den Betroffenen zu finden, deren Berufsbild und Berufs­verständnis hier natürlich massiv berührt ist.

Dass hier rasche Antworten weder zu haben noch erstrebenswert sind, bedeutet nicht, dass hier nicht jetzt schon Position bezogen werden könnte. Ich bekenne mich zur Wichtigkeit einer von der Regierung unabhängigen Tätigkeit der Staatsanwaltschaften für das Funktionieren des Rechtsstaats. Ich möchte hier unter anderem auch die Erfahrung aus den Erlebnissen in Italien einbringen, wo in den letzten Jahren sehr, sehr deutlich geworden ist, wie wichtig es ist, starke und unabhängige Anklage­behörden für die Bewahrung des Rechtsstaats und seiner Glaubwürdigkeit zu haben. Die verfassungsrechtliche Neupositionierung der Staatsanwaltschaften sollte diesen Prinzipien Rechnung tragen.

Ähnliches – insbesondere im Hinblick auf die Unabhängigkeit – gilt auch für die verfassungsrechtliche Verankerung des Rechtsschutzbeauftragten im Strafverfahren und für den Ausbau des Menschenrechtsbeirats zu einer wirklich unabhängigen Kontrollinstanz mit wirksamen Befugnissen. Das Regierungsübereinkommen sieht ja


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auch die Schaffung eines justizinternen Mechanismus vor, der Missständen präventiv begegnen soll.

Ich denke, von all diesen Maßnahmen kann die Justiz nur profitieren, denn im demo­kratischen Rechtsstaat gründet das Vertrauen der Bevölkerung zu ihrer Justiz auf deren Transparenz, Bürgernähe, Verantwortlichkeit und auf effektiven Einrichtungen der Kontrolle und der Qualitätssicherung.

Ich möchte noch ein weiteres Gebiet hier ansprechen, von dem ich denke, dass Reformen ausständig sind: Das ist das Familienrecht. Ich bin mir dessen bewusst, dass es hier sehr viele unterschiedliche Standpunkte gibt, ich bin mir auch der ideologischen Sensibilität diese Themas bewusst.

Dennoch glaube ich, dass wir einen gemeinsamen Ausgangspunkt haben sollten: Wann immer erwachsene Menschen zusammenleben in der Bereitschaft, wechsel­seitig füreinander zu sorgen und füreinander da zu sein, wäre die Gesellschaft wohl schlecht beraten, diese Bereitschaft zur mitmenschlichen Solidarität nicht anzuerken­nen und zu unterstützen – und dies unabhängig vom Geschlecht der Partner. Gleichermaßen gilt, dass, wann immer erwachsene Menschen willens sind, für Kinder zu sorgen – unabhängig davon, ob es ihre eigenen sind –, auch das anerkannt wird. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Hier darf das Recht nicht der heute schon gegebenen gesellschaftlichen Wirklichkeit nachhinken. – Danke schön, Frau Präsidentin. (Beifall bei der SPÖ.)

19.19


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Es ist nunmehr die Fernsehüber­tra­gungs­zeit zu Ende. Es gab für die Übertragungszeit eine freiwillige Redezeit­verein­barung, aber ich denke, es ist trotzdem im Sinne Ihrer Ausführungen, dass ich hier auf die freiwillige Redezeitbeschränkung hinweise. Sie können selbstverständlich auch immer länger reden, das ist klar.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister für Inneres Platter. – Bitte.

 


19.20.15

Bundesminister für Inneres Günther Platter: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen auf der Regierungsbank! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Österreich ist eines der sichersten Länder der Welt. Das ist eine Tatsache, die für uns beinahe selbstverständlich geworden ist, und es ist ein Erfolg, den wir uns tagtäglich wieder erarbeiten müssen.

Sicherheit ist sehr viel. Sicherheit ist eigentlich ein Grundrecht für unsere Bürger. Sicherheit ist ein zentrales Element der Lebensqualität unserer Bevölkerung, und Sicherheit ist auch ein wichtiger Erfolgsfaktor für den Wirtschaftsstandort Österreich. Dabei zeigt sich Sicherheit nicht nur auf Grund von nackten Zahlen. Sicherheit muss erlebt, muss aber auch gespürt werden. Das subjektive Sicherheitsgefühl der Öster­reicherinnen und Österreicher zu gewährleisten ist daher zweifellos erstes Ziel und oberste Aufgabe für mich als Innenminister.

In den letzten Jahren sind große Anstrengungen und Maßnahmen im Bereich der inneren Sicherheit durchgeführt worden. Die Ergebnisse sind nicht nur spürbar, sondern sie sind durch Fakten und Daten belegbar. Wenn ich mir die Kriminalität an­schaue, Kriminalität im Jahre 2005, so haben wir einen Rückgang gegenüber dem Vorjahr von 6 Prozent. Wenn wir uns die Statistik im Jahr 2006 anschauen, haben wir gegenüber dem Jahr 2005 wieder einen Rückgang von 2,6 Prozent. Wir können als Politiker alle darauf stolz sein, aber in erster Linie ist das ein Erfolg und ein Verdienst unserer ausgezeichneten Polizistinnen und Polizisten. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)


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Unsere neue Polizei ist die modernste und einsatzstärkste Polizei, die Österreich jemals hatte. Es ist daher auch in Zukunft unsere Verpflichtung, unseren Polizistinnen und Polizisten die bestmöglichen Rahmenbedingungen zur Erfüllung ihrer oft schweren Arbeit zur Verfügung zu stellen. Beginnend von modernster Technologie über best­mögliche Ausrüstung am Arbeitsplatz, Erneuerung des Fuhrparks bis hin zum Ausbau eines neuen und einheitlichen Funknetzes.

Meine Damen und Herren! Eine der wichtigsten Herausforderungen für das Innenres­sort in den nächsten Jahren wird die Erweiterung des Schengenraumes darstellen. Dabei ist ganz klar: Größtmögliche Sicherheit für Österreich muss gewährleistet sein. Voraussetzung für eine tatsächliche Grenzöffnung ist einerseits die Erfüllung der Schengenstandards in den neuen Mitgliedstaaten, andererseits muss das Schengen-Informationssystem technisch einwandfrei funktionieren. Werden diese Vorausset­zungen erfüllt, dann bedeutet das einen neuen Sicherheitsgurt um Europa und damit auch zusätzliche Sicherheit für Österreich. Schengen kann aber letztlich nur dann in Kraft treten, wenn es 1a funktioniert.

Meine Damen und Herren! Eine weitere Herausforderung für Österreich im Bereich der inneren Sicherheit ist die Fußball-Europameisterschaft im nächsten Jahr, die EURO 2008. Und wir können heute schon sagen, Österreich ist topfit dafür. Wir sind gut vorbereitet, das Sicherheitskonzept ist fertig. Unser Prinzip lautet: Willkommen Fußballfans, aber keine Chance für Hooligans. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Bravorufe bei der SPÖ.)

Ein wichtiges Thema und eine zentrale Herausforderung der nächsten Jahre bleiben weiterhin die Fragen, die wichtigen Fragen von Zuwanderung, Asyl und Integration. Unsere Linie ist klar, und unsere Linie bleibt klar: Schnelle Hilfe für die, die ein Recht auf unseren Schutz und unsere Unterstützung haben, aber stopp, wenn es um Missbrauch und Asylshopping geht, und vor allem null Toleranz und konsequentes Vorgehen, wenn es um Kriminalität geht.

Wir waren, meine Damen und Herren, immer ein offenes Land für jene, die wirklich unsere Hilfe und unseren Schutz brauchten, aber Österreich ist kein offenes Tor für jene, die unter dem Deckmantel Asyl zu uns kommen, aber etwas ganz anderes meinen. Im Jahr 2006 konnte ein Rückgang der Asylanträge von 40,6 Prozent ver­zeichnet werden. Dieses Ergebnis gibt uns Recht. Der Weg ist richtig, und diesen Weg werden wir weiterhin konsequent gehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Integration steht vor Neuzuzug: Das Fremdenrechtspaket, das wir mit einer breiten Mehrheit hier im Parlament beschlossen haben, ist nun seit einem Jahr in Kraft. Es gibt uns die Möglichkeit, die Zuwanderung klar und deutlich zu regeln. Im letzten Jahr konnte ein Rückgang von 62 Prozent erzielt werden. Und es gilt auch für die Zukunft: Zuwanderung kann nur abgestimmt mit den Bedürfnissen und auf die Bedürfnisse, vor allem aber auf die Möglichkeiten unseres Landes und unseres Arbeitsmarktes erfolgen, im Sinne Österreichs, im Sinne unserer Bevölkerung.

Wir müssen Integration fördern, wo es möglich ist, und wir müssen Integration fordern, wo es notwendig ist. Wir werden daher weiterhin schärfstens gegen illegale Migration vorgehen und Menschenhandel sowie Schlepperkriminalität intensiv bekämpfen.

Dass natürlich die internationale Zusammenarbeit dringend notwendig ist, das ist ein­deutig und klar. Ich möchte hier ein Beispiel nennen: Wir hatten gestern das informelle Treffen der EU-Innenminister in Dresden. Österreich und Deutschland haben eine Vorreiterrolle, was den Datenaustausch im Bereich der DNA-Spuren betrifft. (Präsi­dentin Dr. Glawischnig-Piesczek gibt das Glockenzeichen.) Wir hatten inner­halb eines Monats 3 000 Treffer bei den verschiedenen Delikten, 31 Morde, bei Sexual-


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delikten und dergleichen mehr! Es ist das also schon nach einem Monat eine Erfolgs­story geworden, und ich werde in nächster Zeit auch die einzelnen Delikte vorstellen, die wir durch diese Möglichkeit geklärt haben. Österreich und Deutschland haben also eine Vorreiterrolle im Bereich des Datenaustausches.

Meine Damen und Herren! Zum Schluss: Liese Prokop hat bei ihrem Amtsantritt gesagt, dass sie das Thema Sicherheit ins Zentrum ihrer Arbeit stellt, damit Österreich weiterhin zu den sichersten Ländern der Welt zählt. Dieser Grundsatz wird auch mein Leitsatz sein. Ich werde den Weg meiner Vorgängerin in ihrem Sinne und im Sinne Österreichs fortsetzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.27


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte.

 


19.27.45

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Dobar vecer, poštovane dame i gospodo! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! – Es sind so erfreulich viele, dass ich nicht alle einzeln begrüßen kann.

Herr Bundesminister Platter, Ihnen widme ich mich als Erstem, und dann der Frau Ministerin Berger. Da Sie jetzt im Vergleich zu den sensiblen Fragen Inte­gra­tion/Migration relativ viel Zeit der Fußball-Europameisterschaft gewidmet haben, kann ich hier nur einer Hoffnung Ausdruck geben. Wenn Sie schon sagen, wir sind topfit für die Fußball-Europameisterschaft, dann beziehen Sie das ganz sicher nicht auf die österreichische Nationalmannschaft, denn die ist nicht wirklich topfit, sodass sie dort sehr reüssieren könnte, aber wir dürfen wenigstens mitmachen, weil wir Veranstalter­land sind. Ich bin aber nicht für Sport zuständig; hier spricht eine wahre Amateurin. Ich komme jetzt zu den Bereichen, für die ich innerhalb der grünen Fraktion zuständig bin.

Herr Bundesminister! Ich bin heute wirklich extrem milde gestimmt, nicht nur deshalb, weil Sie ein Ex-Kollege aus dem Nationalrat sind, vor allem auch deshalb, weil ich nicht wirklich überzeugt bin, dass Sie das, was Sie jetzt machen, gerne machen, sondern weil ich irgendwie glaube, Sie wären gerne der geblieben, der Sie vorher waren mit dem Aufgabengebiet. Deshalb bin ich milde gestimmt und verzeihe Ihnen, dass Sie – und ich kann es nur so sagen – in einer Art und Weise die Politik der letzten Jahre hier runter ... – es wäre falsch zu sagen: runtergebetet – runtergesprochen und runter­gelesen haben, und kaum etwas dazu gesagt haben, was eigentlich notwendig wäre. Sie haben ja die Diskussionen in den letzten Jahren im Zusammenhang mit dem Fremdenrechtspaket mitverfolgt, und müssten wissen, was tatsächlich nottut. Nottut nämlich jetzt, sich darüber Gedanken zu machen, was das schwarz-blaue, schwarz-orange Fremdenrechtspaket für Unrecht in diesem Land geschaffen hat, welche individuellen persönlichen Dramen es auslöst, welches Unrecht es schafft und was es bewirkt hat.

Wenn heute der zuständige Minister sagt: Die Tatsache, dass wir 62 Prozent weniger Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen (Zwischenbemerkung von Bundesminister Platter) – nein, Asylanträge sind es 40 Prozent, da habe ich gut aufgepasst und das weiß ich auch –, 62 Prozent weniger – und Sie haben das so gemeint – Zuwanderung haben, weil das Fremdenrechtspaket so gut ist, dann, Herr Minister würde ich Ihnen empfehlen, zu schauen, zu wessen Lasten das geht. Das geht zu Lasten von Müttern und Vätern, die auf ihre Kinder warten, weil Familienzusammenführung in diesem Land immer noch quotiert ist, und weil nur die Familie Rechte hat, die eine österreichische Familie ist. Eine ausländische Familie, auch wenn die Eltern noch so brav sind und arbeiten und alles passt, wird nicht gleich behandelt, sondern diskriminiert, weil es


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diese Quotierung der Familienzusammenführung gibt. Und das ist grobes Unrecht, Herr Bundesminister (Beifall bei den Grünen), und das tut – und jetzt sage ich es, ich habe es schon oft gesagt – der Familienpartei ÖVP gar nicht gut.

Würde, Herr Bundesminister, eines geschehen, nämlich das, was die Minister vor Ihnen missachtet haben, aber jetzt möglicherweise durch Sie passieren könnte – ich bin ja da optimistisch –, nämlich den Empfehlungen des Menschenrechtsbeirats im Zusammenhang mit der Durchführung des Fremdenpolizeigesetzes, aber nicht nur dieses Gesetzes, Rechnung zu tragen, und wäre das im Regierungsübereinkommen auch nur irgendwo mit einem Wort vermerkt, dann wäre ich noch milder gestimmt, als ich es ohnehin schon bin, aber kein Wort davon ist irgendwo zu lesen. Das hätte ich von einem christlichen Politiker, der jetzt Innenminister ist – auch wenn er es nicht so gern macht –, erwartet, nämlich diese Besinnung. Diese Besinnung darauf, dass man auch eingestehen kann, dass manches nicht klappt beziehungsweise dass sich jetzt herausstellt, dass es nicht die bösen Blauen, die bösen Orangen waren, die die ÖVP zu Dingen gezwungen haben (Präsidentin Dr. Glawischnig-Piesczek gibt das Glockenzeichen) – die Redezeitbeschränkung ist freiwillig, bitte noch eine Minute –, sondern dass das ganz originär und ganz allein aus den Schwarzen rausgekommen ist in den letzten Jahren, was im Zusammenhang mit Migration und Fremdenrecht in Österreich Gesetz wurde, assistiert von den Roten, die jetzt auch mit im Boot sind und die nicht die Absicht haben, hier etwas zu ändern. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Stadler: Genau!)

Zum Schluss aber zu Frau Dr. Berger, zu unserer neuen Justizministerin: Ich wünsche ihr wirklich alles Gute aus tiefster Überzeugung, weil einiges von dem, was im Regie­rungsübereinkommen steht, absolut von den Grünen unterstützt und mitgetragen wird, und ich wünsche ihr auch deshalb alles Gute, weil sie es wahrlich nicht leicht haben wird, denn das, was gestern in der „ZiB 2“ beim Interview – und richten Sie es ihm aus, die paar, die da sind von der ÖVP – vom Klubobmann Dr. Schüssel via Fernsehen einem Regierungsmitglied einer Regierungskoalition ausgerichtet wurde, das ist gelin­de gesagt eine Frechheit der neuen Justizministerin gegenüber, denn es war ers­tens falsch und ist zweitens – und das ist jetzt wieder meine mild gestimmte, positive Inter­pretation – deshalb passiert, weil er damit sein eigenes, politisches Versagen als Bundeskanzler kaschieren wollte, der nicht imstande war, einem Landeshauptmann, der täglich Recht und Gesetz bricht in Kärnten, tatsächlich auch Paroli zu bieten, und es offensichtlich jetzt auch nicht beabsichtigt, denn jetzt könnte er es beziehungs­weise – wo ist Minister Faymann? Jetzt ist er im Moment nicht da! – Faymann kann es sofort machen. Er kann Herrn Landesrat Dörfler eine Weisung geben. Und wenn dann die versammelte blaue, BZÖ oder was weiß ich, wie sich das in Kärnten farblich zusammensetzt, Mannschaft in Kärnten dann immer noch den Rechtsstaat mit Füßen tritt, dann kann diese Bundesregierung dem Rechtsstaat zum Durchbruch verhelfen, indem sie eine Ministeranklage erhebt. Das ist das, was Frau Dr. Berger angedacht hat, und sie hat Recht. Wir stehen diesbezüglich voll hinter ihr. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Stadler: Das ist blanker Unsinn!)

19.34


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Ich mache darauf aufmerksam, dass in der XIX. GP für das Wort „Frechheit“ ein Ordnungsruf erteilt worden ist. Da wir das schon zweimal hatten, und ich meine, dass jede Fraktion am Anfang einmal ein bisschen über die Stränge schlagen darf, erteile ich einen solchen hiemit nicht, bitte aber um Mäßigung.

Ich erteile als nächstem Redner Herrn Abgeordnetem Parnigoni, das Wort. – Bitte.

 



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19.34.34

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Es ist heute mehrfach davon gesprochen worden, dass Österreich eines der sichersten Länder der Welt ist. Das bedeutet aber auch, dass es eine permanente und große Herausforderung sein muss, und wir müssen – das ist auch angedacht worden – klarstellen, dass wir das vor allem fleißigen, verantwortungsbewussten Exekutivbeamtinnen und -beamten verdanken, die sich nicht von Personalknappheit, die sich nicht von Arbeitsüberlastung, die sich nicht von zum Teil schlechter Ausrüstung entmutigen ließen, sondern ihren Job wirklich vollinhaltlich ausgeführt haben. Ich möchte als Vorsitzender des Innenausschusses den Kolleginnen und Kollegen der Exekutive wirklich für die Erfüllung ihrer Aufgabe herzlich danken. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abg. Mag. Stoisits.)

Das Ziel dieser Koalitionsregierung – und der Herr Bundeskanzler hat das ja dar­gestellt – und eine elementare Aufgabe für eine zukunftsweisende Regierungsarbeit ist, Freiheit und Sicherheit für alle Österreicherinnen und Österreicher zu gewähr­leisten. Das ist eine große Herausforderung, denn ich darf daran erinnern, meine Damen und Herren, dass wir etwa in den letzten sieben Jahren einen gewaltigen Anstieg der Kriminalitätsrate zu verzeichnen hatten, auch wenn wir jetzt eine ganz kleine Verminderung haben. Noch bedenklicher ist aber, dass vor allem die Aufklä­rungs­rate seit den neunziger Jahren, als sie über 50 Prozent betrug, jetzt auf aktuell 38,9 Prozent gesunken ist. Das bedeutet, dass wir uns hier besonders anstrengen müssen. Es beweist aber auch, dass sich der Weg, der in diesen sieben Jahren gegangen worden ist, nämlich Tausende PolizistInnen einzusparen, dass man versucht hat, der Exekutive nicht alle Möglichkeiten zu geben, als falsch erwiesen hat. Ich bin daher sehr erfreut, dass wir im Koalitionsübereinkommen festgehalten haben, wenn es eine Notwendigkeit für mehr Beamtinnen und Beamten in diesem Bereich gibt, dass das auch durchgesetzt und umgesetzt werden kann.

Meine Damen und Herren! Was wir jetzt in der Exekutive brauchen, ist, dass wir nach der Zusammenlegung der Wachkörper Ruhe in die Sicherheitsexekutive hinein­bekommen, dass wir nach dem Drehen am Personenkarussell, das insbesondere Minister Strasser betrieben hat, dazu übergehen, dass die Menschen keine Sorgen und keine Ängste mehr um ihren Job haben müssen. Ich meine daher, dass dieses Projekt in Zukunft auch in dieser vierjährigen Legislaturperiode einer Evaluierung und einer ständigen Nachjustierung bedarf. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich möchte festhalten, meine Damen und Herren, dass wir dabei auch die Beson­derheit sehen müssen, dass die Erfordernisse an die Exekutive zwischen Stadt und Land allfälligerweise unterschiedlich sind.

Ich glaube, Herr Bundesminister, und da teile ich durchaus Ihre Meinung und unter­stütze Sie vollinhaltlich, wenn Sie sagen: Es ist notwendig, dass wir der Exekutive die besten Bedingungen zur Verfügung stellen. Wir brauchen vor allem die besondere Motivation der Kolleginnen und Kollegen, das ist wichtig. Das heißt, wir müssen die Arbeitsbedingungen der PolizistInnen verbessern; das heißt, wir müssen etwa bei der Frage, wie wir mit den Veränderungen im Schengen-Prozess umgehen, wo es sehr viel um Personalfragen gehen wird, auch die Personalvertretung entsprechend einbinden und zu ihr ein vernünftiges Verhältnis finden müssen. Wir müssen die Ausbildung professionalisieren, und es geht auch darum, die Ausstattung der Exekutive zu ver­bessern.

Das steht im Koalitionsübereinkommen, dazu bekenne ich mich. Es ist ganz klar: Autos, die über 300 000 km auf dem Tacho haben, eignen sich nicht für die Kriminal­itätsbekämpfung. Ich bin daher froh, dass wir hier ein Übereinkommen gefunden


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haben, das dazu führen wird, dass wir hoch motivierte, gut ausgebildete Polizistinnen und Polizisten haben werden, die der Bevölkerung eine höchstmögliche Sicherheit garantieren werden.

Meine Damen und Herren! Die Uhr ist nicht eingestellt, es wären 4 Minuten gewesen, und ich möchte meinen Kolleginnen und Kollegen die Zeit nicht nehmen. Ich möchte festhalten, dass wir hohes Interesse daran haben, dass die Sicherheit in diesem Land wiederum auf einen Höchststand kommt. Ich bin überzeugt davon, dass, wenn wir zu einer konstruktiven Zusammenarbeit kommen, Herr Bundesminister – ich würde mich freuen, wenn das funktionieren würde, wir kennen uns ja schon aus der Zeit, als du noch im Nationalrat warst –, und ich denke, dass das gelingen wird, wir zum Wohle der Österreicherinnen und Österreicher, zur Sicherheit in diesem Lande gemeinsam einen guten Beitrag leisten können. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

19.39


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Fichtenbauer. Redezeit: 4 Minuten. – Bitte.

19.40.00


Abgeordneter Dr. Peter Fichtenbauer (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren der Bundesregierung! Hohes Haus! Ich spreche als Justizsprecher unserer Fraktion und kann es mir als Landesverteidigungssprecher auch nicht versagen, dem abwesenden Herrn Bundesminister Darabos in Erinnerung zu rufen, dass es beim Militär auch Nachtübungen gibt. Vielleicht kann ihm jemand etwas ausrichten, was viel­leicht interessant wäre. (Abg. Heinzl: Von Ihnen braucht ihm niemand etwas aus­zurichten!) – Sie brauchen sich nicht aufzuregen, aber es ist eine Tatsache, wovon ich gesprochen habe.

Frau Bundesminister Berger hat vom Opferschutz gesprochen. Das ist sehr gut. In einer weiteren Wortwendung hat sie sich dafür ausgesprochen, dass die Staats­anwaltschaft stark sein muss. – Ich kenne keine schwache Staatsanwaltschaft in Österreich, sie ist behördenmäßig und gesetzlich vollständig ausgekleidet, aber der Schritt in die Phase des glattweg Abzulehnenden ist eine unabhängige Staatsanwalt­schaft. Das ist ein alter Traum diverser Politsprecher, und als Beispiel wird die italienische Staatsanwaltschaft herangezogen. Das ist genau das Schreckensbeispiel. Ich erinnere an die Dopingsache, die von der unabhängigen Staatsanwaltschaft gegen österreichische Sportler in Italien begonnen worden ist. Bis heute gibt es kein seriöses Verfahrensergebnis. Das kommt heraus, wenn eine weisungsfreie Staatsanwaltschaft völlig frei agieren kann. Und der Opferschutz ist keine Einbahn, Opfer können nämlich auch unschuldig ins Verfahren Gezogene werden. Auf die schaut anscheinend nie­mand in diesem Zusammenhang.

Zweiter Punkt. Im Kapitel Wirtschaft findet sich einiges, was der kundige Leser sonst im Bereich der Rechtspflege, vor allem der Zivilrechtspflege aufzufinden pflegt. Offen­sive für Jungunternehmer ist eine Art gefährliche Drohung. Beraterhaftung der Wirt­schafts­treuhänder, Notare und Anwälte ausbauen und verstärken – das ist eine Art furor nesciendi, also wilde Wut, nichts zu wissen. Bitte, wer hat das gelesen, dass es keine vollständige Haftung für Notare und Anwälte gibt? Bei Wirtschaftstreuhändern ist sie nur in ihrer Eigenschaft als Abschlussprüfer im Sinne des Gesellschafts­rechtsänderungsgesetzes 2005 beschränkt. Sonst empfehle ich einen Blick in § 1299 ff ABGB. Da werden Sie lesen können, dass es eine völlig unbeschränkte Haftung für die zitierten freien Berufe gibt.

Bei den freien Berufen ist noch etwas Schreckensgebietendes auf Seite 40 Ihres Kon­volutes. Es soll der Wettbewerb bei den freien Berufen verstärkt und der Zugang


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transparenter werden. Bitte, der ist vollständig transparent! Ich sehe keinen einzigen intransparenten Berufszugang in seiner Regelung. Auch der Wettbewerb ist vollständig vorhanden.

Dann gibt es noch die Passage, es soll die Gebietsschutzregelung beseitigt werden. Es gibt keine einzige Gebietsschutzregelung. Das sind doch keine Rauchfangkehrer. Es gibt höchstens das System der festen Stellen des Notariates wie in allen westlichen Ländern und auch östlichen Ländern Europas.

Ein Blick noch zur Landesverteidigung. Es wird sehr positiv das Vorhaben definiert, künftig budgetmäßig ein Drittel für Investitionen vorzukehren. Das geht nur, wenn das Budget angehoben wird. Auch dieser neue Verteidigungsminister wird den Budget­kampf erleben und dulden müssen. Wir haben in Österreich 0,7 Prozent des BIP, europaweit sind es im Schnitt 1,2 Prozent des BIP, und wenn Sie die jetzige Verteilung des Budgets bedenken – 60 Prozent gehen ins Personal, 20 Prozent in den Betrieb und 20 Prozent in Investitionen –, da geht sich das alles nicht aus, was ambitiös im Bundesheer 2010 definiert ist, vor allem nicht die Aufwertung und Modernisierung der neu aufzustellenden Armee und insbesondere nicht das dringende Gebot, die Miliz, ohne die das neue Heer nach 2010 nie und nimmer eine Existenzfähigkeit haben wird, in ihrer Qualität zu verbessern und auszubauen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

19.45


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abge­ordnete Dr. Fekter. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

19.45.13

 


Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Besonders begrüßen möchte ich heute die neue Justizministerin, weil ich als Justizsprecherin wahrscheinlich mit ihr am inten­sivsten zusammenarbeiten werde.

Wir haben einen Einleitungssatz im Justizprogramm, der lautet: „Die Regierungs­parteien werden alles unternehmen, um das Funktionieren der Justiz sicherzustellen, die Grund- und Freiheitsrechte zu garantieren und auszubauen sowie um den Wirtschaftsstandort zu fördern.“ Dann haben wir in fünf Themenbereichen Schwer­punkte gesetzt.

Erstens, meine sehr verehrten Damen und Herren: Die Justiz soll Dienstleistung für die Bürger sein. Dienstleistungsqualität haben wir vorgesehen für den Ausbau der Kon­sumentenrechte, Schaffung einer Opferkoordinationsstelle, Verfahrensbeschleunigung, insbesondere bei Verkehrsunfällen, Reform des Unterhaltsrechts.

Das zweite große Thema befasst sich mit dem Wirtschaftsstandort und der Qualität. Diese soll positiv stimuliert werden. Dort gibt es Neuerungen im Wettbewerbs- und Kartellrecht. Wir werden Unternehmensnachfolge verbessern und erleichtern. Wir schaffen ein ganz neues Mobilienpfandrecht mit einem dazugehörigen Register, und zum Beispiel auch im Hinblick auf die Stock Options soll es mehr Transparenz geben.

Fairness im Wohnrecht gehört auch in diesen Bereich. Wir werden uns im Wohn­bereich ganz genau anschauen, wo es Missbrauch gibt. Den werden wir abstellen. Wir werden den Neubau mit Sicherheit fördern, aber wir werden das Rad nicht ins vorige Jahrhundert zurückdrehen.

Der dritte Schwerpunkt ist dann die Gesellschaftspolitik. Es gilt, einen stabilen Rahmen dafür zu schaffen, orientiert an Werten und Menschenwürde. Wir werden dort bewah­ren, wo es sich bewährt hat, und wir werden dort verändern, wo es notwendig ist, insbesondere bei den ganz modernen Fragen in unserer Gesellschaft. So werden wir


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beispielsweise über rechtliche und ethische Fragen in der Humanmedizin eine Enquete abhalten, um Antworten auf diese neuen Fragen geben zu können.

Und wir werden das Familienrecht evaluieren. Auch wenn in den Medien darunter immer nur verstanden wird, dass wir die Homo-Ehe einführen sollen, so ist im Regie­rungsprogramm der Horizont diesbezüglich viel, viel weiter. Wir orientieren uns beim neuen Familienrecht an neuen Zielen. Diese haben wir definiert, indem wir die Armut bekämpfen wollen, sofern sie Familien trifft, indem wir die Erwerbsquote der Frauen erhöhen wollen, indem wir Diskriminierungen beseitigen wollen, indem die Altersab­sicherung eine Frage auch für das Familienrecht ist und indem wir die familiäre Solidarität fördern wollen.

Das Gewaltschutzprogramm, das im Koalitionsübereinkommen enthalten ist, ist auch Teil dieses Gesellschaftsrechts.

Der vierte Punkt ist dann die Kriminalitätsbekämpfung und der Ausbau der Sicherheit. Hier hat die Frau Ministerin schon sehr viel vorgetragen, aber, Frau Ministerin, wir wol­len keine italienischen Verhältnisse in der Kriminalitätsbekämpfung und in der Sicher­heit. Daher werden wir eine Weisungsfreiheit der Staatsanwälte nicht umsetzen, aber sie in der Verfassung verankern und ein neues Kontrollorgan hier im Parlament schaffen. Wir wollen das Anklagemonopol hier in einem Unterausschuss kontrollieren, genauso wie wir die Geheimdienstmonopoltätigkeit in Unterausschüssen kontrollieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Als fünften Schwerpunkt sehen wir die Wünsche der Standesvertretungen, nämlich jener Berufsgruppen, die im Justizbereich tätig sind: Richter, Staatsanwälte, Notare, Rechtsanwälte. Sie müssen ja die Gesetze dann auch umsetzen, und daher haben wir ihre Vorschläge zum Teil auch mit aufgenommen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Minister! Im Justizausschuss herrscht ein Konsensklima. Da Sie bereits meine sechste Ministerin sind, die ich im Justiz­ausschuss habe – also auch männliche Kollegen –, und wir ein sehr gutes Klima im Justizausschuss haben, bin ich überzeugt davon, dass wir das fortsetzen werden, und die ÖVP, liebe Frau Minister, wird Sie dabei bestens unterstützen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.50


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dolinschek. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

 


19.50.26

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Wenn es jetzt eine große Koalition und sozusagen auch eine Zweidrittelmehrheit hier im Hohen Haus gibt, so ist, wie Sie es in Ihrem Regierungsprogramm ja auch stehen haben, eine Staats- und Verwaltungsreform angesagt, die Sie jetzt ohneweiters durchführen können. Es ist schon längst an der Zeit, dass man gewisse Reformen in diesem Bereich durchführt: Wir alle kennen die Problematik mit dem Zuständigkeits- und Kompetenzbereich zwischen Bund und Ländern, wo man zwar sagt, selbst­verständlich gehört das in eine Hand, aber andererseits heißt es, so wollen wir es nicht, dass der Bund jetzt alles macht, und die einzelnen Länder haben immer wieder ihre Bedenken.

Ich denke nur an das Jugendschutzgesetz und daran, dass es eigentlich völlig unsinnig ist, wenn man neun verschiedene Regelungen in Österreich hat. Ich denke auch daran, wie schwierig es ist, die einzelnen Länder auf einen Nenner zu bringen. Ich hoffe aber


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doch, dass das während dieser Periode endlich einmal geschieht und wir hier ein­heitliche Bestimmungen haben. (Beifall beim BZÖ.)

Dasselbe gilt auch für die Bauordnung: Wir haben immer noch neun verschiedene Bauordnungen. Wenn ich an das Behindertengleichstellungsgesetz denke, wird es schon notwendig sein – und das wäre ein Anlassfall dazu –, dass man einfach die Bauordnungen gleichstellt und in den einzelnen Bundesländer eben dieselbe Bauord­nung hat. Ich weiß, dass das nicht immer ganz einfach ist, aber mit einer Zweidrittel­mehrheit ist das eine oder andere viel leichter durchzubringen, als wenn man immer mit einem Veto belegt wird. – Das einmal zum einen.

Zur Bekämpfung der Schwarzarbeit, über die heute schon gesprochen worden ist, habe ich mit Wohlwollen vernommen, dass es eine verstärkte Kontrolle der Auslän­derbeschäftigung geben wird, dass Generalunternehmen in Zukunft auch für Subunter­nehmen in sozialversicherungsrechtlichen Dingen haften, wenn sie diese Beträge schulden. Wir kennen ja die Problematik, dass Leute angemeldet werden, aber Sozial­versicherungsbeiträge, sowohl der Dienstgeberbeitrag wie auch der Dienstnehmer­beitrag, nicht an die Sozialversicherungsanstalten abgeführt werden und hier ein großes Loch klafft. Ich finde es richtig, dass man das macht. Das ist genau so, wie ich mir das vorstelle.

Was die Schlüsselarbeitskräfte betrifft, muss ich eines sagen: Schauen Sie darauf. Schlüsselarbeitskräfte sind jene Kräfte, die genügend verdienen müssen, die über dem normalen Durchschnitt verdienen müssen. Das ist so ähnlich, wie es Holland bei den Fußballern macht. Da darf ein Verein nur einen Spieler kaufen, der wesentlich mehr verdient als alle anderen, damit er sich nicht so viele leisten kann und die eigenen Talente nicht untergehen. Und das muss auch für den österreichischen Arbeitsmarkt und für die österreichischen Arbeitskräfte hier gelten.

Jetzt noch ein Wort zu Verkehr und Infrastruktur. Der Herr Bundesminister ist jetzt zwar nicht hier, aber ich habe ebenfalls mit Wohlwollen vernommen, wie Bundesminister Faymann gesagt hat, die Koralmbahn will er prioritär behandeln. Ich muss sagen, als Kärntner oder als Südösterreicher findet man es natürlich ausgezeichnet, wenn man so etwas hört, denn wir haben jetzt die historische Chance, die Koralmbahn auszubauen. Ein rascher Ausbau wäre eine Jahrhundertchance für unser Bundesland, für die süd­lichen Bundesländer Steiermark und Kärnten.

Es hat sich auch der Chef der Industriellenvereinigung von Kärnten, Othmar Petschnig, dahin gehend geäußert, dass die baltisch-adriatische Achse als Verkehrsachse durch Österreich zu ziehen ist, weil ganz einfach Slowenien und auch Ungarn finanzielle Probleme haben. Das wäre überhaupt für den Wirtschaftsstandort sehr, sehr gut, und natürlich wäre auch die Kofinanzierung für Bau- und Planungsmaßnahmen gegeben. – Das sollten wir nicht verabsäumen, diese Chance sollten wir ergreifen.

Ganz kurz noch zum Konsumentenschutz. Geschätzte Damen und Herren! Es ist mir aufgefallen, dass der Konsumentenschutz eigentlich nicht Inhalt dieser Regierungs­erklärung ist, obwohl wir, was ich sehr befürworte, jetzt einen eigenen Ausschuss zum Konsumentenschutz hier im Parlament haben. Es ist wichtig, dass der Ver­braucherschutz verstärkt und ausgebaut wird, denn in einer globalisierten Welt sind die Fallen für die Verbraucher immens größer geworden. Durch den Verkauf im Internet, durch Reiseveranstaltungen, irreführende Werbungen und so weiter und so fort ist der Verbraucher heute mit unglaublichen Dingen konfrontiert. Hier besteht ganz einfach Handlungsbedarf, und Sie in der Bundesregierung sollten doch auch ein Herz für die Verbraucher haben und diesen Verbraucherschutz verstärkt ausbauen. (Beifall beim BZÖ.)

19.55



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Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächste zu Wort gemeldet ist die Bundesministerin für Gesundheit, Frau Dr. Kdolsky. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


19.55.18

Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Dr. Andrea Kdolsky: Frau Präsi­dentin! Hohes Haus! Auf den bisherigen Stationen meines Lebens als Ärztin, Gewerk­schaftsfunktionärin und Spitalsmanagerin habe ich die Möglichkeit gehabt, die Sorgen und Nöte kranker Menschen, die Arbeitsbedingungen von ÄrztInnen und nichtärzt­lichem Personal, von Kolleginnen und Kollegen kennenzulernen, und ich weiß um die Herausforderung der Steuerung, der Planung und der Finanzierung eines der besten Gesundheitssysteme dieser Welt.

Hier gilt es, den erfolgreich eingeschlagenen Weg der Gesundheitsreform 2005 konse­quent weiterzuentwickeln. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Österreich hat ein ausgezeichnetes Gesundheitssystem. Das belegen nicht nur internationale Studien über die Qualität der medizinischen Leistungen, sondern auch Studien, die Patientenzufriedenheit bezeugen. Und diese Beurteilung deckt sich auch mit meinen persönlichen Erfahrungen.

Vordergründig möchte ich Ihnen eindrucksvolle Zahlen bringen, denn ich glaube, auch das verdient es, einmal hier in diesem Haus erwähnt zu werden. Rund 20 000 Spitals­ärzte und 75 000 Pflegepersonen in 260 österreichischen Krankenanstalten erbringen für Patienten an rund 18 Millionen Belagstagen ihre Leistungen, und das ist eindrucks­voll. 2 150 Apotheken versorgen Österreich mit medizinisch nötigen Arznei­mitteln und dem notwendigen Versorgungsmaterial, und rund 300 000 bestens ausgebildete Beschäftigte im Gesundheitsbereich sind rund um die Uhr tätig.

Doch darauf allein kommt es nicht an. Neben einer hoch qualifizierten Ausbildung, neben einem flächendeckenden Angebot für alle, die dieses benötigen, müssen wir Raum schaffen für Zeit – Zeit, während der der Arzt mit dem Patienten spricht; Zeit, während der die Schwester Möglichkeiten hat, ihrem Patienten eine Hand zu geben. Diese Zeit müssen wir schaffen – wir müssen der Zeit Raum geben! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Als neue Gesundheitsministerin sehe ich meine Aufgabe darin, die Rahmen­bedin­gungen dieses Systems so einzurichten, dass Patientinnen und Patienten optimal betreut werden können und von ihren behandelnden Ärzten und von allen sie betreu­en­den Gesundheitsberufen die Zeit bekommen, die sie benötigen. Oberste Priorität im Gesundheitswesen muss der behandlungsbedürftige Mensch und seine Bedürfnisse haben. Verwaltung, Bürokratie und Abrechnungswesen sind Hilfsmittel zur Erfüllung und Administration der Aufgaben, dürfen aber nie Selbstzweck sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Daher gilt es, konsequent die moderne Informations- und Telekommunikations­techno­lo­gie weiter auszubauen, die Möglichkeiten der e-card optimal auszunutzen. Wir werden zügig daran arbeiten, dieses Potential für ganz Österreich nutzbar zu machen – zum Nutzen der Patienten und zum Nutzen der behandelnden Ärzte, die dadurch wesentlich entlastet werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Dabei sollen aber auch die Kosten der Verwaltung gesenkt werden, um mehr Geld für Leistungen an den Patienten zur Verfügung zu stellen.

Neben dem Spitalsbereich wird es aber immer wesentlicher, den Hausarzt in den Vor­der­grund zu stellen, die wohnortnahe Betreuung der Familien, die Vorsorge, den Hausarzt als Lotsen für die Patientinnen und Patienten durch die Vielfalt des medizi­nischen Versorgungsangebotes.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 213

In einer älter werdenden Gesellschaft wollen die Menschen möglichst lange zu Hause medizinisch betreut und gepflegt werden. Der Arzt ist für diese Menschen ent­scheidend in der Langzeitbetreuung und in der Befundverwaltung. Daher müssen Hausärzte ein angepasstes Aufgabenprofil erhalten, es muss die Ausbildung der Ärzte diesem Bedarf angepasst werden.

Was die fachärztliche Versorgung betrifft, so wird das Projekt der Etablierung zeitge­mäßer Kooperationsformen weiter vorangetrieben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der SPÖ.)

Prävention, ein wesentlicher Punkt nicht nur im Nikotinbereich, sondern auch in den Alkohol- und Drogenbereichen, ein wesentlicher Punkt für den Jugendbereich, denn die Jugend ist die Zukunft unseres Landes von morgen. Die Sorgen und Anliegen der jungen Menschen möchte ich daher auch in den Mittelpunkt dieser Politik stellen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Auch und gerade weil junge Menschen mit Recht gerne kritisch sind, wollen wir politisch interessierte, politisch urteilsfähige Jugendliche, die ihre eigene Zukunft selbst mitbestimmen und gestalten.

Lassen Sie mich noch ein Wort zu meiner Kompetenz als Familienministerin trotz ungewollter Kinderlosigkeit sagen. Über konkrete Maßnahmen kann man erst sprechen, wenn man sich anschaut, welche Formen der Familienstruktur in Österreich des 21. Jahrhunderts Realität sind. Die althergebrachte Form von Vater-Mutter-Kind-Struktur ist heute oft durch Patchworkfamilien, allein erziehende Elternteile abgelöst. Probleme der Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind wesentliche Heraus­forderun­gen für eine zeitgemäße Familienpolitik. Es geht um eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die Weiterentwicklung von Kinderbetreuung, die finanzielle Absiche­rung der Familien, insbesondere der jungen Familien und der Großfamilien. Es geht aber auch um die Stärkung familienpolitischer Institutionen, und es geht um einen stärkeren und effizienteren Schutz vor Gewalt in der Familie. (Allgemeiner Beifall.)

Ich danke Ihnen vielmals. Ich freue mich auf die gemeinsame Zusammenarbeit. Es sind hier viele Kooperationsprojekte dabei und es sind große Projekte dabei. Nehmen wir sie in Angriff – und gehen wir die nächsten Jahre miteinander! – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

20.02


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Bures. – Bitte, Frau Ministerin.

 


20.02.15

Bundesministerin ohne Portefeuille Doris Bures: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Ja, ich habe mir als Frauenministerin sehr viel vorgenommen. Ich denke, dass wir es mit dem eigenen Frauenministerium geschafft haben, für die Frauen wieder eine starke Stimme zu bekommen, und ich möchte mit dem heutigen Tag als Frauenministerin auch einen Kurswechsel einleiten. Ich möchte eine neue Ära in der Frauenpolitik beginnen, weil ich denke, dass es nach sieben Jahren, in denen es leider doch sehr viel Stillstand in der Frauenpolitik gegeben hat, wichtig ist, dass wir in diesem Bereich vieles nachholen. Ich habe in meiner parla­mentarischen Erfahrung in den letzten Jahren erlebt, dass ich in Ihnen über alle Fraktionsgrenzen hinweg auch wirklich ... (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Herr Kukacka Sie waren nicht wirklich ein Verbündeter in Frauenfragen, aber viele Kolleginnen und Kollegen waren engste Verbündete. Daher freue ich mich auf die Zusammenarbeit vor allem auch hier im Hohen Haus. (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 214

Es geht uns um Chancengerechtigkeit und Fairness gegenüber Frauen. Chancen­gerechtigkeit – das ist nicht irgendein Privileg oder eine Gnade, die Frauen erhalten, sondern das ist ein Recht, das Frauen haben. Daher sollten wir uns darum bemühen, dass wir Frauen alle Möglichkeiten schaffen, dass sie ihr Leben so führen können, wie es ihren individuellen Bedürfnissen und Wünschen entspricht. Ich kann Ihnen ver­sichern: Frauen wollen von uns keine Vorschriften. Sie wollen von uns auch nicht bevormundet oder belehrt werden, und sie wollen keine Politik, die ihnen Vorschriften macht, sondern was sie wollen ist, sich entfalten zu können und unabhängig leben zu können. Und das ist eigentlich unsere Aufgabe, den Frauen diese Wahlmöglichkeiten auch zu geben und die notwendigen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Ich freue mich auf diese Aufgabe so, weil die heutigen Reden zur Regierungs­erklä­rung, also die Teile, die wir gehört haben, ja gezeigt haben, dass wir starke Verbündete haben, also in der Justizministerin, die die Frage des Zusammenlebens und einer modernen Familienreform, wo keine Form des Zusammenlebens diskriminiert werden soll, angesprochen hat, aber auch in der Gesundheitsministerin, die von der Vielfalt des Zusammenlebens gesprochen hat. Das macht mir Mut und Freude. Ich glaube, auf diesem Weg und mit diesen Verbündeten werden wir in der Frauenpolitik tatsächlich erfolgreich sein. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Ich möchte die drei für mich wesentlichsten Bereiche vielleicht kurz skizzieren, die wir auch im Arbeitsübereinkommen festgehalten haben:

Erstens: die Bekämpfung der Armut. Die Armut ist weiblich, die Mehrheit der Bevölke­rung ist weiblich, und trotzdem wissen wir, dass in den wichtigen gesellschaftlichen Bereichen Frauen noch immer in der Minderheit sind. In der Regel haben es die Frauen auf dem Arbeitsmarkt schwerer, und sie verfügen in der Regel auch über weniger Geld. Frauen haben die niedrigeren Einkommen, in der Folge die niedrigeren Pensionen und sind daher auch häufiger von Armut betroffen.

Und was mir so wichtig ist, ist, zu betonen, dass das kein Naturgesetz ist. Das muss nicht so sein. Und unsere Aufgabe in den nächsten vier Jahren wird es sein, daran auch etwas zu ändern. Denn wer hätte sich bis vor kurzem vorgestellt, dass wir es mit einer Mindestpension und der Erhöhung auf 726 € schaffen, dass 150 000 Frauen aus der Armutsgefährdung geholt werden? Das ist ein ganz wichtiger Schritt zur Bekämpfung der Frauenarmut. Wer hätte sich vor einigen Monaten oder vor einem Jahr noch gedacht, dass wir zu einer bedarfsorientierten Mindestsicherung in Öster­reich kommen? Gerade Frauen werden dadurch vor Armut in Schutz genommen. Und wer hätte sich gedacht, dass die Sozialpartner gemeinsam den Vorschlag machen: ja, ein Generalkollektivvertrag, 1 000 € Mindestlohn. Und genau davon werden die Frauen profitieren. Wir werden ein Stück der Einkommensschere zwischen Männern und Frauen dadurch schließen können. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Der zweite mir so wesentliche Punkt ist die tatsächliche Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Das beste Instrument gegen Armut ist ja Beschäftigung und Einkommen. Zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie brauchen wir Kinderbetreuungseinrichtungen, die den Bedürfnissen der Mütter, der Väter und der Kinder auch tatsächlich gerecht wer­den. Und ich freue mich, dass heute alle die Flexibilisierung des Kindergeldes begrüßt haben, dass wir den Familien die Wahlmöglichkeit geben, wenn sie kürzer zu Hause sind, dass sie einen höheren Kindergeldbezug bekommen, nämlich 800 €, und wenn sie länger zu Hause sind, dann die 436 €. Das haben heute alle begrüßt, es war aber ein hartes Ringes. Es macht nichts – wir haben uns durchgesetzt, und das ist gut, weil es für die Familien in Österreich gut ist. Und darüber freue ich mich. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 215

Und der dritte Schwerpunkt, der für mich sozusagen Priorität hat, ist der Kampf gegen Gewalt an Frauen, keine Toleranz bei Gewalt an Frauen. Wir haben im Arbeitsüber­einkommen festgehalten, dass wir die Interventionsstellen gegen Gewalt besser ausstatten wollen, dass wir die Notwohnungen ausbauen wollen, dass wir – und die Justizministerin hat es gesagt, auch hier ist sie eine enge Verbündete –, was die Bedeutung des Opferschutzes betrifft, tatsächlich Verbesserungen durchführen wollen.

Aber es geht uns auch darum, Tabus zu brechen, alte Denkmuster zu verändern und auch eine Sensibilisierung oder eine weitere Sensibilisierung in der Exekutive und in der Justiz zu erreichen.

Und all das möchte ich auch mit allen Frauen, die in Frauenprojekten, in Initiativen, in NGOs tätig sind, in Netzwerken arbeiten, gemeinsam tun. Und ich sage Ihnen, wir haben eine gute Chance, wir haben gute Voraussetzungen, für die Frauen in Öster­reich mehr Fairness zu schaffen. Wir sind sehr viele Frauen in dieser Regierung. Darüber freue ich mich so sehr. Das alleine ist noch kein Programm, aber ich würde sagen, das ist einmal ein guter Beginn, dass wir so viele Frauen sind. Auch die Ausführungen heute hier von meinen Regierungskollegen haben erkennen lassen, wir haben auch einige männliche Verbündete im Kampf für mehr Rechte und Chancen für die Frauen. (Beifall bei der SPÖ.)

Und – das ist sozusagen das Wichtigste, weil Frau sein allein noch kein Programm ist – wir haben ein Programm, wir haben ein Arbeitsprogramm. Das wird die Frauen in den nächsten vier Jahren ein gutes Stück weiter bringen. Ich werde daran arbeiten, das auch mitleben und für die Frauen spürbar machen. Ich freue mich auf eine gute Zusammenarbeit mit Ihnen allen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Bravoruf bei der SPÖ.)

20.09


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

 


20.09.34

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank und im Hohen Haus! Auf der Galerie ist jetzt niemand mehr da. Ich habe jetzt nicht die Rolle gewechselt zur Frauen- oder Gesundheitssprecherin der Grünen, aber diese Debatten sind so strukturiert, dass sich das nicht immer ausgeht. Ich möchte aber dennoch gerade zu dem, was ich von den letzten Ministerinnen, die gesprochen haben, gehört habe, doch sagen, dass ich mir, wenn ich mir das anhöre, wünsche, dass sie sich in dieser Regierung durchsetzen, denn wenn es nach ihnen geht, dann klingt das nach einigem, was ich hier gehört habe, doch nicht ganz so schlimm, wie wir es bisher gehört haben.

Ich hoffe, das bleibt nicht Wunschdenken, jetzt nicht im Interesse nur von mir als Grüner oder als Opposition, sondern im Interesse der Frauen in diesem Land, und zwar ganz egal, ob sie Kinder haben oder nicht, ob sie heterosexuell oder lesbisch sind, ob sie in einer Beziehung leben oder nicht, sondern für alle. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Das Thema der gleichgeschlechtlichen Partnerschaften ist ja zum Glück von der neuen Frau Justizministerin Berger angesprochen worden, denn im Regierungsprogramm selbst war davon null zu lesen, was vor allem den Versprechungen der SPÖ ja überhaupt nicht gerecht wurde, denn die haben im Wahlkampf ja alles versprochen, nicht nur die eingetragene Partnerschaft, sondern sogar die Ehe, Herr Bundeskanzler. Wir haben uns daran gewöhnt, dass Versprechen nicht eingehalten werden.

Und wenn Sie, Herr Bundeskanzler, heute Vormittag gesagt haben, bei der Reform des Eherechts, des Zivilrechts wird auch die Frage der diskriminierungsfreien rechtlichen


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 216

Ausgestaltung von gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften zu diskutieren sein, dann kann ich nur sagen: Diskutiert haben wir das in diesem Haus schon des Öfteren, und es gibt auch schon Vorschläge. Das Problem ist die Umsetzung, und daran hapert es noch sehr. Ich kann nur noch einmal wiederholen, was auch meine Kollegin und Nationalratspräsidentin Eva Glawischnig am Vormittag gesagt hat: Hier geht es auch um Freiheit. Und Frau Kollegin Fekter hat gemeint, es geht ja auch um Grundrechte und Freiheitsrechte, auch um jene der lesbischen und schwulen Paare und der Men­schen mit einer nicht heterosexuellen, sondern anderen sexuellen Orientierung. Auch da geht es um Freiheit und Freiheitsrechte. Also nehmen Sie das, was die Frau Justizministerin und andere hier gesagt haben, ernst und setzen Sie tatsächlich etwas um! Denn: Noch einmal vier Jahre warten, bis eine andere Regierung kommt und diesen Menschen in diesem Land endlich die Rechte gibt, das ist diesen Menschen nicht zuzumuten, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen.)

Und nun ein Themenwandel zum Bereich Europapolitik, Außenpolitik, Entwicklungs­zusammenarbeit. – Hier ist es mir so gegangen, dass ich zwar die schönen Worte und Europa als Chance und auch die Namensänderung des Ministeriums durchaus wohlwollend zur Kenntnis nehme, das Problem ist nur, wenn Sie die Inhalte nicht ändern oder nicht verstärkt eine europapolitische, eine auch außenpolitische Ausrich­tung, vielleicht auch eine friedenspolitisch orientierte hier zum Ausdruck kommt, dann nützen die Namensänderung und die schönen Worte nicht viel, Herr Bundeskanzler und Frau Ministerin.

Und besonders auf ein Thema möchte ich eingehen, wo ich schon den Eindruck habe, dass diese Regierung hier so etwas wie Realitätsverweigerung betreibt, nämlich auf die Frage der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Frau Ministerin, Sie haben heute gesagt, Ziel sei die maßgeschneiderte Zusammenarbeit mit der Türkei. Das mag das Ziel dieser Regierung sein, aber im europäischen Rahmen ist als Ziel immer noch der Beitritt vereinbart. Ich weiß nicht – Sie waren dabei, ich nicht –, aber ich glaube, das Ziel ist immer noch der Beitritt. Es ist unklar, ob das in zehn Jahren wirklich der Fall sein wird, aber man kann nicht über irgendetwas verhandeln, wo man nicht weiß, mit welchem Ziel man verhandelt.

Und dann noch etwas: Ich meine, wenn Sie feststellen wollen oder das auch mit Zwei­drittelmehrheit verankern wollen, dass es in zehn Jahren, in 15 Jahren eine Volks­abstimmung über diesen Türkeibeitritt geben wird, können Sie das machen, aber Sie werden in diesen zehn Jahren nicht mehr an der Regierung sein. Also insofern würde ich Sie sehr ersuchen, von solchen populistischen Versprechungen Abstand zu neh­men und lieber an dem zu arbeiten, was tatsächlich europapolitisch wichtig ist.

Obwohl meine Uhr schon leuchtet und mein Kollege sagt, ich muss aufhören, noch kurz zur Entwicklungspolitik, und zwar zu den Finanzen. – Da ist nichts drinnen! Wir wissen nicht, wie diese 200 Millionen € pro Jahr geschaffen werden sollen.

Und ein Letztes noch, etwas, was mich tatsächlich bestürzt hat: Sie wollen die Ent­wicklungszusammenarbeit mit den Herkunftsstaaten in der Form verknüpfen, dass diese Staaten die Rücknahmeabkommen von Flüchtlingen, von Migranten unterzeich­nen müssen. Frau Ministerin und Herr Bundeskanzler! Als ich das gelesen habe, dachte ich: Ist das tatsächlich Ihr Ernst? Wollen Sie den Schwerpunktländern der österreichischen Entwicklungsarbeit sagen: Ihr bekommt nur mehr Geld, wenn ihr gleichzeitig Rücknahmeabkommen unterschreibt!? Das schaue ich mir an, wenn Sie das machen! Das ist menschenverachtend, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen.)

20.15



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 217

Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Es hat sich nun Herr Abgeordneter Einem zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


20.15.11

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Frau Präsidentin! Mitglieder der Bundes­regie­rung! Frau Abgeordnete Lunacek hat vorhin behauptet, wir Sozialdemokraten hätten vor der Wahl in Sachen gleichgeschlechtliche Partnerschaft alles versprochen, aber nichts gehalten.

Ich berichtige tatsächlich: Wir haben vor der Wahl versprochen, dass wir uns für eine eingetragene Partnerschaft einsetzen, und das ist immer noch so. (Beifall bei der SPÖ.)

20.15


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Herr Abgeordneter, das war keine tat­sächliche Berichtigung, sondern ein Debattenbeitrag. (Abg. Brosz – in Richtung des Abg. Dr. Einem –: Gusenbauer gibt Nachhilfe in tatsächlichen Berichtigungen! Das können Sie vielleicht in Anspruch nehmen!)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Oberhauser. 4 Minuten frei­willige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


20.15.56

Abgeordnete Dr. Sabine Oberhauser (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Meine sehr verehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Österreich ist im Besitz eines der besten Gesundheitswesen, das jedoch in den letzten Jahren bereits leider kleine Haarrisse bekommen hat. Um diesen Prozess aufzuhalten, wird es einiger Anstrengungen bedürfen, einiger innovativer Ideen bedürfen, aber auch eines gemeinsamen Weges bedürfen. Und ich glaube, dass sich sozialdemokratische Handschrift vor allem auch im Gesundheitsprogramm deutlich abzeichnet. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir sind mit dem Ziel angetreten, Versorgungssicherheit für alle Menschen zu garan­tieren, nicht für wenige, sondern für alle. Auch das ist ein Ziel der Sozialdemokratie, das sie sowohl im Wahlkampf als auch in ihrem Regierungsprogramm immer bei­behalten hat. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

So ist es uns gelungen, dass wir erstmalig wieder weg vom System der Kranken­steuern gekommen sind, hin zu einem System der solidarischeren und gerechteren Finanzierung. Wir alle wissen, dass es vor allem ältere, chronisch kranke und multi­morbide PatientInnen sind, die unter den Rezeptgebühren – oder sollte man besser „Packerlgebühren“ sagen? – besonders zu leiden haben. Es ist ein wirklich revolutio­närer Schritt, dass es uns gelungen ist, eine zweiprozentige Deckelung auf das Monatseinkommen für genau diese Menschen im Bereich der Rezeptgebühren zu erreichen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich mache aber auch kein Geheimnis daraus, dass es der SPÖ lieber gewesen wäre, die Finanzierung des Gesundheitssystems auf eine breitere und sozial gerechtere Basis zu stellen. Doch das war leider wie einige andere Punkte mit der ÖVP auch nicht verhandelbar.

Nichtsdestotrotz bin ich der festen Überzeugung, dass wir uns für dieses Regierungs­programm nicht zu genieren brauchen, und ich möchte versuchen, Ihnen einige der Eckpunkte hier zu skizzieren:

Eine ausgeweitete Prävention auf inhaltlicher, struktureller und vor allem auch auf finanzieller Basis, festgeschrieben in einem Präventionsgesetz, soll es uns ermög­lichen, die Menschen auf den verschiedenen Ebenen ihres Lebens abzuholen. Und da


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 218

ist es vor allem im Bereich der Kinder und Jugendlichen so, dass wir darauf achten müssen, dass Suchtprävention nicht nur im Bereich von Nikotin, sondern auch von Alkohol und Drogen betrieben wird, dass wir diese jungen Menschen also davor bewahren, auf einen Weg zu kommen, der erstens einmal viel Geld kostet und sie zweitens einmal in ihrem weiteren Leben und ihrem weiteren Fortkommen deutlich behindern wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber auch die Umsetzung des NichtraucherInnenschutzes in Lokalen auf gesetzlicher Basis und die Durchsetzung strenger Regelungen werden durch diese Regierung erfolgen. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Der weitere Ausbau der integrierten Versorgung wird garantieren, dass die Prozesse im Gesundheitswesen so strukturiert werden, dass von der Vorsorge über die Diagnose zur Behandlung, Rehabilitation und Pflege in der richtigen Reihenfolge von den richtigen Menschen und vor allem auch mit der richtigen Qualität die Leistungen erbracht werden. Es sind vor allem die im Gesundheitswesen beschäftigten Menschen, die mit großem Ehrgeiz, mit einer hohen Ethik, einer hohen Moral und mit einem hohen Einsatz ihrer Arbeitskraft und auch ihrer Gesundheit dieses Gesundheitswesen tragen. Und genau diese Menschen sind in der letzten Zeit mit einer zunehmenden Zahl von Problemen konfrontiert. Das ist einerseits die steigende Dokumentation, eine aus­ufernde Bürokratie, die die Menschen an ihrer Arbeit an den Patienten und Patien­tinnen hindert. Da anzusetzen wird ein Teil unserer Regierungsarbeit sein.

Um im Gesundheitswesen auch die Ausbildung zu garantieren, wird es notwendig sein, in die Ausbildung der verschiedensten Gesundheitsberufe zu investieren. Und wir den­ken nicht daran, dass wir den Krankenpflegeberuf zu einem Lehrberuf machen, nein, wir wollen ihn auf internationales Niveau anheben und ihn dort hinbringen, wo es die Menschen, die darin arbeiten, auch verdienen. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch in die Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten wird einiges zu investieren sein. Und es wird vor allem, Herr Minister Bartenstein, auch die Arbeitszeit sein, die Ärztinnen und Ärzte in Spitälern leisten, die wir in der nächsten Zeit wieder einmal zu diskutieren haben, und wir haben bereits einige Erfahrung darin, wie wir damit umgehen. Ich denke, was wir den Patientinnen und Patienten schulden, das sind zumindest Ärztinnen und Ärzte, die ausgeruht sind und die nicht 70 oder mehr Stunden im Dienste der Patientinnen und Patienten arbeiten müssen.

Lassen Sie mich abschließend noch sagen: Mit der neuen Gesundheitsministerin Dr. Andrea Kdolsky verbindet mich ein langer gemeinsamer Weg, der geprägt ist von Gemeinsamkeiten, durchaus positiver Streitkultur, Kooperation, aber auch Freund­schaft über alle politischen und ideologischen Grenzen hinweg. Sachlichkeit und der Mensch im Mittelpunkt waren immer unser gemeinsamer Weg, und das soll auch die Zukunft prägen. Das Programm, das wir gemeinsam umzusetzen haben, ist ambitio­niert, aber ich bin voll Zuversicht, dass wir für die Menschen in Österreich vieles gemeinsam erreichen werden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

20.21


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch-Jenewein. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschrän­kung. – Bitte.

 


20.21.14

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Minister Kdolsky, Sie haben uns heute sehr viele Zahlen gesagt – wir wissen jetzt, wie viele Ärzte arbeiten, wir wissen, wie viele Apotheken wir haben, wie viel nichtärztliches Personal –, aber ich glaube, Sie


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 219

haben ganz wesentliche Zahlen vergessen, nämlich dass die Krankenversicherungs­beiträge um 0,15 Prozent für alle angehoben werden, und das trotz des Versprechens einerseits der ÖVP, es gibt gar keine Anhebung; die SPÖ wollte nur die Reichen besteuern. Jetzt sehen wir, was wir nach der Wahl haben: Alle Patienten werden zur Kasse gebeten.

Herr Bundeskanzler, weil Sie gesagt haben, das sei moderat, möchte ich Sie schon darauf hinweisen: Also für schlechter Verdienende sind 0,15 Prozent Erhöhung der Lohnnebenkosten schon ein großer Betrag! – Abgesehen davon haben Sie es in den 100 Tagen, in denen Sie hier verhandelt haben oder auch nicht verhandelt haben, nicht einmal geschafft, die genaue Aufteilung dieser Beiträge, was Dienstgeber-, was Dienstnehmeranteil ist, auszuverhandeln. Das delegieren Sie lieber an die Sozial­partner. Da haben Sie keine Lösung gefunden. Das ist eigentlich ein Skandal. Sie haben keine Lösung bei den Sozialhilfebeziehern gefunden.

Eine zweite wichtige Sache, eine zweite wichtige Zahl ist für mich die so genannte Deckelung der Selbstbehalte. Da habe ich jetzt schon ganz schön viel gehört, wie toll und wie großartig das ist, aber wie soll ich mir denn das als Patient vorstellen? Muss jetzt jeder Patient mit seinem Lohnzettel zum Arzt gehen und sagen: Herr Doktor, schauen Sie einmal, ich habe schon so viel bezahlt in dem Jahr, die 2 Prozent sind aufgebraucht!? – Also das ist eine bürokratische Hürde, ein bürokratischer Aufwand, der ja enorme Kosten verursachen wird. Das haben Sie sich offensichtlich nicht überlegt, wie Sie das hier gemacht haben.

Oder genauso bürokratischer Aufwand werden die niedrigeren Rezeptgebühren bei Generika sein. Frau Dr. Kdolsky, Sie wissen doch, dass die Ärzte Medikamente ver­schreiben, mit denen sie gute Erfahrungen gemacht haben. Sie können ja nicht von den Patienten verlangen, dass sie sagen: Herr Doktor, bitte, bitte, verschreiben Sie mir jetzt ein Generikum, denn dann zahle ich weniger Rezeptgebühr! – Sinnvoller wäre gewesen, Sie hätten die Mehrwertsteuer auf Medikamente gesenkt. Das wäre einmal etwas gewesen! (Beifall bei der FPÖ.)

Oder die viel gepriesenen Anreize zur Teilnahme an Vorsorgeprogrammen. Anreize, das sind schöne, löbliche Absichtserklärungen, allein sie sind ohne Substanz und ohne Gehalt, so frei nach dem Motto: wenn ich nicht weiterweiß ... – Das haben wir heute eh schon alles einmal gehört.

Meine Vorrednerin von der SPÖ hat gesagt, das Gesundheitssystem in Österreich habe in den letzten Jahren einige Haarrisse bekommen. – Ich sage Ihnen, das waren ganz massive Risse, nicht nur einige Haarrisse. Wir sind heute in einer Situation, dass wir eine Zwei-Klassen-Medizin haben. Sie sehen heute den Menschen ihren Sozial­status bereits am Lächeln an. Und da sehe ich in Ihrem Regierungsprogramm, in Ihrer Regierungserklärung überhaupt keinen Ansatz dafür, wie sich Patienten hinkünftig Zahnersatz leisten sollen. Stattdessen nehmen Sie viel lieber in Kauf, dass die Österreicher dann an die Grenze pilgern, und in Ungarn haben wir dann die großen Zahnkliniken, die sich dort etablieren. Das sind Zustände wie in den USA, die hier nach Österreich kommen.

Frau Dr. Kdolsky, lassen Sie mich noch einen Satz zu Ihrer Funktion als Familien­ministerin sagen: Viele Ihrer etwas zynischen Bemerkungen führe ich auf Ihr persön­liches Schicksal zurück, aber eines möchte ich Ihnen schon sagen: Die Einzigartigkeit der Ehe und der Familie sollte schon gewahrt bleiben. (Beifall bei der FPÖ.)

Und wenn Sie als Familienministerin in einem Interview heute noch bekräftigen, dass Sie Kinder in einem Nobelrestaurant stören, dann halte ich das schon für eine glatte Fehlbesetzung, dass Sie dieses Amt übernommen haben. Wenn Sie Charakter haben, würden Sie jetzt Ihr Amt zurücklegen. (Beifall bei der FPÖ.)


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Aber vielleicht schaffen Sie es mit dem Herrn Darabos, vielleicht könnten Sie eine interne Rochade machen. Ich weiß nicht, er hat, glaube ich, kein Problem mit Kindern, vielleicht haben Sie kein Problem mit der Waffe. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

20.25


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Jakob Auer. 4 Minuten Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


20.25.20

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man seit 1983 jede Regierungserklärung mitverfolgt, mitdiskutiert, miterlebt hat, dann stellt man fest, es hat sich nichts geändert. Die Regierung legt ein Programm vor, formuliert Ziele, und der Opposition fällt außer Kritik nichts ein. (Abg. Dr. Graf: Du hast dich auch nicht geändert!)

Meine Damen und Herren von der Opposition! Sie haben heute zwar schwach begon­nen, dafür aber umso stärker nachgelassen. Das muss ich Ihnen ins Stammbuch schreiben. (Beifall bei der ÖVP.)

Denn wenn schon derartige Kritik geübt wird, dann sollten Sie zumindest wissen, dass das Ergebnis, wie Österreich heute dasteht, nicht etwas ist, was diese neue Regierung zu verantworten hat, sondern die bisherigen Regierungen. Und diese bisherigen Regierungen haben durchaus positiv gearbeitet. (Abg. Ing. Westenthaler: So ist es! – Beifall bei ÖVP und BZÖ.) Nehmen Sie das zur Kenntnis, meine Damen und Herren! Das gilt auch für jene, die sich heute besonders freuen, auf der Regierungsbank sitzen zu dürfen.

Meine Damen und Herren! Ich habe hier ein nettes Heft, „Diskurs“. Das hat uns der durchaus bewährte, durchaus hervorragende Bankdirektor der BAWAG Nowotny in diesen Tagen zugestellt: „Reiches Österreich“, lese ich hier. Dem kann man durchaus auch entnehmen, dass die Sparquote der Privaten in Österreich besser war als jene in Amerika, besser war als jene in vielen Ländern Europas. Also offensichtlich, meine Damen und Herren, gilt das nicht nur für die Opposition. Die beste Investition für viele Redner in diesem Haus wäre durchaus, in den nächsten Monaten einmal quer durch Europa zu reisen. Dann würden sie geläutert nach Hause, nach Österreich zurück­kehren und wissen, wie positiv dieses Land dasteht. (Beifall bei ÖVP und BZÖ.)

Meine Damen und Herren! Drei Punkte: Budgetpolitik. Ich freue mich, dass klargestellt wurde, dass Österreich hinsichtlich Budget, in den Kennziffern, in den Exportziffern und so weiter positiv dasteht. Vergleichen wir ganz in Ruhe unser Land, unsere Ziffern mit jenen der Mitbewerber in Europa. Vergleichen wir dieses Land, meine Damen und Herren! Und eines darf auch festgehalten werden: Die Budgetergebnisse waren zumin­dest immer besser als prognostiziert, als veranschlagt, das sei einmal klar festge­halten. Ich freue mich daher auf die positive Zusammenarbeit mit dem neuen Staats­sekretär Matznetter. Ich bin sicher, er wird in Hinkunft, wenn er die andere Seite zu beleuchten hat, durchaus auch in dieser kämpferischen Art und Weise wie bisher die neuen Ziffern und Fakten verteidigen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Das glaube ich nicht!)

Der zweite Punkt: Finanzausgleich. Ich bin ganz begeistert ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Graf.) Ich bin ganz begeistert, dass Kollege Gaßner, den ich als Bürgermeister von Schwertberg in Oberösterreich sehr schätze, jetzt als Mitkämpfer hier auftreten wird, wie er heute dargelegt hat. Lieber Kurt Gaßner, du bist jetzt nicht hier, aber wenn 50 Prozent von dem umgesetzt werden können, was du in den letzten Jahren gefordert


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hast, dann werden wir durchaus sehr positiv in den Gemeinden bewertet werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Finanzausgleich noch einen Satz, bevor ich zum dritten Punkt komme: Hier wird es sicher spannend werden, denn sehr oft haben Regierungen, der Bund Vorhaben so umgesetzt: abgegeben an die Bundesländer, die Bundesländer haben es noch schneller an die Gemeinden weitergegeben. Nur in der Aufgabenstellung, bei der Mitgabe der Finanzmittel war man durchaus manches Mal etwas zurückhaltender. Das sei festgehalten.

Und der dritte Punkt: Es sei positiv erwähnt, dass ein klares Bekenntnis zur Stärkung des ländlichen Raumes abgegeben wurde, zu den neuen und vielfältigen Facetten der ländlichen Entwicklung, der Gentechnikfreiheit, zur Wahrnehmung der Chancen des ländlichen Bereiches. (Beifall bei der ÖVP.)

Es sei nur eine Zahl gesagt: Über 500 000 Beschäftigte gibt es in diesem ländlichen Raum. Wir alle werden hier zusammenarbeiten. Meine Damen und Herren, ich bin sicher, es werden spannende vier Jahre, es werden herausfordernde vier Jahre, es wird durchaus ambitionierte Programme, Umsetzungen geben. Dazu sei auch die Opposition herzlich eingeladen! (Beifall bei der ÖVP.)

20.29


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Haubner zu Wort. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


20.30.08

Abgeordnete Ursula Haubner (BZÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundes­kanzler! Sehr geehrte Damen und Herren Mitglieder der Regierung! Ich möchte ein paar Gedanken zur Frauenpolitik und zur Familienpolitik dieser neuen Regierung äußern. Ich habe heute ein Interview der neuen Frauenministerin in der „Presse“ gele­sen, in dem sie gefragt wird, was denn ihr großes Ziel sei. Sie sagt, die Politik soll weder den Frauen noch den Familien vorschreiben, wie sie leben sollen. (Abg. Heinisch-Hosek: Genau!) Es geht um Rahmenbedingungen, damit jede Frau so leben kann, wie sie möchte. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ. Abg. Mag. Wurm: Genau!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn das der Kurswechsel ist, von dem die Frauenministerin gesprochen hat (Abg. Heinisch-Hosek: Dann kann es nur besser werden!), dann ist das ein Kurswechsel, der vor sieben Jahren schon begonnen hat und den ich absolut unterstreichen kann. (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP. Abg. Heinisch-Hosek: Das war keine Wahlfreiheit!)

Ein Wechsel, dass Frauen entscheiden können, ob sie berufstätig sind, ob sie beides vereinbaren oder ob sie zu Hause sind – genau das haben wir vor sieben Jahren bei Verbesserungen für die Frauen im Bereich des Pensionssystems, im Bereich der Bewertung der Kindererziehungszeiten, im Bereich der Mindestpensionen und Ähn­lichem begonnen (Abg. Heinisch-Hosek: Wir mussten nachbessern!), und ich freue mich wirklich sehr, dass die neue Frauenministerin diesen Weg auch weitergeht, denn es ist ein richtiger und guter Weg. (Beifall beim BZÖ.)

Probleme oder Sorge habe ich ein bisschen, wenn ich mir die Aufgaben im Frauen­ministerium ansehe – auch die budgetären Maßnahmen. Ich befürchte, dass das Frauenministerium leider nur ein Symbolministerium sein wird, denn was mir fehlt – ich habe es schon einmal erwähnt –, ist der fortschrittliche und zukunftsträchtige Ansatz, aus einem Frauenministerium von vornherein ein Gleichstellungsministerium zu machen und auch die Agenden der Männer mit einzubinden, denn wir können nur in


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einem Miteinander von Frauen und Männern gerade auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie besser umsetzen.

Es darf nämlich nicht sein, dass es wieder zu einem Rückschritt kommt und dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wieder ausschließlich den Frauen zugeordnet wird.

Ein paar Gedanken zur Familie: Im Regierungsprogramm steht – gerade in der Ein­leitung – nur ein einziger Satz über die Familien, und das ist meiner Meinung nach ein sehr mageres Bekenntnis, wenn wir uns die anderen Kapitel ansehen, wo gerade sehr viel – manchmal sehr Lyrisches – über den Bereich geschrieben wird.

Ich denke, es muss nach wie vor unbestritten sein, dass die Familie eine tragende Säule der Solidarität zwischen den Generationen ist. Ich freue mich, dass das Kinder­betreuungsgeld jetzt unumstritten ist, dass es auch nicht zu einem einkommens­ab­hängigen Kinderbetreuungsgeld umfunktioniert wurde, sondern dass es eine Fami­lienleistung geblieben ist.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, echte Flexibilisierung schaut wirklich anders aus. Die Zuverdienstgrenze nur minimal zu erhöhen und dadurch die Verwal­tung weiter kompliziert und teuer zu machen und zwei Optionsmodelle zu geben, wobei das eine mit den 18 Monaten auch weniger Geld – nämlich 1 500 € – für die Familien bedeutet, das ist Vorspiegelung falscher Tatsachen und keine Flexibilisierung, die es verdient, hier so genannt zu werden.

Was ich auch vermisse – denn ich habe die Diskussionen hier im Hohen Haus gerade von Seiten der sozialdemokratischen Fraktion noch sehr gut in Erinnerung –, ist der Vätermonat.

Ich habe immer gesagt, es soll einen freiwilligen Vätermonat gleich nach der Geburt geben. Jetzt ist weit und breit von einem Vätermonat nicht mehr die Rede. (Abg. Heinisch-Hosek: Haben Sie ihn durchgesetzt? – Nein!)

Dieses Programm enthält außerdem keinerlei Ansage an eine familiengerechte Arbeitswelt: Welche Anreize können geschaffen werden?

Es heißt dann auch ganz lapidar, es sollen mehr Kinderbetreuungsplätze geschaffen werden. Wie wollen Sie sie schaffen? Mit welchen Mitteln? Da besteht, so denke ich, noch Aufklärungsbedarf.

Lassen Sie mich zum Schluss auch ganz kurz feststellen, dass ich es sehr begrüße, wenn Familien in ihrer Vielfalt von allen als sehr wertvoll angesehen werden und dass vor allem das Kindeswohl im Mittelpunkt zu stehen hat. Wir werden gerade im neuen Familienrecht, das angekündigt wurde, sehr genau beobachten, wo Handlungsbedarf besteht und wo auch wir unsere Anregungen einbringen können.

Zu Ihnen, sehr geehrte Frau Familienministerin: Ob Sie jetzt selbst Kinder haben oder nicht – ich glaube, das ist zweitrangig: Ich erwarte mir von einer Familienministerin grundsätzlich eine positive Einstellung zu Kindern, denn Kinder sind unsere Zukunft. Es geht nicht darum, Kinderlose gegen Kinderreiche auszuspielen, sondern es geht darum, dass jene, die Kinder haben, jene, die Ältere pflegen, die wichtige gesell­schaftspolitische Leistungen erbringen, besonders unterstützt und gefördert werden. (Beifall beim BZÖ.)

Dieser familienpolitische Weg ist vor sieben Jahren so eingeschlagen worden, und ich hoffe, dass Sie diesen Weg auch nicht verlassen. – Danke schön. (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.36



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 223

Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Dr. Schmied. – Bitte.

 


20.36.19

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Dr. Claudia Schmied: Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Heute stehe ich vor Ihnen, um meine erste Erklärung zu meinem Aufgabengebiet Bildung und Kultur abzugeben. Ich habe die Stärke, von der Bedeutung und dem Stellenwert von Bildung und Kultur für unser Land absolut überzeugt zu sein.

Bildung, ergänzt um Aus- und Weiterbildung, ist der Schlüssel zu den Aufgaben, die uns hier in Europa am Beginn eines neuen Jahrhunderts gestellt werden. Nur über die Ergebnisse von Bildungsprozessen und den Stellenwert, den Bildung vor allem im Denken der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes einnimmt, werden wir im Feld der weltweiten Konkurrenz der Leistungen erfolgreich sein können. Es ist auch und gerade die Aufgabe der Politik, diesen Stellenwert der Bildung deutlich zu machen und immer wieder an konkreten Beispielen sichtbar zu machen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Bildungsprozesse sind oft lange, kostspielige, manchmal auch mühsame Wege. An dieser Aufgabe des Lernens arbeiten Millionen von Menschen in diesem Land – jeden Tag und oft mit totalem Einsatz und großen Opfern. An sie – unsere Kinder, die Schülerinnen und Schüler, die Lehrerinnen und Lehrer, die SchulleiterInnen, ihre Standesvertretungen, an die Eltern, alleinerziehenden Mütter, auch an die Großeltern, an sie alle – denke ich in diesen ersten Tagen, am Beginn meiner Tätigkeit als Bil­dungs­ministerin. Ihnen gilt meine Aufmerksamkeit und Achtung.

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich verspreche Ihnen – vor allem den Eltern –, dass ich mein ganzes Engagement aufbieten werde, mich in Ihre Lage hineinzu­versetzen, zuzuhören, die Anliegen zu begreifen und zu handeln, so gut ich es vermag. Ohne beseelte Zusammenarbeit aller Beteiligten kann es kein gelungenes Bildungs­system geben, kann kein neuer Kurs in der Bildungspolitik entstehen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Im Mittelpunkt muss dabei der einzelne Mensch und vor allem die Freude am Lernen stehen. Investitionen in die Bildung sind teuer, aber es führt kein Weg daran vorbei. Noch viel teurer wäre es für unser Land, hier keinen Investitionsschwerpunkt zu setzen. Dieser Gedanke wird mich auch bei den Verhandlungen zu meinem Ressort­budget leiten, und ich bin mir ganz sicher, dass ich in meinen Gesprächen mit dem Herrn Finanzminister auch die Unterstützung des Herrn Bundeskanzlers und des Herrn Vizekanzlers finden werde. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Verknüpfung von Bildung mit Kunst und Kultur in einem künftigen Ministerium wird dazu beitragen, unser Blickfeld zu erweitern. Zu den für mich schrecklichen Vor­stellungen zählt jene einer Gesellschaft oder eines Staates ohne Kultur. Es wäre wohl ein Ort der Grobheit und der Unmenschlichkeit. Ich aber will ein Land der Fairness und Gerechtigkeit.

Eines der Hauptanliegen der Kultur ist das, was wir Kunst nennen: Kunst – ein Grund­nahrungsmittel für Geist und Seele. Sie dient uns als Trost, als Anregung, als Anstoß, als Reibebaum, als Ermutigung, oft auch als Schule des Widerspruchs.

Die Kunst kann heilen. Die Kunst kann irritieren. Die Politik muss dem großen kulturel­len Erbe dieses Landes verpflichtet sein und es lebendig erhalten. Selbstverständlich und ganz wichtig ist es, dass vor allem den Kunstschaffenden unsere große Aufmerk­samkeit gilt. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 224

Die österreichische Politik muss den Künstlerinnen und Künstlern verpflichtet sein. Die Künstlerinnen und Künstler sind in meiner Vorstellung nichts und niemandem verpflich­tet außer hoher und höchster Qualität. Ich werde mich von Herzen bemühen, diese meine Einstellung als Ministerin für Kultur in Taten umzusetzen.

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! All jene, die mich näher kennen, wissen, dass mein Herz für Bildung und Kultur schlägt. Sie finden in mir eine begeisterungsfähige Partnerin und – wenn nötig – eine harte Kämpferin. Hier im Hohen Haus erwarte ich intensive politische Debatten. Ich fordere Respekt im politischen Umgang miteinan­der. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP und der Grünen.)

20.41


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als vorläufig Letzter von der Regie­rungsbank aus ist nun Herr Abgeordneter Dr. Hahn zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister. – Entschuldigung, jetzt habe ich „Abgeordneter“ gesagt. – Herr Minister, bitte.

 


20.41.59

Bundesminister ohne Portefeuille Dr. Johannes Hahn: Diesen Vorzug hatte ich in diesem Haus nicht; es war ein anderes. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen auf der Regierungsbank! Ich darf Sie zunächst auch ganz herzlich begrüßen. Ich freue mich wirklich, hier unter Ihnen sein zu dürfen, und weiß und bin auch überzeugt, es wird nicht das letzte Mal gewesen sein.

Wissenschaft und Forschung sind Schlüsselaufgaben für eine moderne Gesellschaft und für einen modernen Staat. Wir leben in einer Wissensgesellschaft, und ich bin auch sehr froh und glücklich über die kluge und weise Entscheidung, dass diesem Umstand auch insofern Rechnung getragen wurde, als nunmehr wieder ein eigenes Ressort für Wissenschaft und Forschung eingerichtet wird. – Das wird ja in Bälde passieren.

In diesem Zusammenhang habe ich – während meine Kollegin Schmied schon erste Budgetwünsche hatte – noch Hoffnungen beziehungsweise Wünsche in Bezug auf die eine oder andere kleine Kompetenz-Arrondierungsüberlegung. Ich hoffe, dass dem Rechnung getragen werden kann und dass gerade in der Wissenschaft und Forschung die Ratio zum Durchbruch kommt und nicht kleinliche Schrebergartenüberlegungen im Vordergrund stehen.

Meine Damen und Herren! Gemeinsam mit der wissenschaftlichen Gemeinschaft, zusammen mit allen, die an der Gestaltung der österreichischen Forschungslandschaft mitwirken, will ich dafür arbeiten, dass in Österreich immer vorhanden ist, was für eine gute Zukunft unseres Landes von Bedeutung ist: die Förderung heller Köpfe, Kreati­vität, Neugier, Forschungsdrang, Experimentierfreudigkeit, Mut, neue Wege zu be­schreiten, ohne die Wege der Vergangenheit in Vergessenheit geraten zu lassen, und schließlich moderne Arbeitsbedingungen und jene Mittel, die für eine erfolgreiche Arbeit Voraussetzung sind.

Meine Damen und Herren! Es hat uns während des heutigen, schon länger dauernden Tages hier im Haus wiederholt die Diskussion um Studienbeiträge begleitet – „verfolgt“ wäre der falsche Begriff, würde ich meinen. Um hier auch gleich von vornherein eine Klarstellung zu treffen: Ich bekenne mich aus ganzem Herzen zu Studienbeiträgen, weil sie national wirksam und sinnvoll und international notwendig sind. Daran führt kein Weg vorbei. (Beifall bei der ÖVP. Abg. Dr. Graf: Da Sie nie welche gezahlt haben ...!)

Das haben auch die Debattenbeiträge – auch von der Opposition – und die Anträge gezeigt. – Ich weiß als langjähriger Oppositionspolitiker, wovon ich spreche. Es ist das


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 225

Vorrecht der Opposition, Vorschläge und Anregungen zu machen, die durchaus inter­essant klingen, wenn es um die Weiterentwicklung, um die Ausdifferenzierung eines Systems geht, aber es ist die Aufgabe der Regierung, diese Ideen auf ihre Machbarkeit hin zu überprüfen. (Abg. Sburny: Für so engstirnig habe ich Sie gar nicht gehalten! Abg. Öllinger: Das war das System des aufgeklärten Absolutismus!)

In diesem Sinne kann ich erst jetzt Klubobmann Cap antworten, der mich gefragt hat, ob ich demnächst Universitäten besuchen werde. Ich kann ihm versichern, ich werde nicht einige, sondern alle Universitäten besuchen, und im Gegensatz zu ihm mache ich mir keine Sorgen, wenn ich zu Universitäten fahre. – Möglicherweise hat er gegen­wärtig Schwierigkeiten oder hätte Schwierigkeiten, wenn er an Veranstaltungen an Universitäten teilnimmt und dergleichen. (Beifall bei der ÖVP.)

Es geht aber darum – und das ist ganz notwendig und ich bin dankbar, dass das in der Regierungsvereinbarung auch so dargelegt wurde –, bestehende Systeme auch weiter­zuentwickeln.

So schließe ich mich durchaus den Wünschen meiner Kollegin Dr. Schmied an, was etwa in meinem Bereich die Frage der budgetären Aufstockung von Stipendien anbe­langt. Ich denke, das ist die zentralste und prioritärste Maßnahme in diesem Kontext. Es wäre schön, wenn es gelänge, von den jetzt 175 Millionen vielleicht in Bälde auf 200 Millionen € zu kommen. Da könnten wir, glaube ich, einiges sehr Sinnvolles bewirken. (Beifall bei der ÖVP.)

Es wird auch notwendig sein, das bis dato offenkundig noch nicht so bekannte Kredit­modell zur Finanzierung von Studienbeiträgen weiterzuentwickeln. (Abg. Öllinger: Warum wohl?) Ich werde auch mit dem Kreditapparat Gespräche führen (Abg. Öllinger: Das glaube ich!), vielleicht auch in Anregung des australischen Modells, wo es ja Überlegungen und Möglichkeiten gibt, mit der Rückzahlung zu einem späteren Zeitpunkt zu beginnen, denn bekanntlich ist nicht jedes erste Gehalt dazu angetan, schon Kredite zu bedienen. Auch da sind mögliche und notwendige Weiterentwick­lungen sinnvoll.

Schlussendlich ist es eine interessante, eine anregende Idee, und ich darf Ihnen versichern, schon diese Woche wird unter Federführung meines Hauses die interminis­terielle Arbeitsgruppe eingerichtet, die ein Konzept entwickeln soll, inwieweit Freiwilli­gen­arbeit auch zur Anrechnung beziehungsweise zur Refundierung von Studienbei­trägen führen kann. (Abg. Öllinger: Welche Ministerien?) – Das kann ich Ihnen sagen: das Sozialministerium, das Jugendministerium, das Bildungsministerium, das Finanz­minis­terium. (Abg. Öllinger: Was haben die damit zu tun?) – Wenn ich gesagt habe, unter Federführung meines Hauses, würde ich meinen, dass das implizit das Wissen­schaftsministerium mit einschließt, aber ich wiederhole es gerne: logischerweise auch das Wissenschaftsministerium.

Ich denke, wir werden den Fokus auf die Bildungsarbeit im weitesten Sinne legen. Selbstverständlich ist niemand, auch nicht der Bundeskanzler, davon abgehalten, sozusagen im Rahmen seiner persönlichen Freiwilligenarbeit Nachhilfe zu erteilen, aber ich denke, das kann nicht der eigentliche Fokus der Überlegungen sein.

Meine Damen und Herren! Um bei den Mitteln auch weiter konkret zu bleiben: Die 400 Millionen € für Wachstum und Beschäftigung werden in breiten Bereichen vor allem auch der Forschung und Entwicklung dienen, sei es für die Förderung junger Wissenschafterinnen und Wissenschafter, sei es für die Erhöhung der Mittel des FWF.

Das sind Investitionen in die Zukunft des Forschungsstandortes, und Investitionen in die Zukunft des Forschungsstandortes sind auch Investitionen in Arbeitsplätze. Hier schließt sich der Kreis in wunderbarer Weise.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 226

Österreich hat in den letzten Jahren einen international beachteten Aufholprozess im Bereich der Wissenschaft und Forschung nicht nur erlebt, sondern ihn sich auch erarbeitet. Wir zählen heute zu den besten Ländern Europas. Gegenwärtig sind wir mit unserer Forschungsquote an fünfter Stelle, und wir bemühen uns gemeinsam, dieses Ranking noch weiter zu verbessern. Es ist das erklärte Ziel, bis 2010 die Forschungs­quote von gegenwärtig 2,43 Prozent auf etwa 3 Prozent anzuheben.

Eine wesentliche Zielsetzung oder Priorität meines Ministeriums wird die weitere Inter­nationalisierung und die Unterstützung aller damit zusammenhängenden Initiativen sein. Ich freue mich jedenfalls schon heute ganz intensiv auf die Zusammenarbeit mit allen, die im Wissenschafts- und Forschungsbereich unsere Zukunft mitgestalten – mit den Professorinnen und Professoren an den Universitäten und Fachhochschulen, dem Mittelbau, den Studierenden und den Forscherinnen und Forschern in unserem Land.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich verstehe mein Ministerium als ein Dialog­ministerium. Gemeinsam werden wir die Zukunft gestalten und nicht nur den Status quo verwalten. Es gibt eine ganze Menge von Dingen, die weiterzuentwickeln, die zu evaluieren sind. Man soll gerade in unserem Bereich nie ruhen, denn wer hier rastet, der rostet. So gesehen kann uns um unsere Arbeit nicht bange sein. Ich freue mich auf den Diskurs – ich habe ihn ja zum Teil heute schon erlebt und mitverfolgen können –, auf die Debatte.

Ich darf Ihnen, insbesondere den Damen und Herren Abgeordneten, die in meinem Bereich tätig sind, ankündigen, dass ich für Kritik und Anregungen offen bin. Wis­sen­schaft und Forschung sollen an ethischen Maßstäben orientiert, aber vorurteilsfrei agieren.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und uns allen eine gute Zusammenarbeit, fröh­liches Schaffen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

20.51


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Rossmann zu Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

 


20.51.22

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (Grüne): Frau Präsidentin! Liebe Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Das, was uns jetzt in den letzten Stunden mit den schillerndsten Aussichten präsentiert wurde, bildet sich ja bekanntlich auch im Budget ab. Und den Budgetpfad bis 2010, den kennen wir ja, und der verheißt nicht wirklich Gutes, denn er setzt nahtlos den Spar- und Belastungskurs der schwarz-blau-orangen Regierung fort.

Die Parallelen zum Regierungs- und Budgetprogramm 2003 sind in der Tat verblüf­fend: Am Anfang steht ein Sparkurs zur Erreichung eines Nulldefizits, und am Ende wird eine Steuerreform in Aussicht gestellt, von der niemand wirklich weiß, was sie bringen wird. Vage Floskeln werden angedeutet: Entlastung des Faktors Arbeit, spür­bare Senkung für die Steuerzahler und für die Wirtschaft. – Aber wer weiß, ob die alle wirklich letztlich von dieser Steuerreform profitieren werden? Was, wenn die Sparziele nicht erreicht werden? Wie wird diese Steuersenkung in das konjunkturpolitische Geschehen hineinpassen?

Und zur Frage der Lohnnebenkostensenkung, na ja, da frage ich mich allen Ernstes: Wie lange werden wir jetzt noch auf eine Lohnnebenkostensenkung warten müssen? Ich kann mich noch gut erinnern: Da wurde zu Edlingers Zeiten eine Steuerreform­kommission eingesetzt, und da wurden brauchbare Vorschläge zur Senkung der Lohn­nebenkosten gemacht; übrigens auch brauchbare Vorschläge zur Erbschaftssteuer und deren Reform – die jetzt im Regierungsprogramm überhaupt keine Erwähnung


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 227

findet. Auch die Grünen haben längst Vorschläge eingebracht, wie man die Lohn­nebenkosten senken kann. Also wozu warten? Rasche Umsetzung wäre doch gefragt, nicht Zuwarten! – Dieser budgetpolitische Sparkurs mit anschließender Steuersenkung orientiert sich in erster Linie am Wahlzyklus, und nicht an den vielen Versäumnissen der letzten Jahre – in der Bildungspolitik, in der Wissenschaftspolitik, in der Umwelt- und Klimaschutzpolitik, in der Steuerpolitik, Beschäftigungspolitik und der Frauenpolitik. (Beifall bei den Grünen.)

Und am Ende der Legislaturperiode werden Sie mit Ihrem Regierungsprogramm ein schweres Erbe für die nächste Regierung hinterlassen, denn rechnen wir einmal nach: Im Budgetpfad auf Seite 167 ist ein Budgetüberschuss von 0,38 Prozent des BIP angepeilt. Nehmen wir an, die Steuersenkung macht ein Prozent des Bruttoinlands­produktes aus. Was ergibt sich denn dann rein rechnerisch? – Ein Budgetdefizit natür­lich, was sonst!

Und die Einsparungen, von denen in diesem Budgetpfad die Rede ist – die Steuer­erhöhungen finden gar nicht erst Platz in diesem Budgetpfad –, sind in all den Jahren bis 2010 höher, und zwar deutlich höher als die zusätzlichen Ausgaben für Bildung, Forschung und Entwicklung und soziale Sicherheit. Daher stehen nur magere 200 Millionen € für die Bildung zur Verfügung.

Und glauben Sie, Frau Bundesministerin, allen Ernstes, dass Sie damit die Bildungs­misere beheben und einen Baustein zu einer Wachstumspolitik von morgen werden leisten können? Nein, im Gegenteil, die Misere wird sich noch verschärfen – es sei denn, es ist so, wie Sie es angekündigt haben: Sie setzen sich mit Ihrer Kampfesfreude in den Budgetverhandlungen durch. Na, das schauen wir uns einmal an, wie das zustande kommen wird.

Und wie werden die zusätzlichen Projekte des Regierungsprogrammes umgesetzt werden, wenn Mehrausgaben durch einen Finanzierungsvorbehalt gleichsam ausge­schlossen sind? Das heißt, kein zusätzliches Geld – vom Klimaschutz bis hin zur Kulturpolitik.

Und ein letztes Wort noch zur Vollbeschäftigung: Heute wurde uns mehrfach, und insbesondere vom Herrn Vizekanzler, versichert, dass mit diesem Programm, das uns hier vorgelegt wird, die Vollbeschäftigung erreicht wird. – Ausgerechnet vom Herrn Vizekanzler, der es in den letzten Jahren nicht verstanden hat, mit seiner Politik einen substantiellen Beitrag zur Senkung der Arbeitslosenquote zu leisten! (Abg. Großruck: Na, na, na! – Ruf bei der ÖVP: Das ist aber ein Irrtum!)

Und ich gehe davon aus, dass der Herr Vizekanzler das Budgetprogramm, den Budgetpfad auf Seite 167 nicht gelesen hat, denn da steht klipp und klar am Ende, dass, nachdem alle Maßnahmen des Regierungsprogrammes gegriffen haben, eine Arbeitslosenquote von 3,9 Prozent – statt 5 Prozent ohne Maßnahmen – erreicht wird. – Und das soll Vollbeschäftigung sein? – Das ist nicht Vollbeschäftigung! Da würde sich sogar Milton Friedman im Grab umdrehen, denn nicht einmal er, würde ich sagen, hätte mit „Vollbeschäftigung“ eine derart hohe natürliche Arbeitslosenquote verbunden.

Zusammenfassend: Wer Sparpolitik sät, der kann nicht Vollbeschäftigung ernten und eine ausreichende Bekämpfung der Armut erwarten. (Beifall bei den Grünen.)

20.56


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Broukal. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 228

20.56.56

Abgeordneter Josef Broukal (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! (Abg. Öllinger: Jetzt wollen wir was hören!) – Was sagst du? (Abg. Öllinger: Jetzt wollen wir was hören! – Ruf bei den Grünen: Studiengebühren!)

Studiengebühren. Ja, da habe ich ein Zitat – 8. Jänner 2007, „Der Standard“, Interview mit dem grünen Abgeordneten Karl Öllinger –:

Frage: Hand aufs Herz, hätten Sie seinerzeit bei Ihren Regierungsverhandlungen die Koalition an den Studiengebühren scheitern lassen? – Antwort Öllinger: Ich glaube nicht, denn es gibt auch viele andere Probleme an den Universitäten. (Oh-Rufe bei der ÖVP.)

Lieber Karl, genauso ist es wörtlich! Und wenn du es abstreitest, dann mach eine tatsächliche Berichtigung, und ich gebe dir eine Erwiderung darauf! – Diesen Satz habe ich nämlich auswendig gelernt, weil ich gewusst habe, dass du den Fehler machen würdest, in diesen Fettnapf zu treten. Herzlich willkommen darin!

Ich habe dir übrigens eine SMS geschickt, in der ich mich für diese offene Stellung­nahme bedankt habe. Du hättest gewarnt sein können, lieber Karl! Aber du bist ja in guter Gesellschaft: Dein Parteiobmann hat vor ein paar Jahren gesagt: Studien­gebühren abschaffen? Jetzt, wo sich die Universitäten schon so daran gewöhnt haben? Man kann doch nicht alle paar Jahre das oder jenes tun! (Abg. Dr. Van der Bellen: Das war die Universitätsreform!) – Ich lasse mich gerne häkeln, nur: Von euch in dieser Frage lasse ich mich nicht häkeln! Das sage ich euch ganz ehrlich. Dazu seid ihr mir da auch zu wankelmütig. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ja, Herr Professor, gehen Sie in sich (Heiterkeit bei der SPÖ) und fragen Sie sich, wo Sie im Herzen in der Studiengebührenfrage wirklich stehen!

Wo stehen wir in der Studiengebührenfrage? – Der Vergleich zu 2002 macht uns ja ziemlich sicher: Haben Sie das damals erreicht, die wesentliche Erhöhung der Stipen­dien, 25 Millionen € mehr für Stipendien? Haben Sie das damals erreicht (Abg. Dr. Van der Bellen: Sind wir vielleicht in der Regierung gewesen?), dass es zinsenlose Kredite für die Studienbeiträge gibt, die man nur zurückzahlen muss, wenn das Einkommen stimmt? Haben Sie das damals erreicht? Haben Sie damals die Idee gehabt und der ÖVP in den Verhandlungen vorgeschlagen, dass es vielleicht auch eine Möglichkeit sein könnte, dass junge Leute sich mit ein paar Stunden Nachhilfe die Studienge­bühren ersparen könnten? Oder, um etwas Naheliegenderes zu sagen, dass es vielleicht an den Universitäten, so wie das in den USA möglich ist, die Möglichkeit gibt, dass ärmere Studenten dort Arbeit finden – als Tutoren, in der Bibliothek oder wo immer – und sich auf diese Art und Weise Studiengebühren, die sie nicht zahlen können oder nicht zahlen wollen, verdienen können?

Nein, von dem findet sich alles nichts in den Annalen Ihrer Verhandlungen mit der ÖVP! (Abg. Dr. Van der Bellen: Sie waren dabei?) Und deswegen lasse ich mir von Ihnen in dieser Sache überhaupt nichts sagen – außer dass Sie nicht zustande gebracht haben, was wir diesmal zustande gebracht haben: eine Koalition mit der ÖVP doch zu bilden! (Abg. Dr. Van der Bellen: Das ist gut!) – Sie gehen immer nach dem Motto vor: Alles oder nichts!, und deswegen sitzen Sie nach 20 Jahren immer noch in der Opposition – im Gegensatz zu allen anderen Parteien dieses Hauses, die zumin­dest ab und zu hier schon an der Regierung waren. (Beifall bei der SPÖ. – Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP.)

Viel Glück, Herr Professor! Wir werden Sie in ein paar Jahren auch noch als Oppo­sitionschef in die Pension verabschieden!


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Wir aber haben einiges erreicht (Abg. Öllinger: Was denn?), und davon sprechen Sie ja nicht. Zum Beispiel – falls es Ihnen nicht aufgefallen ist, Herr Öllinger – 1 000 For­schungsarbeitsplätze an den Universitäten. (Abg. Dr. Van der Bellen: Nach Maßgabe budgetärer Möglichkeiten! – Das Kleingedruckte haben Sie nicht gelesen!)

Herr Kollege – Herr Klubobmann, Verzeihung! –, dann kennen Sie das Kapitel über den FWF und seine Finanzierung noch nicht! (Abg. Dr. Van der Bellen: Oh ja! Aber Sie haben es nicht gelesen!) Aber Sie werden dann im April die Möglichkeit haben, das im Budgetgesetz nachzulesen.

Wir haben erreicht: Rücknahme der mit dem UG 2002 völlig überzogenen Bevor­zugung der ordentlichen Professoren. – Herr ordentlicher Professor, es gibt in Zukunft eine einzige Kurie der fest angestellten Wissenschafter und Wissenschafterinnen an den Universitäten, sodass wir das wiedergutmachen, dass die ÖVP beim UG 2002 ein bisschen zu viel Macht in die Hände der alten, bemoosten Häupter gelegt hat und dabei ein bisschen auf die jungen Wissenschafter vergessen hat.

Was gibt es noch an guten Nachrichten für die Universitäten? – Wir haben vor, ein Teilzeitstudium einzuführen, ein Studium für Berufstätige, sodass diese es an den Universitäten leichter haben und dort besser zurechtkommen.

So, und jetzt, weil halt doch immer von den Studiengebühren geredet werden muss: Schauen Sie, ich habe durchaus etwas übrig für einen Scherz. Also, Sie haben heute einen Antrag von mir hier vorgelegt – ich habe dagegen gestimmt, so wie alle anderen Sozialdemokraten auch. Das mögen Sie jetzt in Ihren grünen Bezirksblättern noch ordentlich kundtun für die Republik. Damit werde ich auch leben. Aber ich gehe übermorgen in Graz an die Universität, und ich werde diesen jungen Leuten dort sagen, dass es nicht gelungen ist, das, was die SPÖ wollte, zu 100 Prozent durch­zusetzen, dass aber 50 Prozent immer noch besser sind als die null Prozent, die Sie seinerzeit erreicht haben! (Beifall bei der SPÖ.)

21.01


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Brosz zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Dr. Graf – auf dem Weg zum Rednerpult –: Seit wann gibt’s das? ... Ministerrunde! Am Ende!) – Nein, nach Ende der Fernsehzeit! So war die Vereinbarung betreffend tat­sächliche Berichtigungen.

Bitte, Herr Kollege Brosz.

 


21.01.55

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Kollege Broukal hat behauptet, im Regie­rungsübereinkommen sei vereinbart, dass bei dem Kreditmodell die Studien­gebühren nur zurückzuzahlen seien, wenn ein entsprechendes Einkommen vorliegt. – Diese Behauptung ist unrichtig! (Präsidentin Mag. Prammer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Im Regierungsübereinkommen ist vielmehr festgeschrieben, dass das bereits exis­tierende Kreditmodell ausgebaut und in der Öffentlichkeit mit dem Ziel verstärkt bekannt gemacht wird, dass es von einem größeren Kreis von Studenten in Anspruch genommen wird.

Davon, dass, wenn ein Einkommen nicht vorhanden ist, nicht zurückgezahlt werden muss, steht im Regierungsübereinkommen kein Wort. (Beifall bei den Grünen.)

21.02


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Graf zu Wort. Wunschredezeit: 4 Minuten. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 230

21.02.46

Abgeordneter Mag. Dr. Martin Graf (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehr­ter Herr Minister! Sehr geehrte Ministerbank – wie immer man das auch nennt; es sind ja noch viele da!

Herr Kollege Broukal! Sie werden auf die Universitäten gehen und das erklären müssen, denn Sie haben es ja auch verhandelt! Wer sonst? – Kollege Hahn ist ja arm. Herr Minister Hahn ist arm, denn er hat es ja nicht einmal verhandelt, was da drinnen steht, aber er muss es jetzt ausbaden, was Sie verhandelt haben! (Abg. Broukal: Der fühlt sich wohl in der Badewanne!) Und das, was Sie verhandelt haben, ist nicht unbedingt das Gelbe vom Ei.

Ich will nicht die ganze Zeit nur über die Studienbeiträge reden, da ist die Situation ohnehin klar. Sie, Herr Kollege Broukal, können jetzt zu André Heller gehen und sich bei „Afrika! Afrika!“ bewerben, denn so biegsam, wie Sie sind, ist kaum jemand in diesem Haus – und die gesamte Fraktion auch noch dazu. Das muss man schon einmal feststellen. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Minister Hahn, Sie haben gesagt: Schrebergarten-Mentalität über Bord werfen! Kompetenzarrondierungen gehören her! – Es ist heute kein guter Tag für die Wissenschaft und Forschung, das muss ich schon sagen. Die Kompetenzarrondierung wird nicht wirklich etwas bringen, die darin besteht, dass Sie als ein Minister, der derzeit noch ohne Portefeuille dasteht, ein Minister mit Kompetenzen sein werden, oder vielleicht gar mit Geld – denn das steht derzeit im Regierungsprogramm alles noch nicht drinnen.

Sie laufen Gefahr, letztendlich ein Minister ohne Portefeuille zu bleiben, oder einer mit einem kleinen Ausschnitt, und vielleicht sogar noch ohne Geld übrig zu bleiben. Aber vielleicht ist das die kleine Rache, die man letztlich von Seiten der SPÖ in der Sie betreffenden Personalentscheidung bewirkt hat.

Der Herr Bundeskanzler ist heute Oppositionschef, weil er gesagt hat, wenn er 8 Prozent verliert, weiß er die Konsequenz zu ziehen; und deswegen sitzt er jetzt als Klubobmann im Parlament. – Sie haben 10 Prozent verloren und sitzen jetzt auf der Regierungsbank! Das ist ein kleiner, anderer Unterschied. – Ich hoffe für Sie, Sie werden aus dem dürftigen Papier, das es hier gibt, etwas machen. Ich zitiere jetzt einfach ein paar Schmankerl:

„Maßnahmen zur Verringerung der Studienabbrecher/innen“, „Ausbau der Studieren­denberatung an den Schulen und Universitäten“ – na, hoffentlich wird das etwas nützen! –, „Coaching und Mentoring in der Studieneingangsphase“ – na, hoffentlich wird das etwas nützen! –, „Neue Angebote für berufstätige Studierende (z.B. E-Learning, Teilzeitstudienmodelle)“ – hoffentlich wird das die Zahl der Studienabbrecher vermindern und die Akademikerquote erhöhen! Ich glaube nicht so sehr daran. Sie offensichtlich auch nicht, Herr Kollege Broukal, denn Sie haben dann als letzten Punkt hineinverhandelt: „Umfassende Erhebung über die Ursachen von Studienabbrüchen“.

Das heißt, so gehen Sie empirisch vor: Sie plakatieren etwas, versuchen, das umzu­setzen – und nachher erheben Sie die Ursachen. So ist es! (Abg. Broukal: So, wie man es in der Wirtschaft macht, so haben es ... auch gemacht!)

Was haben Sie noch hineinverhandelt? – „Weitere Verbesserung der Studien­bedingun­gen“.

Da steht drinnen: „Umsetzung: Deutliche Verbesserung der Betreuungsrelationen“. – Wie denn? Welche Zahlen? Was kostet das? – Davon steht nichts drinnen!

„Start des Programms ,Vorziehprofessuren ...‘“. – Wie viele? Wann? Um wie viel Geld? – Steht natürlich nicht drinnen!


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 231

„Weiterer Ausbau des Bologna-Prozesses, speziell auch für Lehramtsstudien“. – Was heißt das? – Bitte etwas konkret werden!

„Zügige Umsetzung der Generalsanierung und der Universitätsbauplanung“. – Wann? Wie? Wie viel? Welche Gebäude? Welche Infrastruktur? – Wo steht irgendetwas: irgendein Zeitplan, irgendeine Messlatte, irgendein Zwischenergebnis?

„Steigerung der Effizienz der Studierendenanwaltschaft“. – Was heißt denn das? – Die kennt ja ohnehin bis zum heutigen Tag keiner! Die braucht auch in Wirklichkeit keiner, denn die Leute müssen hackeln, Nachhilfe geben, damit sie sich das leisten können, was Sie verhandelt haben. Die können gar nicht zum Studierendenanwalt gehen – die Zeit dafür bleibt ihnen gar nicht! (Beifall bei der FPÖ.)

„Frauen in der Wissenschaft. Ziel: Weitere Steigerung des Frauenanteils im wissen­schaftlichen Bereich, insbesondere auch in führenden Positionen. Umsetzung: Initiative ,Frauen in die Wissenschaft‘: Weiterentwicklung der speziellen Förderprogramme nach internationalen best-practice-Modellen“. – Was heißt denn das? Welches Modell? Wann? Wie viele Frauen wollen Sie bis zu welchem Zeitpunkt wo sitzen haben? – Nichts steht in dem Programm, das Sie verhandelt haben! – Frau Kollegin Gehrer war Ihr Pendant, die kann ich nicht mehr ansprechen, und daher muss ich Sie ansprechen; das ist Ihr Los.

„Ausbau der Programme zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und wissenschaftlicher Karriere“. – Wie viel Geld wollen Sie in die Hand nehmen? Wo steht denn irgendetwas? Und wann, wo kommt etwas? – Steht wieder nichts hier!

„Gezielte Förderung von Nachwuchswissenschafterinnen in naturwissenschaftlich-technischen Bereichen“. – Sprechblasen! Sagen Sie einmal, wie Sie das machen wollen! Wann? – In Wirklichkeit müssen Sie in den Unterstufen der Gymnasien begin­nen, wenn Sie da etwas ändern wollen, aber nicht erst im wissenschaftlichen Bereich! Sie werden nicht mehr Naturwissenschafterinnen hervorbringen als bislang, wenn Sie nicht irgendwann einmal beginnen, ganz unten anzufangen. Aber das steht wieder nicht da. Sie machen Sprechblasen, die organisieren Sie!

„Weiterentwicklung des Universitätsgesetzes 2002“. „Stärkung der Autonomie und der internationalen Wettbewerbsfähigkeit von Österreichs Universitäten“ – das ist einmal das Ziel. Zur Mittelaufbringung: Nichts – außer Studienbeiträge; da sind Sie gut.

„Umsetzung: Weiterentwicklung des Universitätsgesetzes 2002 mit den Schwerpunk­ten Abstimmung der Zuständigkeiten der Organe, Mitbestimmung (z.B. Betriebsräte im Universitätsrat), ...“ – Sie haben doch versprochen, dass auch der Mittelbau wieder Stimmrechte bekommt und dorthin entsendet wird! Jetzt sind es nur mehr die Betriebsräte – die ohnehin schon dort sitzen! (Abg. Broukal: Kennen Sie die Bedeu­tung des Wortes „zum Beispiel“?) Das ist überhaupt das Beste, das ist nicht einmal mehr etwas Neues! (Abg. Broukal: Kennen Sie die Bedeutung des Wortes „zum Beispiel“?) – Mal schauen, was Sie sich da noch einfallen lassen:

Informationsrechte sollen ausgebaut werden – ein „tolles Verhandlungsergebnis“, das der Herr Kollege Broukal erreicht hat! Interne Willensbildung soll auch ausgebaut werden – no na net! Das steht in jedem Leitbild eines jeden schlechten Unternehmens bereits drinnen, was hier auch steht! (Abg. Broukal: Aber in Seibersdorf ...!)

„Stärkung moderner Leitungs- und Entscheidungsstrukturen, um die weitere Profilbil­dung und internationale Wettbewerbsfähigkeit der Universitäten zu gewährleisten“.

Sie sagen nicht, was Sie damit meinen oder was Sie da machen wollen. – Wir haben da schon Ideen: Gesundheitsuniversität zum Beispiel – warum nur Medizinische Uni­versität? –, unter Einbeziehung der Pflegewissenschaften. Ganz dringender Bedarf in


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 232

Österreich, wie wir wissen! (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.) Sie haben es damals auch nicht mitgetragen, und die ÖVP auch nicht. Aber Sie haben es jetzt auch wie­derum nicht durchgesetzt.

„Alle unbefristet auf Laufbahnstellen beschäftigten Wissenschafter/innen sollen eine Gruppe (,Kurie‘) bilden“. – Was heißt das denn wieder? Sollen die in den Senat hinein, oder ist das alles noch Verhandlungsmasse? Werden Sie sich durchsetzen oder nicht?

Herr Minister! Sie werden diese Fragen auch beantworten müssen, denn Kollege Broukal kann sie nicht beantworten, sonst hätte er es ja hineinverhandelt – nehme ich einmal an. – Und so geht das weiter, und so fort.

Das beste Kapitel ist die außeruniversitäre Forschung. Bei der außeruniversitären Forschung, da haben Sie sich natürlich am besten profiliert. Da stehen fünf schlanke Sätze drinnen:

„Ziel: Weitere Steigerung der Effizienz und der internationalen Wettbewerbsfähigkeit“. – Wer würde das nicht schreiben? – „Umsetzung: Erarbeitung moderner Strukturen an der Akademie der Wissenschaften“. – D’accord, das gehört gemacht!

„Evaluierung der Forschungsinstitute der ÖAW“. – D’accord, das gehört gemacht. Da brauche ich aber keine SPÖ in der Regierung, damit so etwas überhaupt angegangen wird. Das muss man einfach nur machen.

Dann steht der Satz im Regierungsprogramm: „Prüfung der Ausgliederung großer Forschungseinrichtungen“.

Was heißt das: Privatisierung der ARC vielleicht? Oder was heißt Ausgliederung? Was ist denn an den außeruniversitären Forschungseinrichtungen noch nicht ausgegliedert? Ich will das nur von Ihnen wissen, Sie haben es ja verhandelt! (Abg. Broukal: Das heißt: nicht privatisieren!)

Sie haben ja Versprechen abgegeben, daran werden Sie gemessen!

„Erhöhung der Mittel des FWF“. – Aus. Sonst steht nichts da. Es steht nichts über die außerkorporative Forschung. Es steht nichts über die K-Programme. Es steht nichts über das Joanneum Research. Es steht überhaupt nichts drinnen bei der außer­universitären Forschung – außer diesen vier schlanken Sätzen.

Was ist mit Privatuniversitäten? Was wollen Sie dort machen? – Gar nichts steht da drinnen! Öffentliche Förderungen nach dem schwedischen Modell einführen, so wie es die Freiheitlichen wollen? Oder kennen Sie das gar nicht, denn sonst hätten Sie es einfach hineinverhandelt. Ich weiß es nicht.

Was ist mit dem FWF wirklich geplant? Wo bleibt denn der ressortmäßig? Wir haben immer noch vier Ministerien im Minimum zuständig für die Forschung. Herr Kollege Faymann hat einen einzigen Satz über die Forschung verloren, indem er uns vorgestellt hat, wer die Staatssekretärin ist, die für Forschung zuständig ist. Aber er hat nicht gesagt, was er in den nächsten Jahren innovativ in der Zukunftsbranche der Forschung und Technologie machen möchte.

Was ist mit der außeruniversitären Forschung? – Wissen wir nicht.

Was ist mit den K-Programmen? – Haben Sie nicht festgelegt.

Das ist eine glatte Fünf. Da ist nichts drinnen. Das ist so dünn, dünner geht es gar nicht mehr. Manchmal könnte man glauben, „dünn“ schreibt man mit Doppel-M. (Beifall bei der FPÖ.)

21.11



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 233

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Brinek. Ebenfalls 4 Minuten Wunschredezeit. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


21.11.52

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Regierungsmitglieder! Herr Kollege Graf, Sie verwechseln das Regierungspro­gramm mit der Ansammlung all der Initiativanträge und Regierungsvorlagen einer vierjährigen Regierungsperiode. Ich kann Ihnen viele Fragen beantworten, ich habe auch an der Erarbeitung des Programms mitgewirkt, aber dazu ist jetzt nicht die Zeit. Also diese Vorwegnahme können wir jetzt nicht leisten, sonst können wir morgen alle heimgehen, und die Geschichte ist gelaufen. Aber das wollen wir nicht. Ich bin dafür, dass wir zu den grundsätzlichen Fragen zurückkehren.

Der Physiker und Wissenschafter Hans-Peter Dürr hat kürzlich – ich meine, in unserer schnelllebigen Infogesellschaft – wieder für die Besinnung auf Bildung plädiert, nämlich auf Bildung – ich zitiere – als „Fähigkeit, ein Verhältnis zum Ganzen des natürlichen und geistigen Daseins zu entwickeln“.

Frau Bundesminister Schmied! Herr Bundesminister Hahn! Mit Ihren Ressorts bauen Sie weiter an der Basis, für dieses von Hans-Peter Dürr artikulierte Verständnis von Bildung.

Das differenzierte Schulsystem hat mehr Stärken als Schwächen. Auch aus PISA-Ergebnissen lässt sich keine Präferenz für ein System ableiten.

Ich wünsche mir in diesem Bereich künftig, vor allem in der öffentlichen Diskussion, mehr Rationalität und weniger Ideologie, ähnlich wie wir es politisch mit der 25-Schülerzahlentscheidung schon praktiziert haben.

Das Schul- und Bildungssystem auf der Basis von Schulversuchen und Forschungs­ergebnissen weiterzuentwickeln ist durchaus beabsichtigt und ist das, was international üblich ist.

Herr Bundesminister Hahn! Im Bereich von Wissenschaft und Forschung bauen Sie, bauen wir auf einer vorbildhaften Universitätsstruktur auf – sie ist heute schon zitiert worden – und entwickeln sie weiter. Gemeinsam werden wir an der von Ihnen angekündigten und im Regierungsprogramm verankerten Erhöhung der Forschungs­mittel arbeiten – das kann nicht im Einzelnen schon im Regierungsprogramm stehen, Herr Kollege Graf –, um einen 3-Prozent-Anteil am BIP zu erreichen.

Die Spitzenforschung, insbesondere die Forscherinnen und Forscher werden wir fördern, einerseits an den Exzellenzorten Universität, der ÖAW und anderen Einrich­tungen und am Spitzenforschungsinstitut ISTA. Ich bin sehr froh darüber, dass diese Selbstverständlichkeit auch Eingang in das Regierungsprogramm gefunden hat.

Wir werden das, Herr Kollege Broukal, auf der Basis der Kollektivvertrags­verhand­lungsergebnisse machen und die Proportion der Organe an den Universitäten nicht grundlegend verändern.

Herr Bundesminister Hahn! Ich bedanke mich für die Initiative und für Ihren Vorstoß zur Erhöhung der Stipendien. Das wird in der Tat ein wichtiges Anliegen und ein wichtiger Vorstoß sein.

Zum Thema Bildungsarbeit, Nachhilfe, wie auch immer sie heißt, möchte ich ein paar anregende Gedanken nennen. Zwei Beispiele für das von der Regierung, vor allem vom Herrn Bundeskanzler aus Israel und aus den USA importierte Modell:

Unsere Studentin Sarah in Jerusalem erhält ihr Geld für Lernhilfe auf ihr Konto und zahlt damit Studiengebühren. – So schaut das Modell dort aus.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 234

Die Studentin Regina, Pädagogikstudentin in Wien, erhält für ihre Lernhilfe, die sie beim Niederösterreichischen Hilfswerk leistet, ihr Geld aufs Konto und zahlt damit Studienbeiträge in Österreich.

Herr Bundesminister! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren der Regierung! Aus dieser Perspektive besteht eigentlich kein Handlungsbedarf – aber Bedarf an Information, an viel Kommunikation und an viel Bemühen, auch die Reprä­sentanten der Studierenden von diesem Weg zu überzeugen.

Meine Damen und Herren! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Ich freue mich auf die Zusammenarbeit und auf die guten Produkte, die wir im Sinne der For­scherinnen und Forscher erreichen werden. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

21.15


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Moser. Ebenfalls 4 Minuten Wunschredezeit. – Bitte.

 


21.16.06

Abgeordnete Mag. Dr. Gabriela Moser (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Ministerin für Bildung! Frau Ministerin für europäische und internationale Angelegenheiten! Herr Staats­sekretär für Wissenschaft! Herr Staatssekretär für Finanzen! Wirklich eine interessante Konstellation, die noch durch die neue Staatssekretärin für Infrastruktur wunderbar ergänzt wird. Und damit bin ich gleich bei der Schlagzeile des Tages.

Meine Damen und Herren! Die meisten Menschen lesen in diesem Land ein kleinformatiges Blatt, und das hat heute auf Seite 28 eine Schlagzeile, die sicherlich die interessante Konstellation auf der Regierungsbank mit der Debatte vorhin in eine interessante Bündelung bringt. Darf ich Ihnen das zeigen (ein Exemplar der „Kronen Zeitung“ in die Höhe haltend): „Man hat uns für blöd verkauft.“ – Originalzitat von Frau Barbara Blaha. 

Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, es geht um die Frage der Intelligenz, es geht um die Frage der Blödheit.

Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, es geht darum: Was wurde versprochen? Was wurde eingehalten?

Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, es geht darum: Wofür werden wie viele finanzielle Mittel bereitgestellt? Und damit bin ich genau bei der Kernfrage der Dummheit oder der Intelligenz, der Blödheit oder sozusagen der Zukunftsorientierung.

Herr Kollege Matznetter! Frau Kollegin Schmied! Sie selbst haben das Problem genannt, Frau Kollegin Schmied. Ich habe Ihre Inaugurationsrede mit Spannung verfolgt, denn ich selbst stehe seit Jahren im Schuldienst, habe jetzt im Parlament die sehr dankbare Aufgabe, auch Infrastrukturpolitik mit zu diskutieren. Und hier zeigt sich genau die Diskrepanz, die zu dieser Schlagzeile führt: „Man hat uns für blöd verkauft“: dass nämlich Sie, Frau Kollegin Schmied, mit Ihren 200 Millionen € mühsam schauen müssen, wie Sie eine Bildungsreform auf die Wege bringen, dass Sie, Herr Kollege (in Richtung des Abg. Broukal), mühsam mit diesen 600, 700 Millionen € im Bildungs- und Forschungsbereich zurechtkommen müssen und dass auf der anderen Seite Sie, Frau Staatssekretärin für Infrastruktur, gemeinsam mit Ihrem Kollegen 10 Milliarden € verwalten, und 10 Milliarden € – Sie können rechnen – sind genau zehn Mal so viel für Infrastruktur, für Beton, für Asphalt, teilweise Gott sei Dank auch für die Schiene, wie auf der anderen Seite für die Software der Infrastruktur, für das Bildungs- und For­schungssystem ausgegeben werden. Das ist für mich die Kardinalfrage der Intelligenz und auch der Blödheit, die in dieser Schlagzeile von Frau Kollegin Barbara Blaha leider angesprochen wird.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 235

Die eigentliche Diskussion, die wir heute führen sollten, ist wirklich die Diskussion: Wo wird investiert? Und mein Kollege Bruno Rossmann hat das deutlich über den Budget­pfad gezeigt: Wir sind auf Sparkurs in der Bildungsfrage. Wir sind auf Sparkurs im Forschungsbereich. Und wir sind auf Verschleuderungskurs in der Infrastruktur.

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein, der Ihnen auch wieder den Aspekt des Klimaschutzes ins Gedächtnis rufen soll, der Ihnen den Aspekt der Nachhaltigkeit wieder vor Augen führen soll:

Entschließungsantrag

Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie wird aufgefordert, folgende dringende Klimaschutz-Maßnahmen im Bereich Verkehr umgehend umzusetzen:

1. Kein höheres Tempolimit als Tempo 130 auf Österreichs Straßen, umgehende Beendigung des Tempo-160-Versuchs auf der A 10 in Kärnten.

2. Klimaverträglichkeits-Check für alle Infrastrukturprojekte des Bundes bis Mitte 2007 als Vorleistung zur nötigen Neufassung der Bundes-Generalverkehrsplanung.

3. von den geplanten zusätzlichen Einnahmen im Bereich Infrastruktur (MÖSt, Maut) muss in den Bereich Schiene ein größerer Teil fließen als in den Bereich Straße.

*****

Hätte ich gewusst, meine Damen und Herren, dass ich heute nach Frau Ministerin Schmied zum Bildungsbereich reden darf, dann hätte ich diesen Antrag noch um einen vierten Punkt ergänzt. Aber leider war das nicht absehbar, und deshalb ersuche ich um die Unterstützung unseres Antrages und um eine verbesserte Investition in den Bildungsbereich. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

21.20


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend dringende Klimaschutz-Maßnahmen im Bereich Verkehr, eingebracht im Zuge der Debatte über die „Erklärung der Bundesregierung“

Österreich muss seine Anstrengungen im Bereich Klimaschutz verstärken. Besonders im Bereich Verkehr/Mobilität sind zusätzliche Maßnahmen nötig, um die Chance auf die Erreichung des Kyoto-Ziels ernsthaft zu wahren.

Eine deutliche Priorisierung umwelt- und klimaverträglicher Verkehrsträger wie der Schiene ist hierbei ein Muss, nicht zuletzt auch wegen der u.a. vom WIFO seit langem unterstrichenen wesentlich besseren Arbeitsplatzbilanz von Investitionen.

Die Zuordnung von Investitionsmitteln ist zugleich ein entscheidender Faktor, um „eine weitere Verschiebung des Modal Split zu Lasten der umweltverträglichen Verkehrs­träger aufzuhalten“ und „die Attraktivierung von Schiene und Wasserstraße besonders zu forcieren“ /vgl. Regierungsprogramm).


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 236

Neben grundsätzlichen Umorientierungen sind umgehende Maßnahmen bei aus Klima-Sicht problematischen Aktivitäten wie dem laufenden Tempo-160-Test in Kärnten (CO2-Ausstoß bei Tempo 160: im Schnitt 25% höher als bei Tempo 130) nötig.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie wird aufgefordert, folgende dringende Klimaschutz-Maßnahmen im Bereich Verkehr umgehend umzusetzen:

1. Kein höheres Tempolimit als Tempo 130 auf Österreichs Straßen, umgehende Beendigung des Tempo-160-Versuchs auf der A10 in Kärnten.

2. Klimaverträglichkeits-Check für alle Infrastrukturprojekte des Bundes bis Mitte 2007 als Vorleistung zur nötigen Neufassung der Bundes-Generalverkehrsplanung.

3. von den geplanten zusätzlichen Einnahmen im Bereich Infrastruktur (MÖSt, Maut) muss in den Bereich Schiene ein größerer Teil fließen als in den Bereich Straße.

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Wurm. Wunschredezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 


21.21.02

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Kollegin Moser, Sie wissen aber schon, dass die außeruniversitäre Forschung bei Minister Faymann angesiedelt ist und dass hier selbstverständlich in Zukunft Geld für For­schung ausgegeben wird. (Abg. Dr. Brinek: Das weiß sie nicht!)

Ich möchte Sie von der neuen Bundesregierung nun herzlich begrüßen, und ich freue mich wirklich, mit Ihnen gemeinsam hier im Parlament ein sehr ambitioniertes Regie­rungsprogramm in den nächsten vier Jahren umsetzen zu können.

Wir haben mit dem Ergebnis dieser Nationalratswahl einen klaren Auftrag vom Volk, von den Wählerinnen und Wählern erhalten, nämlich den Auftrag, Verantwortung zu übernehmen, Verantwortung zu tragen und zu gestalten.

Die Koalition mit der ÖVP, die wir nun eingegangen sind, entspricht auch dem Wunsch des Präsidenten Heinz Fischer, weil es ein Wunsch nach einer stabilen Regierung für unser Land ist.

Wir von der SPÖ stehen nach wie vor selbstverständlich zu unseren Hauptanliegen, und dazu gehört die Armutsbekämpfung, dazu gehören echte Bildungschancen für Kinder und Jugendliche in unserem Land, dazu gehört die Stärkung der Frauenrechte, dazu gehört die Vollbeschäftigung, und dazu gehören sehr viele andere wichtige Anliegen.

Aber was mich besonders freut, sehr geehrte Damen und Herren, ist, dass es wieder ein echtes Frauenministerium in unserer Regierung gibt, und zwar ein Frauen­ministerium, das diesen Namen auch verdient! Frau Doris Bures wird – und davon bin ich überzeugt – das Erbe von Johanna Dohnal, von Helga Konrad und von Barbara Prammer mit Bravour weiterführen – und das brauchen die Frauen in unserem Land! (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 237

Es wird wieder Frauenpolitik gemacht werden, die für gerechte Chancen für die Frauen und auch für Verteilungsgerechtigkeit sorgt, und da gibt es genug zu tun. Wir wissen, dass die Frauenarmut in den letzten Jahren massiv gestiegen ist, und in dem Pro­gramm, das uns der neue Sozialminister, der ein Herz für soziale Anliegen hat, schon vorgestellt hat, sind die Grundsicherung und die Erhöhung der Mindestpensionen enthalten. Davon sind jene Frauen betroffen, die, wie Sie heute schon erwähnt haben, Herr Klubobmann Strache, früher 400 € an Pension bekommen haben, und die bekom­men jetzt sehr wohl sehr viel mehr. Und dafür lohnt es sich zu kämpfen, dafür lohnt es sich, dieses Regierungsprogramm umzusetzen. Das sind nämlich zwei Drittel Frauen, die dann mehr erhalten, die davon profitieren, und darüber bin ich froh und das macht mich auch stolz.

Es war hier auch schon von einem Generalkollektivvertrag die Rede. Auch Kollege Mitterlehner hat sich dafür ausgesprochen und unterstützt das. Auch da werden wieder sehr viele Frauen darunter sein, die davon profitieren.

Ein weiteres wichtiges Anliegen in diesem Programm – von der Frauenministerin auch schon erwähnt – ist der Schutz gegen die Gewalt, die an Frauen verübt wird. Da wer­den die Interventionsstellen ausgebaut und finanziell noch besser ausgestattet. Das ist notwendig und wichtig. Wir wissen, dass bei diesem Thema, nämlich der Gewalt, die an Frauen ausgeübt wird – jede fünfte Frau erleidet Gewalt in ihrem Leben –, nun etwas passiert, dass es enttabuisiert wird. Das ist wichtig, das ist notwendig und ist für unsere Gesellschaft ein ganz wichtiges Signal. Da gehört noch mehr gemacht!

Lassen Sie mich noch eines sagen – die Zeit ist leider schon knapp, aber wir werden noch viele Gelegenheiten haben, über dieses Regierungsprogramm hier zu disku­tieren –: Was mich sehr froh und stolz macht, ist, dass Alfred Gusenbauer sein Versprechen eingehalten hat, das er uns gegenüber, den Frauen in der Fraktion und in der SPÖ, gemacht hat, nämlich, dass er die Hälfte seiner Regierungsmannschaft mit Frauen besetzen wird. Das ist die Hälfte der Macht im Staat, das ist mehr als ein Symbol, und das stimmt mich froh. Ich hoffe – und ich bin überzeugt davon –, dass unsere Frauen das einhalten werden, was sie versprechen.

Viele der positiven Punkte habe ich auf Grund der kurzen Redezeit nicht ansprechen können, ich möchte aber noch einen Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Cap und Dr. Schüssel folgenden Inhalts einbringen:

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Nationalrat begrüßt das beigefügte Regierungsprogramm und die darin vorge­sehenen Maßnahmen.

Er ersucht die Bundesregierung, zur Umsetzung dieser Vorhaben zeitgerecht Vorlagen zu übermitteln, um sicherzustellen, dass das gesamte Programm in der Gesetz­gebungsperiode umgesetzt werden kann.

*****

Mir ist es wichtig, dass die Vorlagen zeitgerecht hier im Haus sind, dass sie alle Abgeordneten, ob von den Oppositionsfraktionen oder von den Regierungsfraktionen, bekommen. Das ist sehr wichtig, und zwar auch im Sinne dessen, was wir uns als Aufgabe gestellt haben: dass Demokratisierung in diesem Parlament mehr Einzug hält,


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 238

dass ein lebendigerer Parlamentarismus möglich ist. – Ich bitte um Verteilung dieses Antrages. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.26


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und unterzeichnet. Auf Grund seines Umfanges arbei­tet die Parlamentsdirektion bereits intensiv an der Vervielfältigung, und sobald diese abgeschlossen ist, wird das Ganze auch zur Verteilung gebracht.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Cap, Dr. Schüssel betreffend Unterstützung und Umsetzung des Regierungsprogramms, eingebracht bei der Debatte über die Erklärung der Bundesregierung

Das Regierungsprogramm der beiden Koalitionspartner bietet eine Fülle von Projekten und Vorhaben, die auf Basis des bisher Erreichten sicherstellen, dass Österreich auch weiterhin zu den erfolgreichsten Ländern in Europa gehört. Wirtschaftliche Leistungs­fähigkeit, sozialer Zusammenhalt und nachhaltige Zukunftsfähigkeit sind die Grund­lagen des österreichischen Lebensmodells. Dieses Modell wollen wir erhalten und weiterentwickeln.

Dazu bedarf es einer guten Zusammenarbeit zwischen Bundesregierung und National­rat, aber auch der Einbeziehung der Sozialpartner und sonstiger gesellschaftlicher Organisationen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Nationalrat begrüßt das beigefügte Regierungsprogramm und die darin vorge­sehenen Maßnahmen.

Er ersucht die Bundesregierung, zur Umsetzung dieser Vorhaben zeitgerecht Vorlagen zu übermitteln, um sicherzustellen, dass das gesamte Programm in der Gesetz­gebungsperiode umgesetzt werden kann.

*****

Regierungsprogramm

für die XXIII. Gesetzgebungsperiode

Inhaltsverzeichnis

0. Präambel Seite 3

1. Europa, Außenpolitik, äußere Sicherheit und

Landesverteidigung Seite 16

2. Staats- und Verwaltungsreform Seite 23

3. Wirtschaft und Arbeit Seite 37


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 239

4. Forschung, Technologie, Infrastruktur Seite 56

5. Ländlicher Raum, Energie, Umwelt Seite 69

6. Bildung, Wissenschaft Seite 85

7. Soziale Herausforderungen, Gesundheit, Seite 103

8. Familie, Frauen, Jugend Seite 126

9. Innere Sicherheit, Integration, Seite 134

10. Justiz Seite 144

11. Medien, Kunst, Kultur, Sport Seite 153

12. Finanzen Seite 163

Präambel

Die Sozialdemokratische Partei Österreichs und die Österreichische Volkspartei­schließen dieses Arbeitsübereinkommen mit dem Ziel, eine gemeinsame Bundes­regierung auf der Basis der Inhalte dieses Übereinkommens für die XXIII. Gesetz­gebungsperiode zu bilden.

Auf Basis des bisher Erreichten soll aufgebaut und weitere Verbesserungen für die Bürgerinnen und Bürger umgesetzt werden. Weitere Offensiven für das Wachstum der Wirtschaft mit dem Ziel der Vollbeschäftigung bis 2010 erfordern zusätzliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und für die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes im internationalen Vergleich und die Fortsetzung einersoliden Haushaltspolitik mit dem Ziel eines ausgeglichenen Haushaltes über den Konjunktur­zyklus. Ein weiterer Schwerpunkt wird die Weiterentwicklung des österreichischen Sozial- und Gesundheitssystems sein, die durch eine Strategie der Armutsbekämpfung ergänzt wird. Eine offensive Bildungs- und Forschungspolitik ist Voraussetzung zur Bewältigung der internationalen Wettbewerbsherausforderungen. Die Förderung eines offenen und lebendigen Kunst- und Kulturlebens wird einbesonderes Anliegen der Bundesregierung sein. Die hohe Lebens- und Umweltqualität in Österreich soll erhalten werden. Ein höchst mögliches Maß an innerer und äußerer Sicherheit zum Schutz der Bürger steht im Mittelpunkt der Regierungsarbeit. Durch eine Staats- und Verwal­tungsreform soll auch die innere Struktur der Republik in Bund, Ländern und Gemeinden an die neuen Anforderungen des 21. Jahrhunderts angepasst werden. Die fortwährende Vertragstreue der Republik Österreich („pacta sunt servanda“) steht außer Streit. Daher werden internationale Abkommen, europapolitische Zusagen, Bewerbungen und Verträge –ob hoheitlich oder im Rahmen der Privatwirtschafts­verwaltung abgeschlossen – außer Streit gestellt.

Die Mitwirkung Österreichs in der Europäischen Union soll den Interessen unseres Landes, seiner Bürgerinnen und Bürger, dienen und einen Beitrag zum Gelingen des Europäischen Einigungsprozesses darstellen. Österreich wird sich aktiv an der Weiterentwicklung der Union, durch volle Teilnahme an der Integration in politischer, wirtschaftlicher, sozialer sowie außen- und sicherheitspolitischer Hinsicht beteiligen. In den Beziehungen zu anderen Staaten und durch die Mitarbeit in Internationalen Organisationen, beispielsweise den Vereinten Nationen, bezweckt die österreichische Regierung ein Höchstmaß an internationaler Zusammenarbeit undden Erhalt des Friedens als oberstes Ziel.

Parlamentarische Vorgangsweise

Grundsätzlich werden die beiden Regierungsparteien ihre Anliegen auf Basis des Regierungsprogramms gemeinsam in Regierung und Parlament vertreten.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 240

Regierungsvorlagen werden im Parlament zügig behandelt und beschlossen; bei der Erstellung des Zeitplans ist für eine ausreichende Zeit für die Begutachtung und allfällige Abstimmung mit den Ländern sowie für eine gründliche parlamentarische Beratung mit den Oppositionsparteien zu sorgen.

Neben gemeinsamen parlamentarischen Initiativen kann jede Regierungspartei eigene parlamentarische Gesetzesinitiativen setzen. Zuvor sind diese möglichst eine Woche vorher dem anderen Regierungspartner mitzuteilen und mit ihm Verhandlungen mit dem Ziel einer gemeinsamen Einbringung zu führen.

Jede Regierungspartei stimmt Anträgen für parlamentarische Enqueten und Enquete-Kom­missionen, die vom Regierungspartner vorgeschlagen werden, nach vorherigen Verhandlungen spätestens in der zweiten auf die Einbringung folgenden Haupt­ausschuss-Sitzung zu.

Die beiden Regierungsparteien suchen auf Basis des Regierungsprogramms den Dialog mit allen im Parlament vertretenen Parteien. Dazu gehört auch, dass über deren Vorschläge sachlich und konstruktiv beraten wird und allenfalls – sofern sich beide Regierungsparteien darauf verständigen - eine Beschlussfassung erfolgt. Berichte der Bundesregierung sind entsprechend einem mit den Oppositionsparteien zu vereinbarenden Schlüssel im Plenum zu beraten.

Alle parlamentarischen Entscheidungen, insbesondere auch in Geschäftsordnungs­fragen, sind von den beiden Klubobmännern zeitgerecht aufeinander abzustimmen, damit es zu einer gemeinsamen Beschlussfassung kommt. Untersuchungsausschüsse sind ihrem Arbeitsauftrag verpflichtet.

Österreich – Partner in Europa und der Welt

1. Für ein starkes, soziales und modernes Europa

Europa muss den Bürgern nützen und sie schützen. Die Bundesregierung setzt sichdaher für ein starkes, geeintes Europa ein. Dazu zählen:

die Vertiefung der Wertegemeinschaft und Stärkung des Europäischen Lebensmodells mit seiner ausgeprägten sozialen Dimension: Erhaltung und Respekt der europäischen Vielfalt, Ausgleich von sozialer Sicherheit, wirtschaftlicher Dynamik und Nachhaltigkeit;

der Ausbau der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik Europas und solidarische Beiträge bei gemeinsamen EU-Missionen;

mehr Europa im Bereich Sicherheit, Justiz und Inneres. Mehr europäische Zusam­menarbeit im Bereich der Migration (Rückübernahmeabkommen, Datenaustausch) und eine faire Verteilung der Verantwortung bei Aufnahme und Betreuung von Asylwerbern; verbesserte grenzüberschreitende Polizei-Zusammenarbeit;

im Energiebereich verstärkte Koordination unter den europäischen Partnern.

Europa braucht mehr Versorgungssicherheit durch Diversifizierung der Energieres­sourcen, den Ausbau erneuerbarer Energieträger und strikteste Sicherheitsstandards bei Nuklearenergie. Die Bundesregierung wird sich für neue Initiativen im Bereich der nachhaltigen Energiepolitik einsetzen, insbesondere auch mit dem Ziel einer substan­tiellen Verringerung der Abhängigkeit Europas von der Nuklearenergie;

die Schließung noch bestehender Lücken im europäischen Binnenmarkt.

Die Stärkung des Vertrauens der Österreicherinnen und Österreicher in das euro­päische Projekt ist ein besonderes Anliegen der Bundesregierung. Sie wird zu diesem Zweck verstärkt neue Wege der Vermittlung suchen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 241

Ziel ist es, das Europabewusstsein der Bürger neu zu beleben und so die Akzeptanz für das europäische Einigungswerk in Österreich entscheidend zu stärken.

Außen- und Europapolitik sind untrennbar miteinander verwoben, daher wird insofern die Verteilung der Kompetenzen zwischen Bundeskanzleramt und Außenministerium nicht verändert. Ziel ist es, die optimale Durchsetzung österreichischer Interessen durch größtmögliche Kohärenz und Effizienz zu garantieren.

2. Wiedervereinigung Europas

Die Bundesregierung bekennt sich zum Friedensprojekt Europa. Die Beziehungen zu allen Nachbarstaaten sind so eng und dicht wie nie zuvor. Die Bundesregierung setzt sich für eine verstärkte gezielte Zusammenarbeit mit den Nachbarländern ein. Wir werden eine aktive Nachbarschaftspolitik sowohl bilateral als auch innerhalb der EU im Format der „Regionalen Partnerschaft“ (das sind neben Österreich die Tschechische Republik, Ungarn, Polen, die Slowakei und Slowenien) als auch im Zusammenhang mit Fragen des West-Balkans führen. Die Bundesregierung wird darauf achten, dass der Erweiterungs­prozess unter voller Berücksichtigung der Aufnahmefähigkeit der EU sorgfältig und umsichtig gestaltet wird. Die europäische Integration ist ohne die Länder des Westbalkan unvollständig. Sie alle haben eine Beitrittsperspektive:

Entsprechend den Bedürfnissen des heimischen Arbeitsmarkts werden die in den Beitrittsverträgen mit den am 1. Mai 2004 beigetretenen Staaten sowie mit Bulgarien und Rumänien vorgesehenen Auflagen und Schutzmaßnahmen angewendet;

Mit dem Beitritt von Bulgarien und Rumänien wird die Donau im Wesentlichen zu einem Binnenfluss der Europäischen Union. Das Potenzial dieses Flusses, nicht nur als Transportarterie, sondern auch in den Bereichen Kultur, Umwelt, Tourismus, gilt es in umfassender Form zu beleben;

Die EU-Beitrittsverhandlungen mit Kroatien werden zielstrebig fortgeführt und möglichst früh abgeschlossen;

Ein gezieltes und zugleich behutsames Heranführen der Türkei und ihrer Bevölkerung an europäische Werte und Standards ist im Interesse aller Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Österreich hat durchgesetzt, dass die Verhandlungen mit der Türkei einen offenen Ausgang haben. Wir setzen uns für ein schrittweises Vorgehen zunächst mit dem Ziel einer maßgeschneiderten türkisch-europäischen Gemeinschaft ein. Die österreichischen Bürger werden bei Vorliegen eines Verhandlungsergebnisses mit Beitrittsziel jedenfalls in einer Volksabstimmung das letzte Wort haben. Mit Hilfe der Europäischen Nachbarschaftspolitik der EU sind die Anrainerstaaten der Union, Ukraine und Moldau, an europäische Werte und Standards weitestmöglich heran­zuführen. Besonderes Augenmerk ist der besonderen Bedeutung der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Russland zu widmen. Eine aktive und offene Politik ist gegenüber jenen Staaten auf unserem Kontinent zu führen, die mit der Europäischen Union in einem jeweils spezifisch engen Verhältnis stehen, wie die Schweiz, Liechtenstein, Norwegen, Island.

3. Reform der EU-Institutionen

Wir werden an der Zukunft des europäischen Friedensprojekts in allen Politikbereichen weiter aktiv und gleichberechtigt mitwirken.

Die Bundesregierung hält den durch den Nationalrat im Jahr 2005 genehmigten Ver­fassungsvertrag für eine ausgewogene und weiterführende Grundlage, um die Handlungsfähigkeit Europas auch in Zukunft zu sichern. Wir werden uns aktiv an einer auf dieser aufbauenden Diskussion beteiligen. Die Bundesregierung setzt sich jeden­falls für ein „Europa der konkreten Projekte“ sowie für eine effizientere und


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transparentere Nutzung der derzeit gültigen Verträge ein, um die EU-Politik wieder bürgernäher zu machen.

Die EU soll nur jene Aufgaben wahrnehmen, die wirklich besser gemeinschaftlich in Brüssel gelöst werden können, sowie nationale Volksvertretungen stärker einbinden (Subsidiarität).

4. Wirtschafts- und Währungsunion

Die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen für mehr Arbeitsplätze, Wachstum und soziale Sicherheit ist das Kernanliegen der Bundesregierung. Sie wird daher die neu ausgerichtete Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung entschlossen umsetzen. Dies gilt insbesondere für die unter österreichischem EU-Vorsitz verein­barten konkreten Zielsetzungen betreffend Jugendbeschäftigung, Unterneh­mens­gründungen und Förderung des Mittelstands. (z.B. bis 2010 jährlich Schaffung von mindestens 2 Mio zusätzlichen Arbeitsplätzen; bis Ende 2007 soll jedem arbeitslosen Schulabgänger innerhalb von 6 Mo. eine Arbeitsstelle, Lehrstelle, Weiterbildung oder eine andere berufsvorbereitende Maßnahme angeboten werden; bis 2010 Erreichung 3% Forschungsquote; bis 2007 „one-stop-shops“ für Unternehmensgründungen.)

Die Bundesregierung wird sich für die Schaffung gemeinsamer EU-Mindeststandards in den Bereichen Beschäftigung und Soziales einsetzen. Die Bundesregierung wird dafür eintreten, dass sich die EU, die EU-Mitgliedstaaten und die Sozialpartner auf europäischer Ebene im Interesse eines Abbaus der hohen Arbeitslosigkeit verstärkt koordinieren.

Für die Wettbewerbsfähigkeit der EU sind Innovation und Forschung wichtige Zukunfts­faktoren. Die Bundesregierung unterstützt deshalb die Schaffung eines Europäischen Technologieinstituts (European Institute of Technology, EIT) als Netzwerk zur Förderung von Spitzenleistungen in Forschung, Bildung und Innovation. Sie bietet Österreich als Sitz des EIT-Sekretariats an und ist bereit, dafüreinen angemessenen Beitrag zu Finanzierung und Infrastruktur zu leisten.

Für die kommenden Jahre ist eine breit angelegte Überprüfung des Finanzsystems der EU vorgesehen: Die Bundesregierung setzt sich für den verantwortungsvollen Umgang mit europäischen Steuergeldern und deshalb für ein sparsames EU-Budget, die Optimierung der Rückflüsse nach Österreich und eine langfristige Lösung in der EU-Eigenmittelfrage ein.

In diesem Zusammenhang wird die Bundesregierung für besondere Schwerpunkte in den Bereichen Entwicklung des ländlichen Raumes bzw. Förderung zukunftsfähiger Projekte (Forschung und Entwicklung) eintreten. Kein „Förder-Euro“ darf in Brüssel liegen gelassen werden. Österreich soll weiterhin eine Spitzenposition bei der Entwicklung des ländlichen Raums einnehmen.

Die Bundesregierung wird die österreichische Konsolidierungspolitik in vollem Einklang mit den Vorgaben des reformierten Stabilitäts- und Wachstumspakts der EU mit Nachdruck fortsetzen. Sie wird dabei insbesondere auf die Rückführung des gesamt­staatlichen Defizits und eine nachhaltige Senkung der Schuldenquote unterden Wert der Maastricht-Kriterien achten.

Die Bundesregierung wird in Fortsetzung ihrer bisherigen Initiativen im Rahmen der europäischen Institutionen die Durchführbarkeit der auf einer Mindestbasis bzw. einer EU-weiten Steuer wie z.B. einer Devisentransaktionssteuer überprüfen und sich für einheitliche Umsetzungsschritte – ohne die Lissabon-Ziele zu gefährden – einsetzen.


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Die lukrierten Finanzmittel sollen einem EU-Fonds zugeführt werden, aus dem die Aufteilung für supranationale Aufgaben wie EU-Eigenfinanzierung und Entwicklungs­zusam­menarbeit ausgewogen erfolgt.

5. Äußere Sicherheit

Die Bundesregierung setzt sich für eine umfassende Friedenspolitik ein. Auf der Grundlage seiner verfassungsrechtlich bestimmten immerwährenden Neutralität wird Österreich weiterhin ein verlässlicher und solidarischer Partner in der Welt sein und sich aktiv an der weiteren Entwicklung der Europäischen Sicherheits- und Verteidi­gungspolitik beteiligen.

Dazu gehört die Erreichung des bestehenden EU-Planungsziels („Headline Goal 2010“) unter besonderer Berücksichtigung der Sicherstellung der raschen Reaktions­fähigkeit der EU. Zugleich sind die EU-Instrumente für das zivile Krisenmanagement unter besonderer Berücksichtigung der EU-Planungsziele für 2008 auszubauen.

Ein Schwerpunkt des österreichischen außen- und sicherheitspolitischen Engagements wird weiter der West-Balkan bleiben. Denn Stabilität in dieser Region bedeutet Sicherheit für Europa und Österreich.

Österreichs Außenpolitik wird sich, insbesondere auch im Rahmen der EU, weiterhin mit Nachdruck für eine Friedenslösung im Nahen Osten auf der Grundlage Wegskizze (Road Map) einsetzen. Es wird hiezu seine guten Beziehungen zu allen Ländern der Region, einschließlich Israel, aktiv nutzen. Eine Priorität wird der Fortführung und dem Ausbau der Hilfe für die Palästinenser und dem Dialog mit der arabischen Zivil­gesellschaft gelten. Generell erfordert unser Verhältnis zurislamischen Welt besondere Aufmerksamkeit.

Aufbauend auf den vielen positiven Impulsen, die es in den internationalen Bezie­hungen für Österreich während seines EU-Vorsitzes gegeben hat, sind die Beziehungen zu den Ländern Lateinamerikas, Asiens und Afrikas zu verstärken. Die Bundesregierung wird sich in den bilateralen Beziehungen Österreichs mit den USA und Kanada und im Rahmen der EU, aufbauend auf den gemeinsamen Werten derDemokratie und der Rechtsstaatlichkeit, für eine vertiefte transatlantische Partner­schaft einsetzen.

6. Vereinte Nationen und multilaterale Fragen

Die Vereinten Nationen sind das Kern-Kompetenzzentrum zur internationalen Förderung des Friedens, der Sicherheit und der Gerechtigkeit. Österreich bekennt sich zum Grundsatz eines effektiven Multilateralismus und wird sich weiterhin aktiv in die Arbeit der Vereinten Nationen – insbesondere in den Bereichen Friedenserhaltung, Schutz der Menschenrechte, Abrüstung, Schutz der Umwelt, Gleichstellung der Frauen und Kampf gegen Terrorismus, die organisierte Kriminalität und den Drogenhandel - einbringen. Als Schwerpunkte unserer Initiativen zählen dazu:

die Kandidatur Österreichs für einen nicht-ständigen Sitz im VN-Sicherheitsrat in den Jahren 2009-2010;

eine verstärkte finanzielle Unterstützung, insbesondere durch eine nachhaltige Erhö­hung der freiwilligen Beiträge, spätestens ab 2008;

die Stärkung Österreichs als Amtssitz internationaler Organisationen undKonferenzen. Thematisch ist Wien als globales Kompetenzzentrum für internationale Sicherheit und Energie der UNO und OSZE auszubauen; der traditionell gute Dialog innerhalb Österreichs von Gruppen verschiedener religiöser Überzeugung. Dieser wird Österreich als Gastgeber von Konferenzen über den Dialog der Kulturen und


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Religionen stärken und soll ein Modell für den europäischen Dialog zur Verbesserung des friedlichen Zusammenlebens sein.

Dabei nimmt die Einbeziehung des europäischen Islam in diesen Dialog eine beson­dere Stellung ein; Frauenpolitik in der Entwicklungszusammenarbeit und der Friedens­arbeit. Bei internationalen Einsätzen zum Wiederaufbau von Gesellschaften in Post- Konflikt Situationen ist die Stellung von Frauen zu stärken – als schutzbedürftige Betroffene in den Ländern als auch als Entscheidungsträgerinnen in den Missionen.

Zusätzliche Mittel sind Gegenstand der Budgetverhandlungen.

Die Bundesregierung wird ihre aktiven Bemühungen für Abrüstung und Rüstungs­kontrolle sowie gegen die Weiterverbreitung von Kernwaffen fortführen und für die Weiterentwicklung des humanitären Völkerrechts eintreten.

Die Bundesregierung setzt sich auf europäischer Ebene und weltweit aktiv für die Achtung der Menschenrechte ein. Sie fördert die Umwandlung der in Wienange­siedelten EU-Beobachtungsstelle für Rassismus in eine EU-Menschenrechtsagentur mit möglichst breitem Mandat.

Die Bundesregierung wird sich für die weitere Stärkung der OSZE - unter besonderer Berücksichtigung der Bereiche Demokratieentwicklung, Menschenrechtsschutz und Wahlbeobachtung - einsetzen.

7. Entwicklungszusammenarbeit und Auslandskulturpolitik

Entwicklungszusammenarbeit (EZA) und Auslandskultur sind integrale Bestandteile der Außenpolitik.

Die Bundesregierung bekennt sich zu den Beschlüssen des EU-Rates, wonach bis 2010 ein Anteil von 0,51% des Bruttonationaleinkommens für Leistungen der EZA verwendet werden sollen. Es sollen auch Schwerpunkte durch Clusterbildung in den Bereichen Medizin, Technologie für kleine und mittlere Unternehmen, Bildung und Energie geschaffen werden. Auch im Rahmen der internationalen Katastrophenhilfeist betroffenen Menschen weiterhin rasch und effizient solidarisch Hilfe zu leisten.

Ein Hauptanliegen der Entwicklungszusammenarbeit besteht darin, Frauen als Part­nerinnen zu gewinnen und sie bevorzugt zu fördern. So wird jedes einzelne konkrete Projekt der Entwicklungszusammenarbeit dahingehend überprüft, ob es denAnliegen und besonderen Interessen von Frauen Rechnung trägt.

Die Bundesregierung wird sich für die Stärkung der Kohärenz in der Entwicklungspolitik in allen ihren Tätigkeitsbereichen sowie für die weitere Evaluierung der Tätigkeit der Austrian Development Agency (ADA) und des Koordinierungsmechanismus einsetzen.

Ein positiver wirtschaftlicher Aufwärtstrend kann den ärmsten Ländern der Welt den Weg aus der Armut weisen. Daher sind die im Rahmen von "Wirtschaft&Entwicklung" begonnenen Anstrengungen zu verbreitern. Neben den Vereinten Nationen, der Weltbank, dem OECD-Entwicklungshilfeausschuss, der EU und den meisten Geber­ländern verfolgt auch die österreichische EZA das Ziel, österreichische Unternehmen dafür zu gewinnen, an der Erreichung der UNO-Milleniumsziele mitzuwirken.

Die österreichische Bundesregierung bekennt sich zur Stärkung der Vermittlung eines umfassenden Österreich-Bildes im Ausland zur Unterstützung österreichischer Interes­sen. Dabei sind das Netzwerk an Kulturforen und Österreich-Bibliotheken als erfolgreiche Plattformen und Motoren für die authentische, zielgruppenorientier­te Präsentation des modernen Österreich zu nutzen.

Die Bundesregierung unterstützt Linz als Europäische Kulturhauptstadt 2009 (gemein­sam mit Vilnius). Diese Nominierung gibt der Landeshauptstadt und der gesamten


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Region neue Impulse und die Chance, sich als kreative und zukunftsorientierte Kultur­region mit nachhaltiger Wirkung zu präsentieren.

8. Offensive „Bürgerservice“

Das Außenministerium ist als Servicestelle weiter auszubauen: Anpassung des Aus­lands-Netzwerks an die außenpolitischen, wirtschaftlichen und konsularischen Erfor­dernisse, um die Interessen der Österreicherinnen und Österreicher im Ausland optimal zu vertreten.

Die Bundesregierung wird sich dafür einsetzen, dass das Außenministerium neben der Erfüllung seiner Verpflichtungen in der Gestaltung der österreichischen Außenpolitik auch seiner Aufgabe als ein modernes Dienstleistungsunternehmen für Bürger, Wirt­schaft und Politik gerecht werden kann, und wird die dafür erforderliche personelle Vorsorge treffen.

Die österreichische Außenpolitik wird auch weiterhin in enger Zusammenarbeit mit der Wirtschaftskammer konsequent österreichische Unternehmen in deren Bemühungen, sich auf den inneuropäischen und internationalen Märkten erfolgreich zu verankern, unterstützen. Ein besonderes Augenmerk wird dabei der Wahrnehmung österreichi­scher Interessen im Rahmen der internationalen Handelspolitik gelten.

Verbessertes Krisen- und Katastrophenmanagement: Ziel ist die Sicherstellung einer lokalen konsularischen Betreuung für den Notfall dort, wo sich jährlich tausende österreichische Touristen aufhalten. Daher sind personelle Verstärkungen im Kon­sularbereich und des Bürgerservice im In- und Ausland sowie bessere Vernetzungen auf bi/multilateraler Ebene sicherzustellen. Zusätzliche Mittel sind Gegenstand der Budgetverhandlungen.

Informationsoffensiven zu außen- und EU-politischen Fragen (z.B. auch auf Homepage des BMaA, zielgruppenorientiert). Die Bundesregierung setzt sich für ein sicheres und missbrauchfestes Visa-System ein: Um eine sichere, gründliche und effiziente Bear­beitung und Kontrolle von stetig steigenden Zahlen von Visa-Anträgen zu garantieren, sind ausreichend Fach- Personal und moderne Geräte zum Erkennen von gefälschten Dokumenten sicherzustellen. Zur Optimierung des Mitteleinsatzes wird gemeinsam mit den EU Partnern auch die Einrichtung gemeinsamer Visa-Stellen bzw. Biometrie-Zentrengeprüft.

Äußere Sicherheit und Landesverteidigung

Wir leben in einem stabilisierten Europa, das keiner konventionellen Bedrohung ausge­setzt ist. Dies ist ein solides Fundament für eine friedliche Weiterentwicklung unseres Kontinents.

Die Bundesregierung setzt sich für eine umfassende Friedenspolitik ein.

Auf der Grundlage seiner verfassungsrechtlich bestimmten immerwährenden Neutra­lität wird Österreich weiterhin ein verlässlicher und solidarischer Partner in der Welt sein und sich aktiv an der weiteren Entwicklung der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik beteiligen.

Österreich ist als Ort der Begegnung und des Dialogs international geschätzt und hat dies auch während der EU-Präsidentschaft 2006 bewiesen. Zahlreiche internationale Organisationen wie die UNO, die OSZE und die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) haben ihren Sitz in Österreich.

Die Bundesregierung will Österreich und insbesondere Wien als Amtssitz wichtiger Organisationen stärken.


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Die Erfüllung der Solidaritätsleistungen im Rahmen der EU sind Bestandteil der österreichischen Friedenspolitik. Österreich wird sich daher aktiv an der Weiter­entwicklung der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) beteiligen. Ein Schwerpunkt dabei ist die Erreichung des bestehenden EU-Planungsziels ("Headline Goal 2010“) unter besonderer Berücksichtigung derSicherstellung der raschen Reaktionsfähigkeit der EU.

Zugleich sind die EU-Instrumente für das zivile Krisenmanagement unter besonderer Berücksichtigung der EU-Planungsziele für 2008 auszubauen. In diesem Zusam­menhang wird die Bundesregierung dafür sorgen, dass die notwendigen organi­satorischen, rechtlichen und budgetären Vorkehrungen getroffen werden, um eine rasche Entsendung von österreichischen Experten und Expertinnen aus dem Polizei- und Justizwesen, der Zivilverwaltung sowie aus relevanten Nichtregierungs­organisa­tionen zu Einsätzen des zivilen Krisenmanagements sicherzustellen.

Entsendungen sollen – unabhängig ob sie militärische oder zivile Kräfte betreffen – entsprechend den Vorschlägen des Rechnungshofes (Reihe BUND, 2006/11) optimiert werden. Die EU kann durch ihre gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik sehr wesentlich zur Stabilität und Sicherheit in Krisenregionen beitragen. Kriege oder Konflikte rauben den Menschen ihre Zukunftsperspektiven, erhöhter Auswanderungs­druck löst Flüchtlingsströme aus und verstärkt die Aktivitäten krimineller Organi­sationen.

Deshalb ist es wichtig, dass die EU – und in deren Rahmen auch Österreich – aktiv zur Sicherung des Friedens und der internationalen Stabilität beiträgt, wie dies in unter­schied­licher Form und mit verschiedenen Instrumenten vor allem auf dem Balkan, aber auch im Nahen Osten und Afrika bereits geschieht.

Zur Stabilisierung internationaler Krisenherde wird auch in Zukunft militärische Präsenz notwendig sein. Das Österreichische Bundesheer leistet mit seinen Friedenseinsätzen, aber auch bei der Bewältigung von Naturkatastrophen im In- und Ausland, besonders wertvolleArbeit.

Österreich hat sich bisher im internationalen Vergleich überdurchschnittlich an Unge­führten Friedensmissionen beteiligt und wird diese Tradition fortsetzen. In enger Zusammenarbeit mit den anderen neutralen und bündnisfreien Teilnehmerstaaten der Partnerschaft für den Frieden (PfP) wird sich Österreich überdies auch weiterhin aktiv an PfP-Aktivitäten beteiligen.

Die Bundesregierung garantiert die Handlungsfähigkeit des Österreichischen Bundes­heeres. Notwendig ist ein Bundesheer, das seine Aufgaben im Bereich der militärischen Landesverteidigung und zum Schutz der Souveränität und Neutralität erfüllen kann.

Das Bundesheer muss der Bevölkerung im Katastrophenfall wirkungsvoll zu Seite stehen und bestmöglichen Schutz der Bevölkerung vor atomaren, biologischen oder chemischen Bedrohungen ermöglichen. Das Bundesheer muss seine international geachteten Leistungen im Ausland für die Sicherung von Frieden und Stabilität weiter erbringen können.

Das Bundesheer braucht dazu ausreichend personelle Ressourcen, aber auch jene Organisation, Ausrüstung, Ausstattung und Ausbildung, die für moderne Armeen zur Bewältigung der Anforderungen des 21. Jahrhunderts bei optimalem Schutz der eingesetzten Soldaten und Soldatinnen notwendig sind. Die Miliz wird dabei weiterhin ein integraler Bestandteil der Einsatzorganisation des Bundesheeres sein.


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I. Sicherheitspolitik

1. Die Teilstrategien der Bundesministerien zur Sicherheitspolitik sind zu finalisieren und eine staatliche Gesamtstrategie ist zu erstellen.

2. Weiterentwicklung der ESVP durch Unterstützung der Bemühungen zur Verwirk­lichung der in Art. 17 des EU-Vertrags aufgezeigten Möglichkeit einer gemeinsamen europäischen Verteidigung, die nicht den besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten berührt.

3. Fortführung und Intensivierung der sicherheitspolitischen Information der Bevöl­kerung.

4. Weiterentwicklung der Fähigkeiten und Kapazitäten zur Erstellung des strategischen Lagebildes.

5. Teilnahme an nationalen und internationalen Sicherheitsforschungsprogrammen.

6. Verbesserung und Anpassung der Krisen- und Katastrophenunterstützungs­kapazitäten in gesamtstaatlicher Hinsicht.

II. Reform BH 2010

Die Bundesregierung bekennt sich zu den Empfehlungen der Bundesheer­reform­kommission, welche mit breitem politischen Konsens die Grundlagen für die Anpassung des Österreichischen Bundesheeres an die Bedrohungen und Herausfor­derungen des 21. Jahrhunderts erarbeitet hat, und wird diese weiter zügig umsetzen.

7. Für die Umsetzung der gestellten Aufgaben werden dem Bundesministerium für Landesverteidigung (BMLV) die erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt. Die Reform ist durch eine schrittweise Anpassung des Budgetvolumens so zu unterstützen, dass die Anteile für Investitionen ein Drittel der Gesamtausgaben für Militärische Lan­desverteidigung erreichen.

In diesem Zusammenhang gilt der Grundsatz, dass für jeden einzelnen Bereich alle Möglichkeiten interner Umschichtungen und Einsparungen berücksichtigt werden. Unvorhergesehene Einsätze, die das Maß der geplanten Vorsorgen übersteigen, sind gesondert zu finanzieren. Die aus dem Verkauf von Liegenschaften erzielten Erlöse verbleiben zu 100% im BMLV.

8. Die Zentralstelle des BMLV ist an das neue Bundesheer anzupassen. Fortsetzung der Redimensionierung der Verwaltungs- und Behördenstrukturen nach den Grund­sätzen modernen Verwaltungsmanagements sowie Straffung der Grundorganisation durch innerbetriebliche Optimierung und Implementierung innovativer Lösungen.

9. Die neuen Aufgaben sind nur durch bestens ausgebildete Soldaten und Soldatinnen und hochqualifizierte Spezialisten und Spezialistinnen zu bewältigen. Hiefür sind entsprechende Vorsorgen zur Sicherstellung der erforderlichen Personalstärken in qualitativer und quantitativer Hinsicht zu treffen. In diesem Zusammenhang sind alle Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit der öffentlichen Verwaltung und der Wirtschaft zur Attraktivierung des Soldatenberufes unter besonderer Beachtung zeitlich befristeter Dienstverhältnisse auszuschöpfen. Die Maßnahmen zur Abfederung sozialer Härten im Zuge der personellen Umschichtungen und zur Erhöhung der Mobilität sind fort­zusetzen.

10. Modernisierung und Professionalisierung der Miliz im Rahmen der Umsetzung der Bundesheerreform. Durch die Mitwirkung der Miliz, insbesondere auch durch Gestel­lung von Experten und Expertinnen für Militärberatungen, Mitwirkung bei Demo­bilisierungen usw., wird dem Bundesheer die Teilnahme an einem breiten Spektrum von internationalen Einsätzen ermöglicht.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 248

III. Internationalität des Österreichischen Bundesheeres

11. Modifikation der Freiwilligkeit für den Auslandseinsatz. Gem. den Empfehlungen der Bundesheerreformkommission ist in der Bundesverfassung Vorsorge zu treffen, dass künftig eintretende befristete und unbefristete Berufssoldaten und –soldatinnen zu Auslandseinsätzen verpflichtet sind. Zeitlich befristete Befreiungen aus sozialen Grün­den sollen dabei möglich sein. Für bereits im Dienststand befindliches Kaderpersonal sollte in Weiterentwicklung des Anreizsystems für Kräfte für internationale Operationen (KIOP)/ Kaderpräsenzeinheiten (KPE) der freiwillige Übertritt in das Berufsmodell mit Verpflichtung zum Auslandseinsatz ermöglicht werden. Alle Berufssoldaten und Berufssoldatinnen, die nicht vom Optionsrecht gebrauch machen, sollen weiterhin auf freiwilliger Basis einen Auslandseinsatz absolvieren können. Der Verfassungs­grund­satz, dass Soldaten im Grundwehrdienst und Soldatinnen im Ausbildungsdienst ausschließlich auf der Basis der Freiwilligkeitan Auslandseinsätzen teilnehmen können, sollte aufrechterhalten werden.

12. Prüfung der Rahmenbedingungen für die Teilnahme Österreichs an den EU-Gendarmeriekräften.

13. Steigerung der Fähigkeiten zur raschen, strukturierten Einsetzbarkeit von Kräften zur internationalen Krisenreaktion durch Kaderpräsenzkräfte (Rahmenbrigade) im gesamten Spektrum der Petersberg-Aufgaben, insbesondere Wahrnehmung der Ver­pflichtung im Rahmen des Battle-Group-Konzepts.

IV. Luftraumüberwachung

14. Österreich wird - wie bisher - die sich aus der Neutralität und der völkerrechtlichern Souveränität ergebende Verpflichtung zur Wahrung der Lufthoheit in Form der aktiven und passiven Luftraumüberwachung, wie dies auch im Rahmen der Bundesheer-Reformkommission als Aufgabe des Österreichischen Bundesheeres definiert wurde, sicherstellen.

V. Wehrdienst

15. Die Bundesregierung bekennt sich zur Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht und wird die gesetzliche Verkürzung des Wehrdienstes auf sechsMonate so rasch wie möglich im Nationalrat vorlegen.

16. Fortsetzung der Modernisierung der Ausbildungsabläufe für Offiziere und Unter­offiziere sowie der bundesheereigenen Bildungseinrichtungen nach europäischen Stan­dards einschließlich notwendiger rechtlicher Anpassungen (z.B. Berufsreife­prüfungs­gesetz).

17. Im Rahmen der Verwaltungsinnovation des Bundes sind die Initiativen zur Evaluierung des Stellungs- und Ergänzungswesens fortzusetzen. Das gesamte Ergän­zungswesen ist in verfahrensmäßiger, struktureller und ausrüstungsmäßiger Hinsicht zeitgemäß anzupassen.

VI. Frauen im Bundesheer

18. Evaluierung des Dienstes von Frauen im Bundesheer einschließlich der bisher getroffenen Attraktivierungsmaßnahmen.

VII. Katastrophenschutz

19. Steigerung der Fähigkeiten zu Assistenzeinsätzen im Inland durch Erhöhung der Kaderpräsenz und Vorsorge für eine entsprechende moderne Katastrophen­schutz­ausrüstung.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 249

VIII. Kompetenzen

20. Übertragung der Zuständigkeit hinsichtlich der European Defence Agency (EDA) in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Landesverteidigung.

IX. Beschaffung

21. Fortsetzung und Intensivierung der Modernisierung der Ausrüstung (Transport, Aufklärung etc.), um ein Höchstmaß an Schutz für die Bevölkerung sowie die Soldaten und Soldatinnen zu gewährleisten. Dazu ist es unter anderem erforderlich, innovative Finanzierungslösungen umzusetzen sowie das Optimierungspotential im Bereich der Verwaltungsentwicklung voll auszuschöpfen In diesem Zusammenhang ist das gesamte Beschaffungswesen neu zu ordnen.

X. Förderung des Spitzensports im Heer

22. Die Förderung des Spitzensports in den bestehenden Heeressportzentren stellt auch in Zukunft einen wichtigen Beitrag zum erfolgreichen Auftreten Österreichischer Sportler bei internationalen Großsportveranstaltungen dar.

Staats- und Verwaltungsreform

Auf der Grundlage der Arbeiten des Österreich-Konvents und des diesbezüglichen Besonderen Ausschusses wird eine Verfassungsreform vorbereitet, die vor allem eine zeitgemäße Grundrechtsreform, insbesondere soziale Grundrechte, eine Neuordnung der Kompetenzen, den Ausbau des Rechtsschutzes und der demokratischen Kon­trollen, Verbesserungen im Wahlrecht, eine Stärkung der Länderautonomie und der Rechtsstellung der Gemeinden, die verfassungsrechtliche Grundlagen für eine Verwaltungsreform und nicht zuletzt eine Verfassungsbereinigung umfasst. Zur Formu­lierung der notwendigen Rechtstexte wird beim Bundeskanzleramt eine Experten­gruppe eingerichtet, der von Seiten der SPÖ Dr. Kostelka und Dr. Öhlinger, von Seiten der ÖVP Dr. Fiedler und Dr. Khol sowie zwei Vertreter der Landeshauptleute-Kon­ferenz angehören. Sie hat ihre Vorschläge bis zum 30. Juni 2007 zu erstatten, auf deren Grundlage die Beratungen im Parlament mit dem Ziel stattfinden, die Verfas­sungsreform bis Ende des Jahres 2007 zu beschließen.

1. Grundrechtsreform

Es soll ein einheitlicher, übersichtlicher Grundrechtskatalog geschaffen werden, in dem die derzeit zersplitterten Grundrechtsgarantien zusammengeführt und in Überein­stimmung mit dem Grundrechtskatalog des Europa-Vertrages weiter entwickelt werden.

Grundrechte sollen als echte Garantien, nicht als bloße Deklarationen gestaltet werden.

Ziel der Grundrechte ist die Sicherung der Freiheit des Einzelnen und der Menschen­würde. Die Garantie der Menschenwürde soll daher ausdrücklich in den Grundrechts­katalog aufgenommen werden. Ferner sollen insbesondere Garantien gegen die Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der sozialen oder ethni­schen Herkunft, von Behinderungen oder ausanderen Gründen (z.B. Alter, sexuelle Orientierung) ausgebaut sowie Kinderrechte zur Umsetzung der Kinderrechts­kon­vention verankert werden.

Im Grundrechtskatalog sind entsprechend den Beratungen im Konvent soziale Grundrechte zu verankern. Sozialpolitik ist grundsätzlich im Wege der Gesetzgebung zu gestalten. Soziale Grundrechte bedürfen eines besonderen, ihrer Natur angepass­ten Rechtsschutzsystems.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 250

Zugleich ist anzusprechen, dass soziale Grundrechte den Einzelnen von seiner prin­zipiellen Eigenverantwortung für die Gestaltung seines Lebens nicht entbinden und dass die Gewährung staatlicher Leistungen von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Gemeinwesens abhängt.

Die Einrichtung von gesetzlichen beruflichen Vertretungen mit Selbstverwaltung ist in der Verfassung vorzusehen.

Für die Durchsetzung auch der sozialen Grundrechte ist ausgehend von den Vor­schlägen im Österreich-Konvent ein geeigneter Rechtsschutzmechanismus vorzu­sehen, der auch für den Fall einer Verfassungswidrigkeit durch das völlige Fehlen einer gesetzlichen Regelung Vorsorge trifft.

2. Neue Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern

Die Kompetenzen von Bund und Ländern sind neu nach einem Drei-Säulen- Modell zu gestalten, und zwar aufgeteilt im Sinne zweier jeweils exklusiver Kompetenzbereiche von Bund und Ländern (erste und zweite Säule) und eines Bereiches einer „gemein­samen Gesetzgebung“ (dritte Säule).

Die näheren Formulierungen sollen auf Basis der Vorschläge im Österreich- Konvent bis 30. Juni 2007 von der eingangs genannten Expertengruppe ausgearbeitet werden. Auf dieser Grundlage sind Verhandlungen zwischen Bund und Ländern mit dem Ziel zu führen, die Verfassungsänderungen bis Ende 2007 zu beschließen, damit sie Eingang in die Beratungen des nächsten Finanzausgleichs finden können.

Unveränderte Beibehaltung des Inhalts des Art. 17 B-VG (Privatwirtschaftsverwaltung),

Umsetzung von EU-Recht durch die Länder soweit es ihren Aufgabenbereich betrifft,

Ausweitung der Regelungszuständigkeit der Länder bzw. Gleichstellung mitdem Bund im Gesellschaftsrecht für ausgegliederte Einrichtungen.

Beibehaltung der Zulässigkeit abweichender Vorschriften im Verwaltungsverfahren, im (landes)verwaltungsgerichtlichen Verfahren und im Zivil- und Strafrecht (Art 15 Abs.9).

Hinsichtlich des Krankenanstaltenrechts (mit Ausnahme von Finanzierungsfragen) prüft die eingangs genannte Expertengruppe eine Zuständigkeitsverteilung im Sinne des Art. 11 B-VG.

3. Demokratische Kontrolle, Volksanwaltschaft und Rechnungshof

Mit allen im Parlament vertretenen Parteien werden ergebnisoffen und mit dem Bemühen um einen breiten Konsens folgende Punkte beraten:

Ausbau der Minderheits- und Kontrollrechte

Fairness- Regelungen für den Wahlkampf

Die Aufgaben des Menschenrechtsbeirats (der in seiner kollegialen Struktur und eigen­ständigen Arbeitsweise erhalten bleibt) und des neu zu errichtenden Präventivorgans aufgrund des Fakultativprotokolls zur Antifolterkonvention/NPM werden im Bereich der Volksanwaltschaft angesiedelt. Wo es Landesvolksanwaltschaften gibt, erhalten diese dieselben Rechte für den Landesbereich. Schaffung der verfassungsrechtlich abge­sicher­ten Möglichkeit die Geschäftsführung von Anwälten des öffentlichen Rechts (z.B.: Gleichbehandlungsbeauftragte) bei der Volksanwaltschaft einzurichten.

Die Volksanwälte sollen mit 2/3-Mehrheit abberufen werden können; Klarstellung der Nachberufung von Volksanwälten; Unvereinbarkeit des Amtes mit der Kandidatur bei Wahlen für Volksanwälte und Präsident des Rechnungshofes.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 251

In der Bundesverfassung werden Grundsätze für die vom Landesverfassungs­gesetzgeber allenfalls eingerichteten Landesrechnungshöfe analog zum Rechnungshof des Bundes festgelegt.

Grundsätzlich sollen die Prüfpläne des Rechnungshofs und solcher Landesrech­nungshöfe mit dem Ziel aufeinander abgestimmt werden, Doppelprüfungen zu ver­meiden. Grundsätzlich soll – abgesehen von den parlamentarischen Sonderprüfun­gen – innerhalb von drei Jahren keine zweite Prüfung durch den jeweils anderen Rech­nungshof stattfinden.

Die eingangs genannte Expertengruppe befasst sich mit der Frage des Quorums für die Abberufung des Präsidenten des Rechnungshofes und einer Ausweitung der Prüfungs­zuständigkeit von Rechnungshof und Volksanwaltschaft hinsichtlich ausge­gliederter Rechtsträger, die öffentliche Aufgaben erfüllen. Jedenfalls soll die Volks­anwaltschaft zusätzlich auch Unternehmen und ausgegliederte Rechtsträger prüfen können, bei denen derzeit der Rechnungshof prüfberechtigt ist.

4. Einrichtung von Landesverwaltungsgerichten

Das gut ausgebaute österreichische Rechtsschutzsystem soll vor allem durch die Einführung einer mehrstufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit nochmals wesentlich im Sinne einer Verfahrensbeschleunigung, eines verstärkten Bürgerservice und der Ent­lastung des Verwaltungsgerichtshofes verbessert werden. Dazu werden Verwaltungs­gerichte erster Instanz eingerichtet, die jedenfalls aus einem Landesverwaltungsgericht pro Land und zusätzlich einem Verwaltungsgericht erster Instanz auf Bundesebene für die unmittelbare Bundesverwaltung bestehen sollen (Die mittelbare Bundesverwaltung kontrollieren die Landesverwaltungsgerichte). Neben dem „allgemeinen“ Landes- oder Bundesverwaltungsgericht soll die Schaffung weiterer Spezialgerichte zulässig sein. Insbesondere soll als Spezialgericht ein eigenesBundesasylgericht geschaffen werden, das in letzter Instanz entscheidet.

Die zahlreichen gerichtsähnlichen Sonderbehörden (wie z.B. die Unabhängigen Verwaltungssenate und der Unabhängige Finanzsenat oder die verschiedenen Kollegial­behörden mit richterlichem Einschlag) sollen möglichst weit gehend in die neu geschaffenen Verwaltungsgerichte erster Instanz übergeführt werden;

Einrichtung eigener Senate mit Laienbeisitzern in den Verwaltungsgerichten für bestimmte Bereiche(jedenfalls Bau-, Vergabe- und Dienstrecht).

Die Verwaltungsgerichte erster Instanz sollen grundsätzlich reformatorische Ent­scheidungsbefugnis, jedoch nach Vorbild des § 66 Abs.2 AVG auch die Möglichkeit zur kassatorischen Entscheidung haben.

Gegen die Entscheidungen der Verwaltungsgerichte soll zunächst der Verwaltungs­gerichtshof angerufen werden können; über die Zulässigkeit der Anrufung hat nach dem Revisionsmodell das Verwaltungsgericht erster Instanz zu entscheiden, wobei über die Zulässigkeitsentscheidung ein Rechtsmittel zusteht.

Nach dem Verwaltungsgerichtshof ist wegen der behaupteten Verletzung verfas­sungs­gesetzlich gewährleisteter Rechte oder Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm der Verfassungsgerichtshof anrufbar, der ein generelles Ablehnungsrecht erhält.

Die Mitglieder der derzeit bestehenden gerichtsähnlichen Sonderbehörden, die in die neuen Verwaltungsgerichte erster Instanz überführt werden, sollen nicht en bloc automatisch Mitglieder der neuen Verwaltungsgerichte werden; die Übernahme soll auf Grund eines rechtsstaatlichen Verfahrens im Einzelfall erfolgen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 252

Da durch diese Konstruktion eine – erwünschte - Entlastung des Verwaltungsgerichts­hofes des Bundes eintritt, ist mit den Ländern die Finanzierung zu klären.

5. Wahlrecht

In der kommenden Gesetzgebungsperiode wird das aktive Wahlalter auf 16 Jahre gesenkt.

Die derzeit nur für die Stimmabgabe im Ausland vorgesehene Briefwahl soll auch für die Stimmabgabe im Inland vorgesehen werden. Dabei soll auch der Wahrung des Wahlgeheimnisse besonderes Augenmerk gewidmet werden. Die Briefwahl soll für folgende Wahlen gelten: Bundespräsident, Nationalrat, Landtage, Gemeinderäte, Bürgermeisterdirektwahlen in jenen Ländern wo dies vorgesehen ist.

Der Wahlvorgang im Ausland wird vereinfacht: Entfall der Notwendigkeit der Unter­schrift eines Zeugen (stattdessen „eidesstattliche Erklärung“ des Wählers), Anlegung von Auslands-Österreicher-Wählerevidenzen an den Vertretungsbehörden, Streichung aus den lokalen Wählerevidenzen nur mit Zustimmung des Betroffenen.

Die Gesetzgebungsperiode wird ab der nächsten Gesetzgebungsperiode auf fünf Jahre verlängert.

Prüfung der Möglichkeit einer Vorabentscheidung durch den VfGH während des Wahlverfahrens, etwa auf Antrag von Bundes-/Landeswahlbehörden.

Durchforstung der Gesetze betreffend die politischen Parteien auf Kongruenz der verwendeten Begriffe. Klare Feststellung, wann politische Partei, wann Wahlpartei, wann im Nationalrat vertretene Partei gemeint ist und Verhältnis zu den von den politischen Parteien und /oder Wahlparteien gebildeten Klubs.

Bereinigung der Wahlrechtsvorschriften im Sinne legistisch zeitgemäßer Erfordernisse.

Prüfung der elektronischen Stimmabgabe (e-voting).

6. Volksgruppenrecht

Die gewachsene sprachliche und kulturelle Vielfalt kommt in den autochthonen Volksgruppen zum Ausdruck. Die Volksgruppenrechte sollen daher wesentlicher Bestand­teil der Verfassung sein, gleichzeitig sollen diese in Richtung des inter­kulturellen Dialogs entsprechend der Europaratskonvention ausgebaut werden.

Die Regelung zur Umsetzung der Ortstafelerkenntnisse des VfGH soll in möglichst breitem Konsens mit den Volksgruppen auf Basis der bisherigen Vorschläge verfas­sungsrechtlich abgesichert werden. Dabei ist für Ortschaften im angestammten Siedlungsgebiet der Volksgruppen eine Öffnungsklausel vorzusehen, wonach auf Grund einer Petition eines bestimmten Prozentsatzes der Bevölkerung weitere zwei­sprachige Ortstafeln aufgestellt werden können.

Diese Regelung wird bis Sommer 2007 umgesetzt.

7. Stärkung der Länderautonomie

Die Verfassungsautonomie der Länder soll gestärkt werden.

Die Einheitlichkeit der Ämter der Landesregierungen ist zu wahren. Die anderen bundes­verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Organisation der Verwaltung in den Ländern sollen reduziert werden (Entfall der Zustimmung der Bundesregierung bei der Organisation des Amtes der Landesregierung und bei der Geschäftseinteilung der Landesregierung)

Das Einspruchsrecht der Bundesregierung gegen Gesetzesbeschlüsse der Länder (Art. 98) und das Zustimmungsrecht der Bundesregierung zu bestimmten Geset-


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zesbeschlüssen der Länder (Art. 97) sollen aufgehoben werden, sofern keine Bundesangelegenheiten [insb. finanzielles Interesse (Art. 98 Abs. 2), Mitwirkung an der Vollziehung (Art. 97 Abs.2) ]betroffen sind.

Allen Gebietkörperschaften wird die Möglichkeit eröffnet, Vereinbarungen über die Ausübung ihrer Vollziehungszuständigkeiten einschließlich der Übernahme von Auf­gaben einer anderen Gebietkörperschaft zu übernehmen. Solche Vereinbarungen sind entsprechend ihrem Inhalt kundzumachen.

Im Katastrophenfall muss eine einheitliche Führung durch den Landeshauptmann sichergestellt sein. Der Landeshauptmann/die Landeshauptmann soll zum zentralen Entscheidungsträger bei Krisen und in Katastrophenfällen unabhängig von der Zuständigkeit (unter Umständen mehrerer verschiedener) anderer Behörden und Organe berufen sein.

Die Sonderbestimmungen betreffend Wien sollen bestehen bleiben.

8. Stärkung der Gemeinden

Neufassung und klarere Regelung des Abschnitts über die Gemeinden im BVG nach den folgenden Grundsätzen:

Bestandsgarantie der Gemeinden: Änderungen der Gemeindestruktur sollen nur möglich sein, wenn in den betroffenen Gemeinden die Bevölkerung zustimmt.

Einheitsgemeinden: Alle Gemeinden sollen weiterhin unabhängig von ihrer Größe die gleichen Rechte und Pflichten (Kompetenzen) haben.

Statutarstädte: Nur Gemeinden über 20.000 EW, wenn laut Landtagsbeschluss Landes­interessen nicht verletzt werden und wenn die betroffene Bevölkerung dafür stimmt.

Gebietsgemeinden: Aufhebung der Verfassungsbestimmungen

Eigener Wirkungsbereich: Neufassung der teilw. veralteten Bestimmungen;

Aufnahme der Daseinsvorsorge

Aufsichtsrecht: Beschränkung des Aufsichtsrechts, insbesondere keine Auflösung direkt vom Volk gewählter Gemeindeorgane durch Aufsichtsbehörden.

Finanzverfassung: Ausreichendes formelles Anhörungs- und Verhandlungsrecht (nicht Mitentscheidungsrecht!) von Gemeinde- und Städtebund beim Finanzausgleich.

9. Interkommunale Zusammenarbeit

Länder sowie Städte und Gemeinden sollen sowohl im Bereich der Privatwirt­schafts­verwaltung als auch des öffentlich-rechtlichen Vollzugs gemeinsame Einrichtun­gen schaffen können, um im Sinne der Kundenorientierung Abläufe zu beschleunigen und Fachkompetenzen zu bündeln.

Sowohl im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung als auch im öffentlichrechtlichen Bereich soll deshalb die Schaffung von gemeinsamen Einrichtungen und Behörden rechtlich möglich sein. Dafür ist die Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Verträge erfor­derlich, die die Möglichkeit einräumen, eine gemeinsame Behörde über die Grenzen der örtlichen Zuständigkeiten hinaus einzurichten. Entsprechende Rechtsschutzeinrich­tungen für allfällige Streitigkeiten aus solchen öffentlich-rechtlichen Verträgen wären zwingend vorzusehen.


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10. Beseitigung der Doppelgleisigkeiten in der Schulverwaltung

Ziel ist die Schaffung einer einzigen Organisationseinheit für die Angelegenheiten der Schulverwaltung des Bundes und des Landes auf Landesebene unter der Leitung des Landeshauptmannes.

Das ist möglich durch die Einrichtung einer Landesbildungsdirektion, wobei das Bun­desland diese auch als Teil des Amtes der Landesregierung führen kann. Die Organisationsentscheidung steht den Bundesländern frei.

Über die Frage einer Übertragung von Kompetenzen im Bereich der Schulverwaltung und den Ersatz der Kollegialorgane berät die eingangs genannte Expertengruppe.

11. Öffentlicher Dienst

Für den öffentlichen Dienst des Bundes wird eine einheitliche Rechtsform geschaffen, wobei eine Neuverteilung der Lebensverdienstsumme anzustreben ist.

Dienstzeiten bei Einrichtungen der EU und sonstigen internationalen Organisationen sind vollständig anzurechnen.

Über die Frage von einheitlichen Besoldungsgrundsätzen für Bund, Länder und Gemeinden berät die eingangs genannte Expertengruppe.

Der Personalstand des Bundes wird unter Beachtung der, Ausgabenverantwortung und Aufgabenreform weiter konsolidiert. Personalfragen im Zusammenhang mit Reform­vorhaben der Bundesregierung werden im jeweiligen Sachzusammenhang beraten.

Eine Nebengebührenreform wird umgesetzt.

12. Verstärkte Bürgerorientierung

Effizienz, KundInnenorientierung und hohes Tempo bei Wahrung der Rechtssicherheit sind die wichtigsten Kriterien einer modernen Verwaltung.

Jede Behörde hat Standards für Erledigungen festzulegen, wobei die Raschheit und die Reduktion der Verfahrensdauer sowie die Qualität der Leistungserbringung durch die Anwendung von Qualitätsnormen wichtige Kriterien sind. Weiters soll es zu einem Ausbau des One-stop-shop-Prinzips kommen.

Die Gemeinden sind ein besonders wichtiger Partner bei der Umsetzung der e-government-Initiative, da sie den "Kunden" der Verwaltung am nächsten stehen und daher von der Zahl der Kontakte die bedeutendste Ebene darstellen. Grundsätzlich soll jeder Bürger bei jeder Gemeinde Zugang zu jeder Form von e-government auf Bun­des-, Landes- und Gemeindeebene haben.

Zur effizienten Umsetzung der e-government-Strategien sind daher in diesem Zusam­menhang gemeinsam mit den Ländern in der Plattform Digitales Österreich Fortschritte und Ergebnisse einem Monitoring zu unterziehen, um flächendeckend insbesondere in den Gemeinden über sichere elektronische Anlaufstellen zu verfügen und Verfahren durchgehend elektronisch abwickeln zu können.

Die neue österreichische Bundesregierung beabsichtigt im Zuge der Bemühungen um eine Reform der staatlichen Verwaltung Maßnahmen zu ergreifen, die einem Entstehen von Korruption entgegenwirken. In diesem Zusammenhang wird ein Code of conduct ressortübergreifend und in Abstimmung mit den anderen Gebietskörperschaften erarbeitet

Jede Regierungspartei nominiert ein Regierungsmitglied zur Koordination von Verwal­tungsreform- und e-Government-Angelegenheiten


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13. Gemeinsame Anlaufstelle für alle Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Arbeitsmarktes

Im Sinne der rascheren Abwicklung und der Vereinfachung für die KundInnen sollen die Leistungen der Sozialhilfe, der Arbeitslosenunterstützung, der Notstandshilfe etc. organisatorisch auf eine einzige Stelle („One Stop Shop“) mit einem einheitlichen Außenauftritt konzentriert werden. Für die BürgerInnen soll es für alle diese Bereiche, von der Sozialhilfe bis zu Leistungen des AMS,

nur noch eine Ansprechstelle geben. Wegen der unterschiedlichen Strukturen, die diesen Leistungen zugrunde liegen (Fürsorgeprinzip, Versicherungsprinzip) ist hinter diesem „Eingangsportal“ eine komplexe Struktur erforderlich.

Ein entsprechendes Organisationskonzept ist gemeinsam von Bund und Ländern, unter Einbeziehung der Gemeinden und des AMS auszuarbeiten. Im Hinblick auf das Ziel eines serviceorientierten One Stop Shops in den Bezirksverwaltungsbehörden soll dabei auf deren Erfahrungen als bürgernahe Dienstleistungsunternehmen und effi­ziente Vollziehungsbehörden von Bundes- und Landesgesetzen aufgebaut werden.

Die Auszahlung selbst muss nicht zwingend durch die Behörde, sondern kann auch durch Private (beispielsweise durch Banken und Geldinstitute mittels Chipkarte) erfolgen. Die Entscheidung über die Gewährung muss jedoch bei der Behörde bleiben. Es soll dafür keine Agentur geschaffen werden.

Voraussetzung ist, dass jene Behörden, die den One Stop Shop führen, über einen umfassenden Datenzugriff, insbesondere auf Daten der Finanzverwaltung bzw. der Sozialversicherungsträger (Krankenfürsorgeanstalten), verfügen.

Die Reform soll durch eine Vereinbarung zwischen Bund und Ländern gemäß Art. 15a B-VG fixiert werden. Die heutigen Finanzierungsverpflichtungen des Bundes sind sicherzustellen.

14. Einheitlicher Anlagen- und Parteienbegriff

Im Sinne der Rechtssicherheit für Wirtschaftstreibende ebenso wie zur Wahrung der Schutzinteressen der Betroffenen soll es zur Schaffung eines einheitlichen Anlagen­begriffs kommen. Damit verbunden wäre auch ein einheitlicher Parteienbegriff: Insbesondere geht es darum, wer als betroffener Nachbar anzusehen ist und welche Rechte diesem Nachbarn zukommen.

Um dieses Ziel raschestmöglich zu erreichen, ist beim Bundeskanzleramt eine Expertengruppe einzusetzen, in der erfahrene Praktiker von Bund, Ländern und Gemeinden mit viel Erfahrung in den einzelnen Bereichen des Anlagenrechts vertreten sind, die innerhalb eines halben Jahres einen

Maßnahmenkatalog ausarbeiten soll.

Außerdem sollen die rechtlichen Grundlagen für die Bildung von Sachverständigen-Pools geschaffen werden. Dadurch können Amtssachverständige bei allen Gebiets­körperschaften eingesetzt werden.

15. Aufgabenreform

Bei Gesetzen und Verordnungen besteht die Notwendigkeit, auch volkswirtschaftliche Folgekosten auszuweisen, weiters auf die Einfachheit, Klarheit etc. von Regelungen zu achten. Bei der Umsetzung von EU-Richtlinien sollen Normen, die über die Umsetzung hinausgehen, besonders dargestellt werden. Bestehende Gesetze und Verordnungen sind nach den Kriterien Folgekosten und effiziente Regelungsmechanismen zu


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durchleuchten. Die Überprüfung von Regelungen, die die Unternehmen mit Verwal­tungskosten belasten, nach dem „Standard-Kosten-Modell“ ist fortzusetzen und auszu­weiten und die Ergebnisse sind möglichst rasch umzusetzen.

Die heute bestehenden Mitwirkungsrechte zwischen den Ministerien sollen weitest­gehend durch eine Informationsverpflichtung abgelöst werden.

Zur Kostenreduktion ist bei Reformen auf den Grundsatz zu achten, dass dieAufgaben- und Ausgabenverantwortung zusammenfällt und damit diejenigeEinheit, die Maß­nahmen beschließt, auch jene ist, die die Kosten dafür zu tragen hat. Eine Kostenrechnung des Bundes für alle Verwaltungsbereiche nach gleichen Grundsätzen ist anzustreben.

Effizienzsteigerungen sind von der Umstellung von Einzel- auf Typengenehmigungen zu erwarten, das One stop-Prinzip für die Wirtschaft(unter Wahrung des Rechts­schutzes) sowie die weitestgehende Konzentration von Bewilligungs- und Kontroll­tätigkeiten.

16. Mitwirkung EU

Zur Verbesserung der Mitwirkung von National- und Bundesrat und Ländern an der Willensbildung der EU erfolgt eine regelmäßige, aktuelle und aktiveInformation durch die zuständigen Bundesminister

17. Verfassungsbereinigung

Zusammen mit der ersten großen inhaltlichen Verfassungsnovelle ist eine Verfas­sungs­bereinigung auf Basis der Vorschläge des Ausschusses 2 des Österreich­konvents und entsprechend den Vorarbeiten der dazu eingesetzten Arbeitsgruppe vorzunehmen.

Grundlage dieser Verfassungsbereinigung soll über die Vereinbarung der Parteien im Besonderen Ausschuss betreffend Staatsgrenzen undStaatsverträge hinaus eine generelle Regelung der weisungsfreien Behörden sein. In Hinkunft sollen Staats­verträge, die zur Selbstabänderung berechtigen, ohne Verfassungsänderung beschlos­sen werden können. Nationalrat und Bundesrat soll jedoch ein Vorbehaltsrecht eingeräumt werden.

In der Bundesverfassung wird eine generelle Ermächtigung des einfachen Gesetz­gebers zur Weisungsfreistellung von Behörden vorgesehen. In dieser Ermächtigung werden die für derartige Behörden geltenden Mindestanforderungen betreffend den Rechtsschutz gegen ihre Entscheidungen, die politische Verantwortung für ihre Entscheidungen und die parlamentarischen Kontrollrechte festgelegt. Der Bestand der bereits eingerichteten Rechtsschutzorgane wird verfassungsgesetzlich abgesichert.

Die Vertretung der Bundesminister wird im Einvernehmen mit der Präsident­schafts­kanzlei vereinfacht.

Die Aufnahme eines Katalogs der Grundprinzipien und von Grundsätzen(Staatszielen) am Beginn der Verfassung ist anzustreben (insbesondere sozialer und liberaler Rechtsstaat, Friedenspolitik, Atomfreiheit, BestandschutzWasserkraft und Forst).

Ein weiteres Ziel der Verfassungsreform in dieser Gesetzgebungsperiode wird die Schaffung eines „relativen Inkorporationsgebotes“ sein, was einen

umfassenden Einbau aller Verfassungsgesetze und Verfassungsbestimmungen erfordert. Dafür gelten folgende Grundsätze:

Alle wesentlichen Bestimmungen sollen in der Stammurkunde der Verfassung zusam­mengeführt werden. Daneben soll es nur die in der Verfassung selbst ausdrücklich


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genannten „Verfassungstrabanten“ sowie vorübergehend ein Verfassungsbegleitgesetz geben. Als Verfassungstrabanten sollen historisch bedeutsame Verfassungsgesetze Bestandteil der Bundesverfassung bleiben. Das Verfassungsbegleitgesetz soll Über­gangsbestimmungen sowie temporär noch nötige Vorschriften enthalten, selbst jedoch auch zeitlich befristet sein.

Die zahlreichen verstreuten Verfassungsbestimmungen sollen inkorporiert oder als Verfassungsrecht beseitigt werden.

Verfassungsänderungen sollen in Zukunft nur durch eine Änderung der Stammurkunde der Verfassung möglich sein. Verfassungsrang mit Ausnahme, der Verfassungs­trabanten soll es nicht mehr geben.

Die nähere Ausgestaltung politisch sensibler Bereiche materiellen Verfassungsrechts, dessen Grundsätze allein in der Bundesverfassung determiniert sind, soll durch „verfassungsausführende Bundesgesetze“ erfolgen, die selbst nicht formelles Verfas­sungsrecht sind, aber einer erhöhten Bestandskraft unterliegen („Zweidrittelgesetze“).

Um den Rechtszugang der BürgerInnen zu verbessern, ist zu prüfen, ob das Rechts­informationssystem des Bundes nach einer Überarbeitung im Sinne einer „per­manenten Wiederverlautbarung“ als authentische Rechtsquelle gestaltet werden kann.

Über die Fragen einer Präambel und einer Änderung des Legalitätsprinzips berät die eingangs genannte Expertengruppe.

Wirtschaft/Standort/Arbeit

Wirtschaftspolitik

Die Bundesregierung bekennt sich zu einer sozialen und ökologisch nachhaltigen Marktwirtschaft mit fairem Wettbewerb. Die Bundesregierung unterstützt die zukünftige Entwicklung der Markwirtschaft. Sie soll unter fairen, geregelten Rahmenbedingungen, begleitet von bestens ausgebildeten Menschen, hervorragender Infrastruktur, funk­tionie­rendem Gemeinwesen, laufender Erneuerung der sozialen Systeme und sozialer Absicherung des/der Einzelnen, gerechter Beteiligung aller Menschen an der Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts mit dem Ziel der Steigerung der Massen­kaufkraft, Ausbau der Bildung einschließlich des lebensbegleitenden Lernens, laufen­der Entfaltung von Wissenschaft, Forschung und Entwicklung, besseren Arbeits­bedingungen und fairem Wettbewerb, der im Sinne einer sozial gerechten, innovativen Wettbewerbswirtschaft erfolgen. Ferner ist die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung mit erschwinglichen und qualitativ hochwertigen Dienstleistungen durch das Prinzip der Universaldienste (wie z. B. bei der Telekommunikation) zu garantieren. Die Weiterentwicklung und Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschafts- und Arbeitsstandortes im Rahmen der europäischen Partnerschaft für Wachstum und Beschäftigung – Lissabon-Prozess – ist ein erklärtes Ziel.

Wachstums- und Konjunkturpolitik

Eine effiziente Wachstums- und Konjunkturpolitik erfordert im Interesse von mehr Wachstum und mehr Beschäftigung einen ausgewogenen Mix aus ausgabenseitigen und steuerlichen Maßnahmen, wobei die Bundesregierung in diesem Zusammenhang insbesondere folgende Maßnahmen setzen und Ziele verfolgen will:

Ausbau und Modernisierung der Infrastruktur; Programm für Infrastrukturinvestitionen (Schiene, Straße, Energieversorgung, Kommunikationsnetze), ein Althaussanierungs­programm mit Schwerpunkt Energiesparen, ein Energieinfrastruktur-Ausbauprogramm inklusive Ausbau von umweltfreundlicher Energie und Nutzung der Energiespar­möglichkeiten,


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Erleichterung der Anwendung von PPP-Modellen durch entsprechende Anpassung relevanter Bestimmungen für Ausschreibungen,

Entlastung des Faktors Arbeit

Verbesserung der Aus- und Weiterbildung,

Schaffung eines weltweit wettbewerbsfähigen Innovationsumfeldes (Forschung und Entwicklung, Bildung); Anhebung der Forschungs- und Entwicklungsquote auf kurz­fristig 3 % des BIP bis 2010, und qualitative Verbesserung der Forschungs- und Entwicklungspolitik durch Konzentration auf Clusterbildung zwischen Wirtschaft und Wissenschaft,

Verstärkung der aktiven Arbeitsmarktpolitik,

Für die Entwicklung des Standortes spielt die österreichische Industrie als Auftrag­geber z.B. für KMU als Zulieferbetriebe eine Schlüsselrolle; dafür müssen die Leitbetriebe (leading competence units) und die in Österreich angesiedelten Konzern­zentralen (Headquarter-Politik) in den wirtschafts- und standortpolitischen Maßnahmen ebenso Berücksichtigung finden, wie der weiterhin stark wachsende Dienstleistungs­sektor.

Spezielle Maßnahmen für KMU,

Abbau von Wettbewerbsbeschränkungen, etwa beim Zugang zu den freien Berufen, sowie Verbesserung der Regulierungen zur Förderung eines funktionierenden Wett­bewerbs, eine innovative, kooperative und qualitativ hochwertige öffentliche Verwal­tung; Effizienzsteigerung der öffentlichen Verwaltung; Umsetzung eines Standard Cost Models,

Belebung und Unterstützung des österreichischen Kapitalmarktes,

eine aktive Außenhandelspolitik zur Unterstützung einer Exportoffensive,

Unterstützung der österreichischen Unternehmen bei ihrer Internationalisierung, insbesondere bei der Expansion durch Markterschließung, Übernahme ausländischer Unternehmen und Investitionen im mittel- und osteuropäischen Raum

Begleitung von Projekten österreichischer Unternehmen in Dritte-Welt-Staaten durch Entwicklungshilfemaßnahmen,

schwerpunktorientierte Betriebs-Ansiedlungspolitik und Förderung von Direktinves­titionen,

bestmögliche Berücksichtigung der Interessen österreichischer KMU im Rahmen der Vergabepraxis und diesbezügliche Prüfung des innerösterreichischen Rechtsrahmens,

ein Förderprogramm für die Tourismus- und Freizeitwirtschaft,

Projekte der Grenzlandförderung für Verbesserung und Ausbau der Wirtschafts­beziehungen Österreichs mit den EU-Erweiterungsländern,

ine auf den regionalen Ausgleich ausgerichtete Struktur und Politik; eine bestmögliche Inanspruchnahme der EU-Strukturfonds; eine Standortentwicklung in Kooperation mit der EU unter Ausnutzung der EU-Programme,

eine ausgewogene Wirtschaftsstruktur mit größtmöglicher Wertschöpfung in Österreich

einen nach ökologischen Kriterien ausgerichteten Wirtschaftsstandort mit hoher Lebens­qualität für die Menschen,

Sicherstellung von qualitativ hochwertigen Dienstleistungen von allgemeinem Inter­esse,


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Nachhaltige Forcierung der Mitarbeiterbeteiligung mit Zugangsmöglichkeiten für alle Arbeitnehmer (Gewinn- und/oder Kapitalbeteiligung).

Wettbewerbspolitik

Grundsätzliches:

Wettbewerb soll im Interesse der Menschen, der KonsumentInnen, der öster­reichischen Klein- und Mittelbetriebe, der österreichischen Industrie und der in diesen Betrieben Beschäftigten stattfinden. Dem Staat kommt wesentliche Verantwortung für die Funktionsfähigkeit der Märkte zu.

Dafür will die Bundesregierung folgendes sicherstellen:

klare Regeln und strenge Kontrolle für den Markt

eine vollziehbare und qualitativ hochwertige Kontrolle des Marktmachtmissbrauchs

eine effiziente Fusionskontrolle in ausgewählten Bereichen nach volkswirtschaftlichen Kriterien

Chancengleichheit und fairer Wettbewerb im österreichischen Gewerbe

zur Sicherung der Qualitätsstandards Einführung eines geschützten Gütesiegels „Meisterbetrieb" als Orientierungshilfe für die KonsumentInnen prüfen, entsprechenden Bericht einer Expertenkommission soll bis Ende 2007 vorlegen,

bewährte duale Ausbildung (Praxis plus Berufschule) soll auch in Zukunft das gängige Ausbildungsmodell für den gewerblichen Meisterbetrieb oder eine Karriere als Facharbeitskraft sein.

Mehr Wettbewerb bei den Freien Berufen

Nicht nur aus wettbewerbspolitischen, sondern auch aus beschäftigungspolitischen Erwägungen soll es mehr Wettbewerb und leichteren Zugang bei den Freien Berufen geben. Dabei soll es im Hinblick auf die angebotenen Dienstleistungen aber auch der einzelnen Zulassungsverfahren zu einem Mehr an Transparenz kommen um die Berufschancen für Absolventen und Berufseinsteiger zu verbessern. Gebietsschutz­regelungen sollen auf ihre Notwendigkeit überprüft werden. Schließlich sollen Aus­bildungszeiten einschließlich erforderlicher Praxiszeiten in Richtung möglicher Straf­fung überprüft werden.

Kartellrecht

Insbesondere sollen zur Vermeidung von Doppelgleisigkeiten die Kompetenzen des Bundeskartellanwaltes und der BWB in die BWB zusammengeführt werden. Die Schaffung einer erstinstanzlichen Entscheidungskompetenz der BWB ist zu prüfen.

Klein- und Mittelbetriebe

Ziel ist, den Klein- und Mittelbetrieben eine gesicherte Basis für ihre Wirtschaftstätigkeit zu geben und daher echte Chancengleichheit für KMU. Für eine gute Zukunft der Klein- und Mittelbetriebe in Österreich braucht es neben der Entlastung des Faktors Arbeit und einer Entlastung für kleine und mittlere Einkommen vor allem öffentliche Investitionen und Anreize für Unternehmensinvestitionen, zu denen sich die Bundes­regierung bekennt.

Darüber hinaus will die Bundesregierung die Rahmenbedingungen für KMU insofern verbessern, dass günstiges Kapital für nötige Investitionen bereitgestellt wird, Betriebs­übergaben rechtlich erleichtert sowie steuerlich gefördert werden und auch Unterneh­mensgründungen umfassend gefördert werden.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 260

Die Förderrichtlinien sollen im Hinblick auf Innovation, auf die Beschäftigungswirkung und das Setzen von Wachstumsimpulsen überprüft werden.

Erleichterungen bei Betriebsübergaben:

durch one-stop-shops oder Agentur-Lösungen,

durch Korrekturen im Bereich des Anlagenrechts (Ausbau der Fristen für die Aktuali­sierung und Adaptierung der gewerblichen Anlagen anlässlich des Betriebsübergangs),

Das Mietrecht soll dahin gehend verbessert werden, dass Geschäftsmieten anlässlich eines Betriebsübergangs nicht über Gebühr angehoben werden können. In diesem Sinn sollen insbesondere Kleinbetriebe einen gewissen erweiterten Mietrechtsschutz erhalten.

Offensive für Jungunternehmer:

Kosten für Unternehmensgründer durch mehr Wettbewerb im Bereich der Freien Berufe (Notare, Rechtsanwälte) weiter senken und Prüfung der Einrichtung eines Stabilitätsfonds um jungen innovativen Unternehmen Risikokapital zur Verfügung zu stellen

One-Stop-Shop-Prinzip, das auch die Fördersysteme miteinbezieht;

ausreichendes Angebot an Gründerzentren bzw. Inkubatoren flächendeckend sicher­stellen;

öffentlich finanziertes Gründer-Coaching prüfen,

Beraterhaftung der WirtschaftstreuhänderInnen, NotarInnen und AnwältInnen aus­bauen bzw. verstärken;

die bestehenden Möglichkeiten einer Kapitalgarantie verstärkt nutzen.

Mikrofinanzierungen für Gründer/-innen zu geeigneten Konditionen durch Anpassung des Mikrokreditinstrumentariums sollen weiter ausgebaut werden. Dabei soll ins­besondere auch die Mikrokreditfazilität des europäischen Investitionsfonds EIF best­möglich in Anspruch genommen werden.

Ladenöffnung

Unter Beibehaltung der geltenden Bestimmungen betreffend die Sonntagsruhe soll die Ladenöffnung jedenfalls von Montag bis Freitag von 6 Uhr bis 21 Uhr, Samstag bis 18 Uhr möglich sein. Der wöchentliche Öffnungszeitenrahmen soll entsprechend einem Sozialpartnerkonsens auf 72 Stunden ausgeweitet werden. Die Neuordnung der Ladenöffnungszeiten soll spätestens am 1.1.2008 in Kraft treten.

Stärkung des Finanzstandortes

Die Bundesregierung will bestmögliche Rahmenbedingungen für den österreichischen Kapitalmarkt, insbesondere die erfolgreiche Wiener Börse sicherstellen, um die erfolg­reiche Expansion österreichischer Unternehmen in die Länder Mittel- und Osteuropas bestmöglich zu unterstützen.

Grundsätzliche Ziele sind:

eine Stärkung des österreichischen Kapitalmarktes als regionales Finanzzentrum,

eine breite, bedarfsgerechte Finanzierung der Investitionen, d.h. eine ausreichende Versorgung der Wirtschaft mit (Risiko-)Kapital,

starke Kernaktionäre und eine breite Streuung der Aktien,

eine effiziente Finanzmarktaufsicht und -regulierung,


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 261

Maßnahmen gegen Insiderhandel und -missbrauch,

eine Verbesserung der stärkere Verbindlichkeit der Corporate Governance,

die Verknüpfung von wirtschaftlichem Erfolg mit gesellschaftlicher Verantwortung (CSR)

ein verstärkten Anlegerschutz.

Initiierung weiterer regionaler Investorencluster

Investorencluster sollen von der Bundesregierung und den Bundesländern initiiert und deren Einrichtung sowie Betrieb unterstützt werden. Sie können auch mit staatlichen Kapitalgarantien versehen werden, um die Menschen zu motivieren, wieder verstärkt in ihre regionalen Unternehmen zu investieren.

Tourismus- und Freizeitwirtschaft

Der Tourismus hat große Bedeutung für die heimische Wirtschaft, die Arbeitsplätze und den Standort Österreich. Die Bundesregierung bekennt sich dazu, eine wachs­tumsorientierte Tourismusstrategie mit dem Ziel eines qualitätsvollen Ganzjahres­tourismus zu forcieren, Klein- und Mittelbetriebe als leistungsfähige Wettbewerbs­einheiten und Destinationen zu positionieren, für eine bestmögliche Qualifikation der Arbeitnehmerinnen zu sorgen und die Internationalisierung der Herkunftsmärkte voranzutreiben. Insbesondere soll dies durch folgende Maßnahmen sichergestellt werden:

Errichtung von Modellregionen; Erhöhung der Tourismusförderung insbesondere über Ausweitung von Garantien und Risikokapitalfonds; Sonderförderprogramme für Touris­musschulen; Sicherstellung einer guten Bewerbung der Euro 2008 (12 Mio. Euro mit einer 50:50 Finanzierung Bund:host cities bzw. Länder); Entwicklung und Unter­stützung saisonverlängernder Maßnahmen; Weiterführung des alpinen Schutzhütten­programms.

Als Initiative für den Kulturtourismus ist die Schaffung eines Museums über die Geschichte der Habsburger im Schloss Schönbrunn vorgesehen („Imperial Austria“).

Kreativwirtschaft

Um der zunehmenden gesamtwirtschaftlichen Bedeutung der österreichischen Kreativ­wirtschaft gerecht zu werden, will die Bundesregierung folgende Maßnahmen setzen:

Forcierung der kulturellen Aus- und Weiterbildung; Entwicklung von politischen, ökonomischen und sozialen Bedingungen, um Freiräume für alle Formen von Kunst und Kultur sicherzustellen; Verbesserung der Governancestrukturen, d.h. Verknüpfung von Kultur-, Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik, um das gesellschaftliche und wirtschaftliche Zukunftspotential des kulturellen Sektors entwickeln zu können; Aufbau eines konsistenten Förderinstrumentariums für die in der Kreativwirtschaft tätigen Unternehmen, insbesondere Strategieplan

Kreativwirtschaft, Beratung und Know-how-Vermittlung, Ausbau von Innovationsförde­rung, Zugang zu externen Finanzierungsquellen etc.; Stärkung des Know-how-Trans­fers für urheberrechtsbasierte Verwertungsstrategien.

Außenwirtschaft

Es gilt, in den Prozess der Globalisierung politisch stärker einzugreifen als bisher und sowohl Chancen stärker zu nutzen als auch negative Entwicklungen zu stoppen. Gesellschaftspolitische Wertvorstellungen wie sozialer Ausgleich, kulturelle Vielfalt und Schutz der Umwelt müssen deutlicher als bisher ihren Niederschlag im Regelwerk der globalen Wirtschaft finden; es geht um eine gerechte Gestaltung der Globalisierung.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 262

Die Bundesregierung strebt eine weitere Internationalisierung der österreichischen Wirtschaft an, d.h. die Steigerung der Exporte von Waren, Dienstleistungen und Auslandsdirektinvestitionen.

Im Hinblick auf die Bedeutung der Exportwirtschaft und die Notwendigkeit der weiteren Internationalisierung der österreichischen Wirtschaft beabsichtigt die Bundesregierung die Fortsetzung der Internationalisierungsoffensive. Die Bundesregierung bekennt sich zur Förderung der Attraktivität Österreichs als Investitionsstandort und als Sitz inter­nationaler Unternehmen (Headquarter-Politik).

Dienstleistungshandel im Rahmen der WTO und des GATS

Im Rahmen ihrer Außenhandelspolitik wird sich die Bundesregierung für folgende Zielsetzungen einsetzen:

Eine Fortsetzung der (derzeit suspendierten) WTO-Doha-Verhandlungen ist angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung der weiteren Verbesserung des Marktzugangs und der Handelsregeln auf multilateraler Ebene von großer Bedeutung. Die Bundesregierung wird sich im Rahmen der EU für möglichst weit reichende und ausgewogene Ergeb­nisse einsetzen.

klare Grenzziehung zwischen kommerziellen und öffentlichen Dienstleistungen: Die Bundesregierung wird sich auf EU-Ebene dafür einsetzen, dass in den laufenden GATS-Verhandlungen öffentliche Dienstleistungen wie Gesundheits- und Bildungs­wesen, Wasserver- und -entsorgung, Kunst und Kultur (einschließlich Film) und öffentlicher Personennahverkehr nicht weiter liberalisiert werden. Über die laufenden Verhandlungen wird das Parlament umfassend informiert und eingebunden. Gegen­über der Öffentlichkeit wird – im Rahmen der EU-Vorgabe – größtmögliche Trans­parenz gewährleistet.

Europäische Wirtschaft

Chancen für die Wirtschaft in Europa nutzen

Die Bundesregierung will die Chancen, die Europa und die Europäische Union bieten, für die österreichische Wirtschaft bestmöglich nutzen und wird daher im Rahmen der Europäischen Union für die folgenden Maßnahmen eintreten:

Ausbau der Transeuropäischen Netze, Förderung neuer Technologien sowohl im Bereich der Spitzentechnologie als auch der umsetzungsfähigen Technologien für KMU; Schwerpunkt im EU-Budget für konjunkturfördernde Maßnahmen; Stärkung der KMU durch Abbau von Marktzutrittsbarrieren und verbessertem Zugang zu Kapital­märkten; Umweltschutz bzw. nachhaltiges Wirtschaften als ein Element der ökonomischen und sozialen Entwicklung.

Die Übergangsfristen bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit und bei der Dienstleistungs­freiheit sollen offensiv genutzt werden, um den österreichischen Arbeitsmarkt und die Grenzregionen auf die Öffnung gegenüber Mittel- und Osteuropa vorzubereiten.

Arbeitsmarkt & Arbeitswelt

Ziel unserer Politik ist Wachstum und Vollbeschäftigung. Viele Vorhaben dieses Kapitel des Regierungsprogramms basieren auf gemeinsamen Sozialpartnervorschlägen aus dem Dokument „Wachstum und

Vollbeschäftigung“ (Dezember 2006) und dem WIFO-Weißbuch „Mehr Beschäftigung durch Wachstum auf Basis von Innovation und Qualifikation“ (Oktober 2006). Die genannten Dokumente enthalten nicht nur nähere Details, sondern auch weitere sinnvolle Vorschläge zur Stärkung des österreichischen Arbeitsmarktes. Ein Mindest-


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lohn von 1000 € im Monat auf Vollzeitbasis soll durch die Sozialpartner im Rahmen eines Generalkollektivvertrages umgesetzt werden.

1) Jugendbeschäftigung/Lehrlinge

Ziele:

Stärkung der Lehre; leistungsstärkere Lehrlinge auf höherem Niveau.

Bessere Durchlässigkeit zwischen Lehrlingsausbildungssystem und dem schuli­schen/universitären Bildungssystem; kein Abschluss ohne Anschluss- Bildungschance (keine Sackgassen).

Maßnahmen:

Verlängerung des Blum-Bonus um ein Jahr bis 6/2008 (Modifizierung in Richtung Stärkung von Zukunftsberufen und Qualitätskriterien prüfen)

Weiterentwicklung des JASG durch reguläre Erstausbildungsangebote mit Lehr- oder gleichwertigem Abschluss (praxisorientierte Schulangebote, überbetriebliche Lehrwerk­stätten)

Reform der 9. Schulstufe - Nachholmöglichkeiten fehlender Grundkenntnisse und intensive und praxisnahe Berufsorientierung

Für Jugendliche, die mehrfach eine Erstausbildung abgebrochen haben, soll dieses Schulangebot zur Vorbereitung auf die berufliche Erstausbildung ausgedehnt werden (dänisches Modell)

Berufsmatura: Bessere Anrechenbarkeit der Lehrabschlussprüfung auf die Fach­bereichsprüfung.

Berufschule: Erhöhung der Durchlässigkeit Berufschule – sonstige Schulen: verbes­serte Anrechnung.

Wechselseitige Kündigungsmöglichkeit (Kündigungsfrist 1 Monat) am Ende des ersten und zweiten Lehrjahres; gleichzeitig vorheriges Mediationsverfahren (Abschluss vor dem Zeitpunkt des Kündigungstermines) und danach Aufnahmegarantie für den Lehrling in die Erstausbildungsangebote.

Vorantreibung des Modularkonzeptes auf Sozialpartnerebene bis Mitte 2007

Beibehaltung der Lehrlingsausbildungsprämie von 1.000 €.

Förderung von überbetrieblichen Ausbildungsverbünden (bestehende Modelle OÖ, Tirol, Vorarlberg) auf ganzes Bundesgebiet ausdehnen. Auch für diese Verbünde wird die Lehrlingsausbildungsprämie bereitgestellt.

Durchforstung der Lehrpläne von Berufschulen auf Verankerung von Fremd­sprachen­kenntnissen, IT-Ausbildung und Schlüsselqualifikationen; bessere Aus- und Weiter­bildungsangebote für Ausbildnerinnen.

2) Weiterbildung

Ziele:

Bildungs- und Wissensstandort Österreich: Ausbau als Exzellenzstandort, weitere Verrin­gerung der sozialen Selektion beim Bildungszugang.

Forcierung des Lebenslangen Lernens (LLL).


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Maßnahmen:

Ausarbeitung eines LLL-Strategiepapiers (WIFI, BFI, LFI): Attraktivierung der Bildungs­karenz, Weiterbildung in Implacementstiftungen, Job-Rotation- Modelle und Qualifizie­rungsverbünde, etc.

Regionalisierung der Weiterbildung: Regionale Sozialpartner vernetzen Branchen, Betriebe und regionale Institutionen und erarbeiten zielgruppenspezifische Strategien zur Beseitigung von Weiterbildungshindernissen und leisten einen Beitrag zur Er­höhung der Weiterbildungsbeteiligung (Lernende Region)

Reform und Attraktivierung der Bildungskarenz: es bleibt bei notwendigem Einver­nehmen Arbeitgeber – Arbeitnehmer, Erleichterungen für Inanspruchnahme: nur 1 Jahr statt 3 Jahre Betriebszugehörigkeit,

Weiterbildungsgeld – Höhe des fiktiven Arbeitslosengelds.

Förderung der Weiterbildung für die Generation 40+

3) Ältere Arbeitnehmer

Ziel:

Nationales Aktionsprogramm zur Hebung der Beschäftigungsquote und -fähigkeit der Älteren (Lissabon-Ziel)

Maßnahmen:

Kundenfreundlicherer Einsatz der Eingliederungsbeihilfe durch Eingliederungsbeihilfen­schecks in Kooperation mit dem AMS

Neuordnung der Altersteilzeit-Regelung: nach Vorschlag der Sozialpartner bis Mitte 2007

Beratungs-, Betreuungs- und Eingliederungsangebote für gesundheitlich gefährdete oder beeinträchtigte ArbeitnehmerInnen systematisieren und bündeln (Ziel: flächen­deckendes Angebot).

AMS: Forcieren der Zusammenarbeit mit privaten und gemeinnützigen Arbeitskräfte­überlassern speziell für die Personengruppe der älteren ArbeitnehmerInnen.

4) Aktive Arbeitsmarktpolitik

Ziele:

Fortführung der AMS-Politik „Arbeitslose aktivieren, fördern und qualifizieren statt verwalten“; Nachfragestimulierung.

Qualität der Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik einschließlich derVermittlung verbessern.

Kundenzufriedenheit (Arbeitgeber und Arbeitsuchende) erhöhen.

Maßnahmen:

Modernisierung und Verbesserung der Arbeitsvermittlung und Betreuung:

Verstärkter Einsatz des Prinzips der Einzelfall-Betreuung durch systematisches Case Management, verstärkter Einsatz privater Anbieter unter Verwendung erfolgsabhän­giger Entgelte.

Senkung des Betreuungsschlüssels für Gruppen schwervermittelbarer Arbeits­suchender.

Enge Verknüpfung von privater und staatlicher Arbeitsvermittlung.


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Fortführung des Projekts „Der Jugend eine Chance“ durch das AMS.

Langzeitarbeitslose: Beschäftigung bei privaten und gemeinnützigen Arbeitskräfte­überlassern forcieren.

Zumutbarkeitsbestimmungen: Nach Abschluss der bis Sommer 2007 laufenden Evaluierung Modifizierung im Hinblick auf Effizienz, Effektivität und österreichweite Mobilität von Arbeitssuchenden bei weiterer Berücksichtigung von Betreuungspflichten.

Bessere Abstimmung von Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und Sozialhilfe um Versor­gungs­lücken und Unterversorgung zu vermeiden; im Rahmen derbestehenden Finanzierungsstruktur.

Prüfung einer Lohnnebenkostensenkung im Rahmen der nächsten Steuerreform

Überprüfung von rechtlichen Hindernissen für Arbeitssuchende, die eine Weiterbildung machen wollen, z.B. Abendstudium während Arbeitslosigkeit.

Evaluierung Kombilohn-Modell für Problemgruppen am Arbeitsmarkt

5) Migration – Arbeitsmarktintegration – Ausländerbeschäftigung

Ziele:

Vorbereitung des österreichischen Arbeitsmarktes auf den Wegfall der Übergangs­fristen.

Selektive Immigration durch Schlüsselkräfte mit Bedarfsprüfung.

Maßnahmen:

Saisonniers: Vorrang für EU-Angehörige ohne Freizügigkeit. Im Bereich der Land­wirtschaft soll nach dreijähriger Tätigkeit einer Person als Saisonier dieTätigkeitsdauer ab dem vierten Jahr auf neun Monate verlängert werden.

Bilaterale Abkommen zwischen den einzelnen Staaten: Während der Übergangsfristen sollten bilaterale Beschäftigungsabkommen mit den neuen Mitgliedstaaten, vorrangig mit den Nachbarstaaten, abgeschlossen werden.

Grenzüberschreitende Kooperation der nationalen AMS, insbesondere in den Grenzregionen.

Schlüsselkräfte: Flexibilisierung innerhalb des bestehenden Schlüsselkräfte- Kontin­gents. Bedarfsfeststellung durch Regierung, Sozialpartner, AMS undWIFO für die jeweils nächsten 24 Monate.

Fachkräfte: Für Fachkräfte aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten ist in Branchen mit besonderem, aus dem verfügbaren Arbeitskräftepotential nicht abdeckbaren Bedarf eine flexible Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen vorgesehen. Dabei sind die Sozialpartner im Rahmen einer Arbeitsmarktprüfung anzuhören um allfällige Begleitmaßnahmen vorzuschlagen.

Forscher: Weitergehende Ausnahme für Forscher aus dem Ausländer­beschäftigungs­gesetz, die deren Tätigkeit auch über reine Forschungseinrichtungen hinaus in allen Bereichen der Wirtschaft ermöglicht.

Weiters sollen Forscher aufenthaltsrechtlich durch entsprechende Anpassungen im Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz den Schlüsselkräften

gleichgestellt werden.

Umfassende Integration zugezogener Migranten und Migrantinnen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 266

Dienstleistungsrichtlinie: Eintreten für ein EU-weites Verwaltungsvollstreckungs­abkom­men im Rahmen der nationalen Umsetzungen der Dienstleistungsrichtlinie, um Sozial- und Lohndumping wirkungsvoll bekämpfen zu können.

6) Bekämpfung von Schwarzarbeit

Ziel:

Erhöhung der Einnahmen aus Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen durch Reduktion der Schwarzarbeit.

Maßnahmen:

Kontrolle von allen neu gegründeten Bauunternehmen sofort ab Lösen der Steuer­nummer bzw. ab Meldung bei der BUAK durch abgabenrechtlichen Erhebungsdienst des BMF hinsichtlich ihrer betrieborganisatorischen Grundvoraussetzungen (Infra­struktur), bezogen auf ihren Unternehmensgegenstand.

Verstärkte Kontrolle der Ausländerbeschäftigung sowie der nach Österreich grenz­überschreitend entsandten Arbeitskräfte und der dabei einzuhaltenden Lohn- und Arbeitsbedingungen; Verbesserung der Rechtsdurchsetzung betreffend die Entsende-Richtlinie im EU-Ausland.

Sozialversicherungsrechtliche Anmeldung vor Arbeitsaufnahme

Strengere Sanktionen gegen pfuschende Arbeitslose, Notstandshilfebezieher und Sozialhilfeempfänger, z.B. beim ersten Mal 6 Wochen Sperre, beim zweiten Mal 12 Wochen.

Generalunternehmer/Subunternehmer: Haftung „Auftraggeber/Generalunternehmer“ für Dienstgeberbeiträge zur Sozialversicherung für Arbeitnehmer des Subunter­nehmers/Vertragspartners als Bürge gem. § 1355 ABGB (kein Bürge und Zahler, sondern Bürge).

Wirkungsvolle Maßnahmen gegen Scheinselbständigkeit.

Straftatbestände im Sozialbetrugsgesetz realitätsnäher gestalten.

7) Arbeitszeitflexibilisierung

Ziele:

Flexibilisierung des gesetzlichen Arbeitszeitrechts unter Berücksichtigung der EU-Arbeitszeitrichtlinie.

Umsetzung in materieller Hinsicht durch die Kollektivvertragspartner.

Verbesserte Durchsetzung des Arbeitszeitschutzes zur Förderung des Gesundheits­schutzes und der Vereinbarkeit von Beruf und Familie bzw. Freizeit.

Mehr Kostengerechtigkeit zwischen Teilzeitarbeit und Vollzeitarbeit, um die Zerlegung von Vollzeitarbeitsplätzen in nicht existenzsichernde Teilzeitplätze einzudämmen; faire Abgeltung der im betrieblichen Interesse eingebrachten Flexibilität von Teilzeitbeschäf­tigten.

Vereinfachung solcher flexibler Arbeitszeitmodelle, die im Interesse beider Arbeits­vertragsparteien liegen.

Maßnahmen:

Flexibilisierung des gesetzlichen Arbeitszeitrechts:

Anhebung der täglichen und wöchentlichen Höchstarbeitszeitgrenzen (12/60) durch Ausweitung der bestehenden Regelung des § 7 Abs 4 AZG (Ausweitung der


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 267

maximalen 12 Wochen auf bis zu 24 Wochen (3 mal 8, dazwischen jeweils zumindest 2 Wochen keine zusätzlichen Überstunden); Öffnung auch für schriftliche Einzel­vereinbarungen in Betrieben ohne Betriebsrat bei arbeitsmedizinischer Unbedenk­lichkeit)

12-Stunden Schichten durch Kollektivvertrag bei arbeitsmedizinischer Unbedenk­lichkeit.

Kollektivvertragliche Gestaltungsmöglichkeiten: Generelle Ermächtigung an den Kollektivvertrag, die tägliche Normalarbeitszeit auf bis zu 10 Stunden anzuheben.

Stärkung der betrieblichen Ebene: Die Betriebsebene soll immerdann zur Regelung ermächtigt sein, wenn auf Arbeitgeber-Seite keine kollektivvertragsfähige Interessen­vertretung besteht.

Flexiblere Gleitzeit: Anhebung der täglichen Normalarbeitszeitgrenze bei Gleitzeit auf 10 Stunden.

4-Tage-Woche: Das Arbeitszeitgesetz soll - auch für nicht zusammenhängende Tage - eine 4-Tage-Woche (4 mal 10 Stunden) durch Betriebsvereinbarung, in Betrieben ohne Betriebsrat durch Einzelvereinbarung, zulassen.

Einarbeiten durch regelmäßige Mehrarbeit in Verbindung mit Feiertagen: Einar­beitungszeitraum grundsätzlich 13 (statt 7) Wochen, tägliche Normalarbeitszeit bis 10 Stunden.

Flexibilisierung der Lage der Wochenendruhe im Schichtbetrieb.

Jahresarbeitszeitmodelle sind auf KV-Basis möglich.

Zuschlag für Teilzeitkräfte bei Mehrarbeit (es entsteht kein Zuschlag, wenn das vertrag­lich vereinbarte Arbeitszeitausmaß angepasst wird).

Maßnahmen gegen Verletzungen des Arbeitszeitrechts.

Vereinfachung der Regelung über Abbau von Zeitguthaben (§19f AZG).

8) Arbeitsrecht

Neukodifizierung des Arbeitsrechtes zur Beseitigung der derzeitigen Rechtszerspli­tterung sowie zur Schaffung eines Arbeitsvertragsrechts nach Vorschlägen der Sozialpartner. Die Erarbeitung eines Strukturierungsvorschlages dazu wird bis Ende 2007 erfolgen.

Schaffung eines modernen, einheitlichen Arbeitnehmerbegriffs in allen relevanten Rechtsmaterien.

9) Soziale Absicherung von atypisch Beschäftigten und Selbständigen

Ziel:

Höhere soziale Absicherung.

Maßnahmen:

Einbeziehung von Selbständigen in die Arbeitslosenversicherung im Rahmen eines Optionen-Modells unter Wahrung der bisher erworbenen Ansprüche.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 268

Freie Dienstnehmer: Gleicher Sozialversicherungsschutz wie echte Dienstnehmer (ASVG) samt Beitrag zur Mitarbeitervorsorgekasse: volle KV, UV, PV, ALV, BMVG, ev. IESG.

Forschung, Innovation, Technologie

Die Herausforderung lautet, einen qualitativen und quantitativen Sprung nach vorn zu machen. Somit stehen das Erreichen der Forschungsquote von 3% sowie die Forcie­rung des Strukturwandels im Vordergrund: Österreich soll sich in den nächsten Jahren zunehmend zu einem eigenständigen Produzenten von Spitzentechnologie und zu einem erstrangigen Forschungsstandort entwickeln. Österreich muss sich aus dem niedrigen und mittleren Technologiebereich zum Anbieter von Hochtechnologie entwickeln. Deswegen müssen unsere Forschungs- und Innovationsstrukturen für das Spiel in der Oberliga verstärkt werden. Eine solche Strategie ist entscheidend für Wachstum und Beschäftigung in Österreich.

1. Mehr und langfristig in Forschung, Technologie und Innovation investieren

Österreich soll im FTI-Bereich die Lissabon-Ziele erreichen:

Auf Basis einer Mehrjahresplanung soll bis 2010 die Forschungsquote auf 3% angehoben werden.

Mit diesen Investitionen sollen möglichst hohe private Forschungsinvestitionen aus­gelöst werden, um das Verhältnis 1/3 öffentlich zu 2/3 privat finanzierterAnteil F & E Quote nachhaltig zu etablieren.

Für die öffentliche Hand bedeutet dies, dass die bestehenden Budgets und die Mittel der Nationalstiftung und die derzeit 295 Millionen Euro aus den Offensivmitteln (Technologiemilliarde) im Jahr 2007 zusätzlich um 50 Mio., im Jahr 2008 um 100 Mio., im Jahr 2009 um 250 Mio. und im Jahr 2010 um 400 Mio. Euro aufgestockt werden.

Auf dieser Basis sollen die Ausgaben des Bundes bis 2010 um rund 10% pro Jahr steigen.

Besonderes Augenmerk wird auf langfristige Finanzierungssicherheit gelegt.

Der Rat für Forschung und Technologieentwicklung soll seine beratende Funktion fortführen.

Die Trennung strategischer und operativer Aufgaben ist zwischen Ministerien und Agenturen umzusetzen. Die sehr große Anzahl der einzelnen Förderprogramme soll durch Portfolioanalyse, Bündelung und Prioritätensetzung weiter bereinigt werden. Die Ergebnisse von Evaluierungen sollen dabei starke Berücksichtigung finden.

Für die österreichische FTI-Politik ist der europäische Forschungsraum ein wichtiger Orientierungsrahmen. Sie leistet einen Beitrag zu seiner Entwicklung und versucht, aus seinen Initiativen, namentlich den europäischen Forschungsprogrammen, einen maxi­malen Nutzen zu ziehen.

Eine effizient abgewickelte und effektive steuerliche Forschungsförderung ist weiter zu sichern und zusätzlich hinsichtlich ihrer Wirkung auf kleinere Unternehmen weiter zu optimieren.

2. Investieren heißt: Humanressourcen aufbauen und entwickeln

Menschen und ihre Entwicklungsmöglichkeiten sind die größte FTI-Ressource und gehören besonders gefördert: Nachwuchsförderung, Mobilität und Frauen stehen im Fokus.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 269

In den nächsten vier Jahren soll es im öffentlichen Forschungssystem, namentlich an den Universitäten nach Maßgabe budgetärer Möglichkeiten Mittel für 1000 neue Stellen für NachwuchsforscherInnen (Postdocs) geben.

Die Attraktivität von Forschungskarrieren für Frauen und ihre Mitgestaltungs­mög­lichkeiten werden durch institutionelle und programmgebundene Maßnahmen ge­steigert. Ziel ist eine eindeutige Erhöhung des Anteils der Frauen im öffentlichen und privaten Sektor.

Die Weiterentwicklung der Strukturen für die ersten Jahre als ForscherIn auf der Universität ist entscheidend für das gesamte Forschungssystem: Der Umbau der Doktoratsausbildung in Richtung Graduiertenschulen hat daher hohe Priorität.

Die Mobilität aus und nach Österreich sowie zwischen den Sektoren ist weiter im Sinn der Attraktivitätssteigerung des Forschungsstandortes Österreich zu erhöhen. ÖAD als BundesGmbH etablieren.

3. Eine Exzellenzstrategie für den Forschungs- und Innovationsstandort

Österreich

Strukturwandel und Technologieführerschaft benötigen exzellente öffentliche Forschungsstrukturen:

Die Universitäten sind in ihrem Strukturwandel und in ihrer Schwerpunktbildung besonders zu unterstützen.

Der FWF spielt mit seiner kompetitiven Mittelvergabe dabei eine zentrale Rolle und ist im Rahmen der zusätzlichen Mittel budgetär weiter zu stärken. Das gilt für die etablierten Förderungen und die neuen Exzellenzcluster ebenso wie für Over­head­zahlungen.

Die Kooperation Wirtschaft – Wissenschaft soll weiterhin sowohl direkt als auch über strukturierte Initiativen, wie über das langfristige Exzellenz- Programm für Kompetenz­zentren (COMET) öffentlich unterstützt werden.

Institutionen und Standorte mit besonderem Qualitätsanspruch und strukturellen Wirkungen auf das gesamte Forschungssystem sollen auf- und ausgebaut werden: Das gilt für neue Initiativen (z.B. ISTA) ebenso wie für bestehende Standorte der Spitzenforschung (z.B. Vienna Biocenter).

Im institutionellen Zusammenhang ist die Reform der Akademie der Wissenschaften von hoher Bedeutung.

4. Die Forschung im Unternehmenssektor forcieren

Technologieführerschaft wird durch Unternehmen erreicht. Dadurch werden Arbeits­plätze am Standort Österreich gesichert. Von der öffentlichen Hand benötigen und erhalten sie dazu starke Anreize:

Österreich soll als Standort für F&E-Headquarter konsequent attraktiv gemacht werden.

Die FFG spielt mit ihrer kompetitiven Mittelvergabe eine zentrale Rolle und ist im Rahmen der zusätzlichen Mittel budgetär zu stärken. (Verstärkte Bottom-up Förderung der technisch radikalen, risikoreichen Entwicklungen)

Die Maßnahmen zur Erhöhung der Anzahl der KMU mit eigenen F & E-Aktivitäten sowie der Innovationsleistung auch in Kooperation mit Universitäten, Forschungs­einrichtungen sowie Fachhochschulen (Technologie- und Innovationstransfer) sollen


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verstärkt werden. In diesem Kontext ist eine gute Abstimmung zwischen Bund und Bundesländern besonders wichtig.

Förderung von Unternehmensneugründungen: Spin offs, Start-ups und frühe Wachs­tumsphasen sollen mit einem breiten Instrumentenmix gefördert werden.

Thematische Programme sollen dort ausgebaut werden, wo Österreich nachvollziehbar herausragende Stärkenfelder bzw. einen gesellschaftlichen Bedarf aufweist.

Mit der Energiewirtschaft neu geschaffenen Energiefonds positionieren.

Schlanke Verwaltung und kompetente Abwicklung durch und in der FFG sicherstellen.

Infrastruktur

Verkehrsinfrastruktur und Infrastrukturprojekte

Eine moderne Infrastruktur ist unverzichtbare Voraussetzung für den Erfolg des Wirtschaftsstandortes Österreich. Verkehrswege – Schiene, Straße und Donau – Luftfahrt und Telekommunikation sind die Lebensadern unserer modernen Gesell­schaft. Sie verbinden Menschen untereinander und Österreich mit den entscheidenden Zukunftsmärkten.

Eine moderne Verkehrspolitik für Menschen muss sich sowohl am Verkehrsbedarf der Wirtschaft als auch an den sozialen Mobilitätsbedürfnissen der Menschen sowie den Zielen des Umweltschutzes und des Schutzes von Leben und Gesundheit orientieren, um so die Lebensqualität in Österreich insgesamt steigern zu können. Durch eine sinnvolle intermodale Verknüpfung der einzelnen Verkehrsträger kommt es zu einer Optimierung des Verkehrssystems. Dadurch wird ein effizientes Ausnützen der vorhandenen

Kapazitäten ermöglicht. Um eine weitere Verschiebung des Modal Split zu Lasten der umweltverträglichen Verkehrsträger aufzuhalten, ist die Attraktivierung von Schiene und Wasserstraße besonders zu forcieren. Einen wesentlichen Beitrag dazu kann dazu die Herstellung von mehr Kostenwahrheit im Verkehr unter Einbeziehung der externen Effekte liefern.

1.1 Infrastrukturplanung

Zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes und zur Bewältigung des Verkehrs­auf­kommens sollen die im sechsjährigen Rahmenplan der ÖBB sowie im Bauprogramm der ASFINAG angeführten Infrastrukturprojekte zeitgerecht umgesetzt werden.

Prioritätensetzung nach wirtschaftlichen Kriterien: vordringliches Schließen der Lücken sowie Beseitigung von Engpässen im hochrangigen Netz; bei der Schieneninfrastruktur sind insbesondere jene Maßnahmen des Rahmenplans prioritär umzusetzen, die das Bestandsnetz verbessern und als Voraussetzungen für betriebliche Rationalisierungen sowie Ergebnisverbesserungen im Absatzbereich erforderlich sind;

Basis eines solchen Planes müssen die funktionellen Anforderungen (Leistungs­kriterien) an die Korridore und Achsen sein, die mit einer Darstellung der erforderlichen Investitionen zu versehen ist.

Zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes und zur Bewältigung des Verkehrs­aufkom­mens sollen die im sechsjährigen Rahmenplan der ÖBB sowie im Bauprogramm der ASFINAG angeführten Infrastrukturprojekte zeitgerecht umgesetzt werden. Zur Umsetzung des ÖBB-Rahmenplans wird in der Legislaturperiode ein Investitions­volumen von rd. 6 Mrd. € in Aussicht genommen, das Investitionsvolumen für das Bauprogramm der Asfinag wird rd. 4,5 Mrd. € beinhalten. Somit werden für die Infrastrukturoffensive mehr als 10 Milliarden Euro bereit gestellt. Weiters wird die


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Übertragung des hochrangigen Straßennetzes in das Eigentum der ASFINAG mit der Zielsetzung der Verbesserung der Eigenkapitalausstattung (IFRS) ins Auge gefasst. Bei Straßen- und Schieneninfrastruktur müssen die Baukosten massiv gesenkt wer­den. Auf Basis von europäischen Benchmarks müssen Trassenführungen und Ausbau­standards sämtliche Projekte überprüft werden. Damit ist auf Basis der bestehenden Investitionspläne von Asfinag und ÖBB ein Einsparungspotential von mindestens 10% zu realisieren.

Zur Finanzierung der Infrastrukturoffensive wird die LKW-Maut um 4 Cent und die Mineralölsteuer auf Benzin um 1 Cent sowie auf Diesel um 3 Cent angehoben. Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Transportwirtschaft wird die KFZ-Steuer für LKW halbiert.

1.2 Korridorkonzept als Basis für die Infrastrukturplanung

Die Betrachtung der wichtigsten Verkehrsachsen in Form von Korridoren hat sich bewährt. Im Rahmen der Erarbeitung der Infrastrukturprojekte sind diese Korridore den Erfordernissen der europäischen Integration und der regionalen Struktur Österreichs entsprechend zu definieren. Für jeden dieser Korridore sind funktionale Vorgaben hinsichtlich deren Leistungsfähigkeit zu erarbeiten. Die Verknüpfung der einzelnen Korridore erfolgt in den zu definierenden Knoten. Dort findet neben der regionalen Verteilung auch die intermodale Verknüpfung statt, die eine Optimierung des Gesamt­verkehrssystems ermöglicht. Vor diesem Hintergrund sind zu den einzelnen Projekten des ÖBB-Rahmenplans und des ASFINAG-Bauprogramms folgende Punkte anzu­führen:

Wirtschaftlichkeit des Projekts (wirtschaftliche Betrachtung für den Infrastruktur­betreiber und für jeden relevanten Nutznießer, inkl. Den öffentlichen Budgets)

Beitrag des Projekts zur Beseitigung von Kapazitätsengpässen bzw. Lückenschluss

Verkehrliche Wirkung (inklusive der Wechselwirkung zwischen den einzelnen Verkehrsträgern im Korridor)

Folgewirkungen (externe Effekte)

Öffentlicher Verkehr

Für die Ballungszentren ist hochqualitativer Öffentlicher Verkehr eine wirtschaftliche Überlebensfrage. Städte mit schlechtem Öffentlichem Verkehr würden ökonomisch und ökologisch kollabieren. Für ländliche Regionen ist Öffentlicher Verkehr eine wesent­liche Voraussetzung für Mobilität. Hier ist er Daseinsvorsorge und dient der sozialen Gerechtigkeit. Daher ist hier das Angebot zu attraktivieren.

Österreich wird im europäischen Gleichklang seine Treibhausgas-Emission sowie Feinstaub- und Stickoxidimmissionen reduzieren. Öffentlicher Verkehr ist eine wichtige Alternative, um dies ohne Reduktion an Mobilität und damit an Wettbewerbsfähigkeit und sozialem Zusammenhalt zu erreichen.

1.3 Handlungsbedarf

Weiterentwicklung eines effizienten und leistbaren Nahverkehrsfinanzierungssystems gemeinsam mit den Gebietskörperschaften

Einsatz neuer Nahverkehrszüge bei den ÖBB

Ausbau und Verbesserung des Taktverkehrs

Einführung eines für alle öffentlichen Verkehrsmittel in Österreich gültigen Fahraus­weises („Österreich-Ticket“)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 272

Verbesserung und Abstimmung österreichweiter Nahverkehrsagenden

Definition eines garantierten Grundangebots im Öffentlichen Verkehr

Definition der erforderlichen Infrastruktur

Ausweitung des Busangebots durch Aufstockung der Bestellerförderung

Fortführung des U-Bahn-Ausbaus in Wien

Evaluierung auf Basis von Erreichbarkeitsmodellen ITS (Intelligent Transport Systems) und Mobilitätsmanagement

Die Positionierung Österreichs als TEN-Knoten im Zentrum der erweiterten

EU und die generellen Verkehrstrends innerhalb der Regionen und Ballungsräume erfordern eine intermodale ITS- und Mobilitätsmanagement- Strategie für ganz Öster­reich. Ein integraler Bestandteil einer derartigen Strategie muss daher auch ein österreichweites Verkehrsauskunftssystem beinhalten, das alle öffentlichen Verkehrs­mittel umfasst.

Schienenverkehr

Die Österreichischen Bundesbahnen sind einer Prüfung zur weiteren Optimierung der Unternehmensstruktur zu unterziehen.

Weiterführende Reformen im Eisenbahnbereich sollen einer höheren Produktivität und der Gewährleistung einer bestmöglichen Effizienz des Mitteleinsatz im Gesamt­unter­nehmen dienen. Weitere Flexibilisierung des Dienstrechts der ÖBB-Bediensteten unter Einbindung der zuständigen Sozialpartner. Die finanziellen Zielsetzungen der ÖBB-Reform 2003 sind vom Management der ÖBB umzusetzen, weitergehende Ergebnis­verbesserungen im Absatzbereich müssen die Eigenfinanzierung der ÖBB erhöhen

Für die ÖBB ist mittelfristig eine ausgewogene und nachhaltige Investitionspolitik sicherzustellen. Dazu sind zur Ermöglichung des Infrastrukturausbaus entsprechende Vorkehrungen im Budget zu treffen.

Jedenfalls sind dabei die entstehenden Abschreibungen zu berücksichtigen.

Gemäß der EU-Wegekostenrichtlinie soll ab 2008 durch die Berücksichtigung externer Kosten mehr Kostenwahrheit erzielt werden und eine Querfinanzierung von der Straße zur Schiene ermöglicht werden. Die Möglichkeiten zur Querfinanzierung aufgrund der bestehenden Wegekosten- RL werden voll ausgeschöpft

Förderung von Anschlussbahnen, Terminals und Flächenbedienung

Forcierung kostengünstiger Systeme zur Querverladung im kombinierten Verkehr

Binnenschifffahrt

Die Binnenschifffahrt als unbestritten sicherer und umweltfreundlicher Verkehrsträger muss an Bedeutung gewinnen. Darüber hinaus gilt dem Schutz der Bevölkerung vor Hochwasser und Überflutungen höchste Priorität.

Maßnahmen:

Umsetzung des „Integrierten Europäischen Aktionsprogramms für die Binnenschiff­fahrt – NAIADES“ und des österreichischen „Nationalen Aktionsplans für die Donau­schifffahrt“ (NAP)

weiterer Ausbau der Häfen zu trimodalen Umschlagszentren nach Maßgabe der budgetären Möglichkeiten


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 273

Hochwasserschutzprojekte entlang der Donau gemäß 15a B-VG Vereinbarung (Bund, OÖ, NÖ, W) in Höhe von 420 Mio. € bis 2015 sowie entlang der March umsetzen.

Luftfahrtstandort

Die Luftfahrt ist wesentlicher Mobilitätsprovider des Wirtschaftsstandorts Österreich und unverzichtbar für das Tourismusland Österreich. Österreich muss als Luftverkehrs­standort attraktiv und bedeutend bleiben.

Maßnahmen:

Entwicklung eines Nationalen Aktionsplans (Masterplan) für die Luftfahrt bis 2015,

Stärkung der österreichischen Fluggesellschaften und Ausbau leistungsfähiger Flug­häfen,

Steigerung der Effizienz der Luftfahrtbehörde,

Beseitigung der Infrastrukturengpässe sowohl am Boden wie auch in der Luft,

erstärkte Ausrichtung des Luftfahrtstandorts Österreich als Drehscheibe für die neuen Märkte im Osten Europas und Asien,

Qualitätsoffensive für den Luftfahrtsstandort (Reform der Sicherheitsabgabe, One-Stop-Security, Verbesserung der Verspätungssituation im Luftraum Wien sowie Um­welt- und Fluglärm),

Intermodale Vernetzung mit allen anderen Verkehrsträgern.

Das oberste Ziel der Luftfahrt ist die Sicherstellung einer optimalen Anbindung Öster­reichs an die europäischen und internationalen Wirtschaftszentren. Dazu sind die nachhaltige Stärkung der AUA als nationale Carrier sowie der Ausbau des Flughafens Wien Schwechat zum Internationalen Luftfahrtdrehkreuz weiter voranzutreiben. Die Internationalisierungsstrategie des Flughafens Wien wird unterstützt.

Zur Verbesserung der Nutzung des Luftraums ist das Projekt eines zentraleuro­päischen Luftfahrtsystems (CEATS) anzustreben und die diesbezügliche Zentrale für die Luftraumüberwachung in Österreich einzurichten.

Verkehrssicherheit

Langfristiges Ziel muss die so genannte „Zero vision“, nämlich die gänzliche Ver­meidung von Todesopfern im Straßenverkehr, sein. Maßnahmen dafür sind:

Die Evaluierung und Verbesserung jüngst erlassener Verkehrssicherheitsmaßnahmen wie „Vormerksystem“ oder „Licht am Tag“.

Verkehrsleitsysteme zur flexiblen Anpassung der Geschwindigkeitsbeschränkung nach Witterungsverhältnissen, Verkehrsdichte, etc. zur Stauund Unfallvermeidung. Im Sinne und mit dem Ziel einer bundeseinheitlichen Abstimmung soll das Erlassen von Geschwindigkeitsbeschränkungen auf

Autobahnen und Schnellstraßen gemäß Immissionsschutzgesetz Luft Bundes­kompe­tenz sein.

Mehr Sicherheitsbewusstsein durch verstärkte Aufklärung, Ausbildung und Öffentlich­keitsarbeit, sowie Förderung moderner Fahrzeugsicherheitstechnologien.

angesichts steigender Unfallzahlen beim Schwerverkehr stärkere Kontrollen.

Insbesondere Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten, aber auch der Wochenend­fahrverbote und Ladevorschriften.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 274

Es soll eine bundesweit einheitliche hochqualitative Fahrschulausbildung sichergestellt werden

Die Lehre zum Berufskraftfahrer soll nach EU-Vorschriften so adaptiert werden, dass eine Gleichstellung der Lehrabschlussprüfung mit der Berufskraftfahrerausbildung möglich ist. Das Anrecht Berufsschutz für LKW und Buslenker soll gesichert werden

Überprüfung der Straßenverkehrsgesetze auf Zuordnung der Strafen zum Veran­twortlichen

Transit

In den Jahren 1994 bis 2004 ist eine Zunahme des alpenquerenden Verkehrs um rund 70% von 63 auf 107 Mio Tonnen pro Jahr zu verzeichnen. Hierbei nahmen der Transitverkehr um 96%, der Ziel-Quellverkehr um 68% und der Binnenverkehr um 25% zu. 42% des Straßengütertransits über die österreichischen Alpen verläuft über den Brenner. Besonders hohes Wachstum wird der Ost-West-Verkehr, während sich der Nord-Süd-Transit auf hohem Niveau einpendelt.

Die Bundesregierung wird eine neue Strategie für mehr Kostenwahrheit im Güter­verkehr erarbeiten. Zusätzlich wird am Aufbau einer Alpentransitbörse mit den österreichischen Nachbarn gearbeitet.

Für den Bau des Brennerbasistunnels als leistungsfähige Transportalternative zur Straße muss eine Sonderfinanzierung außerhalb des ÖBB-Rahmenplans eingerichtet und die entsprechende Gestaltung der verkehrspolitischen Rahmenbedingungen mit Italien und Deutschland und der EU eingefordert werden.

Differenzierte LKW-Mautsätze ab 2010 Vorschrift

Die Bundesregierung stellt sicher, dass die Lkw-Mautdifferenzierung nach EU-Abgas­normen nicht zu einer Erosion der Bemessungsbasis bei der Lkw-Maut führt. Änderungen in der Lkw-Flottenzusammensetzung müssen sich daher in der Lkw-Maut widerspiegeln.

Effektive und diskriminierungsfreie Lkw-Fahrverbote

In Österreich und anderen EU-Mitgliedstaaten treten Grenzwertüberschreitungen aufgrund der EU-Luftreinhalterichtlinie bei Feinstaub und Stickoxiden auf. In Österreich soll das Gesetz für die Verhängung von Lkw-Fahrverboten (Immissionsschutzgesetz-Luft) hinsichtlich einer Harmonisierung der EU-Vorgaben überarbeitet werden. Auf der EU-Ebene muss die Möglichkeit der Ausweitung von sektoralen Lkw-Fahrverboten erwirkt werden.

Verfahrensbeschleunigung

Zur effizienteren und schnelleren Umsetzung von überregionalen Infrastrukturprojekten wird eine bundesweit einheitliche Straffung, Vereinfachung und Verkürzung der Planungsprozesse im Straßen- und Schienenbau, aber auch im Bereich der Energieinfrastruktur umgesetzt.

Maßnahmen:

Optimierung der Raumplanungspolitik zwischen Gemeinden, Land und Bund bei Bundesprojekten stattfinden, wobei auch die Interessen privater Grundeigentümer zu beachten sind

rascher Ausbau der 380 KV-Leitungen

Um die Innovationskraft und Effizienz der Privatwirtschaft und die Kontrolle der öffent­lichen Hand optimal zu nutzen, soll nach dem Vorbild von bspw. Deutschland,


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 275

Niederlande oder Großbritannien ein Kompetenzzentrum für PPP-Projekte eingerichtet werden.

Neben der Verfahrensbeschleunigung müssen Maßnahmen zur Eindämmung der Umweltkosten bei der Errichtung von Straßen- und Schieneninfrastruktur getroffen werden. Insbesondere muss eine Überprüfung der Angemessenheit und Notwendigkeit von bestehenden Ausbau- und Trassierungsstandards vorgenommen werden. Allfällige Kostensteigerungen aufgrund der Übererfüllung von EU-Vorschriften müssen ver­mieden werden.

Landwirtschaft und Ländlicher Raum: natürliche Lebensgrundlagen wettbe­werbsfähig und leistungsstark weiterentwickeln

Die Regierungsparteien bekennen sich zur Weiterentwicklung des Ländlichen Raumes. Wesentliche Voraussetzung dafür ist eine bäuerliche, nachhaltige und wettbewerbs­fähige Landwirtschaft zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen. Die Ländliche Entwicklung der EU ist dabei wesentlicher Eckstein. Für Österreich stehen für die Periode 2007-2013 3,9 Mrd. Euro EU-Mittel zur Verfügung und sind national durch Verdoppelung kozufinanzieren. Diese Mittel werden durch Bund und Länder im Verhältnis 60 : 40 aufgestellt.

Umsetzung Grüner Pakt – Nachhaltige Landwirtschaft

Mit dem Grünen Pakt hat Österreich als erstes Land ein umfassendes und aus­gewogenes Programm zur Förderung und Entwicklung des gesamten ländlichen Raumes für den Zeitraum 2007 bis 2013 bei der EU eingereicht. Die drei Säulen – Bergbauernprogramm mit jährlich 276 Mio. Euro, flächendeckendes Umweltprogramm mit 527 Mio. Euro sowie die Investitions-offensive – werden durch die Regional­offensive mit jährlich 96 Millionen Euro für den gesamten ländlichen Raum, für Klein- und Mittelbetriebe und zur Stärkung unserer Gemeinden ergänzt. Die Biolandwirtschaft soll damit auch künftig ausgebaut werden.

Die Umsetzung der GAP-Reform 2003 muss rechtlich durch die Schaffung einer verfassungs-konformen Rechtsgrundlage zur Umsetzung des Gemeinschaftsrechts abgesichert werden. Die Regierungsparteien kommen überein, die bisherigen Markt­ord­nungsregeln im Rahmen eines neuen Marktordnungsgesetzes im Interesse der Rechtssicherheit für die Bauern zu verankern.

Stärkung der Qualitätsproduktion und Berücksichtigung des Arbeitseinsatzes

Im Marktordnungsbereich wird sich die Bundesregierung bei künftigen Verhandlungen dafür klar positionieren, dass auf EU-Ebene die Intensität des

Arbeitseinsatzes in der Landwirtschaft und die Qualität der Produkte als Kriterien für Direktzahlungen verankert werden, sowie eine betriebsgrößenabhängige Modulation für Großbetriebe europaweit verpflichtend und in der Folge in Österreich eingeführt wird.

Sicherung unserer bäuerlichen Familienbetriebe

Die Bundesregierung bekennt sich zu einer bäuerlichen, naturnahen Landwirtschaft. Alle Betriebe sollen auch künftig unabhängig von ihrer Größe und Produktionsrichtung gleichberechtigt wirtschaften und an der Einkommensentwicklung gerecht teilhaben. Neben Markterlösen gehören dazu auch Direktzahlungen.

Zur Verbesserung der sozialen Absicherung sind Adaptierungen vorzunehmen:

Analog zu den Gewerbetreibenden ist die Altersgrenze für den Berufsschutz auf 50 Jahre herabzusetzen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 276

Das Einheitswertsystem ist beizubehalten.

Wettbewerbsbedingungen weiter stärken

Wir wollen faire Rahmenbedingungen für eine starke und wettbewerbsfähige Land- und Forstwirtschaft im europäischen Kontext. Das heißt:

Anstreben einer EU-weiten Zulassung von Betriebsmittel für europaweit hohe Qualitäts­standards

Nationaler Aktionsplan „Innovation und Bürokratieabbau“

Exportinitiative/GenussRegionÖsterreich/Kennzeichnung/Regionale Versorgung

Die Exportinitiative Lebensmittel wird fortgesetzt, um die Wertschöpfung in Österreich zu erhöhen und Arbeitsplätze zu sichern und zu schaffen; ebenso die Initiative „Genuss Region Österreich“, um Regionen mit typischen und traditionellen landwirtschaftlichen Produkten auszuzeichnen, regionale Spezialitäten zu kennzeichnen, sowie attraktive Angebote für Konsumentinnen und Konsumenten, die Gastronomie sowie den Tourismus zu ermöglichen. Die Kennzeichnung der Herkunft bzw. von Produktions­bedingungen insbesondere auch im Bereich von regionalisierten Produkten und der Schutz von Spezialitäten sind wichtige Ziele einer qualitätsorientierten Lebensmittel­politik. Die gesundheitliche Unbedenklichkeit aller Lebensmittel hat Priorität.

Daher muss die Finanzierung der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit abgesichert werden, um die Funktion der Agentur als Kompetenz- und Servicezentrum für Gesundheit und Ernährungssicherheit auch in Hinkunft auf höchstem wissen­schaftlichen Niveau zu ermöglichen und zu stärken.

Zur Stärkung der Nahversorgung im ländlichen Raum sollen mehr Möglichkeiten für bäuerliche Direktvermarkter in der Gewerbeordnung geschaffen werden. Darüber hinaus tritt die Bundesregierung zur Unterstützung und Stärkung des Wirtschafts­gefüges im ländlichen Raum für Kooperationen und die Förderung vonKleinstunter­nehmen in den Bereichen Gewerbe, Tourismus, Nahversorgung und Ernährungskultur ein.

Gentechnikfreiheit weiter absichern

Die Bundesregierung tritt für entsprechende Rahmenbedingungen wie z.B. Verteidi­gung der nationalen Verbots-Verordnungen und funktionierende Koexistenzregelungen auf europäischer Ebene ein. Die Wahlfreiheit und damit Gentechnikfreiheit für biolo­gisch, aber auch konventionell wirtschaftende Betriebe sowie für die Konsumenten muss auch in Zukunft gewährleistet werden. Die Bundesregierung unterstützt die Bundesländer bei der Schaffung von freiwillig gentechnikfreien Regionen.

Aus- und Weiterbildung und agrarische Forschung fördern

Das Angebot fachlich spezialisierter Ausbildungsstätten in Form von berufsbildenden höheren Schulen, Fachschulen und Fachhochschulen für die land- und forst­wirtschaftlich orientierte Aus- und Weiterbildung ist auszubauen.

Erwachsenenbildung ist integraler Bestandteil des Bildungskonzeptes für den länd­lichen Raum. Anerkannte Institutionen sind bei der Bereitstellung und Weiterent­wicklung des Angebots finanziell und inhaltlich zu unterstützen. Als Garant dafür, dass Betriebe im ländlichen Raum mit allgemeinen Trends, Entwicklungen und Anforderun­gen Schritt hält, sind Beratungsleistungen anzubieten. Zur Steigerung der Wett­bewerbsfähigkeit muss vermehrt in agrarische Forschung investiert werden, insbe­sondere in den Bereichen Gentechnikfreiheit und erneuerbare Energien.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 277

Ländlichen Raum weiter stärken

Die Bundesregierung bekennt sich zur Stärkung eines vitalen ländlichen Raumes. Dazu sind folgende weitere Schritte nötig: mehr finanzielle Mittel für kleinere und mittlere Gemeinden, Hebung der Erwerbsbeteiligung, besonders von Frauen und jungen Menschen, verstärkte Teilnahme am Innovationssystem durch Verbesserung des Ausbildungsstands und Stärkung der Wettbewerbskraft von kleinen und mittleren Unternehmen sowie landwirtschaftlichen Betrieben.

Mehr Chancen für Frauen im ländlichen Raum

Bereits auf rund 40 % der österreichischen Höfe sind Frauen als Betriebsführerinnen ausgewiesen, dies erfordert spezielle Aus- und Fortbildungsschwerpunkte. Eine verstärkte Einbindung in den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Entscheidungs­prozess und somit in politische Gremien ist daher von großer Bedeutung. Um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern, ist ein verstärktes Angebot von Teilzeitbeschäftigung für Kindererziehung, aber auch ein flächendeckendes praxis­taugliches Angebot zur Kinderbetreuung notwendig.

Technologieoffensive für den ländlichen Raum

Die Forcierung der modernen Kommunikationstechnologien im ländlichen Raum wird weiter gestärkt. Eine 500 Millionen Euro Breitbandoffensive wird u. a. mit 300 Millionen Euro von der Telekom finanziert.

Sicherung der Siedlungsgebiete und Lebensräume

Im Sinne des vorbeugenden Hochwasser- und Lawinenschutzes ist die gemeinsame Projektierung und Finanzierung durch Bund, Länder und Gemeinden sicherzustellen. Für den Bund ist der Katastrophenfonds ein bewährtes und fortzuführendes Finanzie­rungsinstrument. Zur Beschleunigung geplanter Schutzprojekte werden pro Jahr bis 2010 160 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Zur verbesserten Effizienz der Schutzmaßnahmen sind alle diesbezüglichen Agenden von Bund und Ländern in einer Agentur für den Schutz vor Naturgefahren im BMLFUW zu bündeln. Dies betrifft Wildbäche genauso wie alle Flüsse und Wasserstraßen. Bei den Schutzprojekten ist nach Möglichkeit naturnahen Maßnahmen der Vorrang zu geben.

Der österreichische Wald: Nachhaltig sichern und neue Aufgaben ermöglichen

Die Regierungsparteien bekennen sich zur Erhaltung der vielfältigen Funktionen des österreichischen Waldes. Die Erhaltung und Verbesserung der Schutzwälder muss Priorität haben. Zur verstärkten Nutzung der Biomasse zur Erhöhung der Energie­sicherheit soll zusätzliches Holz mobilisiert werden. Zum Schutz der Wälder sind die Umsetzung des Bergwaldprotokolls der Alpenkonvention und der EU-Forstaktionsplan einzufordern.

Zur Nutzung im Freizeitbereich sind vertragliche Regelungen der Waldeigentümer mit Interessenten, Gemeinden, Tourismus etc. auszubauen.

Wasser: Sauber erhalten, regionale Kompetenz stärken und ökologisch nützen

Österreich muss seine hohe Wasser- und Gewässerqualität erhalten. Für die Wasser­versorgungs- und Abwasserentsorgungsanlagen in den Städten und Gemeinden sind die finanziellen Mittel der Siedlungswasserwirtschaft im erforderlichen Umfang bereit zu stellen. Die Kernkompetenz für die Wasserdienstleistungen muss auch in Zukunft bei den Städten und Gemeinden liegen. Österreich wird auch in Zukunft über seine Wasserressourcen eigenständig entscheiden und verfügen. Das Einstimmigkeitsprinzip im Rahmen der EU muss erhalten bleiben. Das Eigentumsrecht an Grundwasser muss


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an Grund und Boden gebunden bleiben und den strikten Beschränkungen des Wasser­rechts unterliegen.

Die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie muss konsequent weitergeführt werden, dabei ist die nachhaltige Nutzung der Wasserkraft sicher zu stellen und die für die Förderung der Maßnahmen nötigen finanziellen Mittel sind aufzubringen.

Sichere Energie. Sichere Zukunft.

Für die österreichische Bundesregierung zählt die Sicherstellung einer nachhaltigen Energieversorgung Österreichs zu den zentralen Herausforderungen der kommenden Jahre und Jahrzehnte. Für die Erhöhung der Versorgungssicherheit mit Energie und Reduktion der Importe von fossiler Energie setzen wir verstärkt auf erneuerbare Energieträger, inländische Energieerzeugung, auf Energiesparen sowie auf intensive Energieforschung und neue Energietechnologien. Die Bereitstellung von kosten­günstiger Energie für die Konsumenten und die Wirtschaft durch inländische Energie­produktion, Versorgungssicherheit und Forcierung des europäischen Wettbewerbs ist unser Ziel.

Erneuerbare Energien nutzen

aufkommensneutrale Steigerung der erneuerbaren Energie am Gesamtenergiever­brauch auf mindestens 25% bis 2010 und Verdoppelung auf 45% bis 2020

Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Stromerzeugung auf 80% bis 2010,auf 85% bis 2020

Umstellung von mindestens 40 0.000 Haushalten auf erneuerbareEnergieträger bis 2020, davon 100.000 Haushalte bis zum Jahr 2010

Aufkommensneutrale Steigerung der alternativen Kraftstoffe im Verkehrssektor auf 10% bis 2010, auf 20% bis 2020

Masterplan zur optimalen Nutzung der Wasserkraft

Verdoppelung des Biomasseeinsatzes bis 2010

Aufkommensneutrale Schaffung einer Methan-Kraftstoffsorte mit mindestens 20 % Biomethananteil bis 2010

Flächendeckendes Netz von E85- sowie Methangas-Tankstellen bis 2010

Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Biogaseinspeisung

Energie sparen

Ziel ist die stärkere Entkoppelung zwischen Wirtschaftswachstum und dem Energie­verbrauch zur Verbesserung der Energieintensität. Die Koordinierung eines nationalen Energieeffizienz-Aktionsprogramms wird von der Österreichischen Energieagentur wahrgenommen.

Nationales Energieeffizienz-Aktionsprogramm

Verbesserung der Energieintensität um mindestens 5% bis 2010, um mindestens 20% bis 2020

Energie-Check bei allen österreichischen Haushalten bis 2010

Steigerung der Sanierungsrate im Wohnbau, dadurch soll die thermische Sanierung sämtlicher Nachkriegsbauten (1950 – 1980) bis 2020 ermöglicht werden

Bei Neubauten forciert die Bundesregierung gemeinsam mit den Bundesländern Niedrigenergie- und Passivhaus-Standards


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Für 50% des Neubaus wird ein Klima:aktiv Standard angestrebt

Ab 2015 sollen im Bereich der Wohnbauförderung nur mehr Häuser und Bauten im großvolumigen Wohnbau gefördert werden, die dem „Klima-Aktiv- Passivhausstan­dard“ entsprechen

Entwicklung und Nutzung energieeffizienter Geräte und Lösungen (Stand-by)

Ausbau von Kraft-Wärme-Kopplung als effizientes Verfahren zur Elektrizitäts-und Wärmeerzeugung

Österreichische Stromwirtschaft

Im Rahmen einer weiteren Konsolidierung der Elektrizitätswirtschaft in Österreich soll die Position der österreichischen Unternehmen im europäischen Strombinnenmarkt gestärkt werden.Gleichzeitig ist ein Schwerpunkt bei erneuerbaren Energien zu entwickeln, um dieinternationale Positionierung von Österreich als Know-how Träger erneuerbarer Energietechnologien zu stärken.

Der Lückenschluss im österreichischen 380 kV-Leitungsring soll unverzüglich erreicht werden, um eine Verminderung eines großflächigen Stromausfallsrisikos sowie die kontinuierliche Sicherung der Stromversorgung von Unternehmen und Haushalten zu gewährleisten.

Im Bereich der Netztechnik und Netzsteuerung sollen durch die steigende dezentrale Stromerzeugung neue innovative Lösungen zur kostengünstigen Aufrechterhaltung der Netzstabilität und Spannungsqualität gefunden werden.

Energie- und Klimaschutzfonds

Zur kostengünstigen Erreichung der ambitionierten energiepolitischen Ziele und Auslösung wichtiger Forschungs- und Technologieimpulse wird ein mit 500 Millionen Euro dotierter Energie- und Klimaschutzfonds öffentlichen Rechts gemeinsam mit der österreichischen Energiewirtschaft geschaffen.

Das Ziel des österreichischen Energie- und Klimaschutzfonds ist, einen wesentlichen Beitrag im Bereich der Energieforschung und -entwicklung zur Verdoppelung der erneuerbaren Energieträger am Gesamtenergieverbrauch in Österreich bis zum Jahr 2020 zu leisten. Konkret zielt der Fonds darauf ab, neue Technologien zur nach­haltigen Energieversorgung und zur effizienten Energienutzung zu einer wirtschaft­lichen Reife zu bringen, die Marktdurchdringung dieser Technologien zu unterstützen, sowie die Versorgungssicherheit durch regional verfügbare Ressourcen

zu erhöhen. Die Umsetzung der Ziele des Energie- und Klimaschutzfonds soll auch den österreichischen Wirtschaftsstandort und Österreichs führende Rolle in der Energie- und Umwelttechnologie stärken.

Energieabhängigkeiten reduzieren

Österreich muss verstärkt einseitige Abhängigkeiten von Energieimporten reduzieren und sich den Zugang zu möglichst vielen Energiemärkten offen halten. Dadurch kann Konkurrenz unter den Produzenten erzeugt und Monopolisierungstendenzen ge­schwächt werden, was sicherstellen kann, dass alle Bürger und Unternehmen einen möglichst kostengünstigen und diskriminierungsfreien Zugang zu Energie haben. Dafür sind die Erschließung neuer Transportoptionen im Rahmen der transeuropäischen Netze und der Nabucco-Gaspipeline sowie die Anbindung an LNG-Terminals (liquid natural gas) wichtige Elemente.


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Stabilisierung unterstützen

Gerade weil unser Land auf Energielieferungen aus politischen Krisenregionen ange­wiesen bleibt, müssen die Anstrengungen für eine Stabilisierung dieser Regionen und für eine engere Zusammenarbeit verstärkt werden. Jede Investition in die politische Stabilität dieser Länder ist auch eine Investition in unsere Versorgungssicherheit. Das bedeutet konkret die verstärkte Berücksichtigung vonenergiepolitischen Belangen in der Außenpolitik.

Europäische Energieaußenpolitik entwickeln

Österreich soll Impulse für eine Europäische Energieaußenpolitik geben. Gerade bei Fragen des Marktzugangs, aber auch bei stabilitäts- und demokratiepolitischen Initiativen kann eine geschlossene EU-Politik gegenüber Lieferländern und –regionen größere Wirkung entfalten als Alleingänge von Einzelstaaten.

Umwelt schützen. Chancen nützen.

Ziel der österreichischen Bundesregierung ist die Weiterentwicklung des nachhaltigen Schutzes unserer Umwelt, die gesicherte und leistbare Versorgung mit Energie sowie die nachhaltige Förderung des ländlichen Raumes zur Erhaltung der hohen Lebens­qualität der Bevölkerung und der Sicherung der Lebensgrundlagen für unsere Kinder. Dabei geht die Bundesregierung vom Grundsatz aus, dass die Herausforderungen der modernen Industrie-, Bildungs- und Dienstleistungsgesellschaft im Bereich der Umwelt- und Energiepolitik nur mit den Methoden und der Innovationskraft dieser modernen Gesellschaft gelöst werden können.

Eine moderne Umweltpolitik soll auch die mittel- bis langfristige Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und Industrie stärken und positiv zu Wachstum, Beschäftigung sowie Technologieentwicklung und Technologieanwendung beitragen. Mit ambitionierten, aber mittelfristig stabilen, umweltpolitischen Vorgaben soll die Innovationskraft der Wirt­schaft besser genutzt werden.

Aktiver Klimaschutz

Das Ziel der österreichischen Klimapolitik ist die Sicherstellung der Erreichung des nationalen Kyoto-Zieles. Die Schwerpunkte liegen z.B. in der Forcierung erneuerbarer Energien und der Steigerung der Energieeffizienz. Die aktualisierte nationale Klima­strategie soll von der Bundesregierung rasch ausgearbeitet, beschlossen, im erforderlichen Umfang finanziert und vollständig von allen Gebietskörperschaften umgesetzt werden. Darüber wird dem Parlament jährlich ein Bericht vorgelegt.

Schaffung eines nationalen Klimaschutzprogramms inklusive Klimaforschung und Klimafolgenforschung als Teil der neuen Klimastrategie

Einbeziehung der Emissionen des Flugverkehrs in den Klimaschutz

Chancen in der Umwelttechnologie nützen

In der gesamten österreichischen Umwelttechnikindustrie erwirtschaften rund 20.000 Beschäftigte einen Umsatz von rund 4 Mrd. Euro. Wir streben die Verdoppelung des Anteils der Umwelttechnologie am BIP sowie der Arbeitsplätze im Bereich der Umwel­ttechnologie an.

Finalisierung und Umsetzung des Masterplans Umwelttechnologie gemeinsam mit den Bundesländern

Forcierung der Exportoffensive Umwelttechnologie

Schaffung einer Bundesagentur für Umwelt- und Energietechnologie


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Mehr Lebensqualität durch saubere Luft und weniger Lärm

Saubere Luft und weniger Lärm sind Ziele, welche die Lebensqualität insbesondere in Ballungsräumen deutlich anheben können.

Nachhaltige Aktionspläne zur Reduktion der Lärmbelästigung

Gemeinsames Aktionsprogramm für saubere Luft von Bund und Ländern

Evaluierung und Effizienzsteigerung Immissionsgesetz-Luft

Forschungsplattform zu Feinstaub

Initiativen zur Erforschung möglicher gesundheitsschädlicher Wirkungen vonelektro­mag­netischen Feldern („Elektrosmog“)

Rasche Fertigstellung eines nationalen Programms zur Verminderung von

Luftschadstoffen, insbesondere NOx, zur Erreichung der Ziele im Emissionshöchst­mengengesetz bzw. der NEC-Richtlinie

Anreizsystem für Dieselpartikelfilter bei Baumaschinen

Stadtökologie-Aktionsplan zur Umsetzung der EU-Strategie

Umweltfreundliche Mobilität

Verstärkter Ausbau des öffentlichen Verkehrs, besseres Zusammenspiel aller öffent­lichen Verbindungen, Barrierefreiheit und Vertaktung im öffentlichen Verkehr werden umgesetzt. Bei anderen umweltfreundlichen Transportmitteln setzen wir auf

eine nachhaltige Änderung der verwendeten Antriebs- und Kraftstofftechnologien im PKW-Bereich.

Verdoppelung des Radverkehrsanteils auf 10% bis 2015 durch bessere Planungs­vernetzung der einzelnen Gebietskörperschaften

Aufkommensneutrale Steigerung der alternativen Kraftstoffe im Verkehrssektor auf 10% bis 2010, auf 20% bis 2020

5% der neu zugelassenen PKW bis 2010 mit alternativen Antrieben, wie z.B. Hybrid-, E-85- oder Gas-PKW

Flächendeckendes Netz von E85- sowie Methangas-Tankstellen bis 2010

Aufkommensneutrale Schaffung einer Methan-Kraftstoffsorte mit mindestens 20% Biomethananteil bis 2010

Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Biogaseinspeisung

Eingrenzung und Neubewertung des Tanktourismus in der EU-Klimapolitik

Effiziente Ressourcennutzung und verantwortungsvolle Abfallpolitik

Wir streben einen geringeren Ressourcenverbrauch bei wirtschaftlichem Wachstum und bestmöglicher Ausnutzung der Stoffkreisläufe an. Schaffung und zügige Um­setzung eines nationalen Aktionsprogramms zur Ressourceneffizienz und Abfallver­meidung.

Bei Nichteinhaltung der in der Nachhaltigkeitsagenda vereinbarten Ziele durch die Getränkewirtschaft wird die Bundesregierung effiziente Maßnahmen zur Absicherung des Mehrweganteils setzen.

Zur Forcierung von geschlossenen Kreisläufen in der Chemikalienwirtschaft und der Reduktion der Umweltbelastung durch Chemikalien werden innovative Systeme wie


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 282

beispielsweise Chemikalienleasing gefördert. Die freiwillige Kennzeichnung von Kon­sumgütern über in der Produktion verwendeter Chemikalien wird unterstützt.

Damit soll die Transparenz für die Konsumenten im Interesse der Konsumenten­sicherheit verbessert werden.

Nachhaltigkeit

Die Bundesregierung bekennt sich in allen Politikbereichen zur Nachhaltigkeit und richtet ihr Handeln nach ökologischen, sozialen und ökonomischen Gesichtspunkten aus. Bei der Überarbeitung der österreichischen Nachhaltigkeitsstrategie und ins­besondere deren Umsetzung sind vermehrt Akzente der öffentlichen Hand zu setzen.

Ökologisierung der öffentlichen Beschaffung

In der Bewusstseinsbildung werden Akzente mit Aktionen wie beispielsweise den nachhaltigen Wochen gesetzt

Für Großveranstaltungen wie der Fußball-Europameisterschaft EURO 2008 werden Nachhaltigkeitskonzepte erstellt

Natur, Nationalparks und Artenschutz

Die Nationalparks sind wichtige Leitprojekte für den Umwelt- und Naturschutz. Die Nationalparkregionen sollen zu Modellregionen für sanften Tourismus ausgebaut werden.

Jede Schüler/jede Schülerin soll zumindest einmal einen Nationalpark besucht haben;

Zusätzliche Impulse zur Forschung

Zur ökologisch verträglichen und abgestimmten Nutzung des Waldes im Freizeit­bereich sind vertragliche Regelungen der Grundeigentümer mit Interessenten, Gemein­den, Tourismus etc. auszubauen. Der Österreichischen Bundesforste AG kommt in diesem Zusammenhang eine besondere Verantwortung beim verantwortungsvollen Umgang mit der Natur und dem Zugang zur Natur im Sinne des freien Betretungs­rechtes des Waldes zu Erholungszwecken insgesamt zu.

Die gesetzliche Verpflichtung der ÖBf AG zur Substanzerhaltung zielt auf die stetige Verbesserung der Vermögenssubstanz im Sinne einer nachhaltigen Ausrichtung der österreichischen Forstwirtschaft ab. Damit soll auch hinkünftig sichergestellt werden, dass österreichischer Grund und Boden verantwortungsvoll bewirtschaftet wird.

Schutzhüttenoffensive für saubere Alpen

Der sanfte Tourismus in Österreichs Bergregionen wird durch ein eigenes Programm zur Erhaltung und Ökologisierung der Schutzhütten weiterhin unterstützt.

Aktive Anti-Atompolitik

Die österreichische Bundesregierung hält an ihrer Überzeugung fest, dass die Kern­energie keine nachhaltige Form der Energieversorgung darstellt. Besonderes Augen­merk gilt der Sicherheitsfrage. Die Schaffung hoher EU-Sicherheitsstandards für Nuklear­anlagen ist weiter ein wesentliches Ziel der österreichischen Nuklearpolitik. Vereinbarte Schließungsverpflichtungen besonders problematischer Anlagen sind strikt einzuhalten, weitere Schließungsvereinbarungen mit finanzieller Hilfe der EU sind anzustreben. Kapazitätssteigerungen bestehender Anlagen dürfen ebenso wenig geför­dert werden wie die Errichtung neuer Nuklearanlagen.

In allen Fällen von grenznahen Kraftwerksprojekten wird Österreich im Rahmen des EU-Rechtes und der ESPOO-Konvention auch künftig alle Möglichkeiten zum Schutz der österreichischen Sicherheitsbedürfnisse wahrnehmen und nutzen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 283

Im Rahmen der budgetären Gegebenheiten wird das österreichische Frühwarnsystem und die Risikoforschung weiter ausgebaut.

Beim Kernkraftwerk Temelín bleibt die Nullvariante weiterhin aufrecht und der Sicher­heitsdialog wird intensiv fortgesetzt. Im Rahmen des Melker Prozesses verfolgt die Bundesregierung das Ziel, dass die im Anhang 1 vereinbarten Sicherheitsmaßnahmen umgesetzt werden.

Die Bundesregierung wird ihre Bemühungen im Hinblick auf eine Reform des Euratom-Vertrages fortsetzen. Der derzeit geltende Euratom-Vertrag enthält auch wesentliche Bestimmungen, die zum Schutz der Bevölkerung und der Umwelt wichtig sind.

Die österreichische Bundesregierung wird sich auf EU-Ebene gegen den Bau neuer Kernkraftwerke generell einsetzen und im Rahmen der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen für die Stärkung und den Ausbau der Sicherheitsbestimmungen zum Gesundheitsschutz eintreten.

Das bestehende System zur Behandlung und Lagerung von in Österreich legal anfallendem strahlendem Material, wie z.B. aus der medizinischen Versorgung, Röntgen und Forschung ist technisch und finanziell langfristig abzusichern.

Verwaltungsmanagement

Ziel ist die Einführung von Verwaltungsbenchmarks zwischen den Gebietskörper­schaften, insbesondere die Straffung der UVP-Verfahren durch verbessertes Verfahrensmanagement bei den UVP-Behörden, eine Verstärkung des Umweltsenates durch Beiziehung unterstützender Mitglieder in den Kammern, der Ausbau des UVP-Verfahrens mit seiner umfassenden Verfahrens- und Entscheidungskonzentration auf weitere Bereiche.

Bildung

Bildungspolitik ist Chancenpolitik. Die Kinder und Jugendlichen müssen deshalb im Mittelpunkt aller zukunftsorientierten Maßnahmen stehen und entsprechend ihrer per­sönlichen Begabungen, Interessen und Neigungen optimal gefördert werden. Bildung, Wissenschaft und Forschung leisten einen entscheidenden Beitrag im Prozess der Wandlung von der Industrie- zur Wissensgesellschaft.

Hochwertige Bildungsangebote und die bestmögliche Betreuung für Kinder und Jugendliche bedürfen einer verantwortungsvoll wahrgenommenen Autonomie an den Schulen, moderner Strukturen in der Schulverwaltung, klarer Regelungen hinsichtlich der Lern- und Leistungsziele sowie einer aussagekräftigen Evaluierungskultur. Dazu bedarf es bestausgebildeter Pädagog/innen.

Zur Erhöhung der Chancen für die Jugend sind zukunftsorientíerte Bildungsreformen erforderlich, die auch eine verstärkte Motivation, Mitwirkung und Mitbestimmung aller Schüler/innen, Eltern und Lehrer/innen im Rahmen der Schulpartnerschaft zum Zielhaben. Wir wollen das Ausbildungsniveau weiter anheben und die Qualität der Bildung in Österreich weiter steigern. Die Wahlfreiheit der Eltern für den Bildungsweg ihrer Kinder muss dabei erhalten bleiben.

Um die Qualität der Bildung in Österreich weiter zu steigern und nachhaltig zu sichern, sollen die öffentlichen Bildungsausgaben insgesamt angehoben werden. Auf euro­päischer und internationaler Ebene wollen wir Jugendlichen im Rahmen von Bildungs­clustern und Austauschprogrammen, wie grenzüberschreitenden Schulprojekten und Projekten im Bereich der Berufsbildung, die besten Chancen bieten und aktiv an den Entwicklungen des europäischen Wissensraumes mitwirken. Europa und die Euro­päische Union sollen den jungen Menschen näher gebracht werden.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 284

Im Hinblick auf die steigende Bedeutung des lebensbegleitenden Lernens ist die Ver­netzung und Durchlässigkeit zwischen Aus- und Weiterbildung weiter zu verstärken und die Anerkennung von informell erworbenen Kompetenzen auszubauen. Der Förderung der Weiterbildung, einer kompetenten Beratung und der Qualitätssicherung der Weiterbildungsangebote kommt ein hoher Stellenwert zu.

Besonderes Augenmerk ist im Bereich der Erwachsenenbildung auf Personen mit einem niedrigen Qualifikationsniveau zu legen.

1. Klassenschüler/innen-Höchstzahl 25

Ziel:

Senkung der Klassenschüler/innen-Höchstzahl auf 25 zur Steigerung der Unterrichts­qualität und des Unterrichtsertrages

Umsetzung:

Die Zahl 25 ist ein Richtwert. Die Teilungs- und Eröffnungszahlen müssen neu festgelegt und das Minderheitenschulwesen berücksichtigt werden. Die Schule hat die Möglichkeit, über ihre Klassenorganisation selbst zu entscheiden

Die Umsetzung dieser Klassenschüler/innen-Höchstzahl beginnt aufsteigendin der ersten Schulstufe jeder Schulart

2. Kindergarten und Vorschule

Ziel:

Den Kindergarten verstärkt als Bildungseinrichtung sehen, die Kinder auf die Anfor­derungen der Volksschule vorbereiten und den Übergang in die Schule verbessern

Umsetzung:

Erarbeitung eines bundesweiten Bildungsplanes für Kindergärten mit spezieller sprachlicher Frühförderung

Verbesserung des Überganges zwischen Kindergarten und Volksschule

Einrichtung einer Expertengruppe zur Erarbeitung von Vorschlägen für ein vorschuli­sches Bildungsangebot, mit welchem alle 5-Jährigen erfasst werden sollen

3. Tagesbetreuung

Ziel:

Bedarfsgerechter Ausbau ganztägiger Schulformen und Betreuungseinrichtungen

Umsetzung:

Die bereits jetzt verpflichtende Bedarfserhebung muss, wie es im Schulorganisations­gesetz vorgesehen ist, durchgeführt werden Klassen-, schulstufen- und schulüber­greifende Organisationen von Betreuungsangeboten erleichtern die Gruppenbildung

Ein Katalog von Qualitätskriterien (z.B. räumliche und personelle Ressourcen) wird erarbeitet

4. Integration

Ziel:

Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf und Kinder mit nichtdeutscher Mutter­sprache bestmöglich in das Schulsystem integrieren

Umsetzung:


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 285

Intensivierung der Fördermaßnahmen, damit alle Kinder die Unterrichtssprache beherr­schen

Überarbeitung der Kriterien für die Feststellung des sonderpädagogischen Förder­bedarfs

Anpassung des Ressourceneinsatzes im Bereich der sonderpädagogischenFörderung

Möglichkeiten der Integration nach der 8. Schulstufe verwirklichen

Integration als wichtiger Teil der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung sowie der Weiter­bildung

5. Bildungsgarantie bis zum 18. Lebensjahr

Ziel:

Senkung des Anteils der Jugendlichen ohne Berufsausbildung oderSchulabschluss und Sicherung der Jugendbeschäftigung durch die Möglichkeit zum Besuch einer weiter­führenden Schule, eines Ausbildungsprogramms oder den Erhalt eines Lehrplatzes

Umsetzung:

Weiterer Ausbau der Angebote im Bereich der berufsbildenden mittleren und höheren Schulen

Ausweitung der integrativen Berufsausbildung

Erarbeitung von Berufsbildern für Praktikerberufe unter Einbeziehung der Berufs­schulen

Förderung von Unternehmen, die Ausbildungsplätze anbieten

Verstärktes schulisches Angebot zur Vorbereitung auf die Berufsreifeprüfung

Ausweitung der überbetrieblichen Lehrwerkstätten, welche durch zielgruppenadäquate Schulangebote ergänzt werden sollen

Ausbau der Berufsinformation und verstärkte Einbeziehung der Wirtschaft

Schaffung eines Coaching-Modells für Jugendliche mit Schwierigkeiten beim

Berufseinstieg

6. Klassenwiederholungen und Wiederholungsprüfungen reduzieren

Ziel:

Sorgsamer Umgang mit der Lebenszeit unserer Kinder und Jugendlichen für eine erfolgreiche Schullaufbahn, wobei aber der Leistungsgedanke beibehalten wird

Umsetzung:

Das Wiederholen von Schulstufen soll durch pädagogische sowie organisatorische Maßnahmen so weit wie möglich vermieden werden

Leistungsgerechte Förderung im Schulsystem (Starke fordern, Schwache fördern)

Ausbau der Bildungsberatung vor allem an den Nahtstellen des Schulwesens

Korrekte Umsetzung des Frühwarnsystems, welches im Schulorganisationsgesetz verankert ist

7. Qualitätssicherung an Schulen

Ziel: Sicherung und Überprüfung des Unterrichtsertrages und der Unterrichtsqualität


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 286

Umsetzung:

Fertigstellung der Ausarbeitung von Bildungsstandards

Rasche Implementierung der Bildungsstandards auch auf gesetzlicher Basis

Einrichtung eines Bildungsmonitorings, das Rückmeldungen über den Unterrichtsertrag und die Unterrichtsqualität zulässt

Festlegung von Standards für Abschlussprüfungen (Matura) in den wichtigsten Bereichen

Ständige Aktualisierung der Lehrpläne

Anhebung der Förderung von Schulen mit alternativer Pädagogik (nichtkonfessionelle Privatschulen) unter Berücksichtigung der Qualitätssicherung

8. Individuelle Förderung

Ziel:

Sicherung und Entwicklung der Grundkompetenzen sowie die Schaffung von Moti­vation, Interesse und Kompetenzen zum lebenslangen Lernen

Umsetzung:

Intensivierung der frühen Sprachförderung und der Sprachförderkurse in der Volks­schule

Sprachförderkurse auch an Hauptschulen

Sicherstellung einer Leistungsdifferenzierung und eines bedarfsgerechten Förderunter­richtes

Evaluierung der Ressourcen, die für individuelle Förderung zur Verfügung gestellt werden

Weiterer Ausbau der Begabtenförderung

Ausweitung bei der Schülerbeihilfe

Buben fördern, Mädchen stärken

9. Schule der 10- bis 15jährigen im Bereich der Schulpflicht

Ziel:

Weitere Verbesserung der Bildungschancen von Schülerinnen und Schülern und differenziertes Eingehen auf die Fähigkeiten und Bedürfnisse des einzelnen Kindes

Umsetzung :

Evaluierung bestehender Schulmodelle wie der Hauptschule im ländlichen Raum sowie von Schulversuchen wie Kooperative Mittelschule, Bildungscluster und Schulverbund, Überprüfung der Anwendbarkeit in den verschiedenen Regionen

Verstärkung des gesamthaften Bildungsansatzes mit differenzierten Angeboten unter Berücksichtigung der besonderen Begabungen der Schülerinnen und Schüler

Erarbeitung und Umsetzung neuer Modelle der Leistungsdifferenzierung für die Schulen der Sekundarstufe I zur Verbesserung der individuellen Förderung unter­schiedlicher Begabungen

Einrichtung einer Expertenkommission bestehend aus national und international tätigen Bildungsexperten zur Erarbeitung von Strategien und Modellen für die gesamte Schulorganisation wie z.B. Kursmodelle in der AHS-Oberstufe


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 287

10. Schulpartnerschaft stärken

Ziel:

Bildung und Erziehung muss als gemeinsame Aufgabe verstanden werden

Umsetzung:

Schaffung von Verhaltensvereinbarungen an jeder Schule

Erarbeitung von Modellen für pädagogische Interventionsmöglichkeiten

Hilfsangebote aus dem sozialen Bereich schaffen

Ausbau und Stärkung der Mitbestimmung

11. Modernisierung von Schulverwaltung und Schulmanagement

Ziel:

Neuorganisation der Schulverwaltung

Umsetzung:

Schaffung von Bildungsdirektionen

Umsetzung des „One-Stop-Shop-Prinzips“ im Bildungsbereich durch Abschaffung von Doppelgleisigkeiten

Moderne und effiziente Schulaufsicht

Schaffung der Möglichkeit zur Neuordnung der Schulsprengel

Bekenntnis zum dezentralen Schulsystem auch im ländlichen Raum

Vereinfachung der Rückerstattung der Landeslehrerkosten an die einzelnen Bundes­länder

Einführung eines mittleren Schulmanagements

Vereinfachung bei der Durchführung von Schulentwicklungsprojekten, die forschungs­begleitet sind (z.B. Kurssystem in der Oberstufe)

Die Autonomie der Schule soll weiter ausgebaut werden

Prüfung der Abschaffung der schulfesten Lehrerstellen

12. Weiterentwicklung der Pädagogischen Hochschulen

Ziel:

Aus-, Fort- und Weiterbildung der Lehrkräfte auf höchstmöglichem fachlichem Niveau

Umsetzung:

Umsetzung des Hochschulgesetzes 2005 zur Etablierung der neuen Pädagogischen Hochschulen sowie Weiterentwicklung durch Öffnung für weitere pädagogische Berufe und Stärkung der Autonomie

Sicherstellung der Durchlässigkeit und Kooperation zwischen Lehramtsausbildungen an den Pädagogischen Hochschulen und Universitäten

Entwicklung von Modellen für gemeinsame Ausbildungsmodule (z.B. im Bereich der Didaktik, Schulmanagement)

Schwerpunkte in der Aus- und Weiterbildung im Bereich der aktuellen pädagogischen Herausforderungen


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 288

13. EU-Ebene

Ziel:

Beste Entfaltungschancen für Österreichs Jugendliche im vereinten Europa Um­setzung:

Teilnahme am neuen LLL-Programm, speziell an den Austauschprogrammen

Ausbau des bilingualen Unterrichts

Verstärkter Schüleraustausch in der Berufsbildung

Schwerpunkt auf der Sprache der Nachbarländer

Der Einsatz von „Native speakers“ soll erleichtert werden

14. Internationale Bildungscluster

Ziel:

Weitere Stärkung der internationalen Bildungskooperationen

Umsetzung:

Weiterführung des Lehrertrainingsprogramms in New York sowie der internationalen Schulen in Budapest, Prag, Istanbul und Guatemala

Aufbau der neuen österreichischen Schule in Shkodra

Ausbau der regionalen Kooperationen insbesondere mit den Ländern Südosteuropas

ERWACHSENENBILDUNG

1. Verbesserung der Bildungskarenz

Ziel:

Ausbau der Bildungskarenz als wichtiges Instrument der Qualifizierung und Beschäfti­gungsfähigkeit

Umsetzung:

Senkung der Dauer des ununterbrochenen Arbeitsverhältnisses als Anspruchvoraus­setzung von 3 Jahren auf 1 Jahr

Anhebung des Weiterbildungsgeldes

Ermöglichung zeitlich flexiblerer Formen auf Basis einer vorherigen qualifizierten Beratung

2. Neue Finanzierungsmodelle und gesicherte Grundstruktur de Erwachsenen­bildung

Ziel:

Schaffung neuer Anreizmodelle und Erleichterung des Zugangs zur Weiterbildung

Umsetzung:

Optimale Beteiligung an Projekten der Europäischen Union durch Sicherstellung der nationalen Kofinanzierungsmittel

Einrichtung einer Expert/innengruppe zur Erarbeitung neuer Fördermodelle unter Berück­sichtigung bestehender Instrumente und Konzepte

(Bildungsprämie, Bildungskonto, Bildungssparen, Bildungsdarlehen, Bildungsgut­schein, Qualifizierungsstipendium usw.)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 289

Verstärkte Abstimmung der Fördermodelle des Bundes und der Bundesländer

Mehrjährige Verträge zur Sicherung der Grundstruktur anerkannter EB Einrichtungen

Dauerhafte Regelung der sozial- und arbeitsrechtlichen Stellung der nebenberuflichen Mitarbeiter und Dozenten der Erwachsenenbildung

3. Ausbau der Bildungsberatung

Ziel:

Verbesserung der Bildungsberatung für Erwachsene

Umsetzung:

Ausbau bestehender anbieterunabhängiger Beratungsangebote

Professionalisierung der Berufs- und Bildungsberatung

Einsatz zeitgemäßer Beratungsinstrumente (z.B. Kompetenzenbilanz, Qualifikations­check)

4. Maßnahmen zur Alphabetisierung

Ziel:

Weitere Senkung des Anteils an Personen mit mangelnden Basisqualifikationen (Schreiben, Lesen, Rechnen, EDV)

Umsetzung:

Spezielle Förderung der Angebote zum Erwerb von Basisqualifikationen

5. Qualitätssicherung in der Erwachsenenbildung

Ziel:

Sicherung der Qualität der Erwachsenenbildungsangebote

Umsetzung:

Ausbau der Qualifizierungsmaßnahmen für hauptberufliche, nebenberufliche und ehrenamtliche MitarbeiterInnen

Schaffung von Qualitätsstandards (didaktisch, organisatorisch, rechtlich) und Zertifizie­rungs­systemen

6. Förderung von Bildungsabschlüssen

Ziel:

Höherqualifizierung für niedrig qualifizierte Jugendliche und Erwachsene

Umsetzung:

Verstärktes schulisches Angebot zur Vorbereitung auf die Berufsreifeprüfung

Weiterer Ausbau der Förderungen für das Nachholen von Bildungsabschlüssen nach Maßgabe der budgetären Möglichkeiten

Verbesserte Zusammenarbeit zwischen Schulen, EB Einrichtungen und AMS

Ausbau von Systemen der Anerkennung nonformal erworbener Fähigkeiten und Kenntnisse

Evaluierung der AHS für Berufstätige und Prüfung von Modellen, die derZielgruppe bestmöglich entsprechen


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 290

7. Bundesweiter Bildungspass

Ziel:

Bessere Dokumentation von Wissen und Fertigkeiten, die im Erwachsenenalter erworben wurden und damit Steigerung der Chancen auf dem Arbeitsmarkt

Umsetzung:

Einführung eines bundesweiten Bildungspasses, der die individuellen Weiterbildungs­maßnamen dokumentiert.

Wissenschaft

Wissenschaft und Forschung sind die Basis für die Schaffung weiterer Arbeitsplätze, für die Erhaltung unserer Wettbewerbsfähigkeit, für Wirtschaftswachstum und damit letztlich für soziale Sicherheit. Voraussetzung dafür sind moderne, autonome Universitäten und hochentwickelte Forschungseinrichtungen.

Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, die Rahmenbedingungen für die Studie­renden weiter zu verbessern und die Studienförderung weiter auszubauen. Der Förderung junger Wissenschafterinnen und Wissenschafter sowie der Förderung von Frauen im Wissenschaftsbereich soll verstärkt Augenmerk geschenkt und die Akademiker/innenquote insgesamt weiter erhöht werden.

Der internationalen Vernetzung österreichischer Wissenschaftseinrichtungen kommt zukünftig ein noch höherer Stellenwert zu. Entsprechende Kooperationen müssen deshalb vertieft und ausgebaut werden.

1. Förderung der Studierenden

Das bestehende System der Studienbeiträge wird folgendermaßen verändert: Eine interministerielle Arbeitsgruppe wird das Studienbeihilfensystem im Hinblick auf seine soziale Treffsicherheit untersuchen und Verbesserungsvorschläge erstatten. Das bereits existierende Kreditmodell wird ausgebaut und in der Öffentlichkeit mit dem Ziel verstärkt bekannt gemacht, dass es von einem größeren Kreis an Studenten in Anspruch genommen wird. Dazu kommt die Möglichkeit dass künftig bestimmte gemeinnützige unentgeltliche Tätigkeiten im Ausmaß von 60 Stunden im Semester eine Refundierung der Studienbeiträge bewirken. Hierbei wird besonders an Beutreu­ungs- und Unterstützungsleistungen im Rahmen des Schulwesens und an Tätigkeiten im Rahmen neuer sozialer Herausforderungen (Hospiz-Bewegung u.ä.) gedacht. Bei den Fachhochschulen treten keine Änderungen ein.

2. Maßnahmen zur Verringerung der Studienabbrecher/innen

Ziel:

Verringerung der Zahl der Studienabbrecher und weitere Erhöhung der Akademiker­quote

Umsetzung:

Ausbau der Studierendenberatung an den Schulen und Universitäten

Coaching und Mentoring in der Studieneingangsphase

Neue Angebote für berufstätige Studierende (z.B. E-Learning, Teilzeitstudienmodelle)

Ausbau der Betreuungsangebote für Studierende mit Kindern

Umfassende Erhebung über die Ursachen von Studienabbrüchen


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 291

3. Weitere Verbesserung der Studienbedingungen

Ziel:

Gewährleistung ausreichender wissenschaftlicher Betreuung, damit jedes Studium ohne Verzögerung abgeschlossen werden kann, sowie weitere Investitionen in eine moderne Lernumgebung.

Umsetzung:

Deutliche Verbesserung der Betreuungsrelationen (Lehrende/Studierende)

Start des Programms „Vorziehprofessuren III“ – Zusatzmittel speziell für die Lehre und damit für bessere Betreuungsverhältnisse

Weiterer Ausbau des Bologna-Prozesses, speziell auch für Lehramtsstudien

Zügige Umsetzung der Generalsanierung und der Universitätsbauplanung (Hochschul­raumbeschaffung)

Steigerung der Effizienz der Studierendenanwaltschaft

4. Frauen in der Wissenschaft

Ziel:

Weitere Steigerung des Frauenanteils im wissenschaftlichen Bereich,insbesondere auch in führenden Positionen

Umsetzung:

Initiative „Frauen in die Wissenschaft“: Weiterentwicklung der speziellen Förderpro­gramme nach internationalen best-practice-Modellen

Ausbau der Programme zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und wissenschaftlicher Karriere

Gezielte Förderung von Nachwuchswissenschafterinnen in naturwissenschaftlich- technischen Bereichen

5. Weiterentwicklung des Universitätsgesetzes 2002

Ziel:

Stärkung der Autonomie und der internationalen Wettbewerbsfähigkeit von Österreichs Universitäten

Umsetzung:

Weiterentwicklung des Universitätsgesetzes 2002 mit den Schwerpunkten Abstimmung der Zuständigkeiten der Organe, Mitbestimmung (z.B. Betriebsräte im Universitätsrat), Informationsrechte, interne Willensbildung.

Stärkung moderner Leitungs- und Entscheidungsstrukturen, um die weitere Profil­bildung und internationale Wettbewerbsfähigkeit der Universitäten zu gewährleisten

Alle unbefristet auf Laufbahnstellen beschäftigten Wissenschafter/innen sollen ine Gruppe („Kurie“) bilden

6. Förderung junger Wissenschafter/innen

Ziel:

Ausbau der Chancen für den wissenschaftlichen Nachwuchs und umfassende Förde­rung der Begabungsreserven

Umsetzung:


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 292

Weiterentwicklung universitärer Karrieremodelle („tenure track“)

Vereinfachung der Habilitations- und Berufungsverfahren an den Universitäten

Erhöhung der Forschungsquote auf 3% des BIP bis 2010

Exzellenzprogramme für den österreichischen Wissenschaftsnachwuchs am ISTA und an den Universitäten

Neuregelung der Forschungsstipendien mit besserer Abstimmung aufeinander

Gezielte Angebote an österreichische Wissenschafter/innen im Ausland

Pensionskassenregelung

Die Anstellungserfordernisse sind im Rahmen des Dienstrechts des Bundes EU-konform nach den akademischen Graden des Bologna-Prozesses zu gestalten

7. Fortsetzung der Fachhochschul-Offensive

Ziel:

Stärkung der Fachhochschulen als wichtige Ergänzung des universitären Angebots

Umsetzung:

Ausbau des Fachhochschulangebots um zusätzliche Studienplätze nach Maßgabe der budgetären Möglichkeiten

Verstärkung der Forschungsförderung

Frauenanteil, vor allem in den technischen Studienrichtungen erhöhen

8. Evaluierung der Universitäten nach europäischen Maßstäben

Ziel:

Steigerung der Qualität der universitären Angebote und Verbesserung der Evaluie­rungs­instrumente

Umsetzung:

Neuausrichtung der Österreichischen Qualitätssicherungsagentur AQA

Weiterentwicklung des Akkreditierungsrats und Akkreditierungsgesetzes

Qualitätssicherung bei Weiterbildungsangeboten (Lehrgänge)

9. Verbesserung der Durchlässigkeit im tertiären Bereich

Ziel:

Anrechnung von erworbenem Wissen zwischen berufsbildenden höheren Schulen, Fachhochschulen, Universitäten und Pädagogischen Hochschulen

Umsetzung:

Sicherstellung der Anrechenbarkeiten bei Studienortswechsel innerhalb Österreichs

Überprüfung des UG 2002 im Hinblick auf die Sicherstellung der Anrechenbarkeiten

Clearing-Stelle bei Streitfällen bei der Anerkennung von ausländischen Studienpro­grammen

Bedarfs- und Akzeptanzanalyse von Bachelor-Studienabschlüssen in speziellen Berufsbereichen


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 293

10. Außeruniversitäre Forschung

Ziel:

Weitere Steigerung der Effizienz und der internationalen Wettbewerbsfähigkeit

Umsetzung:

Erarbeitung moderner Strukturen an der Akademie der Wissenschaften

Evaluierung der Forschungsinstitute der ÖAW

Prüfung der Ausgliederung großer Forschungseinrichtungen

Erhöhung der Mittel des FWF

11. Nationale und internationale Cluster

Ziel:

Nachhaltige Vernetzung österreichischer Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen mit internationalen Partnereinrichtungen

Umsetzung:

Fortführung des ASEA-UNINET und EURASIA-PACIFIC Netzwerks

Schwerpunkt Westbalkan - weiterer Ausbau von CEEPUS

Stärkung der wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Donauraum durch Schaffung eines „Intelligenten Korridors“

Zügiger Ausbau des Institute of Science and Technology (ISTA) inKlosterneuburg zu einem Exzellenzzentrum von internationaler Bedeutung

Bewerbung Österreichs für den Verwaltungssitz des European Institute of Technology (EIT)

Intensivierung internationaler Stipendienprogramme (z.B. Ernst-Mach-Stipendium)

Volle Unterstützung der Umsetzung des Internationalen Abkommens mit demin Lahore/Pakistan eine technische Universität nach österreichischem Modell errichtet wird. Diese Projekt wird durch Know-how und Personal aus Österreich unterstützt.

Soziale Herausforderungen und Gesundheit

Soziales

Pflege und Altenbetreuung

Aufgrund der demografischen Entwicklung in Österreich gewinnt die Betreuung und Pflege älterer Menschen zunehmend an Bedeutung. Durch den rechtzeitigen und vorausschauend planenden Aufbau einer leistungsfähigen und intelligent differen­zierten Versorgungslandschaft sollen humane Bedingungen für ein würdiges Altern gesichert und die größtmögliche Wahlfreiheit für Betroffene und Angehörige geschaffen werden.

Neben der Bereitstellung ausreichender bedarfsgerechter Infrastruktur ist dabei auch die Forcierung des Arbeitsmarktes in diesem Bereich als moderner Berufssektor mit Zukunftschancen sowie die Stärkung und Unterstützung von pflegenden Angehörigen und Ehrenamtlichen wichtig.

Ausbau der Pflegevorsorge

Ein wichtiger Faktor ist das rechtzeitige Erkennen von Betreuungsbedarf und eine gute medizinische und pflegerische Vorsorge. Auch bei bereits bestehender Pflege-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 294

bedürftigkeit sind Maßnahmen der Rehabilitation und Sekundärprävention sinnvoll. Neben einer Koordination der Informations- und Präventionsmaßnahmen durch eine bundesweite Plattform, z.B. den Fonds Gesundes Österreich, und des Ausbau des Angebotes an einfach verfügbarer und verständlicher Information zum Thema soll im Verfahren auf Zuerkennung des Bundes- bzw. Landespflegegeldes eine verpflichtende Pflegeberatung vorgesehen werden.

Optimale Infrastruktur nach den Wünschen der Betroffenen

Jeder Betreuungs- bzw. Pflegebedürftige soll eine bestmögliche Form der Betreuung nach seinen Vorstellungen erhalten können. Pflege in den eigenen vier Wänden soll genauso möglich sein wie Pflege im Heim. Die zahlreichen Möglichkeiten von Selbst- und Angehörigenpflege, über mobile Versorgung zu Hause, rund-um-die-Uhr- Betreu­ung zu Hause und betreute Wohnformen, bis hin zu teilstationären und stationären Angeboten im Akut-, Übergangs- und Langzeitbereich sollen möglichst flächendeckend verfügbar sein.

Weiterentwicklung von bedarfsgerechten Betreuungs- und Pflegemodellen nach den Bedürfnissen von Betroffenen und Angehörigen, wie z.B. für die bis zu 24h-Betreuung oder für spezifische Alterserkrankungen wie Demenz oder Alzheimer

Ausbau der mobilen Dienste und lebensraumnaher Betreuungsstätten und Wohn­formen

Förderung barrierefreien und/oder generationenübergreifenden Wohnens

Ausbau von Begegnungsstätten und sozialen bzw. sozialmedizinischen Programmen für Senioren (niederschwellige Prävention, Besuchs- und Begleitdienste, Tages­zentren, Seniorenclubs in den Gemeinden)

Nachbarschaftszentren zur Koordinierung und Lösung diverser sozialer Anliegen und Problemstellungen

Weiterer Ausbau der lebensraumnahen Hospiz- und Palliativversorgung in stationären, teilstationären und mobilen Angeboten

Schaffung einer Rechtsgrundlage für die rund um die Uhr-Betreuung zuhause: Arbeits­recht, Sozialrecht und Berufsrecht sind dabei an die Besonderheiten der selbständigen und unselbständigen Beschäftigung für Betreuungsleistungen im privaten Haushalt eines Pflegegeld- Beziehers/Bezieherin anzupassen. Bei einer Förderung durch die öffentliche Hand wird Betreuungsausmaß, Pflegebedürftigkeit und soziale Lage berücksichtigt.

Leistbare Pflege und Betreuung

Im Interesse der bestmöglichen Zufriedenheit der Betroffenen soll eine bessere Vernetzung aller Beteiligten im Gesundheits-, Pflege- und Betreuungsbereich sowie eine Abstimmung der Finanzierungsflüsse im Gesundheits-, Sozial- und Pflegewesen mit dem Ziel einer bedarfsgerechten und leistbaren integrierten Versorgung geschaffen werden.

Zur Neugestaltung der Pflege, die leistbare Pflege und Betreuung nach den vorher geschilderten Grundsätzen sichern soll, wird eine Arbeitsgruppe eingerichtet, der Vertreter von Bund, Ländern und Gemeinden angehören. Diese Arbeitsgruppe hat im Laufe des Jahres 2007, möglichst bis zum Sommer, ein Modell auszuarbeiten, das auf folgenden Grundsätzen basiert und allenfalls einer Volksabstimmung zu unterziehen ist:

Für die Betreuung daheim ist ein eigener Beschäftigungstypus möglichst auf der Basis selbständiger Beschäftigung zu entwickeln.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 295

Mehrkosten sind solidarisch durch Beiträge von potentiellen Nutznießern aufzubringen.

Das Pflegegeld des Bundes ist in dieser Gesetzgebungsperiode einmal selektiv nach Pflegestufe zu valorisieren; die Einteilung der Pflegestufen ist zu überprüfen.

Zeitlich befristete teilweise oder vollständige Übernahme auch der Dienstnehmer-Beiträge von pflegenden Angehörigen bei freiwilliger Pensionsversicherung ab Pflege­stufe 4

Verbessertes Schnittstellenmanagement durch übergreifendes Case/Care- Manage­ment

Überarbeitung der Artikel 15a-Vereinbarung gemeinsam mit den Ländern mitdem Ziel der Harmonisierung der Planungsgrundlagen, der Regelungen über Zuzahlungen sowie zum Eingriff in private Vermögenswerte, insbesondere an nicht dem Wohn­bedürfnis dienenden Liegenschaften sowie des Regress an Nachkommen

Unterstützung von Ehrenamtlichen und pflegenden Angehörigen

Die Leistungen von Ehrenamtlichen und pflegenden Angehörigen verdienen hohe Aner­kennung und sie sollen daher weiter gefördert werden. Das soll nicht nur durch einen Ausbau der Beratungs- und Schulungsmöglichkeiten in diesem Bereich ge­schehen, sondern auch durch konkrete Hilfestellung in der Betreuungsarbeit.

Ausbau von Beratung und Hilfestellung vor Ort, Unterstützung zu Hause durch mobile Dienste, Urlaub von der Pflege, Ersatzpflegekräfte und

Bereitschaftsdienste

Schaffung von Anreizprogrammen insbesondere für Senior/innen, sich in der Betreu­ung zu engagieren

Prüfung weiterer Möglichkeiten der Familienhospizkarenz im Bereich der Pflege in Ab­stimmung mit den Sozialpartnern

Einbindung zivilgesellschaftlicher Organisationen (NPOs) bei der Abwicklung von Be­schäftigungsverhältnissen

Forcierung eines modernen Berufssektors mit Zukunftschancen

Um den steigenden Bedarf an Arbeitskräften in der Betreuung und Pflege abdecken zu können, bedarf es der weiteren Modernisierung des Bildungswesens im Gesundheits-, Pflege- und Sozialbereich im Sinne eines attraktiven und durchlässigen Systems und des vermehrten Eingehens auf die Bedürfnisse von Wiedereinsteiger/innen.

Schaffung einer einheitlichen Kompetenzgrundlage für Gesundheits- und Sozialberufe und bundesweite Einführung des Berufsbildes „Heimhilfe“

Attraktivierung der Ausbildung durch Entwicklung von Modulsystemen ,welche die Durchlässigkeit im gesamten Gesundheits- und Pflegebereicherleichtern und Eröffnung weiterer Arbeitsfelder für die Pflegehilfe

Prüfung einer Liberalisierung der Berufsausübungsregelungen für den gehobenen Dienst der Gesundheits- und Krankenpflege bei gleichzeitiger

Normierung strukturbezogener Qualitätskriterien

Ausbau von Teilzeitangeboten und Wiedereinsteiger/innen-Programmen

Maßnahmen zur Absicherung Beschäftigter während der Weiterbildung/Höher­qualifi­zierung, insbesondere auch der bisher nicht AMSFörderungsberechtigten

Schaffung eines Lehrstuhls für Pflegewissenschaften


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 296

Pensionen

Österreich hat eines der besten Pensionssysteme der Welt. Aufbauend auf dem 3- Säulen-Modell und den Pensionsreformen der Jahre 2003 und 2004 werden in folgenden Bereichen Anpassungen durchgeführt. Dies geschieht nach dem wichtigen Grundsatz, dass die Lasten zwischen älterer und junger Generation fair verteilt werden müssen. Nur so kann der Generationenvertrag auch weiterhin aufrecht erhalten werden.

Pensionsberechnung

Eine Arbeitsgruppe bestehend aus Sozialpartnern, Regierungsvertretern und anderen Experten soll die derzeit geltenden Bestimmungen über Pensionsbemessung bzw. -berechnung einer Evaluierung unterziehen und Änderungsvorschläge erstatten, mit der Zielrichtung von mehr Transparenz und Vereinfachung. Dies unter der Voraussetzung, dass keine substanziellen Eingriffe in das bestehende Pensionsrecht (sowohl Beitrags- als auch Leistungsrecht) gemacht werden.

Pensionsantritt

Eine Verlängerung des abschlagsfreien Pensionsantritts mit 55/60 bei der Langzeit­versichertenregelung bis 2010 (so genannte „Hacklerregelung“) soll damit für jene Personengruppe, die lange Beiträge ins System geleistet hat, eine Verbesserung im Übergangsrecht bringen. Ziel ist es darüber hinaus bis zum Jahr 2010 auch in der Auslaufregel für diese Gruppe keine Abschläge entstehen zu lassen.

Die bisherigen „doppelten Abschläge“ bei der Inanspruchnahme einer Korridorpension im Übergangsrecht“ entsprechen in der derzeitigen Form nicht versicherungs­mathe­matischen Grundsätzen. Er soll daher gemildert werden (im Ergebnis Halbierung des Abschlages im Altrecht).

Schwerarbeiterpension

Es wird geprüft, ob die Lebenserwartung einiger Schwerarbeitergruppen signifikant geringer ist, als die anderer Arbeitnehmergruppen. Für den Fall des Nachweises eines deutlichen Unterschiedes sollen Schwerarbeiterpensionen dahingehend neu gestaltet werden, dass bei Einbeziehung der Lebenserwartung ein abschlagsfreier Pensions­antritt ermöglicht wird.

Kindererziehungszeiten (für Pensionskonto)

Die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten soll derart verändert werden, als die derzeit bestehende additive Anrechnung der Gutschriften auf dem Pensionskonto zukünftig von einer wertgesicherten Beitragsgrundlage (Ausgangswert 1.350.- €) erfolgen soll.

Invaliditätspensionen

Eine Arbeitsgruppe bestehend aus Sozialpartnern, Regierungsvertretern und anderen Experten, soll bis 1.1.2008 Vorschläge zu einer Neuordnung des Invaliditätspen­sionsrechts erarbeiten. Bei der Zuerkennung der Pensionen wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (in weiterer Folge Invaliditätspensionen) werden verschiedene Berufs­gruppen ungleich behandelt. Auch in diesem Bereich ist eine Harmonisierung anzu­streben. Für ältere Personen, die wegen ihrer geminderten Arbeitsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt sind, aber die Anforderungen für eine Invaliditätspension noch nicht erfüllen, ist zu prüfen, ob eine Verbesserung erreicht werden kann.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 297

Nachhaltigkeitsfaktor

Die Verhandlungspartner kommen überein, dass der bestehende Nachhaltigkeitsfaktor in Richtung einer Pensionsautomatik mit Wirksamwerdung ab 2010 abgeändert wird. Veränderungen der Lebenserwartung führen automatisch zur Aktivierung des Nach­haltigkeitsfaktors.

Harmonisierung

Die Verhandlungspartner kommen überein, dass in der nächsten Legislaturperiode auf die Bundesländer und Gemeinden eingewirkt werden soll, die Harmonisierung der unterschiedlichen Pensionssysteme voranzutreiben. Ziel ist es, ein auf der Bun­desregelung (Allgemeines Pensionsgesetz und Nebenregelungen) basierendes einheitliches Pensionsrecht für alle Pensionsversicherten zu schaffen.

Armutsbekämpfung

Weitere Reformen im österreichischen System der sozialen Sicherung sind aus vielen Gründen notwendig. Die Verlängerung der Lebenserwartung und das Sinken der Kinderzahl, der Zuwachs bei den so genannten "prekären" Beschäftigungs­verhältnis­sen, der stärker gewordene Wettbewerbsdruck auf allen Märkten, die verstärkte Inte­gration Österreichs in die Weltwirtschaft und die Mitgliedschaft in der EU führen zu neuen Herausforderungen. Eine der Herausforderungen jedenfalls ist die in Österreich vorhandene Armut. In einem reichen Land wie Österreich stellt die wesentliche Reduk­tion von Armut – den entsprechenden politischen Willen vorausgesetzt – eine lösbare Aufgabe dar.

Zielsetzung ist eine weitere Verstärkung der Armutsbekämpfung zur Senkung der Zahl der Armutsgefährdeten und akut Armen.

Das Instrument dafür soll die Einführung einer bedarfsorientierten Mindestsicherung sein. Begleitet wird diese durch einen Mindestlohn (auf Basis eines Generalkollektiv­vertrages) in Höhe von 1.000,- Euro.

Die Höhe der Mindestsicherung beträgt im Jahr 2007 Euro 726,- brutto (14 mal).

Die Einführung der bedarfsorientierten Mindestsicherung erfolgt in mehreren Schritten.

Den ersten Schritt bildete die Erhöhung des Ausgleichszulagenrichtsatzes auf Euro 726,- im Jahr 2007. Danach soll eine Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern für eine soziale Mindestsicherung zur Vereinheitlichung und Pauschalierung der Sozialhilfe der Länder auf die Höhe von € 726,-, (möglicherweise in Etappen) erfolgen. Darüber sind gesonderte Verhandlungen mit den Ländern zu führen.

Im Hinblick auf mehr Transparenz von Daten über Leistungen im Sozialbereich ist es notwendig, dass Bund und Länder ihren Datenaustausch wesentlich verbessern.

Als Bezugsgröße der Armutsgefährdungsgrenze in Österreich gilt der Ausgleichs­zulagenrichtsatz.

Unter dem Vorbehalt der Umsetzung einer bedarfsorientierten Mindestsicherung in den Bundesländern erfolgt gleichzeitig der Ausbau mindestsichernder Elemente im Arbeitslosenversicherungsrecht:

Das System der 60%igen Nettoersatzrate für Alleinstehende unter dem Ausgleichs­zulagenrichtsatz wird vollständig in der Notstandshilfe abgebildet, d.h. die Notstands­hilfe wird mit 95% von der auf bis zu 60% erhöhten Nettoersatzrate bewertet.

Bei Personen mit Familienzuschlägen wird die auf bis zu 80% erhöhte Nettoersatzrate künftig auch in der Notstandshilfe als Berechnungsbasis herangezogen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 298

Die Anrechnungsbestimmungen über das Partnereinkommen bei der Notstandshilfe werden dahingehend geändert, dass eine Anrechnung des Partnereinkommens nicht zu einem Haushaltseinkommen unter dem Familienausgleichszulagenrichtsatz (zuzüg­lich Kinderzuschläge) führt.

Voraussetzung für die Zuerkennung der Leistung ist bei allen arbeitsfähigen Bezie­herInnen mindestsichernder Leistungen die Arbeitswilligkeit.

Die Zumutbarkeitsbestimmungen werden gerechter und praxisnäher gestaltet. Lang­zeit­arbeitslose werden in gemeinnützige Arbeitsprojekte eingebunden und zur Weiter­bildung verpflichtet. Damit ist sichergestellt, dass es sich bei der bedarfsorientierten Mindestsicherung um kein arbeitsloses Grundeinkommen handelt.

Die Betreuung der arbeitsfähigen Sozialhilfebezieher zur Reintegration in den Arbeits­markt erfolgt durch das AMS mit dem Ziel der Erreichung eines One- Stop-Shops im Hinblick auf die Auszahlung der Leistungen aus der bedarfsorientierten Mindestsiche­rung. Die Bedarfs- und Vermögensprüfung erfolgt durch die Sozialhilfeträger.

Zentrales Element der Bedarfprüfung ist auch der Einsatz des eigenen Vermögens - denn: wer Vermögen besitzt, muss dieses erst verwerten, bevor Anspruch auf Hilfe von Seiten der Allgemeinheit besteht. Es erfolgt eine angemessene Verwertung von Ver­mögen für BezieherInnen von Sozialhilfe, wobei die (selbst bewohnte) Eigentums­wohnstätte mit einer fiktiven Miete bewertet und ein für die Berufsausübung not­wendiges Auto nicht verwertet wird. Unterhaltsansprüche sind mit jenen Werten anzusetzen, die im Regelfall nach Klagen und Exekutionen dem Unterhaltsberechtigten tatsächlich zufließen.

„Sozialtourismus“ wird durch entsprechende Anknüpfung an das Recht auf dauernden Aufenthalt vermieden.

Gesundheit

Die Bundesregierung bekennt sich zur umfassenden medizinischen Versorgung für alle Menschen unabhängig vom Alter und Einkommen. Ziel ist eine lange Lebenserwartung bei guter Gesundheit, höchstmögliche Patientenzufriedenheit und umfassender Schutz vor dem finanziellen Risiko einer Erkrankung. Es gilt der Grundsatz der solidarischen Finanzierung, eines gleichen und niederschwelligen Zugangs zu Leistungen und hoher Qualität und Effizienz bei der Leistungserbringung. Um allen Bevölkerungsgruppen den Zugang zu medizinischem Fortschritt zu gewährleisten, ist bei allen Entscheidungs­trä­gern ein besonders sorgfältiger Umgang mit den vorhandenen Ressourcen geboten.

Im Mittelpunkt der Gesundheitspolitik der Bundesregierung steht der Bedarf der Patien­ten.

Gender-medicine wird als durchgehendes Prinzip auf allen Ebenen des Gesundheits­wesens berücksichtigt.

1. Prävention, Gesundheitsförderung und Public Health

Eine ausgeweitete Prävention und Gesundheitsförderung auf inhaltlicher, struktureller und finanzieller Ebene soll die Menschen in ihren Lebensumwelten, wie Arbeit, Kindergarten, Schule oder Gemeinde erreichen. Folgende Maßnahmen werden daher gesetzt:

Ein Gesundheitsförderungsgesetz als 4. Säule Prävention und Gesundheitsförderung; orientiert an vereinbarten Zielen in bezug auf Zivilisationserkrankungen, der Förderung gesunder Lebensumwelt und Lebensstile (Bewegung, Ernährung, Suchtverhalten und Unfallgefährdung).


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 299

Bündelung der Aktivitäten, gemeinsame Steuerung auf Bundes- und Landesebene und Schaffung bürgernaher Kompetenzzentren unter

Nutzung bestehender Strukturen (u.a. Krankenanstalten, Gemeinden und Sozial­versicherung).

Ausgeweitete Finanzierung für Prävention und Gesundheitsförderung entsprechend der jeweiligen Zuständigkeit  wird überprüft.

Epidemiologisch abgesicherte Präventions- u. Gesundheitsberichterstattung, For­schung und Evaluierung.

Verankerung eines gesetzlich ausgeweiteten NichtraucherInnenschutzes (insbe­son­dere durch strenge Regelungen auch in Lokalen durch räumlich abgetrennte Raucher­zonen).

Nationale Sucht- und Alkoholstrategie insbesondere für junge Menschen.

Weiterentwicklung der öffentlichen Gesundheitsdienste und Novelle des Epidemiege­setzes und klare Regelungen in der Katastrophenvorsorge.

Gezielter Einsatz von Impfprogrammen (insbesondere bei Kindern und gegen epide­mische Erkrankungen).

Aufbau von systematischen Screeningprogrammen (Brustkrebs, Darmkrebs und Pros­tata).

2. Ausbau der integrierten Versorgung

Ausgehend vom Bedarf der PatientInnen sind Gesundheitsprozesse so zu gestalten, dass Vorsorge, Diagnose, Behandlung, Rehabilitation und Pflege in der richtigen Reihenfolge, von der richtigen Stelle, in angemessener Zeit und mit gesicherter Qualität und maximalen Ergebnis erbracht werden. Grundsätzlich gilt:

Die integrierte Versorgung wird als gesundheitspolitisches Ziel für die Koope­rationspartner Bund, Länder, Sozialversicherung und alle Leistungserbringer ver­bindlich vereinbart.

Die Gesamtplanung eines patientenorientierten Leistungsangebotes umfasst alle Ver­sorgungsbereiche. Qualität und Wirtschaftlichkeit der einzelnen Sektoren orien­tieren sich an Effektivität und Effizienz des Gesamtsystems.

Die Finanzierung folgt dem Prinzip „Geld folgt Leistung“.

Zur Maximierung der Zugangsgerechtigkeit und der Behandlungsergebnisse werden folgende Initiativen gesetzt:

Die künftige Art. 15a Vereinbarung zur „Finanzierung des österreichischen Gesund­heitswesens“ wird die Überwindung bestehender Beschränkungen für die integrierte Versorgung vorantreiben.

Aufwertung der Rolle der AllgemeinmedizinerInnen und anderer Gesundheitsberufe.

Aufbau ambulanter Gesundheitszentren, ergänzt durch gesetzlich abgesicherte Koope­rationsmodelle mit Spitälern, die bedarfsorientiert nach Leistungsverträgen zeitlich, qualitativ und leistungsmäßig umfassende Versorgungspakete anbieten. Das soll zur Verbesserung der fachärztlichen Versorgung im ländlichen Raum beitragen.

Evaluierung bestehender Abrechnungsmodelle (LKF und SV-Tarife) und darauf auf­bauende zielorientierte Honorierungsformen in beiden Sektoren.

Vergleichbare Dokumentation der Leistungen von Spitälern, Ambulanzen, nieder­gelassenen ÄrztInnen zur Schaffung von Kostentransparenz.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 300

Bürokratieabbau durch einfache Dokumentationsregeln.

Sektorenübergreifende Nutzung der Medizintechnologie.

Qualitätsgesicherte und multidisziplinäre Leitlinien für chronische Krankheiten, (u.a. bei Diabetes, Schlaganfall, Krebs, koronare Herzkrankheiten, COPD und Demenz).

Optimierte Arbeitsteilung zwischen Spitälern bei der Zentral- und Grundversorgung; der Aufbau überregionaler Versorgungsstrukturen in der

Spitzenmedizin.

Aufbau vor- und nachgelagerter Betreuungsformen als Alternativen zum Spitalsauf­enthalt.

Flächendeckende und abgestufte Palliativ- und Hospizbetreuung, finanziert nach jeweiliger Zuständigkeit.

Ausbau ambulanter Rehabilitation, im stationären Bereich bei der Kinderrehabilitation, der Neurologie, Kardiologie und für Krebspatienten.

Unterstützung integrierter Versorgungsformen durch ausgeweitete Anwendungen der e-card und der „Elektronischen Gesundheitsakte“ unter Wahrung der PatientIn­nenrechte und des Datenschutzes. Die Finanzierung der ELGA ist sicherzustellen.

Aufnahme- und Entlassungsmanagement optimieren

Die Überführung des Hanuschkrankenhauses in den Krankenanstaltenverbund und die Einordnung der Unfallkrankenhäuser in die Landesfonds sowie die damit verbundenen finanziellen Konsequenzen sind vor Aufnahme der Beratungen zur Art.15a Verein­barung zu überprüfen.

3. Steuerung im Gesundheitswesen

Zur Umsetzung gemeinsamer gesundheitspolitischer Ziele ist ein abgestimmtes Steuerungsmodell zwischen Bund, Ländern und sozialer Krankenversicherung unver­zichtbar.

Im Rahmen der Bundesgesundheitskommission (BGK) wird von den Finanzpartnern die Konkretisierung einer gemeinsamen Steuerung einvernehmlich erarbeitet. Vorar­beiten dazu fließen in die Art. 15a-Vereinbarung zur Finanzierung des Gesundheits­wesens ein. Erste Umsetzungsmaßnahmen werden bereits in dieser Legislaturperiode gesetzt.

Zur Erreichung des langfristigen Ziels der Finanzierung aus einer Hand erfolgt mittelfristig eine bundesweite Bündelung aller KVBeiträge und zweckgewidmeter Steuern. Entscheidungen über den bedarfsorientierten und transparenten Einsatz der verfügbaren Mitte für die Versorgungssektoren treffen die Finanzpartner im

Einvernehmen. Bundesländerübergreifende Versorgungsstufen können direkt finanziert werden.

Bei der Mittelverteilung wird auch die Risikostruktur der zu versorgenden Bevölkerung berücksichtigt. Die dafür maßgebenden Kriterien werden für die Art.15a Vereinbarung vorbereitet, (z.B. Alter, Geschlecht, Bildung, Einkommensunterschiede, Morbidität, Er­werbs­minderung, Armut, Arbeitslosigkeit, alleinstehende Menschen, standortbezogene Gesundheitskosten).

Entscheidungen über den patienten- und bedarfsorientierten Mitteleinsatz treffen die Finanzpartner in den Bundesländern.

Für die Gebietskrankenkassen wird ein bundesweit einheitliches Leistungsrecht reali­siert. Die Gebietskrankenkassen bilden auf der Grundlage dezentraler Organisations-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 301

strukturen eine gemeinsame Sparte Krankenversicherung im Hauptverband. In diesen Zusammenhang erfolgt eine Neugestaltung seiner Aufgaben und seiner Organisation. In der Sparte KV treffen die Vertreter der Gebietskrankenkassen - in Abstimmung mit den Sonderversicherungsträgern - bundesweit verbindliche Vereinbarungen (gemein­same Ziele, Abstimmung des Leistungsrechts, Versorgung mit Heilmittel und Heilbe­helfen, Leitlinien für die Honorierung der Anbieter). Damit soll die Gestaltungs­möglich­keit der regionalen Selbstverwaltungen auf der Bundesebene gestärkt werden. Fragen der partnerschaftlichen Entscheidungsstrukturen sind von den Interessens­vertretungen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer im Konsens zu klären.

Das Projekt der Zusammenlegung der SV-der gewerblichen Wirtschaft und der SV-der Bauern zu einem Sozialversicherungsträger der Selbständigen ist im Einvernehmen mit beiden Trägern abzuschließen.

4. Finanzierung des Gesundheitswesens

Das Defizit der Gebietskrankenkassen und die Finanzierungsprobleme der Länder und Gemeinden als Spitalserhalter können vorrangig über die Ausschöpfung des

Effizienzpotentials und weiters durch zusätzliche öffentliche finanzielle Mittel für das Gesundheitswesen beeinflusst werden. Eine Ausweitung der Selbstbehalte wird nicht angestrebt.

Das Effizienzpotential im gesamten Gesundheitswesen ist auf einer systematischen Grundlage festzulegen und entsprechend der geltenden Art. 15a-Vereinbarung mit 300 Mio. € bis 2008 und weiteren 100 Mio. € bis 2010 zu realisieren. Ansatzpunkte dafür sind insbesondere weniger Zuweisungen und Wiederaufnahmen und Optimierung der tagesklinischen Behandlungen in den Krankenanstalten, effiziente Nutzung von Medizinprodukten und Medikamenten, neue Organisationsformen bei ÄrztInnen, abge­stimmte und anreizeffiziente Honorierungssysteme, Einsparungen im nichtmedizini­schen Bereich der Krankenanstalten (u.a. Modelle des gemeinsamen Einkaufs oder der Arbeitsorganisation), Kostenwahrheit bei der Abrechnung von GastpatientInnen.

Die nachhaltige Absicherung der Liquidität der Gebietskrankenkassen erfordert umfassende Maßnahmen. Erste Ansätze dazu sind:

die Sicherstellung der vollständigen Einbringlichkeit der SV-Beiträge

die Anmeldung zur Sozialversicherung vor Arbeitsbeginn

Zur Verhinderung eines Defizits bei den gesetzlichen Krankenversicherungen in ihrer Gesamtheit sind folgende Maßnahmen zu ergreifen: Die Hälfte des erforderlichen Betrags ist auf Grund von Vorschlägen der Sozialpartner durch Einsparungen und Effizienzsteigerungen (z.B. Angleichung der Leistungskataloge, Einsparungen bei Medikamenten und Verwaltungskosten) aufzubringen; für die Bedeckung der anderen Hälfte erfolgt eine Anhebung aller Krankenversicherungsbeiträge um 0,15 %, wobei die Aufteilung auf Dienstnehmer- und Dienstgeberanteil entsprechend einer Einigung der Sozialpartner erfolgt, die sich auch auf die Fragen der Liquiditätsvorsorge und die Schaffung einer kostenneutralen Eigenvorsorge innerhalb der Gewerblichen SVA erstreckt

Sozialhilfebezieher werden durch eine noch zu verhandelnde pauschalierte Beitrags­grundlage in die Krankenversicherung einbezogen.

5. Selbstbehalte

Da die Summe der bestehenden Selbstbehalte für chronisch und Mehrfacherkrankte zu einer finanziellen Belastung führen kann, die eine Nicht-Inanspruchnahme von medi­zinisch notwendigen Leistungen bewirkt, werden folgende Maßnahmen gesetzt:


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 302

Möglichst ab 1. Jänner 2008 wird eine Obergrenze bei der Rezeptgebühr in Höhe von 2 % des Einkommens festgelegt, die über die e-Card administriert wird. .

Niedrigere Rezeptgebühr bei der Verschreibung von Generika und für Original­präparate auf dem Preisniveau des Generikums.

Anreize für die Teilnahme an Hausarzt- und Vorsorgeprogrammen.

6. Medikamente

Ein umfassender Ansatz zur Kostendämpfung bei Arzneimitteln (Zulassung und Aufnahme in den Erstattungscodex (ECO), Verschreibung und Abgabe, Handels­spannen).

Unterstützung einer europäischen Perspektive bei der Zulassung und Bewertung des therapeutischen und gesundheitsökonomischen Nutzens von Arzneimitteln.

Auf der Grundlage einer Evaluierung des Systems der „Boxen“ im ECO wird eine Weiterentwicklung - insbesondere in bezug auf innovative Produkte – vorgenommen.

Evidenzbasierte Anerkennung von homöopathischen Produkten für den ECO.

Die chefärztlichen Bewilligungen sollen auf einheitliche Regeln und begleitende Qualitätssicherung ausgerichtet werden.

Die e-Medikation Datenbank (Arzneimittelsicherheitsgurt) und das e-Rezept werden für verschreibende und abgebende Stellen flächendeckend eingeführt.

Transparenz bei Studien zur Anwendungsbeobachtung wird hergestellt.

Förderung des Einsatzes von Generika, insbesondere durch stärker betonten Preis­wettbewerb zwischen Erstanbieter und Generikum.

Gemeinsame Arzneimittelausschüsse der Krankenhäuser und der Kranken­versiche­rung sollen Richtlinien zur Bewertung und Auswahl von Heilmittel erarbeiten.

7. Ausbildung der Ärzte, Gesundheits-, Pflege- und Sozialberufe

Der Ausbildungsweg (Studium und Approbation) von FachärztInnen erfolgt über eine gemeinsame einjährige Basisausbildung. Die Ausbildung zu FachärztInnen für Allge­mein­medizin wird mit verdichteten Ausbildungsinhalten umgesetzt. Allgemeinmedizin wird universitär ausgebaut.

Ausbildungsstätten müssen qualitative Voraussetzungen erfüllen, Lehrpraxen in den Ausbildungsweg einbezogen werden.

Das Ausbildungs- und Tätigkeitsprofil der TurnusärztInnen wird unter Berücksichtigung der Strukturänderungen im Krankenanstaltenbereich überarbeitet.

Die Harmonisierung der Bildungswege von Gesundheits-, Pflege- und Sozialberufen soll die Durchlässigkeit zu verwandten Berufsbildern herstellen.

Die Anbindung der Pflegeausbildung an das Regelschulwesen wird verbessert.

Ein modularer Aufbau der Ausbildung soll Durchlässigkeit, Flexibilität und Mehrfach­qualifikationen im Sinne des lebensbegleitenden Lernens ermöglichen.

Bei der Ausbildung ist die Vergleichbarkeit auf der europäischen Ebene herzustellen.

Der begonnene Umbau der MTD-Akademien in Fachhochschulstudiengänge soll bis 2010 abgeschlossen werden. Das Berufsbild der Medizinisch Technischen Fachkraft soll überprüft werden.

Es erfolgt eine Erfassung und Registrierung aller Gesundheitsberufe.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 303

8. Qualitätssicherung im Gesundheitswesen

Der Qualitätssicherung dienen:

Leitlinien für Prozess- und Ergebnisqualität (z.B. Wartezeiten, Untersuchungsdauer, Re-Operationsraten, Wiederaufnahmen).

Patientenorientierte Behandlung - unter Einschluss der Komplementärmedizin (z.B. Homöopathie, TCM etc.) und der Psychotherapie - wird durch ein transparentes System der Qualitätssicherung unterstützt. Dem dient auch der Ausbau des Bun­desinstituts für Qualität im Gesundheitswesen.

Aktive Nutzung des 7. Forschungsrahmen-Programms zur Förderung von Innovationen im Gesundheitswesen.

Verbesserte Arbeitsbedingungen und flexible Formen der Arbeitszeitgestaltung für die Beschäftigten zur Vermeidung zeitlicher Überbelastung.

Evaluierung der bestehenden Versorgung und bundesweite Weiterentwicklung einer qualitätsgesicherten Psychotherapie.

9. Patientenrechte

Die Stärkung der PatientInnenrechte erfolgt durch:

PatientInnenanwaltschaften werden in allen Bundesländern gleichermaßen gestärkt.

PatientInnen werden bei Behandlungsfehlern und Schadenersatzansprüchen besser abgesichert; bei Medizinproduktefehlern wird die Beweisposition zugunsten von Patien­tInnen geregelt und Berufshaftpflicht bei Behandlungsfehlern verankert.

Anpassung des Arztvorbehalts und der Berechtigungen einzelner Gesundheits- und Pflegeberufe.

10. Gesundheitlicher Verbraucherschutz

Globalisierung und neue Technologien stellen den Verbraucherschutz vor neue Heraus­forderungen. Neben einer Stärkung der Informationsrechte sind daher auch gezielt Forschungsmittel für die Risikoforschung einzusetzen.

Illegale Vertriebswege und gefälschte Produkte (z.B. Arzneimittel) sind im Zusam­menwirken zuständiger Behörden nachdrücklich zu verfolgen und diebestehenden Kontrollsysteme zu bündeln.

Die Zusammenführung der verschiedenen Kontrollsysteme in einer eigenen Verwal­tungsstruktur sowie ein mehrjähriger integrierter Kontrollplan und die Überprüfung entsprechender Landesstrukturen sollen Synergieeffekte schaffen und die Ergebnisse amtlicher Überwachung steigern. Neu strukturierte Melde- und Berichtspflichten sowie qualitätsgesicherte Daten sollen die Effizienz amtlicher Kontrollen insbesondere ent­lang der Lebensmittelkette und damit die Lebensmittelsicherheit insgesamt erhöhen.

Die Agentur für Gesundheits- und Ernährungssicherheit ist unter Berücksichtigung nationaler und internationaler Erfahrungen und unter Anwendung europäischer Lebensmittelvorschriften weiter zu entwickeln und die Finanzierung sicher zu stellen.

Gesetzliche Regelungen zur Qualitäts-, Herkunftskennzeichnung sowie Regelungen zu regionalen und biologischen Produktionsweisen sollen

gesicherte Information und Transparenz sowie Schutz vor Täuschungen und Wett­bewerbsverletzungen schaffen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 304

Mit der grundlegenden Reform des Tierseuchenrechtes sowie der Modernisierung des Epidemiegesetzes sollen der Schutz vor übertragbaren Krankheiten weiter ausgebaut und die Melde- und Berichtspflichten gesichert werden.

Das Bekenntnis zur Gentechnikfreiheit bei Lebensmitteln sowie heimischen Futter­mitteln wird aufrechterhalten. Die Wahlfreiheit der KonsumentInnen wird durch ent­sprechende Kennzeichnung und Kontrollen abgesichert. Diese Position wird von Öster­reich auf EU-Ebene vertreten.

Menschen mit Behinderung

Barrieren in Gesetzen und Köpfen abbauen!

Zur Weiterentwicklung der Gleichstellungspolitik werden folgende Maßnahmen

gesetzt:

Alle zwei Jahre ein verpflichtender Bericht ans Parlament sowie Studien zur Situation von Menschen mit Behinderung

Monitoring, Evaluierung und Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsrechtes und der daraus resultierenden Bündelgesetze insbesondere durch

Evaluierung der Effektivität der Umsetzung (Unterlassung/Beseitigung von Barrieren; Schlichtungsverfahren, Gerichtsverfahren; Gestaltung & Umsetzung der Etappenpläne, Verbandsklage)

Rasche Umsetzung einer Art 15a B-VG-Vereinbarung zur Etablierung harmonisierter – barrierefreier Bauordnungen, sowie Einführung von Kriterien des anpassbaren Wohn­baus bei der Vergabe von Wohnbauförderungsmitteln.

Beratungsstellen zur Herstellung baulicher Barrierefreiheit

Evaluierung und Weiterentwicklung der Behindertenanwaltschaft

Planung, Förderung und Finanzierung von bundesweiten/ressortübergreifenden Akti­onsprogrammen zur Umsetzung des Gleichstellungsrechtes.

Förderung jener Ausbildungs- und Umsetzungsmaßnahmen, die aufgrund der Aner­kennung der Gebärdensprache notwendig sind

Förderung von Dienstleistungsangeboten durch Selbsthilfe- und Vertretungsorgani­sationen , um den Zugang zu den Inhalten des Gleichstellungsrechtes und damit einer selbst bestimmten und eigenverantwortlichen Lebensführung zu ermöglichen. Stärkung der Selbstvertretung von Menschen mit Lernbehinderung zur besseren Partizipation in Heimen, Wohngruppen (-einheiten) und Werkstätten

Fortsetzung der Beseitigung von diskriminierenden Bestimmungen in den Materien­gesetzen (z.B. Notariatsaktgesetz)

Bundeseinheitliche Leistungen z.B.: § 29 b StVO Ausweis ermöglicht behinderten Menschen einen eigenen Parkplatz und das kostenlose Parken in Kurzparkzonen und das Parken auf einem Behindertenparkplatz. Die Länder haben unterschiedliche Spruchpraxis, eine einheitliche Begutachtung zur Zuerkennung des Ausweises durch das Bundessozialamt im Einvernehmen mit dem jeweiligen Land ist notwendig.

Ausbau der Reha-Maßnahmen und Sicherstellung der mobilen Betreuung zu Hause für beatmete PatientInnen.

Ausbau der psychosozialen Beratungsangebote vor einer pränatalen Diagnose, bei Bekanntgabe des Ergebnisses und nach der Geburt unter Einbeziehung betroffener Eltern, Aufklärung über Unterstützungsangebote.


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Ausbau Familien entlastender Dienste für Eltern behinderter Kinder sowie für Eltern mit Behinderung insbesondere durch den Einsatz einer FamilienhelferIn. Ausbau der bestehenden Beratungs- und Diagnostikdienste zur bestmöglichen Vorbereitung der betroffenen Familie aber auch des Schulsystems auf die Anforderungen der schulischen Integration.

Die Kosten für diese Maßnahmen sind nach Möglichkeit durch das jeweils zuständige Ressort bzw. Gebietskörperschaft zu tragen. Eine Anschubfinanzierung durch das Sozialministerium über das Bundessozialamt sollte aber unabhängig von der ope­rativen Zuständigkeit dann erfolgen, wenn die umzusetzenden Maßnahmen besondere Bedeutung zur Beförderung des Gleichstellungsrechtes haben.

Der Arbeitsmarkt als Herausforderung

Ziel der Arbeitsmarktpolitik muss es sein, behinderungsbedingte Benachteiligungen am Arbeitsmarkt zu vermeiden und zu beseitigen.

Fortsetzung der Beschäftigungsoffensive, bedarfsgerechte Qualifizierung und Optimie­rung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente (z.B. persönliche Assistenz),weiterer Aus­bau der Integrationsfachdienste für besondere Zielgruppen, wie psychisch kranke, sinnesbehinderte und lernbehinderte Menschen

Erhaltung und Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit von ArbeitnehmerInnen (vor allem älterer ArbeitnehmerInnen mit Behinderung oder chronischen Erkrankungen). Rechtzeitige und koordinierte Interventionsmaßnahmen (präventive Bündelung aller möglichen Dienstleistungen); Evaluierung und Optimierung der Rahmenbedingungen der beruflichen Rehabilitation

Chancengleicher und nachhaltiger Zugang zu sozialversicherungsrechtlich abgesicher­ten Beschäftigungsverhältnissen. Pilotversuch „disabilityflexicurity“: 3 regional verteilte Agenturen oder bereits bestehende Einrichtungen (per Ausschreibung), welche Menschen mit Behinderung anstellen und rasch an Betriebe weitervermitteln und ver­leihen. Bei Kündigung durch den Betrieb bleibt die Person in der Agen­tur/Einrichtung beschäftigt und sozial abgesichert. Prüfung von Modellen zur Erhöhung der Beschäf­tigungschancen vor allem junger Menschen mit Behinderung

Schaffung und Ausbau von Anreizsystemen und Unterstützungsstrukturen insbeson­dere für Klein- und Mittelbetriebe, die Menschen mit Behinderung ohne Verpflichtung einstellen bzw. die Quote übererfüllen

Optimierung der unternehmensbezogenen Dienstleistungen zur Unterstützung der Wirtschaft bei der beruflichen Integration in die Arbeitswelt, vor allem auch durch regelmäßige Dienstleistungsangebote zur Reduzierung des betrieblichen und behörd­lichen Ressourcenaufwandes

Bundessozialamt als Kompetenzzentrum für Menschen mit Behinderung (Beauftragung zur Koordination der beruflichen Integration für Menschen mit Behinderung auf Bundesebene, Positionierung als zentrale Anlaufstelle; Entwicklung und Vollziehung von Dienstleistungen zur Förderung von Selbstbestimmung)

Besondere Förderung von arbeitsmarktfernen Frauen mit Behinderung durch Maß­nahmen der Heranführung an den ersten Arbeitsmarkt

Prüfung der Möglichkeiten einer Progressionslösung für die Ausgleichstaxe für Unter­nehmen, die sich der Einstellungspflicht entziehen, unter Einbeziehung der Sozial­partner

AUDIT von Betrieben zur Beschäftigung behinderter Menschen: Förderung von be­trieblichen Personal- und Organisationsentwicklungsansätzen, die geeignet sind,


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 306

berufliche Integration strukturell zu unterstützen (z.B. Prozessbegleitung zum Ab­schluss einer (freiwilligen) Betriebsvereinbarung)

Frauenpolitische Maßnahmen

Chancen- und Einkommensgerechtigkeit, Gleichstellung in der Arbeitswelt sowie in Wissenschaft und Forschung und der Schutz der Frauen vor Gewalt bleiben zentrale Anliegen. Daher sollte es künftig ein „Frauen- und Gleichstellungsministerium“ geben.

Da dieses Thema – ebenso wie die Bereiche Familie und Jugend – eine Querschnitts­materie darstellt, finden sich eine Reihe an Maßnahmen in den anderen Kapiteln des Regierungsübereinkommens.

1. Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Erwerbs- und Familienarbeit dürfen keinen Widerspruch mehr darstellen. Dabei stehen die Stärkung der Väterbeteiligung sowie Weiterentwicklung von Kinderbetreuung im Vordergrund. Siehe Kapitel „Familie“

2. Mehr Chancengerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt

Zielvorgaben des AMS um qualitative Ziele der Beschäftigungsintegration erweitern

Erhöhung der Frauenbeschäftigungsquote von 62% auf 65%

Stärkung der Vollerwerbsquote der Frauen

Verbesserung der Arbeitsmarktchancen von Frauen durch Qualifizierungen

Ausbau der qualifizierten Teilzeitarbeit (v.a. in Führungspositionen)

Erhöhung des Frauenanteils in Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Sozialpart­nerschaft

Verbesserung der personellen und finanziellen Ausstattung der Gleichbehandlungs­anwaltschaft und Sicherung ihrer Unabhängigkeit

Anreize für eine vereinbarkeitsfreundliche Unternehmensführung (Work Life Balance Management)

3. Weitere Schließung der Einkommensschere

Unterstützung von Mädchen bei der (atypischen) Berufswahl; Blumbonus mit Schwer­punkt auf Mädchen und atypische Lehrberufe

Eliminierung von Stereotypen in der Arbeitsbewertung (diskriminierungsfreie Arbeits­bewertung)

Maßnahmen zur besseren Bewertung sog. frauenspezifischer Jobs

Frauenspezifische Karriereförderung

Unterstützung von Wiedereinsteigerinnen

Weiterführung der Anti-Diskriminierungsmaßnahmen

4. Bekämpfung der Frauenarmut

Auf Basis eine Generalkollektivvertrages soll ein Mindestlohn in der Höhe von 1000,- EURO umgesetzt werden.

Verstärkte Unterstützung Alleinerziehender (siehe Kap. Familie)

Aktionsplan zur speziellen Förderung von Migrantinnen, insbesondere durch Deutsch­kurse, Qualifizierungsangebote und die gezielte Förderung von Integration und Partizipation;


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5. Förderung von Frauen in Führungspositionen

Weiterführung und Ausbau der frauenspezifischen Netzwerke und der Mentoring-Programme

Frauenförderpläne in Betrieben

Erhöhung des Frauenanteils in Spitzenpositionen in Wissenschaft und Forschung

6. Frauengesundheit und geschlechtsspezifische Medizin

Ausbau der geschlechtssensiblen Medizin in Forschung, Lehre und ärztlicher Praxis sowie in der Pharmakologie (Änderung des Arzneimittelgesetzes)

Fortführung der internationalen Zusammenarbeit in den Bereichen Frauengesundheit und geschlechtergerechte Medizin

Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen in der Medizin

Einrichtung von Frauengesundheitszentren in allen Bundesländern

7. Frauenförderung durch Beratung

Ausbau der Frauenberatungsstellen mit dem Ziel der Schließung von regionalen Versorgungslücken

Ausbau der frauenspezifischen Weiterbildungsangebote im AMS

Wiedereinstiegshilfen wie z.B. Orientierungsseminare und Qualifizierungsmaßnahmen während der Karenz

8. Gewaltschutz

Weiterentwicklung der Gesetzgebung im Bereich Gewaltschutz und – prävention, inklusive Antistalkinggesetz

Anpassung der finanziellen Ausstattung der Interventionsstellen gegen Gewalt an die Steigerung der Fallzahlen und Betretungsverbote

Weitere Sensibilisierung von Polizei und Justiz

Weiterführung der Maßnahmen gegen traditionsbedingte Gewalt

Betreute Notwohnung für Betroffene von Zwangsheirat

9. Bekämpfung des Frauenhandels und Ausbau der Unterstützung für von Frauenhandel Betroffene

Aktionsplan gegen Menschenhandel

Ausbau von Notwohnungen für Betroffene von Frauenhandel

Ausweitung der jur. Prozessbegleitung vom Straf- auf das Zivilrecht

Krankenhilfe für Betroffene des Frauenhandels bis zur Klärung des Aufenthaltsstatus

Familienpolitische Maßnahmen

Familie wird in all ihren vielfältigen Formen von uns respektiert und unterstützt. Besonderes Augenmerk ist dabei auf das Kindeswohl zu legen.

1. Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist die zentrale Herausforderung für die Zukunft. Das Kindergeld wird in folgender Weise flexibilisiert. In Zukunft stehen im Sinne der Wahlfreiheit der Eltern zwei Varianten zur Verfügung: Entweder wie bisher der Bezug von insgesamt 36 Monaten (davon mindestens 6


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 308

Monate der andere Partner) in der bestehenden Höhe von € 436,- oder ein Bezug von insgesamt 18 Monaten (davon mindestens 3 Monate der andere Partner) in Höhe von € 800,- monatlich. Der Zuschlag zur Familienbeihilfe für das 3. Kind wird auf € 35,-, für das 4. und jedes weitere Kind auf € 50,- angehoben.

Information der Eltern über die arbeitsrechtlichen Bestimmungen bereits bei Antrag­stellung auf Kinderbetreuungsgeld

Lückenschließung bei der Pflegefreistellung

2. Weiterentwicklung von Kinderbetreuung

Ausbau der Angebote an und Qualitätssicherung von Kinderbetreuung

Bedarfsgerechte Öffnungszeiten, auch in den Ferienzeiten

Weiterer Ausbau der Nachmittagsbetreuung an Kinderbetreuungseinrichtungen und den Schulen

Sicherung der Betreuungsqualität durch Aus- und Weiterbildung der Kindergarten­pädagoginnen

Bundesweite Qualitätssicherung und sozialrechtliche Absicherung der Tagesmütter sowie Weiterentwicklung der mobilen Tagesmütter

3. Finanzielle Absicherung der Familien

Anpassung der Familienleistungen (nach Maßgabe der finanziellen Möglichkeiten)

Evaluierung sämtlicher Familienleistungen ,übersichtliche Zusammenschau der Fami­lien­leistungen als Nachweis für die Eltern

Reform des Unterhaltsvorschusses, um im Interesse und zum Wohl des Kindes den Zugang dazu zu erleichtern, zu verbessern und zu beschleunigen

Einkommensabhängiges Wochengeld auch für freie Dienstnehmerinnen

Überprüfung Finanzierung FLAF

Die Zuverdienstgrenze wird auf € 16.200,- pro Jahr angehoben.

Die Einkommensgrenze für den Mehrkindzuschlag wird von € 45.000,- auf € 55.000,- angehoben.

4. Stärkung familienpolitischer Institutionen, Schutz vor Gewalt in der Familie

Stärkung der Partner- und Elternbildung mit dem Ziel der Prävention

Die Familienberatungsstellen und Eltern-Kind-Zentren sind im Rahmen der budgetären Möglichkeiten auszubauen und die Bevölkerung ist über das bestehende Angebot dieser Institutionen besser zu informieren

Stärkung der Einrichtungen, die sich der Opfer von Gewalt und (sexuellem) Missbrauch annehmen

Jugendpolitische Maßnahmen

Die Jugendlichen in Österreich sind das wichtigste Potenzial für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Jugendliche bedürfen aber auch eines besonderen Schutzes und bestmöglicher Förderung, um sich frei und optimal entwickeln zu können.

1.Kinderrechte und Jugendschutz

Aufnahme der Kinderrechte als Grundrechte gemäß der Kinderrechtskonvention der UNO in die Bundesverfassung


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 309

Einführung österreichweit einheitlicher Regelungen im Jugendschutz, Verhandlungen mit den Ländern

2. Schutz vor Alkohol- und Drogenmissbrauch und Gewaltverherrlichung

Verstärkung der Maßnahmen zur Prävention von Alkohol- und Drogenmissbrauch sowie Nikotin- und Spielsucht

Ausbau der Gewaltprävention sowie des Gewaltschutzes

Einschränkung der Darstellung von Gewalt in den Medien auf ein jugendverträgliches Maß

Weiterführung und Ausbau der Bundesstelle für Positivprädikatisierung von Computer- Konsolenspielen (BUPP) zur Sensibilisierung der Eltern bezüglich Gewaltdarstellungen in Computerspielen

Verstärkung des Jugendschutzes im Bereich der Mobiltelefondienste

3. Mitbestimmung

Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre

Einführung einer Jugendverträglichkeitsprüfung für politische Vorhaben („Jugend-Check“), Entwicklung eines Leitfadens für Legisten/ Legistinnen

Maßnahmen zur Demokratieerziehung: Förderung von Jugendbeteiligungsmodellen wie z.B. Jugendkongresse, -parlamente)

Gleichstellung der Bundesjugendvertretung mit anderen Sozialpartnern

4. Jugendbeschäftigung

Ausbildungs- bzw. Arbeitsplatzgarantie für junge Menschen

Förderung von regionalen Beschäftigungsprogrammen

Schaffung weiterer Lehrplätze zur Schließung der Lehrstellenlücke

Schaffung neuer Lehrberufe (Zukunftstechnologien)

Schaffung von neuen Ausbildungsverbünden, damit mehrere Betriebe einen Lehrling ausbilden können

Modernisierung der Schutzbestimmungen für Lehrlinge

Umsetzung der Konzepte zur Modularisierung der Lehre (breite Basisausbildung mit anschließender Spezialisierung)

Evaluierung der Lehrlingsentschädigungen

Umverteilung der Lebensverdienstkurve mit dem Ziel, die Einstiegsgehälter zu erhöhen

Verpflichtende Berufsorientierung für alle Schüler/innen ab der 7. Schulstufe unter besonderer Berücksichtigung des Aufbrechens geschlechtsspezifischer Stereotype

5. Soziales und Förderungen

Einheitliche günstige Tarife für Jugendliche in Ausbildung (Schüler, Lehrlinge, Studen­ten) in einer Höhe, die anderen begünstigten Bevölkerungsgruppen entspricht

Novellierung des Bundes-Jugendförderungsgesetzes mit den Schwerpunkten: Dotie­rung gemäß der Anzahl der Fördernehmer/innen, Planungssicherheit für die Förder­nehmer/innen sowie Vereinheitlichung der Förderkriterien.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 310

Innere Sicherheit

Gemeinsame Feststellungen

Es ist eine zentrale Aufgabe des Staates, die Freiheit und Sicherheit seiner Bürgerin­nen und Bürger zu schützen. Freiheit ist ohne Sicherheit nicht denkbar. Die Öster­reicherinnen und Österreicher haben einen Anspruch darauf, vor Kriminalität geschützt zu werden.

Innere Sicherheit

Österreich ist eines der sichersten Länder der Welt. Die Exekutive hat notwendige Strukturmaßnahmen durchgeführt. Eine laufende Evaluierung ist erforderlich, um auf künfitge Entwicklungen eingehen zu können. Die derzeitige Organisationsstruktur sowie das derzeitige System der Bundespolizei auf Bundes-, Landes- und Bezirks­ebene wird in ihren Grundsätzen weiterhin Gültigkeit haben.

Für die Polizisten ist es notwendig, dass ihr Leben von der Ausbildung bis hin zur Karrierenplanung mit einer fairen Besoldung geregelt wird. Die Berücksichtigung der spezifischen psychischen und physischen Belastungen sowie die Bedürfnisse des Berufsschutzes im Bereich der Exekutive sind dabei zu berücksichtigen.

Der Personalstand ist in einem Personalentwicklungskonzept mit Blick auf künftige Pensionierungen und die bevorstehende Schengenerweiterung dem Bedarf anzu­passen und über die Legislaturperiode festzuschreiben. Dabei ist bei Bedarf von einer Erhöhung des Personalstandes auszugehen.

In den nächsten Jahren steht die Schengen-Erweiterung zu unseren Nachbarstaaten bevor. Die Überführung der derzeit im Grenzdienst eingesetzten Beamten in ein neues System bedarf Ausgleichsmaßnahmen wie die Schleierfahndung und den Aufbau von Schwerpunktdienststellen im grenznahen Bereich und an Hauptverkehrsrouten, die zügig weiterentwickelt werden müssen. Eventuell notwendige örtliche Arbeitsplatz­ver­än­derungen werden für die betroffenen Bediensteten sozial ausgewogen durchgeführt.

Durch den enormen Zuspruch junger Frauen zum Polizeiberuf und den damit wach­senden Anteil von Frauen im Polizeidienst (dzt. rund 10 %) entstehen neue Herausforderungen im Bereich des Personalmanagements. Ziel ist daher, regional in jedem Bundesland einen Pool zu schaffen, um ausgebildete PolizistInnen für Beamte in Karenz zur Verfügung zu haben. Zusätzlich ist Vorsorge zu treffen, dass Personen mit Migrationshintergrund unter den bestehenden Ernennungserfodernissen für den Polizeidienst gewonnen werden.

Um die Planbarkeit des Budgets zu gewährleisten, müssen Bezugserhöhungen, Struk­tureffekte, Überstundenentwicklung im Vorfeld Berücksichtigung finden. Dem BMI ist ein angemessener Anteil am Gesamthaushalt anzuerkennen. Dieser Budgetanteil sollte langfristig garantiert werden.

Das Dienstzeitmanagement ist zu evaluieren und zu flexibilisieren, um in Hinkunft einen punktgenauen Einsatz von Mehrdienstleistungen zu gewährleisten. Die Dienst­zeitsysteme sind diesbezüglich zu harmonisieren und auf Sicht zu vereinheitlichen.

Keinen Stillstand darf es bei der Modernisierung der Exekutive geben. Dies sowohl in der Infrastruktur als auch in der technischen Ausstattung. Die Ausbildung der Bediensteten des Innenressorts wird weiter professionalisiert und an den Bologna-Prozess angepasst werden. Die bereits erfolgte Einrichtung eines Bachelorlehrgangs zur Ausbildung der leitenden Exekutivbeamten wird durch die Etablierung eines Master-Studienlehrganges für Spitzenführungskräfte von A1 und E1 eine logische und notwendige Weiterentwicklung erfahren.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 311

Es ist weiter darauf zu achten, dass bei der polizeilichen Arbeit und der Bekämpfung von organisierter Kriminalität und Terrorismus dem Grundrecht auf Privatsphäre und dem grundlegenden Recht auf Sicherheit Rechnung getragen wird. In gewissen Be­reichen, wie Überwachung von Plätzen und Kriminalitäts-Hot-Spots hat sich die bereits im Sicherheitspolizeigesetz geregelte Videoüberwachung als sinnvoll erwiesen. Neben diesen sinnvollen gesetzlichen Regelungen werden taugliche Rechtsgrundlagen für Videoüberwachung durch Private im öffentlichen Raum geschaffen, damit sowohl dem Rechtsstaat wie auch dem Grundrecht auf Datenschutz und Privatsphäre entsprochen wird und diese Materialien für die Verfolgung von Straftaten verwendet werden können. Dies auch im Hinblick auf bereits bestehende Kooperationen, z.B. mit öffentlichen Transportunternehmen wie den ÖBB oder den Wiener Linien.

Im Hinblick auf die Fußball-Europameisterschaft 2008 sind die bestehenden gesetz­lichen Mittel effektizient einzusetzen und z.B. die Gefährderdatei weiter auszubauen, um sichere Sportveranstaltungen zu gewährleisten. Präventionsarbeit fördert das subjektive Sicherheitsgefühl und ist wesentlicher Bestandteil der Kriminalitäts­bekämp­fung; die umfangreichen Präventionsmaßnahmen sind aufeinander abzustimmen: z.B. Verkehrserziehung, Kinderpolizei, sichere Gemeinden, Ausbau der Maßnahmen im Bereich Gewalt- und Drogenprävention.

Bei Neu- und Umbauten soll der Einbau von Sicherheitsanlagen forciert werden. Förde­rungen dafür sind nach den best-practice-Modellen wie zum Beispiel von Niederösterreich und Wien bundesweit anzustreben.

Krisen- und Katastrophenmanagement

Die Zusammenarbeit der zuständigen Ressorts im Bereich des Katastrophenschutz­managements ist wichtig und wird weiter forciert. Für Freiwillige im Katastrophen­einsatz ist die Möglichkeit einer sozialen Absicherung zu prüfen, damit ihnen aus ihrer Hilfeleistung kein Nachteil entstehen kann. Das BMI ist die zentrale Koordinations- und Informationsstele für Zivilschutz, Katastrophenschutz, internationale Katastrophenhilfe und Sonderlagen. Für die weitere Professionalisierung werden die Anwendungs­bereiche des Katastrophenfonds im Bereich der Prävention ausgeweitet und flexi­bilisiert. Ob das staatliche Krisen- und Katastrophenschutzmanagement (SKKM) in einem Staatsvertrag mit den Bundesländern (Art. 15a B-VG) verankert werden soll, ist zu prüfen um die Kooperation weiter zu institutionalisieren. Zur Vereinfachung der grenzüberschreitenden Hilfeleistung im Katastrophenfall werden die Entsende­moda­litäten evaluiert.

Internationale Zusammenarbeit

Österreich führt die internationale Zusammenarbeit, insbesondere in den Bereichen der Bekämpfung von organisierter Kriminalität, illegaler Migration und Terrorismus weiter fort. Als adäquate Mittel werden die Möglichkeiten des Austausches von sicherheits-, asyl- und migrationsrelevaten Daten ausgebaut, einerseits wie im Hager Programm der EU bis 2010 festgelegt, andererseits wie im Prümer Vertrag vorgesehen. Als ein­heitliche Grundparameter sollen hiezu eine einheitliche Asylstatistik und eine Antiter­rordatei auf europäischer Ebene eingeführt werden. Die Kooperation mit inter­nationalen Agenturen (EUROPOL, Frontex, Interpol, etc) istweiter zu forcieren.

Damit den regionalen Herausforderungen im Bereich der inneren Sicherheit noch verstärkter entgegengetreten werden kann, wird die Zusammenarbeit mit unseren Nachbarländern im Rahmen der Salzburger Gruppe weiter ausgebaut und die bisherige Außenstrategie auf dem Westbalkan fortgeführt.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 312

Zusätzliche Aufgabenstellungen

Ungelöst und immer wieder aktuell ist das Problem der Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg insbesondere im urbanen Bereich. Das Freilegen schafft für die Grund­eigentümer unzumutbare Problemstellungen. Notwendig ist eine Änderung der dies­bezüglichen gesetzlichen Bestimmungen.

In den letzten Jahren ist der Wirtschaftszweig des privaten Sicherheitsgewerbes stark angestiegen. Es fehlt aber für deren Tätigkeit ein eigenes Bundesgesetz, in der neben der verpflichtenden Aus- und Weiterbildung für solche Gewerbetreibende und deren Mitarbeiter ein Berufsbild festgeschrieben wird, in dem klare Grenzen zwischen staatlichem Gewaltmonopol und Aufgaben von Sicherheitsunternehmen definiert werden.

Zum Schutz von Kindern und Jugendlichen wird eine Sexualstraftäterdatei eingeführt.

Integration

Einleitende Feststellungen

1) Europa erlebt einen grundlegenden demografischen Wandel mit tiefgreifenden ökonomischen und sozialen Konsequenzen. Die inhaltliche Versachlichung der Zuwan­derungs- und Integrationspolitik kann nur auf breitester Basis gelingen, nur eine Zusammenarbeit der großen politischen Kräfte in Kooperation mit den Sozialpartnern kann dies bewerkstelligen. Denn: Integration ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die sowohl seitens der Zuwanderer als auch seitens der Aufnahmegesellschaft nach Anstrengungen und Bemühungen verlangt.

Zuwanderung ist eine globale Herausforderung. Österreich hat mit dem Fremden­rechtspaket 2005 rechtzeitig darauf reagiert und der gemeinsam umgesetzte Grund­satz des Vorranges der Integration vor Neuzuzug haben sich bereits im laufenden Jahr bewährt. Primär gilt Integration der in Österreich lebenden Fremden; ungeregelte Zuwanderung ist zu stoppen. Die so geschaffenen, abgestimmten Regelungen des Fremdenrechtspaketes sind beizubehalten, zu evaluieren und nach Best-Practice-Modellen im europäischen Vergleich zuverbessern und weiter zu entwickeln.

Wesentlich ist hier die Feststellung, dass Zuwanderung stets mit Integrationsarbeit verbunden sein muss Erfolgreiche Integration bedingt grundlegende Kenntnisse der deutschen Sprache.

Die Integrationsvereinbarung wird beibehalten und führt bei Nichterfüllung zu Konse­quenzen.

Integration muss unter dem Prinzip, dass ein menschenwürdiges Dasein und der soziale Friede in unserem Land langfristig gesichert werden, stattfinden. Ein bestimm­tes Einkommen, eine ortsübliche Unterkunft und eine Krankenversicherungsind ein Gebot gegen Verarmung und eine gesellschaftliche Notwendigkeit.

2) Grundsatz ist die klare Trennung zwischen Asylrecht und Zuwanderung. Für Zuwanderung sind klare Regelungen notwendig. Zuwanderung hat im Rahmen der Möglichkeiten und unter Berücksichtigung des Arbeitsmarktes zu erfolgen.

Für das Asylrecht gilt: Fairer und schneller Schutz bei Verfolgung, konsequenter Um­gang mit straffälligen Fremden. Zentrale Aufgabe bleibt weiterhin schärfstes Vorgehen gegen illegale Migration, die intensive Bekämpfung von Menschenhandel und Schlep­perkriminalität. Dazu bedarf es einer strategischen Gesamtsteuerung im Asyl- und Fremdenwesen und einer Optimierung der Abschiebungspraxis. Weiters ist eine Ver­knüpfung der Entwicklungszusammenarbeit mit der Kooperation von Herkunftsstaaten,


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 313

wie etwa bei der Ausstellung von Heimreisedokumenten oder dem Abschluss von Rückübernahmeabkommen, unumgänglich.

Die Nutzung von Informationen und Daten von Europol und Interpol zur Bekämpfung der Illegalen Migration wird genauso angestrebt wie der verstärkte Einsatz der Bio­metrie in diesem Bereich.

Integrationspolitik ist als Querschnittsmaterie in allen Politikbereichen mit zu bedenken. Die inhaltliche und finanzielle Verantwortung dafür liegt sowohl beim Bund als auch bei den Ländern und Gemeinden; die Umsetzung hat im Sinne des Subsidiaritätsprinzips vor Ort zu erfolgen.

3) Die Kenntnis unserer Sprache ist eine notwendige Voraussetzung für die Integration. Zur Förderung der Integration muss für leistbare und zielgruppenorientierte Angebote in Sachen Spracherwerb und Niederlassungsbegleitung gesorgt werden.

Integrationsgrundsätze

Im Bereich der Zuwanderung zur Arbeitsaufnahme sollte eine bedarfs- und branchen­gerechten Anpassung an den österreichischen Arbeitsmarkt erfolgen, um notwendige temporäre Defizite am Arbeitsmarkt ausgleichen zu können. Die Kenntnis unserer Sprache und die Einhaltung der österreichischen Rechts- und Grundordnung sind unabdingbare Voraussetzungen für eine erfolgreiche Integration.

Der Themenbereich der Integration ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und ist als Querschnittsmaterie zu betrachten, die alle Ressorts und alle Bereiche der Politik betrifft. Integration steht ganz klar vor Neuzuzug.

Spezifische Fördermaßnahmen werden verstärkt und gleichzeitig möglichst frühzeitig begonnen. Wichtig ist, dass Integration auf allen Ebenen von unten nach oben stattfindet.

Gemeinde, Vereine,

Zugang zu Kindergarten und Schule und Bildungseinrichtungen

mit spezieller Förderung Einbindung in das kommunale Leben

best-practice Modelle sind aufzuarbeiten und weiter zu entwickeln

Die Schaffung von Integrationsplattformen und Integrationskonzepten auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene wird, ebenso wie verstärkte Förderung von Best- Practice-Modellen angestrebt.

Bildung, Kinder, Jugend

Integration beginnt im Kindergarten, daher: besondere Anreize zum Kinder­garten­besuch für alle Kinder, die Einbeziehung der Eltern, damit Sprachförderung im Kinder­garten funktioniert.

Ausreichend Begleit- und Stützlehrer, um Integrationsmaßnahmen im Unterricht gewährleisten zu können

Unterstützung beim Nachholen von Ausbildungsabschlüssen (Hauptschulabschluss, Fachschulabschluss, Reifeprüfung, etc.) für Zuwanderer

Spracherwerb und Niederlassungsbegleitung

Flächendeckend leistbare und zielgruppenspezifische Alphabetisierungs-, Deutsch- und Orientierungskurse

Maßnahmen zur Niederlassungsbegleitung, Erstinformationen für Neuzuwanderer und muttersprachliche Orientierungsgespräche


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Erarbeitung von Basisinformationen für Zuwanderer zu Rechtsmaterien

Aufenthalt und Staatsbürgerschaft – auch muttersprachlich

Besonderes Augenmerk auf frauenspezifische Maßnahmen in der Niederlassungs- und Integrationsbegleitung, mit Schwerpunkt Sprache, Gesundheit, etc.; Kinderbetreuung während der Orientierungs- und Qualifizierungsmaßnahmen sicherstellen

Spezifische Unterstützung für junge und jugendliche Zuwanderer beim Spracherwerb, in Schule und Ausbildung

Elternarbeit - "Deutschkurse für Eltern", Elterninfo-Veranstaltungen, "Elternschule" und mehrsprachige Informationsmaterialien zu Bildungssystem, Schuldemokratie, Berufs­orien­tierung etc.

Stärkere Beteiligung von Eltern mit Migrationshintergrund in Elternvereinen und damit an der Schuldemokratie

Asyl- und Fremdenwesen

Asylgericht mit grundsätzlich zweigliedrigem Instanzenzug zur Beschleunigung der Asylverfahren.

Neuausschreibung der Stellen bzw. die Einzelübernahme von Mitgliedern des UBAS nach hohen Leistungs- und Qualitätskriterien und die Schaffung einer effektiven Qualitätssicherung nach dem Muster der Justizverwaltung.

Zur weiteren Verfahrensbeschleunigung ist bei negativem Verfahrensausgang gleich­zeitig die Ausweisung durch das Asylgericht direkt zu verfügen.

Vorantreiben eines gemeinsamen europäischen Asylrechts, um eine fairere Verteilung von Asylanträgen auf die EU-Staaten und eine EU-weit abgestimmte Abschiebepraxis zu gewährleisten. Besonders wichtig sind dabei Rücknahmeabkommen mit betroffenen Staaten auf EU-Ebene sowie bilaterale Abkommen.

Asylanträge von in definierten, sicheren Drittstaaten anerkannten Flüchtlingen sind zurückzuweisen.

Aus Gründen der Transparenz, der Verfahrensfairness und Nachvollziehbarkeit der Entscheidungen sind diese auch bei Asylzuerkennung detailliert zu begründen. Dem BMI steht aus Gründen des öffentlichen Interesses ein Beschwerderecht gegen alle Entscheidungen des Asylgerichtes an den VwGH zu.

Förderung von Maßnahmen zur raschen Integrationsbegleitung von anerkannten Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt

Aufgrund der außerordentlich hohen Kosten der Grundversorgung von Asylwerbern ist eine Evaluierung des Leistungsumfanges der Grundversorgung (z.B. Taschengeld) und eine effektive Kontrolle zur Missbrauchsverhinderung vor Ort erforderlich.

Sonderbetreuungsplätze und Unterstützungsmaßnahmen für psychisch Kranke und intensiver Betreuung bedürfender Asylwerber

effektivere Leistungsnachweise und Controllingmittel in Asyl- und Fremdenpolizei­verfahren

Evaluierung des derzeitigen Schubhaftsystems. Best-Practice-Modelle für Schubhaft­zentren sind zu entwickeln, insbesondere hinsichtlich des Schubhaftvollzuges unter Berücksichtigung der EMRK.

Optimierung der Abschiebungspraxis und Verstärkung der Europäisierung von Charter­abschiebungen sowie Nutzung von Synergieeffekten.


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Konzentration der Organisation der Abschiebungen im BMI, insbesondere der Kontakte mit Herkunftsländern zur Ausstellung von Heimreisedokumenten, Reiseorganisation, tatsächliche Durchführung der Transporte etc.

Partizipation

Verstärkte Einbindung von Zuwanderern ins gesellschaftliche Leben und in die Zivilgesellschaft, z.B. im Bereich des Sportes, der Kultur, der Freizeit, etc.

Passives Wahlrecht in gesetzliche Interessenvertretungen für langjährig ansässige Zuwanderer

Institutionenstruktur

Evaluierung und allfällige Weiterentwicklung des Beirats für Asyl- und Migrationsfragen Integrationsplattform: Zur Versachlichung dieses Themas wird eine Integrations­plattform geschaffen, die Integrations- und Fremdenfragen evaluiert und ent­sprechen­de Maßnahmen vorschlagen kann; die Vertreter in dieses Gremium werden von Bund, Ländern, Gemeinden, Sozialpartnern und Experten entsandt.

Mit einem Forschungsschwerpunkt Migration soll den politischen Entscheidungsträgern das notwendige Daten- und Basismaterial zur Verfügung gestellt werden.

Das Staatsbürgerschaftsgesetz wird bei Vorliegen der notwendigen Daten nach einem angemessenen Zeitraum evaluiert.

Justiz

Grundsätzliches

Die Regierungsparteien werden alles unternehmen, um das Funktionieren der Justiz sicherzustellen, die Grund- und Freiheitsrechte zu garantieren und auszubauen sowie um den Wirtschaftsstandort Österreich zu fördern.

Im Einzelnen wird es zur verfassungsrechtlichen Absicherung der Unabhängigkeit des Rechtsschutzbeauftragten nach der StPO und zu Schritten für eine Verbesserung des Disziplinarverfahrens zur Verbesserung der Transparenz und Bürgernähe der Justiz kommen müssen. In diesem Sinn soll eine justizinterne Stelle zur präventiven Abstel­lung von Missständen in der Gerichtsbarkeit geschaffen werden.

Zur Verbesserung der parlamentarischen Kontrolle soll nach dem Beispiel bereits existierender parlamentarischer Ausschüsse die Errichtung eines Unterausschusses zur Kontrolle des Anklagemonopols geprüft werden. Darüber hinaus erscheint es erforderlich, auch die Fortbildung in der Justiz auf allen Ebenen zu fördern.

Strafrecht und Strafvollzugsrecht

Es werden alle notwendigen Schritte unternommen, um das Inkrafttreten der Straf­prozessreform mit 1.1.2008 zu gewährleisten. Hiefür wird es notwendig sein, die Durchlässigkeit zwischen Richtern und Staatsanwälten zu fördern, das Anklage­monopol der Staatsanwaltschaft als Organ der Justiz verfassungsrechtlich abzusichern und parlamentarisch zu kontrollieren sowie die Reform des Haupt- und des Rechts­mittelverfahrens zügig voranzutreiben und die organisatorischen Maßnahmen für einen reibungslosen Wechsel der Systeme vorzubereiten.

In diesem Zusammenhang wird auch eine adäquate Anklageinfrastruktur bei den Bezirksgerichten sicherzustellen sein.

Die Zusammenarbeit mit den Justiz- und Polizeibehörden der Herkunftsländer der ausländischen Straftäter ist mit dem Ziel der Verhinderung des „Kriminaltourismus“


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zu verbessern und zu intensivieren. So soll es zu einer deutlichen Verstärkung der Bemühungen auf Übernahme des Strafvollzuges durch den Heimatstaat, insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt kommen, dass eine erfolgreiche Resozialisierung im sozialen Umfeld des Heimatstaates wesentlich wahrscheinlicher ist als in Österreich.

Besonders wichtig ist die Verstärkung der Bekämpfung des Menschenhandels und der sexuellen Ausbeutung von Frauen.

Im Bereich des materiellen Strafrechts sollen die Sanktionsmöglichkeiten insbesondere durch Einführung gemeinnütziger Leistungen auch als Strafe in Kombination mit anderen Sanktionsformen erweitert und die Möglichkeiten der bedingten Entlassung unter gleichzeitiger Stärkung der Rückfallsprävention für aufenthaltsverfestigte Per­sonen insbesondere durch Ermöglichung von Auflagen verbessert werden. Bei nicht aufenthaltsverfestigten Personen werden Regelungen gefunden werden müssen, um den Strafvollzug von solchen Personen in grund- und gleichheitsrechtskonformer Weise zu entlasten. In geeigneten Fällen und wenn die Strafverbüßung im Heimatstaat nicht möglich ist, soll die vorzeitige bedingte Entlassung von Drittstaatsangehörigen verknüpft mit einer Ausweisung und einem wirksamen Aufenthalts- bzw. und Rückkehrverbot verfügt werden.

Zur Sicherung der Einzelfallgerechtigkeit bei bedingten Entlassungen soll das Ent­scheidungssystem optimiert werden.

Die Sicherung einer funktionierenden Jugendgerichtsbarkeit ist dringend erforderlich, insbesondere um einmal gestrauchelte Jugendliche wieder in die Gesellschaft zu integrieren und die Kriminalität für die Zukunft zu senken.

Weiters sind Resozialisierungshindernisse zu vermeiden und zusätzliche effiziente Maßnahmen gegen alle Erscheinungsformen von Gewalt in der Familie, insbesondere von Gewalt gegen Frauen und Kinder zu setzen.

Zur verbesserten Ahndungsmöglichkeit von lang andauernder Freiheitsentziehung und von Gewalt soll ein neuer Strafschärfungstatbestand ähnlich dem der §§ 39 und 313 StGB geschaffen werden, der eine Erhöhung der Grundstrafdrohung auf das Eineinhalbfache ermöglicht, wenn die Umstände einer Freiheitsbedrohung oder einer Gewaltausübung oder die Bedrohung eines Opfers besonders gravierend sind, insbesondere wenn sich die Gewaltausübung über längere Zeit hinzieht und wenn die Umstände der Freiheitsentziehung oder Gewaltausübung besonders qualvoll sind und einem Martyrium gleichkommen.

Zur Vermeidung des Vollzugs von Ersatzfreiheitsstrafen sollen auf der Basis der Ergebnisse des laufenden Pilotprojekts die legislativen Schritte zur Vermeidung der Haft durch gemeinnützige Arbeit geschaffen werden.

Um die Entscheidungsgrundlagen für die Strafrechtspolitik zu verbessern, sollen eine generelle sowie spezielle Rückfallsstatistik geschaffen werden. Ferner soll in einem Forschungsprojekt die Grundlagen für die Beurteilung der Gefährlichkeit von Tätern verbessert werden.

Darüber hinaus erscheint die Errichtung einer anonymisierten Einstellungsstatistik der Staatsanwaltschaften erforderlich.

Die Geschworenengerichtsbarkeit soll keineswegs abgeschafft, sondern einer grund­legenden Reform unterzogen werden (insbesondere bessere Auswahl und Ausbildung der Geschworenen, Öffentlichkeit der Rechtsbelehrung, schriftliche Begründungspflicht des Urteils).

Im Bereich des Strafvollzugs soll die Organisationsreform der Justizwache weiter­geführt und zur Gewährleistung der Effizienz eine Qualitätssicherung eingeführt wer-


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den. Wegen der geänderten Verurteiltenstruktur sollen durch legislative Maßnahmen die Voraussetzungen für eine verbesserte Differenzierung zwischen gefährlichen Rechtsbrechern und solchen, die einer Resozialisierung zugänglich sind kommen; in diesem Sinn wird auch eine Differenzierung von aufenthaltsverfestigten Straftätern und anderen vorzunehmen sein.

Im Zuge dieser Reformschritte soll es auch zu einer Verbesserung des Schulungs- und Ausbildungsprogramms in den Justizanstalten kommen.

Opferhilfe

Durch legislative Maßnahmen soll sichergestellt werden, dass Schadenersatz und Opferhilfe Vorrang vor dem Vollzug von Geldstrafen haben.

Im Bereich der Opferhilfe werden auch legislativen Schritte für die Finanzierung von Hilfsangeboten überlegt werden müssen, die nicht in Therapie und Prozessbegleitung bestehen sondern darüber hinaus gehen, wie etwa das Nachholen einer Ausbildung, Lebensbegleitung bei traumatisierten Opfern oder Maßnahmen zur Steigerung der subjektiven Sicherheit von Gewaltopfern.

Unter Bedachtnahme auf die Vielzahl von Opferschutzeinrichtungen und die unter­schiedlichen Kompetenzen in diesem Bereich soll im Interesse der Opfer eine Koordinationsstelle Opferhilfe geschaffen werden, die Anlaufstelle für Opfer ist und durch die Koordination eine effiziente Opferhilfe sicherstellt.

Zivilrecht

Der Bereich des Familienrechts soll hinsichtlich der gesellschaftlichen Veränderungen und ihrer Form des familiären und partnerschaftlichen Zusammenlebens eingehend evaluiert und auf der Basis der Ergebnisse im Kontext mit dem Sozialrecht weiter entwickelt werden, wobei als Ziele insbesondere die Förderung der familiären Soli­darität (Ehe, Lebensgemeinschaften und Patchwork- Beziehungen), eine Hebung der Erwerbsquote, Armutsbekämpfung, Beseitigung von Diskriminierungen und Altersab­sicherung erreicht werden sollen.

In diesem Sinn wird auch eine Weiterentwicklung des Unterhaltsrechts angestrebt. Der Kindesunterhalt soll unter Evaluierung des Unterhaltsvorschussrechts durch ein modifiziertes Modell (weg vom Gericht hin zur Verwaltungsbehörde) unter Verwendung der behördlicherseits verfügbaren Leistungsdaten effizienter und rascher durchsetzbar werden.

Für Transgender-Personen sollen rechtliche Verbesserungen herbeigeführt werden.

Die Regelungen über Schenkungen auf den Todesfall sowie die Anrechnung von Vorausempfängen soll evaluiert und zeitgemäß angepasst werden. Angesichts der jüngsten Rechtsentwicklung und im Lichte der Möglichkeiten des medizinisch-tech­nischen Fortschritts wird die Abhaltung einer parlamentarischen Enquete/Enquete­kommission unter Einbindung der Bioethik-Kommission, der Ärzteund Richterschaft sowie von Experten aus Wissenschaft und Praxis zum Thema „Rechtliche und ethische Fragen der Humanmedizin“ vereinbart. Im Schadenersatzrecht soll grundsätzlich das Verschuldensprinzip beibehalten werden.

Die Diskussion über eine allfällige Reform des Schadenersatzrechts soll unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Position fortgeführt werden. In diesem Zusam­menhang wären im Interesse der Rechtssuchenden durch entsprechende verfahrens­rechtliche Vorschriften auch Maßnahmen zur Beschleunigung von Verfahren insbeson­dere nach Verkehrsunfällen zu setzen. Dabei sollen die Möglichkeiten der Mediation und der Schlichtung bzw. außergerichtlichen Streitbeilegung genutzt werden.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 318

Durch Gruppenklagen sollen gleichartige Ansprüche mehrerer Betroffener unter Wah­rung der Klagsansprüche des Einzelnen leichter durchsetzbar werden. Die Situation bei Schmerzengeldansprüchen soll evaluiert und insbesondere bei Schwerstverletzten und Dauerschäden verbessert werden.

Das Konsumentenschutzrecht soll unter Berücksichtigung der europarechtlichen Vor­gaben in Richtung eines vertretbaren Ausgleichs der unterschiedlichen Interessens­lagen weiter entwickelt werden. Im Bereich der Internetkriminalität müssen die Mög­lichkeiten zum Schutz von Konsumenten und Wirtschaft gegen neue Kriminalitäts­formen unredlicher Anbieter (u.a. Angriffe auf Informations- undKommunikations­systeme) verstärkt werden.

Ferner soll zum Schutz der Konsumenten auch das Bauträgervertragsrecht geändert und eine Versicherungspflicht für Immobilientreuhänder werden. Dringend notwendig sind ferner gesetzliche Maßnahmen gegen unseriöse Gewinnspiele. Zur Bekämpfung der zunehmenden Verschuldung von Haushalten und Einzelpersonen soll auch in Zusammenarbeit mit den Kreditgebern ein Maßnahmenpaket erarbeitet werden.

Die digitalen Rechte der Konsumenten sind unbeschadet der weiteren Verant­wort­lichkeit für Rechtsverletzungen entsprechend den technologischen Weiterentwick­lungen unserer Zeit umzusetzen und der Datenschutz im gegebenen Zusammenhang zu verbessern. Nach der Stärkung der Rechte der Flugreisenden soll es zeitgemäße und angemessene sowie einklagbare Konsumentenrechte auch für Bahnreisende geben.

Weiter geplante Maßnahmen betreffen eine Verbesserung des Eigentumsvorbehalts im europäischen Gleichklang, die Einführung eines Registerpfands, eine Neuregelung der freiwilligen Feilbietung sowie Verbesserungen des Zurückbehaltungsrechts bei schika­nöser Leistungsverweigerung.

Im Bereich des Medienrechts soll eine Arbeitsgruppe eingesetzt werden, die die Möglichkeiten einer Weiterentwicklung dieses Rechtsbereichs insbesondere zur Ver­besserung der Zielerreichung des Medienrechts prüfen soll.

Im Urheberrecht steht die Klärung des Verhältnisses „freie Werknutzung – technische Schutzmaßnahmen“ im Bereich der digitalen Rechte im Vordergrund. Das Recht auf Privatkopie digitaler Datenträger soll durchgesetzt werden. Ferner soll es zu einem Ausbau der Rechte im nichtgewerblichen Umgang mit digitalen Inhalten kommen, ohne dadurch das gesetzliche Schutzniveau des Urheberrechts für die Kunstschaffenden abzubauen.

Zum Schutz der Kunstschaffenden gegenüber den Verwertern soll eine verbesserte Transparenz beitragen. Die Umsetzung des Verwertungsgesellschaftengesetzes soll in einer Enquete evaluiert werden.

Wohnrecht

Wohnen ist wie Arbeit oder Gesundheit ein Grundbedürfnis der Menschen. Wohnen muss leistbar und qualitativ hochwertig sein.

Um dieses Ziel zu erreichen, ist/sind

 die Wohnbauförderung beizubehalten,

umweltschonendes Wohnen anzustreben,

erschwingliche Wohnungen für junge Menschen bereitzustellen,

Vertragsgebühren für Wohn-/Mietverträge abzuschaffen,


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 319

der Betriebskostenkatalog zu durchforsten und zu ergänzen und im Bereich der Ver­mietung zu harmonisieren,

ein leistungsfähiges gemeinnütziges Wohnungswesen zu unterstützen,

die Vielfalt im Wohnbau zu fördern und

die Gebäudebewirtschaftungsnormen sind auf Harmonisierungsmöglichkeiten hin zu prüfen,

im Einfamilienhausbereich bei Vermietung unter Beibehaltung größtmöglicher Flexi­bilität die Rechtssicherheit für Mieter und Vermieter zu erhöhen,

in Zusammenarbeit mit der betroffenen Berufsgruppe für Wohnungsmietverträge die Provisionsobergrenze für Mieter zu reduzieren.

Verbesserung der Transparenz von Mietverträgen für Vermieter und Mieter im Bereich der Mietzinsbildung.

Wirtschaftsrecht

Im Wirtschaftsrecht werden im Interesse des Wirtschaftsstandortes Österreich die EU-rechtlichen Vorgaben umzusetzen sein, ohne wettbewerbsverzerrende oder benach­teiligende Regelungen zu schaffen. Dazu gehören auch Maßnahmen zur Verbes­serung des Rechtsschutzes in diesem Bereich. Zur Förderung der grenzüberschreiten­den Wirtschaftstätigkeiten werden die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für grenzüberschreitende Firmenkonstrukte zu verbessern sein.

Durch die Schaffung flexibler Gestaltungsmöglichkeiten im Gesellschaftsrecht sollen auch Vorteile für den Wirtschaftsstandort ermöglicht werden. Die letzten Novellen des Wettbewerbs- und Kartellrechts werden einer Evaluierung zu unterziehen sein. Auch Fragen der Corporate Governance Richtlinien sollen unter Einbindung des Kapitalmarktbeauftragten evaluiert werden.

Ziel der Reformüberlegungen in diesem Bereich muss die Stärkung des Aufsichtsrates und der Abschlussprüfer sein, was durch Vernetzung des Aufsichtsrats mit dem internen Kontrollsystem, durch Einbindung des Aufsichtsrats in die Wirtschaftsprüfung und deren Bestellung, durch Erarbeitung eines Sauberkeits- und Kontrollpakets sowie eines Kriterienkatalogs für Corporate Social Responsibility erreicht werden soll. Die Transparenz der Stock-Option-Pläne soll unter Berücksichtigung einer nachhaltigen Unternehmensführung erhöht werden.

Im Unternehmensrecht sollen die Rahmenbedingungen für die Unternehmens­nach­folge verbessert werden. Schließlich sollen im Insolvenzrecht Maßnahmen zur Miss­brauchsbekämpfung und zur Förderung der Sanierung von Unternehmen geschaffen werden.

Sport

Die Bedeutung des Sports:

Anerkennung des Sports als bedeutende Querschnittsmaterie der Gesellschaft (Gesundheit, Soziales, Wirtschaft, Tourismus, Bildung, Integration etc.)

Bekenntnis zum autonomen selbstverwalteten Sport und entsprechend hochrangige Vertretung der Sportagenden in der neuen Bundesregierung

Einsatz für die Aufnahme des Sports in die europäische Verfassung

Steigerung der Sportaktivität der Bevölkerung (derzeit ca. 40 Prozent)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 320

Finanzierung des Sports

Sicherung der Finanzierung des gemeinnützigen österreichischen Sports

Gewährleistung der Planungs- und Finanzierungssicherheit durch das Glücksspiel­monopol. Sollten sich hier die rechtlichen Rahmenbedingungen ändern müssen, ist eine adäquate, gleichwertige Finanzierungs-Grundlage mit dynamisiertem Effekt sicherzustellen;

Entbürokratisierung des Förderwesens (z.B. One-Stop-Shop-Prinzip bei Förderungen, Vereinfachung der Abrechnungssysteme, etc.)

Spitzensport

Optimierung der Spitzensport-Fördersysteme

Vernetzung von spitzensportrelevanten Arbeitsdisziplinen (z.B. Leistungszentren, Sportwissenschaft, Sportmedizin, etc.)

Verstärkung der Aktivitäten im Bereich Anti-Doping (für Spitzensport und Breitensport)

Klares Bekenntnis zur Förderung des Spitzensports und von Großsportveranstaltungen

Verstärkte Nutzung der Chancen durch die Fußballeuropameisterschaft 2008 und Olympia Salzburg 2014

Aufrechterhaltung einer optimalen Struktur im Rahmen der Heeressportzentren für die österreichischen Spitzensportlerinnen und Spitzensportlern und gezielte Förderung von österreichischen Spitzensportlerinnen und Spitzensportlern im Polizeidienst.

Schulsport & Kindergartensport

Stärkere Integration des Sports in das Schulprogramm

Erhöhung der Qualität des Schulsports durch sportspezifische, altersstufengerechte LehrerInnenausbildung

Bildungsmaßnahmen zum Thema „Ernährung & Gesundheit“

Ausbau der Kooperationsmodelle von Schule und außerschulischen Sportorgani­sationen (Vereine)

Aufwertung von Schulsport- und Wintersportwochen

Sport als Gesundheitsfaktor

Sport als anerkannte Säule der Prävention im Gesundheitssystem verankern.

Kampagnisierung zur Bewusstseinsbildung von „Sport und Gesundheit“ durch Zusam­menarbeit der relevanten Partner (Sport-, Gesundheits- und Sozialressorts, Sozialver­sicherungsträger, Länder, Gemeinden und Sportorganisationen)

Ausbau der Kooperation des organisierten Sports mit dem „Fonds Gesundes Öster­reich“

Professionalisierung sportorientierter, gesundheitsfördernder Aktivitäten wie z.B. „Fit für Österreich“

Professionalisierung des Sports

Erarbeitung geeigneter rechtlicher Rahmenbedingungen hinsichtlich der Berufs- und Karrieremodelle von SpitzensportlerInnen

Ausarbeitung von Sportberufsbildern


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 321

Vereinssport

Überarbeitung des Aus- und Fortbildungsbereiches für den organisierten Sport durch Einbeziehung der bewegungsorientierten Gesundheitsförderung

Unterstützung von Schwerpunktprojekten (z.B. Integrationsmaßnahmen, Gewaltprä­vention, Sportausübung für sozial benachteiligte Menschen)

Schwerpunktprogramme für den Behindertensport

Stärkung der Rolle von Frauen in allen Bereichen des Sports

Das Großereignis UEFA EURO 2008 wird Österreich im Sommer 2008 in das Blickfeld der Sport interessierten Öffentlichkeit stellen. Mit gezielter Vorbereitung in und um die Austragungsorte Innsbruck, Salzburg, Klagenfurt und Wien werden die bestmöglichen Bedingungen für die Fußballmannschaften, die Medien und die in- und ausländischen Besucher geschaffen.

Dieses gemeinsame Projekt wird in enger Zusammenarbeit mit der Schweiz vorbereitet

Kunst & Kultur

Die Bundesregierung bekennt sich zu einem offenen Dialog mit Kunst- und Kultur­schaffenden und zu einem offenen kulturellen Klima, das eine kritische Auseinan­dersetzung sowohl mit der Geschichte Österreichs als auch mit aktuellen gesell­schaftlichen Entwicklungen ermöglicht. Die Kreativität und das künstlerische Potenzial der Kulturschaffenden leisten einen wichtigen Beitrag zur Diskussion gesellschaftlicher Fragen und zur Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft.

Kunst und Kultur haben in Österreich einen hohen Stellenwert. Die in der Bundes­verfassung verankerte Freiheit der Kunst sichert den unterschiedlichen Kunstströmun­gen und deren Vermittlung offene Wege zu ihrem Publikum. Bestmögliche Rahmen­bedingungen sollen die freie Entfaltung und Entwicklung der Künstlerinnen und Künstler ermöglichen.

Die Teilhabe möglichst breiter Bevölkerungsschichten an der Wissens- und Infor­mationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts betrachten wir als zentrale kulturpolitische Aufgabe.

Kulturpolitik ist angesichts der fortschreitenden Globalisierung und der zunehmenden Heterogenität europäischer Gesellschaften vor besondere Aufgaben gestellt. Die Förderung kultureller und medialer Vielfalt und der Erhalt kulturpolitischer Gestaltungs­räume auf kommunaler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene sind wichtige Ziele unserer Kulturpolitik. Die europäische Dimension der Kulturpolitik soll künftig noch stärker berücksichtigt werden.

Die Bundesregierung bekennt sich zu einer ausreichend dotierten öffentlichen Kultur­finanzierung als wichtige Investition in die Zukunft. Förderung junger zeitgenössischer Kunst hat einen wesentlichen Stellenwert. Die Bundesregierung unterstützt Linz als Europäische Kulturhauptstadt 2009 (gemeinsam mit Vilnius).

Diese Nominierung gibt der Landeshauptstadt und der gesamten Region neue Impulse und die Chance, sich als kreative und zukunftsorientierte Kulturregion mit nachhaltiger Wirkung zu präsentieren.

1. Kulturelle Partizipation fördern

Die Bundesregierung will kulturelle Partizipation unterstützen und Maßnahmen zum Ausbau kultureller Bildung setzen. Das bedeutet einerseits mehr Kunst und Kultur an Schulen, und die Entwicklung neuer Formen der Kulturvermittlung gemeinsam mit


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 322

bestehenden Kultureinrichtungen „unter Bedachtnahme auf die bestehenden Res­sourcen“ Zudem ist eine qualitative Verbesserung der empirischen Daten im Bereich der kulturellen Partizipation ins Auge gefasst.

2. Schwerpunkt zeitgenössisches Kunstschaffen

Die Förderung junger zeitgenössischer Kunst wird ein Schwerpunkt der Kulturpolitik des Bundes sein. Hier soll insbesondere verstärkt Augenmerk auf die Nachwuchs­förderung gelegt werden. Zudem sollen Maßnahmen gesetzt werden, um die inter­nationale Präsenz österreichischer Künstlerinnen und Künstler weiterhin zu forcieren.

3. Filmwirtschaft und Filmförderung

Der Stellenwert der audiovisuellen Medien soll entsprechend seiner kulturellen und wirtschaftlichen Bedeutung weiter ausgebaut werden. Die Etablierung einer öster­reichischen Filmplattform mit Vertretern der Filmwirtschaft, Politik, elektronischer Medien und Experten soll zusätzlich zum Filmrat etabliert werden. Zudem ist eine verbesserte Koordinierung der Filmförderung des Bundes und der Länder ins Auge gefasst.

Eine Verbesserung der finanziellen Rahmenbedingungen für die österreichische Film­wirtschaft zur Stärkung des Film- und Medienstandorts Österreich und Verbesserung der Auftragslage österreichischer Filmschaffender ist vorgesehen. Dafür erforderliche zusätzliche Mittel sind Gegenstand der Budgetverhandlungen.

4. Förderung der kulturellen Vielfalt

Die Bundesregierung wird sich für den Erhalt und den Ausbau der kulturellen Vielfalt wie etwa im Sinne des erweiterten Kulturbegriffs der UNESCO einsetzen. Im Rahmen internationaler Abkommen (WTO/GATS) ist weiterhin auf die Absicherung der Beson­derheiten des Kulturbereichs und des besonderen Charakters kultureller Güter und Dienstleistungen Bedacht zu nehmen. Insbesondere das von der EU beschlossene Jahr des Interkulturellen Dialogs 2008 soll in Österreich Berücksichtigung erfahren. Eine stärkere Förderung regionaler Kulturinitiativen und interkultureller Projekte sowie die weitere Berücksichtung der künstlerischen Qualität in den Bundesländern und eine entsprechende Verteilung der Kunstfördermittel sind ins Auge gefasst.

5. Evaluierung des Künstlersozialversicherungsfonds

Bewertung der Maßnahmen zur Abfederung der sozialen Situation von Künstlerinnen und Künstlern durch den Künstlersozialversicherungsfonds durch Sozialversicherungs­experten und Prüfung einer Erweiterung der Leistungen des KSVF im Rahmen des bestehenden Systems.

6. Bundesmuseen

Zur Sicherung der Aufgaben der Bundesmuseen im Bereich des Sammelns und Forschens, zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität für das Publikum sind die Rahmenbedingungen auszubauen. Notwendig ist die Präzisierung des kultur­politischen Auftrags in Form der Festlegung von Rahmenzielvereinbarungen zur Absicherung des Bestands und der Aktivitäten der Bundesmuseen und der Öster­reichischen Nationalbibliothek. Einführung eines eintrittsfreien Tags 12 Mal pro Jahr für alle Bundesmuseen gegen Kostenersatz zur verstärkten Anbindung der Museen an das Publikum. Ausbau der Maßnahmen im Bereich der Digitalisierung des kulturellen Erbes. Dafür zusätzlich notwendige Mittel sind Gegenstand der Budgetverhandlungen. Eine Erhöhung der Basisabgeltung wird nach Maßgabe der budgetären Möglichkeiten geprüft.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 323

Im Sinne einer modernen zeithistorischen Aufarbeitung der jüngeren österreichischen Geschichte wird ein Projekt zur musealen/wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Kalten Krieg bis zum Fall des Eisernen Vorhanges entwickelt unterbesonderer Berücksichtigung des europäischen Kontexts.

7. Bundestheater

Die Bundestheater sind wichtiger Bestandteil der kulturellen Lebens in Österreich. Angestrebt wird eine Evaluierung der Bundestheaterorganisation und Mittelzuteilung an die einzelnen Häuser. Die Erhöhung der Basisabgeltung und die Rückzahlung der „einmaligen Zuwendung“ an die Staatsoper wird nach Maßgabe der budgetären Mög­lichkeiten geprüft.

8. Architektur

Ausgehend vom Baukulturreport wird die Bundesregierung Maßnahmen zur Veran­kerung qualitativer Baukultur in allen Bereichen des öffentlichen Lebens setzen und die Vermittlungstätigkeit für Baukultur und zeitgenössische Architektur forcieren.

9. Evaluierung der Galerienförderung und int. Kunstmesseförderung

Die 2001 und 2002 eingeführte Förderinstrumentarien zur Belebung des öster­reichischen Kunstmarktes und verstärkter internationaler Präsenz werden unter Ein­beziehung der beteiligten Interessenvertretungen evaluiert.

10. Kreativwirtschaft

Der Bereich der Kreativwirtschaft an der Schnittstelle von Wirtschaft und Kultur ist für die kulturelle Produktion in Österreich von besonderer Bedeutung. In kultureller und in ökonomischer Hinsicht kommt den österreichischen Kreativleistungen ein wichtiger Stellenwert zu. Zur Stärkung des Kreativstandorts Österreich und zur Förderung österreichischer Kreativleistungen sind in den verschiedensten Bereichen Initiativen und Förderprogramme auszubauen. Unter anderem ist die Förderung österreichischer Musikproduktion durch den österreichischen Musikfonds abzusichern, darüber hinaus sind verstärkte Kooperationen zwischen der österreichischen Musikwirtschaft und den österreichischen Medien anzustreben.

11. Verantwortungsbewusster Umgang mit der Vergangenheit soll der Wissen­schaftsgruppe zugeteilt werden.

Ausgehend von der von der Arbeitsgruppe vorgelegten Roadmap zur Errichtung eines Hauses der Geschichte soll im zweiten Quartal 2007 ein detailliertes Konzept erstellt werden.

12. Öffentliche Büchereien

Öffentliche Bibliotheken sind Zentren für Bildung, Kultur, Information und soziale Integration. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zur flächendeckenden Versorgung mit Literatur und bieten Zugang zu neuen Medien. In Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern, Städten und Gemeinden soll gemeinsam mit den Rechtsträgern, Experten und Praktikern ein umfassendes Entwicklungskonzept für die öffentlichenBibliotheken ausgearbeitet werden.

Medien und Telekommunikation

Ziel der Medienpolitik der Bundesregierung ist die Sicherung einer pluralistischen Medien­landschaft mit qualitativen Angeboten. Es geht darum, die Wettbewerbs­fähigkeit Österreichs als Medien- und Kulturstandort zu sichern, das duale Rund­funksystem auszubauen sowie europäische Standards umzusetzen. In diesem Zusam-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 324

menhang gilt es die Herausforderungen, die sich auf Grund der Digitalisierung und technologischen Entwicklungen ergeben, zu bewältigen.

Printmedien, Rundfunk, Internet und Online-Medien sowie das Angebot über Telefon­dienste, sei es Mobil oder über das Festnetz, wachsen zusammen. Die Inhalte werden unabhängig vom Übertragungsweg angeboten. Es entstehen neue Medienformate und gleichzeitig damit die Möglichkeit einer starken Individualisierung des Angebots. Die Konvergenz der Medien erfordert konvergente Strukturen.

Diese Phänomene erfordern einen ordnungspolitischen Rahmen, der mögliche Gefah­ren für die Medienvielfalt bzw. Konzentrationserscheinungen hintanhält. Für Österreich als kleineres Land der Europaeischen Union ist es wichtig eine unverwechselbare, österreichische Medienlandschaft mit eigenständigen Angeboten zu erhalten.

1. Unabhängiger Regulator Medien- und Telekommunikationsfragen

Die Medienbehörde KommAustria sowie der Geschäftsapparat RTR sind zu einer verfassungsrechtlich unabhängigen, konvergenten Medien- und Telekommunikations­behörde auszubauen. Der Instanzen- und Verfahrenszug soll zweistufig erfolgen und für Medienanbieter schnellstmögliche Rechtssicherheit bringen.

Im Sinne der Wettbewerbsgleichheit erfolgen beim Regulator alle behördlichen Be­willigungen für alle elektronischen Anbieter. Weiters nimmt der Regulator eine Funktion als Kompetenzzentrum wahr und ist für die Abwicklung der Presse- und Publizistik­förderung, der neuen Medienförderung, des Digitalisierungsfonds und des Fernseh­fonds Austria verantwortlich. Neben den bisherigen Aufgaben kommt das Feld der Medienforschung hinzu.

2. Medienförderung

Die Presse- und Publizistikförderung für Printmedien ist zu evaluieren und gegebenen­falls weiterzuentwickeln. Nach Maßgabe der budgetären Möglichkeiten ist eine Förderung für elektronische Medien zu prüfen, die für kommerzielle und nicht kom­merzielle private Anbieter bestimmt ist.

3. Sicherung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im europäischen Kontext

Der ORF als Stiftung mit einem unverkennbaren öffentlich-rechtlichen Profil nimmt eine zentrale Rolle für die kulturelle Identität und gesellschaftspolitische Integration Öster­reichs ein. Der ORF ist als national und international agierendes Content- Unter­nehmen in der digitalen Welt mit klarem öffentlich-rechtlichen Auftrag sowie trans­parenten Finanzierungsformen zu positionieren. Damit ist der ORF als öffentlich-rechtlicher Sender mit Gebührenfinanzierung auch auf europäischer Ebene abge­sichert und wettbewerbsfähig.

Im Zuge der Digitalisierung ist die Festschreibung des digitalen Programmangebots sowie die Überarbeitung des Programmauftrages, insbesondere eine verstärkte Berücksichtigung des Themas Jugendschutz bzw. die Selbstverpflichtung zur Berück­sichtigung österreichischer Produktionen, ins Auge zu fassen. Falls der Spartenkanal TW 1 öffentlich-rechtlich finanziert werden soll, so besteht die Möglichkeit, ihn zu einem Spartenkanal, für Kultur und Information umzubauen.

Die Werbebeschränkungen sind zu evaluieren und gegebenenfalls im Interesse der Finanzierung eines qualitativ hochwertigen ORF unter Bedachtnahme auf ihre Aus­wirkungen auf den gesamten Mediensektor auch im Lichte der EU-rechtlichen Stan­dards anzupassen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 325

4. Private Rundfunkanbieter

Ein duales Rundfunksystem, mit einem unverkennbaren öffentlich-rechtlichen Rund­funk einerseits und eigenständigen, wettbewerbsfähigen privaten Rundfunkunter­neh­men andererseits, sind unverzichtbarer Bestandteil einer lebendigen Demokratie. Die Sicherung dieses Systems sowie faire Wettbewerbsbedingungen sind zentrale Anliegen. Dies gilt im Besonderen für die bevorstehende Digitalisierung. Der beste­hende Rechtsrahmen soll unter Berücksichtigung der europäischen Entwicklungen angepasst, die erforderlichen Schritte zur Digitalisierung des Hörfunks eingeleitet sowie ein wettbewerbsneutraler Zugang zur Infrastruktur sichergestellt werden.

5. Digitalisierung der elektronischen Medien

Da im Zuge der Digitalisierung aller Medienplattformen und Verbreitungswege eine Vielzahl von neuen Formaten und Mediendiensten entstehen werden, ist neben der Einführung von DVB-T auf weiteren Multiplexplattformen auch die Einführung von Mobile-TV anzustreben. Der Übertragungsstandard ist durch den Medienregulator zu prüfen. Diese Maßnahme wird zu einer größeren Medienvielfalt und Stärkung des Wettbewerbs im Telekommunikations- und Mobilfunksektor beitragen. Unter dem Blick­winkel der Trennung von Infrastruktur und Inhalten sowie der Wettbewerbssicherung sind weitere Multiplexplattformen durch den Medienregulator auszuschreiben und Rundfunkangebote zu lizenzieren.

6. Österreich als IKT-Standort positionieren/Ausbau der e-government Dienste

Gerade im Zuge der Digitalisierung ist der Ausbau der Verbreitungswege (Breitband, Glasfaser) voranzutreiben. Österreich soll sich unter den Top 3 der IKT-Nationen positionieren. Bis Ende 2009 soll die Vollversorgung der Bevölkerung mit einem Zugang zur breitbandigen Infrastruktur erfolgen. Notwendig erscheint ein politisch einheitlicher Ansprechpartner für IKT-Fragen. Als Beratungsgremium steht diesem die bereits geschaffene IKT-Taskforce zur Seite. Damit ist die Grundlage zukünftiger Ko­operationen mit allen Partnern für bestmögliche Bedingungen im gesamten IKTBereich in Österreich geschaffen. Hier ist auch der Ausbau von e-government- Services sowie die Verbreitung und Nutzung der digitalen Signatur voranzutreiben.

Finanzen

Budgetpolitik

Ziel der Budgetpolitik ist ein über den Konjunkturzyklus ausgeglichener Haushalt; die Bundesregierung bekennt sich zu einer nachhaltigen Budget- und Finanzpolitik, die auf konjunkturelle Schwächen in geeigneter Weise reagiert und über einen Konjunktur­zyklus hinweg ausgeglichen bilanziert. Die Bundesregierung achtet auf die gemein­same Budgetverantwortung aller Gebietskörperschaften im Sinne des innerösterreichi­schen Stabilitätspaktes.

Die Zielsetzung des über den Konjunkturzyklus ausgeglichenen Haushalts verlangt Disziplin nicht nur auf der Ausgabenseite, sondern auch beim Aufkommen an Steuern und Abgaben. Spielräume für steuerliche Entlastungen werden erarbeitet und müssen vor dem Hintergrund leistbar sein, dass auch wichtige Zukunftsinvestitionen für Wachs­tum und Beschäftigung, den Standort Österreich, die soziale Sicherheit oder für andere wichtige öffentliche Aufgaben getätigt werden müssen.

Die Bundesregierung verfolgt in ihrer Budgetpolitik insbesondere folgende Zielsetzun­gen:

Vollbeschäftigung (insbesondere Vermeidung jeder Art von Jugendarbeitslosigkeit)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 326

Modernisierung des Wirtschaftsstandortes durch technologische, ökonomische und soziale Innovation

Unterstützung des Wirtschaftsstandortes und Stärkung seinerWettbewerbsfähigkeit

ein über den Konjunkturzyklus ausgeglichener Haushalt

nachhaltige Finanzierung der sozialen Sicherheit

Herstellung von Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern

Effizienzsteigerung in der öffentlichen Verwaltung

stärkere Betonung der zukunftsorientierten Budgetaufgaben

Mit Ausnahme der im Regierungsprogramm vereinbarten zusätzlichen Ausgaben unter­liegen sämtliche darüber hinausgehende Projekte und Vorhaben der Bundes­regierung einem Finanzierungsvorbehalt (siehe Anhang "Mittelfristiger Wachstums- und Budgetpfad"). Zur Abgeltung der Teuerung werden sämtliche Gebühren wie z.B. Vignette einer jährlichen Valorisierung unterzogen.

Bei allen Investitionen und Beschaffungen sowie im laufenden Betrieb haben in jeder Phase die Budgetgrundsätze der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit, Zweckmäßigkeit und Kostengünstigkeit zu gelten.

Die Bundesregierung wird sich auch auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass die Geld- Finanz- und Haushaltspolitik einen aktiven Beitrag zu Wachstum und Beschäf­tigung in der Europäischen Union leistet. Die österreichische Bundesregierung setzt dabei die folgenden Schwerpunkte: Wachstum und Beschäftigung, Forschung und Entwicklung, Ausbau der Infrastruktur, Bildung, Armutsvermeidung und soziale Ab­sicherung, Umweltschutz und Nachhaltigkeit.

Finanzpolitik

Im Lichte einer Evaluierung der Arbeit der Finanzmarktaufsicht (FMA) wird angestrebt, die Finanzmarktaufsicht schlagkräftiger und effizienter zu gestalten und dabei Doppelgleisigkeiten und Schnittstellenprobleme zu vermeiden sowie sicherzustellen, dass eine den rechtsetzenden Aufgaben gerechte Einordnung in die Ingerenz des Bundesministeriums für Finanzen sichergestellt ist und sie ferner der parlamen­ta­rischen Kontrolle unterliegt.

Eine Arbeitsgruppe unter Einbeziehung der Betroffenen und der Oesterreichischen Nationalbank wird eingerichtet.

Einige Länder haben eine Entwicklungsbank für eine wirtschaftsnähere Entwick­lungshilfe eingerichtet. Es soll die Einrichtung einer Entwicklungsbank von BMF und BMaA geprüft werden. Dabei wird die einschlägige Erfahrung

und Kostengünstigkeit der OeKB in der Ausfuhrförderung berücksichtigt werden.

Zur besseren Bekämpfung der Abgabenhinterziehung wird die Verbesserung der Organi­sation der Betrugsbekämpfung mit dem Ziel der Effizienzsteigerung und Gewährleistung der erforderlichen Ausbildungsstandards und Flexibilität fortgesetzt werden.

Die Bundesregierung verfolgt die Zielsetzung, für ein möglichst gutes Klima am Kapitalmarkt Österreich zu sorgen. Zur Stärkung des Vertrauens in den Kapitalmarkt wird sich die Bundesregierung unter anderem auf europäischer Ebene für eine Har­monisierung der Buchhaltungs- und Bilanzierungsstandards, die Verstärkung der Markt- und Missbrauchsaufsicht und den Ausbau der Transparenzvorschriften einsetzen.


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Zur Hebung der Glaubwürdigkeit und des Vertrauens in den österreichischen Kapital­markt soll im Bereich der Pensionskassen eine Verbesserung des Gesamtnutzens für die Pensionskassenpensionisten und – anwartschaftsberechtigten, auch im Hinblick auf die Konsequenzen der schlechten Veranlagungsergebnisse in der Vergangenheit, erreicht werden.

In diesem Zusammenhang erfolgt eine Evaluierung der Veranlagungsvorschriften und -politik der Pensionskassen unter besonderer Berücksichtigung der Anlegerinteressen und der Transparenz.

Um die besten Rahmenbedingungen für einen funktionierenden und fairen Kapital­markt sicherzustellen, wird die Bundesregierung folgende Maßnahmen unterstützen bzw. deren Umsetzung prüfen:

Prüfung der externen Rotation der Wirtschaftsprüfer und der – prüfgesellschaften,

Maßnahmen gegen InsiderInnenhandel und -missbrauch,

eine Trennung von Wirtschaftsprüfung und Unternehmensberatung,

eine Verbesserung der stärkere Verbindlichkeit der Corporate Governance,

Anstoß zum Entstehen einer „Director’s Academy“ nach internationalem Vorbild zur Fortbildung von Aufsichtsräten und Vorständen von Kapitalgesellschaften,

einen verstärkten AnlegerInnenschutz,

die Verknüpfung von wirtschaftlichem Erfolg mit gesellschaftlicher Verantwortung (CSR).

Steuerreform

Die Bundesregierung wird in dieser Legislaturperiode eine große Steuerreform mit einer spürbaren Entlastung der Steuerzahler und der Wirtschaft ohne Gegenfinan­zie­rung durchführen. Sie soll ein modernes Steuersystem schaffen, das zukunfts­orientiert den Wirtschaftsstandort, Wachstum und Beschäftigung, Kaufkraft und Inlands­nachfrage fördert sowie die Steuer- und Abgabenlast fair verteilt. Der Wirtschafts-, Steuer- und Arbeitsstandort Österreich soll weiter attraktiviert werden und die Rah­menbedingungen für Investoren, Unternehmen und deren Beschäftigte weiter verbessert werden.

Das Steuer- und Abgabensystem soll nachhaltig gestaltet sein, ökologische Aspekte mit einbeziehen und sich durch Beschäftigungs-, Investitions- und Wachstums­freund­lichkeit auszeichnen. Damit wird eine positive konjunkturelle Entwicklung in Österreich unterstützt. Die Bundesregierung wird die Internationalisierung der österreichischen Wirtschaft und die Ansiedlung ausländischer Investoren in Österreich weiter forcieren. Zur weiteren Verbesserung der Serviceleistung für die Steuerzahler soll die Finanz­verwaltung den Steuerpflichtigen vorausgefüllte Steuererklärungen zusenden.

Mittelfristiger Wachstums -und Budgetpfad

2006 2007 2008 2009 2010

BIP-Wachstum real, in % (vor Maßnahmen) 3,2 2,7 2,3 2,3 2,3

Maastricht-Defizit (vor Maßnahmen), in % des BIP

Bund -1,51 -1,70 -1,47 -0,77 -0,15

Länder und Gemeinden 0,40 0,40 0,40 0,40 0,40

Sozialversicherung -0,04 -0,06 -0,06 -0,09 -0,10

gesamtstaatliches Defizit, in % des BIP -1,15 -1,36 -1,13 -0,46 0,15


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 328

Maßnahmen (in Mio. EUR)

Mehrausgaben

Wachstum und Beschäftigung 50 100 250 400

Bildung 35 160 180 200

Soziale Absicherung 185 260 340 400

Ausgabenerhöhende Maßnahmen 270 520 770 1.000

Einsparungen

Bund -620 -640 -640 -500

Länder und Gemeinden -50 -150 -250 -350

SV-Träger -150 -170 -250 -310

Einsparungen -820 -960 -1.140 -1.160

Ausgaben - Einnahmen (in Mio. €) -550 -440 -370 -160

in % des BIP -0,21 -0,16 -0,13 -0,05

Maastricht-Defizit (nach Maßnahmen), in % des BIP

Bund -1,51 -1,53 -1,33 -0,68 -0,14

Länder und Gemeinden 0,40 0,42 0,45 0,49 0,52

Sozialversicherung -0,04 0,00 0,00 0,00 0,00

gesamtstaatliches Defizit, in % des BIP -1,15 -1,12 -0,88 -0,20 0,38

BIP nach Maßnahmen

BIP nominell (in Mrd. €) 256,0 267,5 278,5 289,9 301,8

BIP Wachstum nominell 4,5% 4,5% 4,1% 4,1% 4,1%

BIP Wachstum real 3,2% 2,8% 2,5% 2,4% 2,4%

Arbeitslosenrate in % der Erwerbspers., (Eurostat) 4,7% 4,5% 4,2% 4,1% 3,9 %

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Dr. Bösch. Wunschredezeit: 4 Minuten. – Bitte.

 


21.27.14

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (FPÖ): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Die Mannschaft auf der Regie­rungsbank hat sich dramatisch verdünnt in den letzten Stunden, muss ich feststellen: Der Herr Verteidigungsminister ist schon vor Stunden „desertiert“ – aber bei ihm verstehe ich es ja. Er wird, dem guten Rat seines Bundeskanzlers folgend, die Grund­ausbildung nachholen (Beifall bei der FPÖ), und er wird jetzt dort lernen, wie man die Dienstgradabzeichen im Bundesheer erkennt, wie man sich die Schuhe bindet, wie man gerade steht, wie man salutiert. (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Das alles ist nicht unwichtig, Herr Kollege.

Dass der Herr Bundeskanzler nicht an dieser Debatte teilnimmt, ist ein wenig verwun­derlich, aber auch doch nicht so, denn ich nehme an, dass er jetzt die Aufgabe haben wird, die gesamten „Zwergenaufstände“ in seiner Partei einzudämmen – „nieder­zu-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 329

schla­gen“ hätten jene Leute gesagt, deren Boden er einmal geküsst hat als „dummer Junge“; aber ich möchte das hier jetzt nicht weiter ausbreiten. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, heute in der Früh war das anders: Da hatten wir eine dicht gedrängte Regierungsmannschaft vor uns, sie saß hier aufgereiht wie die Spatzen auf dem Draht, kein Blatt Papier hatte Platz zwischen den Mitgliedern der Bundes­regierung. – Sehen Sie, so schnell ändert sich die Lage! Und wir Freiheitlichen als neue Oppositionspartei werden unseren Beitrag dazu leisten.

Wir haben heute in der Früh die Regierungserklärung von Alfred Gusenbauer gehört, und wir müssen feststellen, dass es eigentlich überhaupt keine Regierungserklärung war, dass überhaupt nicht feststellbar ist, dass hier ein Regierungswechsel stattfindet, weil wir in den wesentlichsten Elementen eigentlich dieselben Plattitüden wiederholt gefunden haben, die es in den letzten Wochen in der Berichterstattung über Ihre Regierungsverhandlungen gegeben hat.

Weil jetzt auch die Frau Außenministerin und der Herr Staatssekretär für Europafragen die Regierungsbank verlassen haben und ich die „geballte“ zurückgebliebene Kom­petenz nicht überbeanspruchen möchte, möchte ich mich an Sie wenden, Herr Kollege Einem – Sie sind ja auch Europasprecher Ihrer Fraktion. Und ich habe jetzt dasselbe Los, wie es Kollege Graf hatte, der das Feuerwerk an faulen Ausreden Ihres Kollegen Broukal erwidern musste: So werde ich mich jetzt eben an Sie wenden in puncto Europafragen und den wesentlichsten Elementen in diesem Regierungsprogramm, weil auch Sie es waren, die das mitverhandelt haben.

Da geht es zum Ersten um den EU-Beitritt der Türkei, Herr Kollege Einem, den wir Freiheitlichen immer abgelehnt haben, wobei wir immer darauf bestanden haben, dass die österreichische Bundesregierung einen Akt setzt, der die Beitrittsverhandlungen beendet. (Beifall bei der FPÖ.)

Die SPÖ, Herr Kollege Einem, als sie noch fröhliche Oppositionspartei war, hat uns in dieser Haltung eigentlich immer bestärkt. Die SPÖ wollte keinen Vollbeitritt der Türkei, die SPÖ wollte eine alternative Situation dieses Landes in Bezug auf die Europäische Union erreichen. – Und in der Regierungsübereinkunft steht die Plattitüde drin, dass es vor einem Beitritt der Türkei zur Europäischen Union eine Volksabstimmung in Österreich geben wird.

Dieses No-na-Net, diese faule Ausrede, die Wolfgang Schüssel damals eingefallen ist, als er vom Rat in der EU berichten wollte und es nicht das Ergebnis war, das sich die österreichische Öffentlichkeit erwartet hat, diese Plattitüde wiederholen Sie einfach! Aber wir werden das jetzt einfach auf den Punkt bringen können, Herr Kollege Einem, weil jetzt Ihre Parteigenossen in den Räten der Europäischen Union vertreten sein werden, und wir erwarten von Ihnen, dass Sie beim nächsten Europäischen Rat, wenn es um Einstimmigkeit bei der Behandlung der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei geht, Ihre Ankündigungen aus Oppositionszeiten auch in diesem Punkt wahrmachen und dagegen stimmen, damit es jene Weiterführung dieser Unklarheit auf europäischer Ebene, die wir derzeit haben, nicht gibt.

Die Behauptung, dass es durch den Auftritt unserer Außenministerin zu einer Klima­änderung in Bezug auf den Beitritt der Türkei gekommen ist, ist eine ÖVP-Legende. Das glaubt man nur in der ÖVP, in den Klubsitzungen der ÖVP wird das kolportiert, aber außerhalb Österreichs, wenn Sie mit Kollegen aus Europa reden, gilt das als nicht existent. Dort wird jenes Element der offenen Verhandlungen bestritten. Es wird auch bestritten, dass es andere Varianten geben soll und dass auch die Aufnahmefähigkeit der Europäischen Union bei einem allfälligen Neubeitritt von Mitgliedsländern eine Rolle spielt.


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Also irgendwo scheint hier ein Missverständnis zu bestehen. Entweder wird in Öster­reich nicht das gesagt, was auf europäischer Ebene verhandelt wird, oder dort wird nicht richtig verhandelt. Wir Freiheitliche werden darauf bestehen, dass Sie das tun werden.

Meine Damen und Herren von SPÖ und auch ÖVP – die jetzt nur mehr, wie gesagt, in Restbeständen vorhanden sind –, wir erwarten, dass Sie künftig auch auf europäischer Ebene die Interessen Österreichs vertreten und Ihre Ankündigungen, die Sie in Ihrer Oppositionszeit gemacht haben, wahrmachen. (Beifall bei der FPÖ.)

21.32


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun ist Herr Abgeordneter Donabauer zu Wort gemeldet. Wunschredezeit: 4 Minuten. – Bitte.

 


21.32.39

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Frau Präsident! Mitglieder der Bundes­regie­rung! Hohes Haus! Es haben sicherlich alle mit großem Interesse die Regierungs­erklärung erwartet. – Sie war umfassend, sie war breit ausgerichtet. Mir persönlich hat nicht so sehr die Feststellung imponiert, dass der Herr Bundeskanzler Nachhilfe­stun­den gibt, sondern vielmehr die bemerkenswerte Feststellung, dass wir in einem sicheren Land leben. Das ist etwas, was ich in den letzten Monaten nicht so gehört habe. Ich bin sehr froh darüber, denn das ist eine Bestätigung der Politik, die gemacht wurde, und ich bin auch froh, wenn diese jetzt Konsens findet und so fortgesetzt wird.

Ich habe die Kommentare der einzelnen Klubs nicht zu beurteilen, ich habe nur bemerkt, dass Klubobmann Dr. Cap heute noch nicht jene Begeisterung gezeigt hat, die wir vielleicht erwarten, aber ich bin davon überzeugt: Er ist lernfähig, er wird sie bringen.

Mir steht es auch nicht zu, Sie, Herr Klubobmann Strache, zu beurteilen, ich würde Ihnen nur empfehlen: Lassen Sie persönliche Diffamierungen in Zukunft weg! (Abg. Strache: Welche, bitte?) – Eine Menge haben Sie gemacht. (Abg. Strache: Welche ganz konkret?) Es täte Ihnen und dem Haus besser. (Beifall des Abg. Dr. Schüssel. – Abg. Strache: Unterstellen Sie nichts, was nicht passiert ist!)

Interessant ist nur eines: Alle wollen mitreden, nur, wie ich merke, mitverantwortlich zeigen sich nicht alle! Das dürfte etwas sein, wo sich einige sehr zurücknehmen.

Eine klare Position hat unser Klubobmann eingenommen. Er hat wieder einmal und sehr nachhaltig und glaubwürdig gesagt, dass es um die Zukunft dieses Landes geht, dass es vor allem um die Gestaltung der Politik für die Zukunft geht. Es geht um die Jugend, es geht um die Politik auch für jene Menschen, die heute hier noch nicht vertreten sind, an die wir aber denken müssen. Es geht wirklich darum, dass wir danach handeln und auch vieles sagen und feststellen, auch wenn das heute nicht populär ist. Es geht darum, Politik für morgen zu machen, auch wenn das heute nicht in allen Bereichen populär ist.

Der Start dieser Regierung findet unter guten Voraussetzungen statt. Ich denke, die Startrampe ist statisch perfekt abgesichert, architektonisch bestens gebaut. Wir haben Beschäftigungszahlen, die sich zeigen lassen, und wenn wir im Regierungsprogramm noch festgehalten haben, dass wir die Arbeitslosigkeit um 25 Prozent senken wollen, dann ist das, glaube ich, eine klare Ansage, die auch Verständnis und viel Erwartung und Zustimmung bei den Bürgern findet. Das halte ich deshalb für wichtig, weil damit Wertschöpfung verbunden ist, und bei mehr Wertschöpfung können wir uns in einigen Bereichen etwas breiter darstellen.

Herr Sozialminister, Sie haben in Ihrer Stellungnahme vor allem über die Nachhaltigkeit gesprochen und gemeint, dass einige wichtige Prozesse nachzuarbeiten sind. Ich bin


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froh darüber, dass Sie erkennen, dass es kein Zurück zum Start gibt – die Pen­sionsreform war richtig, sie war dem Generationenvertrag entsprechend höchst not­wendig –, aber mich hat schon in irgendeiner Weise beeindruckt, dass Sie gesagt haben, dass Sie einige Modifikationen vorhaben. Im Übereinkommen ist auf Seite 103 zum Beispiel von einer Harmonisierung der Invalidität und der Erwerbsunfähigkeit zu lesen. Dort wird festgestellt, dass es heute unterschiedliche Beurteilungen innerhalb der Berufsgruppen gibt, und ich bin froh, wenn wir endlich einmal damit beginnen, in diesem Bereich Gerechtigkeit herzustellen und jenen Menschen zu helfen, die arbeiten wollen, es aber nicht mehr können, denn das können wir heute noch nicht so umfassend. Sie haben jederzeit einen Partner in uns, wenn Sie das umsetzen.

Die Frau Gesundheitsminister hat die Gesundheitsreform und deren Fortführung bejaht. – Das ist grundsätzlich positiv.

Es wurde heute auch über die ländliche Entwicklung und vor allem über den Bereich erneuerbare Energien gesprochen. Das ist ein Hoffnungsgebiet, und ich bin froh, dass heute vom Herrn Bundeskanzler ein klares Bekenntnis dahin gehend zu hören war, dass jeder Euro aus Brüssel abzuholen ist, dass jeder Euro in den ländlichen Raum zurückzuführen ist. Somit ist, glaube ich, einmal Schluss mit der Debatte klassen­kämpferischer Art: Wer bekommt mehr? Brauchen die Leute das? Stellen wir bitte fest: Es geht uns um Arbeit, es geht uns um die Zukunft! In Österreich arbeiten im länd­lichen Raum, in der Landwirtschaft – und das ist auch ein Faktor – 520 000 Menschen, und diese nachhaltig abzusichern, ist ein intelligentes Vorhaben dieser Regierung.

Ich bin froh, dass wir nun in die neue Aufgabe eintreten, mit der Arbeit beginnen. Ich hoffe (Abg. Strache: Die Hoffnung stirbt zuletzt!), dass diese Koalition richtig steuert, gerade im Bereich der Verteilung öffentlicher Gelder. – Ein schwieriges Projekt, aber ich glaube, mit diesen Vorgaben wird es optimal gelenkt. (Beifall bei der ÖVP.)

21.37


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abge­ordnete Mandak. Wunschredezeit: 4 Minuten. – Bitte.

 


21.37.57

Abgeordnete Sabine Mandak (Grüne): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Mitglieder der Regierung! Ich habe schon in meinem Beitrag in der Debatte zur Dring­lichen auf die Situation im Bereich Pflegebetreuung und Unterstützung alter Menschen hingewiesen. Die Kritik in diesem Bereich geht in die Richtung: viel versprochen, aber kein Budget dafür vorgesehen.

Kollegin Gisela Wurm sagt zwar, der Sozialminister habe ein großes Herz; das wird ihm aber nichts nutzen, wenn er das Geld nicht hat. Ich denke, gerade Sie Sozial­demokratinnen und Sozialdemokraten sollten sich dessen bewusst sein – und Sie wissen das auch –, dass es ohne entsprechende finanzielle Ausstattung einfach nicht geht. (Beifall bei den Grünen.)

Was mich die Pflege betreffend in der Regierungsvereinbarung sehr stutzig macht, ist Ihre Stellungnahme zur Überarbeitung der 15a-Vereinbarung; diese ist nämlich sehr kryptisch. Sie haben auch sehr kryptisch auf die Frage geantwortet, Herr Minister Buchinger, ob Sie das Erscheinungsbild des Sozialministeriums irgendwie verändern wollen. Genauso kryptisch – jetzt glaube ich fast, das kommt von Ihnen – steht da drin, dass Sie diese gesetzliche Regelung verändern wollen, aber es kommt überhaupt nicht heraus, in welche Richtung. Sie wollen eine Vereinheitlichung, und mir ist nicht klar, ob Sie eine Nivellierung nach oben oder unten anstreben.

Das heißt: Soll es künftig so sein, dass österreichweit zur Deckung der Pflegekosten das Eigenheim herangezogen wird? Soll es künftig so sein, dass in allen Bundes-


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ländern die Kinder Beiträge zahlen müssen, wenn die Eltern gepflegt werden und die Pflege nicht selbst zahlen können? Ist das Ihre Absicht? Oder ist es Ihre Absicht, dass es diese Regelung in keinem Bundesland mehr geben soll, geben darf? – Wir sind der Meinung, beides darf in keinem Bundesland mehr sein! (Beifall bei den Grünen.) Ich wäre sehr froh, wenn wir von Ihrer Seite ein sehr klares Bekenntnis dazu hören könnten, wie Sie das sehen und wie Ihre Absichten hiezu sind.

Offen bleibt auch, ob die Sozialhilfe künftig zurückgezahlt werden muss; weiterhin, ob ein Rechtsanspruch bestehen wird.

All diese Fragen sind auch im Rahmen der Grundsicherung nicht beantwortet.

Im Familienbereich, bei den familienpolitischen Maßnahmen fällt beim Kinderbetreu­ungsgeld auf, dass es flexibler gestaltet werden soll. – Gut. Eine Verkürzung auf 18 Monate ist eine Möglichkeit, ich persönlich finde es aber sehr, sehr schade, dass Sie nicht die Gelegenheit beim Schopf gepackt und sich nicht endlich auf ein einkom­mensabhängiges Karenzgeld geeinigt haben, das nämlich wirklich dazu geführt hätte, dass mehr Väter als derzeit 3,5 Prozent in Karenz gehen. Das wäre eine gute Chance gewesen.

Absolut zu kritisieren ist, dass Sie eine Verkürzung anbieten, dann aber wesentlich schlechtere Konditionen machen. Also ein Paar, das 18 Monate Karenz in Anspruch nimmt, bekommt 14 400 €, ein Paar, das 36 Monate Karenz in Anspruch nimmt, bekommt 15 700 €. – Nicht nachvollziehbar! Wenn, dann bitte auch eine Halbierung beziehungsweise Verdoppelung des Kinderbetreuungsgeldes, das bezahlt wird!

Was bei diesen familienpolitischen Maßnahmen völlig fehlt, ist das Eingehen auf die neuen Familienformen, auf die verschiedensten Patchwork-Familien, auf die neuen sozialen Väter und Mütter, damit verbunden eine Änderung des Familienrechts und das dringend notwendige neue Unterhaltsrecht. Beide Punkte sind bei den familien­politischen Maßnahmen nicht vorgesehen. Ich finde das sehr, sehr schade; sie stehen nicht drin.

Ich habe noch Hoffnung, dass die Ministerinnen sich dafür einsetzen werden, dass es gesetzliche Regelungen geben wird, die den Ist-Situationen in den Familien ent­sprechen und auf die die Familien in Österreich wirklich dringend hoffen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

21.42


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dr. Wittmann zu Wort. Wunschredezeit: 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


21.42.35

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Ich will einige Worte zum Verfas­sungsteil dieses Regierungsprogramms verlieren. Ich glaube, dass das ein sehr ambitioniertes Vorhaben ist, was hier festgeschrieben ist. Es gibt mehrere Verfas­sungsbereiche, die darin angesprochen werden, und ich glaube, nichts legitimiert eine große Koalition mehr, als bei verfassungsmäßiger Mehrheit auch Veränderungen im Staats- und Verwaltungsreformbereich herbeizuführen.

Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir uns dazu durchringen, einen Grund­rechts­katalog in der Verfassung festzuschreiben. Eine moderne Verfassung mit Grundrechts­katalog, in der die Freiheit des Einzelnen und die Menschenwürde abgesichert werden und auch umsetzbare und durchsetzbare Grundrechte verankert sind, entspricht unserer Zeit mehr als eine Verfassung, in der das nicht vorhanden ist; umso mehr als man auch auf europäischer Ebene darüber verhandelt, einen Grundrechtskatalog in der Verfassung zu verankern.


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Wichtig wird auch sein, die Kompetenzverteilung zwischen den Ländern neu zu regeln. In diesem Bereich ist die Kompetenzverteilung entsprechend einem Drei-Säulen-Modell, einer alleinigen Gesetzgebung auf Bundesebene, einer alleinigen Gesetz­gebung auf Landesebene und einer Mischgesetzgebung, vorgesehen. Die Kompeten­zen sollen möglichst klar getrennt und detailliert aufgezeigt sein. Auch das würde einer Neuordnung unseres Staates entsprechen.

Ich glaube, dass es auch wichtig ist, die vorhandenen Verfassungsbestimmungen zu durchforsten und zu einer Rechtsbereinigung zu kommen. Diesbezüglich sind die Vorleistungen und Vorverhandlungen im Konvent-Ausschuss bereits sehr weit fortgeschritten. Ich glaube, dass man durchaus sagen kann, dass wir in Österreich nach der nächsten Verfassungsnovelle wahrscheinlich bis zu 500 Verfassungsbestim­mungen weniger haben werden. Dass man diese in einem Verfassungsbereich gliedert, dass man bei den Grundrechten etwas macht und dass man einen Landes­verwaltungsgerichtshof endlich angeht, auch das sind Vorhaben, die notwendig sind.

Zum Wahlrecht haben wir schon gehört: Wählen mit 16, eine der grundlegenden Forderungen der Sozialdemokratie, ist in diesem Programm vorhanden.

Das heißt, das ist ein umfangreiches Verfassungspaket, das eine modernere und effizientere Staatsführung gewährleisten könnte, das eine Neuordnung der Kom­petenzen bringen würde. Ich denke, dass es höchst an der Zeit ist, dieses Vorhaben anzugehen.

Auch die Volksgruppen sind darin genannt. Die Ortstafel-Frage wird neu geregelt werden. Ich bin neugierig, wie schnell man hier zu einer Lösung kommen wird. Ich glaube, dass es sich die Volksgruppen verdient haben, endlich den Staatsvertrag umgesetzt zu bekommen.

Zu meinem zweiten Teilgebiet, dem Sport, möchte ich sagen, dass ich auch hier ein sehr umfangreiches Programm feststellen kann, dass der Spitzensport genauso wie der Breitensport vorhanden ist, dass man sich endlich dazu durchgerungen hat, konkrete Ziele festzulegen, nämlich im Schulsport, und auch Großveranstaltungen wie die EM 2008 und die Bewerbung Salzburgs für die Olympischen Winterspiele 2014 zu unterstützen.

Ich meine, dass ein sehr umfangreiches Bekenntnis zum Sport in diesem Regie­rungsprogramm festgehalten ist – jetzt ist es an uns, es mit Leben zu erfüllen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.46


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Abge­ordneter Mayerhofer. 4 Minuten Wunschredezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


21.46.27

Abgeordneter Leopold Mayerhofer (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätz­te Damen und Herren auf der Regierungsbank! Im Regierungsprogramm steht im Bereich innere Sicherheit zu lesen: „Die Österreicherinnen und Österreicher haben einen Anspruch darauf, vor Kriminalität geschützt zu werden.“ – No na! Bei dieser Steuerquote darf der Bürger schon irgendeine Gegenleistung erwarten.

Ganz arg finde ich als Polizist mit immerhin 30 Dienstjahren auf dem Buckel die derzeitige Situation im Personalsektor; diese ist alles andere als befriedigend. Die Ankündigung im Regierungsprogramm, dass bei „Bedarf“ von einer Erhöhung des Personalstandes auszugehen ist, darf nicht nur von den Polizisten als Drohung empfunden werden, sondern auch von der steuerzahlenden Bevölkerung. Die Polizisten leiden an diesem Wust an Bürokratie, den man abgeladen hat, nur deshalb, weil der Finanzminister sich in der vergangenen Periode damit schmücken konnte, ein


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paar hundert – ich sage das jetzt einmal so – relativ günstige Verwaltungsbedienstete einzusparen.

Den gesamten Verwaltungswust hat man hinuntergewälzt auf die Polizeiinspektionen, und heute dürfen die Bürger warten, weil das sogenannte IPOS, das Integrierte Polizeiliche Sicherheitssystem, das neue Protokollierungssystem, oft stundenlang nicht funktioniert. Die Polizisten und mit ihnen die Bürger dürfen warten. Die Bürger verlassen die Wachzimmer und Inspektionen oft unverrichteter Dinge, wenn sie keine Anzeigebestätigung für irgendwelche Versicherungen brauchen. Diese unzähligen Fälle werden dann natürlich im Sicherheitsbericht nicht schlagend, und ich glaube, dass genau damit dieses leichte Absinken der Kriminalität zu erklären ist.

Weiters möchte ich anmerken, dass wir die im Regierungsprogramm angekündigte Modernisierung der Infrastruktur sehr begrüßen und dass die Mittel dort auch wirklich ankommen. – Nur allzu leicht – ich weiß das; das ist nicht die erste Regierungs­erklärung, die ich verfolgt habe; ich bin ein politisch relativ interessierter Polizist, es hat mich immer interessiert, was diverse Minister und Regierungen angekündigt haben – bleiben Mittel in den Zentralstellen stecken. Ich hoffe, dass sich das endlich ändert.

Die Polizisten haben Wünsche, oft ganz einfache und lapidare. Man glaubt aber nicht, dass in diesem modernen Staat solche Wünsche womöglich nur unter Zuhilfenahme von Medien – zum Beispiel einem Kleinformat – gehört werden, dass sich ein Polizist vertrauensvoll an die Öffentlichkeit wenden und händeringend darum bitten muss, dass wenigstens alle fünf Jahre die Fenster geputzt werden. Man glaubt nicht, dass das in Österreich alles möglich ist. Eine Putzfrau hat eine Stunde zur Verfügung, eine große Polizeiinspektion sauber zu halten. Diese einfachen Dinge können die Polizisten nicht in Anspruch nehmen – ich finde das ungerecht! Polizisten, die jederzeit bereit sind, auch mit ihrem höchsten Gut, der Gesundheit, und eventuell mit dem Leben für die Bevölkerung einzutreten, wollen wenigstens so gut untergebracht sein wie die Insas­sen in den sogenannten Designer-Häfen und Luxushäftlingsanstalten in Leoben. (Beifall bei FPÖ und BZÖ.)

Disziplinarrecht: Da sieht man, mit welcher Ungleichheit man da vorgeht. Ein kleiner Polizist, der um 18 Uhr überraschend zu einem Überstundendienst kommandiert wird, hat die verkehrte Uniformhose an, eine blaue statt einer grünen, und kriegt vom Disziplinaranwalt eine Strafe von 1 100 € aufgebrummt. Na sehr fein! Und die Leiter eines ganzen Polizeicorps fahren ganze Nächte und stehen im Verdacht – ich sage es sehr vorsichtig –, zumindest diverse Streifen verraten zu haben, und das ist nicht irgendwer, wie wir heute ergriffen feststellen mussten in der „Österreich“-Zeitung.

Was wünscht sich die Exekutive Österreichs? Ganz einfache Dinge: ordentliche, saubere und gut ausgestattete Dienststellen, modernes und funktionierendes Gerät und eine vernünftige Schulung darauf, anstatt dass der Kommandant mit irgend­welchen Listen zu den Beamten kommt und sagt: Unterschreibt rasch, und geht hinaus in den Außendienst!, damit er dann sagen kann, sie sind ja eh geschult. – Sie sind teilweise zu wenig geschult, weil so viel neue Technik jetzt in die Dienststellen gekommen ist, auch nicht funktionierendes Gerät, muss ich ganz ehrlich sagen. Das darf ich Ihnen aus der Praxis berichten.

Was ich mir noch wünsche, ist eine bessere Kontrolle der Führungskräfte. Zwei Minis­ter schauen monatelang zu, wie ein Leiter eines Polizeikorps in Wien das Stan­des­ansehen der Beamten auf das Ärgste, sage ich jetzt einmal, hinunterwirtschaftet. (Beifall bei der FPÖ.) Der kleine Polizist muss sich unten für das Verhalten seines Führungsoffiziers rechtfertigen – na gute Nacht! (Abg. Dr. Mitterlehner: Der hat die richtige Hose angehabt! – Heiterkeit.) – Das weiß ich nicht, so genau kann ich nicht Auskunft geben. (Neuerliche Heiterkeit.)


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Ich bitte den Minister, der leider jetzt nicht da ist, dass er diesen Wünschen einiger­maßen Rechnung trägt. Wir werden das aufmerksam verfolgen, im Interesse der österreichischen Polizistinnen und Polizisten, die jeden Tag wirklich engagiert sind und – verwunderlich unter solchen Umständen – gute Arbeit leisten. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

21.52


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster kommt zu Wort Herr Abgeordneter Dr. Sonnberger. Wunschredezeit: 4 Minuten. – Bitte.

 


21.52.25

Abgeordneter Dr. Peter Sonnberger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätz­te Regierungsmitglieder! Hohes Haus! Ich darf einige Projekte im Bereich der Staats- und Verwaltungsreform vorstellen.

Mit der Einführung von Landesverwaltungsgerichten werden Verfahren beschleunigt, wird das Service für die Bürger wesentlich verbessert und der Verwaltungsgerichtshof entlastet. Verstärkte Bürgerorientierung, Effizienzsteigerung und rasche Verfahren bei Wahrung der Rechtssicherheit sind die wichtigsten Kriterien einer modernen Verwal­tung. Es soll zu einem Ausbau des One-Stop-Shop-Prinzips kommen. E-Government soll vor allem auch auf Gemeindeebene den Bürgern zur Verfügung stehen.

Die Leistungen der Sozialhilfe, der Arbeitslosenunterstützung und der Notstandshilfe werden auf eine Stelle konzentriert. Weiters wird ein einheitlicher Anlagen- und Parteienbegriff angestrebt. Ziel ist auch die Beseitigung der Doppelgleisigkeiten in der Schulverwaltung durch Schaffung einer einzigen Organisationseinheit für die Angelegenheiten der Schulverwaltung des Bundes und des Landes auf Landesebene unter der Leitung des Landeshauptmannes.

Bis Sommer 2007 wird die Regelung zur Umsetzung der Ortstafelerkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs in möglichst breitem Konsens mit den Volksgruppen auf Basis der bisherigen Vorschläge verfassungsrechtlich abgesichert.

Ein Angebot für die Jugend, aber zweifellos auch eine Herausforderung ist die Sen­kung des aktiven Wahlalters auf 16 Jahre. Es waren vor einer Woche zwei Schul­klassen im Parlament, 60 Schülerinnen und Schüler im Alter von 15 Jahren, und die haben bei einer Diskussion um die Frage, ob sie mit 16 wählen wollen, eine ganz unterschiedliche Meinung vertreten: Acht haben sich für das Wahlrecht entschieden, 52 haben gesagt, eigentlich wollen sie nicht wählen. Es ist also schon eine Heraus­forderung, die Jugend für Politik zu begeistern, sie auch besser zu informieren.

Die Briefwahl im Ausland wird vereinfacht, und zwar durch den Entfall der Not­wendigkeit eines Zeugen, und die Briefwahl wird auch im Inland bei Nationalrats-, Gemeinderats-, Landtags- und Bürgermeisterdirektwahlen und Bundespräsidenten­wahlen möglich sein. (Beifall bei der ÖVP.)

Das ist eine wesentliche Verbesserung der Möglichkeit, das Wahlrecht auszuüben, was in Hinblick auf die zurückgehende Wahlbeteiligung und im Interesse eines Bürgerservice sinnvoll erscheint, und das wird nun endlich umgesetzt.

Die Verlängerung der Gesetzgebungsperiode auf fünf Jahre ist auch im Interesse der BürgerInnen gelegen, da die operative Phase der Regierungs- und Parlamentsarbeit auf effektive vier Jahre verlängert wird.

Ich habe nur schlagwortartig Teilbereiche der Staats- und Verwaltungsreform in Kurz­form darstellen können. Ein viel breiteres anspruchsvolles Programm wurde gemein-


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sam erarbeitet und wartet nun auf erfolgreiche Umsetzung. Es liegt viel Arbeit vor uns. (Beifall bei der ÖVP.)

21.55


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abge­ordneter Mag. Dr. Zinggl. Wunschredezeit: 4 Minuten. – Bitte.

 


21.55.37

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (Grüne): Frau Präsidentin! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich ein paar Worte zur Kulturpolitik, so wie sie im Programm der Regierung vorkommt, sagen. Viele Worte werden es nicht sein, es gibt ja bei dieser Ansammlung von No-na-Statements nichts zu analysieren, bestenfalls etwas zu kommentieren.

Würden so Sätze wie „Kultur hat einen hohen Stellenwert“ – viel mehr ist es ja nicht – in einem Schulaufsatz vorkommen, der zum Thema „Was erwarte ich mir von einer Kulturpolitik?“ zu schreiben wäre, dann würde die Lehrerin wahrscheinlich darunter schreiben: Schade! Streng dich mehr an! Du kannst es besser! Bemüh dich beim nächsten Mal mehr!, oder etwas Ähnliches.

Ich frage mich überhaupt: Warum ist kein gescheites Kulturprogramm drinnen? Das ist ja keine Frage der Verhandlungen gewesen, es gibt ja genug Gemeinsamkeiten von Volkspartei und Sozialdemokratie. Das kann man schon allein anhand des Weißbuchs aus dem Jahr 1999 feststellen. Das war eine der letzten Veröffentlichungen der letzten großen Koalition, wo eigentlich nichts anderes zusammengeschrieben wurde, als was in der nächsten Periode alles gemeinsam gemacht werden kann. Das sind 200 Seiten, und wenn man diese 200 Seiten zu den 167 Seiten des Regierungsprogramms dazugehängt hätte, dann wären es 367 Seiten gewesen, eine ordentliche Verdickung. Zumindest einige ganz konkrete Sachen hätte man übernehmen können. Allein die Präambel dieses Weißbuchs enthält mehr als das gesamte Regierungsprogramm zum Thema Kultur.

Was wäre da drinnen gewesen? – Zum Beispiel die mehrjährige Subvention der Kunst­institutionen. Das ist eine seit langem erhobene Forderung, auch schon von der alten großen Koalition, steht auch im letzten Regierungsprogramm der schwarz-blau-oran­gen Regierung – ist nicht verwirklicht worden. Und jetzt steht es überhaupt nicht mehr drinnen. Warum eigentlich nicht? Die Kunstinstitutionen, die ganze Kulturszene, die wollen das weiterhin. Die Parteien wollen das auch weiterhin. Also: Warum steht es nicht drinnen?

Andere Sachen wie zum Beispiel die Absetzbarkeit von Kunstwerken, wie es im letzten Regierungsprogramm gestanden ist und wie es nicht verwirklicht wurde, stehen dieses Mal nicht drinnen; das kann ich noch irgendwie verstehen. Aber vielleicht war die Überlegung die: Die letzte Regierung hat alles Mögliche hineingeschrieben, dann ist nichts daraus geworden, das ist peinlich, also schreiben wir gleich gar nichts hinein, dann kann auch nichts schiefgehen, und alle sind irgendwie zufrieden.

Das ist eine Art oberschlaue Strategie. Möglicherweise hat die eine Partei gedacht, wir kriegen die Kunstministerin, und wenn nichts drinnen steht, kann die dann machen, was sie will, super. Und die andere Partei wird sich gedacht haben, wir kriegen den Finanzminister, der passt auf das Geld auf, letzten Endes wird alles über das Geld geregelt und kann nur das gemacht werden, was der Finanzminister will.

Wir werden also die Budgetverhandlungen abwarten müssen. Frau Bundesministerin, Sie tun mir leid, denn Sie werden da mühselig etwas herausverhandeln müssen, was eigentlich schon längst in einem Programm hätte drinstehen können. Auch ohne Geld gibt es genug Gemeinsamkeiten. Die Transparenz beispielsweise steht im Weißbuch,


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etwas, was die Volkspartei auch ins letzte, vergangene Wahlprogramm mit hinein­genommen hat. Das hätte man also auch hineinschreiben können. Man hätte über­haupt einen schönen bunten Strauß an gemeinsamen Forderungen, Wünschen und Veränderungen in der Kulturpolitik zusammenstellen können. Ich als Politiker der Opposition hätte dann nur sagen können: Hoffentlich können Sie auch viel davon verwirklichen! So bleibt mir aber nichts anderes übrig, als zu sagen: Macht wenigstens irgendetwas, denn im Programm steht nichts drinnen, und es gibt offensichtlich auch kein Geld dafür! (Beifall bei den Grünen.)

22.00


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Mag. Gross­mann zu Wort. 3 Minuten Wunschredezeit. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


22.00.02

Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundes­kanzler! Werte Regierungsmitglieder! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man sich anhört, wer aller enttäuscht ist, dass sozialdemokratische Ziele nicht zu 100 Prozent gleich und sofort realisiert werden, dann könnte man meinen, dass dieses Regierungsübereinkommen einen wundersamen Läuterungsprozess, ja förmlich einen Geistesblitz ausgelöst hat, indem endlich die Richtigkeit sozialdemokratischer Ziele erkannt wurde. Dann war es ja schon aus diesem Grund wert, sich auf diese Regie­rungskonstellation einzulassen.

Durch die leidigen Studiengebühren werden leider die vielen positiven Weichenstellun­gen für Österreichs Jugend aus der öffentlichen Aufmerksamkeit verdrängt. Mit der Wahlaltersenkung ist eine echte politische Sensation gelungen. Hier wurde nach langer Überzeugungsarbeit endlich den Argumenten der SPÖ gefolgt.

Darüber hinaus haben Silvia Fuhrmann und ich, die wir für den Jugendbereich verhandelt haben, auch Rahmenbedingungen für eine gelungene politische Partizi­pation vereinbart, nämlich aktive Förderung von Jugendbeteiligungsmodellen, Einfüh­rung einer Jugendverträglichkeitsprüfung bei Gesetzesvorhaben, eine bessere und gerechtere Förderung von Jugendorganisationen, die diesen auch eine Planungs­sicherheit ermöglicht. Kinder- und Jugendrechte sollen endlich in der Verfassung verankert werden – nicht nur als eine leere Worthülse, sondern als aktiver Auftrag an die Gesetzgebung und an die Vollziehung.

Der wichtigste Aspekt ist für mich aber die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Da freut es mich und ich bin auch stolz, dass es hier gelungen ist, für die Jugendlichen wirklich viel herauszuverhandeln. Kern ist eine Ausbildungs- und Arbeitsplatzgarantie für junge Menschen. Kein junger Mensch soll mehr auf der Straße stehen müssen. Jene, denen es nicht gelingt, einen konkreten Lehrvertrag bei einem Betrieb zu er- oder behalten, sollen in überbetrieblichen Einrichtungen einen Beruf erlernen können, wozu die JASG-Maßnahmen entsprechend weiterentwickelt werden.

Wichtig ist auch die bessere Durchlässigkeit der Bildungssysteme zwischen dem Lehrlingsausbildungssystem einerseits und dem schulischen beziehungsweise univer­sitären Bildungssystem andererseits nach dem Prinzip „kein Abschluss ohne An­schluss“.

Wir sind übereingekommen, die Lehrlingsausbildung zu reformieren, um jungen Men­schen mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Die Lehre soll in der Weise modularisiert werden, dass erst an eine breite Basisausbildung Module zur Spezialisierung anschließen, um bei Bedarf auch beruflich relativ leicht umsatteln zu können.


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Die Berufsorientierung soll ausgeweitet werden und für alle Schultypen ab der sieben­ten Schulstufe verbindlich gemacht werden, wobei besonders die geschlechtsspezifi­schen Rollenbilder aufgebrochen werden sollen. Die Sozialpartner haben Änderungen beim Kündigungsschutz vorverhandelt – ob hier die erwarteten positiven Beschäf­tigungseffekte eintreten, wird man sehr aufmerksam beobachten müssen. Gemein­sames Ziel ist jedenfalls die drastische Reduzierung der Jugendarbeitslosigkeit, und diesem Ziel sind alle Maßnahmen untergeordnet. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

22.03


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dr. Kurzmann zu Wort. Wunschredezeit: 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


22.03.40

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (FPÖ): Frau Präsident! Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren! Im ersten Kapitel des neuen Regierungsprogrammes, das unter dem Titel steht „Öster­reich – Partner in Europa und der Welt“, postulieren Sie als Ziel – ein wichtiges Ziel Ihrer Regierungstätigkeit – die Vertiefung der europäischen Wertegemeinschaft.

Das, meine Damen und Herren, ist ein Ziel, das wir als Freiheitliche vorbehaltlos unterstützen können. Denn: Wie schon der amerikanische Präsident Monroe, der sich wohltuend vom jetzigen unterscheidet, im 19. Jahrhundert in seiner bekannten Monroe-Doktrin gefordert hat: Amerika den Amerikanern!, so treten wir konsequenter als viele andere Bewegungen für die Forderung ein: Europa den europäischen Völkern! Das hat, wie Sie auch den Medien entnehmen konnten, vor wenigen Tagen zu einer Fraktionsbildung der europäischen Heimattreuen und rechten Parteien im EU-Parlament geführt. Die neue Bezeichnung dieser Gruppierung ist ITS, und genau dafür stehen wir, nämlich für Identität, für Tradition und für Souveränität. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir erwarten, meine Damen und Herren, dass es sich bei der von Ihnen angestrebten und angekündigten Vertiefung der europäischen Wertegemeinschaft um jene Tra­ditionen handelt, die wir in Europa immer vertreten haben, nämlich die Traditionen eines christlichen Abendlandes und nicht die einer anonymen Multi-Kulti-Gesellschaft. Wir erwarten, dass es nicht nur Ankündigungen gibt, sondern dass Sie Ihren Ankündigungen auch Taten folgen lassen.

Als Menschenrechtssprecher der Freiheitlichen Partei weise ich darauf hin, dass viele Fragen, die etwa die Heimatvertriebenen oder die auch unsere Minderheit im heutigen Slowenien, nämlich die Altösterreicher, betreffen, noch immer nicht oder nur unzu­reichend gelöst sind. Oder sind Sie vielleicht heute der Meinung, dass die tschechischen Beneš-Dekrete, die noch immer Teil der Rechts- und Verfas­sungs­wirklichkeit in der Tschechischen Republik sind, wirklich mit dem, was Sie als euro­päische Wertegemeinschaft bezeichnen, vereinbar sind? Oder sind die Gesetze, die auf der Basis der alten Tito-kommunistischen Avnoj-Gesetze im heutigen Slo­wenien erlassen worden sind, Ihrer Meinung nach mit dem, was Sie als europäische Wertegemeinschaft bezeichnen, wirklich vereinbar?

Ich bin überzeugt: Das Gegenteil ist der Fall! – Obwohl Sie die beste Gelegenheit hatten – das gilt vor allem für den ehemaligen Bundeskanzler Schüssel –, diese Fragen im Sinne einer gerechten europäischen Nachkriegsordnung zu regeln, haben Sie diese Chance ausgelassen, vorübergehen lassen.

Václav Havel hat im Jahr 2001 gesagt, als der erste und der letzte tschechische Politiker, dass die Beneš-Dekrete moralisch verwerflich seien. Und danach ist die


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tschechi­sche Politik wieder in ihre alte antiösterreichische und hussitische Tradition zurückgeglitten.

Oder in Slowenien: Ist dort die Geschichte, wie es einem modernen europäischen Staat entsprechen würde, wirklich aufgearbeitet? Wirklich aufgearbeitet – und das ist der Unterschied zur früheren Tito-kommunistischen Geschichtsschreibung –, ist nur der Mord an den Domobranzen, der durch die Tito-Partisanen begangen worden ist. Unsere Minderheit ist noch immer nicht rehabilitiert, und da haben wir überhaupt nichts bemerkt, dass die österreichische Bundesregierung sich dafür einsetzt.

Ich habe heute von der Frau Außenministerin nur gehört, dass sie stolz war, an der Euro-Einführung in Laibach teilzunehmen. Hat sie dort die Vertreter unserer Minderheit getroffen? – Ich glaube nicht. Davon hat sie jedenfalls kein Wort erwähnt.

Ich würde mir wünschen, dass die neue österreichische Bundesregierung hier ähnlich beharrlich vorgeht, wie die ungarischen Regierungsvertreter immer die Interessen ihrer Volksgruppe in Rumänien, aber auch ihrer Volksgruppe in der Slowakei vertreten. (Beifall bei der FPÖ.) Das fehlt in unserer Politik, und das ist wirklich ein Versäumnis, das man in den letzten Jahren wirklich dieser Österreichischen Volkspartei und ihrer Außenpolitik anlasten muss. (Beifall bei der FPÖ.)

22.08


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Meine Damen und Herren, ich sehe ständig handytelefonierende Abgeordnete, wohin ich gerade schaue. Wir befinden uns am Beginn einer Legislaturperiode, und ich greife noch nicht gleich durch, aber ich mache darauf aufmerksam, dass vereinbart worden ist: Beim Telefonieren mit dem Handy erwischt zu werden, zieht einen Ordnungsruf nach sich.

Was die Mitarbeiter betrifft, müssten sie auch des Saales verwiesen werden. Ich höre zum Teil auch Geklingel. Ich glaube, das ist kein guter Einstieg, und ich würde Sie wirklich alle inständig ersuchen, sich an diese Vereinbarung zu halten – im Interesse gerade auch derer, die am Wort sind.

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Glaser. Wunschredezeit: 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


22.09.36

Abgeordneter Franz Glaser (ÖVP): Geschätzte Präsidentin! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Zum Kollegen Kurzmann nur ein Wort: Die Monroe-Doktrin, von der er gesprochen hat, würden heute sicherlich 80 Prozent der Amerikaner nicht mehr unterschreiben, denn das hat in der Praxis geheißen: Amerika den USA!, und nicht: Amerika den Amerikanern!

Ich möchte ganz kurz zu zwei Punkten der Regierungserklärung Stellung nehmen.

Zum einen: Ich freue mich außerordentlich über die Investitionen in den Infrastruktur­bereich, den Ausbau des Breitbandes im ländlichen Raum. Das bringt eine Standort­verbesserung für den ländlichen Raum.

Zum anderen: Ich freue mich absolut über den Ausbau von Straße und Bahn, darüber, dass dafür in den nächsten vier Jahren 10,5 Milliarden € investiert werden sollen.

Ich glaube, dass wir gerade bei den Verbindungen zu unseren östlichen Nachbarlän­dern noch einigen Nachholbedarf haben und investieren müssen. Ich möchte den Infrastrukturminister, der leider momentan nicht hier ist, gerade auf die südöstliche Ecke Österreichs aufmerksam machen, denn dort gibt es zum Beispiel auf der Verbin­dung zwischen Graz und Budapest gerade mal eine „schwachbrüstige“ Eisenbahn und im Straßenbereich eine Bundesstraße, die 70 Jahre alt ist. Da ist Handlungsbedarf


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gegeben, aber ich hoffe, dass der Ausbau mit diesem angekündigten zusätzlichen Geld möglich sein wird.

Ein weiterer Bereich, der mir große Freude bereitet, ist die Entwicklungszusam­men­arbeit und das dezidierte Bekenntnis dieser Bundesregierung, dass man den Beschluss des EU-Rates, 0,51 Prozent des Bruttoinlandsproduktes bis zum Jahr 2010 für diesen Bereich aufzubringen, umsetzen will. Ich glaube, dass das notwendig, richtig und gut ist. Es wird nur geboten sein, dass man die entsprechenden Strukturen, die dazu notwendig sind, ausbaut beziehungsweise neu aufbaut.

Ich begrüße es, dass auch betriebliches Engagement in der Entwicklungs­zusam­menarbeit entsprechend unterstützt werden soll. Vor allem aber wird es notwendig sein, dass wir jene Organisation, die bis jetzt schon großartige Arbeit geleistet hat, die ADA, die für die Umsetzung der Entwicklungszusammenarbeit zuständig ist, besser dotieren. Das gilt in der Folge natürlich auch für die NGOs, die vor Ort tätig sind.

Insgesamt glaube ich, dass damit im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit tat­sächlich mehr geleistet werden kann als in den vergangenen Jahren. Ich denke, wenn wir die Entwicklung insgesamt und den Frieden in der Welt entsprechend wert­schätzen, dass das auch absolut notwendig ist. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

22.12


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Sburny. 4 Minuten Wunschredezeit. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


22.12.52

Abgeordnete Michaela Sburny (Grüne): Frau Präsidentin! Werte Regierungsmitglie­der! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn man von dem ausgeht, was die zustän­digen Minister heute hier in Bezug auf Forschung, Innovation und Technologie präsen­tiert haben, könnte einem angst und bange werden. Herr Minister Faymann hat zu diesem Thema genau einen Satz gesagt, nämlich dass ihn Frau Staatssekretärin Kranzl in diesem Bereich unterstützen wird. – Das freut mich, aber inhaltlich sagt das noch gar nichts aus.

Herr Minister Hahn hat sein Statement damit eingeleitet, dass er dezent angesprochen hat, dass es um Kompetenzstreitigkeiten im Forschungsbereich geht, und ganz offensichtlich ist sein wichtigster Punkt, diese Kompetenzstreitigkeiten fortzuführen. Zum Glück, muss man fast sagen, gibt es neben dieser Präsentation eine schriftliche Unterlage, nämlich das Regierungsprogramm, das doch ein bisschen Anlass zur Hoffnung gibt, zumindest zur Hoffnung.

Es gibt einige gute Nachrichten in Bezug auf Forschung, Innovation und Technologie, das sind zumindest einmal die Ziele, die hier drinnen stehen. Da ist ein Teil, der sich auf die KMUs, also auf die kleinen und mittleren Betriebe bezieht, wo Ziele angegeben sind, wie etwa, dass die Förderrichtlinien im Hinblick auf Innovation zu überprüfen sind, die steuerliche Forschungsförderung weiter gesichert und optimiert werden soll. Das sind wirklich schöne Ziele, die auch im Zusammenhang mit dem 7. EU-Rahmen­programm stehen, die aber, wie auch manches andere, an Konkretisierung vermissen lassen.

Es gibt zwar auch ein paar andere Ziele, die angemerkt sind, aber ich komme da schon sehr schnell zu den problematischen Teilen; das ist eben die Konkretisierung dieser Ziele.

Ich möchte das in zwei Bereichen, in zwei groben Bereichen sagen. Das eine sind strukturelle Fragen im Forschungsbereich, die wir wirklich in den letzten Jahren immer wieder thematisiert und diskutiert haben. Es gibt eben – Punkt eins – diese Kom­petenz­streitereien, die sich durch weitere Aufsplittung der Ministerien sicher nicht


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verbessern werden. Es gibt nach wie vor – und dazu steht auch nichts im Regie­rungsprogramm – völlige Intransparenz bei der Finanzierung der Forschungsförderung zwischen Bund und Ländern. Das gilt auch für die Art und Weise, wo genau bestimmte Forschungsvorhaben festgelegt sind. Es wird wieder mit den Offensivprogrammen gearbeitet, die der Kontrolle des Parlaments entzogen sind. Das heißt, es wird auch weiterhin keine langfristige Planbarkeit möglich sein, wie sie gerade für die Wirtschaft wichtig ist.

Angesprochen ist auch die Rolle des Rates für Forschung und Technologie­entwick­lung. Es ist zumindest positiv, dass hier einmal thematisiert wird, welche Rolle der Rat eigentlich spielen soll. Aber ganz genau weiß man es auch nicht: Soll er jetzt beraten oder soll er eben, was er momentan schon tut, Strategien entwickeln, oder ist er vielleicht schon in die Umsetzung eingebunden?

Was auch nicht vermerkt ist, ist die Einbindung des Parlaments – das ist auch ein altes Thema –: Wo kann das Parlament in diesen Forschungs- und Technologiefragen mitentscheiden?

Der sicher wichtigste Punkt ist aber die Finanzierungsfrage. Ich möchte nur an einem Beispiel demonstrieren, wie unseriös das ist, was im Regierungsprogramm steht, obwohl wir das Ziel teilen, dass nämlich sehr viel mehr Geld in Forschung und Ent­wicklung gehen soll. Sie schreiben, dass es zur Erreichung des Barcelona-Zieles – also 3 Prozent des BIP für die Forschung – notwendig ist, die Ausdehnung der Bundesmittel um 10 Prozent jährlich zu erreichen.

Wenn man sich das jetzt anschaut, so sieht man: 2006 lagen die Forschungsmittel bei 1,92 Milliarden €. Das würde bedeuten, dass Sie dann, wenn Sie eine jährliche Steigerung von 10 Prozent wollen, im ersten Jahr, also 2007, 192 Millionen und bis zum Jahr 2010 891 Millionen bräuchten. Stattdessen haben Sie 50 Millionen für das Jahr 2007 und maximal 400 Millionen bis zum Jahr 2010 budgetiert. Damit ergibt sich eine Finanzierungslücke von ganz „lockeren“ 1,3 Milliarden €. Einfach 1,3 Milliar­den €! – So viel zu Ihrer Seriosität im Bereich der Ziele beziehungsweise dahin gehend, wie Sie das umzusetzen gedenken. Da ist meine Befürchtung, dass wir so wie bei der alten Regierung ebenso bei der neuen Regierung sehr viele Floskeln hören werden.

Ich möchte meine Hoffnung nicht verhehlen, und zwar die Hoffnung, dass es vielleicht Möglichkeiten zu einer anderen Art von Auseinandersetzung geben wird und dass sich der Bereich Forschung und Innovation dazu vielleicht auch anbieten könnte. (Beifall bei den Grünen.)

22.17


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Krainer zu Wort. Wunschredezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 


22.17.56

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich werde mich kurz fassen müssen, ich habe eine Menge Themen.

Zum Umweltbereich drei Dinge. Das erste ist die größte Herausforderung im Umweltbereich – und das nicht nur für die Regierung, nicht nur für die Opposition und für das Parlament, sondern für alle Gebietskörperschaften, für Länder, Gemeinden und für die gesamte Gesellschaft –, das wird in den nächsten Jahren die Frage des Klima­schutzes sein. Das ist im Regierungsprogramm enthalten, ist aber nicht nur auf die Bundesregierung beschränkt. Es ist auch notwendig, das Parlament einzubinden, was auch passieren wird, nachdem eine neue Klimastrategie erarbeitet werden wird, die alle Tätigkeiten der Gebietskörperschaften umfassen und koordinieren muss. Es soll


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auch jährlich hier Bilanz gezogen werden darüber, wie es im Klimaschutzbereich aus­schaut, wo wir nachbessern müssen. Das muss auch hier im Parlament geschehen.

Sofern die einzelnen Parteien das auch wollen, sollen Berichte natürlich auch in das Plenum kommen, weil wir wollen, dass Berichte nicht nur in den Ausschüssen end­verhandelt werden sollen.

Es wird morgen Minister Pröll auch die neuen Zahlen für 2005 präsentieren. Da wird er leider das verkünden, was wir vorausgesagt haben, nämlich einen neuen Höchststand bei den CO2-Emissionen, weil eben die Maßnahmen der alten Bundesregierung nicht ausgereicht haben, um hier eine Trendwende einzuläuten. Im Gegenteil: Die negative Entwicklung wird sich fortgesetzt haben. Man sieht auf Grund der erhöhten Zahl der Heizgradtage und auf Grund der Entwicklungen in der Industrie und auch im Verkehrsbereich, dass er diesbezüglich morgen sicher einen neuen Rekord an CO2-Emissionen für 2005 wird verkünden müssen.

Auch für das Jahr 2006 schaut es nach den ersten Zahlen nicht so aus, als ob eine Trendwende da wäre. Es gibt kein Land in der Europäischen Union, das so weit weg ist vom Klimaschutzziel wie Österreich. Selbst die USA sind jetzt wieder quasi hinter uns, wenn es um die schlechten geht, und vor uns, wenn es um die guten geht im Vergleich zum Basisjahr 1990. 2004 haben wir sie knapp überholt, 2005 war es wieder umgekehrt. Es muss uns allen klar sein, dass wir hier alles andere als ein Musterland sind.

Betreffend Luftsituation ist es so, dass die Lage sowohl, was die Stickoxyde angeht, als auch, was die Feinstaubbelastung anlangt, evolviert und hier neue gesetzliche Maß­nahmen dahin gehend kommen müssen und kommen werden, wie wir das in den Griff bekommen.

Die Anti-Atom-Politik soll kein Lippenbekenntnis mehr sein, sondern echt Teil der Politik der Bundesregierung.

Zum Tierschutz: Auch wenn dieses Thema in der Regierungserklärung nicht direkt ganz breit ausgeführt ist, ist es so, dass sich, wie ich glaube, alle Parteien an den Beschluss der letzten GP, nämlich den Tierschutz als Staatszielbestimmung in die Verfassung aufzunehmen, auch nach wie vor gebunden fühlen sollten. Im Zuge der Verfassungsreform, die noch heuer angegangen werden soll, sollte das ein Teil sein, der enthalten ist.

Das Bundestierschutzgesetz muss man jetzt natürlich dahin gehend evaluieren, wo es gut funktioniert und wo es Schwächen gibt. Ich sehe durchaus auch bei den Tier­transporten Handlungsbedarf. Das Land Steiermark hat heute einen Beschluss gefasst – leider gegen die Stimmen der ÖVP –, dass hier effizienter kontrolliert werden muss. Es gibt im Tierversuchsgesetz eine Reihe von Möglichkeiten. Es gibt Diskus­sionen auf internationaler Ebene über Rechte von Menschenaffen. Das haben wir zum Teil bereits gemacht, und zwar durch das Verbot von Tierversuchen an Menschen­affen. Aber auch diese Diskussion sollten wir führen.

Nun auch ein paar Worte zum Budgetbereich, zum Finanzbereich. Es hat Finanz­minister Grasser bei der Amtsübergabe zwei Sparschweine überreicht: ein großes für den neuen Finanzminister und ein etwas kleineres für den Staatssekretär. Die beiden Sparschweine waren natürlich ganz leer – genauso leer wie auch die Staatskassen, die er hinterlassen hat, und genauso leer, wie das Versprechen, dass es ein Nulldefizit geben wird, und genauso leer wie andere Versprechungen, die es noch gegeben hat. (Abg. Scheibner: Sie reden vom Jahr 1999!)

Mich wundert es auch nicht rasend, dass er der Bundesregierung nicht mehr ange­hören will, weil auch die Politik, die jetzt passiert, auch im Budget- und im


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Finanzbereich, eine andere ist, als er sie gemacht hat. Im Gegensatz zu weniger im Sozialbereich, weniger im Bildungsbereich und weniger öffentliche Investitionen ist es jetzt einfach umgekehrt: dass es mehr Geld im Sozialbereich gibt, mehr Geld für die Bildung gibt, mehr Geld für öffentliche Investitionen gibt, mehr Geld für Beschäftigung  gibt, mehr Geld für Wachstum gibt. Und das ist etwas, das einfach nicht seiner Politik entspricht. Ich bin aber sehr zuversichtlich, dass dieser Kurswechsel in der Finanz­politik auch in weiten Teilen der ÖVP so gesehen wird, und freue mich darüber, dass in der heutigen Ausgabe des „Kurier“ der Wirtschaftsbund-Generalsekretär schon über Formen der Wertschöpfungsabgabe nachdenkt.

Ich denke, dass wir in den nächsten Jahren durchaus sehr spannende Zeiten haben werden, es hier zu sehr positiven Entwicklungen kommen wird. In diesem Sinne freue ich mich schon auf die nächsten Jahre. Die Opposition ist natürlich eingeladen, Vorschläge zu bringen, aber – und das muss ich gleich dazusagen – auf Grund der leeren Staatskassen möglichst auch immer gleich einen Vorschlag zu machen, woher wir das Geld dafür nehmen sollen. Aber darüber werden wir dann im Detail reden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

22.23

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Haidlmayr zu Wort. Wunschredezeit: 4 Minuten. – Bitte.

 


22.23.13

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass im Regierungsübereinkommen für behinderte Menschen im Bereich Pflegegeld mehr oder weniger nichts mehr übrig bleibt, das haben wir gewusst. Wir haben es gewusst, obwohl Sie uns immer anderes versprochen haben.

Ich kann Ihnen jetzt nur ein Interview vom 22. September vorlesen. Dr. Alfred Gusen­bauer sagt ganz konkret: Valorisierung Pflegegeld: Das Pflegegeld muss jährlich mit zumindest der Inflationsrate angehoben werden.

Jährlich und zumindest mit der Inflationsrate! – Aussage Dr. Gusenbauer in Wort und Bild. (Die Rednerin hält ein Blatt Papier mit Text und Bild in die Höhe.)

Und was kriegen wir? – Nichts kriegen wir! Was Sie uns zugesagt haben, ist in vier Jahren einmal eine Valorisierung, wobei Sie nicht einmal sagen, wie hoch sie sein wird. Das heißt, dass es zumindest einen reellen Verlust von mehr als 10 Prozent für die Betroffenen gibt. Das haben Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ, zu verantworten! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der FPÖ und des BZÖ.)

Wenn jetzt der Herr Finanzstaatssekretär herkommt und sagt, nein, so ist es gar nicht, wir bieten euch statt dem Pflegegeld eine Sachleistung an (Staatssekretär Dr. Matz­netter: Zusätzlich!), dann wird doch bitte niemand glauben, dass diese Sachleistung ausreicht. Ich kann mir dann nämlich nicht die Frau Maier, die ich mir selbst ausge­sucht habe, zahlen, weil der Herr Berger oder die Frau Berger vom Verein Sowieso geschickt wird. Die kommen auch nicht umsonst, sondern die bekommen von diesem Verein selbstverständlich auch ein Gehalt mit den Lohnnebenkosten. Und zusätzlich muss ich die Infrastrukturkosten für diese Frau oder diesen Mann und die Heizkosten im Büro und ich weiß nicht was auch noch zahlen, bis hin zu der Hochglanz-Werbebroschüre des Vereins.

Diese Argumentation ist so etwas von daneben, dass mir nichts mehr übrig bleibt. Das, was die SPÖ will – und das war immer schon so –, ist zu sagen: Wir geben euch kein Geld, aber wir lassen euch auch nicht verhungern, sondern wir drücken euch ein paar Leute aufs Aug’. Wenn es euch nicht passt, ist das eure Geschichte. Und grüßt euren


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Nachbarn jeden Tag schön brav und seid freundlich, denn morgen könntet ihr ihn brauchen, damit er euch aus der Badewanne herauszieht! Das ist das System, und das hat mit Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen oder Menschen im Alter absolut nichts zu tun! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der FPÖ und des BZÖ.)

Das ist ganz klare fremdbestimmte Kontrolle, bis ins Mark, muss ich sagen, und das brauchen wir nicht. Wenn jetzt in diesem Papier drinnen steht, Pflegegeldbezieher müssen verpflichtend eine Pflegeberatung in Anspruch nehmen, dann hört sich alles auf.

Frau Ministerin Haubner! Sie sind Opfer oder Täterin, wie auch immer Sie es jetzt sehen, dieses Systems. (Abg. Scheibner: Nein!) Sie haben 2 000 Pflegeschecks, Beratungsschecks ausgeschickt, mit dem Ergebnis, dass zehn von 2 000 das in Anspruch genommen haben. Das brauchen wir nicht, man kann ein Angebot schaffen, aber niemanden zwangsverpflichten. Und wir werden in Zukunft für gewisse Leistun­gen zwangsverpflichtet.

Herr Matznetter! Ich habe das mit Ihnen mehr als intensiv durchbesprochen. Das brauchen wir nicht! Wir brauchen in Österreich Strukturen, dafür sind laut dem 15a-Vertrag von 1993, der bis heute nicht umgesetzt ist, die Länder zuständig. Die Leute brauchen entsprechendes Pflegegeld, um sich dann adäquate Leistung zukaufen zu können. Das brauchen wir, und das kommt in diesem Regierungsübereinkommen nicht vor. Dagegen werden sich die Menschen mit Behinderungen und auch alte Menschen zu wehren wissen. Wir lassen uns weder zwangsbeglücken noch fremdbestimmen; das muss jedem klar sein.

Es gäbe noch viel zu sagen, was in diesem Kapitel Pflegebetreuung, Menschen mit Behinderungen danebenläuft. Aber eines ist mir schon aufgefallen – Herr Darabos ist nicht mehr da –: Im Regierungsprogramm kommen Zivildiener nicht mehr vor. (Abg. Scheibner: Die brauchen Sie nicht im Regierungsprogramm, wenn ...!) Ich habe nichts gefunden. Die Ankündigung, dass der Zivildienst auf sechs Monate verkürzt wird – Aussage von Herrn Darabos in der Zivildienst-Reformkommission –, findet sich im Regie­rungsprogramm nicht mehr. Es findet sich gar kein Zivildienst mehr. (Abg. Scheibner: Das ist der SPÖ unangenehm!) Und das ist für mich auch ein Zeichen, wie schnell man sich als Zivildiener von seinen Zivildienern verabschieden kann. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Mag. Stadler und Scheibner.)

22.28


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun kommt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Auer zu Wort. Wunschredezeit: 4 Minuten. – Bitte.

 


22.28.56

Abgeordneter Dipl.-Ing. Klaus Hubert Auer (ÖVP): Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren Minister und Staatssekretäre! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Wir sehen im vorliegenden Regierungsprogramm viele der ÖVP-Prinzipien verwirklicht, verankert: von der Wahlfreiheit statt Bevormundung über Sicherheit statt Fahrlässigkeit, über Entlastung statt Belastung bis hin zur Nachhaltigkeit statt Verschwendung. Das war bisher der Erfolgsgarant, und das wird auch und soll auch in Zukunft so sein. Dafür wird die ÖVP auf jeden Fall sorgen.

Aus Kärntner Sicht darf ich ganz kurz zwei Punkte aufgreifen. Zum einen ist es die Infrastruktur, sind es die Infrastrukturvorhaben. Hier hat Bundeskanzler Gusenbauer davon gesprochen, dass vor allem das Schließen von Lücken im Vordergrund stehen soll.


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Ich hoffe, dass die Schnellstraße von Judenburg bis Klagenfurt, die wir übernommen haben, die ehemalige B 317, jetzt S 37, vorrangig behandelt wird. Hier ist es zwar zu einer Übernahme gekommen, aber es müssen ganz klar auch jetzt noch die Planungs­grundlagen dafür vorgelegt werden und auch ein Zeitplan für den Ausbau erstellt werden. Und vor allem gilt das Grundprinzip: Zuerst bauen – und dann kassieren, und nicht so, wie es derzeit durch den zuständigen Landesrat in Kärnten passiert, dass zuerst abkassiert wird und der Ausbau erst in weiterer Folge vonstatten gehen soll. Das beinhaltet aber auch eine Koralmbahn sowie auch eine weitere Modernisierung der Südbahn.

Das zweite Thema, ein ganz wichtiges Thema für den Süden, ist natürlich die Orts­tafelfrage. Der Konsens, der im Juni 2006 erzielt worden ist, ist zumutbar, ist umsetzbar. An diesem Konsens soll festgehalten werden – das ist die Basis und auch gleichzeitig das Ziel. Ich darf die Kolleginnen und Kollegen der SPÖ hier ermuntern, dass sie wieder jenen Mut finden, den sie damals verloren haben, den Mut, hier ja zu sagen. Ich hoffe auch, dass es hier nicht zu einem Rollentausch seitens des BZÖ kommt, dass man jetzt nicht den Mut verliert und uns wieder jemand den Erfolg nicht gönnt, jenen Erfolg, den Bundeskanzler Schüssel damals auf hervorragende Art und Weise mit allen Vertretern ausgearbeitet hat.

Kärnten braucht diese dauerhafte Lösung. Es muss ganz einfach dieser Eiertanz ein Ende haben, denn das tut dem Kärntner Image nicht gut, und gerade deswegen ist hier diese Lösung unbedingt erforderlich. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich darf ganz kurz auch noch auf mein Spezialthema zu sprechen kommen: auf den Wald, auf die Forstwirtschaft. Als einzigem Forstmann hier im Hohen Haus (Zwischen­rufe des Abg. Dr. Pirklhuber) – als einzigem praktizierendem Forstmann! – ist es mir ein Anliegen, dass der Wald in der Frage der Energieversorgung, der Energiesicherheit eine große Rolle spielt. Da geht es um Versorgungssicherheit, und die drei Säulen sind: Energiesparen, Effizienz und eben erneuerbare Energie. Konkret wollen wir tatsächlich mehr Biowärme, mehr Strom aus erneuerbarer Energie und auch mehr Biotreibstoffe. Das soll auf jeden Fall umgesetzt werden, und das sind jahrelange Forderungen auch von unserem Biomasse-Papst Dr. Kopetz, das sind Zielvorgaben aus dem Biomasse-Verband.

Der Zuwachs des österreichischen Waldes erlaubt es, dass mehr Biomasse genutzt wird. Wir können also eine Verdoppelung des Biomasseeinsatzes auch durch Holz­mobilisierung erreichen. Das heißt ganz einfach, dass die Millionen an Festmetern, die benötigt werden – rund 5 Millionen sind es bis zum Jahre 2010 –, auch durch eine verstärkte Nutzung aufgebracht werden können. Hier ist natürlich auch die Aus- und Weiterbildung rund um die Forstwirtschaft, rund um die Bewirtschaftung des öster­reichischen Waldes ein ganz besonderer Schwerpunkt.

Ich darf abschließend alle ersuchen, diesen gemeinsamen Weg zur Mobilisierung dieser grünen Rohstoffreserve mit uns zu gehen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

22.33


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Brosz. Wunschredezeit: 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


22.33.36

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Zunächst ein allgemeines Wort. Ich habe mich schon gefragt, ob dieser Antrag wieder einlangt, der auch wirklich eingelangt ist, das Regierungsprogramm, vorgelegt zur Beschlussfassung hier im Nationalrat. Der Herr Kollege Cap kommt gerade herein; das trifft sich gut. Ich bitte Sie, dass wenigstens mit


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dieser Unsitte aufgehört wird, dass man am Beginn der Legislaturperiode als Regie­rung den Abgeordneten gleich sagt: Hier, Programm, 167 Seiten. Eure Stimmen wollen wir haben, vier Jahre, da wird nicht mehr verhandelt im Parlament, da steht das drinnen, was umzusetzen ist. – Wir hätten eigentlich schon gehofft, dass Sie da anders vorgehen, also im Stil des Frageparlamentarismus, und dass die Frage, was für eine Rolle die Regierung hat und welche die Abgeordneten, doch von Bedeutung ist für Sie.

Ich weiß nicht, ob es eure (in Richtung SPÖ) Idee war. Ich nehme an, es war eher die Idee der ÖVP, weil das war es in letzter Zeit auch immer. Das ist eigentlich eine Unsitte. Es gibt hier frei gewählte Abgeordnete – auch bei den Regierungsparteien, hoffentlich –, die ja zumindest in den Grundzügen übereinstimmen sollten, aber in jedem Detail, das hier beschlossen wird, jetzt schon zu sagen: Das setzen wir um!, das halten wir für unpassend. Das sollte bei zukünftigen Regierungen nicht mehr erfolgen. (Beifall bei den Grünen.)

Die Frau Bildungsministerin ist jetzt leider nicht mehr hier. Ich finde den Zugang sehr unkonventionell, der hier gewählt worden ist, dass jemand nicht aus dem Bildungs­bereich kommt, sondern aus dem Unternehmensbereich. Gerade im Bildungsbereich ist das vielleicht gar nicht so schlecht. Wenn man sich anschaut, wie dieses Haus in den letzten Jahren geführt worden ist, muss man sagen, Unternehmenskultur kann da nicht schlecht tun. (Abg. Großruck: Na, na, na!) Ein Zwischenruf von Großruck war zu erwarten. Man kann ja geteilter Meinung sein über die Frage, was Frau Ministerin Gehrer geleistet hat, aber wer behauptet, dass sie die Innovationskraft dieses Hauses gefördert hätte, der hat die Realität, glaube ich, nicht wirklich erkannt. Also hier etwas Neues einzuführen, mag ja die Dinge auch öffnen.

Auch das, was die Frau Bildungsministerin in den ersten Tagen in allgemeiner Form gesagt hat, ist ja in vielen Bereichen zu unterstützen. Nur da wird es dann halt eng; ich habe ja genau zugehört. Sie hat gemeint, auf die Frage, ob sie sich dieses Amt zutraut, hat sie sehr schnell zugesagt. Das würde ich ihr persönlich auch wirklich zutrauen, der Punkt ist nur: Sie hat ein Regierungsübereinkommen umzusetzen, in dem, vor allem was die Finanzierungsfragen im Bildungsbereich betrifft, sehr wenig enthalten ist. Diese 200 Millionen €, die da im Endausbau für den Schulbereich drinnen stehen: Wenn man genauer schaut, sieht man, dass hinten steht: 2007 35 Millionen € Zusatz­aufwand, 160 im nächsten Jahr. Und wenn man sich dann anschaut, was eigentlich bei den Kosten ausgeworfen ist, nur bei einer einzigen Maßnahme, bei der Senkung der Klassenschülerhöchstzahlen, dann hätte man zumindest so fair sein können und hineinschreiben können: Im Bereich der höheren Schulen wird es das nicht geben, dort ist nichts drinnen.

Die Berechnung von etwa 200 Millionen € für die Pflichtschulen wird im Großen und Ganzen stimmen. Das ist genau der Betrag, der drinnen ist im Endausbau. Sprich: Wenn man diese eine Maßnahme umsetzt, ist all das, was im Bildungsbereich, im Schulbereich an Budget vereinbart worden ist, bereits erledigt. Da reden wir noch nicht von Vorschulmaßnahmen, die auch nicht mehr drinnen sind in der Substanz. Da steht nur mehr drinnen, dass das ausgebaut werden soll. Die Verpflichtung hätte man ohne­dies diskutieren können. Der Rechtsanspruch auf Nachmittagsbetreuung kommt im Regierungsübereinkommen nicht vor. Die Finanzierung der Alternativschulen steht drinnen als Zielsetzung, gestehe ich zu, allerdings: Wo ist die Bedeckung? Und die Frage auch: Wo wird es kommen?

Und was überhaupt nicht vorkommt – das hat mich schon verwundert –, ist die Frage eines wirklichen Ausbaus bei den FörderlehrerInnen. Das hat nämlich mit der Klas­senschülerhöchstzahl noch nichts zu tun, das wäre zusätzlich gewesen. Das steht auch nicht mehr drinnen, und überall heißt es hinten: wenn die Finanzierung gesichert ist. Und wenn man Finanzminister Molterer zugehört hat, dann kann man sich in etwa


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vorstellen, wie die Finanzierung ausschauen wird: Es wird sie in diesen Bereichen schlicht und einfach nicht geben.

Also: Die Worte, die die Bildungsministerin bislang gefunden hat, sind ein Zeichen, das anders zu deuten ist als bei Ministerin Gehrer – das sei ihr zugestanden. Die Mög­lichkeit, hier aus diesem Korsett auszubrechen, schätzen wir als sehr beschränkt ein. Insofern werden wir schauen, wie die Bilanz nach vier Jahren ausschaut. Ob da mehr herauskommen wird als Überschriften, die jetzt im Regierungsübereinkommen sind, das werden wir erst sehen. (Beifall bei den Grünen.)

22.37


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek. Wunschredezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 


22.37.55

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Frau Präsidentin! Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Ich glaube, es ist Zeit, dass wieder einmal ein frauen­politischer Input ins Hohe Haus kommt. Es ist Zeit, dass wir gemeinsam diskutieren, worum es geht. Es ist Zeit, dass wir wieder einmal sagen, dass jetzt eine neue Ära der Frauenpolitik anbricht. Ich bin zutiefst überzeugt davon, dass mit diesem Regierungs­programm wieder etwas weitergeht, was die Situation der Frauen angeht. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Auf Sie haben wir gewartet!)

Kollege Scheibner, wenn Sie nicht wissen, worum es geht, dann sage ich es Ihnen (Abg. Scheibner: Das wissen wir schon!): Es geht um die faire Umverteilung der Arbeit, Herr Kollege. Es geht um bezahlte und unbezahlte Arbeit zwischen Männern und Frauen. Es ist absolut nicht einzusehen, wenn beide Partner, der Partner, die Partnerin, arbeiten, dass man sich die Arbeit zu Hause nicht auch teilt. (Abg. Scheibner: Ihre Reden kennen wir schon!)

Also: Wir müssen wieder über unbezahlte Arbeit sprechen. Das werden wir mit dieser Frauenministerin garantiert tun, und Sie werden vielleicht etwas lernen dabei. (Beifall bei der SPÖ.)

Es geht um faire Verteilung von Einkommen, Herr Kollege Scheibner. Einkommens­unterschiede ausgleichen ist ein großes Ziel dieser Bundesregierung. Und wir werden es in dieser Legislaturperiode erreichen, dass wir die Einkommensschere verringern – das garantiere ich Ihnen, Herr Kollege. (Abg. Scheibner: Sie geben Ihrer Ministerin ja einen Rucksack mit! Ich glaube, das ist ihr nicht recht!)

Und es geht um die gleiche Verteilung von Macht. Wenn wir vor der Wahl gesagt haben, die Sozialdemokratie gesagt hat, die Hälfte der Regierungsmitglieder wird weib­lich sein: Wir haben es umgesetzt! Die ÖVP hat es nicht geschafft, aber immerhin haben wir auf der Regierungsbank 40 Prozent weibliche Regierungsmitglieder, und das ist die beste Zahl, die wir je in diesem Haus hatten.

Und es geht darum, dass wir hinhören, wie die Frauen die Interessenkonflikte und die Barrieren, die für sie errichtet werden, erleben, und dass wir hellhörig sind – auch Sie von der FPÖ, auch Sie vom BZÖ und alle anderen, die hier in diesem Hause arbeiten (Zwischenruf des Abg. Großruck) – Herr Kollege Großruck, besonders auch Sie –, dass wir hellhörig sind (Abg. Großruck: Tatsächliche Berichtigung! Ich habe gestern schon gesaugt und Geschirr gewaschen!) und erkennen, was sich die Frauen in diesem Land von uns an Unterstützung erwarten.

Und lassen Sie sich gesagt sein: Frauenpolitik ist auch Männersache! Ich sehe schon einige Fortschrittliche hinter mir sitzen, und ich sehe vor mir noch einige sitzen, die noch vieles zu lernen haben, was das anbelangt.


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Einer der Fortschrittlichen – er ist gerade nicht im Saal – ist der Wissenschaftsminister, der anhand der eingetragenen Partnerschaften schon vor einem Jahr gesagt hat, dass er überhaupt nicht einsieht, warum homosexuelle Paare nicht gleichgestellt sein sollen. Daher, denke ich, ist hier noch einiges möglich, und ich glaube, hier werden wir auch noch einiges erreichen.

Frauenministerin Doris Bures hat die wichtigsten Eckpunkte genannt, und Sie werden diese von mir noch oft hören. Darauf können Sie sich verlassen, meine Damen und Herren! Ich sage Ihnen: Auf dieser Regierungsbank sitzen auf der einen Seite eman­zipierte Frauen, alles Feministinnen, und ich wünsche und hoffe, dass einige der Herren hier in diesem Saal Feminismus nicht erst buchstabieren müssen, bevor sie es verstehen, sondern Feminismus als das nehmen, was es ist, nämlich das selbst­verständliche Kämpfen für Frauenrechte und das Erreichen von Frauenrechten. (Beifall bei der SPÖ.)

Und wenn Doris Bures gesagt hat, sie möchte die Lebenssituation der Frauen in den nächsten vier Jahren verbessern, dann sollten Sie alle dabei mithelfen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

22.41


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abge­ordnete Mag. Schatz. Wunschredezeit: 4 Minuten. – Bitte.

 


22.41.34

Abgeordnete Mag. Birgit Schatz (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Geschätzte Abgeordnete! Angenommen, Ihre Wassertherme, Ihr Boiler ist kaputt, und Ihr Vermieter bietet Ihnen an, die Kosten dafür zu übernehmen. Aber im Gegenzug dazu müssen Sie sich verpflichten, während des fünfwöchigen Urlaubs des Hausmeisters die Hausarbeiten, die Hauswartungs­arbeiten zu übernehmen.

Ich glaube nicht, dass irgendjemand hier im Saal sagen würde, das ist ein guter Deal. Ich glaube aber auch nicht, dass das wirklich auch nur annähernd ein guter Deal sein könnte, was Sie mit Ihren Studiengebühren-Ersatzarbeitsdienst-Regelungen vorsehen.

Herr Abgeordneter Broukal! Ich bin Ihnen fast dankbar für Ihre Rede. Das belebt noch einmal zu später Stunde, denn Sie sind wirklich lustig. Sie vergeigen die Verhand­lungen zu den Studiengebühren und versuchen, uns damit irgendwie in Verbindung zu bringen. Sie haben es vergeigt! Ich kenne diese alte politische Taktik: Wenn man selber Fehler macht, wenn man Schwächen hat, versucht man davon abzulenken, indem man jemand anderen attackiert. Wir kennen das alle. Sie können das auch gerne tun, und wir können damit umgehen, wenn Sie uns für dumm verkaufen. Ich glaube aber, es ist eine massive Geringschätzung der Tausenden von Studierenden, die in den letzten Tagen gegen diese Regelungen protestieren, die Sie uns als einen tollen Wurf hier vorgestellt haben. (Beifall bei den Grünen.)

Aber eigentlich wollte ich als ArbeitnehmerInnen-Sprecherin mich ja mit den zukünf­tigen ... (Abg. Broukal: Das war jetzt sozusagen die Pflichtübung, gell?) – Nein, das war meine tiefe Überzeugung. Wenn Sie uns da Wankelmut vorwerfen: Ich komme aus der Studierenden-Politik, und ich habe von Anfang an gegen Studiengebühren gekämpft. Und nicht eine klitzekleine Sekunde meines Lebens hatte ich eine andere Position. Herr Broukal! Da brauchen Sie mir nichts erklären.

Zu den ArbeitnehmerInnen-Angelegenheiten, zum Ministerium für Arbeit. – Was haben wir denn da zu erwarten? Da sticht vor allem eines ins Auge, nämlich: Das Ministerium für Arbeit ist eigentlich das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit und noch dazu ein ÖVP-Ressort. (Ruf bei der ÖVP: Etwas ganz „Neues“!) – Leider nicht. Aber ich denke,


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Sie stimmen mir zu, dass der sehr verehrte Herr Minister Bartenstein, der vor allem von sehr vielen wohlhabenden, reichen Menschen sehr verehrte Minister Bartenstein, nicht unbedingt der Vorkämpfer für stärkere ArbeitnehmerInnenrechte ist, für Verbesserun­gen der Situation der Arbeitnehmer.

Aber das muss er auch nicht, weil dafür gibt es jetzt ein Staatssekretariat. Und da gibt es die Frau Staatssekretärin Christine Marek, von der wir uns da mehr erhoffen könnten/sollten. Denn was lese ich zum politischen Motto von Christine Marek auf ihrer Homepage? – Ich weiß, es ist spät, aber bitte versuchen Sie, diesem Motto in seiner gesamten Pikanterie noch einmal zu folgen. Es stammt von George Bernard Shaw, aber Frau Marek bedient sich dieses Mottos; ich zitiere: „Man gibt immer den Verhält­nissen die Schuld für das, was man ist. Ich glaube nicht an die Verhältnisse. Dieje­nigen, die in der Welt vorankommen, gehen hin und suchen sich die Verhältnisse, die sie wollen. Und wenn sie sie nicht finden können, schaffen sie sie selbst.“

Meine Damen und Herren, und das von der Staatssekretärin für Arbeit! Was sich Arbeitslose und Arbeit Suchende dazu denken müssen, das möchte ich nicht mehr näher ausführen. (Beifall bei den Grünen.)

Die SPÖ erklärt uns, das ist alles kein Problem, wenn wir ein Ministerium für Wirtschaft und Arbeit haben. Ich glaube, das ist kurzsichtig, und gerade bei der 120-jährigen Erfahrung der Sozialdemokratie wundert mich das doch sehr. Realität ist: Unter einer sozialdemokratischen Regierungsführung werden die Rahmenbedingungen für unselb­ständige Erwerbstätigkeit im Sinne von UnternehmerInnen-Interessen gemacht wer­den. Und verstehen Sie mich nicht falsch: UnternehmerInnen-Interessenvertretung ist in Ordnung, aber bitte dort, wo sie hingehört, und ins Ministerium für Arbeit gehören sie einfach nicht hin. (Beifall bei den Grünen.)

22.46


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun ist die Frau Abgeordnete Fuhrmann am Wort. 4 Minuten Wunschredezeit. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


22.46.24

Abgeordnete Silvia Fuhrmann (ÖVP): Sehr geehrte Präsidentin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wenn die Stunde mittlerweile schon vorge­schritten ist, möchte ich dennoch zu einem sehr wichtigen Kapitel in diesem Regie­rungs­programm Stellung nehmen, nämlich zum Jugendkapitel.

Wir wissen alle, dass gerade junge Menschen in diesem Land einer großen Koalition – und das möchte ich auch ehrlich dazusagen – von Beginn an nicht unbedingt positiv gegenübergestanden sind. Aber jetzt, nachdem ein Regierungsprogramm vorliegt und wir auch wissen, dass junge Menschen sich nicht immer nur gefühlsorientiert leiten lassen, sondern auch kritisch hinterfragen: Wofür stehen Parteien?, vor allem: Wofür stehen Regierungen?, muss man unterm Strich subsumieren, dass dieses Regierungs­programm und vor allem das, was auch das Kapitel Jugend anbietet, ein sehr, sehr überzeugendes ist: Erstens räumt es der Jugendpolitik viel Platz ein, und zweitens werden auch wirklich wichtige Entscheidungen für die Zukunft getroffen.

Und man darf eines nicht vergessen: Die Entscheidungen, die die Politik heute trifft, sind Entscheidungen, die Geltung haben für die Generation von morgen. Das heißt, junge Menschen sind jene, die davon betroffen sind und deren Zukunft wir heute gestalten.

Ich glaube, das Wichtigste in diesem Regierungsprogramm ist, dass nachhaltige Entscheidungen getroffen werden, dass es Fortschritt in diesem Land geben wird und es nicht zu Stillstand oder gar Rückschritten kommen wird. Wir alle wissen, dass Kinder und Jugendliche das wichtigste Potential sind, das dieses Land besitzt, und


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deshalb bedarf es auf der einen Seite eines wichtigen Maßnahmenpaketes an Schutz und auf der anderen Seite wichtiger Rahmenbedingungen, um Kinder und Jugendliche auch bestmöglich zu fördern. (Beifall bei der ÖVP.)

Unser Ziel muss es sein, dass sich Kinder und Jugendliche in Österreich, in diesem schönen Österreich, auch frei und optimal entwickeln können. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.)

Die letzten Jahre waren gekennzeichnet von vielen Maßnahmen, die für junge Men­schen Fortschritte gebracht haben. Ich erinnere an die Verkürzung des Zivildienstes, an die Verbesserungen, was das Verpflegungsentgelt betrifft. Ich erinnere an die Verkürzung des Präsenzdienstes und möchte auch hervorstreichen, dass in diesem Regierungsprogramm die Verkürzung des Präsenzdienstes gesetzlich festgeschrieben wird und in Zukunft nicht nur mehr eine Weisung des Ministers sein wird. (Abg. Scheibner: Das stimmt ja nicht! Das ist ja schon beschlossen, Frau Kollegin!) Das ist jetzt gesetzlich festgeschrieben.

Auch der Staatsvertrag für die Jugend, der mit der Pensionsreform im Rahmen der letzten Legislaturperiode geschlossen wurde, wird fortgeschrieben.

Nachhaltige Politik steht im Vordergrund, und deshalb gibt es auch ein Maßnahmen­bündel in Richtung Jugendbeschäftigung, das meine Kollegin von der SPÖ ja schon erläutert hat. Darüber hinaus sind viele andere wichtige Maßnahmen im Regierungs­programm festgeschrieben, wie: die Kinderrechte in der Verfassung zu verankern, einheitliche Regelungen im Jugendschutz herzustellen – ich glaube, das ist besonders wichtig, wenn es darum geht, für gleiche Rechte junger Menschen in ganz Österreich zu sorgen, vor allem in Zeiten steigender Mobilität – und zu guter Letzt, und dafür habe ich auch persönlich hart gekämpft, das Wahlalter auf 16 Jahre herabzusetzen. Ich glaube, das ist ein wichtiger und richtiger Schritt, und ich bin persönlich sehr froh, dass es möglich war, dies dezidiert ins Regierungsprogramm hineinzuschreiben. Das bedeutet umso mehr, dass die Politik die Aufgabe hat, sich auf junge Menschen einzustellen und ihnen auch Angebote zu machen.

Ich glaube, mit diesem Regierungsprogramm haben wir es geschafft, nicht nur politi­sche Plattitüden oder keineswegs politische Plattitüden festzuschreiben, sondern kon­krete Maßnahmen. (Abg. Mag. Stadler: „Nicht nur Plattitüden“!) Ich freue mich schon auf eine gute Zusammenarbeit, sehr geehrte Frau Minister, und wünsche Ihnen persönlich für den Start alles Liebe, alles Gute! Wir werden Sie auch unterstützen. (Abg. Ing. Westenthaler: Einen guten Rutsch! Frohe Ostern und frohe Weihnachten!)

Ich lade auch die Oppositionsparteien dazu ein, am Jugendprogramm mitzuarbeiten. Es wäre schön, wenn man die Maßnahmen, die festgeschrieben sind, hier möglichst zahlreich mit Vier-Parteien-Anträgen verabschieden könnte. Denn die Jugend in Österreich muss uns das allemal wert sein! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

22.51


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dr. Pirklhuber zu Wort. 4 Minuten Wunschredezeit. – Bitte. (Abg. Mag. Kogler – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Dr. Pirklhuber –: Tu was gegen die Langeweile! – Abg. Dr. Pirklhuber: Ja ich bemühe mich!)

 


22.51.17

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Frau Kollegin Fuhrmann, bevor ich mich mit dem Thema und Teil des Agrarkapitels und der Lebensmittelsicherheit des Regie­rungsprogramms beschäftige, noch ein Wort zu Ihrem Redebeitrag. Ich habe irgendwie


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den Eindruck, Sie haben das sehr gut analysiert, und habe nur eine Einschränkung: Sie haben gesagt, „nicht nur Plattitüden“. – Ich würde meinen, das „nur“ könnten Sie manchmal, in einigen Teilen zumindest, wirklich zu Recht streichen.

Das ist eigentlich auch die große Frage, wenn man heute dieses Programm und die Diskussion verfolgt, meine Damen und Herren, was hier die Vertreter der Regierungs­fraktionen von sich geben. Einerseits Kollege Grillitsch: Die Handschrift der ÖVP hat sich durchgesetzt. Ich erinnere auch an Kollegen Cap, der immer von den paar roten Punkten, Spritzern, Spuren spricht, die da auch drinnen sein sollen. (Zwischenruf des Abg. Grillitsch.) Na ja, ich finde das spannend, nämlich unter dem Aspekt der Plattitüden, die Frau Kollegin Fuhrmann angesprochen hat. (Zwischenruf der Abg. Fuhrmann.)

Es ist nämlich durchwegs so, dass es hier eigentlich ein Konvolut von Worthülsen gibt, von Worthülsen, die völlig unterschiedlich zu interpretieren sind, meine Damen und Herren. Das haben wir heute den ganzen Tag schon gehört. Ich bin sehr gespannt darauf, wie das dann bei den konkreten Detailverhandlungen zu den einzelnen wirklichen Vorhaben in der Diskussion und auch in den Ausschüssen sein wird.

Eines finde ich interessant und spannend, nämlich den Titel der heutigen Regierungs­erklärung: „Der Mensch im Mittelpunkt“. „Der Mensch im Mittelpunkt“, das ist durchaus eine Perspektive, die eine neue Richtung vorgeben könnte. Es ginge doch gerade darum, den Menschen wirklich wieder in den Mittelpunkt der Politik zu stellen, und ich habe das bisher in den Redebeiträgen zum Großteil vermissen müssen.

Vor allem auch die Interpretation, wie dieser „Mensch im Mittelpunkt“ steht, ist sehr inter­essant. Vizekanzler Molterer hat es ja sehr klar gemacht, er hat gesagt: Der Wert eines Menschen bemisst sich auch daran, welche Arbeit er hat. (Abg. Großruck: „Selbstwert“ hat er gesagt!) – Das hat Kollege Hofer von der FPÖ zu Recht kritisiert. Ich muss aber ihm auch Folgendes sagen: Wenn er dem Humanismus das Wort reden möchte, dann müsste er auch dazusagen: Unabhängig von Rasse, von Nation und so weiter gelten die Menschenrechte; das gilt für jeden Menschen, und das ist ein ganz zentraler Punkt. Das ist eine sehr einschränkende Sicht des Herrn Vizekanzlers.

Molterer hat dazu auch angemerkt: Wir müssen weiter deregulieren. – Ein altes Schlag­wort des neoliberalen Diskurses; das ist die Fortsetzung der Wende! So sieht es der Herr Vizekanzler, das ist seine Vision einer schwarz-roten Übereinkunft. (Abg. Großruck: Von der Landwirtschaft wollten Sie reden!)

Ja, zur Landwirtschaft komme ich! Das geht nämlich recht schnell, weil Kollege Erich Haider, der Landeshauptmann-Stellvertreter von Oberösterreich – und das kann man auch klipp und klar sagen –, hier die Agrarpolitik geopfert hat, und zwar insofern, als er sich über den Tisch hat ziehen lassen. Er war der erste Verhandlungsführer der SPÖ, der erklärt hat, alles sei paletti.

Wenn man sich die Themen anschaut, meine Damen und Herren: Nicht einmal ein ganzer Satz zum biologischen Landbau kommt in diesem Regierungsübereinkommen vor! Geschweige denn etwas über ein Maßnahmenpaket, konkrete budgetäre Bedeckungen, eine offensive Strategie für mehr Lebensmittelsicherheit, eine Reduktion des Pestizideinsatzes in der österreichischen Landwirtschaft – dies nur als Beispiele.

Das Agrarumweltprogramm ÖPUL, das derzeit in Brüssel verhandelt wird, ist weiterhin auf Basis einer Sonderrichtlinie umgesetzt – keine Rechtssicherheit, Kollege Cap, keine wirkliche Neubestimmung oder soziale Ausrichtung in der Agrarpolitik! Sie haben immer wieder davon geredet: In der Landwirtschaft gibt es die Pfründe der ÖVP, da wird eigentlich abkassiert. – Gar nichts umgesetzt, kein Wort von einer neuen Aus­richtung!


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 352

Meine Damen und Herren! Das wird also spannend, wenn es wirklich ans Eingemachte geht. Sie können sicher sein, dass wir den sozialen und ökologischen Kurswechsel in all diesen Debatten massiv einfordern werden, in den Ausschüssen und auch bei den Budgetdebatten. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

22.56


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Gaál zu Wort. 3 Minuten Wunschredezeit. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Nun kommt der wirkliche Verteidigungsminister! – Abg. Gaál – auf dem Weg zum  Rednerpult –: Selbstverteidi­gungs­minister!)

 


22.56.14

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Kollege Donabauer war es, glaube ich, der gesagt hat: Österreich ist ein sicheres Land. – Ja, das stimmt. Das sind wir seit den achtziger, neunziger Jahren, und nach diesen sieben Jahren sind wir es immer noch. Wir werden uns bemühen, dass es so bleibt, obwohl die sicher­heitspolitischen Herausforderungen vielschichtiger und umfassender geworden sind.

Daher steht im Vordergrund unserer Politik das Ziel, eine umfassende Lösung für die Sicherheit der Bürger zu finden. Im Kapitel „Äußere Sicherheit und Landesverteidi­gung“ sind ja alle diese Punkte und Absichten festgeschrieben, die wir brauchen, um gemeinsam, auch nach den Empfehlungen der Bundesheer-Reformkommission, diese eingeleitete Entwicklung dynamisch weiterzuführen, sodass wir hier das „Bundes­heer 2010“, das wir gemeinsam mit Herbert Scheibner begonnen haben, jetzt mit Platter und Darabos fortsetzen werden. (Abg. Ing. Westenthaler: Warum er Zivildienst ...!)

Weil heute Kollege Darabos schon angesprochen worden ist, meine Damen und Herren: Ich bin überzeugt davon, dass Norbert Darabos ein Verbündeter des öster­reichischen Bundesheeres ist und seinen großen Aufgaben mit großer Freude, mit Elan und mit Kompetenz nachkommen wird. Er hat ja bereits bei seiner Amtsüber­nahme ganz klar und deutlich festgestellt, dass das österreichische Bundesheer ein Garant für die militärische Landesverteidigung, für die Sicherheitspolitik ist, zu der er sich auch in vollem Ausmaß bekennt. (Abg. Mag. Stadler: Der Einzige, hat er sogar gesagt!)

Er weiß auch, was unser Bundesheer im In- und Ausland im Katastrophenfall leistet und dass es auch im Rahmen des Assistenzeinsatzes im Dienste der Sicherheit unterwegs ist. Er wird diesen erfolgreichen Weg, den zu gehen wir hier bemüht sind, ganz vorne an der Spitze mit uns mitgehen, meine Damen und Herren! (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die SPÖ bekennt sich zur Verpflichtung zur Wahrung der Lufthoheit in Form der aktiven und der passiven Luftraumüberwachung (demonstrativer Beifall beim BZÖ), von der ich immer wieder gesprochen habe und wie sie auch jetzt im Regierungs­programm festgeschrieben ist.

Wenn wir den neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen Rechnung tragen wollen, wenn wir ein berechenbarer Partner in Europa bleiben wollen, dann müssen wir uns im Rahmen der Umsetzung der Empfehlungen der Bundesheer-Reformkom­mission verstärkt darum bemühen, dass wir ein modernes, einsatzbereites, zukunfts­weisendes Bundesheer mit schlanken Strukturen schaffen, insbesondere in den höheren Verwaltungsebenen und Führungseinrichtungen. Das Ziel muss es sein, das Bundesheer auf die Bedrohungen und Herausforderungen des 21. Jahrhunderts vorzu­bereiten, es auf diese internationalen Aufgaben vorzubereiten.


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Meine Damen und Herren! Diesen Weg wollen wir gemeinsam gehen. Es geht um eine effiziente, glaubwürdige Sicherheitspolitik! (Abg. Ing. Westenthaler: Bravo! Das wäre ein Verteidigungsminister!) In den nächsten Jahren werden große Herausforderungen auf das österreichische Bundesheer zukommen, und die im Regierungsprogramm festgelegten Schritte bieten eine solide Grundlage dafür, dass wir die Herausforderun­gen im Interesse und zum Wohle der Sicherheit Österreichs auch bewältigen können. Gehen Sie mit uns diesen gemeinsamen Weg! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Scheibner. – Abg. Scheibner: Mit dir wären wir mitgegangen, Toni!)

23.00


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Zwerschitz. Wunschredezeit: 4 Minuten. – Bitte.

 


23.00.12

Abgeordnete Barbara Zwerschitz (Grüne): Werte Präsidentin! Geehrte Minister! Geehrte Abgeordnete! Als Jugendsprecherin war es mir ein besonderes Anliegen, mir das Regierungsprogramm aus Jugendperspektive anzuschauen. Dieser Jugend-Check für alle Regierungsvorhaben ist eine sehr spannende Sache, überhaupt wenn man dann das Regierungsprogramm „Jugend-checkt“. (Präsident Dr. Spindelegger über­nimmt den Vorsitz.)

Verzeihen Sie mir, dass ich jetzt nur kurz in Schlagworten auf all diese wichtigen Themen eingehen kann; es sind einfach zu viele, um lange darüber zu sprechen. Ich werde aber ganz kurz meinen Fokus auf verschiedene Schwerpunkte richten.

Verkürzung der Wehrpflicht auf sechs Monate: Gut, das ist nicht wirklich etwas Neues. Das ist ohnehin längst notwendig.

Kinderbetreuung: Fein, dass das Kinderbetreuungsgeld sich jetzt geändert hat und dass die Möglichkeit besteht, es in einer kürzeren Frist erhöht zu beziehen. Woher die notwendigen Kinderbetreuungsplätze kommen werden, die wir brauchen werden, damit die Mütter arbeiten gehen können, werden wir sehen. Es gibt keinen Rechtsanspruch auf Ganztagsschulen oder Nachmittagsbetreuung.

Es gibt diese wechselseitige Kündigungsmöglichkeit bei Lehren, die bedingen kann, dass in Zukunft Lehrlinge nach dem ersten Lehrjahr arbeitslos werden, der nächste Lehrling wieder ein Jahr in diesem Betrieb sein wird und Betriebe sich dadurch vielleicht eine Arbeitskraft ersparen können, die sie vollzeitig zahlen müssten.

Der Jugendschutz wird wieder kein Bundesgesetz.

Ganz interessant ist der Punkt „Schutz vor Alkohol, Drogenmissbrauch und Gewalt­verherrlichung“. „Gewalt“ ist insofern spannend, als sie laut diesem Regierungs­programm anscheinend nur in Medien stattfindet oder auch als Problem von Computerspielen gesehen wird, aber nicht als ganzheitlicher Begriff.

Bei der Drogenpolitik haben wir es wieder einmal nicht geschafft, auch moderne Erfahrungen, moderne Erkenntnisse einzubeziehen. Die Substitutionsverordnung wird leider nicht revidiert, wie es aussieht, obwohl wir Ihnen das wärmstens ans Herz legen würden. Sie ist wahrscheinlich nicht durchführbar.

Ganz spannend wird es mit dem Alkoholmissbrauch, denn – man soll es nicht glauben – Alkoholmissbrauch ist in Österreich laut diesem Regierungsprogramm ein reines Jugendproblem. Das, finde ich, ist schon eine relativ starke Zumutung, und es wundert mich sehr, dass die Regierungspartner nicht selbst auf die Idee gekommen sind, dass das Alkoholproblem vielleicht mit 18 nicht aufhört. (Heiterkeit beim BZÖ.)


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Die Bildungsgarantie ist ein zahnloses Instrument. Es gibt keinen Ausbau von berufsbildenden höheren und mittleren Schulen, es gibt nicht die Möglichkeit eines kostenlosen Pflichtschulabschlusses.

Zur Jugendbeschäftigung: Die Umverteilung von nicht lehrlingsausbildenden Betrieben zu lehrlingsausbildenden Betrieben findet nicht statt.

Die Studiengebühren haben wir, glaube ich, ausreichend besprochen.

Einheitlich günstige Tarife für Öffis: Ja, super – nur müssen die Öffis bitte auch fahren, und zwar so, dass die Jugendlichen sowohl Beruf als auch Kultur wirklich wahrnehmen können.

Ganz toll finde ich allerdings Kinderrechte in die Verfassung und Wahlaltersenkung. Ich möchte darauf besonders eingehen, weil es mir ein Anliegen ist, und Folgendes zitieren:

„Die beiden Regierungsparteien suchen auf Basis des Regierungsprogramms den Dialog mit allen im Parlament vertretenen Parteien. Dazu gehört auch, dass über deren Vorschläge sachlich und konstruktiv beraten wird und allenfalls – sofern sich beide Regierungsparteien darauf verständigen – eine Beschlussfassung erfolgt.“

Mich freut das sehr. – Die Anträge auf die Verfassungsrang-Erhebung der Kinderrechte und die Senkung des Wahlalters habe ich bereits eingebracht. Es würde mich sehr freuen, in den nächsten Monaten mit Ihnen gemeinsam an einer Verwirklichung zu arbeiten. Wir werden ja sehen, ob sich jetzt am Zusammenarbeiten mit den Oppo­sitionsparteien wirklich etwas geändert hat. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

23.04

23.04.11Berichtigung eines Abstimmungsergebnisses

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Meine Damen und Herren! Ich gebe bekannt, dass das Abstimmungsergebnis bei der namentlichen Abstimmung (s. S. 185) über den Ent­schließungsantrag der Abgeordneten Ing. Hofer, Kolleginnen und Kollegen betref­fend soziale Gerechtigkeit für Österreichs Studierende durch Abschaffung der Studien­beiträge, eingebracht im Zuge der Debatte über die Dringliche Anfrage, wie folgt bekannt gegeben wurde:

abgegebene Stimmen: 173; davon „Ja“-Stimmen: 42, „Nein“-Stimmen: 131.

Das Ergebnis hat richtigerweise zu lauten:

abgegebene Stimmen 174; davon „Ja“-Stimmen: 42, „Nein“-Stimmen: 132.

Dieses Ergebnis wird sowohl im Amtlichen als auch im Stenographischen Protokoll berücksichtigt werden. Ich ersuche, dies zur Kenntnis zu nehmen.

*****

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Freund. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Herr Kollege, Sie sind am Wort.

 


23.05.01

Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundes­regierung! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wir von der Volkspartei sind mit dem Wahlspruch „Sicherheit geben, Arbeit schaffen, sozial handeln“ in den Wahlkampf für die Nationalratswahl und damit auch in eine neue Periode gegangen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 355

Ich bin sicher, dass es uns mit dem vorliegenden Regierungsprogramm gelungen ist, das auch weitgehend umzusetzen.

Die Regierung hat uns heute ein ambitioniertes Programm vorgelegt. Dieses Pro­gramm beinhaltet eine positive Politik für die Zukunft, was für mich als bäuerlichen Abgeordneten und damit als einen Vertreter des ländlichen Raumes besonders wichtig ist. Das Regierungsprogramm ist ein gutes Ergebnis für die bäuerlichen Familien und für den ländlichen Raum.

Die landwirtschaftliche Struktur in Österreich stellt ja besondere Anforderungen an die Agrarpolitik. Der Großteil der Betriebe, nämlich 61 Prozent, bewirtschaftet weniger als 20 Hektar Kulturfläche; hinzu kommt eine große Anzahl an Bergbauern, die mit zusätzlichen Erschwernissen zu kämpfen haben. Von knapp 200 000 landwirt­schaft­lichen Betrieben werden 42 Prozent im Haupterwerb und 54 Prozent im Neben­erwerb geführt, und gerade bei den Nebenerwerbsbetrieben, aber auch insgesamt ist fest­zustellen, dass die Betriebe besonders dem enormen Marktdruck ausgesetzt sind.

Die Aufgabe der österreichischen Agrarpolitik ist es nun, den Bäuerinnen und Bauern die Grundlagen für eine funktionierende Landwirtschaft, also ihre Lebensgrundlage, zu sichern. Unser österreichischer Weg ist der einer bäuerlichen und naturnahen Land­wirtschaft. Hier sind wir besonders gefordert, meine sehr geschätzten Damen und Herren, damit wir auf internationalen Märkten bestehen können.

Der wichtigste Schritt ist dabei die Sicherstellung des Programms für die ländliche Entwicklung und seine Umsetzung für Österreich. Den Grünen Pakt der öster­reichischen Landwirtschaft haben wir für die komplette Förderperiode bis 2013 gesichert, und in diesem Programm geht es eben um die naturnahe Bewirtschaftung und um die Investitionen, die in der Landwirtschaft getätigt werden.

Obwohl noch vor Kurzem mit massiven Kürzungen gedroht wurde, hat Österreich sein Fördervolumen für die Entwicklung des ländlichen Raumes sogar auf 3,9 Milliarden für die nächsten sieben Jahre ausdehnen können. Dem Landwirtschaftsminister Josef Pröll ist es gelungen, diese Kofinanzierung auch in Zukunft sicherzustellen. Meine sehr geschätzten Damen und Herren, Bundesminister Pröll ist einfach der Garant dafür, dass die Anliegen der österreichischen Bauern in der EU auch hervorragend vertreten werden.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Die bäuerlichen Familienbetriebe brauchen Planungs- und Rechtssicherheit. Denn alle Betriebe sollen künftig, unab­hängig von ihrer Größe und Produktionsrichtung, gleichberechtigt wirtschaften und an der Einkommensentwicklung gerecht teilhaben können. Neben Markterlösen gehören dazu auch die Direktzahlungen.

Mein sehr geschätzten Damen und Herren! Das Einkommen der österreichischen Bauern ist zum Teil von den politischen Gegebenheiten im Land abhängig. Es kommt dadurch sehr oft zu Unsicherheiten. Ich bin froh darüber, dass sich die Bäuerinnen und Bauern für die nächsten vier Jahre sicher sein können, dass eine Politik in ihrem Sinne sichergestellt wurde. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

23.08


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abge­ordnete Hradecsni. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Frau Kollegin, Sie sind am Wort.

 


23.08.51

Abgeordnete Bettina Hradecsni (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Ich erzähle Ihnen nichts Neues, wenn ich Ihnen sage, dass in der globalisierten Welt der Verbraucherschutz


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 356

immer mehr an Bedeutung gewinnt. Um dieser Herausforderung gerecht zu werden, muss die Politik die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen.

In der Antrittsrede des neuen Bundesministers für Soziales, Generationen und Kon­sumentenschutz kam leider nicht einmal ansatzweise das Wort „KonsumentIn­nenschutz“ vor. Ich sehe zwar ein, dass 6 Minuten nicht allzu lang sind, aber es drängt sich schon sehr stark der Eindruck auf, dass das Thema Konsumentenschutz keinen besonderen Stellenwert in Ihrer zukünftigen politischen Arbeit haben wird – ein Umstand, der mich doch einigermaßen enttäuscht.

Wie aus einer aktuellen Anfragebeantwortung vom 12. Jänner der Bundesministerin für Soziales, Generationen und Konsumentenschutz der vergangenen Legislaturperiode, sprich Frau Haubner, zu erfahren war, sind die finanziellen Ressourcen der Kon­sumentenschutzsektion dermaßen knapp, dass ihr eine Vertretung in einer Kom­mission zu einem konsumentenschutzrelevanten Bereich auf ministerieller Ebene verzichtbar erschien und die Verantwortung dafür der Bundesarbeitskammer bezie­hungsweise dem Verein für Konsumenteninformation überlassen wurde.

Es stimmt schon, die Konsumentenschutzinstitutionen leisten ausgezeichnete Arbeit. Das soll aber nicht bedeuten, dass sich die Politik ihrer Verantwortung entziehen kann. Ganz im Gegenteil! Die Politik hat die Aufgabe, durchaus auch anhand der Emp­fehlungen der Konsumentenschutzinstitutionen, die entsprechenden Rahmen­bedin­gungen ... (Abg. Großruck: Nehmen Sie einen Schluck Wasser!) – danke! – (Abg. Ing. Westenthaler: Langsam!) – irgendwie habe ich einen Frosch im Hals – für einen effizienten Schutz der VerbraucherInnen zu gewährleisten. Ich erwarte mir vom jetzigen Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz mehr Engagement in diesem Bereich, aber, wie bereits meine Kollegin Sabine Mandak gesagt hat: Ohne Geld nützt das beste Engagement nichts. Im vorliegenden Regierungsübereinkommen findet sich der eine oder andere gute Ansatz, leider finden sich aber auch einige nichtssagende beziehungsweise kryptische Worthülsen. Was mir jedoch fehlt, ist die Neufassung des Konsumentenschutzrechtes, die Errichtung eines Konsumenten­schutz­rates, Verbesserungen bei den Rücktrittsrechten und vieles mehr. Die wenigen genannten Aufgaben sind aber, wie gesagt, ohne die entsprechende finanzielle Bedeckung nicht durchführbar. So, wie es zurzeit ausschaut, das heißt, wenn man sich den vorliegenden Budgetpfad im Anhang ansieht, ist auch keine Erhöhung der budgetären Mittel für den Konsumentenschutz in Sicht.

Die Verbraucherarbeit braucht aber, um effizient und vor allem auch präventiv arbeiten zu können, mehr Mittel aus der öffentlichen Hand. Wir bekommen immer, und auch ganz besonders heute war das wieder der Fall, etwas über unsere glanzvolle Vorreiterrolle in so vielen Bereichen zu hören. Leider ist dies im Bereich des Kon­sumentInnenschutzes nicht so. So wird etwa in Deutschland das Dreifache pro Kopf und Jahr, in Großbritannien gar das Zehnfache von unserem Budget für Ver­braucherInnenarbeit zur Verfügung gestellt. Sie sollten nicht vergessen, dass jede Bürgerin und jeder Bürger auch eine Konsumentin und ein Konsument ist, und es wäre ein Fehler, dies zu vernachlässigen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

23.12


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Zach. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Herr Kollege, Sie sind am Wort.

 


23.13.06

Abgeordneter Alexander Zach (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! (Abg. Mag. Stadler: Ist die Heidi schon fort?) Meine Damen und Herren! Wenn es etwas gibt, was mich an dieser großen Koalition freut, dann ist es, dass damit eine rechte Koalition verhindert wurde. (Beifall des Abg. Eder.) Wenn auch eine große Koalition kein


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Wunschergebnis für einen Liberalen ist, dann ist das noch immer besser als ein Innenminister Westenthaler oder ein Verteidigungsminister Strache. (Beifall bei Abge­ordneten der SPÖ.)

In der Vergangenheit war eine große Koalition natürlich oft mit Erscheinungen des Parteienmissbrauchs oder eines degenerierten Parlaments verbunden, aber wenn man sich die letzten Jahre seit 2000 anschaut, dann wurde das ja noch um einiges überboten. (Abg. Großruck: Wir haben auch einen Traum!) Was ich mir wünsche, und das wurde im Koalitionsprogramm ja schon angeführt, ist das Umsetzen der Ideen der Stärkung der Rechte des einzelnen Abgeordneten und auch der Opposition, und ich hoffe, dass die sozialdemokratischen Kollegen in diesem Bereich das, was sie versprochen haben, auch einhalten.

In diesem Zusammenhang muss ich mich bei den Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion bedanken. Ich glaube, wir leben deutlich vor, wie ein unabhängiger Mandatar, ein Liberaler, trotzdem Freiheiten haben kann, obwohl das in der Geschäftsordnung eigentlich nicht entsprechend vorgegeben ist. (Abg. Dr. Graf: Ein Siegertyp das!)

Zu meiner generellen Linie: Wo ich in wichtigen Fragen als Liberaler anderer Meinung bin, werde ich das deutlich machen, und wo erforderlich, entsprechend abstimmen. (Abg. Ing. Westenthaler: „SPÖ“ steht bei Ihrem Namen!)

Sehr geehrter Herr Westenthaler! Ihre politische Unkultur ist Gott sei Dank nicht mehr hier (der Redner deutet in Richtung Regierungsbank), sondern zumindest nur mehr dort. (Der Redner deutet in Richtung Abgeordnetenbänke des BZÖ. – Beifall bei Abge­ordneten der SPÖ und der Grünen.)

Meine Damen und Herren! Zum Thema Studiengebühren: Ich habe heute dem Antrag gegen Studiengebühren zugestimmt, aber das habe ich nicht getan, weil ich Studien­gebühren oder eine Form der Mitfinanzierung ... (Zwischenrufe bei FPÖ und BZÖ.) Anscheinend ist es für Sie (in Richtung FPÖ und BZÖ) ein solches Ärgernis, dass ich hier als Liberaler im Parlament bin, dass Sie sich derart mit mir beschäftigen. Ich danke Ihnen, dass das auch gleich bei meiner ersten Rede passiert.

Zu den Studiengebühren: Ich habe diesem Antrag gegen die Studiengebühren heute zugestimmt, weil ich der Meinung bin, dass das, was an den Universitäten an Leistung geboten wird, inakzeptabel ist, und dafür ist auch kein Geld zu verlangen – Minister Hahn ist ja nicht mehr hier! –, wie das zum Beispiel ein Blick auf die Pflegewis­senschaften, wo es einen Professor für tausend Studierende gibt, zeigt. Das ist nicht einmal einen Euro wert!

Ich könnte jetzt noch einiges sagen, zum Beispiel zum Thema Grundsicherung. Mir ist es ein Anliegen, dass das Thema Grundsicherung in die politische Diskussion gebracht wurde. Die Mindestsicherung ist bei Weitem nicht das, was ich mir als Liberaler vorstelle. Wenn aber Herr Abgeordneter Amon – er ist heute nicht mehr hier – sich über das bedingungslose Grundeinkommen fürchterlich aufgeregt hat, dann möchte ich Sie schon daran erinnern – ich glaube, Herr Amon kommt aus der Steiermark, daher einen Blick zum Beispiel in den „Steirer“ –, dass auch die steirische ÖVP ein bedin­gungsloses Grundeinkommen auf Basis eines Bürgergeldes in der Höhe von 800 € fordert. Sie sollten sich also einmal ein bisschen zusammenschließen innerhalb der steirischen ÖVP und sich austauschen.

Abschließend möchte ich festhalten: Sie werden meine Unterstützung haben überall dort, wo es darum geht, die wirtschaftliche und die gesellschaftliche Freiheit des Einzelnen zu fördern und auszubauen, wenn es darum geht, den Grundrechtsschutz und die Menschenrechte zu stärken und die europäische Identität. Dort werden Sie mich als Partner in der Sache haben. Dort aber, wo dies nicht der Fall ist, sei es


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gerade bei Themen wie der Gleichstellung der unterschiedlichen Lebensgemein­schaf­ten, wenn es darum geht, für ein menschenrechtswürdiges Asylgesetz und Fremden­recht zu kämpfen, wenn es um die Abkehr von Kammerstaat für eine liberale Gewerbeordnung und die Freigabe der Ladenöffnungszeiten geht, dort werden Sie eine kritische liberale Stimme haben.

Ich wünsche der Bundesregierung eine glückliche Hand bei ihrer Arbeit und viel Erfolg. (Abg. Ing. Westenthaler: Und ein langes Leben!) – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Graf: Ein bemerkenswertes rhetorisches Talent! – Abg. Ing. Westenthaler: Der unabhängige Herr Zach!)

23.17


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wöginger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


23.17.36

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Herr Kollege Zach! Man kann gerade froh sein, dass nicht alle verhandelt haben, die dem SPÖ-Klub angehören, denn sonst hätten wir uns die Geschichte noch einmal überlegen müssen. (Beifall und Heiterkeit bei Abge­ordneten der ÖVP sowie bei FPÖ und BZÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das vorliegende Regierungsprogramm ist nachhaltig und zukunftsorientiert und hat sich wirklich mehr verdient als die Berichte und Schlagzeilen der morgigen Tageszeitungen, die verkünden, dass der Herr Bun­deskanzler Nachhilfestunden in den Schulen geben will. Das ist sicher nicht die Kernaussage dieses Regierungsprogramms. (Abg. Strache: Um 80 €!)

Mir ist es heute besonders wichtig, als Mandatar der Österreichischen Volkspartei zu erwähnen, dass diese Bundesregierung auf einer guten, soliden Basis der letzten Jahre – und das möchte ich betonen – aufbauen kann. (Beifall bei ÖVP und BZÖ.)

Österreich steht sehr gut da, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben geordnete Finanzen und eine gute Entwicklung im Budget, Österreich ist ein sehr guter Arbeits- und Wirtschaftsstandort, wir gehören zu den sichersten Ländern der Welt und haben eines der besten Gesundheits- und Sozialsysteme. Und deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, können notwendige und wichtige Schritte, die in diesem Regierungsprogramm enthalten sind, auch umgesetzt werden.

Ich habe mich in den letzten Tagen mit dem Regierungsprogramm auseinandergesetzt und habe es mit den Forderungen und Zielen verglichen, die ich als Abgeordneter bei der letzten Wahl gehabt habe. Und ich habe viel Übereinstimmung gefunden. (Abg. Strache: Das glaube ich!) Mein wichtigstes Ziel war die Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen durch den weiteren Ausbau der Infrastruktur und Bildungseinrichtungen im Innviertel. Und von Seite 47 bis 55 im Regierungsprogramm finden wir „Arbeits­markt & Arbeitswelt“ mit insgesamt neun sehr wichtigen Punkten, vor allem Jugend­beschäftigung, Verlängerung des Blum-Bonus bis Mitte 2008, den weiteren Ausbau des lebenslangen Lernens, die Neuordnung – eine sehr wichtige Frage – der Alters­teilzeitregelung, wichtige Maßnahmen für eine aktive Arbeitsmarktpolitik oder die soziale Absicherung von atypisch Beschäftigten und Selbständigen.

Zum weiteren Ausbau der Infrastruktur und Bildungseinrichtungen: Wir haben jetzt im Regierungsprogramm plus 10 Milliarden € für Schiene und Straße. Da stelle ich schon auch eine Forderung an die Regierung, vor allem an den neuen Infrastrukturminister, der wieder auf der Bank sitzt: Wir haben im Innviertel den Ausbau und die Sanierung der A 8, der Innkreis Autobahn ab 2008 geplant, und ich fordere als Abgeordneter schon auch ein, dass das auch eingehalten wird. (Beifall bei der ÖVP.)


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Plus 200 Millionen € für Bildung sind ebenfalls im Programm vorgesehen. Weitere drei Punkte – und ich habe nicht so viel versprochen wie manch andere Abgeordnete hier in diesem Haus, ich habe mich auf ein paar konkrete Dinge beschränkt, und die sind auch leichter einzuhalten –:

Erstens: Pensionen. 45 Jahre sind genug – diese Regelung wurde festgeschrieben – sowie die Überarbeitung der Schwerarbeits- und Invaliditätspension – das finden wir auch im Regierungsprogramm.

Zweitens: Bessere gesetzliche Rahmenbedingungen für Freiwillige. (Abg. Dr. Graf: Im Innviertel!) – Die Stärkung und Unterstützung des ehrenamtlichen Engagements ist explizit im Regierungsprogramm angeführt.

Und der dritte Punkt von mir war: Weitere Entlastung der Familien. (Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler.) Die familienpolitischen Maßnahmen findet man ab Seite 129, unter anderem – passen Sie auf, Herr Kollege Kogler! – die Anhebung der Familienbeihilfe und die Anhebung der Einkommensgrenzen für den Mehrkinderzuschlag. (Abg. Dr. Graf: Im Innviertel!) Ich gehe auch davon aus, und ich betone das hier schon, dass in der angekündigten Steuerreform das steuerfreie Existenzminimum für Familien­mitglieder sowie die Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten enthalten sind.

Abschließend, meine geschätzten Damen und Herren, möchte ich noch auf einen Punkt hinweisen, den ich nicht im Programm gefunden habe, das ist das freiwillige soziale Jahr. (Abg. Mag. Stadler: Ja, genau!) Wir brauchen hier einen gesetzlichen Rahmen in Anlehnung an das deutsche Modell beziehungsweise an das Zivildienst­gesetz. Und das ist meine Forderung an Sie, Herr Sozialminister Buchinger, stell­vertretend für viele junge Menschen, dass wir hier gemeinsam eine Lösung anstreben. Insgesamt ist das schwarz-rote Regierungsprogramm ein sehr gelungenes Werk, und wir Abgeordnete werden darauf achten, dass es im Sinne der Österreicherinnen und Österreicher hier im Haus auch umgesetzt wird. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie der Abg. Pfeffer.)

23.22


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter DDr. Niederwieser. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


23.22.44

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren der Bundesregierung! Hohes Haus! Das Bildungsprogramm habe ich mir in einer Kurzfassung unter dem Gesichtspunkt angesehen, was PISA uns in dieser Richtung an Empfehlungen mitgegeben hat, und Sie werden feststellen, wenn Sie dem Thema noch entsprechende Aufmerksamkeit widmen können: Es ist sehr vieles drinnen, was hier an Empfehlungen da war. Die zentralen Punkte: Man müsse sehr früh mit der Förderung anfangen – die Frühförderung wird sicherlich massiv ausgebaut, der Einstieg in die Schule verbessert, ein differenzierter Unterricht, wo man auf das einzelne Kind besser als bisher eingeht, Bildungsstandards, damit auch die System­leistungen als solche gemessen und beurteilt werden können, der Ausbau der Mitbestimmung ist ein ganz wichtiges Thema, Berufswahl für Jugendliche im Alter von 12, 13 bis 16 Jahren mit neuen Instrumenten, ein Schwerpunkt im Bereich des lebens­langen Lernens – dazu wurde schon sehr viel gesagt –, bis hin zur arbeits- und sozialrechtlichen Regelung der Beschäftigungsverhältnisse in der Erwachsenen­bil­dung.

Sie haben Recht, meine Damen und Herren von den Oppositionsparteien, wenn Sie sagen: Die Grenzen werden in der Finanzierung liegen. Ich verhehle nicht, dass ich mir


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auch mehr Geld für diese Projekte gewünscht hätte. Ich teile nicht die Meinung des Kollegen Wöginger, der gesagt hat, wir hätten ein gutes Budget vorgefunden, sondern wir müssen leider zur Kenntnis nehmen, dass der Anteil für Bildung und Wissenschaft von früher 6 Prozent auf inzwischen 5,5 Prozent gesunken ist und dass wir hier wieder danach trachten müssen, diesen Anteil zu erreichen. Das wird aber ein gemeinsames Anliegen sein, und wir werden uns mit der neuen Bundesministerin Claudia Schmied und dem Kollegen Amon, aber auch mit den Bildungssprecherinnen und -sprechern Dieter Brosz, Mag. Hauser und Ursula Haubner daranmachen, gemeinsam mit Ihnen möglichst vieles von diesem Programm oder möglichst alles umzusetzen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Graf: Warum haben Sie mich vergessen?!)

23.25


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Groß­ruck. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


23.25.17

Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Meine Herren bei der SPÖ, wir sind jetzt in der Koalition; bitte keine unqualifizierten Zwischenrufe, gell! (Heiterkeit bei FPÖ und BZÖ.) Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regie­rungsbank! Wenn ich mir das Regierungsprogramm so anschaue, dann zeigt es eine Kontinuität zwischen der Regierung vorher und der kommenden. Das muss man sagen. Es ist kein Bruch, sondern es ist ein Fortschreiben der Erfolgsgeschichte, und wir freuen uns, dass auch die Sozialdemokraten hier mit uns diese Linie gehen, denn wir haben bewiesen, dass Österreich damit gut gefahren ist. Sämtlichen Zahlen nach sind wir fast Weltmeister, etwa wenn wir uns bei den Exporten vergleichen, im Wirtschaftswachstum und so weiter. (Beifall bei ÖVP und BZÖ.)

Deshalb verstehe ich die Kritik, meine Damen und Herren, vor allem der Grünen nicht, die das Regierungsprogramm hernehmen und sagen: Da stehen nur Plattitüden drin, oder fast nur, da stehen nur allgemeine Sachen drin, man sollte, man könnte, man müsste! Herr Kollege Pirklhuber geht heraus und sagt allen Ernstes, dass er im Regie­rungsprogramm überhaupt kein Wort vom biologischen Landbau gelesen hat. Lieber Herr Kollege Pirklhuber – er ist nicht da, vielleicht ist er ja in der Kantine, sodass er es mithört –, bitte schön, lesen Sie sich Seite 69 durch. Da steht ganz deutlich drinnen: „Umsetzung Grüner Pakt“. Als Schlusssatz: „Die Biolandwirtschaft soll damit auch künftig ausgebaut werden.“ Und Biolandwirtschaft bedeutet für mich so viel wie biolo­gische Landwirtschaft. Das ist eine semantische Flöhesucherei, mehr nicht! (Abg. Mag. Stadler: So ist es! Genau!) Es sind also sehr wohl sehr konkrete Ansätze in diesem Regierungsprogramm drinnen.

Besonders freut mich auch, dass auf den nächsten Seiten, was Energieeffizienz, was erneuerbare Energie betrifft, auch eine wesentliche Forderung, nämlich die Erneuerung von Wohnungen, die thermische Sanierung von Wohnungen drinnen ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bedanke mich ganz besonders bei allen Verhandlern, dass es gelungen ist, diese ganz wichtigen Dinge zu verankern, denn ... (Abg. Dr. Moser: Das ist aber nicht verpflichtend!)

Frau Kollegin Moser! Sie haben es wahrscheinlich gelesen. Auf Seite 76 steht: „Steige­rung der Sanierungsrate im Wohnbau, dadurch soll die thermische Sanierung sämt­licher Nachkriegsbauten (1950 – 1980) bis 2020 ermöglicht werden.“ Ich gebe noch etwas dazu und sage: Vielleicht nehmen wir auch die Vorkriegsbauten noch dazu, wenn Sie dann damit zufrieden sind, nicht wahr? Das ist – und da gibt es Studien und Berechnungen dazu – eine der effizientesten Maßnahmen zur Senkung des Ausstoßes zwecks Erreichens des Kyoto-Zieles, und es ist auch eine soziale Maßnahme, Frau


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Kollegin Moser, nicht nur ökologisch, nicht nur ökonomisch, sondern auch sozial, denn wir wissen, dass es nicht die Finanzierungskosten sind, die das Teuerste sind beim Wohnbau und beim Wohnen, sondern es sind die Betriebskosten, und da gehören natürlich die Energiekosten dazu. Und die Regierung hat konkret – konkret, lesen Sie es durch! – ein ambitioniertes Programm niedergeschrieben, um diese Kosten auch zu senken, mit dem Vorteil, damit Zigtausende Arbeitsplätze zu schaffen, Zigtausende Betriebe im ländlichen Raum damit zu fördern. Wenn es uns gelingt, dieses schon auf Schiene seiende Modell umzusetzen, dann, denke ich, haben wir einen großen Wurf gemacht. Das freut mich ganz besonders, auch als Wohnbausprecher.

Meine Damen und Herren! Ich komme zum Schluss. Morgen ist wieder eine große Demonstration angesagt, angeblich. Wir sind das Demonstrieren bei den Regierungs­bildungen ja schon gewöhnt, nicht wahr, wir haben das im Jahr 2000 erlebt, wir erleben es auch jetzt wieder: Die Regierungen sind verschieden, nur die Demonstranten sind gleich. (Beifall bei der ÖVP.)

Und dazu möchte ich einen eineinhalbfachen Vierzeiler bringen, meine Damen und Herren:

Heute ist es schon normal,
dass protestiert wird jedes Mal
und dass der Aufstand wird geprobt,
wenn eine Regierung angelobt.
Wenn auch jetzt andere regieren –
die Gleichen sind’s, die demonstrieren.

Meine Damen und Herren (in Richtung SPÖ): Vielleicht werden Sie morgen ja mit­marschieren. – Glaub’ ich eher nicht. Das letzte Mal sind Sie mitmarschiert, morgen wahrscheinlich nicht. (Beifall bei der ÖVP.)

23.30


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Muttonen. Ich stelle Ihnen die Uhr auf die gewünschten 3 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


23.30.11

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Ich möchte der Frage nachgehen: Was bedeutet die große Koalition für Kunst und Kultur? Es ist dies eine Frage, die oft gestellt wird, nicht nur in den Kulturseiten der Zeitungen. Neben zahlreichen positiven Reaktionen gibt es naturgemäß auch Bedenken der Opposition.

Lassen Sie mich daher Folgendes feststellen: Die Tatsache, dass die Verantwortung für Kunst, Kultur und Bildung in einem Haus konzentriert wurde, halte ich für eine deut­liche Verbesserung gegenüber der bisherigen Situation. Natürlich wäre es reizvoll gewesen, alle Kulturagenden inklusive der Auslandskultur und Angelegenheiten der Informationsgesellschaft in einem Ressort zu bündeln, aber die nun ausverhandelte Einheit von Kunst, Kultur und Bildung in einem Ministerium hat Charme und kann auch auf historisch sehr gute Erfahrungswerte hinweisen. Erstmals seit zehn Jahren befin­den sich zeitgenössische und museale Kunst wieder unter einem politischen Dach.

Das Wichtigste, meine Damen und Herren, aber ist: Kunst und Kultur werden wieder einen Sitz und eine gleichberechtigte starke Stimme im Ministerrat und auf EU-Ebene haben. Frau Ministerin Schmied wird diese neue Stimme sein. Ich wünsche Ihnen viel Freude, Kraft und Hartnäckigkeit für diese Aufgabe. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 362

Ich möchte nicht verhehlen, dass ich mir als Kultursprecherin gewünscht hätte, dass deutlich mehr konkrete Maßnahmen im Regierungsprogramm stehen, als letztendlich darin Platz gefunden haben, aber es ist auch eine Tatsache, dass das vorliegende Programm einen Kompromiss darstellt, eben den gemeinsamen Nenner, der zwischen zwei Parteien mit zum Teil doch sehr unterschiedlichen Vorstellungen ausverhandelt werden konnte.

Ganz pragmatisch gesehen ist der Kulturteil der Regierungserklärung aber eine gute und eine fundierte Basis, die auch sehr viel Entwicklung zulässt. Entwicklung wird auch notwendig sein, Aktivitäten werden notwendig sein, denn es gibt zahlreiche offene Probleme. Es gibt Handlungsbedarf in der Museumspolitik, im Bereich der sozialen Absicherung der KünstlerInnen, in Fragen der Finanzierung, um nur einige Punkte zu nennen.

Uns ist es auch ein großes Anliegen, dass möglichst alle Menschen einen direkten und unmittelbaren Bezug zur Kultur bekommen. Kulturelle Partizipation, aber auch kultu­relle Bildung sind die Schlagworte dafür. Nicht umsonst hat die EU in ihrem Vorschlag zum lebensbegleitenden Lernen kulturelle Bildung als Schlüsselkompetenz definiert.

Wir sollten in den nächsten Jahren Themenbereiche wie kulturelle Bildung in der Wissensgesellschaft, die Situation der Kunstschaffenden und Kulturschaffenden, ihre Arbeitsbedingungen, ihre Produktionsbedingungen in den Vordergrund unserer Arbeit stellen, aber auch die kulturelle Vielfalt im Lichte von Globalisierung.

Meine Damen und Herren! Wir freuen uns darauf, das Kulturprogramm mit Leben erfüllen zu können. Das wird eine spannende und interessante Aufgabe werden, die der Ministerin gestellt wird, aber auch eine Aufgabe, die wir Parlamentarier und Parlamentarierinnen sehr gerne in Angriff nehmen werden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

23.33


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Eßl. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


23.34.00

Abgeordneter Franz Eßl (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gemeinsam arbeiten für Österreich – das ist das Ziel dieser Bundesregierung, und sie startet von einer starken Basis. Österreich steht gut da, und trotzdem gibt es Anstrengungen, noch besser zu werden.

Die Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich, Vollbeschäftigung erreichen, Arbeitsplätze sichern und schaffen, das sind ambitionierte Vorhaben dieser neuen Regierung.

Ein umfangreicher Maßnahmenkatalog ist im Regierungsprogramm verankert. Ein 400-Millionen-Euro-Paket steht dafür zur Verfügung.

Für Österreich und im Speziellen natürlich auch für unser Bundesland Salzburg, wo ich herkomme, ist aber zum Beispiel auch die Olympiade 2014 ein wichtiges Projekt, das sportliche und das wirtschaftliche Impulse bringen wird.

Ich möchte aber auch an ein spezielles Anliegen meines Heimatbezirkes erinnern. Minister Platter hat den Weiterbestand der Kaserne Tamsweg als Garnisonsstandort über 2010 hinaus zugesagt. Ich fordere auch den neuen Verteidigungsminister Darabos auf, zu dieser Garantie zu stehen und ein klares Bekenntnis dazu abzugeben.

Arbeitsplätze im ländlichen Raum – und dazu gehört auch diese Kaserne – sind ein wichtiges Thema. Dabei gilt es auch, die Arbeitsplätze in der Landwirtschaft und in den vor- und nachgelagerten Bereichen entsprechend zu sichern.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 363

Zum Ersten: Ich bin froh, dass der Grüne Pakt außer Streit gestellt ist. Dabei darf ich klar festhalten, dass die Zahlungen, die hier an die Bauern gehen, keine Geschenke sind, sondern auf dem Prinzip Leistung und Gegenleistung beruhen und in angemes­sener Höhe zur Verfügung gestellt werden.

Zum Zweiten hat Bundesminister Sepp Pröll bereits in den letzten Jahren eine Exportoffensive gestartet, um die Märkte zu entlasten. Mit neuen im Programm vor­gesehenen Initiativen sind, glaube ich, gute Grundlagen dafür geschaffen, dass unsere Bäuerinnen und Bauern auch in Zukunft Einkommen erwirtschaften können und damit Arbeitsplätze gesichert werden.

Zur Sicherung unserer bäuerlichen Familienbetriebe gehört aber auch eine Verbes­serung der Kriterien im Sozialbereich. Die Forderung, die Altersgrenze für den Berufsschutz bei den bäuerlichen Familien analog zu den Gewerbetreibenden auf 50 Jahre herabzusetzen, ist im Regierungsprogramm verankert, und ich fordere eine rasche Umsetzung.

Ich bin aber auch froh – und das gestehe ich durchaus, meine geschätzten Damen und Herren –, dass nicht alles, was verhandelt worden ist, auch im Programm zu finden ist. Wenn von dieser Seite (der Redner blickt in Richtung der SPÖ-Abgeordneten) der Regierungsparteien, vom jetzigen Sozialminister gefordert wurde, die Pensionsbeiträge für die Wirtschaft um ein Drittel und für die Bauern um 50 Prozent anzuheben, dann werde mich ich auch in Zukunft mit aller Vehemenz dagegen zur Wehr setzen, und ich bin froh, dass dies nicht zum Tragen gekommen ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Insgesamt, glaube ich, ist dieses Regierungsprogramm ein gutes Programm, was die Zukunftschancen der Bäuerinnen und Bauern betrifft, es ist ein gutes Programm, was die Lebensqualität unserer Bürger betrifft, und es ist ein gutes Programm für Österreich und für die Menschen in unserem Land. (Beifall bei der ÖVP.)

23.37


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


23.37.51

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Her­ren Minister! Meine Damen und Herren! Ich glaube, man kann ja doch eines relativ stark außer Streit stellen: dass die Justizpolitik der letzten Legislaturperiode relativ stark von Irrationalitäten geprägt war und dass wir jetzt im Lichte des neuen Justiz­programms – da sind wir all jenen sehr dankbar, die daran mitgewirkt haben – ja doch eine an die internationale Entwicklung anschließende Justizpolitik erreichen können.

Ich bin insofern auch sehr froh, als wir mit der Frau Justizminister nunmehr eine aus­gewiesene Expertin haben, die aus dem Europäischen Recht kommt, die auch die Debatten im Europäischen Parlament zu den unterschiedlichsten Themen kennt, und ich hoffe, dass wir insbesondere auch im Zusammenhang mit der Entwicklung Partnerschaft, Familienrecht den Anschluss an die rechtliche Entwicklung in Europa wieder finden. Da hat es ja leider Gottes – auf Grund der relativ starken Position des seinerzeitigen Präsidenten des Nationalrates, aber auch des ehemaligen Herrn Bundeskanzlers – einen gewissen Stillstand gegeben.

Der Frau Justizminister darf ich auch zur hervorragenden Auswahl des Kabinettchefs gratulieren. Sie hat mit Albin Dearing einen international renommierten Experten in ihr Team geholt. Ich glaube, dass wir insgesamt im Justizbereich beträchtliche Arbeit leisten werden können. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Ein zentraler Punkt im Programm ist die Weiterbildung in der Justiz. Das trifft für Richter zu, aber ebenso für nichtrichterliches Personal, weil es notwendig ist, Grund­rechtsdenken in der gesamten Justiz durchzusetzen.

Ein neues Unterhaltsrecht soll kommen, das insbesondere bei Kindern effizienter gestaltet ist, weil es unmittelbar bei jenen Verwaltungsbehörden anhängig sein wird, die auch die entsprechenden Finanzkennzahlen der jeweils Unterhaltsverpflichteten haben, sodass es zu sofortigen Entscheidungen kommen kann.

Die Jugendgerichtsbarkeit, die so sträflich vernachlässigt wurde – symbolisch durch die Schließung des Jugendgerichtshofes –, sollten wir gemeinsam – da ist auch dem Verhandlungsteam der ÖVP zu danken, dass ein Schwerpunkt auf dieses Thema gelegt wird – wieder aufbauen, weil natürlich Sozialpolitik die beste Politik gegen Kriminalität ist, und Rückfallvermeidung heißt, sich gleich von Beginn an um die potentiellen Täter zu kümmern, damit die Jugendlichen, die auf dem Weg ins Abgleiten ins Kriminelle sind – zumeist auf Grund der sozialen Rahmenbedingungen –, davon abgehalten werden.

Hier ist jede Investition richtig, hier ist jede Investition recht, und ich glaube, dass wir insgesamt durch diese Handschrift eine gute Justizarbeit leisten werden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

23.40


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Einwallner. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


23.40.53

Abgeordneter Thomas Einwallner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Als junger Abgeordneter verhehle ich nicht meine Freude über dieses Regierungsprogramm, weil darin wesentliche lang­jährige jugendpolitische Forderungen vorkommen, zum Beispiel die Umverteilung der Lebensverdienstkurve und auch vieles andere, das zu erwähnen wäre.

Frau Kollegin Grossmann, ich stimme Ihnen zu, dass da sehr viele jugendpolitische Maßnahmen drinnen sind, und ich sage Ihnen, dass es auch mir leid tut, dass diese Studiengebührendebatte jetzt alles überlagert. Aber welche Jugendorganisation demonstriert gegen dieses Regierungsprogramm? Wir sind es nicht, sage ich jetzt einmal. Also bitte auch Kommunikationsarbeit in den eigenen Reihen zu leisten.

Ich möchte aber auch noch auf zwei andere Teile zu sprechen kommen, die für die Jugend sehr wichtig sind, das sind die Bereiche Infrastruktur und Sport. Bei der Infrastruktur sind 10,5 Milliarden € für Investitionen in Straße und Schiene vorgesehen. Das ist einiges, das sind Investitionen in die Zukunft, Investitionen für die Jugend dieses Landes, wenn man es so haben will. Und da – das muss ich als Steirer sagen – freut mich das Bekenntnis des Herrn Ministers zum Koralmtunnel. Dazu gehört aber auch der Semmering-Basistunnel, denn den Semmering-Basistunnel und die Koralm­bahn muss man als Gesamtes sehen. (Abg. Mag. Stadler: Weiß das auch der Erwin Pröll?)

Aus dem Wahlkreis 6H kommend, muss ich zu Infrastrukturmaßnahmen betreffend Straße sagen – wir haben heute schon gehört, der Lückenschluss ist so wichtig –, dass mir auch der Lückenschluss der S 36 und der S 37, also der Vollausbau im Bereich von Judenburg bis Friesach, sehr wichtig ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Aber auch der Sport ist, glaube ich, ein wesentlicher Bereich, in dem man viel tun kann, auch für Kinder und für die jungen Leute. Da geht es einerseits um Sport als präventive Säule für den Gesundheitsbereich, andererseits aber auch um Sport als sinnvolle Freizeitbeschäftigung im Vereinswesen oder im Breitensport und zusätzlich


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um Sport als Partner der Schulen in Kooperation mit den Vereinen. Da ist schon einiges an guten Zielen formuliert in diesem Regierungsprogramm.

Auf der anderen Seite geht es aber auch um den Spitzensport, der aus Österreich als Sportland Nummer eins nicht mehr wegzudenken ist. Das sage ich einmal ganz bewusst als Steirer. Der Spitzensport ist Aushängeschild für Österreich, durch das man immer wieder ins Blickfeld des internationalen Interesses kommt. Dass natürlich auch unsere Regierung sehr bemüht ist, die EM 2008, aber auch die Olympischen Winter­spiele 2014 in Salzburg so gut wie möglich vorzubereiten, ist insofern gewährleistet, als die Sportagenden in der neuen Bundesregierung hochrangig vertreten sind durch den – und das freut mich besonders – Steirer Reinhold Lopatka als Sportstaats­sekretär, der selbst auch als Marathonläufer bekannt ist. Wenn er sich um Sport kümmert, dann sind wir, so wie mit der gesamten Bundesregierung, auf einem guten Weg für die Zukunft. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

23.44


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Hlavac. 3 Minuten. – Bitte.

 


23.44.20

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Integrationspolitik wird zu Recht in der Regierungserklärung als gesamt­gesell­schaftliche Aufgabe gesehen und anerkannt. Das ist der neue Kurs der neuen Bundesregierung, dass die Integrations- und Migrationspolitik nicht, vor allem nicht in allererster Linie, als eine Aufgabe der inneren Sicherheit gesehen wird, sondern als eine Querschnittmaterie, als ein Politikbereich, der in allen anderen Bereichen der Politik eine Rolle spielen muss und wo in jedem Politikbereich auch entsprechende Maßnahmen zu setzen sind.

Für das friedliche Miteinander in unserem Land ist es notwendig, dass sich alle zu den gemeinsamen Werten Demokratie, Gleichberechtigung, Menschenrechte und gewalt­freie Konfliktbewältigung bekennen.

Genauso gehört es aber auch zum friedlichen Miteinander, dass alle Menschen faire Chancen für die Gestaltung ihres Lebens haben. Daher ist Spracherwerb als Voraussetzung für die volle Teilhabe am wirtschaftlichen, politischen und sozialen Leben so wichtig, ebenso eine gute Ausbildung für alle Kinder. Im Regierungs­pro­gramm ist hier vieles an Verbesserungen vorgesehen, was ich sehr erfreulich finde. Ich hoffe auch auf eine sehr gute Zusammenarbeit mit der neuen Bildungsministerin.

Sehr wichtig ist auch, was die Frauenministerin plant, nämlich ein Maßnahmenpaket für Migrantinnen, um ihre Benachteiligungen zu beseitigen durch Ausbildung für Mädchen, Hilfe bei der Berufswahl, beim Berufseinstieg, Deutschkurse, Unterstützung bei der selbstbestimmten Gestaltung des Lebens. Und natürlich ist hier auch die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit wichtig.

Für uns gilt der Grundsatz: Integration vor Zuzug. Die Situation am Arbeitsmarkt muss immer die Grundlage für die entsprechenden Entscheidungen sein. Das schützt die hier lebenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, egal, ob sie Inländerinnen und Inländer sind oder nicht.

Ich bin überzeugt davon, dass es uns gelingen wird, in den nächsten vier Jahren eine Politik zu machen, die die Integration der hier lebenden Menschen mit Migrations­hintergrund erleichtern und vertiefen wird. Das dient dem Frieden in unserer Gesell-


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schaft und wird daher eine der wichtigen Herausforderungen der nächsten Zeit sein. (Beifall bei der SPÖ.)

23.47


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Obernosterer. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


23.47.38

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren Regierungsmitglieder! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Es waren heute schon an die hundert Rednerinnen und Redner hier am Rednerpult, aber etwas wurde nicht in Abrede gestellt: dass Österreich zu den reichsten, zu den sichersten und zu den erfolgreichsten Staaten Europas gehört. Auf dieser Basis wird auch die neue Bundesregierung die Zukunft für Österreich gestalten, sodass es uns allen in vier Jahren noch ein bisschen besser geht.

Etwas wurde heute noch nicht angesprochen, und zwar der Tourismus. Der Tourismus ist einer der wichtigsten Wirtschaftszweige für Österreich. Die Tourismus- und Frei­zeitwirtschaft trägt zum Bruttoinlandsprodukt zirka 16,3 Prozent bei. Es gibt 92 000 Tourismusunternehmen in Österreich, und es sind dort zirka 165 000 Mitarbeiter be­schäftigt. Der Zuwachs der Beschäftigten im Tourismus ist doppelt so groß wie in den anderen Berufszweigen.

Es freut mich daher auch ganz besonders, dass der Tourismus im Regierungs­pro­gramm fix verankert ist. Wer mitbekommen hat, was die österreichische Hotelier­vereinigung heute in Bad Ischl von der Regierung gefordert hat, der weiß, dass sie das gefordert hat, was in diesem Regierungsprogramm schon drinnen steht.

Der Tourismus ist nicht nur ein wichtiger Wirtschaftszweig für die Städte, sondern ganz, ganz wichtig für den ländlichen Raum. Denn gerade der ländliche Raum hat neben der Landwirtschaft keine Möglichkeit außer dem Tourismus, um dort die Infra­struktur für die Einheimischen und auch die Wertschöpfung aufrechtzuerhalten.

In diesem Sinne habe ich unter dieser Regierung für die Zukunft des Tourismus keine Sorge, denn die Olympiabewerbung Salzburgs und auch die Europameisterschaft 2008, die im Regierungsprogramm mit einer fixen Summe von 12 Millionen verankert sind, sind abgesichert. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich wünsche dieser Regierung und uns allen, die wir hier sitzen, viel Gesundheit, viel Kraft – und die richtigen Gedanken, damit wir im Sinne der Österreicher und im Sinne dieser Republik die richtigen Entscheidungen treffen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

23.50


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. Redezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 


23.50.43

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Angesichts der nahen Geisterstunde nur einige wenige Anmerkungen zu einem Geisterflugzeug – denn die zweite Tranche von Eurofighter gibt es ja – zumindest laut Herrn Bernecker – erst im Jahre 2008.

Was hat sich eigentlich durch die Nationalratswahl und durch die Regierungsbildung im Zusammenhang mit dem Eurofighterankauf verändert? – Jede Menge. (Zwischenruf des Abg. Grillitsch.)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 367

Durch die Nationalratswahl und die entsprechenden Mehrheitsverhältnisse, die ent­standen sind, gibt es einen Untersuchungsausschuss, der unabhängig und sach­orientiert seine Arbeit leisten wird, Kollege Grillitsch.

Und durch die Regierungsbildung? – Bisher hat es einen Verteidigungsminister gegeben, der immer gesagt hat: Alles sauber, korrekt, transparent, da darf nichts verändert werden. Jetzt haben wir einen Verteidigungsminister, der sagt, er setzt sich mit allen Mitteln für den Ausstieg aus diesem Vertrag ein. (Abg. Grillitsch: Mit dem Darabos werden wir die Eurofighter begrüßen! Ich freu’ mich schon!)

Übrigens: sauber, korrekt und transparent wird sicherlich nicht die Präambel des Berichtes sein. – Das ist inzwischen längst festzumachen, wenn beispielsweise der höchste Finanzbeamte in dem Zusammenhang, Dr. Hillingrathner, sagt, die 18 Stück waren auf oberster Ebene schon ausgemacht, das Hochwasser war nur ein politischer Vorwand, oder wenn zum Beispiel der Herr Bernecker, den ich schon erwähnt habe, sagt, es ist etwas Vertragsgegenstand geworden, das es überhaupt nicht gegeben hat. (Abg. Murauer: Sehr einseitig!)

Angesichts dieser Umstände, meine Damen und Herren, wird die SPÖ auf allen Ebenen und mit allen Mitteln alles daransetzen, einen Ausstieg aus diesem Vertrag zu schaffen. Das kann gelingen – vielleicht durch den Untersuchungsausschuss und den Minister gemeinsam. (Abg. Großruck: Das steht aber nicht im Regierungsprogramm! Das ist Kaffeesudlesen!)

Wenn nicht – das ist ja auch möglich, meine Damen und Herren –, dann wird die Bevölkerung wissen, dass die SPÖ gekämpft und alles versucht hat – bis zum bitteren Ende. Wer dann dieses schwere Erbe, diese Belastung für Generationen zu verant­worten hat, ist ja wohl auch klar. (Abg. Grillitsch: Der Darabos!) Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

23.52


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Fürntrath. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

 


23.52.49

Abgeordnete Adelheid Irina Fürntrath (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Kräuter! Ich bin nicht Ihrer Meinung, dass wir die Abfangjäger nicht kaufen sollten, denn wenn wir Österreicher für Neutralität eintreten, dann brauchen wir gerade diese Abfangjäger, um unseren Luftraum zu schützen – ein ganz, ganz wichtiger Punkt für uns! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich wollte aber nicht über Abfangjäger sprechen. Es ist knapp vor 24 Uhr, und ich möchte noch die zwei Punkte, die ich herausgenommen habe, sozusagen über die Runden bringen.

Die Frau Abgeordnete Haubner hat heute über die Zuverdienstgrenze beim Kindergeld gesprochen. Ich freue mich ganz besonders, dass es erstens einmal das Kindergeld für alle gibt, und zweitens, dass dieses Kindergeld auf 16 200 € erhöht worden ist. Das ist nicht nur aus familienpolitischen Gründen ein Bonus, sondern das bringt auch den Arbeitnehmerinnen etwas, die ja während der Karenzzeit das Kindergeld bekommen und etwas dazuverdienen können. Die können praktisch in ihrem Beruf bleiben und sind nach Beendigung des Karenzjahres nicht in der Situation, dass sie Probleme beim Wiedereinstieg haben.

Allerdings hat das – aus meiner Sicht als Unternehmerin – auch einen Pferdefuß: Es ist meiner Meinung nach ganz schlecht und diskriminierend, wenn bei den Unterneh­merinnen die Zuverdienstgrenze gleichgesetzt wird mit dem Gewinn. Aus meiner Sicht


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 368

müsste es lauten: Zuverdienstgrenze ist gleichzusetzen mit der tatsächlichen Ent­nahme. Das betrifft nicht nur Unternehmerinnen, sondern auch Bäuerinnen und Selbständige im Allgemeinen.

Ein zweiter Punkt, der für mich sehr wichtig ist – einige Redner haben das heute schon angesprochen: der Herr Abgeordnete Strache, zweimal sogar der Herr Abgeordnete Westenthaler, auch der Herr Abgeordnete Öllinger hat darüber gesprochen –, sind die Lehrlinge.

Im Gegensatz zu Ihnen, meine Dame und meine Herren, bilde ich seit 26 Jahren Lehrlinge aus, und ich bin wirklich täglich mit den Problemen in allen Schichten konfrontiert. (Abg. Strache: Ich auch! Ich habe auch Lehrlinge ausgebildet!) Ich weiß wirklich, wovon ich rede. Es ist sehr schwierig. Wir haben jetzt – Gott sei Dank – den Blum-Bonus, der uns etwas bringt und natürlich auch der Jugendbeschäftigung.

Da muss ich auch dem Herrn Abgeordneten Westenthaler gleich sagen: Der Blum-Bonus wird aliquot ausbezahlt. Es ist also nicht so, wie Sie das am Nachmittag gesagt haben, dass jemand, der ein Lehrverhältnis früher beendet, den gesamten Blum-Bonus bekommt. Das stimmt nicht. (Abg. Ing. Westenthaler: Das habe ich nie gesagt!) – Doch. Wenn ich mich richtig erinnere, schon. (Abg. Ing. Westenthaler: Ich habe mich beschwert über ... des Kündigungsschutzes!) – Ja, aber der Kündigungsschutz ist gerade für die Lehrlinge wichtig, weil auch die dann schon rechtzeitig lernen müssen, dass es auch als Lehrling um Pflichten und nicht nur um Rechte geht. Im späteren Leben werden sie das einmal sehr brauchen.

Ich bin sehr froh, dass es endlich zu dieser Regelung gekommen ist. (Abg. Ing. Westenthaler: Über den Blum-Bonus habe ich nie etwas gesagt!) Für die Regierung wünsche ich mir, dass sie all ihre Vorhaben genauso erfolgreich umsetzen wird, wie das die letzte Regierung getan hat. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

23.56


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Hagen­hofer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

 


23.56.30

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank! In den Schlussfolgerungen vom 25. November 2005 über den Bericht Österreichs nach der UN-Konvention über soziale, wirtschaftliche und kulturelle Rechte zeigte sich der dafür zuständige UN-Ausschuss tief besorgt über den hohen Prozentsatz von an der Armutsgrenze lebenden Österreicherinnen und Öster­reichern – nämlich 13 Prozent aller Österreicher und sogar 18 Prozent aller Familien mit mehreren Kindern – und über die hohe Anzahl an prekären Arbeitsverhältnissen, über den Mangel an Kinderbetreuungseinrichtungen und nicht zuletzt über die Auswir­kungen der Pensionsharmonisierung, die in diesem Bericht besonders hervorgehoben worden sind.

Warum zitiere ich diesen UN-Bericht? – Geschätzte Damen und Herren! Das vorlie­gende Regierungsübereinkommen wirkt mit diesen Maßnahmen, die darin fest­geschrieben sind, den in diesem Bericht aufgezeigten Fehlentwicklungen, die es in Österreich gegeben hat, ganz klar entgegen.

Das Regierungsprogramm stellt nämlich einen Kurswechsel dar: Es stellt wieder den Menschen in den Mittelpunkt. Es intensiviert die Armutsbekämpfung. Es rückt die soziale Sicherheit, die soziale Absicherung weiter in den Mittelpunkt, und es macht im Rahmen der Grundrechtsreform – wie es ja heute auch schon angesprochen wurde – die sozialen Grundrechte durchsetzbar.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 369

Es wird weiters die Installierung eines Menschenrechtsbeirates zur Umsetzung brin­gen. Unser Bundeskanzler hat heute in seiner Regierungserklärung betont, es sei ihm ein besonders wichtiges Anliegen, die Menschenrechte sowohl in unserem Land, als auch international zu stärken.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Als Menschenrechtssprecherin der SPÖ freue ich mich auf diese Arbeit. Ich freue mich, dass in der Regierungserklärung und im Regierungsübereinkommen die Menschenrechte einen entsprechenden Stellenwert bekommen und wir die Menschenrechte nach vorne treiben können. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

23.59


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Steindl. Redezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 


23.59.21

Abgeordneter Konrad Steindl (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Es ist heute eigentlich alles gesagt. Ich werde mich daher sehr kurz fassen.

Die Regierungen Schüssel I und II haben beste Vorarbeiten für den Wirtschaftsstandort Österreich geleistet. Erfreulicherweise konnten die Erfolgsfaktoren im neuen Regie­rungsprogramm festgeschrieben werden. Wir können davon ausgehen, dass die Öster­reicherinnen und Österreicher in den nächsten vier Jahren einer guten Zukunft ent­gegengehen. Ich darf den Verhandlern meinen Respekt und meinen Dank zum Ausdruck bringen und wünsche der neuen Regierung ein herzliches Glückauf! (Beifall bei der ÖVP.)

23.59


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Lapp. Gewünschte Redezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 


0.00.07

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Ich möchte das Kapitel „Menschen mit Behinderung“ im Regierungsprogramm in einigen Punkten hervorheben. Der Titel dieses Kapitels heißt: „Barrieren in Gesetzen und Köpfen abbauen!“ Wir haben sehr intensiv mit­einander diskutiert und verhandelt und können auch auf konkrete Forderungen, Um­setzungen und auf einen sehr umfassenden Bereich verweisen, sodass behinderten Menschen in den kommenden vier Jahren Weiterentwicklung im Gleichstellungsrecht gesichert ist.

Sehr geehrte Frau Kollegin Haidlmayr! Sie haben die Angst formuliert, dass die große Koalition mittels Zwangsbeglückung und Fremdbestimmung mit behinderten Menschen verfährt, dass nicht nachgefragt wird, was behinderte Menschen wollen, dass die Expertise von behinderten Menschen nicht verlangt wird. – Das muss ich sehr stark in Abrede stellen.

Ich denke, die Expertise von behinderten Menschen ist sehr wichtig für das Kapitel, für den Bereich behinderte Menschen. Wir verstehen einander auch in dem Punkt, dass wir das Gleichstellungsrecht für behinderte Menschen weiterentwickeln wollen.

Ein weiterer sehr wesentlicher Punkt: Für zahlreiche Eltern und Kinder in Österreich ist die Integration in der Schule über die 8. Schulstufe hinaus wichtig. Das ist ein jahre­langes Anliegen und eine jahrelange Forderung von unserer Seite, und auch von zahlreichen Elternorganisationen beziehungsweise von Eltern mit behinderten


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Kindern. – Wir haben das im Programm festgeschrieben und werden an die Um­setzung gehen.

Weiters ist ein wesentlicher Aspekt, dem wir uns in diesem Kapitel gewidmet haben, der Arbeitsmarkt. Vor allem geht es darum, die Beschäftigung von behinderten Arbeit­nehmerInnen zu forcieren und die Anreizsysteme für Unternehmen weiterzuentwickeln. Es soll auch in diesem System so sein, dass die Akten rollen sollen und nicht die Menschen.

Beim Arbeitsmarkt ist es uns auch gelungen, neue Wege im Zuge der Ausgleichstaxe zu formulieren, nämlich in die Richtung, dass eine Progressionslösung für die Aus­gleichstaxe möglich wäre.

Weiters konnten wir auch – im Gegensatz zu den vergangenen Regierungen – fest­schreiben, dass das Bundessozialamt eine wichtige Einrichtung des Staates Österreich ist und dass das Bundessozialamt als Kompetenzzentrum für behinderte Menschen mit Rat und Tatkraft den behinderten Menschen zur Verfügung steht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Gleichstellungsrecht für behinderte Menschen gilt es weiterzuentwickeln. Es gilt, die bauliche Barrierefreiheit weiter­zuentwickeln. Es ist ein sehr ambitioniertes Programm, das wir hier vorgelegt haben. Ich weiß aber, mit den Mitgliedern der Regierung, die sich mit den Themen aus­einandergesetzt haben, sind wir auf einem guten Weg für die Menschen. (Beifall bei der SPÖ.)

0.03


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Murauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

 


0.03.25

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Meine Damen und Herren! Die Regie­rungen Schüssel I und II haben der Sicherheit in unserem Land und der Sicherheit der Menschen einen besonderen Stellenwert gegeben. Ich bin froh darüber, dass ganz wesentliche Positionen auch im jetzigen Regierungsübereinkommen festgeschrieben sind.

Sicherheit in unserem Land ist etwas ganz Besonderes, und die Menschen können sich auf diese neue Bundesregierung verlassen – auch wenn manche zur Geister­stunde wie Kollege Kräuter meinen, dass Österreich und dessen Luftraum nicht mehr zu schützen seien. Wir ordnen das der Geisterstunde zu und seinem besonderen Zugang zu dieser Stunde.

Wir – diese Bundesregierung und die Österreichische Volkspartei – stehen für die Sicherheit und tun alles, dass das österreichische Bundesheer entsprechend Mittel und Ausrüstung hat, um unser Land, unsere Menschen, unsere Kultur, unsere Wirtschaft zu sichern, wie das in der Vergangenheit der Fall war. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wenn sich der Verteidigungsminister heute für billigere Lösungen ausgesprochen hat, dann möchte ich ihn darauf aufmerksam machen, dass Sicherheitspolitik keine Billiglösungen zulässt, dass wir nicht nach Billiglösungen schielen können, sondern die besten Lösungen – Kosten und Nutzen – anzubieten haben und das Bundesheer – die Soldatinnen und Soldaten – zu befähigen haben, ihrem Auftrag gerecht zu werden, nämlich unserem Land im Inland Schutz und Hilfe zu gewähren und auch den Verpflichtungen im Ausland entsprechend nachzukommen.

Ich darf den Herrn Bundesminister, der uns leider schon vor langer Zeit verlassen hat (Abg. Strache: Aber das ist schon Ihr Minister!), natürlich darauf aufmerksam machen,


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dass es Irritationen in der Bevölkerung und auch bei den Soldaten und Bediensteten des Bundesheeres gibt, wenn sich ein Verteidigungsminister explizit ausspricht und den Wehrdienst verweigert und dies eigentlich ja gestern noch so bestätigt hat: gestern noch diese Haltung hatte und heute Verteidigungsminister ist. (Abg. Strache: Das ist wie, wenn ein Vegetarier Fleischhauer wird!)

Herr Bundesminister! Ich glaube, Sie würden der Sache einen sehr großen Dienst erweisen, wenn Sie diese Haltung, diese Verweigerung aufgeben, auch den Dienst mit der Waffe für notwendig erklären – wie jeder Grundwehrdiener seinen Eid auf die Republik leistet. Wenn Sie das ebenfalls zeigen und wiederholen, dass Sie Ihre Haltung widerrufen, dass Sie diese korrigieren und dass Sie auch das Bekenntnis, in letzter Konsequenz auch die Waffe zur Verfügung zu haben, um unser Land, unsere Menschen zu sichern, abgeben. – Das erwartet die Bevölkerung, das erwarte ich, das erwartet das österreichische Bundesheer von Ihnen.

Die Basis muss die Reformkommission sein, die klar festgehalten hat, dass wir ein schlankes, modernes, flexibles und sehr professionelles Bundesheer wollen. Die sechs Monate sind ja bereits Gesetz. Da benötigen wir keine besondere gesetzliche Maßnahme. Der Miliz muss ein hoher Stellenwert eingeräumt werden, und die 24 000 Vollbeschäftigungsäquivalente sind entsprechend abzusichern.

Die nationalen und internationalen Aufgaben haben ein Gleichgewicht zu haben. Das heißt, 10 000 Mann sollen für die Sicherheit in unserem Land, für den Katastrophen­schutz, für den Grenzschutz, aber auch in der Assistenz von Sicherheitsfragen zur Verfügung stehen.

International sind wir selbstverständlich – wie in der Vergangenheit – als Friedensheer unterwegs, mit entsprechendem Auftrag der UNO, der OSZE oder der Europäischen Union.

Die Petersberg-Aufgaben sind ein weiterer Punkt, wo wir uns international selbst­verständlich in der Vergangenheit bewährt haben und in der Zukunft bewähren wollen und den Menschen an den Grenzen Europas und darüber hinaus auch in der Mittel­meerregion bei humanitären Einsätzen, bei Katastrophen, bei Friedenserhaltungs­maßnahmen und Frieden schaffenden Maßnahmen zur Verfügung stehen. Dazu ist es notwendig, ein gut ausgerüstetes Bundesheer – auch mit Waffen – zur Verfügung zu haben. (Beifall bei der ÖVP.)

0.08


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schieder. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

 


0.08.27

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich ganz kurz – auch wenn heute schon wieder ein neuer Tag ist – dem ersten Kapitel im Regierungsprogramm widmen: der Stellung in Europa und in der Welt.

Ich glaube, es ist ein ambitioniertes Ziel, von der Stärkung des Vertrauens der Österreicherinnen und Österreicher in die europäische Integration zu sprechen. Die Bundesregierung hat die Aufgabe, im Jahr des 50. Geburtstags der Europäischen Union für Österreich an diesen Zukunftsperspektiven der Europäischen Union zu arbeiten. Ich glaube aber auch, es geht nicht um Appelle, es geht nicht um Plakatives, es geht nicht um leere Worthülsen, sondern der wichtigste Punkt dabei ist die Stärkung der sozialen Dimension innerhalb der Europäischen Union. (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 372

Das ist die Aufgabe der gesamten Bundesregierung, nicht einzelner Minister. Es geht darum, dass die gesamte Bundesregierung Rahmenbedingungen für mehr Arbeits­plätze schafft; dass die gesamte Bundesregierung Rahmenbedingungen für mehr Wachstum schafft; dass die gesamte Bundesregierung auch daran arbeitet, dass es einen Ausbau der Transeuropäischen Netze gibt – zum Beispiel auch ein Punkt, wo ich mir besonders von dieser Bundesregierung eine Verbesserung wünsche.

In den vergangenen sieben Jahren haben wir ja gedarbt – noch immer keine Ver­bindung nach Bratislava, noch immer keine Schienenverbindung in den Osten. Auch die Nutzung der Donau als intermodalen Knoten, als Wasserstraße, ist ja noch immer nicht ausreichend. Ich bin guten Gewissens, dass diese Bundesregierung das in Zukunft verbessern wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Geplant ist auch ein neuer Name für das Außenministerium, nämlich „Europa und Internationales“. Ich sage auch dazu, mir wäre noch lieber „Internationales und Europa“, weil es die meiner Meinung nach richtige Reihenfolge für dieses Ministerium wäre. Aber wichtig ist dieser Name: Es geht nicht um Externes, es geht um unser gemeinsames europäisches, globales Interesse. Das ist das Entscheidende, und das ist auch das Gute daran.

Wenn diese Regierung es schafft, die soziale Dimension Europas zu verstärken und zu verbessern, dann wird es ihr auch gelingen, das Vertrauen in die Europäische Union wieder zu verbessern. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

0.10


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Becher. Wunschredezeit: ebenfalls 3 Minuten. – Bitte.

 


0.11.02

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Bundeskanzler Gusenbauer hat in der Regierungserklärung die zentrale Bedeutung der Wohnbauförderung hervorgestrichen, und das ist keines­wegs selbstverständlich. Denn ich habe genug Stimmen aus der Vergangenheit im Ohr, die von einer Beschränkung und sogar Abschaffung gesprochen haben. Daher ist dieses ausdrückliche Bekenntnis sehr wichtig und grundlegend, weil die Wohnbau­förderung ein Garant für leistbares Wohnen ist. Leistbares Wohnen ist nicht denkbar ohne den gemeinnützigen Wohnbau, der von den gemeinnützigen Wohnbauträgern garantiert wird, und dies ist ein wichtiger Bestandteil der sozialen Sicherheit in unserem Land.

Sieht man sich die Entwicklung der Mietpreise in der Vergangenheit vor allem auf dem privaten Mietwohnungssektor an, so müssen wir feststellen, dass wir mit ständig steigenden Wohnkosten konfrontiert waren. Wenn man nach den Ursachen schaut, so sind sicher einmal die im EU-Vergleich sehr hohen Maklergebühren dafür verant­wortlich. Daher sehe ich es auch als echten Fortschritt, dass im Regierungsprogramm angeführt ist, dass die Provisionsobergrenze zu reduzieren ist. Das wird mit Sicherheit das Wohnen leistbarer machen.

Wenn man vom Eindämmen der Wohn- und Mietkosten spricht, so muss man auch über die Betriebskosten nachdenken und daran herangehen. Hier soll es zu einer Senkung kommen. Es ist auch angeführt, dass der Betriebskostenkatalog durchforstet und auf seine Zeitgemäßheit überprüft werden soll.

Um die Wohnkosten zu senken, ist auch der Bereich der Mietzinsbildung sehr wichtig. Daher heißt es im Programm, dass es um eine Verbesserung der Transparenz von Mietverträgen geht.


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Ich habe jetzt nur einige wenige Punkte aus einer Reihe von mehreren heraus­genommen, die aber alle im Sinne der Wohnungssuchenden und der Mieter sind und die den Wohnbau sicherlich leistbarer machen werden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

0.13


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Gartlehner. Wunschredezeit: ebenfalls 3 Minuten. – Bitte.

 


0.13.32

Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen auf der Regierungsbank sowie hier im Plenarsaal! Ich möchte mich ganz kurz halten und einige wichtige Punkte zum Thema Technologie- und Industriepolitik ansprechen.

Ich glaube, dass ein wesentlicher Punkt dieser neuen Bundesregierung darin liegen wird, noch zu überdenken, wie das neue Bundesministeriengesetz die Kompetenz­aufteilung in diesen Bereichen berücksichtigen wird. Ich denke, dass es hier einen Reformbedarf gibt, der seit sieben, acht Jahren eigentlich immer wieder diskutiert worden ist, aber es wurde nie der Mut gefunden, diese Strukturbereinigung zwischen universitärer und nichtuniversitärer Forschung herbeizuführen. Vielleicht gelingt es diesmal; ich glaube, das wäre ein wichtiger Punkt für ein gutes Wissenschafts- und Forschungsklima in Österreich.

Punkt zwei. Schwerpunkt Industrie-, Informations-, Kommunikationstechnologien: Alle geben sich bescheiden: Im Rahmen der Möglichkeiten können wir finanzieren, und so weiter und so fort. – Hier gibt es eine Branche, die enormes Wachstumspotential hat, die jetzt schon mit 6 Prozent jährlich wächst und die noch viel größere Potentiale aufweist, wenn man weiß, dass es in Österreich inzwischen mit 96 Prozent fast eine Vollversorgung gibt. Im internationalen Schnitt nicht sehr berühmt ist jedoch, dass die tatsächliche Nutzung durch User nur 38 Prozent beträgt, und hier liegt eben das Riesenpotential. Dieser Gap muss geschlossen werden: nicht nur Hardware, sondern auch Brainware für die IKT-Branche.

Ich glaube, es gibt hier ein großes und weites Feld für Beschäftigung und für Inno­vation. Das ist natürlich eine Aufgabe nicht nur für den Informationsminister oder für die Forschungsbranche, sondern für alle Ministerienbereiche, für die Verwaltung, für die Bildung, für den Gesundheitsbereich. Hier kann mit staatlichen Mitteln sehr viel an Potential und an Arbeit generiert werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es freut mich persönlich auch – zum Schluss kommend –, dass es gelungen ist, aus dem Industrieausschuss, der ein eher funk­tionsloser Ausschuss gewesen ist, über meine Bemühungen über Parteigrenzen hinweg einen Industrie- und Technologieausschuss zu entwickeln und diesem Aus­schuss jetzt auch ein Ministerium zuzuordnen. Ich hoffe daher, dass wir hier viele Aktivitäten entwickeln können, und freue mich schon auf die Arbeit. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

0.16


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Maier. Wunschredezeit: ebenfalls 3 Minuten. – Bitte.

 


0.16.21

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bun­desregierung! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die öster­reichische Konsumentenpolitik steht vor großen Herausforderungen. Daher freut es


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mich, dass alle Fraktionen in diesem Haus – erstmals seit 1945! – einen Konsumen­tenausschuss beschlossen haben.

Es freut mich besonders, dass wiederum ein Bundesministerium ganz konkret für die Koordination der Konsumentenangelegenheiten zuständig ist. Bundesminister Dr. Erwin Buchinger hat heute bei der Dringlichen Anfrage bereits eines klargestellt: Es wird, und zwar erstmals seit 2002, einen Bericht zur Lage der KonsumentInnen geben. Herr Bundesminister, ich möchte mich für diese Ankündigung bei Ihnen recht herzlich bedanken! (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Bundesministerin Schmied! Auch wir Konsumentenschützer haben an das Bil­dungs­ressort einige Ansprüche angemeldet. Es geht um die Frage: Wie werden unsere Kinder im Lebensalltag ausgebildet? Wie lernen sie, mit den neuen Telekommuni­kationstechnologien umzugehen? – Wir würden uns eines wünschen: mehr Konsumen­tenerziehung in den Schulen, Frau Bundesministerin, und mehr Konsumentenfor­schung. Wir hoffen, dass wir in diesen Fragen bei Ihnen die richtige Ansprechpartnerin gefunden haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man das Regie­rungsprogramm genau liest, dann finden sich darin sehr viele, sehr ambitionierte konsumentenpolitische Anliegen, insbesondere im justizpolitischen Kapitel, wenn es um die Fragen des Bauträgervertragsgesetzes geht. Hier gibt es noch aus der letzten Legislaturperiode die Einigung des Hohen Hauses, und hier erwarten wir uns klare Akzente für die österreichischen KonsumentInnen.

Wir erwarten uns aber auch in der Frage der Digitalisierung der Verbraucherrechte, in der Frage der Rechte der Personen, die mit den ÖBB fahren, eine Klarstellung. Denn eines möchte ich klar sagen: Die Menschen, die heutzutage die Bahn in Anspruch nehmen, können nicht auf die Entschädigungsmöglichkeiten zurückgreifen, die Flug­reisende heute haben. Ich glaube, wir brauchen gesetzliche Bestimmungen, um auch das Management der ÖBB in diesem Sinn zu erziehen.

Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Konsumentenpolitik steht vor großen Herausforderungen. In diesem Regierungsprogramm sind ganz wesentliche Aspekte enthalten. Wir werden im Konsumentenausschuss sehr viele Themen zu diskutieren haben, und ich ersuche Sie um Ihre Unterstützung. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

0.19


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Bayr. Wunschredezeit: ebenfalls 3 Minuten. – Bitte.

 


0.19.44

Abgeordnete Petra Bayr (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Das Kapitel zum Thema Entwicklungspolitik im Regierungsprogramm lässt einen relativ breiten Rahmen offen; ich freue mich, dass wir diesen parlamentarisch auf breiter Ebene sicherlich sehr gut konkretisieren und ausgestalten können. Lassen Sie mich das an einigen Punkten festmachen, wovon mir am wichtigsten die Frage der Kohärenz ist, nämlich darauf zu achten, dass unterschiedliche Politikbereiche auf das Ziel einer fairen und gerechten globalen Entwicklung hinarbeiten.

Ich denke, dass wir im Parlament mit der Einsetzung eines Beirats zum Nord-Süd-Dialog kurz vor Weihnachten einen recht wichtigen Schritt dazu gesetzt haben – übrigens über alle fünf Fraktionen übergreifend, konsensual –, dass wir möglichst viele Kolleginnen und Kollegen im Parlament auch aus anderen Ausschüssen in die Frage der Entwicklungspolitik involvieren wollen, dies für sie wichtig machen wollen und gemeinsam an dieser großen Aufgabe arbeiten wollen.


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Ich denke, die Regierung wird sich sicherlich ein Beispiel an dieser Initiative des Parlaments nehmen und ebenfalls zu konkreten Maßnahmen schreiten. Ich denke da zum Beispiel daran, dass wir möglicherweise schauen könnten, dass in Zukunft bei Gesetzesvorhaben auf dem Vorblatt nicht nur steht, was die Vorhaben kosten und ob sie EU-konform sind, sondern vielleicht auch schon im Entstehen eines Gesetzes überlegt wird, wie weit diese Gesetze auch für eine globale Entwicklung relevant sein werden. Das würde ein kohärentes Arbeiten sicherlich sehr erleichtern.

Ein zweiter Punkt betrifft die ganze Frage von Wirtschaft und Entwicklung, die im Regierungsübereinkommen auch breiten Raum einnimmt. Da meine ich, dass es sehr, sehr wichtig werden wird, eines klar zu definieren: Was ist es denn, was uns daran wichtig ist? – Es kann aus meiner Sicht nur so sein, dass wir wirklich Armuts­bekämpfung im Süden betreiben, dass wir schauen, dass Einkommen generiert wird, das breit verteilt wird und von dem nicht einige wenige profitieren, dass wir evaluieren und darauf achten, dass Arbeitsplätze geschaffen werden, dass Ressourcen nachhaltig verwendet werden und dass es den armen Menschen wirklich etwas bringt.

Zum Dritten nehmen wir uns die Frage der Evaluierung der ADA vor. Da glaube ich, dass wir einerseits mit den Grundlagen, mit den Daten, die wir schon haben, im Jahr 2007 durchaus zu einem ganz guten Befund kommen können, wobei uns immer klar sein muss, dass es das wirkliche Ziel sein muss, die ADA zu einer effektiven und effizienten Einrichtung zu machen, auch zu einer wirksamen Einrichtung vor Ort, die NGOs und Projektpartnern vor Ort Hilfestellung gibt. Ich denke, dass das machbar ist, ich denke, dass wir da ein sinnvolles ganzes Paket schnüren können und zu einer modernen österreichischen Entwicklungszusammenarbeit kommen können.

Dazu ist – viertens – natürlich auch genügend Geld notwendig, und da bekennen wir uns abermals zu internationalen Verpflichtungen wie dem Monterrey-Abkommen. Ich kann nur versprechen, dass ich alle meine Möglichkeiten einsetzen werde, um eine Steigerung auf 0,51 Prozent bis zum Jahr 2010 und auf 0,7 Prozent bis zum Jahr 2015 zu erreichen, auf dass wir einen wirklich spürbaren österreichischen Beitrag zur Armutsbekämpfung, zu geringerer Kinder- und Müttersterblichkeit, zur Berufsaus­bil­dung, zum Empowerment von Frauen, zur nachhaltigen Ressourcennutzung und vielem mehr leisten können.

Ich freue mich auf einen breiten politischen Dialog im Parlament, mit der Regierung, mit NGOs, mit der Wissenschaft, mit Medien, und ich bin mir sicher: Wir können unsere Entwicklungszusammenarbeit durchaus noch weiterentwickeln. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

0.23


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mayer. Ebenfalls 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


0.23.34

Abgeordneter Elmar Mayer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Das Bildungskapitel beginnt mit dem Satz „Bildungspolitik ist Chancenpolitik“. In der Bildungspolitik geht es um unsere Kinder und Jugendlichen. Kinder und Jugendliche sind unsere Zukunft, und man kann mit Recht sagen: Bildungspolitik ist Zukunftspolitik.

Die neue Unterrichtsministerin hat heute in ihrer, wenn man so will, Antrittsrede gesagt, zur Umsetzung ihrer Politik brauche es lange, mühsame und kostspielige Wege. – Wie Recht sie hat, meine Damen und Herren! Das ist aber auch die Herangehensweise, wie man als Bildungspolitiker diesem Regierungsprogramm zustimmen kann. Auch ich


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muss zur Kenntnis nehmen, dass zwar rasche Reformschritte dringend notwendig wären, aber das Geld dafür ganz einfach fehlt.

Ich hoffe, dass die neue Unterrichtsministerin endlich mit Nachhaltigkeit und Wirt­schaft­lichkeit in der Bildungspolitik beginnt. Was meine ich damit? – Ich bringe ein kurzes Beispiel als langjähriger Schulleiter und als einer, der auch viele hundert Kinder eingeschult hat, und verweise auf die Frühpädagogik.

Es ist fast fahrlässig, wie man in den vergangenen Jahren die neuen Erkenntnisse in der Hirnforschung, die neuen Erkenntnisse der Wissenschaft einfach übergangen hat. Man weiß, dass die Hirnreifung mit sieben Jahren in etwa abgeschlossen ist. Man weiß auch, dass das genau die Zeit wäre, in der man Kinder optimal fördern kann, ob es Schwächen sind, die es zu beseitigen gilt, oder ob es Stärken sind, ob es kreative Aufgaben sind, die man fördern kann.

Dieses Alter bis sieben Jahre wird bisher zu wenig genutzt, von zu wenig gut aus­gebildeten Pädagogen. Es braucht hier ein eigenes Berufsbild der Frühpädagogen, die auch diese neuen Erkenntnisse mitbringen. Wenn wir diese Schritte setzen, ist meiner Meinung nach das, was man jetzt sieht, ein erster Schritt, ein wichtiger Schritt im Bereich der Frühpädagogik, aber eben nur ein erster kleiner Schritt.

Meine Damen und Herren! Was ist nachhaltiger, als Kinder in jener Zeit optimal zu fördern, in der es fast spielerisch leicht möglich ist, in der es volkswirtschaftlich am billigsten ist und in der es nachweislich den absolut größten Nutzen für die Gesamt­entwicklung eines jungen Menschen mit sich bringt?

Die Frau Minister hat gesagt, sie ist eine harte Kämpferin. Ich verspreche Ihnen, wir werden Ihre Mitstreiter sein, denn ich bin der Überzeugung, der Kampf lohnt sich. Alles Gute! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

0.26


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Trunk. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


0.26.42

Abgeordnete Mag. Melitta Trunk (SPÖ): Herr Präsident! Wirklich geschätzte Frau Ministerin! Herr Minister! Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Übrigens: danke schön für Ihre vorbildliche Solidarität und Ihre Anwesenheit auch zu dieser frühen Morgenstunde. Danke schön! (Abg. Ing. Westenthaler: Danke, Frau Ministerin, danke! Und einen guten Rutsch!)

Was für den Konsumentenschutz gilt, gilt auch – in aller Kürze – für den Tourismus: Es ist der SPÖ zuzuschreiben, dass es nach vielen, vielen Jahren wieder einen Touris­musausschuss gibt. Es ist ihr zuzuschreiben, dass es eine inhaltliche Positionierung, ein knappes Kapitel zum Tourismus und wesentliche Kennzeichen, Kennmerkmale in den anderen Bereichen als Querschnittmaterie des Tourismus gibt. Dafür ist aus­schließlich das Verhandlungsteam der SPÖ verantwortlich!

Hier danke ich vor allem auch meinem Vorgänger in der Funktion des Touris­mus­sprechers der SPÖ, Dietmar Hoscher, der das gefordert hat, was heute Realität ist. Der Kronzeuge dafür sitzt übrigens hier vorne: der vormalige Herr Bundeskanzler, jetzt Klubobmann.

Damit wird diesem für Österreich sehr wichtigen Wirtschaftsbereich wieder jene Bedeutung gegeben, die er leider in den vergangenen sieben Jahren und darüber hinaus nicht hatte. Uns Sozialdemokraten und -demokratinnen ist es wichtig, dass im Bereich des Tourismus auch die Gestaltung und die Inanspruchnahme der leistbaren Freizeiteinrichtungen auch für Österreicher und Österreicherinnen ein wesentlicher


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Faktor ist. Uns Sozialdemokraten und -demokratinnen ist es wichtig, ein nachhaltiges Förderprogramm für die Tourismus- und die Freizeitwirtschaft umzusetzen, wobei die Förderrichtlinien – auch die sind im Regierungsprogramm verankert – eine neue Quali­tät im Hinblick auf Innovation, vor allem Beschäftigungswirkung und das Setzen von Wachstumsimpulsen haben. (Abg. Mag. Stadler: Golfplätze!)

Die Tourismuswirtschaft und die Freizeitwirtschaft brauchen nicht nur Lippenbekennt­nisse, sondern reale Konzepte, in Wirklichkeit hin zu einem Ganzjahrestourismus. In diesem Regierungsprogramm sind verankert – in aller Kürze, weil das mein Kollege vom BZÖ offensichtlich nicht gefunden hat; er hat auch kein Wort zum Tourismus verloren –: die Errichtung von Modellregionen, die Erhöhung der Tourismusförderung, insbesondere die Ausweitung von Garantien und Risikokapitalfonds, Sonderförder­programme für Tourismusschulen und dergleichen mehr; die Zeit, es aufzuzählen, fehlt mir.

Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Was der Tourismus braucht, ist Engagement, Kreativität, die Fähigkeit zur Vernetzung (Abg. Mag. Stadler: Golfplätze, Golfplätze und noch einmal Golfplätze!) und faire Chancen im nationalen und auch internationalen Wettbewerb, weil wir auch unter den Bundesländern unterschiedliche Standards haben. Tourismus braucht – Herr Kollege Westenthaler! – Kooperation, Know-how über Regionen und auch Parteigrenzen hinweg.

Als neue Tourismussprecherin meiner Fraktion biete ich diese Form der Qualität der Zusammenarbeit sowohl dem abwesenden Herrn Wirtschaftsminister Bartenstein als auch meinen Kollegen im Nationalrat und ganz besonders jenen im Tourismus Be­schäftigten, selbstständig Erwerbstätigen und unselbstständig Erwerbstätigen an. – Ich danke für Ihre geteilte Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westen­thaler: Ein kometenhafter Aufstieg!)

0.30


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Hauser. Welche Redezeit soll ich Ihnen einstellen, Herr Kollege? (Abg. Mag. Hauser: Vier!) 4 Minuten. – Bitte.

 


0.30.19

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Minister! Ich wollte wirklich heute zu dieser späten Stunde nichts mehr sagen, aber nachdem meine Vorrednerin, Frau Mag. Trunk, festgehalten hat, dass der Tourismus so großartig im Regierungsprogramm verankert ist, muss ich dem schon entgegenhalten, dass ich eigentlich schockiert und betroffen bin, dass dieser Wirtschaftszweig, der gerade für den ländlichen Raum extrem hohe Bedeutung hat, gerade mit einer halben Seite im Regierungsprogramm berücksichtigt wird. Das ist also aus meiner Sicht wirklich eine Schande, wenn man bedenkt, welche Bedeutung der Tourismus gerade im Westen Österreichs hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich bin eigentlich erstaunt, dass meine ÖVP-Kollegen – und gerade die aus Tirol – das einfach so zur Kenntnis nehmen. Im Regierungsprogramm steht nämlich zum Touris­mus außer Floskeln, bitte, überhaupt nichts drinnen. Es ist darin kein einziger Punkt enthalten, der über Plattitüden hinausgeht. Wenn ich darin lesen muss: Bekenntnis zum Ganzjahrestourismus, so muss ich sagen: No na net! Bitte, ist das etwas Neues? (Abg. Mag. Trunk: Leider ja!)

Senkung der Lohnnebenkosten – No na net, bitte schön! Seit Jahren wird das gefordert. Was ich mir wirklich erwartet hätte, wären konkrete Ansätze. Ich kann nicht einmal einen Halbsatz aus dem Regierungsprogramm herauslesen, der sich wirklich mit diesem Kapitel beschäftigt. Das Ganze wird auf einer halben Seite gestreift. Die


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vielen Fragen, die allein die österreichische Hoteliervereinigung an sämtliche Touris­mussprecher gestellt hat, bleiben darin unbeantwortet. (Abg. Mag. Trunk: Das war nur eine Grundlegung!)

Ich stelle also abschließend zu nächtlicher Stunde fest: Hier hat man geschlafen. (Abg. Mag. Trunk: Nein, das sind die Grundlagen!) Ich stelle weiters fest: Vielleicht können wir etwas dazu beitragen, dass Sie gerade in diesem Bereich wieder munter werden und tatsächlich auch etwas dazu beitragen, dass der Tourismus zukünftig vielleicht mit jener Bedeutung bedacht wird, die er verdient, nämlich mit einer wesentlichen. – Ich danke. (Beifall bei der FPÖ.)

0.32


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dobnigg. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


0.32.33

Abgeordneter Karl Dobnigg (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Werte Kolleginnen! Werte Kollegen! Nach über sechs mageren Jahren für Österreichs Pensionistinnen und Pensionisten wird es erfreulicher­weise – und das haben wir gestern aus dem Munde unseres neuen Bundeskanzlers, Dr. Alfred Gusenbauer, erfahren; und es ist auch aus dem Regierungsprogramm ersichtlich – nun zu weitreichenden Verbesserungen bei den Pensionen kommen. Das ist ein sichtbares Zeichen der Wertschätzung für jene Menschen, für jene Generation, die Österreich unter schwierigsten Bedingungen nach dem Zweiten Weltkrieg aufge­baut und auch das Fundament für die weiteren Generationen errichtet hat. Der Erfolg des SPÖ-Verhandlungsteams besteht beim Kapitel Pensionen darin, dass die letzten Pensionsreformen, die von uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten immer zu Recht kritisiert wurden, entschärft werden konnten. (Abg. Ing. Westenthaler: Die Roten jetzt in der Regierung sind!)

Eindeutige Verbesserungen gegenüber der derzeitigen Situation sind zum Beispiel, dass der abschlagsfreie Pensionsantritt mit 55 beziehungsweise 60 Jahren bei der so genannten Hacklerregelung bis 2010 verlängert wird, die bisherigen doppelten Abschläge bei der Korridorpension verringert werden und der Abschlag im Altrecht halbiert wird. Bei der Schwerarbeiterpension wird es keine Abschläge für besonders belastete Berufsgruppen mehr geben. Und ich finde es auch richtig, dass es hier zu Verhandlungen um diesbezügliche Verbesserungen kommen wird.

Erfreulich ist auch, dass die Kindererziehungszeiten für die Pensionen aufgewertet werden. Die Beitragsgrundlage für die Kindererziehungszeiten wird in Zukunft valo­risiert und damit an die Inflation angepasst werden. Bei den Pensionen wegen gemin­derter Arbeitsfähigkeit, also den Invaliditätspensionen, wird eine Harmonisierung ange­strebt. Personen, die trotz ihrer geminderten Arbeitsfähigkeit die Anforderung für eine Invaliditätspension noch nicht erfüllen, soll ebenfalls geholfen werden. (Abg. Mag. Stadler: Lampe!)

Ein wesentlicher Durchbruch gelang auch im Bereich der jährlichen Pensions­anpas­sung, und hier wird nun auch die Teuerung automatisch ausgeglichen.

Ein besonders großer Meilenstein ist im Bereich der Mindestpensions- und Aus­gleichszulagenbezieher gelungen. Nicht zu übersehen ist auch – und darauf können wir sehr stolz sein –, dass Österreich zu einem von nur drei Ländern in der EU gehört, in denen die Mindestpension jetzt über der Armutsschwelle liegt. (Abg. Mag. Stadler: Die rote Lampe!)

Werte Kolleginnen, werte Kollegen! Mit diesem Programm wird die SPÖ als Kanzler- und Regierungspartei noch um einiges mehr an Gerechtigkeit und Fairness in das


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Land bringen und somit wesentlich zur Verbesserung der Lebensqualität der Men­schen beitragen. Arbeiten wir daher ab sofort und gemeinsam für ein sozialeres und gerechteres Österreich! (Beifall bei der SPÖ.)

0.35


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Vorläufig letzter Redner in dieser Debatte ist Herr Abgeordneter Steier. Ebenfalls 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


0.35.42

Abgeordneter Gerhard Steier (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Regierungs­kolle­ginnen und -kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Als Schlussredner darf ich zum Abschluss zum Kapitel Umweltpolitik der Regierungserklärung noch kurz Stellung nehmen. Ein zentrales Projekt dieser Bundesregierung ist der Klimaschutz. Die letzten Jahre waren geprägt von überwiegend schlechten klimapolitischen Nachrichten. Den­ken Sie zum Beispiel nur an die dramatischen Resultate des so genannten Stern-Reports! Ende Jänner wird es wieder zu einem Bericht des Gremiums der Klima­wissenschafter der Vereinten Nationen kommen, und vermutlich werden weitere erschreckende Details verlautbart werden.

Der Klimawandel ist – und das ist uns allen bewusst – da. Jeder Einzelne kann die Erwärmung an den frühlingshaften Wetterkapriolen und am Pollenflug mitten im Winter beobachten. Das wird auch für die nächsten Jahrzehnte nicht mehr aufzuhalten sein. Das heißt, resümierend ist festzuhalten: Es bleibt nur wenig Zeit, sehr viel zu tun.

Neben dem Erreichen des nationalen Kyoto-Ziels, was angesichts der Entwicklung der letzten Jahre einen fast unmöglichen Kraftakt verlangt, muss auch im Bereich der Energieversorgung und Energienutzung ein größerer Beitrag zum Klimaschutz geleistet werden. Dazu werden auch die geplanten Maßnahmen zum weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien, für Energiesparen und für mehr Energieeffizienz sorgen.

Meine geschätzten Damen und Herren! Auch die Einbeziehung der Emissionen des Flugverkehrs hat Eingang in das Regierungsprogramm gefunden. Dies ist insofern von besonderer Bedeutung, als die Emissionen aus dem Luftverkehr derzeit zwar nur 3 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen der EU ausmachen, aber stetig zunehmen. Seit 1990 steigerten sie sich um 87 Prozent. Es wird prognostiziert, dass sich Flugzeugemissionen bis 2020, gemessen an den gegenwärtigen Werten, mehr als verdoppeln werden.

Gestatten Sie abschließend eine Anmerkung, die zur gesamten Darstellung dieses Kapitels angebracht erscheint: Zur Nachhaltigkeit und zur Vorsorge gegen Belastungen unserer Umwelt durch Emissionen und durch Lärm kommt es nicht von selbst, sondern sie müssen politisch ambitioniert betrieben werden. Dafür stellt der Umweltbereich des Regierungsübereinkommens eine gute Ausgangsbasis dar. Ich hoffe, wir werden gemeinsam Initiativen setzen und hier gemeinsam die Ziele verfolgen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und des Abg. Neugebauer.)

0.38


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Weiters hat sich Herr Abgeordneter Öllinger zu Wort gemeldet. 6 Minuten ist die Restredezeit der Fraktion der Grünen. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


0.38.33

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Broukal hat heute in einem Redebeitrag ein Interview von mir angesprochen. Ich nehme kurz darauf Bezug. Dieses Interview hat damit begonnen, dass ich gesagt habe: Rot-Schwarz wird ein ziemliches Gewürge! Nun, nach dem Ablauf dieses Tages zur Regierungserklärung kann ich nur sagen: Ich bin sicher kein Prophet, aber es


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stimmt. Was ich mitnehme von diesem heutigen Tag, ist, dass die Ressortaufteilung offensichtlich noch nicht endgültig fixiert ist. Wer die Forschungsagenden erhält, ist noch offen. Es ist offensichtlich noch offen – das ist die einzige nicht präzise beant­wortete Frage durch den Sozialminister –, was mit dem Konsumentenschutz passiert. (Ruf bei der SPÖ: Das hat er ja in seinem Statement gesagt! – Abg. Ing. Westen­thaler: Er weiß immer noch nicht, welche Kompetenzen er hat!)

Was ich aus der heutigen Sitzung mitnehme, ist die Erkenntnis: Es wird in vielen Fragen evaluiert, wie weiter vorgegangen werden soll. In ungefähr 40 Themen­bereichen wird evaluiert oder bewertet, wie weitergearbeitet werden soll. Das ist das Bild einer Bundesregierung, die sich entschlossen hat, sich heute zu präsentieren. – Gut so! Oder eigentlich schlecht so, schlecht so für Österreich. (Abg. Dr. Stummvoll: Es wird regiert, und das wollt ihr nicht!) Sie sagen, Herr Stummvoll, „es wird regiert“. Es wird eben nicht regiert! Es wird evaluiert, wie man regieren könnte und sollte, und das macht einen großen Unterschied aus, Herr Kollege Stummvoll!

Wenn evaluiert wird, wenn gestritten wird, welche Kompetenzen wer hat, dann ist eben nicht klar, wie regiert wird. Unabhängig davon, welche Inhalte vertreten werden, ist das nicht gut für das Land, Herr Kollege Stummvoll und meine sehr geehrten Damen und Herren.

Ich möchte aber Kollegen Broukal noch etwas sagen, den ich ja jetzt hier herinnen sehe. Herr Kollege Broukal hat angesichts dieser Äußerung, die ich im Interview gemacht habe, behauptet, ich hätte mich für Studiengebühren ausgesprochen. (Abg. Broukal: Das haben Sie auch!) Ich kann nur noch einmal wiederholen, was ich zu den Studiengebühren und zum „Modell Gusenbauer“ erklärt habe. Ich komme aus einer Arbeiterfamilie, und ich hätte so nie studieren können. Und ich sage Ihnen Folgendes dazu, Herr Kollege: Ich lehne dieses Modell grundsätzlich ab! Das war meine Äuße­rung. Wie Sie zu der Interpretation kommen, die Grünen – oder auch ich – hätten sich für Studiengebühren ausgesprochen, bleibt mir angesichts dieser Äußerung fremd.

Der zweite Punkt war: Ich habe versucht, einigermaßen ehrlich das, was auch für die heutige Sitzung relevant ist, vorzunehmen, nämlich eine Gesamtbewertung. Selbstver­ständlich bin ich der Meinung, dass man auch über Studiengebühren debattieren kann, wenn andere Punkte erkennbar sind, welche die Studiengebühren so weit abmildern, dass sie nicht mehr vorhanden sind. (Abg. Broukal: So ist es!) Ich habe daher gesagt: Die Studiengebühren sind nicht das einzige Problem. Der Zugang zu den Universitäten für alle sozialen Schichten und die Möglichkeiten, die leider fehlen, ein Studium innerhalb regulärer Zeiten abzuschließen, sind genauso wichtig.

Herr Kollege Broukal, wo sind diese Möglichkeiten, ein Studium innerhalb regulärer Zeiten abzuschließen? Wo sind die Möglichkeiten für die Studierenden, zu Stipendien zu kommen, die einigermaßen akzeptable Höhen erreichen?

Herr Kollege Broukal, nehmen Sie das Beispiel der Zentralausschussvorsitzenden, der ÖH-Vorsitzenden! (Abg. Dr. Stummvoll: Setzt euch doch nachher zu zweit zusam­men!) Das ist ja eine tragische Sache, da ist nicht darüber diskutiert worden: Da gibt es nämlich eine ÖH-Vorsitzende, die 200 € Stipendium erhält. Und davon soll man leben können? Diese Frau engagiert sich für einen Zugang zur Universität, der frei von Studiengebühren ist und bleiben soll, und zwar tut sie das aus eigener Erfahrung, weil sie weiß, wie schwierig das ist.

Es geht aber nicht nur um die Studiengebühren; das habe ich gesagt. Es ginge auch um Stipendien. Und hören Sie auf, mit Kreditmodellen zu kommen, die für die Studenten nicht leistbar sind, zumal Sie wissen, dass sich die Studenten dadurch auf Jahre hinaus nach dem Studium verschulden. – Das ist der Punkt, Herr Kollege Broukal!


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Betrachten wir das Gesamte, nicht nur das Thema Studiengebühren! Betrachten wir alles, was Sie zum Thema Universitäten und Bildung gemacht haben! Da kann man nur sagen: Kein Schritt in Richtung mehr Gerechtigkeit für die Schulen und für die Bildung, denn alles, was Sie hier angeboten haben, bleibt im finanziellen Morast stecken! Sie haben kein Geld dafür, Sie wollen kein Geld lockermachen.

Betrachten wir das Gesamte, dann kommen wir zu dem Ergebnis: Außer Streit, außer Differenzen, außer Evaluierung von ungeklärten Problemen ist sich diese Bundes­regierung, sind sich diese Koalitionsparteien ganz offensichtlich über die wesentlichen Fragen, wie es in diesem Land weitergehen soll, noch immer nicht einig. (Beifall bei den Grünen.)

0.44



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 382

Präsident Dr. Michael Spindelegger: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Mag. Johann Maier zu Wort gemeldet.

Herr Abgeordneter, ich mache Sie auf die Bestimmungen des § 58 GO aufmerksam: Maximal 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


0.44.18

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mein Vorredner, Kollege Öllinger, hat in seiner Wortmeldung behauptet, es wäre nicht klar, wohin der Konsumentenschutz ressortiert.

Ich stelle richtig: Es ist absolut klar, die Konsumentenschutzagenden gehören zum Sozialministerium. Das Bundesministerium heißt: Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz, und dafür ist ausschließlich Bundesminister Dr. Erwin Buchinger verantwortlich. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt weiß er es auch! –Abg. Mag. Stadler: Jetzt weiß er es wenigstens!)

0.45


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Eine weitere Wortmeldung liegt vor vom Herrn Abgeordneten Broukal. Redezeit: 1 Minute. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


0.45.00

Abgeordneter Josef Broukal (SPÖ): Ich wollte natürlich Kollegen Öllinger und auch nicht den Grünen generell unterstellen, dass sie jubelnd für Studiengebühren sind – das verstehe ich schon sehr gut –, aber, lieber Karl, auch lieber Herr Professor Van der Bellen, ihr habt auch ein Archiv und ihr wisst sehr gut, dass es auch bei euch Wort­meldungen von Leuten gibt, die das Ganze sehen. Und in dieser Situation standen wir auch. Soll es an den Studiengebühren scheitern? – Und du selbst hast ehrlicherweise gesagt, du glaubst, ihr hättet es auch nicht an den Studiengebühren allein scheitern lassen im Jahr 2002. (Abg. Mag. Stadler: Am Eurofighter-Kauf hättet ihr es aber schon scheitern lassen müssen!)

Schau, es ist so: Wenn ihr euch vorgestern vorgenommen habt, dass ihr das heute da zum Thema macht, dann müsst ihr das schon auch ein bissel updaten, wie man im Journalismus sagt. Zwischen dem, was ihr vorgestern den Zeitungen gegenüber gesagt habt, und heute liegt die eindeutige Ankündigung, für die Stipendien 25 Millionen € – in altem Geld hätten wir gesagt: 350 Millionen S – mehr herzugeben. Es liegt das Versprechen des Wissenschaftsministers und der SPÖ vor, dafür zu sorgen, dass es diese zinsenlosen, nur bei entsprechendem Einkommen zurückzu­zahlenden Kredite gibt. Tun wir, bitte, nicht so, wie wenn das alles nichts wert wäre. Eure alte Politik: Alles oder nichts, und wenn es nicht alles ist, ist es nichts wert!, die stimmt nicht! Es gibt auch inkrementellen Fortschritt. (Beifall bei der SPÖ.)

0.46


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich bitte alle Damen und Herren, Platz zu nehmen. Wir kommen zu den Abstim­mungen.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Dr. Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschaffung der Studiengebühren.

Es ist namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von 20 Abgeordneten gestellt wurde, ist die namentliche Abstim­mung durchzuführen. Ich gehe daher entsprechend vor.

Die Stimmzettel, die zu benützen sind, befinden sich in den Laden der Abgeord­netenpulte und tragen den Namen des Abgeordneten sowie die Bezeichnung „Ja“ – das sind die grauen Stimmzettel – beziehungsweise „Nein“ – das sind die rosa­farbenen. Für die Abstimmung können ausschließlich diese amtlichen Stimmzettel verwendet werden.

Entsprechend der Geschäftsordnung werden die Abgeordneten namentlich aufgerufen, den Stimmzettel in die bereitgestellte Urne zu werfen.

Ich ersuche jene Abgeordneten, die für den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschaffung der Studien­gebühren stimmen, „Ja“-Stimmzettel, jene, die dagegen stimmen, „Nein“-Stimmzettel in die Urne zu werfen.

Ich bitte nunmehr den Herrn Schriftführer, Abgeordneten Wimmer, mit dem Namens­aufruf zu beginnen; Frau Abgeordnete Dr. Fekter wird ihn später dabei ablösen. – Bitte, Herr Kollege.

(Über Namensaufruf durch den Schriftführer Wimmer und die Schriftführerin Dr. Fekter werfen die Abgeordneten die Stimmzettel in die Urne.)

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Die Stimmabgabe ist beendet.

Die damit beauftragten Bediensteten des Hauses werden nunmehr unter Aufsicht der Schriftführer die Stimmenauszählung vornehmen.

Die Sitzung werde ich zu diesem Zweck für einige Minuten unterbrechen.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Die zuständigen Beamten nehmen die Stimmenauszählung vor. – Die Sitzung wird um 0.53 Uhr unterbrochen und um 1.02 Uhr wieder aufgenommen.)

Präsident Dr. Michael Spindelegger: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt:

Abgegebene Stimmen: 161, davon „Ja“-Stimmen: 35, „Nein“-Stimmen: 126.

Der Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschaffung der Studiengebühren ist somit abgelehnt.


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Gemäß § 66 Abs. 8 der Geschäftsordnung werden die Namen der Abgeordneten unter Angabe ihres Abstimmungsverhaltens in das Stenographische Protokoll aufge­nommen.

Mit „Ja“ stimmten die Abgeordneten:

Belakowitsch-Jenewein, Bösch, Brosz;

Fichtenbauer;

Gradauer, Graf, Grünewald;

Haidlmayr, Haimbuchner, Hauser, Hradecsni;

Kickl, Kogler, Kurzmann;

Lichtenecker, Lunacek;

Mayerhofer, Moser;

Neubauer Werner;

Öllinger;

Pirklhuber;

Rosenkranz, Rossmann;

Sburny, Schatz, Stadler Ewald, Stoisits, Strache;

Themessl;

Van der Bellen;

Weinzinger Brigid;

Zach, Zanger, Zinggl, Zwerschitz.

Mit „Nein“ stimmten die Abgeordneten:

Ablinger, Amon, Aubauer, Auer Jakob, Auer Klaus Hubert;

Bauer, Bayr, Becher, Binder-Maier, Brinek, Broukal;

Cap, Csörgits;

Darmann, Dobnigg, Dolinschek, Donabauer Karl, Donnerbauer Heribert;

Eder Kurt, Eder Sebastian, Eder-Gitschthaler, Ehmann, Einem, Einwallner, Eisen­schenk, Eßl;

Fasslabend, Faul, Fazekas, Fekter, Fleckl, Freund, Fuhrmann, Füller, Fürntrath;

Gaál Anton, Gahr Hermann, Gartlehner, Gaßner, Glaser, Grander, Grillitsch, Grossmann, Großruck;

Haberzettl, Hagenhofer, Hakl, Haubner Peter, Haubner Ursula, Heinisch-Hosek, Heinzl, Hlavac, Höfinger, Höllerer, Hörl, Hornek;


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Ikrath;

Jarolim;

Kaipel, Kapeller, Karl, Keck, Kirchgatterer, Königsberger-Ludwig, Kößl, Krainer, Kräuter, Krist, Kukacka;

Lapp, Lentsch;

Maier Ferdinand, Maier Johann, Marizzi, Mayer Elmar, Mikesch, Missethon, Mitterlehner, Morak, Muchitsch, Murauer, Muttonen;

Neugebauer Fritz, Niederwieser;

Oberhauser, Obernosterer;

Pack, Parnigoni, Pendl, Pfeffer, Prähauser, Prammer, Praßl, Prinz;

Rada Robert, Rasinger, Rauch-Kallat, Rädler, Riener Barbara, Riepl, Rinner Sylvia;

Schalle, Scharer, Schasching, Scheibner, Schieder Andreas, Schönpass, Schopf, Schultes, Schüssel, Sieber Norbert, Sonnberger, Spindelberger Erwin, Spindelegger Michael, Stadlbauer, Stadler Astrid, Steier, Steindl Konrad, Stummvoll;

Tamandl, Trunk;

Westenthaler, Wimmer, Wittmann, Wöginger, Wurm.

*****

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger (das Glockenzeichen gebend): Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, Platz zu nehmen. Wir kommen noch zu weiteren Abstim­mungen.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Ing. Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Zurück in die Zukunft“ – Fortsetzung des Erfolgskurses der letzten sieben Jahre statt Stillstands-, Belastungs- und Plattitüdenpolitik.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vollziehung durch den Bundes­minister für Landesverteidigung gemäß seinen verfassungsmäßigen Aufgaben.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend dringende Klimaschutz-Maßnahmen im Bereich Verkehr.

Ich bitte jene Damen und Herren, die mit diesem Entschließungsantrag einverstanden sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Damit ebenfalls abgelehnt.


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Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Cap, Dr. Schüssel, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterstüt­zung und Umsetzung des Regierungsprogramms.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Angenommen. (E 8.)

Die Tagesordnung ist erschöpft.

01.03.32Einlauf

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 88/A bis 95/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 247/J bis 256/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 1.03 Uhr – das ist im Anschluss an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

01.04.00Schluss der Sitzung: 1.04 Uhr

 

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Parlamentsdirektion

1017 Wien