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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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67. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXIII. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 9. Juli 2008

 

 


Stenographisches Protokoll

67. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXIII. Gesetzgebungsperiode                        Mittwoch, 9. Juli 2008

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 9. Juli 2008: 9.05 – 22.34 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bericht über den Antrag 841/A der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Dr. Wolf­gang Schüssel, Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die XXIII. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates vorzeitig beendet wird

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Tabakgesetz, das Allgemeine Sozialversiche­rungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversi­cherungsgesetz geändert werden

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Suchtmittelgesetz – SMG und das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz – GESG geändert werden (SMG-Novelle 2008)

4. Punkt: Bericht über den Antrag 836/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belako­witsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend nationalen Gesundheitsgipfel zum Thema Gesundheitsreform

5. Punkt: Bericht über die Petition (28/PET) betreffend „Resolution der Interessen­gemeinschaft der Dialysepatienten und Nierentransplantierten Kärntens“, überreicht vom Abgeordneten Mag. Gernot Darmann

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesbehindertengesetz geändert wird

7. Punkt: Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sowie das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behin­derungen (gemäß § 28a GOG keine Ausschussvorberatung)

8. Punkt: Bericht über den Antrag 185/A(E) der Abgeordneten Mag. Gernot Dar-
mann, Kollegin und Kollegen betreffend Einführung einer einheitlichen ärztlichen Begutachtung durch das Bundessozialamt für die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b STVO

9. Punkt: Bericht über den Antrag 318/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Rechtsanspruch auf persönliche Assistenz am Ar­beitsplatz


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 2

10. Punkt: Bericht über den Antrag 510/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erstellung eines Plans zum Abbau baulicher Bar­rieren für die vom BMLV genutzten Gebäude

11. Punkt: Bericht über den Antrag 517/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Pflegegeldleistungen mit Auslandsbezug

12. Punkt: Bericht über den Antrag 518/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Prüfung der widmungsgemäßen Verwendung des Pflegegeldes durch Gesundheitsmanager

13. Punkt: Bericht über den Antrag 247/A(E) der Abgeordneten Heinz-Christian Stra­che, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erstellung einer Studie über die ökonomi­schen und sozialen Auswirkungen von Zuwanderung nach Österreich und die damit verbundenen Auswirkungen auf den Sozialstaat

14. Punkt: Bericht über den Antrag 709/A(E) der Abgeordneten Ursula Haubner und Kollegen betreffend Einführung eines Generationengeldes in Österreich

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Lebensmittelgesetz 1975 sowie das Lebens­mittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz geändert werden

16. Punkt: Bericht über den Antrag 825/A(E) der Abgeordneten Johann Rädler, Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kennzeichnungspflicht von verarbeiteten Eiern in Fertig- bzw. Eiprodukten und in der Gastronomie nach Herkunft und Haltungsform“

17. Punkt: Bericht über den Antrag 828/A(E) der Abgeordneten Johann Rädler, Mag. Johann Maier, Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Kennzeichnung von Lebensmitteln und den

Antrag 38/A(E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Herkunftsbezeichnung bei allen Lebensmitteln sowie „Made in the EU“-Kenn­zeichnungssystem

18. Punkt: Bericht über den Antrag 827/A(E) der Abgeordneten Johann Rädler, Mag. Johann Maier, Sigisbert Dolinschek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Neufas­sung der europäischen Verordnung über Kosmetika

19. Punkt: Bericht über den Antrag 826/A(E) der Abgeordneten Erwin Spindelberger, Johann Rädler, Sigisbert Dolinschek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Transpa­renz bei Internet-Roaming-Gebühren und den

Antrag 623/A(E) der Abgeordneten Bettina Hradecsni, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Schutz vor ungewolltem Datenroaming in Grenznähe

20. Punkt: Bericht über den Österreichischen Forschungs- und Technologiebe­richt 2008, vorgelegt vom Bundesminister für Wissenschaft und Forschung und vom Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

21. Punkt: Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien über die polizeiliche Zusammenarbeit

22. Punkt: Bericht über den Antrag 750/A(E) der Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler, Kollegin und Kollegen betreffend Suche nach vermissten Personen

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Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 3

Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 13

Ordnungsruf ................................................................................................................. 177

Geschäftsbehandlung

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen des schriftlichen Aus­schussberichtes 666 d.B. gemäß § 44 (2) der Geschäftsordnung ...................................................................................... 34

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 35

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung .................................. 111

Unterbrechung der Sitzung ........................................................................................ 111

Verlesung der vorgesehenen Fassung eines Teiles des Amtlichen Protokolls die­ser Sitzung durch Präsidentin Mag. Barbara Prammer ........................................................................ 250

Genehmigung des verlesenen Teiles des Amtlichen Protokolls ............................... 251

Fragestunde (11.)

Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft ..................................... 13

Gerhard Steier (65/M); August Wöginger, Veit Schalle, Ing. Norbert Hofer, Dr. Ruperta Lichtenecker

Johann Höfinger (61/M); Sigisbert Dolinschek, Dipl.-Ing. Karlheinz Klement, MAS, Barbara Zwerschitz, Christian Faul

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (70/M); Rainer Wimmer, Karl Freund, Sigisbert Dolinschek, Wolfgang Zanger

Ing. Norbert Hofer (68/M); Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Mag. Johann Maier, Christoph Kainz, Veit Schalle

Mag. Kurt Gaßner (66/M); Norbert Sieber, Sigisbert Dolinschek, Wolfgang Zanger, Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber

Thomas Einwallner (62/M); Veit Schalle, Dipl.-Ing. Karlheinz Klement, MAS, Mag. Werner Kogler

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 13

Ausschüsse

Zuweisungen .......................................................................................................  181, 183

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen betref-
fend Verhinderung der missbräuchlichen Anwendung der Anti-Mafia-Paragra-
phen (854/A)(E)
............................................................................................................ 118

Begründung: Mag. Brigid Weinzinger ....................................................................... 122

Bundesministerin Dr. Maria Berger ......................................................................... 127


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 4

Debatte:

Mag. Albert Steinhauser ........................................................................................ ... 131

Dr. Johannes Jarolim ............................................................................................. ... 133

Mag. Heribert Donnerbauer ................................................................................... ... 135

Dr. Peter Fichtenbauer ........................................................................................... ... 138

Mag. Gernot Darmann ........................................................................................... ... 139

Mag. Werner Kogler ............................................................................................... ... 140

Dietmar Keck ........................................................................................................... ... 142

Mag. Dr. Manfred Haimbuchner ........................................................................... ... 143

Kai Jan Krainer ....................................................................................................... ... 145

Bernhard Vock ........................................................................................................ ... 146

Dr. Elisabeth Hlavac ............................................................................................... ... 148

Dr. Peter Pilz ............................................................................................................ ... 149

Mag. Dr. Martin Graf ............................................................................................... ... 152

Mag. Heribert Donnerbauer (tatsächliche Berichtigung) .......................................... 154

Ablehnung des Selbständigen Entschließungsantrages 854/A(E) .............................. 154

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 841/A der Ab­geordneten Dr. Josef Cap, Dr. Wolfgang Schüssel, Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die XXIII. Ge­setzgebungsperiode des Nationalrates vorzeitig beendet wird (666 d.B.)                   35

Redner/Rednerinnen:

Dr. Josef Cap ........................................................................................................... ..... 35

Dr. Wolfgang Schüssel .......................................................................................... ..... 38

Dr. Alexander Van der Bellen ................................................................................ ..... 40

Heinz-Christian Strache ......................................................................................... ..... 42

Ing. Peter Westenthaler .......................................................................................... ..... 45

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied .............................................................. ..... 47

Bundesminister Dipl.-Ing. Josef Pröll .................................................................. ..... 48

Dr. Peter Wittmann ................................................................................................. ..... 51

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll ................................................................................ ..... 52

Dr. Eva Glawischnig-Piesczek .............................................................................. ..... 54

Herbert Kickl ........................................................................................................... ..... 56

Herbert Scheibner .................................................................................................. ..... 58

Bettina Stadlbauer .................................................................................................. ..... 60

Fritz Neugebauer .................................................................................................... ..... 62

Karl Öllinger ............................................................................................................ ..... 63

Harald Vilimsky ....................................................................................................... ..... 65

Ursula Haubner ....................................................................................................... ..... 67

Laura Rudas ............................................................................................................ ..... 69

Jakob Auer .............................................................................................................. ..... 70

Michaela Sburny ..................................................................................................... ..... 72

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein .................................................................... ..... 75

Mag. Gernot Darmann ........................................................................................... ..... 77

Elmar Mayer ............................................................................................................ ..... 79

Silvia Fuhrmann ...................................................................................................... ..... 80

Mag. Werner Kogler ............................................................................................... ..... 81

Dr. Peter Fichtenbauer ........................................................................................... ..... 83

Sigisbert Dolinschek .............................................................................................. ..... 84

Dipl.-Ing. Klaus Hubert Auer (tatsächliche Berichtigung) ........................................... 87

Werner Amon, MBA ..................................................................................................... 87

Heinz-Christian Strache (tatsächliche Berichtigung) .................................................. 88

Ing. Norbert Hofer ........................................................................................................ 88


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 5

Entschließungsantrag der Abgeordneten Harald Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend in Rechnung stellen der Kosten bei vorgezogenen Neuwah­len – Ablehnung ............  67, 90

Entschließungsantrag der Abgeordneten Michaela Sburny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wahlkampfkostenbegrenzung durch Transparenz – Ableh­nung ...........................  74, 90

Entschließungsantrag der Abgeordneten Herbert Scheibner, Kollegin und Kol­legen betreffend anteilige Kürzung der Wahlkampfkostenrückerstattung im Falle einer vorzeitigen Auflösung des Nationalrates – Ablehnung ................................................................................................................  86, 90

Annahme des Gesetzentwurfes ..................................................................................... 90

2. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorla-
ge (610 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Tabakgesetz, das Allgemeine Sozial­versicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bau­ern-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (656 d.B.) ........................................................................................................................ 90

Redner/Rednerinnen:

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein ......................................................................... 90

Dr. Erwin Rasinger ....................................................................................................... 91

Ing. Peter Westenthaler ............................................................................................... 92

Dietmar Keck ................................................................................................................ 94

Lutz Weinzinger ............................................................................................................ 95

Dr. Kurt Grünewald ...................................................................................................... 96

Sigisbert Dolinschek .................................................................................................... 97

Anna Höllerer ................................................................................................................ 98

Mag. Dr. Martin Graf .................................................................................................... 99

Mag. Johann Maier ..................................................................................................... 101

Karl Öllinger ................................................................................................................ 101

August Wöginger ....................................................................................................... 103

Mag. Melitta Trunk ..................................................................................................... 104

Bundesministerin Dr. Andrea Kdolsky ................................................................... 105

Karl Donabauer .......................................................................................................... 107

Mag. Gertrude Aubauer ............................................................................................. 108

Claudia Durchschlag ................................................................................................. 108

Dr. Sebastian Eder ..................................................................................................... 109

Gabriel Obernosterer ................................................................................................. 109

Franz Hörl .................................................................................................................... 110

Annahme des Gesetzentwurfes (namentliche Abstimmung) ...................................... 111

3. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorla-
ge (590 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Suchtmittelgesetz – SMG und das Ge­sundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz – GESG geändert werden (SMG-Novelle 2008) (657 d.B.)                             113

Redner/Rednerinnen:

Dr. Kurt Grünewald .................................................................................................... 113

Dr. Erwin Rasinger ..................................................................................................... 115

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein ....................................................................... 116

Dr. Sabine Oberhauser .............................................................................................. 116

Barbara Zwerschitz .................................................................................................... 117

Sigisbert Dolinschek .................................................................................................. 154

Barbara Riener ........................................................................................................... 155

Petra Bayr ................................................................................................................... 155

Maria Rauch-Kallat ..................................................................................................... 156

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 157


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 6

4. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 836/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen be­treffend nationalen Gesundheitsgipfel zum Thema Gesundheitsreform (658 d.B.) ...................................................................................... 157

Redner/Rednerinnen:

Dr. Kurt Grünewald .................................................................................................... 157

August Wöginger ....................................................................................................... 158

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein ....................................................................... 159

Mag. Christine Lapp ................................................................................................... 162

Ursula Haubner .......................................................................................................... 162

Ing. Norbert Hofer ...................................................................................................... 163

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jene­wein, Kolleginnen und Kollegen betreffend finanzielle Sofortmaßnahmen zur Sa­nierung der Gebietskrankenkassen – Ablehnung              161, 164

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes ................................................................... 164

5. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Petition (28/PET) be­treffend „Resolution der Interessengemeinschaft der Dialysepatienten und Nie­rentransplantierten Kärntens“, überreicht vom Abgeordneten Mag. Gernot Dar­mann (659 d.B.) ......................................................... 164

Redner/Rednerinnen:

Maria Grander ............................................................................................................. 164

Michael Ehmann ......................................................................................................... 165

Dr. Kurt Grünewald .................................................................................................... 165

Bernhard Vock ............................................................................................................ 166

Mag. Gernot Darmann ............................................................................................... 166

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 659 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Bericht über die Versorgung der Dialysepatienten (E 84) ........................................................ 167

Gemeinsame Beratung über

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungs­vorlage (587 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesbehindertengesetz geän­dert wird (621 d.B.) ..... 167

7. Punkt: Regierungsvorlage: Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sowie das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (564 d.B.) (gemäß § 28a GOG keine Ausschussvorberatung) .................................................... 168

8. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 185/A(E) der Abgeordneten Mag. Gernot Darmann, Kollegin und Kollegen betreffend Einführung einer einheitlichen ärztlichen Begutachtung durch das Bun­dessozialamt für die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b STVO (622 d.B.)                                                                                                                                                     168

9. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 318/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rechtsanspruch auf persönliche Assistenz am Arbeitsplatz (623 d.B.) .................................................................................................. 168

Redner/Rednerinnen:

Ing. Norbert Hofer ...................................................................................................... 168

Bundesminister Dr. Erwin Buchinger ..................................................................... 172

Mag. Christine Lapp ................................................................................................... 173

Ursula Haubner .......................................................................................................... 174

Dr. Franz-Joseph Huainigg ....................................................................................... 174


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 7

Bernhard Themessl ................................................................................................... 175

Theresia Haidlmayr .................................................................................................... 176

Walter Schopf ............................................................................................................. 178

Ridi Steibl .................................................................................................................... 178

Petra Bayr ................................................................................................................... 179

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Inflationsanpassung des Pflegegeldes – Ablehnung ...........................................  170, 180

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschaffung des Angehörigen-Regresses – Ablehnung ....................................  171, 180

Annahme des Gesetzentwurfes in 621 d.B. ................................................................ 180

Genehmigung des Staatsvertrages in 564 d.B. ........................................................... 180

Antrag der Abgeordneten Mag. Christine Lapp, Dr. Franz-Josef Huainigg, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beschlussfassung im Sinne des Arti-
kels 50 Abs. 2 Z 3 B-VG hinsichtlich 564 d.B. – Annahme .........................................  180

Antrag der Abgeordneten Mag. Christine Lapp, Dr. Franz-Josef Huainigg, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beschlussfassung im Sinne des Arti-
kels 49 Abs. 2 B-VG hinsichtlich 564 d.B. – Annahme ...............................................  180

Kenntnisnahme der beiden Ausschussberichte 622 und 623 d.B. .............................. 180

Zuweisung des Antrages 185/A(E) an den Verkehrsausschuss ................................. 181

10. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 510/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erstellung eines Plans zum Abbau baulicher Barrieren für die vom BMLV genutzten Gebäude (624 d.B.) ........................................................ 181

Redner/Rednerinnen:

Theresia Haidlmayr .................................................................................................... 181

Hedwig Wechner ........................................................................................................ 182

Ing. Norbert Hofer ...................................................................................................... 182

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes ................................................................... 183

Zuweisung des Antrages 510/A(E) an den Landesverteidigungsausschuss .............. 183

Gemeinsame Beratung über

11. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 517/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Pflegegeldleistungen mit Auslandsbezug (625 d.B.)    ............................................................................................................................. 183

12. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 518/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Prüfung der widmungsgemäßen Verwendung des Pflegegeldes durch Gesundheitsmanager (626 d.B.) .................................................. 183

Redner/Rednerinnen:

Ulrike Königsberger-Ludwig .................................................................................... 183

Sabine Mandak ........................................................................................................... 184

Ing. Norbert Hofer ...................................................................................................... 185

Ursula Haubner .......................................................................................................... 186

Theresia Haidlmayr .................................................................................................... 187

Kenntnisnahme der beiden Ausschussberichte 625 und 626 d.B. .............................. 188


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 8

13. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 247/A(E) der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Erstellung einer Studie über die ökonomischen und sozialen Aus­wirkungen von Zuwanderung nach Österreich und die damit verbundenen Aus­wirkungen auf den Sozialstaat (627 d.B.) ............................................................................................ 188

Redner/Rednerinnen:

Heinz-Christian Strache ............................................................................................ 189

Hermann Krist ............................................................................................................ 191

Ursula Haubner .......................................................................................................... 192

Mag. Brigid Weinzinger ............................................................................................. 193

Herbert Kickl ............................................................................................................... 194

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes ................................................................... 195

14. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 709/A(E) der Abgeordneten Ursula Haubner und Kollegen betreffend Einfüh­rung eines Generationengeldes in Österreich (628 d.B.)             ............................................................................................................................. 195

Redner/Rednerinnen:

Hartmann Lautenschlager ........................................................................................ 196

Laura Rudas ................................................................................................................ 197

Ursula Haubner .......................................................................................................... 198

Sabine Mandak ........................................................................................................... 199

Werner Neubauer ....................................................................................................... 200

Entschließungsantrag der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verankerung der Langzeitversichertenregelung im Dauer­recht – Ablehnung ....  201, 202

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 628 d.B. ..................................................... 202

15. Punkt: Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über die Regie­rungsvorlage (611 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Lebensmittelgesetz 1975 sowie das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz geändert wer­den (651 d.B.) ............................................... 202

Redner/Rednerinnen:

Mag. Johann Maier ..................................................................................................... 202

Johann Rädler ............................................................................................................ 203

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ........................................................................... 204

Dipl.-Ing. Karlheinz Klement, MAS ........................................................................... 205

Sigisbert Dolinschek .................................................................................................. 206

Mag. Gertraud Knoll .................................................................................................. 206

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ................................................................................... 207

Sabine Mandak ........................................................................................................... 207

Bundesministerin Dr. Andrea Kdolsky ................................................................... 208

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 208

Gemeinsame Beratung über

16. Punkt: Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den An­trag 825/A(E) der Abgeordneten Johann Rädler, Mag. Johann Maier, Kollegin-
nen und Kollegen betreffend „Kennzeichnungspflicht von verarbeiteten Eiern in Fertig- bzw. Eiprodukten und in der Gastronomie nach Herkunft und Haltungs­form“ (652 d.B.) ................................... 208


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 9

17. Punkt: Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den An­trag 828/A(E) der Abgeordneten Johann Rädler, Mag. Johann Maier, Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kennzeichnung von Lebensmitteln und den

Antrag 38/A(E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Herkunftsbezeichnung bei allen Lebensmitteln sowie „Made in the EU“-Kennzeichnungssystem (653 d.B.)      ............................................................................................................................. 208

Redner/Rednerinnen:

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ........................................................................... 209

Dietmar Keck .............................................................................................................. 210

Wolfgang Zanger ........................................................................................................ 211

Mag. Gertrude Aubauer ............................................................................................. 211

Josef Bucher ............................................................................................................... 212

Mag. Elisabeth Grossmann ...................................................................................... 213

Bettina Hradecsni ....................................................................................................... 214

Johann Höfinger ......................................................................................................... 215

Bernhard Vock ............................................................................................................ 215

Franz Eßl ..................................................................................................................... 216

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 652 d.B. beigedruckten Entschließung betreffend „Kennzeichnungspflicht von verarbeiteten Eiern in Fertig- bzw. Eiprodukten und in der Gastronomie nach Herkunft und Haltungs­form“ (E 85) .............................................................................. 216

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 653 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Kennzeichnung von Lebensmitteln (E 86) ................................................................... 217

18. Punkt: Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den An­trag 827/A(E) der Abgeordneten Johann Rädler, Mag. Johann Maier, Sigisbert Dolinschek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Neufassung der europäischen Verordnung über Kosmetika (654 d.B.) .......................................... 217

Redner/Rednerinnen:

Gerhard Steier ............................................................................................................ 217

Bettina Hradecsni ....................................................................................................... 218

Mag. Dr. Manfred Haimbuchner ............................................................................... 219

Sigisbert Dolinschek .................................................................................................. 219

Sonja Ablinger ............................................................................................................ 219

Claudia Durchschlag ................................................................................................. 220

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 654 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Neufassung der europäischen Verordnung über Kosme-
tika (E 87)
..................................................................................................................... 221

19. Punkt: Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den An­trag 826/A(E) der Abgeordneten Erwin Spindelberger, Johann Rädler, Sigisbert Dolinschek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Transparenz bei Internet-Roa­ming-Gebühren und den

Antrag 623/A(E) der Abgeordneten Bettina Hradecsni, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutz vor ungewolltem Datenroaming in Grenznähe (655 d.B.) .................................................. 221

Redner/Rednerinnen:

Erwin Spindelberger .............................................................................................. ... 221

Bettina Hradecsni ....................................................................................................... 222

Sigisbert Dolinschek .................................................................................................. 222

Christian Füller ........................................................................................................... 223


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 10

Bundesminister Dr. Erwin Buchinger ..................................................................... 224

Mag. Karin Hakl .......................................................................................................... 224

Silvia Fuhrmann ......................................................................................................... 225

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 655 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Transparenz bei Internet-Roaming-Gebühren  (E 88)                                                               226

20. Punkt: Bericht des Ausschusses für Forschung, Innovation und Technologie über den Österreichischen Forschungs- und Technologiebericht 2008, vorgelegt vom Bundesminister für Wissenschaft und Forschung und vom Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie (III-152/662 d.B.)                        226

Redner/Rednerinnen:

Ing. Kurt Gartlehner ................................................................................................... 226

Mag. Karin Hakl .......................................................................................................... 227

Michaela Sburny ......................................................................................................... 228

Dipl.-Ing. Karlheinz Klement, MAS............................................................................ 229

Veit Schalle ................................................................................................................. 230

Bundesminister Dr. Johannes Hahn ....................................................................... 231

Franz Morak ................................................................................................................ 233

Dr. Kurt Grünewald .................................................................................................... 234

Mag. Rosa Lohfeyer ................................................................................................... 235

Dr. Ruperta Lichtenecker .......................................................................................... 236

Staatssekretärin Christa Kranzl ............................................................................... 236

Dr. Johann Georg Schelling ..................................................................................... 239

DDr. Erwin Niederwieser ........................................................................................... 239

Kenntnisnahme des Berichtes III-152 d.B. ................................................................... 240

21. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regie­rungsvorlage (456 d.B.): Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Re­publik Kroatien über die polizeiliche Zusammenarbeit (592 d.B.) ...................................................................................................................... 241

Redner/Rednerinnen:

Ing. Norbert Kapeller .................................................................................................. 241

Rudolf Parnigoni ........................................................................................................ 241

Dr. Peter Pilz ............................................................................................................... 242

Leopold Mayerhofer ................................................................................................... 242

Bundesministerin Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ................................................ 242

Adelheid Irina Fürntrath-Moretti ............................................................................... 243

Hannes Fazekas .......................................................................................................... 243

Peter Haubner ............................................................................................................. 244

Gerhard Köfer ............................................................................................................. 244

Astrid Stadler .............................................................................................................. 245

Anton Heinzl ............................................................................................................... 245

Genehmigung des Staatsvertrages in 592 d.B. ........................................................... 246

22. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den An­trag 750/A(E) der Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler, Kollegin und Kollegen betreffend Suche nach vermissten Personen (593 d.B.)             ............................................................................................................................. 246

Redner/Rednerinnen:

Günter Kößl ................................................................................................................ 246

Mag. Johann Maier ..................................................................................................... 246

Leopold Mayerhofer ................................................................................................... 247

Ing. Peter Westenthaler ............................................................................................. 248


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 11

Bundesministerin Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ................................................ 248

Walter Murauer ........................................................................................................... 249

Christian Hursky ........................................................................................................ 249

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 593 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Suche nach vermissten Personen (E 89) ............................................................................... 250

Eingebracht wurden

Anträge der Abgeordneten

Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verhinderung der miss­bräuchlichen Anwendung der Anti-Mafia-Paragraphen (854/A)(E)

Dr. Reinhard Eugen Bösch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abbruch der Bei­trittsverhandlungen der Europäischen Union mit der Türkei (855/A)(E)

Dr. Gerhard Kurzmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Neuorientierung der österreichischen EU-Politik (856/A)(E)

Bernhard Themessl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Barbewegungsverord-
nung (857/A)(E)

Dr. Peter Fichtenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend verpflichtende Volksab­stimmung bei Ratifikation von Staatsverträgen (858/A)(E)

Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend Widerruf der Ratifika­tion des „EU-Reformvertrages von Lissabon“ (859/A)(E)

Mag. Dr. Manfred Haimbuchner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vertriebenen-Gedenktag (860/A)(E)

Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird (861/A)

Anfragen der Abgeordneten

Christian Hursky, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres be­treffend Hubschrauberlärm über Wien-Meidling (4755/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres be­treffend „Geldwäsche-Meldestelle: Verdachtsmeldungen“ (4756/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend „Investments in Kroatien: Korruption und Betrug – EU-Beitritt?“ (4757/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für europäi­sche und internationale Angelegenheiten betreffend „Investments in Kroatien: Korrup­tion und Betrug – EU-Beitritt?“ (4758/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend „Investments in Kroatien: Korruption und Betrug – EU-Beitritt?“ (4759/J)

Mag. Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissen­schaft und Forschung betreffend „Missstände im Bereich des Zentrums für Anatomie und Zellbiologie der Medizinischen Universität Wien“ (4760/J)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 12

Franz Riepl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz betreffend die Arbeitgeberschulden bei den Gebietskrankenkas­sen (4761/J)

Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres be­treffend Kriminalität in Wien-Donaustadt im 1. Halbjahr 2008 (4762/J)

DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finan­zen betreffend „Erhöhte Umsatzsteuer auf wissenschaftlich-elektronische Informations­mittel“ (4763/J)

DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ge­sundheit, Familie und Jugend betreffend weitere Fragen zum Thema „Stammzellenfor­schung Universitätsklinik für Urologie Innsbruck“ (4764/J)

DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ge­sundheit, Familie und Jugend betreffend „Finanzielle Rückstände ausländischer Versi­cherungsträger bei den Landesgesundheitsfonds in den Jahren 2001 bis 2007“ (4765/J)


09.05.26


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 13

Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Mag. Barbara Prammer, Zweiter Präsident Dr. Michael Spindelegger, Dritte Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek.

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Guten Morgen, meine Damen und Herren! Die Sitzung ist eröffnet.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Dobnigg und Dr. Moser.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein wird durch die Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit Christine Marek ver­treten.

*****

Weiters gebe ich bekannt, dass die Sitzung in der Zeit von 9.05 Uhr, also von jetzt weg, bis 13 Uhr vom ORF live übertragen wird.

09.06.03Fragestunde

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur Fragestunde.

Für die heutige Fragestunde wurde folgender Modus vereinbart: Die Fragestellungen durch die Damen und Herren Abgeordneten werden von den beiden hier neu einge­richteten Rednerpulten im Halbrund vorgenommen, die Beantwortung durch den Herrn Bundesminister vom Rednerpult der Abgeordneten aus.

Für die Haupt- und Zusatzfragesteller jeder Fraktion ist jeweils eine Minute Redezeit vorgesehen. Die Beantwortung der Hauptfrage durch den Herrn Bundesminister soll 2 Minuten, jene der Zusatzfragen jeweils eine Minute betragen. 20 Sekunden vor Ende der jeweiligen Redezeit werde ich durch ein kurzes Läuten auf deren Ablauf aufmerk­sam machen.

Wir gelangen damit zur Fragestunde.

Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich beginne jetzt – um 9.05 Uhr – mit dem Auf­ruf der Anfragen.

Wir kommen zur 1. Anfrage; es ist die des Herrn Abgeordneten Steier an den Herrn Bundesminister. – Die Frage, bitte.

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 14

Abgeordneter Gerhard Steier (SPÖ): Frau Präsidentin! Einen schönen guten Morgen! Sehr geehrter Herr Bundesminister, meine Frage lautet:

65/M

„Wie ist Ihre Position zur beabsichtigten Novellierung der Verpackungsabfallsammlung?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Die Novellierung der Verpackungsabfallsammlung insgesamt steht bevor. Wir sind sehr, sehr weit in der Diskussion auf fachlicher und auch auf poli­tischer Ebene, und es gibt im Wesentlichen einen Konsens darüber, dass wir zum Ers­ten die Zielvorgaben der Europäischen Union umzusetzen haben, dass wir auch ein Ziel in diesem Bereich zu verfolgen haben, das da heißt, die Zahl der Trittbrettfahrer, die aufgrund des bestehenden Systems gewisse Möglichkeiten finden können oder ge­funden haben, zu minimieren und weiter auf Kosteneffizienz zu setzen, was die Samm­lung und die Verwertung betrifft.

Wir haben uns gemeinsam vorgenommen, auch eine bessere Kontrollierbarkeit der Verwaltung zu überlegen, nämlich wie mit der eigenen Koordinationsstelle die entspre­chenden Maßnahmen gesetzt werden können.

Ferner – das ist ein wichtiger Punkt – sind Überlegungen dahin gehend anzustellen, wie wir die Frage der besseren Wettbewerbssituation so nützen können, dass stärkerer Wettbewerb, mehr Kosteneffizienz, aber auch bessere Qualität, noch bessere Qualität, was die Sammlung und die Verpackungsabfallsammlung betrifft, erreicht werden kön­nen. Entlang dieser Vorgaben sind wir dabei, die Umsetzung vorzubereiten.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Danke schön. – Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Steier.

 


Abgeordneter Gerhard Steier (SPÖ): Sehr geehrter Herr Minister! In den letzten zwei Jahren ist uns mit der Elektroaltgeräteverordnung und der Altbatterieverordnung im Verbund Gemeinden und Wirtschaft eigentlich etwas ganz Tolles gelungen. Zur Novel­lierung der Verpackungsabfallsammlung laufen in Ihrem Ressort dem Vernehmen nach mit der Wirtschaft intensive Verhandlungen. Die angedachten neuen Möglichkeiten rei­chen von einer Infrastrukturgesellschaft der Wirtschaft, unter der Federführung der bis­her bestehenden ARA, die die Bundeswettbewerbsbehörde kritisiert, bis hin zu einer Variante, die eine Gemeindeangelegenheit sein soll, wo die Kommunen wieder Träger der Sammelinfrastruktur sind. Wo liegen Ihre Präferenzen in diesem Verhandlungsbe­reich?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Was die Verhandlungen zu diesem Thema betrifft, haben wir eine große Bandbreite in Diskussion: von Infrastrukturmodellen in kommunaler Verant­wortung bis hin zu Selbstregelsystemen der Wirtschaft. Ich möchte mich hier auch nicht definitiv festlegen, weil ich gebeten habe, dass alle – alle! – Möglichkeiten erar­beitet, mir vorgelegt und mit Vor- und Nachteilen bewertet werden. Wir wollen uns dann gemeinsam mit der Wirtschaft, mit den Gemeinden unter meiner federführenden Verantwortung natürlich für das effizienteste, kosteneffizienteste, aber schlagkräftigste System entscheiden. Das heißt, ich will hier keine Präferenzen frühzeitig bekannt ge­ben, weil ich für alle diese Modelle grundsätzlich offen bin und dann gemeinsam kon­sensual die richtige Entscheidung treffen will. (Beifall bei der ÖVP.)

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 15

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Wö­ginger, bitte.

 


Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Wir haben in Österreich eine sehr gute Struktur des Abfallsammelsys­tems. Die Gemeindeverbände bieten mit ihren Sammelzentren und Sammelinseln eine hohe Serviceleistung für die Bevölkerung. Es ist daher ganz wichtig, dass dieses Ser­vice von den Menschen auch genutzt wird, und dafür möchte ich mich bei den Österrei­cherinnen und Österreichern ganz herzlich bedanken. Das System funktioniert auch deshalb gut, weil die Gemeinden eine gewisse Flexibilität in diesem Bereich haben.

Herr Bundesminister, daher meine Frage: Welche Verbesserungen erwarten Sie sich von der geplanten Novelle der Verpackungsverordnung speziell für diesen Bereich?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Es ist so, dass wir aus mei­ner und aus unserer Sicht neben den allgemeinen Zielsetzungen, die ich bereits er­wähnt habe, vor allem Verbesserungen zu erzielen und darauf zu achten haben, dass in Zukunft mehrere Systeme, die ja im Wettbewerb möglich sein sollen, jedenfalls ein Sammelsystem benutzen können und es hier zu keiner Parallelstruktur im Aufbau kommt. Wir wollen auch ganz klare Vorgaben von Sammelzielen implementieren, da­mit hier auch jeder weiß, woran er ist. Je nach Sammel- und Behandlungskategorie ist dies auch unterschiedlich zu definieren. Wir haben auch eine Koordinierungsfunktion, und es ist daher eine Koordinierungsstelle zu entwerfen; das habe ich bereits ange­führt. Das ist wichtig für die zukünftige Aufgabe, auch was die Trennung von Haus­halts-, Gewerbe- und Industriemüll und die Abbildung der Systeme betrifft.

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 16

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Schalle, bitte.

 


Abgeordneter Veit Schalle (BZÖ): Frau Präsidentin! Guten Morgen, Herr Minister! Meine Frage geht dahin: Die Rohstoffe, die derzeit im Haushaltsmüll sind, haben in den letzten Jahren eine Steigerung von über 100 Prozent erfahren. Für die Konsumen­ten war das nicht spürbar, ganz im Gegenteil, es hat sogar eine Erhöhung der Abfallge­bühren zu Jahresbeginn stattgefunden.

Meine Frage: Was werden Sie unternehmen, um die Monopolstellung der ARA im Hausmüll aufzubrechen und für die Konsumenten dadurch die Beseitigung von Haus­haltsmüll billiger zu machen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Die Frage der Müllgebührenerhöhung – diese war exorbitant – gerade hier in der Bundeshauptstadt Wien als federführender großer Einheit liegt zu­allererst in regionaler und kommunaler Verantwortung, und das muss man auch klar und deutlich sagen.

Zum Zweiten: Es geht hier nicht darum, die ARA alleine als Monopol weiterzuführen, sondern es geht vor allem darum, mehr Wettbewerb zuzulassen, aber auch zu ermögli­chen und darauf zu achten – und das ist ein wichtiger Punkt, wenn man sich die Abfall­ströme und deren Bewirtschaftung in Österreich anschaut –, dass die hohe Qualität der Sammlung, der Trennung und der Wiederverwertung garantiert ist. Rohstoffe aus dem Müll werden immer mehr wert. Es wird auch ein ökonomisch interessantes Ziel, es ist nicht nur ökologisch interessant. Die ARA hat hier eine Schlüsselstellung gehabt, wird eine solche aus meiner Sicht auch in Zukunft haben, allerdings wird das Thema mehr Wettbewerb sein.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Ing. Hofer, bitte.

 


Abgeordneter Ing. Norbert Hofer (FPÖ): Herr Bundesminister, Sie sagen zu Recht, Müll wird auch immer mehr wert, weil die Rohstoffe wertvoll sind. Trotzdem verursacht die Abfallsammlung auch Kosten. Wir haben vor einigen Monaten darüber diskutiert, dass sehr viel Abfall aus dem Bereich von Verpackungsfolien anfällt, 250 Millionen Tonnen in Europa, auch sehr viel in Österreich. Sie haben damals gesagt, Sie werden sich dafür einsetzen, gemeinsam mit der Wirtschaft diese Plastiksackerl-Verpackungs­folien sukzessive durch Tragetaschen aus biogenen Grundstoffen ersetzen zu lassen. Ich habe solche Sackerln mitgebracht (der Redner zeigt sie), die ich Ihnen dann über­reichen werde.

Wie weit sind Sie mit Ihren Gesprächen in der Wirtschaft, was diese Umstellung anbe­langt?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Wir haben diese Gespräche geführt und führen sie weiter. Ich habe mit einer Supermarktkette in Österreich auch vor einiger Zeit bereits die sukzessi­ve freiwillige Umstellung von Plastiksackerln hin zu biogenen Sackerln oder auch Pa­piersackerln präsentiert, weil ich es für notwendig halte, dieses Signal zu setzen, um auch die Menge zu reduzieren, zum einen zu Inputrohstoffen zu kommen und zum Zweiten die Wiederverwertung, Kompostierung und anderes zu ermöglichen und damit nicht wiederverwertbare Verpackung vom Markt zu bringen oder deren Menge zumin­dest zu reduzieren. Wir setzen hier auf Kommunikation mit der Wirtschaft, und diese läuft.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Lichten­ecker, bitte.

 


Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Bundesmi­nister! Die Mehrwegflasche ist im Vergleich zur Einwegflasche mit Abstand die ökolo­gisch beste Alternative und ist auch klimafreundlich. Jetzt haben wir die Situation, dass die Mehrwegflasche im Verschwinden ist. Von 1997 bis zum Jahr 2000 hat es ein dras­tisches Absinken gegeben, nämlich von 72 Prozent auf unter 25 Prozent. Dazu beige­tragen hat auch eine fehlende gesetzliche Verpflichtung, denn die freiwillige Verpflich­tung der Getränkeindustrie hat hier nicht gewirkt, hat nicht gefruchtet. Im Gegenteil!

Und die Frage, die ich an Sie richten möchte, ist: Warum haben Sie keine entsprechen­den gesetzlichen Maßnahmen getroffen? Welche Maßnahmen halten Sie für sinnvoll, die Mehrwegflasche zu stärken? Und was halten Sie vom Einwegpfand?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Zum Ersten: Was die gesetzliche Verpflichtung betrifft, bin ich deswegen so reserviert, weil gleich anschließend an das, was Sie zum Schluss gesagt haben, bei Einwegpfand und Bepfandung das Pfandsystem in Deutschland einen kapi­talen Bauchfleck hingelegt hat – es brachte Verwirrung für die Wirtschaft, war verbun­den mit einer äußerst schwierigen Verwaltung, und für die Ökologie und die Umwelt hat es fast nichts gebracht, was den Lenkungseffekt angeht. Deswegen setzen wir auf Freiwilligkeit mit der Wirtschaft.

Jeder Konsument – jeder Einzelne; heute schauen viele zu – hat es mit seiner Auswahl in der Hand, auf Mehrweg oder auf Einweg zu setzen. Niemand zwingt jemanden, Ein­weg zu kaufen. Was wir auch tun, ist, mit der Wirtschaft gemeinsam mit PET to PET zum Beispiel dafür Sorge zu tragen, dass Einwegflaschen recycelt werden können und


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wieder in den Prozessstrom zurückkommen, um wiederbefüllt zu werden. Das sind die richtigen Wege. Wir müssen in diesem Fall auf Technologie und Technologieentwick­lung setzen, und das tun wir.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zur 2. Anfrage, das ist die des Herrn Abgeordneten Höfinger. – Bitte.

 


Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Österrei­chische Landwirte haben in der Vergangenheit große Leistungen erbracht. Auch die Bäuerinnen und Bauern in Österreich haben sich in den letzten Jahren auf veränderte Märkte, veränderte Umwelt- und Rahmenbedingungen eingestellt und haben damit große Flexibilität bewiesen. Die Strukturen werden sich aber natürlich weiter ändern, auch mit dem Auslaufen des Agrarprogramms 2013. Sie haben einen Diskussionspro­zess gestartet, der eben Antwort auf Fragen der Zukunft geben soll.

Daher meine Frage:

61/M

„Welche Ziele beziehungsweise Ergebnisse verfolgen Sie mit dem Start der Zukunfts­diskussion ,Die Grüne Offensive – Unser Weg für eine starke Landwirtschaft‘?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Es ist tatsächlich so, dass das Jahr 2013 für die österreichische und, wie ich denke, auch für die europäische Landwirtschaft ein magisches Datum ist. Warum? – 2013 läuft das bestehende Agrarsystem mit den Ausgleichszahlungen aus. Wir haben dann eine neue Finanzperiode für die gesamte EU zu entwickeln, eine Fi­nanzplanung über 2013 hinaus. Und in der WTO, in den internationalen Vereinbarun­gen ist das Ende der Exporterstattungen da, die Märkte werden neu geordnet, was europäische und internationale Agrarprodukte betrifft.

Deswegen habe ich auch im Rahmen von „Die Grüne Offensive – Unser Weg für eine starke Landwirtschaft“ sehr viele junge, engagierte Agrarier und auch andere eingela­den, eine Plattform zu bilden und darüber nachzudenken, mit welchen Eckpunkten wir diese Herausforderung 2013 schaffen können. Dazu ist es notwendig, die ganze Kette von der Landwirtschaft über die Verarbeitung bis zum Konsumenten neu zu überden­ken und Branchenkonzepte zu entwickeln. Wir haben für die wichtigsten Produktgrup­pen, für die wichtigsten regionalen Interessen hier auch die Aufstellung so vorgesehen. Dieser Prozess wird jetzt ein Jahr laufen, und wir werden dann auch unsere agrarpoliti­sche Konzeption neu definieren, um die richtigen Antworten für die Zukunft der Land­wirtschaft in Österreich zu haben.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Höfin­ger.

 


Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Herr Bundesminister, danke. Aber wer genau führt diesen Diskussionsprozess, beziehungsweise wer kann denn wirklich aller mitwir­ken?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Es ist so, dass unter meiner federführenden Verantwortung das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft die Führungsfunktion hat. Wir haben mehrere Gruppen installiert. Da zieht sich die Leitung dieser Gruppen von Landjugendvertretern bis hin zu Präsidenten der Landwirtschafts-


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kammern. Und ich habe auch ausdrücklich angewiesen, dass diese Plattform zu eröff­nen ist. Es wird in diesem Jahr verschiedene Einladungen geben, mit Experten, mit Bäuerinnen und Bauern breit zu diskutieren – da laufen bereits die ersten Veranstaltun­gen –, zuzuhören, wo der Schuh drückt, und hierauf dann die richtigen Antworten für die Bäuerinnen und Bauern und den ländlichen Raum zu finden. Es soll ein offener Prozess sein, der im Ministerium mit vielen Mitstreitern geführt wird. Wir werden dies auch entsprechend bewerben und dazu einladen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Do­linschek, bitte.

 


Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Guten Morgen, Herr Bundesminister! Im Gegensatz zum gestern beschlossenen Fünf-Parteien-Antrag zu gentechnisch verän­derten Organismen steht die Idee der Kommissarin Fischer Boel, in Europa künftig Bio­sprit durch genmanipulierte Pflanzen zu erzeugen.

Werden Sie im Rahmen der Grünen Offensive auch Überlegungen anstellen, um die von der Kommissarin Fischer Boel angesprochene Idee, in Europa künftig Biosprit durch genmanipulierte Pflanzen zu erzeugen, auf europäischer wie auch auf nationaler Ebene zu verhindern?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: In der Ablehnung der Gentechnikfrage in Österreich, was mich als Person betrifft, ist eines klar: Es gibt keinen Unterschied, ob gentechnisch verän­derte Pflanzen für die Nahrungsmittelproduktion oder für die Biospritproduktion ange­baut werden, so lange nicht das Nebeneinander der Kulturen geklärt ist!

Das heißt, für mich ist klar: Kein gentechnisch verändertes Saatgut auf Österreichs Fel­dern, egal für welchen Verwendungszweck, weil wir Biolandbau gentechnikfrei halten wollen. Solange das Nebeneinander der Kulturen nicht geregelt ist – und das ist es in Europa nicht! –, gibt es darüber keinen Verhandlungsspielraum.

Das werde ich der Kommissarin auch entsprechend mitteilen. Wir werden auch in der Diskussion „Die Grüne Offensive – Unser Weg für eine starke Landwirtschaft“ in Öster­reich besprechen, welche Eckpunkte wir notwendigerweise brauchen, um dann auch in Europa mit einer Stimme zu sprechen. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Klement.

 


Abgeordneter Dipl.-Ing. Karlheinz Klement, MAS (FPÖ): Herr Minister, wenn wir über die Grüne Offensive diskutieren, müssen wir uns auch den Stand der Dinge anse­hen, und der Stand der Dinge in der Landwirtschaft ist wirklich dramatisch. Wir wissen, dass seit dem Beitritt zur Europäischen Union 47 000 Bauernhöfe aufgeben mussten. Wir wissen, dass 92 000 Arbeitsplätze in der Landwirtschaft verloren gingen. Wir wis­sen, dass heute die Einkommenssituation dramatisch ist. Es gibt Bauern, die einen Stundenlohn von 2 € haben. Wir wissen, dass die EU-Förderungen durch völlig falsche Kanäle fließen. Und wir wissen, dass die Landwirte durch eine ausufernde Bürokratie mit vielfachen Anträgen, Kontrollen und so weiter gehemmt werden. (Rufe bei der ÖVP: Frage?!)

Wenn wir eine österreichische Landwirtschaft haben wollen, die ihre vielfältigen Aufga­ben wahrnehmen will – gesunde Nahrungsmittel zu produzieren, Kulturpflege, Land­schaftspflege zu betreiben –: Wie stellen Sie sich vor, eine multifunktionelle Landwirt­schaft in der Grünen Offensive zu bewerkstelligen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 



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Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Wenn Sie einen Strukturwandel der österreichischen Landwirt­schaft ansprechen, so bitte ich Sie, das fairerweise auch im Vergleich mit allen ande­ren europäischen Ländern zu sehen. Wir sind mit Abstand jenes Land Europas, das die geringste Abnahme bei der Zahl an Bauernhöfen hat und den höchsten Anteil an bäuerlichen, familienorientierten Betrieben. Darauf können wir stolz sein, und es ist auch Zeit, diesen Betrieben danke zu sagen! (Beifall bei der ÖVP.)

Drittens ist Österreich jenes Land, das im Vergleich zu allen anderen Mitbewerbern für die Bäuerinnen und Bauern mit Abstand das meiste Geld aus Brüssel abholen konnte. Das soll uns stolz auf das machen, was wir haben!

In diesem Sinne, meine sehr geehrten Damen und Herren, werden wir diesen Weg auch in der Grünen Offensive für die Zukunft organisieren und ganz intensiv diskutie­ren: Was brauchen wir für die Märkte? Niemand kann heute mehr am Markt vorbeiwirt­schaften, auch nicht die Bäuerinnen und Bauern!

Das ist die größte Herausforderung: Wie können wir die Märkte bedienen, nicht nur in Österreich, sondern in Europa und darüber hinaus? Was brauchen wir dazu? Wie kön­nen wir den Bäuerinnen und Bauern unter die Arme greifen, damit sich die Einkom­mensentwicklung der letzten zwei Jahre, die von einer sehr, sehr positiven Dynamik geprägt ist, auch nachhaltig in Zukunft fortsetzen kann? (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Zwerschitz, bitte.

 


Abgeordnete Barbara Zwerschitz (Grüne): Frau Präsidentin! Guten Morgen, Herr Mi­nister! Grüne Politik in der Landwirtschaft steht für BürgerInnenbeteiligung, für faire Preise, für Biolandbau. Insofern freut es mich ja sehr, dass Sie ihre Grüne Offensive gestartet haben. Herzlichen Dank, dass Sie im ländlichen Raum für grüne Landwirt­schaftspolitik damit auch indirekt Werbung machen werden.

Für mich ist die Frage aber jetzt: Warum haben Sie so eine Offensive nicht auch im ÖPUL-Programm gemacht, wo es auch um Gentechnikfreiheit und Biolandbau hätte gehen können, da Sie ja auch für dieses ÖPUL-Programm federführend verantwortlich waren?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, ich muss nur ein Missver­ständnis aufklären: Meine Grüne Offensive hat überhaupt nichts – aber schon über­haupt nichts! – mit grüner Agrarpolitik in Ihrem Sinne zu tun, sondern mit zukunfts­orientierter Landwirtschaftspolitik für unser Land. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Zweiten, zur Frage der Gentechnikfreiheit: Streuen Sie den Menschen nicht Sand in die Augen, indem Sie Umweltprogramm mit Gentechnikfreiheit verknüpfen! Das Um­weltprogramm – und Sie wissen es genau! – beruht auf freiwilliger Teilnahmebasis. Deswegen hat es überhaupt keinen Effekt, ob da Gentechnikfreiheit drinnen steht oder nicht. (Abg. Dr. Pirklhuber: Das stimmt ja nicht!)

Wir müssen gesetzlich dafür sorgen – und das tun wir mit der Saatgutverordnung und vielen anderen Regelungen –, dass gentechnisches Saatgut nicht auf Österreichs Fel­der kommt. Das ist der richtige Weg: Mit Vorgaben, Gesetzen und Verordnungen dafür zu sorgen – und nicht in einem freiwilligen Programm etwas zu verankern, das nicht wirkt. Das ist der Unterschied. Deswegen gehen wir klar diesen gesetzlichen Weg und verhandeln stark in Brüssel. Wir wollen die Gentechnik von Österreich fernhalten.

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 20

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Faul, bitte.

 


Abgeordneter Christian Faul (SPÖ): Guten Morgen, Herr Bundesminister! Sie haben gerade in Ihrer Anfragebeantwortung den hohen Anteil Österreichs an den europäi­schen Fördergeldern erwähnt. Die gestrige Landwirtschaftsdiskussion war auch von diesem Thema geprägt. Natürlich ist das gut für Sie, gut für Ihre Klientel. Auf der ande­ren Seite haben Sie sich auf die Zeit nach 2013 bezogen, wenn sich die Fördermärkte ändern.

Herr Bundesminister, ich frage Sie definitiv: Sollten wir nicht jetzt schon beginnen, die­se Förderströme auf diese Zeit nach 2013 auszurichten?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Wir haben ein europäisches Agrarmodell, und alle Bauern Euro­pas haben denselben Rechtsrahmen, in dem sie sich bewegen müssen, können, sol­len. Auch für Österreichs Bauern gilt das. Ich bin nicht bereit, vor 2013 auch nur auf einen Euro zu verzichten, den wir in Brüssel erkämpft haben. Deswegen ist dieses Ausgleichszahlungsmodell, das wir haben, ein richtiges, ein gutes. Die Bauern sind jetzt mit ihren Ausgleichszahlungen transparent, im Internet für jeden einsehbar. Ich er­warte mir das auch in der Diskussion hier, dass nun andere Bevölkerungsgruppen fol­gen, die ebenfalls von Transferzahlungen entsprechend betroffen sind. (Beifall bei der ÖVP.)

Das ist ein wichtiger Punkt. Die Bauern können mit ihrer Leistung, aber auch mit ihren Ausgleichszahlungen selbstbewusst vor die Öffentlichkeit hintreten. Wir werden diese Höhe der Ausgleichszahlungen bis 2013 halten und auch dafür kämpfen. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zur 3. Anfrage; das ist die des Herrn Abgeordneten Dr. Pirklhuber. – Bitte.

 


Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Beides ist notwendig: faire Lebensmittelpreise für Konsumentinnen und Konsumenten und faire Erzeugerpreise für die Bäuerinnen und Bauern. Eine grüne Agrarpolitik versteht sich genau in diesem Zusammenhang, in dieser Partnerschaft zwi­schen Bäuerinnen und Bauern in Österreich und den KonsumentInnen, die hinter der Landwirtschaft stehen.

Daher meine Frage an Sie, Herr Bundesminister:

70/M

„Wann werden Sie die VertreterInnen der IG Milch, die sich im Sinne kostendeckender Erzeugermilchpreise am europaweiten Milch-Lieferstreik beteiligen, zu einem Ge­spräch hinsichtlich der Bereinigung der Milchkrise einladen?“

Wann werden Sie diese einladen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, zur Frage der Milchsituation in Europa, die eine sehr angespannte insgesamt ist, ist eines deutlich festzustellen: Die Agrarpolitik – und auch ich fühle mich dazu verpflichtet – hat ihre Aufgaben in der Fra­ge der Gestaltung der Ausgleichszahlungssysteme und der Rahmenbedingungen. Das


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tun wir sehr intensiv. Ich kämpfe zum Beispiel gegen die Aufstockung der Milchquote. Ich habe dagegen gestimmt, allein mit Deutschland. Wir haben sie dann akzeptieren müssen, was schlecht für die Frage des Milchmarktes in Europa ist.

Das heißt, in den Rahmenbedingungen gibt es flankierende Maßnahmen. Für viele an­dere der Dinge, die helfen, die Milchproduktion in Österreich gerade in den benachtei­ligten Standorten zu halten, kämpfen wir.

Der zweite Punkt ist: Der Milchpreis wird am Milchmarkt gemacht. Wenn Sie mich nach Gesprächsbedarf fragen, so sage ich Ihnen: Wenn der Preis am Milchmarkt gemacht wird, so ist es notwendig, dass die Betroffenen – die Bäuerinnen und Bauern, die Mol­kereien und die Verarbeiter und der Handel – Gespräche dort führen, wo sie hingehö­ren, nämlich in dieses Szenario. Der Preis wird nicht von der Politik gemacht. Wer das suggeriert, liegt falsch und erweckt Hoffnungen, die niemand und schon gar nicht grü­ne Agrarpolitik erfüllen kann. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Grillitsch – in Richtung des Abg. Dr. Pirklhuber –: Das musst du endlich einmal kapieren!)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Pirklhuber.

 


Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Schauen Sie, Herr Bun­desminister, da unterscheidet sich eben eine schwarze Agrarpolitik von einer grünen! (Rufe bei der ÖVP: Frage!) Wir wollen Rahmenbedingungen setzen, und Rahmenbe­dingungen können im Lebensmittelbereich zum Beispiel Antidumpingregelungen sein. Das Gespräch nicht mit den betroffenen Bäuerinnen und Bauern zu führen, ist ganz einfach auch demokratiepolitisch nicht akzeptabel. Das war meine Frage an Sie. Sie haben Sie nicht beantwortet. (Abg. Grillitsch: Das ist eine Unterstellung!)

Daher meine Zusatzfrage an Sie: Warum sind Sie einfach nicht bereit, mit jenen betrof­fenen Tausenden Bäuerinnen und Bauern, die Milch erzeugen, die wirklich ökonomisch an der Wand stehen, weil es sehr schwierig ist und weil sie auch durch die Agrarpolitik bei den Agrarförderungen benachteiligt wurden, politische Gespräche zu führen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Herr Abgeordneter Pirklhuber, ich bin grundsätzlich bekannt da­für, mit allen Betroffenen Gespräche zu führen. Ich mache das auch – Sie wissen das ganz genau – sehr intensiv, und zwar mit allen.

Vorrangig aber – und das ist mein Ziel! – unterhalte ich mich mit denen, die gewählte Interessensvertreter sind, die mir gegenüberstehen. Das ist die Landwirtschaftskam­mer Österreich, die mit ihrer ganzen Bandbreite aller Produktionssektoren auch den Bereich Milch hervorragend repräsentiert. Das sind in erster Linie meine Ansprechpart­ner, wenn es um Agrarpolitik geht.

Ich kann nicht – das ist unmöglich – mit allen Interessengruppen in Einzelgesprächen dafür sorgen, dass die Rahmenbedingungen stimmen. (Abg. Dr. Pirklhuber: Das sind Tausende von Bauern!) Ich gehe davon aus, dass auch die Interessengruppen als Mit­glieder der Landwirtschaftskammer ihre Interessen innerhalb der gewählten gesetzli­chen Vertretung wahrnehmen. Das ist die Herausforderung, vor der jeder steht. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Wimmer, bitte.

 


Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Herr Bundesminister! Die IG Milch ist eine sehr effiziente Interessenvertretung der Milchbauern. Gerade in meinem Heimatbundesland Oberösterreich bekennen sich sehr viele Bauern zu dieser neuen, mit frischem Wind


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agierenden Interessenvertretung, vor allen Dingen weil sie unabhängig agiert. Wesent­liches Ziel dieser IG Milch ist ein fairer Milchpreis für die Bauern. Wir wissen, dass an der Milch vor allen Dingen der Handel und vor allen Dingen die Molkereien verdienen. Darum tritt die IG Milch auch für eine Entflechtung der Kammerfunktion zum Beispiel und der jetzt bestehenden Interessenvertretung auf.

Herr Bundesminister! Ich frage Sie daher: Wie werden Sie die Interessengemeinschaft Milch im Kampf um einen fairen Milchpreis für die Bauern unterstützen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Zur Frage der IG Milch und anderer Interessenvertretungen steht es mir nicht zu, hier eine Bewertung vorzuneh­men. Ich respektiere und akzeptiere alle Interessenvertretungen, die sich auf freiwilliger Basis engagieren, und ich habe ein offenes Ohr für deren Anliegen.

Eines ist aber klar: Interessengruppen haben auch dafür zu sorgen, ihre Anliegen um­zusetzen. Wenn gestreikt wird und ein paar Wochen später der Milchpreis unter Druck kommt, habe ich dafür nicht die Verantwortung zu übernehmen. – Erster Punkt.

Zweiter Punkt: Es ist auch wichtig, dass Interessengruppen dann und dort ihre Verant­wortung wahrnehmen, wo Marktpreise gemacht werden: in den Molkereien, in führen­der Verantwortung zum Beispiel. Es ist wichtig, mit dem Handel entsprechende Ge­spräche zu führen und sich auseinanderzusetzen.

Wo ich in der Verantwortung bin, kämpfe ich für die Anliegen und Sorgen der Milchbau­ern Österreichs, nämlich in Brüssel und in Österreich, wenn es um Finanzmittel, Aus­gleichszahlungssysteme und die entsprechenden flankierenden Maßnahmen geht. Ich werde auch zukünftig gegen die Aufstockung der Milchquote konsequent auftreten und hoffe, dass dann auch jene von Ihnen zitierten Vertreter Seite an Seite in Brüssel viel­leicht einmal ihre Anliegen vorbringen und effizient auch durch- und umsetzen. Davon kann ich niemanden entbinden. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Grillitsch: Und nicht die Milchquote abschaffen!)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Freund, bitte.

 


Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Herr Bundesminister! Europaweit, und natürlich auch in Österreich, haben in den letzten Wochen die Milchbauern zur drastischen Maß­nahme des Milchliefer-Boykotts gegriffen. Ausschlaggebend waren dafür die für die Bauern stark gefallenen Erzeugerpreise bei der Milch. Andererseits ist in den Medien zu lesen, dass die Lebensmittelpreise steigen, was die Konsumenten natürlich auch je­den Tag beim Einkaufen zu spüren bekommen.

In anderen Ländern Europas ist der Milchpreis für die Bauern noch weiter gefallen als in Österreich. Für die niedrige Preisentwicklung sind die internationalen Märkte und La­gerbestände verantwortlich, sagen die Molkereien. In Österreich gibt es Molkereien mit einem Exportanteil von mehr als 50 Prozent. Sie verweisen bei der Preisgestaltung des Bauernmilchpreises auf die internationale Marktentwicklung.

Herr Bundesminister! Ich möchte Sie fragen: Wie wird sich Ihrer Einschätzung nach der Milchmarkt in Europa und in Österreich in der Zukunft entwickeln?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Es gibt zwei Themen, von denen diese Entwicklung abhängen wird. Das eine ist die internationale Nachfrageentwicklung. Da merken wir durchaus steigendes Interesse an Milchprodukten, vor allem in asiatischen Bereich. – Erster Punkt.


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Zweiter Punkt: Wie wird sich die Angebotslage in Europa entwickeln? Das hängt davon ab, welche agrarpolitischen Rahmenbedingungen es mit der Milchquotenaufstockung geben wird. Ich habe Interesse daran, mit einem ausgewogenen System der Angebot- und Nachfrage-Organisation, soweit es geht, auf europäischer Ebene dafür Sorge zu tragen, dass die Bauern einen besseren Milchpreis bekommen.

Dann geht es aber auch nicht an, dass manche öffentlich verlangen: Die Preise im Re­gal müssen runter! Alles ist zu teuer! – Und gleichzeitig soll der Rohstoff teurer werden. Da muss man mit Fairness und Augenmaß die Diskussion führen, auch aus Konsu­mentensicht!

Das heißt: ein besserer Preis für Österreichs und Europas Milchbauern! Ich bin opti­mistisch, dass im Herbst nach einer Depression jetzt wieder ein leichter Anstieg zu ver­zeichnen sein wird, weil wir in Brüssel, aber auch angesichts der internationalen Markt­lage mit dieser Entwicklung zu rechnen haben, wenn nichts Unvorhergesehenes mehr passiert.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Dolin­schek.

 


Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Herr Bundesminister! Im Zuge des Milch­streiks ist einiges an Unmut auch an Sie herangetragen worden. Gerüchten zufolge wurde von einigen Molkereien während dieses Milchstreiks in Österreich in Bayern und in Polen Milch angeblich teurer eingekauft, als heimische Milchbauern oft im Durch­schnitt erhalten. Das war ein Grund für den Unmut.

Was werden Sie dagegen unternehmen, dass heimische Molkereibetriebe Milch aus dem benachbarten Ausland teurer einkaufen, als bisher den österreichischen Milch­bauern überhaupt bezahlt wurde?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Herr Abgeordneter! Ich kann diese Gerüchte nicht bestätigen, sie sind mir auch überhaupt nicht bekannt. Klar ist aber: Der europäische oder insge­samt der Milchmarkt ist ein internationaler Milchmarkt. Viele österreichische Bauern gerade aus Interessengruppen liefern ihre Milch zu Molkereien nach Bayern. Wir ha­ben Molkereien, die zu 50 Prozent ihre Milchprodukte in den Export geben, also auf Exportmärkte angewiesen sind. Wir hoffen, dass die Deutschen, Italiener und alle an­deren unsere Milchprodukte kaufen und trinken.

Da kann es doch keine Einbahnstraße geben, Herr Abgeordneter! Wir sind ein export­orientiertes Milchland und haben Interesse daran, dass diese Exportmärkte boomen, aber wir müssen auch damit rechnen, dass wir dann im entsprechenden Wettbewerb stehen.

Diese Gerüchte kann ich keineswegs bestätigen, aber wir werden das entsprechend auch weiter diskutieren und im Auge haben.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordne­ter Zanger.

 


Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Herr Bundesminister, es gibt eine dramati­sche Preisentwicklung bei Rohstoffen allgemein. Besonders dramatisch ist das bei den Treibstoffen, die ja die Erzeugerpreise mit beeinflussen, und davon sind natürlich auch die Landwirte unmittelbar betroffen.

Wir Freiheitlichen haben konsequent gefordert, etwas dagegen zu tun. Die ÖVP hat sich konsequent verweigert. Nun wäre die EU einmal für etwas gut, nämlich um ge-


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meinsame Aktivitäten gegen diese Treibstoff- und Rohölpreise zu setzen, was auch den Landwirten nützen würde und günstigere Erzeugerpreise bewirken würde.

Warum haben Sie bis dato nichts auf EU-Ebene dazu getan? Und können Sie sich vor­stellen, in Zukunft etwas dazu zu tun?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Tatsächlich ist die Preisentwicklung im Rohöl- und Rohstoffsek­tor, was Treibstoffe betrifft, natürlich auch für die Landwirtschaft nicht nur im Dieselbe­reich, sondern auch in der Verteuerung der Düngemittel – plus 300 Prozent zum Bei­spiel in den letzten paar Jahren – ein zunehmend schwierigeres Problem. Das kann aber nicht agrarisch gelöst werden, sondern es muss gemeinsam besprochen wer­den – und in Europa wird das auch in den Ratsformationen diskutiert, bei den Energie­ministern, Wirtschaftsministern, Finanzministern und dann auch im Rat insgesamt –, wie man mit dieser Entwicklung – Spekulationsthemen zum Beispiel als eine Facette davon – umgeht.

Und was Sie in Ihrer Aufzählung vergessen haben, ist, dass wir den Bäuerinnen und Bauern geholfen haben: 50 Millionen € pro Jahr für die Rückerstattung im Betriebsmit­telsektor, was den Treibstoff angeht. Das haben wenige andere Länder – wir haben es verwirklicht! (Beifall bei der ÖVP.) Sagen Sie alles und nicht nur die Hälfte!

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zur 4. Anfrage; das ist die des Herrn Abgeordneten Ing. Hofer. – Bitte.

 


Abgeordneter Ing. Norbert Hofer (FPÖ): Sehr geehrter Herr Bundesminister, wer ist „wir“? (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Wir!) Das ist nicht der Bauernbund, das war der Steuerzahler, der Gott sei Dank geholfen hat! (Abg. Grillitsch: Das war der Bauern­bund!)

Herr Bundesminister, die Mehrheit der Österreicher lehnt gentechnisch veränderte Nahrungsmittel aus gutem Grund ab. Viele heimische Bauern lehnen es auch ab, ihre Tiere mit gentechnisch veränderten Organismen zu füttern. Trotzdem werden jährlich Hunderttausende Tonnen an gentechnisch verändertem Soja importiert und verfüttert. Der Konsument hat keine Chance zu entscheiden, ob er dieses Fleisch, diese Milch, diese Eier kaufen oder essen will oder nicht, denn es gibt dafür keine Kennzeichnung.

Meine Frage lautet:

68/M

„Was werden Sie tun, damit Fleisch von Tieren, die mit gentechnisch veränderten Futtermitteln gefüttert wurden, auch gekennzeichnet wird?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Zum Ersten, Herr Abgeordneter: Keine österreichische Bäuerin und kein Bauer muss gentechnisch veränderte Futtermittel kaufen. Wir haben eine kla­re Kennzeichnung. Dort, wo mehr als 0,9 Prozent gentechnisch veränderter Anteil im Futtermittel oder Lebensmittel für die Menschen drinnen ist, muss es gekennzeichnet sein. Jeder hat die Wahlfreiheit. – Erster Punkt.

Zweiter Punkt: Es gibt das klare wissenschaftliche Erkenntnis – und das ist auch der Rechtsbestand der Europäischen Union –, dass tierische Produkte – Fleisch, Milch, Eier –, die von Tieren stammen, die zwar mit gentechnisch veränderten Futtermitteln


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gefüttert wurden, nicht gentechnisch verändert sind. Das ist die Position, die wissen­schaftlich auch klar unterstrichen ist. Damit gibt es auch keine Kennzeichnungspflicht – nicht in Österreich und nicht in der Europäischen Union –, weil kein Konnex zwischen beiden Themen besteht. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Hofer.

 


Abgeordneter Ing. Norbert Hofer (FPÖ): Sehr geehrter Herr Bundesminister, vor et­wa 150 Jahren hat die Wissenschaft gemeint, wer mit einem Eisenbahnwagen mehr als 30 km/h fährt, wird sterben, weil es der Körper nicht verträgt. Verlassen Sie sich bit­te nicht immer auf die Wissenschaft!

Herr Bundesminister, unsägliches Tierleid wird produziert, weil Fleisch über Lebend­tiertransporte aus dem Ausland nach Österreich transportiert wird, diese Tiere hier ge­schlachtet werden, das Fleisch dann mit dem Stempel „A“ versehen wird – und dann wird dieses Fleisch als österreichisches Fleisch verkauft und exportiert.

Was werden Sie tun, damit Fleisch, das nicht aus Österreich stammt und das von Tie­ren stammt, die nicht hier aufgewachsen sind, nicht mehr diesen begehrten Stempel „A“ erhält?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Man muss bei der Kennzeichnung einmal grundsätzlich unter­scheiden, um jenen, die hier Angst machen und mit falschen Tatsachen operieren, ent­gegenzutreten. Wer heute österreichische Qualität kaufen will, kann das in allen Rega­len dieses Landes tun: Kaufen Sie AMA-Gütezeichen, und Sie sind auf der sicheren Seite! (Beifall bei der ÖVP.) – Das ist die Botschaft. Jeder hat die Wahlfreiheit.

Und: Wir haben ein klares Kennzeichnungssystem, dass Frischfleisch nicht umgestem­pelt werden kann. Wenn das der Fall ist, dann machen das manche in betrügerischer Absicht, und dem ist entgegenzutreten. – Mir sind diese Tatsachen nicht bekannt. Wenn Sie Fälle kennen, dann müssen Sie auch entsprechend für rechtliche Verfolgung sorgen, Herr Abgeordneter, und nicht hier mit solchen Behauptungen agieren, weil das zur Verunsicherung – zu einer ungerechtfertigten Verunsicherung! – der Konsumentin­nen und Konsumenten führt.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordne­ter Dr. Pirklhuber.

 


Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Bundesminister! Wir haben gestern einen Fünf-Parteien-Antrag für gentechnikfreien Anbau im Parlament beschlossen – Gott sei Dank. Hier gibt es einen Schulterschluss des österreichischen Parlaments für das Selbstbestimmungsrecht der gentechnikfreien Regionen.

Aber, Herr Bundesminister, im Bereich der gentechnikfreien Futtermittel haben Sie auf der vollen Linie versagt. Sie haben gerade das AMA-Gütesiegel angesprochen, und im AMA-Gütesiegel ist nicht sichergestellt, dass gentechnikfreie Futtermittel verwendet werden müssen! Das ist ein Qualitätslabel, für das Sie verantwortlich sind, und wir Grü­nen hätten uns erwartet, dass Sie diese Initiative starten, wie es auch die Schweiz um­gesetzt hat.

Daher meine Frage an Sie, Herr Bundesminister: Was werden Sie auf europäischer Ebene und was werden Sie in Österreich tun, damit endlich auch beim Fleisch, bei der Milch und bei Eiern die Fütterung mit berücksichtigt wird, wenn sie mit gentechnisch veränderten Futtermitteln durchgeführt wird? Was werden Sie dazu an Initiativen set­zen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 



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Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Herr Abgeordneter Pirklhuber! Wir werden erstens – und das muss man in diesem Rahmen feststellen – alles dafür tun, dass kein technisch verän­dertes Saatgut, keine derartigen Pflanzen in Österreich ausgepflanzt werden. – Erster Punkt.

Zweiter Punkt: In der Fütterung – das habe ich bereits ausgeführt – hat das keine Aus­wirkung auf das Endprodukt, und die Regelung in der Europäischen Union ist klar. Deswegen setzen wir auf Freiwilligkeit. Es gibt viele Unternehmen im Lebensmittelbe­reich in Österreich, die bereits jetzt ohne Notwendigkeit ihre Produktionsketten auch in der Fütterung gentechnikfrei organisieren. Da können sich die Konsumentinnen und Konsumenten darauf verlassen. – Und das sind die richtigen Ansätze, die wir haben müssen, um gemäß den Vorgaben der Europäischen Union und mit dem, was wir wol­len, Gentechnik von Österreich fernzuhalten.

Der letzte Punkt ist: Gerade aus der Biosprit- und Ethanolproduktion, die wir in Pi­schelsdorf begonnen haben, werden wir so viel Eiweißfutter erzeugen wie niemals zu­vor – gentechnikfrei! –, und wir werden Gentechniksoja aus Brasilien damit ersetzen. – Nur: Leider sind Sie gegen diese Art der Produktion. Und das ist Ihr Problem, Herr Ab­geordneter Pirklhuber, aber nicht mehr unseres. (Beifall bei der ÖVP. – Ironische Hei­terkeit des Abg. Öllinger. – Abg. Mag. Kogler: Und am Sonntag gehen wir mit dem Molterer in die Kirche!)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Maier, bitte.

 


Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Guten Morgen, Herr Bundesminister! Die Sozialdemokratische Partei tritt, im Gegensatz zur ÖVP, für eine Kennzeichnung derar­tiger tierischer Produkte ein. Und für uns, Herr Bundesminister, ist die Diskussion in Deutschland interessant. Der deutsche Bauernpräsident – Ihr Parteikollege – Gert Sonnleitner hat sich in Deutschland darüber ausgelassen, dass innerhalb der Europäi­schen Union nicht zugelassenes gentechnisch verändertes Soja auch nicht in kleinsten Mengen in Viehfutter enthalten sein darf. Er nennt das „völlig idiotisch“ und glaubt, dass es zu Versorgungsengpässen kommt, und er sagt weiters: „,Kein Mensch fragt danach, was diese Tiere gefressen haben‘, liegen die als Schnitzel auf dem Teller.“ – Ich gehe einmal davon aus, 

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist zu Ende. Sie müssen die Frage formulieren!

 


Abgeordneter Mag. Johann Maier (fortsetzend): Ich formuliere die Frage, Herr Bun­desminister: Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, damit die heimische Futtermit­telproduktion, insbesondere von Eiweißpflanzen, erhöht wird, und wie wollen Sie si­cherstellen, dass in Österreich tatsächlich kein GVO-Saatgut ausgepflanzt wird?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Zum Ersten: Gentechnisch verändertes Saatgut und dessen Auspflanzung in Österreich hintanzuhalten ist durch einen Mix von Maßnahmen mög­lich: In meinem Bereich, in meiner Verantwortung mit der Saatgutgesetzgebung, wei­ters mit der Gentechnikgesetzgebung beim Gesundheitsministerium und zum Dritten mit der Forcierung von gentechnikfreien Regionen und damit mit den Vorsorgegeset­zen der Bundesländer. In diesem Dreiklang werden wir alles dazu tun, um Österreich gentechnikfrei zu halten. Das ist uns bis jetzt gelungen, und das wird auch in Zukunft so sein.


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Ich bin unzufrieden mit dem, was die Europäische Union hier diskutiert – das ist sehr unsauber und unklar. Wir brauchen klare europäische Vorgaben. Diese sind nicht vor­handen, dafür kämpfen wir. Und solange es diese nicht gibt – mit wissenschaftlichen, agrarpolitischen Antworten versehen –, werden wir jedenfalls die Gentechnik in Öster­reich nicht zulassen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Kainz, bitte.

 


Abgeordneter Christoph Kainz (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Österreich nimmt (Abg. Öllinger: Das wird wieder eine leichte Frage!) – es wird eine sachliche Frage! – in Bezug auf die deutlich ablehnende Haltung gegenüber gen­technisch veränderten Pflanzen gerade auch durch Ihre klare politische Haltung und Ih­ren Einsatz in Europa eine Vorreiterrolle ein. Die Österreicherinnen und Österreicher sind zweifellos zu Recht stolz auf die Produkte und auf die Qualität der Produkte der heimischen Bauern. Gerade die Bio-Landwirtschaft hat einen besonders hohen Stellen­wert. Erst gestern haben wir hier im Hohen Haus einen Fünf-Parteien-Antrag einstim­mig beschlossen.

Daher meine Frage: Welche Maßnahmen werden Sie auch in Zukunft setzen, um den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen hintanzuhalten?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Wir werden alle Hände voll zu tun haben, damit die EFSA – das ist jene Stelle auf wissenschaftlicher Ebene in Brüssel, die über einzelne Konstrukte und deren Zulassung mit „ja“ oder „nein“ zu urteilen hat, damit das dann in die politi­sche Entscheidung kommen kann – viel objektiver und auch unter stärkerer Beteiligung der nationalen Agenturen – der Agentur für Ernährungssicherheit hier in Österreich – und nicht vorbei an politischen Entscheidungsträgern und an den Bedenken wissen­schaftlicher Natur in den Nationalstaaten ihre Entscheidungen trifft. Das ist die Aufga­be: die EFSA zu reformieren, sich dort aktiv einzubringen. Die Diskussion führen wir sehr intensiv im Agrar- und Umweltministerrat, um hier objektivere Begutachtungskrite­rien für die Gentechnik zu erzielen.

Wir werden uns auch in Österreich überlegen müssen, gentechnische Forschung zu betreiben, um dagegenhalten zu können, um Wissen und Argumente zu haben, um da­gegenzuhalten. Das haben wir beim Fünf-Parteien-Antrag und auch letztes Mal im Ausschuss in sehr konstruktiver Weise besprochen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Schalle, bitte.

 


Abgeordneter Veit Schalle (BZÖ): Herr Minister! Gentechnik hat in vielen Haushalts­produkten bereits Einzug gehalten – um nur einige zu nennen: Wasch- und Putzmittel. Vor allem bei importierten Futtermitteln ist Gentechnik eigentlich gang und gäbe.

Meine Frage: Welche Maßnahmen setzen Sie, um mögliche langfristige Folgen für die Konsumenten durch den Verzehr von mit gentechnisch veränderten Futtermitteln gefüt­terten Tieren zu erforschen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Wir werden, was die Gentechnikforschung betrifft, neue Wege zu gehen haben. Wir merken, dass uns aufgrund des Verzichts Österreichs auf die An­wendung von Gentechnik, und damit verbunden auch des weitestgehenden Verzichts auf Forschung, schön langsam die Argumente fehlen, um neuen Konstrukten zu be­gegnen. Das heißt, wir müssen stärker universitär, auch mit Unterstützung der Wirt-


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schaft, in die Forschung rund um Gentechnikverwendung gehen, um unsere Argumen­tation zu stärken. Das ist meine fixe Meinung, und ich werde deswegen auch seitens des Ressorts, was finanzielle und auch Rahmenbedingungen im Agrarbereich betrifft, hier Vorsorge treffen, damit in diesem Bereich mehr für die Unterstützung der österrei­chischen Position geforscht werden kann.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zur Anfrage 66/M des Herrn Abgeordneten Gaßner. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Herr Bundesminister, die Gesundheitsüber­prüfung der europäischen Landwirtschaft, „Health Check“, geht in die Endphase.

Meine Frage:

66/M

„Welche Möglichkeiten sehen Sie als zuständiges Regierungsmitglied im Rahmen des derzeit laufenden Gesundheits-Check der gemeinsamen EU Agrarpolitik dafür zu sor­gen, dass die Milchquotenregelung erhalten bleibt?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Mit diesem Gesundheits-Check der Europäischen Union sollen die Eckpunkte der Agrarpolitik 2003 – Reform Franz Fischler, bis 2013 gültig – über­prüft werden: Braucht es Änderungen oder nicht? Und ein zentraler Teil davon ist die Frage: Gibt es nach 2014/15 weiter eine Milchmengenregelung oder Milchquote in Europa – ja oder nein?

Wir haben eine klare Position: Wir brauchen für die benachteiligten Standorte Europas, und damit gerade für den Milchstandort Österreich, ein Milchquotensystem auch in Zu­kunft! Ich weiß, dass die meisten Länder und Kollegen in der Europäischen Union das diametral anders sehen. Das ist schade.

Das heißt, wir kämpfen für die Milchquote, bereiten uns aber für deren Auslaufen vor, weil wir dann Geld und flankierende Maßnahmen für unsere Milchbäuerinnen und Milchbauern brauchen, um ihnen helfen zu können.

Der Kampf ist noch nicht verloren, er wird im Herbst in die heiße Phase kommen. Ich bin dabei, Verbündete zu suchen in dem Bemühen, die Milchquote zu verlängern, muss aber zur Kenntnis nehmen, dass die Bereitschaft in anderen Ländern, bei ande­ren Ministern enden wollend ist. Und deswegen bereiten wir parallel eine Offensive vor, um mit Geldmitteln und flankierenden Maßnahmen im gegebenen Fall – beim Auslau­fen, wenn wir sie nicht halten können – Hilfe anbieten zu können. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Mag. Gaßner.

 


Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Herr Bundesminister, auch wir haben es ge­wagt, uns mit der Frau Kommissarin über dieses Thema zu unterhalten, und sie hat uns fix den 15. März 2015 als Tag des Auslaufens der Milchquotenregelung genannt und schlägt die so genannte sanfte Landung vor. – Das heißt offenbar, dass die Land­wirte langsam darauf vorbereitet werden, hier unterzugehen, nehme ich an.

Die Frau Kommissarin sagt auch, dass in den nächsten fünf Jahren die Quote um ein bis zwei Prozent erhöht werden soll. Sie haben heute schon betont: keine Quoten­erhöhung!, und reden immer von flankierenden Maßnahmen: Wenn keine Milchquote, dann flankierende Maßnahmen!


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Was bedeuten diese flankierenden Maßnahmen, damit Sie zum „Überlebensminister“ für die kleinen und mittleren Bauern werden?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Was die Kommissarin für sich definiert, ist das eine; was wir mit ihr verhandeln, ist das andere – das ist mein Zugang. Wir sind noch nicht am Ende des Weges der Verhandlungen angekommen. Deswegen klare Verhandlungsführung: Wir wollen die Milchquote weiter haben; wenn das nicht möglich ist: flankierende Maßnah­men. – Da kann ich mir mehrere Themen vorstellen: von direkter Unterstützung der Bauern pro Hektar Grünland, pro Liter Milch bis zur Frage der Stärkung der Molkerei­strukturen, der Transportlogistik – vieles von dem wollen wir ausverhandeln.

Ich will dann eine breite Palette zum Auswählen für Österreichs Bauern haben, mit dem entsprechenden Geld aus der Europäischen Union versorgt. – Das ist die Ver­handlungsführung für die französische Präsidentschaft im zweiten Halbjahr dieses Jah­res. Ich denke, dass wir im Oktober/November in die Entscheidungssituation kommen werden – da geht es um Geld, um flankierende Maßnahmen, wenn die Milchquote nicht zu halten ist.

Ich bin gegen die schleichende Aushöhlung der Milchquote durch ständige Erhöhung ebendieser Quote um zwei, drei, vier, fünf Prozent, wie es manche wollen. Das wird nie meine Zustimmung finden, da werden wir auch in Zukunft dagegenhalten. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Sieber, bitte.

 


Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrter Herr Minister, nach geltender Be­schlusslage wird das Milchquotensystem 2014 auslaufen. Sie, Herr Minister, sind einer der wenigen Landwirtschaftsminister in Europa, die für den Erhalt dieses Milchquoten­systems kämpfen. (Beifall und Bravorufe bei Abgeordneten der ÖVP.) Vor allem aber gehen Sie einen ehrlichen Weg und sagen den Bäuerinnen und Bauern die Wahrheit, während andere auf der einen Seite die hohen Konsumentenpreise bejammern und im selben Atemzug höhere Erzeugerpreise fordern. Das geht nicht zusammen.

Wenn aber nun, Herr Minister, für den Weiterbestand der Quote nach dem Jahr 2013 keine Mehrheit gefunden werden kann, dann werden die österreichischen Bäuerinnen und Bauern dem uneingeschränkten Mengenwettbewerb ausgeliefert sein. Deswegen meine Frage: Wie sollen aus Ihrer Sicht die notwendigen flankierenden Maßnahmen für die Benachteiligten und für die Berggebiete aussehen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Wenn wir am Ende des Tages tatsächlich einen von den Men­gen völlig freien Milchmarkt haben, ist klar, dass für die 70 Prozent Berggebiet und Grünland in Österreich, und darüber hinaus in Europa insgesamt, ganz schwierige He­rausforderungen auf uns zukommen. Deswegen muss jetzt bei diesem Gesundheits-Check der Europäischen Union dafür Vorsorge getroffen werden, genug Geld für diese Regionen und für die Milchbauern zu haben sowie die entsprechenden flankierenden Maßnahmen – das kann von Kuhprämien über Grünlandprämien über Transportlogis­tikunterstützung bis zur Stärkung der Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen ge­hen –, um den Milchmarkt flott zu halten.

Das heißt, die ganze Bandbreite wird von mir verhandelt, mit dem entsprechenden Geld, um dann bereit zu sein, wenn die Milchquote ausläuft. Der Kampf ist noch nicht verloren, allerdings: Wir bereiten uns zeitgleich darauf vor, um dann die richtigen Ant­worten zu haben, wenn es passiert. (Beifall bei der ÖVP.)

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 30

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordne­ter Dolinschek.

 


Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Herr Bundesminister! Nach dem Jahr 2014, jedenfalls ab 2015 läuft die Milchquotenregelung aus. Schon jetzt hat die jährliche zweiprozentige Anhebung der Milchquote zu einem Preisverfall, zu einem Preisdruck für die Milchbauern geführt.

Sie haben jetzt angekündigt, es wird flankierende Maßnahmen dazu geben, um den Milchbäuerinnen und Milchbauern in der Zeit nach dem Wegfall der Milchquotenrege­lung praktisch zu helfen.

Jetzt meine Frage: Sind für diese flankierenden Maßnahmen, die Sie gerade angespro­chen haben, auch die EU-Mittel garantiert?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Diese Frage ist noch nicht endgültig beantwortet und wird sich am Schluss der Verhandlungen zuspitzen. Dieser Zeitpunkt ist noch nicht gekommen. Ich habe in der Europäischen Union Bedarf an Geldmitteln für diese flankierenden Maßnahmen angemeldet. Der Kommissarin, der französischen Präsidentschaft und meinem Kollegen in Frankreich sowie den anderen Ministern ist klar, dass wir Geld für Österreich brauchen. Und gehen Sie davon aus, dass ich auch nicht lockerlassen wer­de, das Geld nach Österreich zu bringen!

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 31

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Zan­ger.

 


Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Herr Bundesminister, jetzt, wo feststeht, dass die Milchquote mit 2015 ausläuft, wird in einer Untersuchung eines Marktforschungs­instituts festgestellt, dass bis 2012 drei Viertel der Milchbauern die Milchproduktion ein­stellen werden. Und wenn man schon alles sagen will, dann muss man das auch wirk­lich tun: Seit 1995 geben täglich zehn Bauern ihren Betrieb auf!

Angesichts dieser für die österreichische Landwirtschaft wirklich dramatischen und be­denklichen Entwicklung frage ich Sie, was Sie jetzt im Wahlkampf Ihren Bäuerinnen und Bauern sagen werden, um diese Entwicklung einzudämmen. Was sind Ihre Ver­sprechen, die Sie dann doch nicht halten können?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Es ist nicht gut, die Bäuerin­nen und Bauern in einen Wahlkampf hineinzuziehen, sondern man sollte eher dafür kämpfen – und das wird in den nächsten Wochen und Monaten auch meine Kraft be­anspruchen –, dass in Brüssel mit den Rahmenbedingungen alles passt, damit die Bäuerinnen und Bauern wirtschaften können.

Was den Strukturwandel betrifft, so vergessen wir alle gemeinsam, dass der größte Umbruch in der österreichischen Landwirtschaft in den sechziger, siebziger und achtzi­ger Jahren stattgefunden hat. Seit dem Beitritt zur Europäischen Union hat sich der Strukturwandel in der österreichischen Landwirtschaft, die Abnahme der Betriebe stark verringert. Wir sind wesentlich besser aufgestellt als noch vor zehn Jahren, kurz nach dem Beitritt zur Europäischen Union. Wir haben 2007 und 2006 Einkommenszuwächse gehabt, die sich sehen lassen können! Und dafür gilt es zu kämpfen: dass dieser Pro­zess, der mit den Rohstoffpreisen eingesetzt hat, auch nachhaltig für die Zukunft gesi­chert werden kann.

Und dafür kämpfe ich – nicht wahlkämpfend, sondern kämpfend für die Einkommen der Bauern! (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Pirklhuber.

 


Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Bundesminister, die soziale Gerechtigkeit in der Landwirtschaft lässt mehr als zu wünschen übrig. Die Transparenzdatenbank hat ja gezeigt, dass die Fördermittel nicht gerecht verteilt sind. Der Gesundheits-Check bietet Möglichkeiten, hier neue Akzente zu setzen, auch in der Klimapolitik, im Bereich Landwirtschaft und in der Energiepolitik.

Und ganz konkret die Agrotreibstoffe – Sie haben es ja heute schon angesprochen –: 80 Prozent in Österreich sind derzeit importierte Agrotreibstoffe. Kein Bauer, keine Bäuerin hat davon etwas!

Wann werden Sie endlich diese völlig überzogenen Beimischziele für Agrotreibstoffe – 10 Prozent bis 2010 beziehungsweise 20 Prozent bis 2020 – revidieren? Bekanntlich ist der neue Report der Weltbank ja auch klar in seiner Aussage: 75 Prozent der welt­weiten Lebensmittelpreissteigerungen gehen darauf zurück, dass Agrotreibstoffe in den USA inzwischen von 25 Prozent der Maisernte und 17 Prozent der Sojaernte erzeugt werden. (Abg. Ing. Schultes: Eine Werbeeinschaltung der OMV!)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Herr Abgeordneter, was die Biotreibstoffe und deren Entwick­lung betrifft, bin ich ja gar nicht so ambitioniert, wie das die Grünen immer vorschlagen. 2006 haben Sie noch den Totalausstieg aus Benzin und Diesel verlangt, und dass alles mit Biotreibstoffen betrieben werden soll. (Abg. Dr. Pirklhuber: In der Landwirtschaft zu 100 Prozent einsetzen! In der Landwirtschaft!) Was ist in den letzten zwei Jahren passiert, Herr Abgeordneter? – Es hat sich nichts geändert, nur: Sie haben auf das fal­sche Pferd gesetzt!

Wir gehen auf 10 Prozent Biotreibstoffe – wesentlich weniger, als das Amerika bezie­hungsweise Brasilien das tut. Wir haben nichts damit zu tun, was dort passiert, son­dern die europäische Strategie ist, aus Europa heraus zu produzieren. Und das werden wir ganz konsequent umsetzen – gut für den Klimaschutz, gut für die Einkommen der Bäuerinnen und Bauern (Abg. Dr. Pirklhuber: Importiert! Alles importiert!) und auch richtig, was die Unabhängigkeit von Russland, vom Nahen Osten und von den Erdölfel­dern in politisch sensiblen Räumen betrifft. Das ist unsere Strategie – nicht mehr und nicht weniger. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zur Anfrage 62/M des Herrn Abgeordneten Thomas Einwallner. – Bitte.

 


Abgeordneter Thomas Einwallner (ÖVP): Geschätzter Herr Bundesminister! Die Wahrheit ist: Österreich hat sich in den letzten Jahren in der Klima- und Energiepolitik dank Österreichischer Volkspartei, aber auch dank Ihrer Initiativen stark entwickelt; der Ökostromanteil liegt bei uns mit 7,6 Prozent doppelt so hoch wie im EU-Durchschnitt. (Abg. Dr. Lichtenecker: Das stimmt nicht! Schauen Sie sich doch die Zahlen an!) Mit der vorliegenden Novelle zum Ökostromgesetz kann Österreich weiterhin seine Vorrei­terrolle in der EU einnehmen.

Aus meiner Sicht stellt sich die Frage an Sie, Herr Bundesminister:

62/M

„Was sind aus Sicht Ihres Ressorts die wesentlichen Verbesserungen im Ökostromgesetz?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Herr Bundesminister. (Abg. Dr. Lichten­ecker: Herr Bundesminister, Sie wissen, dass das nicht die Wahrheit ist!)

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 32

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Ich freue mich sehr, dass wir mit dem neuen Ökostromgesetz den eingeschlagenen Weg, auf mehr Ökostrom zu setzen, nämlich eine Verdoppelung herbeizuführen, erfolgreich weiter beschreiten konnten. Die Anlagenbetreiber können auf längere, fixe Einspeisetarifzeiten mit 15 und 13 Jahren setzen. Es gibt mehr Ver­lässlichkeit für die Investoren, die auf Ökostrom in der gesamten Bandbreite – Wind, Biomasse, Biogas, Fotovoltaik – setzen.

Wir können auf keinen einzigen Teil von diesem Energiemix verzichten, und das neue Ökostromgesetz unterstützt diese Entwicklung: Wir werden doppelt so viel Ökostrom haben wie in der Vergangenheit. Damit sind wir federführend in Europa, und wir kön­nen stolz sein, dass es uns gemeinsam gelungen ist, diese Entwicklung herbeizufüh­ren, und dass wir somit einen für die Klimastatistik unverzichtbaren Bestandteil an
CO2-Reduktion beisteuern können.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Ein­wallner.

 


Abgeordneter Thomas Einwallner (ÖVP): Herr Bundesminister, damit Österreich die weitere Topposition bei Klimaschutz einnehmen kann, ist es natürlich auch notwendig, sich auf anderen Gebieten der CO2-Reduktion einzubringen.

Neben Strom aus erneuerbaren Energieträgern spielt natürlich Ökoenergie auch im Bereich der Raumwärme und des Treibstoffs eine wesentliche Rolle. Daher meine Fra­ge: Welche Initiativen setzen Sie in diesem Bereich, um die Ökoenergie zu steigern?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Wir haben zwei zentrale Probleme im Klimaschutz: Klimakiller Nummer eins ist der Verkehrsbereich, gefolgt von der klassischen Raumwärme im Ge­bäudebereich.

Ich bin deswegen mit einer Artikel-15a-Vereinbarung mit den Ländern, die dort zustän­dig sind, in Begutachtung gegangen, und ich erwarte jetzt eine geeinte Vorgangsweise, dass wir in der Wohnbauförderung die ökologischen Kriterien beziehungsweise die Mindestkriterien erhöhen und bei der Sanierung mehr Engagement zeigen. Das ist gut für die Umwelt, das ist aber gerade in Zeiten der Teuerung in sozialer Hinsicht noch besser für die Geldbörse. Wer dämmt und seitens der Bundesländer mehr Geld für die Wohnbausanierung gibt, hilft den Menschen, zu sparen. Der Energieverbrauch ist zu reduzieren, und wir werden das vorantreiben. Diesbezüglich sind ganz besonders die Länder und gerade auch die Städte gefordert. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Schalle.

 


Abgeordneter Veit Schalle (BZÖ): Herr Minister! Unser Ökostromgesetz trägt die Handschrift der Lobbyisten für Energiefirmen, Industrie und für die große Landwirt­schaft. Was werden Sie dafür tun, dass auch private Haushalte in Solarenergie, Photo­voltaik und Geothermie investieren, um langfristig energieunabhängiger zu werden?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Da gibt es eine Zwei-Phasen-Strategie.

Erstens kann Photovoltaik mit Ökostrom für Großanlagen und Kraftwerke mit fixen Ein­speisetarifen unterstützt werden.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 33

Zweitens geht es um Strom für die privaten Haushalte: Ich habe ein Zehntausend-Dä­cher-Programm für Österreich vorgeschlagen. Wir wollen den Menschen mit einer Ein­malinvestitionsunterstützung aus dem Klima- und Energiefonds ermöglichen, selbst in ihr eigenes Solarkraftwerk auf dem Dach zu investieren. – Das tun wir. Mein Vorschlag zählt: Zehntausend-Dächer-Programm für Österreich aus dem Klima- und Energie­fonds. Und ich hoffe, dass dort bald die entsprechenden Notwendigkeiten konsensual, wie man das von einem Klimaschutzbeauftragten eigentlich erwarten sollte, erfüllt wer­den. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter
Dipl.-Ing. Klement.

 


Abgeordneter Dipl.-Ing. Karlheinz Klement, MAS (FPÖ): Herr Minister! Wir sprechen zwar offiziell von einem Ökostromgesetz; in Wahrheit ist es aber ein Ökostromblo­ckadegesetz. Wenn Sie hier davon reden, dass wir ein Zehntausend-Dächer-Pro­gramm haben, dann verwenden Sie bitte Ihre mathematischen Grundkenntnisse, divi­dieren Sie diese zehntausend Dächer durch vier Jahre und dann durch die Anzahl der Gemeinden: Dann kommen Sie pro Jahr pro Gemeinde auf ein Dach! Das soll eine Of­fensive sein, Herr Landwirtschaftsminister? Da lachen ja die Hühner!

Sie behindern mit diesem Ökostromgesetz die Photovoltaik, Sie behindern den Heim­markt, Sie behindern Forschung und Entwicklung, und Sie verhindern vor allem auch die Entwicklung für die KMUs. Und noch dazu betonieren Sie dieses Gesetz mit einer Zweidrittelmehrheit ein!

Jetzt frage ich Sie: Wie wollen Sie einen Energiemasterplan, der die ausgezeichneten österreichischen Voraussetzungen – Biomasse und Wasserkraft – mit einbindet, wirk­lich rund gestalten, wenn Sie völlig auf Photovoltaik und auf die großen Chancen im Bereich dieser neuen Technologien verzichten? (Beifall bei der FPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Herr Abgeordneter Klement, wissen Sie, was interessant ist? – Gerade Sie und viele Mitglieder Ihrer Partei treten ganz massiv gegen Teuerung auf! Wir tun das auch. Sie müssen aber auch dazusagen, dass Ökostrom und Photovoltaik und viele andere Ökostromquellen in der Stromproduktion teurer sind. Daher müssen Sie beides sehen! Sie aber treten gegen den Ökostromzuschlag auf und wollen zu­gleich mehr Ökostrom.

Im Hinblick darauf haben wir einen Mittelweg gewählt, der die richtige Antwort gibt: 15 Prozent Ökostrom für Österreich. Es wird aber auch der Ausbau der Wasserkraft, auch der Großwasserkraft, ein Thema in Österreich sein.

Wir sind europäischer Spitzenreiter, was die Stromproduktion aus Wasserkraft und nachhaltigen Energiequellen betrifft. Diesen Weg werden wir mit dem Ökostromgesetz und zum Beispiel auch mit einem „Masterplan Wasserkraft“ ganz konsequent weiterge­hen.

Drittens sind Energiesparen und Energieeffizienz ohnehin unverzichtbare Themen, die uns gemeinsam zu beschäftigen haben. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Kogler, bitte.

 


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Bundesminister, das Institut der Fragestunde ist, glaube ich, nicht dazu da, dass Sie bei jeder Gelegenheit den Fra-
ge stellenden Abgeordneten schulmeistern, sofern er nicht der ÖVP angehört! (Abg. Neugebauer: Dann stellen Sie halt gescheite Fragen!)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 34

Ich darf meine Frage einleiten: In allen Studien, etwa in der Studie des Wirtschaftsfor­schungsinstituts oder auch der Energieagentur, wird darauf hingewiesen, dass Öster­reich seinen ehemaligen Vorreiterplatz in Fragen der Ökowirtschaft, der regionalen Wertschöpfung beziehungsweise der Arbeitsplätze verliert. Wir fallen immer weiter zu­rück.

Ich frage Sie also: Was wird getan, dass wir etwa in den Status der Bundesrepublik Deutschland oder der skandinavischen Länder kommen, wo entsprechende Arbeits­platzeffekte nachgewiesen werden? – Ich bitte Sie, jetzt auf den NLP-Speech des ehe­maligen Ministers Grasser zu verzichten! (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Herr Abgeordneter, erstens: Ich werde mich bemühen, nicht schulmeisternd zu sein, sondern die Fragen zu beantworten. Das habe ich jetzt seit einer Stunde getan, und zwar, wie ich hoffe, ganz ausführlich und im Detail. (Beifall bei der ÖVP.) – Erster Punkt.

Zweitens: Wir sehen tatsächlich, dass die Frage der Umwelttechnologie nicht nur aus ökologischer Sicht, sondern auch die Wirtschaftsdynamik betreffend ein unverzichtba­rer Sektor ist. In der Umwelttechnologiebranche in Österreich wächst die Zahl der Ar­beitsplätze und entwickelt sich auch die Wirtschaft doppelt so schnell wie beim Rest der Industrie. Es ist dies also eine absolute Zukunftsbranche. Wir wollen die Zahl
der Arbeitskräfte in diesem Bereich – Wasser, Luftreinhaltung, Energiegewinnung –
bis 2020 verdoppeln.

Wir sind mit einer eigenen Exportoffensive in den Nachbarländern unterwegs. Unsere Nachbarländer müssen 130 Milliarden € investieren, um die Umweltstandards Europas zu erreichen, und wenn es um dieses Geschäft geht, wollen wir auch mit dabei sein. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Danke schön. – Die Fragestunde ist somit be­endet.

Ich bedanke mich beim Herrn Bundesminister, und ich bedanke mich auch für die Dis­ziplin der Abgeordneten. (Beifall bei der ÖVP.)

10.08.51Ankündigung eines Dringlichen Antrages

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Die Abgeordneten Mag. Weinzinger, Kollegin­nen und Kollegen haben vor Eingang in die Tagesordnung das Verlangen gestellt, den zum gleichen Zeitpunkt eingebrachten Selbständigen Antrag 854/A(E) der Abgeordne­ten Mag. Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verhinderung der miss­bräuchlichen Anwendung der Anti-Mafia-Paragraphen dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird der Dringliche Antrag um 15 Uhr behandelt wer­den.

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Um den Punkt 1 der Tagesordnung in Verhand­lung nehmen zu können, ist es gemäß § 44 Abs. 2 der Geschäftsordnung erforderlich, von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen des Ausschussberichtes abzusehen. Bei Punkt 1 handelt es sich um den Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 841/A der Abgeordneten Dr. Cap, Dr. Schüssel, Dr. Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die XXIII. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates vorzeitig beendet wird, 666 der Beilagen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 35

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Abstandnahme von der Aufliegefrist für die­sen Ausschussbericht Ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 6 bis 9, 11 und 12 sowie 16 und 17 der Tagesordnung jeweils zusammenzufas­sen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Im Rundlaufweg wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt.

Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 9 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ und ÖVP je 131 Minuten, Grüne und Freiheit­liche 108 Minuten sowie BZÖ 63 Minuten.

Tatsächliche Berichtigungen gelangen erst nach Beendigung der Fernsehübertragung zum Aufruf.

Weiters wurde folgende Redezeitvereinbarung für die Debatte betreffend vorzeitige Be­endigung der Gesetzgebungsperiode in der Zeit von 10.25 Uhr beziehungsweise, da wir früher beginnen, von jetzt weg bis 13 Uhr getroffen: Eine Fraktionsrunde mit je 8 Minuten, zwei Regierungsmitglieder mit je 8 Minuten, eine Fraktionsrunde mit je 6 Mi­nuten, eine Fraktionsrunde mit je 5 Minuten, eine Fraktionsrunde mit je 4 Minuten, eine Fraktionsrunde mit je 4 Minuten.

Weiters wurde vereinbart, dass die RednerInnenreihenfolge innerhalb der Fraktions­runden nach Fraktionsstärke erfolgen soll. Die letzten Runden werden so wie bisher vom vorsitzführenden Präsidenten gleichmäßig auf die Fraktionen verteilt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung.

Wer diesem Vorschlag zustimmt, den ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

10.11.261. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 841/A der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Dr. Wolfgang Schüssel, Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die XXIII. Gesetzgebungs­periode des Nationalrates vorzeitig beendet wird (666 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zum 1. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster gelangt Herr Klubobmann Dr. Cap mit einer Redezeit von 8 Minuten zu Wort. – Bitte, Herr Klubobmann.

 


10.12.03

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Diese Tage bie­ten die Möglichkeit, dass man jetzt nicht nur stärker wieder die Programmatik heraus-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 36

streicht und sich von den anderen Parteien in kritische Diskussionen einlässt, sondern dass man auch ein wenig Resümee zieht. Das haben wir gestern schon getan.

Heute ist es, glaube ich, geboten, einmal festzustellen, dass diese bisherige, leider kur­ze Periode, wenn man sie noch einmal Revue passieren lässt, doch jedem Vergleich mit anderen Regierungsperioden standhält. Wenn man sich ansieht, was im Bereich der Armutsbekämpfung, was für die Jugend und was im Kampf gegen die Teuerung getan wurde, und wenn man sich ansieht, was für die Wirtschaft, was im Kulturbereich und was im Bildungsbereich getan wurde, dann meine ich, dass diese Maßnahmen sehr wohl nicht nur die sozialdemokratische Handschrift tragen, sondern dass damit auch bewiesen werden konnte, dass es, abgesehen von vielen Debatten und Kontro­versen, im Kern auch eine Regierungsarbeit gab, die wirklich im Interesse Österreichs und der Österreicherinnen und Österreicher gestanden ist.

Man darf aber nie zufrieden sein, sondern man muss unzufrieden sein und man muss schauen, wie man es besser und auch anders machen kann. Die Opposition hat ja die Möglichkeit, auch heute hier wieder ihren Beitrag zu leisten, wobei ich mit Interesse heute in einer Tageszeitung den Titel gelesen habe: „Wer küsst die Grünen wach?“ – Man könnte das ruhig erweitern und fragen: Wer küsst überhaupt die ganze Opposition wach? (Ironische Heiterkeit des Abg. Strache.)

Es hat uns nämlich in diesen eineinhalb Jahren eine etwas schläfrige Opposition mit wenig Alternativen begleitet. Die Opposition hat nur Kritik zu ihrem Programm ge­macht, und das war eben sehr bescheiden! (Abg. Strache: Der Wähler wird sie wach küssen!)

Wir konnten uns der Opposition eigentlich gar nicht so richtig widmen, weil wir uns dau­ernd gegenseitig gewidmet haben. Das war eine der Schwächen in dieser Regierungs­zeit, das muss man ehrlicherweise sagen. Im Hinblick darauf meine ich, dass jede künftige Regierung – wer immer auch in dieser Regierung sitzen wird – dafür sorgen muss, dass sich der Stil ändert. Man wird darauf achten müssen, dass es von Haus aus ein gewisses Vertrauen gibt und dass gemeinsame Erfolge auch wirklich so darge­stellt werden.

Die Anti-Politik-Stimmung in der Bevölkerung wird nämlich abnehmen, wenn man nachweist, dass gearbeitet und nicht gestritten wird, und wenn sich die Opposition dann auch noch mit guten Ideen konstruktiv einbringt, die ich im Konzept „Parlament neu“ immer als wesentlichen Teil lebendiger parlamentarischer Arbeit betrachtet habe. Das sind meines Erachtens ganz entscheidende Elemente. Gute Ideen sollen aufge­griffen werden, und zwar selbstverständlich auch dann, wenn sie von der Opposition sind, denn auch darauf soll in einem parlamentarischen Diskussionsprozess Bezug ge­nommen werden.

Es gibt ein wirklich herzeigbares Ergebnis, aber vieles könnte besser sein, und vieles wurde auch nicht gelöst. Schwerpunkte müssen der Kampf gegen die Teuerung und der Kampf gegen die Inflation sein. Es muss dort angesetzt werden, wo es um das un­mittelbare Lebensgefühl und die Lebenssituation der Menschen geht. Lohnerhöhungen und Pensionsanhebungen dürfen nicht quasi weggefressen werden, sondern es müs­sen in der nächsten Periode diesbezüglich entsprechende Schritte gesetzt werden. Gut, dass es die Pendlerpauschaleerhöhung und die Kilometergelderhöhung gegeben hat, gut, dass die Pensionsanpassung zwei Monate vorverlegt wird, gut, dass es Lohn­erhöhungen gegeben hat. All das ist gut. Noch wichtiger wird es aber sein, in der nächsten Periode betreffend die unmittelbare Lebenssituation der Menschen, die die hohen Preise überall spüren, etwa im Zusammenhang mit den Nahrungsmittelpreisen oder den Mieten, wirklich Schritte zu setzen, und diese Regierung wird gefordert sein, das wirklich einmütig und gemeinsam zu tun. (Abg. Ing. Westenthaler: Warum habt ihr das bis jetzt nicht getan?)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 37

Es wird dann meist auch die Forderung nach einer Verwaltungsreform gestellt. Das ist immer wieder ein wichtiger Punkt von Regierungsprogrammen. Es geht aber nicht da­rum, dass man den öffentlichen Dienst quält. Das ist falsch! Vielmehr geht es darum, dass man zu Reformen bereit ist und sich gegen Kollegen Neugebauer durchsetzt, der ja bekanntermaßen das Symbol des Nicht-Reformieren-Wollens in der ÖVP-Fraktion ist. Man muss wirklich alles unternehmen, um die Verwaltung bürgernäher zu organi­sieren. Das ist sicherlich ein wesentlicher Bereich.

Bei den Pensionen sage ich gleich dazu: Da geht es um Menschen, die wirklich viel für dieses Land geleistet haben, die gekämpft haben und die Anerkennung verdienen. Da­her wird es eine Pensionsverschlechterungsautomatik, wie sie die ÖVP immer wieder gefordert hat, mit Sicherheit mit uns nicht geben können! (Beifall bei der SPÖ.) Es wird einen Kampf um Sicherheit des Pensionssystems geben müssen, aber das sicherlich nicht!

Wenn man einen Beitrag zur Verringerung des CO2-Ausstoßes leisten will, dann muss man sich auch zum Ausbau des Schienenverkehrs und der dazugehörigen Infrastruktur bekennen. Es wurde unter Minister Faymann immerhin ein 10-Milliarden-Programm ge­schnürt. Das bedeutet ein Bekenntnis zu den Bundesbahnen als alternative Möglich­keit. Diese müssen ausgebaut werden. Und es ist sehr gut, dass man, wie Werner Fay­mann gesagt hat, die Ticketpreise jetzt nicht erhöht. Leider sind die Treibstoffpreise sehr hoch, aber wir müssen jetzt eben diejenigen, denen die Benzin‑ und Dieselpreise zu hoch sind, anlocken, dass sie wenigstens das Angebot der öffentlichen Verkehrsmit­tel annehmen.

Ich muss sagen, es war ein harter Kampf in diesen eineinhalb Jahren, auch was den Sozial- und Bildungsbereich betrifft. Ich meine aber, dass unsere Regierungsmitglieder überhaupt exzellente Arbeit geleistet haben. Am härtesten war die Auseinandersetzung immer dann, wenn es um Sozialfragen gegangen ist, denn die ÖVP war am wenigsten bereit, darauf einzugehen.

Ich verweise in diesem Zusammenhang etwa auf die Diskussion um Pflege oder Min­destsicherung. Immer wieder hat man irgendetwas gefunden, um uns Steine in den Weg zu legen. Aber es wurde wirklich gekämpft. Das Gleiche gilt für den Bildungsbe­reich. Es hat sehr wohl eine Abarbeitung dieses Programms gegeben, und dafür richte ich auch Dank an das Ressort. Fritz Neugebauer ist jedoch dafür gestanden, dort, wo es für ihn notwendig war, Widerstand zu leisten.

Ein besonderer Herzeigebereich ist – und zwar mit Duldung des Vizekanzlers – das Frauenministerium. Man kommt gar nicht zu Ende, wenn man alle Errungenschaften aufzählen möchte, die für die Frauen erkämpft wurden.

Unser Kampf richtet sich also gegen die Armut, aber auch gegen die Verarmung des Mittelstandes, und wir werden dafür kämpfen, dass es eine gerechte Steuerreform zur Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen und der kleinen und mittleren Unter­nehmer gibt.

Außerdem muss es noch einmal einen Anlauf in Richtung Gesundheitsreform geben. Es darf keine Zweiklassenmedizin geben! Es darf nicht für Sie, Herr Kollege Neuge­bauer, wieder eine Extrawurst gebraten werden! Alle Kassen sind zu kontrollieren, nur die Neugebauer-Kassa ist nicht zu kontrollieren, das ist nicht möglich: Dagegen wer­den wir uns wehren! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben die Gebietskrankenkassen sieben Jahre lang mit Leistungen belastet. Ihnen war das Schicksal der Gebietskrankenkassen gleichgültig. Aber wenn es um Ihre Kas­sa geht, wenn es um die Bereiche geht, wo Sie Einfluss haben, dann kommt wieder der Neugebauer-Beton! – Ich meine, man sollte sich in der ÖVP einmal Gedanken ma­chen, wie lange der Neugebauer-Beton noch verhindert, dass es wirklich Einigungen und Lösungen gibt.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 38

Der Wähler hat zu entscheiden. Wir werden sehen, wer überhaupt einen Regierungs­auftrag bekommt. Wir kämpfen darum und hoffen, ihn zu bekommen. Wir wollen bewei­sen, dass wir es besser machen können und dass wir zu Reformen wirklich bereit sind. Diese Ankündigung verbinden wir mit dem Versprechen, dass sich der Stil ändern muss und dass nur ein Koalitionspartner akzeptabel ist, der nicht die Blockade zum Programm hat.

Unser Koalitionspartner darf nicht sagen: Das, was in den letzten sieben Jahren unter der Regierung Schüssel geschehen ist, war das Gelbe vom „Schüssel-Ei“, und das soll immer so bleiben, daran soll sich nichts ändern. – Ich sage: Es muss sich in diesem Land etwas zum Besseren und Sozialeren ändern. Dafür stehen wir, und dafür werden wir kämpfen. Das werden wir mit Sicherheit in dieser Wahlbewegung einbringen. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Wir wissen, es gibt ein Problem des Vertrauens in die gesamte Politik, in die Glaubwür­digkeit. Wir werden uns um jeden Einzelnen bemühen und darum kämpfen, dies wie­derherzustellen. Das verspreche ich. (Anhaltender Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

10.20


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Klubobmann Dr. Schüssel zu Wort. Ebenfalls 8 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


10.20.33

Abgeordneter Dr. Wolfgang Schüssel (ÖVP): Meine Damen und Herren! Josef Cap hat seine Stimme wiedergefunden, die er gestern beinahe verloren hat. Wir freuen uns darüber.

Ich habe nicht das „Gelbe vom Ei“ mitgebracht, aber ich hoffe, einige gute Argumente. Der Nationalrat wird aufgelöst – es dauert natürlich noch bis zum Zusammentritt des neuen Nationalrates. Wir sollten uns vielleicht angesichts dieser Situation einige Dinge vornehmen.

Das Erste ist: Wir haben ab jetzt, so glaube ich, nicht mehr den Blick nach rückwärts zu richten – über die Bilanz haben wir gestern geredet –, sondern nach vorne. Ich denke, dass nicht die Rezepte der sechziger oder siebziger Jahre oder der Blick retro wichtig sind, sondern der Blick nach vorne, was das Land braucht und was auch die Menschen von der Politik erwarten. (Zwischenruf der Abg. Haidlmayr.)

Das beginnt etwa bei der Bildung. Wir haben derzeit einen Boom, einen Run geradezu auf Privatschulen und auf jene öffentlichen Schulen, die besondere Angebote haben, auf Hauptschulen und Volksschulen, die Sport, Musik, Technik und Kaufmännisches anbieten. Das heißt, die Lösung liegt nicht so sehr in der Strukturfrage, sondern im An­gebot von vielen Wahlmöglichkeiten, maßgeschneidert für die Begabungen und Talen­te unserer Kinder. Darauf müssen wir uns konzentrieren, meine Damen und Herren! Das ist wichtig. (Beifall bei der ÖVP.)

Zweiter Punkt: Gesundheit. Da nehme ich jetzt wirklich – ausnahmsweise noch ein­mal nach gestern – Fritz Neugebauer in Schutz. Es gibt keine Krankenkasse, die so kontrolliert ist wie die Beamten-Krankenkasse, denn dort wird nicht nur jeder Beschluss vom Vorstand und von der Kontrollversammlung, sondern auch vom Staatskommis­sär für Finanzen und Soziales kontrolliert. Das ist in Ordnung. Daher ist die Geba­rung dieser Kasse – im Unterschied zu anderen – positiv. Danke dafür Fritz Neuge­bauer und seinem Team! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich würde überhaupt empfehlen, dass wir den öffentlichen Dienst mit ein bisschen mehr Stolz betrachten – nicht, weil Fritz Neugebauer gewählter Spitzenvertreter ist, sondern weil wir gemeinsam darauf stolz sein können, dass die österreichische Ver­


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waltung vielleicht sogar die beste der Welt ist, was IT, was Genauigkeit und was Ser­viceleistungen betrifft. Darauf kann man stolz sein. (Beifall bei der ÖVP sowie der
Abg. Dr. Oberhauser.)

Zurück zum Thema Gesundheit. Ich gebe schon auch Folgendes zu bedenken: Das Sozialpartner-Papier war ein beachtlicher Wurf, aber trotzdem glaube ich, dass wir ein bisschen mutiger sein sollten. Es gibt 22 Krankenversicherungsträger. Warum trauen wir uns da nicht etwas mehr an Wahlmöglichkeiten zu? Warum trauen wir dem Versi­cherten nicht zu, dass er zwischen verschiedenen Modellen wählen kann, dass sehr wohl die Basissicherheit für alle da ist, aber dass man darüber hinaus bei den Angebo­ten etwas differenzieren kann, Risikoabsicherung, bessere Leistungen et cetera? Das sind doch Dinge, die angesichts der Situation unseres hervorragenden Gesundheits­systems hochinteressant wären. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein weiterer Bereich ist die Frage des Alterungsprozesses der Gesellschaft. Ich sehe das außerordentlich positiv. Ich bin selber 63 Jahre alt und, ehrlich gesagt, als ich ein Kind war, war die Situation für jemanden in meinem Alter ganz anders. Seit damals ist die Lebenserwartung im Durchschnitt um 16 Jahre gestiegen. Wir stehen jetzt vor einem weiteren Sprung einer zusätzlichen Lebenserwartung von etwa zehn Jahren. Es ist ein Riesenvorteil für die Gesellschaft, besser und anders zu altern – mit Konsequen­zen für Gesundheit, für Tourismus, für die wirtschaftlichen Angebote und für alle mögli­chen Wirtschafts- und Gesellschaftsbereiche.

Da sollten wir uns vornehmen, den Menschen, wenn sie Pflege und Betreuung brau­chen, primär zu Hause diese Möglichkeit zu geben. Das ist der Grund dafür, warum wir, Martin Bartenstein und Willi Molterer, besonders stark dieses Selbständigen-Mo­dell in der 24-Stunden-Betreuung zu Hause empfohlen haben. Der Zugriff auf das Ver­mögen muss aufhören, damit man nicht in die Armutsfalle kommt, wenn man Pflege braucht. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Strache: Sagen Sie das Ihrem Finanzminister! Das ist der größte Belaster!) – Herr Abgeordneter Strache, das ist ja sein Vorschlag!

Ich glaube, dass wir diese Frage der alternden Gesellschaft ganz anders sehen sol­len – nur natürlich nicht wieder mit dem Rückgriff auf die sechziger Jahre, dass man sagt: Jeder, der in Frühpension geht, wunderbar!, sondern wir müssen – Helmut Zilk hat das sehr schön gesagt – der Wahrheit ins Auge sehen, dass man rechtzeitig in einem vernünftigen und transparenten Prozess eine gerechte Aufteilung auch der Kos­ten garantieren muss. Das ist nichts anderes als der Vorschlag von Buchinger und Bar­tenstein, wie wir beispielsweise in zehn Jahren eine vernünftige und gerechte Auftei­lung garantieren können.

Ein weiteres Thema ist die Integration. Da sind wir absolut dafür, dass jene, die legal zu uns kommen, wirklich integriert werden, dass sie auch hier bleiben können. Da ge­hört aber dann ausgesprochen ... (Abg. Öllinger: Zogaj! Die schicken wir wieder heim! Die können zu gut Deutsch!) – Legal zu uns kommen, habe ich gesagt. – Da gehört aber dann dazu, dass sie die Sprache beherrschen müssen und dass sie sich auch in ihrer kulturellen Identität bei uns integrieren. In Frankreich heißt das zuständige Minis­terium Ministerium für Immigration, Integration und nationale Identität. Ein interessan­ter Titel. Vielleicht wäre es zum Beispiel in der nächsten Regierung eine Aufgabe für einen Staatssekretär, sich um Integration und nationale Identität zu kümmern. Das ist ein Thema: die Identität unseres Volkes, die Identität unserer Heimat. Das sollte man nicht abwerten. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Professor Van der Bellen, da geht es nicht um den Tomatenpflücker, der kurzzei­tig nach Österreich kommt – der muss nicht Deutsch können –, oder den Forscher oder Wissenschafter, den Manager, der eine Zeit lang in Österreich arbeitet. Um die geht es nicht! Wer aber dauerhaft hier leben und eingebürgert werden will, der sollte, wie ich meine, diese Spielregeln durchaus akzeptieren.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 40

Im Bereich Sicherheit gilt das Gleiche. Österreich ist eines der sichersten Länder der Welt. Wir haben einen doppelten Sicherheitsgürtel: unseren eigenen Schutz und den Außenschutz an der Schengen-Grenze. Ein ganz wichtiges Thema.

Was die Mobilität anlangt, wird es nicht reichen, die ÖBB-Tarife einzufrieren, Herr Ab­geordneter Cap! Was ich mir angesichts dieser Milliardeninvestitionen und auch der Defizitabdeckung bei den ÖBB wünsche, das sind einfach attraktivere Gesamtmodelle, die beispielsweise wirklich vom Auto in die öffentlichen Verkehrsträger hineinlocken können. Das wäre ein Thema. Nicht nur das Einfrieren, das sowieso geplant gewesen ist, weil wir überhaupt keine Gebühren und Tarife erhöhen wollen, sondern auch ein Modell, ein attraktives Ganzjahresmodell, das wirklich den Pendlern, dem städtischen Verkehr die Möglichkeit gibt, auf öffentliche Verkehrsträger umzusteigen, halte ich für hochinteressant. (Beifall bei der ÖVP.)

Letzter Punkt. Wir haben international riesige Probleme. Die Finanzkrise ist überhaupt nicht gelöst. Wir sehen es ja auch in den Auswirkungen in Österreich. Die Zinsen ha­ben sich praktisch verdoppelt. Die österreichischen Banken haben einen Wert von in etwa zwei Dritteln des gesamten BAWAG-Desasters abschreiben müssen; weltweit 250 Milliarden US-Dollar. Die Inflation ist auch eine Folge dieser internationalen Ent­wicklungen. 40 Prozent der Weltbevölkerung leben mit Inflationsraten, die zweistellig geworden sind, dazu kommen der hohe Ölpreis, die Rohstoffknappheit und die Nah­rungsmittelfrage. Wir sind davon betroffen. Da brauchen wir Europa. Da müssen wir stark sein in Europa. Das sollten wir uns vornehmen.

Daher zum Schluss: Zeigen wir dem Jammer-Populismus, dass in Österreich alles schlecht ist, die rote Karte! Grenzen wir nicht aus, aber grenzen wir klar ab! Versuchen wir, nicht zurück ins Biedermeier zu gehen, sondern nach vorne ins 21. Jahrhundert! Seien wir vorsichtig mit unerfüllbaren und unfinanzierbaren Wahlversprechen!

Meine Damen und Herren! Wir werden uns hier alle wiedersehen, in die Augen schau­en und gemeinsam für Österreich arbeiten. Machen wir daher zu unserem Motto nicht Frust, sondern Lust auf die Politik! (Anhaltender Beifall und Bravorufe bei der ÖVP.)

10.28


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Klubobmann Dr. Van der Bel­len zu Wort. 8 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


10.28.55

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Frau Präsidentin! Meine Da­men und Herren! Ja, wir sind stolz auf österreichische Firmen, die erfolgreich sind auf den inländischen und ausländischen Märkten, auf die Erfolge von Unternehmen, von Arbeitern und Angestellten, die hier tätig sind; auch auf die Erfolge von den Beamten, die im Hintergrund für die Infrastruktur hier arbeiten.

Österreich ist im Lauf dieser Jahre und Jahrzehnte ein wohlhabendes Land geworden. Österreich ist so wohlhabend, dass es sich auch ein Jahr Nichtstun einer Regierung leisten kann, ein Jahr Hickhack zwischen SPÖ und ÖVP, ein Jahr Erfolglosigkeit in al­len wesentlichen Bereichen. So wohlhabend ist Österreich geworden, und es ist gut, dass dieser Zustand endlich ein Ende hat! (Beifall bei den Grünen.)

Ich habe schon gestern gesagt, das ist die schlechteste große Koalition, die es je ge­geben hat. Mit dieser Diagnose bin ich ja nicht allein. Es ist gut, dass dieses verlorene Jahr, das Baustellen ohne Ende hinterlässt, zu Ende geht. Diese Bundesregierung – und das betrifft sowohl die SPÖ als auch die ÖVP – hat auf den verschiedensten wich­tigen Gebieten jede Glaubwürdigkeit verloren.

Wenn ich mir zum Beispiel anschaue, dass die ÖVP sehr schnell, muss ich sagen, Un­summen für ganzseitige Inserate in Tageszeitungen ausgibt (der Redner zeigt ein


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ÖVP-Inserat) und sich natürlich wieder weigern wird zu sagen, wie sie diese Wahl­kämpfe finanziert, im Gegensatz zu den Grünen – hier heißt es „Klarheit schaffen und Klartext reden“, et cetera –, stelle ich fest: Ja, reden wir einmal Klartext, Herr Vizekanz­ler Molterer!

Familien mit mehreren Kindern orten Sie jetzt als Problem. – Richtig! Jetzt erst? Was haben Sie die letzten anderthalb Jahre getan? (Beifall bei den Grünen.)

Sind vielleicht die Nachhilfestunden für die Betroffenen inzwischen leistbarer gewor­den? Werden dafür vielleicht nicht 150 Millionen € pro Jahr ausgegeben? Was haben Sie denn getan für die Familien mit kleinen Kindern, die mehrere Kinder in Kindergär­ten haben und bei denen sich alleine die Kosten für den Kindergartenplatz auf 300, 500, 800 € im Monat summieren können? (Abg. Dr. Schüssel: Familienbeihilfe!) Was haben Sie denn getan für diese Kinder und deren Eltern, für diese jungen Familien? (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Was haben Sie denn getan für die Mittelstandsfamilien, die zwei, drei Söhne und Töch­ter auf der Universität haben und alle Studiengebühren zahlen müssen? Haben Sie die Abschaffung der Studiengebühren vielleicht nicht blockiert über die Jahre? – Sie haben in Wahrheit die Familien im Stich gelassen und jetzt, da Wahlkampf ist, fällt Ihnen ein und auf, dass es hier ein Problem gibt. Insofern trägt diese Art von Inseraten aber schon gar nicht zur Erhöhung der Glaubwürdigkeit der Politik bei. (Beifall bei den Grü­nen.)

Zum Thema Pflege. – Wie war denn das im Jahr 2006? „Pflegenotstand“? Nie gehört. Was soll denn das sein? – 40 000 irreguläre Pflegekräfte sind im Land, mindestens 20 000 Familien sind betroffen. Und jetzt brüsten sich SPÖ und ÖVP, dass ja immerhin ein Fünftel, wenn ich nicht irre, dieser ausländischen Pflegekräfte, wenn man so will, legalisiert worden ist. Ein Fünftel! Und was ist mit den anderen vier Fünfteln? Was ist mit diesen Familien, die Sie im Stich gelassen haben? Haben Sie die vielleicht entlas­tet, haben Sie denen eine Möglichkeit geboten, mit diesem Problem der alten Men­schen, die in Würde altern wollen, umzugehen und fertig zu werden? – Gar nichts ha­ben Sie getan!

Energiepreise, Ölpreise, Spritpreise, die Heizungen. – Der Winter kommt. Was haben Sie getan, um einen Ausstieg aus Öl und Gas einzuleiten, nämlich wirklich energisch, mit Entschlossenheit? – Die Preise werden ja nicht runtergehen, die werden langfristig weiter steigen. Wir müssen den Menschen helfen, aus ihrer alten Heizung auszustei­gen, wir müssen ihnen helfen, auf andere Autos mit einem geringeren Verbrauch, mit der Hälfte des Benzin- oder Dieselverbrauchs umzusteigen.

Und was haben Sie getan, außer der Erhöhung der Pendlerpauschale, die den Betrof­fenen wie viel bringt im Jahr? 20 oder 30 €. – Das soll eine wirksame Entlastung sein?

Betreffend Steuerpolitik: Da haben Sie an die Familien gedacht? – Sie haben sich in die Geiselhaft von 3 000 Stiftungsbesitzern begeben, und die SPÖ hat bei diesem un­würdigen Spiel der ÖVP am Anfang mitgemacht. Na sicher, solange Professor Doralt von der Universität Wien und Bruno Rossmann von den Grünen sich nicht quergelegt haben: In jedem Leserbrief, in jedem Interview, in jeder Tageszeitung haben Sie das Problem gar nicht erkannt, meine Damen und Herren von der SPÖ. Erst dann sind Sie aufgewacht. Erst dann! (Beifall bei den Grünen.) SPÖ und ÖVP tun sich jetzt natürlich ganz schwer.

Sicherheit, Sicherheitspolitik. – In jeder Rede wird das in jedem Satz dreimal vorkom­men.

In der Gesundheitspolitik haben Sie die Leute grundsätzlich verunsichert. Da haben Sie keine Antwort auf die Frage, wie die Krankenkassen ab Herbst finanziert werden.


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Das haben Sie immerhin geschafft mit Ihrem kleinkarierten Streit am letzten Wochen­ende. Das betrifft beide Parteien, die SPÖ genauso wie die ÖVP.

Und was die Familienpolitik betrifft, meine Damen und Herren: Familie ist nicht nur dann, wenn sie einen österreichischen Pass hat. (Beifall bei den Grünen.)

Es gibt Familien in Österreich, die keinen österreichischen Pass haben, die ausge­zeichnet integriert sind, die vorzüglich Deutsch können, die besser Dialekt sprechen können als ich, und die trotzdem zerrissen und abgeschoben werden. Das ist Politik der ÖVP, das ist Politik der SPÖ, die noch bei jedem Fremdenrechtspaket, ob früher in Opposition oder jetzt in der Regierung, dabei war.

In dieser Hinsicht sind Sie immer schon auf rot-blauen Spuren gewandelt, meine Da­men und Herren von der SPÖ. Sie haben das vielleicht gar nicht gemerkt, weil Sie die Führungskompetenz in diesem Land aufgegeben haben. Sie haben sich in allen Punk­ten seit 2006 auf die ÖVP ausgeredet: Das ist nicht gegangen, jenes ist nicht gegan­gen, weil die ÖVP so böse ist.

Aber der Umfaller von Herrn Faymann, der Kotau, der Kniefall vor den Leserbriefspal­ten der „Kronen Zeitung“, der von allen Interpretatoren als Kniefall vor Strache und der FPÖ interpretiert wurde, als Einleitung eines rot-blauen  (Abg. Mag. Lapp: Phanta­sieren Sie nicht!) – Das ist Phantasie? Wer hat denn Jörg Haider als Landeshaupt­mann in Kärnten nicht verhindert? Wer war denn das? (Beifall bei den Grünen.)

War das vielleicht nicht die SPÖ Kärnten, die sich zu schade war, mit ÖVP und Grünen gemeinsam einen Landeshauptmann Haider zu verhindern? Das war nicht die SPÖ Kärnten? (Zwischenrufe der Abgeordneten Krainer und Rudas.) Das ist doch lange schon Politik bei Ihnen! 5 nach 12 geht Herr Faymann her und sagt, nein, mit den Frei­heitlichen nie und nimmer eine Koalition. 5 nach 12! Ja, wer glaubt denn das jetzt noch angesichts dieses Verlusts an grundsätzlicher Glaubwürdigkeit? (Beifall bei den Grü­nen. – Abg. Strache: Wer ist Herr Faymann?)

Die Grünen haben in europapolitischen Fragen Kurs gehalten, Herr Kollege von der FPÖ. Es war auch bei uns nicht überall populär, diesem Reformvertrag zuzustimmen, diesen Vertrag im Parlament zu ratifizieren. (Abg. Strache: Jubel!) Wir, als Opposi­tionspartei, hätten das nicht unbedingt tun müssen, aber wir sind uns unserer europa­politischen Verantwortung bewusst. Wir wollen nicht, dass Österreich in Isolation gerät, wir wollen nicht, dass ein österreichischer Politiker in der gleichen Funktion und Rolle wie Präsident Kaczyński in Polen beispielsweise betrachtet wird. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Wir wollen gute Nachbarschaft, wir wollen nicht den Stacheldraht wieder haben, wir wollen, dass österreichische Interessen gemeinsam mit den anderen 26 Mitgliedstaa­ten gewahrt bleiben, so wie in weiten Punkten bisher, trotz aller Kritik an der Europäi­schen Union. (Beifall bei den Grünen sowie der ÖVP.)

Abschließend: Angesichts dieses Stillstandes stehen wir vor riesigen Herausforderun­gen in Österreich. Ich bin dafür, diese einfach mit Entschlossenheit und Optimismus anzunehmen und wahrzunehmen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

10.37


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Klubobmann Strache zu Wort. 8 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


10.37.26

Abgeordneter Heinz-Christian Strache (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Regierungsbank! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Vizekanzler Mag. Molterer – auf die Regierungsbank klopfend –: „Regierungsbank“?) – Na ja, die


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Herrschaften auf der Regierungsbank. (Abg. Heinzl: Wo sind die Damen auf der Re­gierungsbank, Herr Strache?)

Ich glaube, das Grundproblem, das in den letzten eineinhalb Jahren sichtbar geworden ist, ist jenes, dass weder die SPÖ noch die ÖVP, keine der beiden Parteien, bereit ist, die Probleme, die Sorgen und die Nöte der Österreicher ernst zu nehmen. Und das, was Sie heute hier zelebrieren und auch vorleben, bedeutet nicht mehr und nicht weni­ger, als dass Sie einen Misstrauensantrag gegen sich selbst eingebracht haben. (Bei­fall bei der FPÖ.)

Weil Sie sich selbst misstrauen, weil Sie selbst erkannt haben, regierungsunfähig und regierungsunwillig zu sein, ja arbeitsunwillig und arbeitsunfähig zu sein. Und das ist ja ein Eingeständnis, das Sie heute hier dokumentieren, nämlich gescheitert zu sein, nicht imstande zu sein, die Probleme der Menschen zu erkennen und auch im Positi­ven endlich zu lösen. Das ist genau das Grundproblem, das wir heute sehen.

Rot und Schwarz, beide Parteien, haben sich gegenseitig im Grunde genommen nichts vorzuwerfen. Sie haben sich gegenseitig nichts geschenkt, das war eine Katastrophen­regierung, die wir, wenn wir das geschichtlich beurteilen, noch nie in der Zweiten Repu­blik in dieser Art erleben mussten.

Sie von Rot und Schwarz, von SPÖ und ÖVP sind im Grunde genommen die gleiche Medaille mit zwei unterschiedlichen Seiten. Wenn ich heute beide Parteien vergleiche, so habe ich manchmal den Eindruck, bei Ihnen ist nur das Türschild anders, aber die Inhalte sind fast identisch. Aber das hat ja auch die SPÖ vorgezeigt: Die SPÖ hat sich voll und ganz und bedingungslos an die ÖVP verkauft, hat all ihre Grundsätze über Bord geworfen; und die ÖVP ist hergegangen und hat Politik gegen die eigene Bevöl­kerung gemacht. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich kann nur noch einmal betonen: Dass Sie den Namen „Volk“ in Ihrem Parteinamen überhaupt noch haben, das ist wirklich verwunderlich. Denn wenn es um Rot-Weiß-Rot geht, wenn es um österreichische Interessen geht, da wollen Sie überhaupt nichts mehr davon wissen. Sie schielen nur mehr auf ein zentralistisches Vereinsgebilde.

Wir sagen ja zu Österreich, ja zu Rot-Weiß-Rot. Unsere österreichischen Interessen sind bitte zuerst zu berücksichtigen! Ja, wir sind selbstverständlich auch Teil Europas. Wir stehen auch zu Europa, aber wir wollen ein anderes Europa, ein föderales Europa und nicht diesen zentralistischen abgehobenen Verein der Europäischen Union, der völlig bürgerfern ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Mit Ihrer Art und Weise, wie Sie gegen die eigene Bevölkerung Politik gemacht haben, sie nicht eingebunden haben, kein Vertrauen gegenüber der eigenen Bevölkerung ge­zeigt haben, Volksabstimmungen verweigert haben, haben Sie gezeigt, dass Sie dem Volk selbst überhaupt nicht vertrauen. Da wundern Sie sich, wenn das Volk weder der ÖVP noch der SPÖ in diesen Fragen mehr vertraut?! – Wir vertrauen der eigenen Be­völkerung, und deshalb vertrauen uns auch immer mehr Menschen in diesen Fragen. (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt haben wir die interessante Konstellation, dass hinter den Kulissen, wie wir hören, die SPÖ schon wieder umgefallen ist. Herr Broukal hält es gar nicht mehr aus, er ist gar nicht mehr im Saal. Er hat schon seinen Rücktritt erklärt, er hat gemeint: Das ist unglaublich, jetzt hat uns die ÖVP so gedemütigt, wir haben das zugelassen, und jetzt, am Ende dieser Regierung, die von der ÖVP gebrochen wurde, sind wir auch nicht be­reit, unsere Grundsätze hier per Antrag einzubringen. Nein, wir gehen wieder in die Knie, weil wir betteln, weil wir das nächste Mal wieder in der großen Koalition sein wol­len, unter den Großkoalitionären Faymann und Molterer.


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Das ist das Spiel. Ich frage mich, weshalb Sie Neuwahlen machen. Sie pflanzen die Österreicher. Sie treiben hier wirklich ein Spiel mit Taschenspielertricks, die mehr als bedenklich sind und überhaupt keine staatspolitische Verantwortung beinhalten.

Offenbar sind auch schon alle Positionen für die Zukunft ausgemacht, wie man hört. Herr Gusenbauer soll den Außenministerposten erhalten. Da kann er dann wieder als Freizeitkabarettist durch die Welt fliegen und entsprechende Witze machen – wie in Ar­gentinien; wir haben es erlebt – auf Kosten von anderen und auf Kosten von Öster­reich.

Herr Klubobmann Cap, Sie haben gefragt: Wo ist die Opposition? – Ich sage Ihnen, ge­rade die Opposition, nämlich die freiheitliche Opposition, hat diese Regierung in den letzten Monaten ordentlich vor sich hergetrieben. Es ist gut, dass es diese einzige wirk­liche österreichische Vertretung in diesem Haus gibt: die Freiheitliche Partei. Die Öster­reicher werden Ihnen zeigen, was sie von Ihrer Arbeit halten (Beifall bei der FPÖ) und welcher Oppositionspartei sie die Zustimmung geben und damit uns stärken werden.

Die Österreicher werden Ihnen zeigen, warum das notwendig sein wird: weil die soziale Verantwortung von Ihnen nicht gelebt wurde. Soziale Verantwortung haben Sie nicht gehabt. Sie haben kein soziales Gewissen mehr, weder bei der ÖVP noch bei der So­zialdemokratie. Soziale Eiskastenpolitik, indem Sie sich auf den Rücken der Pensionis­ten im Grunde genommen weiter bedient haben. Man hat keinen Inflationsausgleich, keine Indexanpassung für Pensionisten sichergestellt, hat jene Menschen, die ein Le­ben lang hart gearbeitet und dieses Land aufgebaut haben, einfach so beiseite gescho­ben. Man hat gemeint, die müssen sich damit zufrieden geben, deutlich unter der Infla­tion bedient zu werden, Verluste zu erleiden.

Man hat das Gleiche im Pflegebereich erleben müssen: Pflegegeldentwertung, weil Sie nicht angepasst haben, 20 Prozent Wertverlust.

Weiters: Teuerungswellen, Inflationsraten und im Übrigen ab September einen Auto­matismus auch bei den Mietpreiserhöhungen von plus 6 Prozent. Wenn es um den Automatismus der Erhöhungen geht, da ist die Regierung dabei. Wenn es darum geht, als Raubritter tätig zu werden und die eigene Bevölkerung weiter auszusackeln, da sind Sie dabei. Wenn es aber darum geht, der Bevölkerung einmal nachhaltig eine Ent­lastung sicherzustellen, damit fleißige Menschen, die arbeiten, mit ihren Löhnen auch wieder gut leben können und monatlich damit auskommen können, sich Nahrungsmit­tel, Energiekosten und all das wieder leisten können, Mietpreise, Betriebskosten wieder leisten können, dann sind Sie nicht dazu bereit.

Da zeigt ja auch der Herr Bürgermeister von Wien, Herr Landeshauptmann Häupl, dass er überhaupt nichts mit sozialem Gewissen zu tun hat – als der größte Belaster von Österreich mit unglaublichen Preiserhöhungen bei Müllgebühr, Kanalgebühr, Park­gebühr bis hin zum Kindergarten: 300 €, 400 € und mehr für Familien, die ihre Kinder betreut wissen wollen. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist genau jene Belastungspolitik, die die Menschen satt haben, die den Menschen die Luft zum Atmen nimmt. Sie waren nicht bereit, die Menschen nachhaltig zu entlas­ten und Kaufkraft zu sichern. – Das fordern wir ein, und das werden wir sicherstellen: soziale Verantwortung für Österreicher zuerst, Herr Klubobmann Schüssel! Wozu 22 Sozialversicherungsträger mit einem unglaublichen Verwaltungs-, Bürokratie- und Kostenaufwand? Reduzieren wir auf zwei Sozialversicherungsträger, einen für Staats­bürger, einen für Nichtstaatsbürger (Beifall bei der FPÖ), dass alle Bürger Grundsiche­rungen haben, aber soziale Sonderleistungen Staatsbürgerleistungen werden!

Stellen wir den Missbrauch ab in diesem Bereich, stellen wir den Asylmissbrauch ab! 6 000 Asylwerber sind seit dem Jahr 2006 bis heute rechtskräftig als Asylmissbraucher


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abgelehnt, aber von dieser ÖVP-Innenministeriumsverantwortung bis heute nicht abge­schoben worden. Bis heute leben sie in unserem Land, obwohl sie seit dem Jahr 2006 als Asylmissbraucher rechtskräftig abgelehnt sind. 6 000 Personen!

Bereich Sicherheit. – Was, bitte, haben Sie getan? Über 500 Exekutivbeamte und Planstellen haben Sie abgebaut – die Kriminalität ist weiter rasant angestiegen –, an­statt endlich wieder genügend Exekutivbeamte auszubilden und einen ordentlichen Sollstand mit über 30 000 Exekutivbeamten sicherzustellen; mit 27 000 haben wir heu­te die niedrigste Quote seit 20 Jahren in Österreich zu verzeichnen.

Es braucht eine grundsätzliche Veränderung in diesem Land. Man muss die Probleme der Menschen ernst nehmen und darf nicht diese Piraterie gegen die eigene Bevölke­rung leben. Genau das werden wir als soziale Heimatpartei für Österreich und für die österreichischen Interessen sicherstellen. Das braucht dieses Land. (Beifall bei der FPÖ.)

10.45


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun kommt Herr Klubobmann Ing. Westenthaler zu Wort; 8 Minuten. – Bitte.

 


10.45.54

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (BZÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Da­men und Herren auf der Regierungsbank! Herr Klubobmann Cap, bitte schauen Sie einmal auf Ihr Redekonzept, ich habe nämlich den Eindruck, da muss das Jahr 2006 draufstehen, denn das ist genau dasselbe, was Sie vor der Wahl 2006 hier von diesem Rednerpult aus verkündet haben. Sie haben einen ganz kurzen Satz verwendet, Herr Klubobmann Cap, der nach diesen eineinhalb Jahren SPÖ an der Regierung im funda­mentalen Widerspruch zur SPÖ steht. Wissen Sie, wie der Satz lautet? Wir verspre­chen!, hat Klubobmann Cap gesagt.

Sie versprechen schon wieder. Sie gehen hier heraus und sagen: wir versprechen. Wissen Sie, was die Menschen mittlerweile fühlen, wenn Sie von der SPÖ sagen: wir versprechen? Ein kalter Schauer jagt über ihre Rücken (Beifall beim BZÖ), weil Sie all das, was Sie versprochen haben, nicht gehalten haben. Das haben sich die Menschen vom Jahr 2006 gemerkt.

Im Übrigen, Herr Klubobmann Cap, noch eine Zwischenfrage: Können Sie uns sagen, wer von der SPÖ heute zurücktritt? Zuerst Gusenbauer, dann Broukal, gestern Schau­nig. Ich mache mir große Sorgen: Könnte das heute Herr Faymann sein, weil er nicht einmal da ist, weil ihn diese Debatte nicht interessiert, weil der angeblich so tolle neue Spitzenkandidat die Debatte schwänzt und überhaupt nicht zuhört, was in diesem Par­lament vor sich geht? Ich hoffe für Sie, dass Faymann heute nicht zurücktritt, aber man ist ja in der SPÖ eigentlich vor nichts mehr gefeit, was da alles passieren kann.

Ich möchte mich aber gar nicht mehr mit der Regierung von gestern beschäftigen, denn diese ist nach der Kapitulationserklärung Geschichte, sondern mit den Problemen von heute und morgen, und da gibt es sehr große Probleme. Wenn wir die Hiobsbot­schaften von gestern und heute hören, etwa: dass IBM 450 Mitarbeiter abbaut, dass die Bank Austria in unserem Land 500 Mitarbeiter abbaut und, seit Neuestem, Siemens Österreich 500 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abbaut und in die Wüste schickt ... (Abg. Parnigoni: ...! Das ist ein Wahnsinn!) – Das ist deshalb ein Wahnsinn, Herr Parnigoni, weil an der Spitze von Siemens Österreich eine sozialdemokratische Spitzenfunktionärin steht, und es ist eine Schande, dass unter dieser Führung Men­schen abgebaut und in die Wüste geschickt werden. (Beifall beim BZÖ.) Das ist auch ein klarer Satz, der Ihnen zur Kenntnis zu bringen ist.


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Wir brauchen eine Politik des Mutes, der Hoffnung, des Ärmel-Aufkrempelns, der Visio­nen auch für die Zukunft, nämlich für die Menschen, die Sie in diesen eineinhalb Jah­ren sträflich im Stich gelassen haben – sträflich im Stich gelassen haben! –: Mütter und Familien, die nicht wissen, wie sie sich das tägliche Leben leisten sollen, die sich beim Einkaufen davor fürchten, dass die Preise schon wieder gestiegen sind. Das sind die Menschen, die Sie im Stich gelassen haben. Oder: Menschen, die den Weg zu ihrer Arbeit nicht mehr bezahlen können, weil sie sich den Spritpreis als Pendler nicht mehr leisten können; Mütter auf dem Land, die nicht einmal mehr in der Lage sind, ihre Kin­der in den Kindergarten oder in die Schule zu bringen, weil die Spritpreise so hoch sind, dass Autofahren zum Luxus geworden ist. 1 Million Menschen in Armut! (Zwi­schenruf der Abg. Binder-Maier.)

Das stimmt gar nicht, sagt die Frau Kollegin. Ja, wie weit sind Sie denn weg von den Menschen, dass Sie nicht spüren, dass es den Österreicherinnen und Österreichern nicht gut geht unter Ihrer Führung? Das sollten Sie von der SPÖ zur Kenntnis nehmen! (Beifall beim BZÖ.)

Es geht um Menschen, um junge Österreicher, die Sorge um ihre Zukunft haben, um die Bildungsmöglichkeiten in unserem Land. Es geht um die Pensionisten, die bei einer Inflation von 4 Prozent mit 1,8 Prozent Pensionserhöhung kalt abgespeist worden sind; Pensionisten, die jeden Tag Geld verlieren, die überhaupt keine Kaufkraft haben, die Sie in der Regierung in Wirklichkeit betrogen und vergessen haben. Das ist die Wahr­heit – und da kommen Sie daher, Herr Klubobmann Cap, und kritisieren eine Pensions­verschlechterungsautomatik! Ja wer hat denn diese Pensionsverschlechterungsauto­matik ausverhandelt und präsentiert? Der Sozialminister von der SPÖ, Buchinger, hat diese Pensionsautomatik mit Bartenstein ausverhandelt, auf den Tisch gelegt, und Ihr Koordinator Faymann hat sie gemeinsam mit Pröll dann auch noch gutgeheißen.

Jetzt rudern Sie zurück, denn jetzt kommen Wahlen, und da gilt es: Jetzt müssen wir zurückrudern von unseren Fehlern! – Es glaubt Ihnen kein Mensch!

Die Menschen, die Sie im Stich lassen: Pflegefamilien, denen jedes Jahr das Pflege­geld real gekürzt worden ist, weil Sie es der Inflation nicht angepasst haben, weil es keinerlei Anpassungen gibt; kranke, hilfsbedürftige Menschen, die sich teure Medika­mente leisten müssen, weil wir 20 Prozent Mehrwertsteuer auf Medikamente haben, weil Sie sogar die Kosten für Heilbehelfe erhöht haben. Die Menschen können sich das kaum mehr leisten.

Sie haben leistungsorientierte Menschen im Stich gelassen, die bereit sind, mehr zu ar­beiten, die bereit sind, länger zu arbeiten, die aber, wenn es nach Ihnen geht, weniger herausbekommen. Überstunden werden besteuert für jene, die mehr leisten. Das ist unfair, das ist ungerecht – und dagegen treten wir auch auf! (Beifall beim BZÖ.)

Junge Unternehmer sind mit der Bürokratie, mit einem Dschungel an Bürokratie und einem Steuerdickicht konfrontiert und können sich nicht mehr bewegen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bei der kommenden Auseinandersetzung im Nationalratswahlkampf geht es nicht um die Partei, nicht um die Posten von Vizekanz­ler und Bundeskanzler, da geht es nicht um Macht, nicht um Taktik, es geht bei der kommenden Nationalratswahl ganz allein um die Menschen, die wir in den Mittelpunkt all unseres Handelns rücken sollen. (Beifall beim BZÖ.)

Die Menschen haben unter Ihrer Regierung genug gelitten, meine sehr geehrte Damen und Herren! Wir müssen dieser sozialen Kältewelle, die in das Land Einzug gehalten hat, dieser sozialen Kältewelle, die die „angebliche“ Sozialdemokratie in unser Land geführt hat, einen Schub der sozialen Wärme entgegenhalten. Wir müssen eine Politik machen, die den Menschen das Geld zum Leben lässt. Wir sind dazu bereit, durchzu-


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lüften, die Ärmel aufzukrempeln, anzupacken, ein besseres, ein sozial faireres Öster­reich zu machen. Wir haben die Ideen dazu im Laufe dieser eineinhalb Jahre hier im Parlament eingebracht.

Wir sagen, die österreichischen Arbeitnehmer haben das Recht, mehr netto vom Brutto zu verlangen. Die österreichischen Arbeitnehmer müssen mehr verdienen dürfen, weil sie auch mehr leisten und weil ihnen das Land auch etwas zurückgeben muss. – Dafür treten wir ein.

Wir treten dafür ein, dass der Teuerungsausgleich kommt, dass den Menschen we­nigstens ein einziges Mal mit 200 € auch die Teuerung ausgeglichen wird.

Pflegegelderhöhung, Spritpreise senken, vielleicht auch endlich ein Müttergehalt. Ar­beit im Haushalt soll belohnt werden; das ist schwere Arbeit, die die Mütter leisten. – Dafür treten wir ein.

Medikamentenpreise senken, Steuern senken. – Das sind unsere Angebote an die Menschen.

Österreich braucht eine Kraft, die sich nicht in erster Linie darum kümmert, ob sie einen Vizekanzlerposten bekommt. Darüber sollen sich Grün und Blau streiten. Wenn das eure wichtigste Ansage ist, Herr Van der Bellen, wer Vizekanzler wird, dann sei Ihnen gesagt, das interessiert die Österreicher nicht. Wir wollen eine bürgerlich-soziale Kraft rechts der Mitte sein, die den Menschen Fairness, Kontrolle und Vertrauen bietet, so­ziales Engagement, größtmögliche Freiheit des Einzelnen und auch des Unterneh­mers, die Sie in den letzten Monaten auch eingeschränkt haben. Sicherheit, Recht und Ordnung und auch eine starke Wirtschaft sind notwendig, um das Land nach vorne zu bringen.

Wir sind glühende Österreich-Patrioten mit Herz und Emotion, und wir sind lupenreine Demokraten, die niemanden ausgrenzen vor einer Nationalratswahl, die dieses Aus­grenzspiel aus der Sandkiste nicht mitmachen. Wir sind lupenreine Demokraten auch fern jeglichem Extremismus und jeglichem Radikalismus – damit wollen wir nichts zu tun haben –, lupenreine Demokraten, die ein gutes Angebot, ein fairer Partner für die Österreicherinnen und Österreicher sind.

Jawohl, wir sind bereit, nach der kommenden Nationalratswahl, wenn das Bündnis Zu­kunft Österreich stärker in diesem Hohen Haus vertreten sein wird, auch Verantwor­tung zu übernehmen und das Land mit aufgekrempelten Ärmeln aus der Krise, in die Sie, Schwarz und Rot, dieses Land geführt haben, herauszuführen. Dazu sind wir be­reit, wenn der Wähler uns unterstützt. Wir haben gute Ideen, gute Visionen – eine gute Zukunft für unser Österreich. (Beifall beim BZÖ.)

10.53


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es hat sich nun Frau Bundesministerin Dr. Schmied zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesministerin.

 


10.53.53

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Hohes Haus! Gestern haben Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, wichtige bildungspolitische Gesetze beschlossen, ges­tern haben Sie Meilensteine in der Bildungsreform gesetzt:

Kleinere Klassen – das bedeutet mehr Zuwendung für unsere Kinder, das heißt aber auch mehr Beschäftigung für die Lehrerinnen und Lehrer;

Kleingruppenunterricht vor allem in der 9. Schulstufe; wir müssen – das ist eine drin­gende Aufgabe – die Drop-out-Quoten senken;


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 48

sprachliche Förderung in allen Altersstufen der Pflichtschule, denn – und ich sage es auch heute in aller Deutlichkeit – jedes Kind, das in Österreich in die Schule geht, muss die deutsche Sprache beherrschen. Daher müssen wir hier Förderungen anset­zen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

In Zeiten wie diesen, Wahlalter 16 Jahre, ist vor allem auch die politische Bildung wich­tig. Das Vorverlegen der „Politischen Bildung“ erfolgt zentral ab September in die 8. Schulstufe.

Einen Meilenstein in der Qualitätssicherung, meine Damen und Herren, haben Sie ges­tern mit der gesetzlichen Verankerung der Bildungsstandards gesetzt. Das bedeutet einen Paradigmenwechsel in den österreichischen Schulen. Es geht um Kompetenz­orientierung, es geht um Feedback-Kultur, und es geht um die besten Schulen für un­sere Kinder.

Ein Projekt – und es freut mich, dass wir das gestern gemeinsam mit breitester Zustim­mung beschlossen haben – ist das Projekt „Lehre mit Matura“ (Beifall bei der SPÖ so­wie der Abgeordneten Mag. Aubauer und Schalle); ein zentrales Projekt für mehr Chancengleichheit. Ich danke hier vor allem auch den Sozialpartnern, der Industriellen­vereinigung, den Bundesländern für die vorbildliche Zusammenarbeit, die konstruktive Arbeit und vor allem für die rasche Vorbereitung dieses Projektes. Es geht um Chan­cen für die Zukunft, es geht um Arbeitsplätze, vor allem aber auch um bessere Arbeits­plätze.

Allein diese Gesetze sind eine Weichenstellung in der österreichischen Politik, und der zukünftige Finanzminister wird dafür allein bis zum Jahr 2011 – wir haben das präzise ausgerechnet – ein Volumen von 1 Milliarde € zur Verfügung stellen müssen. – 1 Mil­liarde investiert in die Zukunft unserer Kinder, 1 Milliarde investiert in die Zukunft des Landes und auch für den Wirtschaftsstandort Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)

Damit wird der Aufholprozess an internationalen Spitzenleistungen fortgesetzt. Denn Spitzenleistung, meine sehr geehrten Damen und Herren, braucht eine breite Basis. Wir dürfen hier niemanden zurücklassen! Die Weichen sind dauerhaft gestellt, und das neue Schuljahr wird ein gutes Schuljahr für die Kinder, für die Eltern, aber auch für die Lehrerinnen und Lehrer sein.

Verpflichtendes Kindergartenjahr, mehr Tagesbetreuung, mehr Kunst- und Kulturpro­jekte, neue Mittelschule in fünf Bundesländern, kleinere Klassen, Sprachförderung. – Ich möchte die Gelegenheit nutzen, Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren, für die gu­te und konstruktive Zusammenarbeit in den Ausschüssen über alle Fraktionen hinweg zu danken. Ich hoffe, dass auch der künftige Nationalrat diesen Geist der Zusammen­arbeit, über parteipolitische Grenzen hinweg, in der Bildungspolitik zum Prinzip macht. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Mag. Aubauer.)

Mit dieser Kultur der Zusammenarbeit haben wir sehr viel zum Positiven gewendet. – Danke dafür. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Mag. Aubauer.)

10.58


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es hat sich nun Herr Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


10.58.34

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin froh darüber, dass ich als Koordinator dieser Bundesregierung am Tag des Auflö­sungsbeschlusses im Nationalrat die Möglichkeit habe, ganz kurz zu skizzieren, was in den letzten Monaten passiert ist, was der Grund war für die Entscheidung, die in den


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letzten Tagen zu treffen war, vor allem aber, was aus unserer Sicht die notwendigen Maßnahmen sind, die Österreich in eine gute Zukunft führen können.

Führen wir uns den 1. Oktober 2006 vor Augen! – In der Folge die Bildung einer neuen Bundesregierung gemäß dem, was das Wahlergebnis vorgegeben hat, mit ganz klaren Zielsetzungen, nämlich einen Erfolgsweg für Österreich fortzuführen, mit Eckpunkten, die wir gemeinsam bis zum Jahr 2010 umsetzen wollten. Die Menschen in Österreich haben sicher große Erwartungen in Bezug auf diese Große Koalition gehabt. Sie sollte große Probleme und Projekte angehen und auch große Lösungen bringen.

Wir müssen relativ ernüchtert – auch ich möchte das heute hier sagen – ein paar Mo­nate später feststellen: Ja, wir haben tatsächlich Themen auf den Weg gebracht, ge­meinsam auch umgesetzt, Themen, die sich durchaus sehen lassen können. Ein paar wurden angesprochen, so zum Beispiel: Entlastung der Familien, Erhöhung der Kinder­beihilfe.

Wir haben auch in Sachen Teuerung in den letzten Monaten reagiert, allen voran der Finanzminister. Gerade den Pendlern wurde mit der Erhöhung der Pendlerpauschale unter die Arme gegriffen. Das Problem ist aufgetaucht, wurde aber in kurzer Zeit einer positiven Lösung zugeführt. (Beifall bei der ÖVP.)

In den letzten Monaten ist etwas eingetreten, wofür Martin Bartenstein schon längere Zeit sehr erfolgreich gekämpft hat und wo wir jetzt gemeinsam die Früchte ernten kön­nen: Die Vollbeschäftigung ist in Österreich fast erreicht, ja man kann sagen, sie ist eigentlich schon erreicht. (Beifall bei der ÖVP.) Das fällt nicht vom Himmel, das ist har­te Arbeit gewesen, die wir gemeinsam vorangetrieben und umgesetzt haben. (Präsi­dent Dr. Spindelegger übernimmt den Vorsitz.)

Wenn man sich anschaut, was unter der Verantwortung von ÖVP-Innenministern wei­tergegangen ist, so können wir heute sagen, Österreich ist eines der sichersten Länder der Welt. Man kann sich wohlfühlen in diesem Land, es ist sehr vieles zum Positiven geschehen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Strache: Reden Sie einmal mit denen, deren Wohnungen und Häuser ausgeraubt wurden!) Es wurde eine klare Sicherheitspolitik betrieben und umgesetzt.

Der Finanzausgleich ist vielleicht für die breite Öffentlichkeit nicht das interessante Thema, aber Finanzminister Willi Molterer hat gemeinsam mit den Ländern Österreich fit gehalten, was die Finanzierung für die Zukunft betrifft.

Ich könnte hier noch vieles aufzählen. Auch in meinem Bereich, was die Umwelt- und Lebensqualität betrifft, wurde sehr viel weitergebracht, auch gemeinsam sehr viel wei­tergebracht hier im Hohen Haus.

Wir haben es – und das betrifft schon die nächsten Wahlen – mit einem Demokratiepa­ket den jungen Menschen, die uns so viel wert sind, ermöglicht, dass sie bereits ab 16 am 28. September mit ihrer Stimme die Zukunft des Landes mitentscheiden können. (Beifall bei der ÖVP.) Darauf sollten wir auch gemeinsam stolz sein, weil es einen Poli­tisierungsschub im positiven Sinn in der Jugend Österreichs gebracht hat.

Aber dann ist etwas passiert in den letzten Wochen – das sage ich auch ganz bewusst als jener, der wöchentlich in der Koordination versucht hat, das Bestmögliche in der Umsetzung des Regierungsprogramms zu organisieren –, dann ist etwas passiert (Abg. Dr. Graf: Das ist nicht passiert, darauf habt ihr hingearbeitet!), wofür wir, die Volkspartei, nicht die Verantwortung tragen: eine schwere Führungskrise beim Koali­tionspartner, ein ungeklärtes Führungsverhältnis, das sich in der Tagesarbeit begon­nen hat niederzuschlagen. (Abg. Strache: Das war Ihr Ziel! Das war Ihre Strategie!) Ich sage das ganz emotionslos. So ist es halt, wenn in einer Partei, was die klare Füh-


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rung betrifft, keine Klarheit geschaffen wird. (Abg. Strache: Die Schwarze Witwe hat wieder zugebissen!)

Deswegen ist dann auch in zentralen Themen, die wir noch umzusetzen hatten und wollten, bis hin zur Frage der starken Verantwortung Österreichs in Europa, einfach nichts mehr gegangen. Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn nichts mehr geht, dann muss man gehen und muss die Notbremse ziehen, damit Österreich nicht auf Talfahrt kommt. Die Menschen haben jetzt die Möglichkeit, am 28. September ihre Entscheidung zu treffen.

Wir haben auch viel vor in dieser Wahlbewegung, und wir werden ganz klar skizzieren, was die brennenden Themen sind: Inflationsbekämpfung, Teuerungsbekämpfung mit klugen Modellen und nicht mit Einmal-Effekten. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Strache: Da müssen Sie aber mit dem Herrn Finanzminister und Vizekanzler Molterer sprechen, der taube Ohren hat in dieser Frage!) Wir werden auch, was die Sicherheit betrifft, kei­ne Kompromisse für Österreich eingehen, sondern klar auf diesem sicherheitspoliti­schen Kurs bleiben, zu sagen, was zu sagen ist, nicht auszugrenzen, aber klar abzu­grenzen, und diesen Weg weitergehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir werden auch, was die Frage der Lebens­qualität betrifft, gerade auch in meiner Verantwortung, diesen umweltpolitischen Kurs konstant fortsetzen, damit wir Österreich an der Spitze in Europa halten. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn man sich anschaut, was sich am Horizont abzeichnet, nämlich die ersten Gewit­terwolken auf dem Arbeitsmarkt und in der Wirtschaftsentwicklung, weiß man, wir wer­den alle Hände voll zu tun haben, und wir bekennen uns dazu, Arbeit für die Men­schen, die hier leben und arbeiten wollen, zu sichern. Es ist genug zu tun! (Beifall der Abg. Mag. Aubauer.)

Stichwort Pflegefonds, gestern schon angesprochen: eine neue Idee, um Nachhaltig­keit in der Pflege zu organisieren und festzulegen. Das werden wir auch in unserem Wahlprogramm der Öffentlichkeit entsprechend präsentieren.

Wir werden jedenfalls nicht mehr versprechen, als wir halten können, weil wir auf Glaubwürdigkeit setzen. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP. – Abg. Mag. Gaßner: Wer sollte Ihnen glauben?) Das war nämlich mit ein Grund, warum diese Regierung seitens der Sozialdemokratie nie wirklich funktioniert hat. Nur das zu versprechen, was man auch halten kann, das ist eine Lehre des letzten Wahlkampfes, die wir gemeinsam zie­hen sollten. (Beifall bei der ÖVP.)

Deswegen braucht Österreich jetzt eine neue Dynamik. (Abg. Parnigoni: „Pater Willi“ – neue Dynamik? Mutlos und kurzsichtig, wie Landeshauptmann Pröll gesagt hat!) Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, nicht Brücken abzureißen, sondern sich auch dessen bewusst zu sein, dass wir nach dem Wahltag hier wieder gemeinsam Verantwortung für Österreich wahrzunehmen haben.

Wir werden vor die Wählerinnen und Wähler hintreten können mit der klaren Ansage: entweder Chaos oder klare Verhältnisse. Die Wählerinnen und Wähler sind am Wort. Der Wahlkampf wird so geführt werden, dass man sich auch nach der Wahl noch in die Augen schauen kann, jedenfalls von unserer Seite.

In diesem Sinne alles Gute und einen spannenden Wahlkampf in den nächsten Wo­chen! (Beifall bei der ÖVP.)

11.05



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 51

Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Wittmann. 6 Minuten maximale Redezeit. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


11.05.58

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! In Replik auf die letzte Rede des Herrn Umweltministers muss man schon eines festhalten: Aus der Regierung ge­gangen ist die ÖVP! Sie will Neuwahlen, und das ist Teil ihrer Politik, ist es ja nicht das erste Mal, dass die ÖVP Neuwahlen will. Die ÖVP will dann, wenn für sie die Umfragen gut sind, Neuwahlen. Das ist 1996 so gewesen (Rufe bei der ÖVP: 1995!), da ist der damalige Vizekanzler Schüssel neu wählen gegangen. (Abg. Strache: 1995 war das! „Schüssel-Ditz-Kurs“ damals, der eine Absage erhalten hat!) Es ist 2002 die ÖVP neu wählen gegangen, und es geht 2008 die ÖVP neu wählen.

Jedes Mal dann, wenn Sie gute Umfragen haben, kündigen Sie die Arbeit auf. Jedes Mal dann, wenn Sie Ihren Machterhalt wieder kommen sehen, kündigen Sie die Koali­tion auf, ganz egal, mit welchem Partner. (Beifall bei der SPÖ.) Sie haben das mit uns im Jahr 1996 gemacht, Sie haben das mit den Blauen im Jahr 2002 gemacht – und Sie machen es heuer wieder.

In Wirklichkeit war der Schüssel-Molterer-Kurs für diese Republik sehr, sehr teuer. Wenn man bedenkt, dass manche Medien davon ausgehen, dass ein Wahlkampf 40 Millionen € kostet: Die beiden Herren kosten die Republik 120 Millionen! Damit hätte man ein Jahr Studiengebühren zahlen können. (Beifall bei der SPÖ.) 120 Millionen, nur um die Neuwahlgelüste der ÖVP zu befriedigen!

Herr Molterer, Sie wollen den Stil ändern. – Sie sind doch Teil des Problems! Sie wa­ren doch der, der blockiert hat! (Abg. Strache: Das ist wie bei der „Muppet-Show“! – Gegenrufe bei der ÖVP.) Sie sind doch der, der letztendlich dafür verantwortlich ist, dass nichts weitergegangen ist. Sie sind doch ganz persönlich Teil des Problems, Sie ganz persönlich. Sie haben doch verhindert, dass in der Schulreform etwas weitergeht. Sie haben doch verhindert, dass in der Gesundheitsreform etwas weitergeht. Sie wa­ren doch Teil des Problems und können daher jetzt nicht so tun, als wenn Sie nicht teil­genommen hätten an dieser Sache. (Abg. Strache: Und Sie überstimmen deshalb die ÖVP nicht, weil Sie Teil des Problems bleiben wollen! – Gegenrufe bei der ÖVP.)

Sie haben doch dem Partner keinen Erfolg gegönnt. Sie haben doch am 06.03.2008 gesagt, ein roter Kanzler ist ein Fehler, und dieser Fehler muss korrigiert werden. Des­wegen gehen Sie in Neuwahlen (Beifall bei der SPÖ sowie Beifall und Bravorufe bei Abgeordneten der ÖVP), weil Sie glauben, hier wieder ausschließlich Ihrem Macht­erhalt zu dienen. Sie gehen immer dann, wenn Sie glauben, eine Chance auf die Macht zu haben, wählen. (Abg. Strache: Warum bringen Sie dann einen Neuwahlan­trag ein?) Das ist doch Ihr Problem! Sie sind doch nicht glaubwürdig in der Umsetzung dieser Frage, wenn Sie selbst Teil der Regierung waren und bei der nächsten Regie­rung wieder dabei sein wollen. Ganz egal, ob das Blau-Schwarz oder Grün-Schwarz ist, Sie werden wieder wählen gehen, wenn sich Ihr Partner profilieren will. Sie werden immer wieder den Machterhalt suchen!

Sie haben unsere Kompromissbereitschaft, die gegeben war und die dann letztendlich immer als Umfaller ausgelegt wurde, gegen Ihren Machterhalt ausgespielt. Es war im­mer Ihr Machterhaltungstrieb, der im Vordergrund gestanden ist, weil der Führende in der Koalition neben Ihnen keinen Erfolg haben darf. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Es geht ausschließlich um den Machterhalt der ÖVP, und deswegen nehmen Sie jetzt die gesamte Republik in Geiselhaft. Die Bürgerinnen und Bürger wollen nicht wählen ge­hen, die wollen, dass gearbeitet wird!


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Sie wollen wählen gehen, und Sie haben die Verantwortung dafür zu tragen, dass die­se Koalition auseinandergebrochen ist – Sie ganz persönlich, Herr Vizekanzler, weil Sie Teil dieser Koalition waren. Und Sie werden auch Teil der nächsten Koalition sein, und Sie werden wahrscheinlich wieder versuchen, den Machterhalt in den Mittelpunkt zu stellen und nicht die sachliche Arbeit. (Abg. Strache: Aber nur, wenn Sie dem Herrn Molterer wieder die Leiter machen!)

Es geht Ihnen ausschließlich darum, ÖVP-Interessen und ÖVP-Machterhalt zu zele­brieren – und dafür ist die Republik etwas zu schade! Ich finde es unglaublich, dass Sie die dritte Neuwahl innerhalb von zehn Jahren vom Zaun brechen! (Bundesminister Dr. Bartenstein: „Zehn Jahre“ stimmt schon wieder nicht!) Es ist unfassbar, wie unver­lässlich Sie sind und wie Sie diesen Staat in Wirklichkeit für sich gebrauchen, um im­mer wieder ausschließlich Ihren Machtverhältnissen zum Durchbruch zu verhelfen. Ich halte das für einen schweren Fehler. Die Österreicherinnen und Österreicher wollen nicht alle zwei Jahre wählen gehen – und Sie machen das seit 1996 zum Programm. (Vizekanzler Mag. Molterer: 1995!) – Oder 1995, wie immer Sie wollen, aber Sie wa­ren dabei. (Heiterkeit des Vizekanzlers Mag. Molterer.)

Herr Vizekanzler, Sie können lachen, aber ich glaube, den Österreichern wird das La­chen im Halse stecken bleiben, wenn Sie immer wieder in Neuwahlen gehen und Koa­litionen aufs Spiel setzen. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie persönlich tragen die Verantwortung. Und Sie werden sich in einer anderen Re­gierung nicht anders verhalten, weil Sie persönlich die Blockade und den Misserfolg des Partners als Mittelpunkt Ihres politischen Handelns sehen. Es ist schade, dass man dafür Österreich missbraucht. Dreimal Neuwahlen in zehn Jahren, das ist genug! Ich glaube, Ihre Machtbedürfnisse sollten abgewählt werden – und Sie werden die Rechnung bekommen! (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ sowie Beifall bei Abgeordne­ten der FPÖ. – Vizekanzler Mag. Molterer: Rechnen kann er auch nicht, der Witt­mann!)

11.11


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. Ebenfalls 6 Minuten maximale Redezeit. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


11.11.55

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir heute die vorzeitige Beendigung der Legislaturperiode beschließen, dann auf Basis eines Ini­tiativantrages, der als Erstunterzeichner den Namen Ihres Klubobmannes trägt, Herr Kollege Wittmann, nämlich Dr. Cap. (Beifall und Heiterkeit bei der ÖVP.) Es ist kein Antrag Schüssel, es ist ein Antrag Cap, Schüssel, ein Antrag von beiden Klubobmän­nern der Regierungsparteien. Sie haben das offensichtlich übersehen. Ich gehe aber davon aus, dass trotzdem alle Zusagen halten. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wenn es zu einer vorzeitigen Auflösung des Nationalrates kommt – mein Vorredner hat das ja perfekt praktiziert –, so gehört es eigentlich in je­dem Parlament der Welt zum Ritual, dass die Opposition alle Schuld der Regierung zu­spielt und die Regierungsparteien sich gegenseitig die Schuld zuspielen. Ich möchte nicht in dieses Ritualverhalten fallen, bin aber nicht überzeugt, ob wirklich bei allen Bür­gerinnen und Bürgern die Gründe für diese vorzeitigen Neuwahlen schon als Botschaft angekommen sind. Ich möchte daher vier Gründe anführen und zu jedem dieser Grün­de ausschließlich sozialdemokratische Persönlichkeiten als für mich unverdächtige Zeugen aufrufen.

Punkt eins: Erst gestern hat in einem „Standard“-Interview Dietmar Ecker, der langjäh­rige Pressesprecher des früheren Finanzministers Lacina – Ecker war auch Kommuni-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 53

kationschef der SPÖ in den neunziger Jahren –, gemeint, und da bin ich schon hellhö­rig geworden: Eine Mehrheit der SPÖ hat innerlich die Große Koalition gar nie ge­wollt. – Ja, wie soll das funktionieren, meine Damen und Herren? (Abg. Strache: Und bei der ÖVP war das anders?)

Ich gestehe ganz offen – ich habe das noch nie gesagt, ich sage es heute –: Ich habe immer wieder Situationen bei Ausschussberatungen erlebt, wo ich mir gedacht habe, eigentlich verstehe ich mich mit den Fraktionsführern der Oppositionsparteien besser als mit den Kollegen des eigenen Regierungspartners. Das kann ja nicht sein.

Punkt zwei: Es hat erst vor drei Wochen der Herr Minister Faymann, der, ich weiß nicht, aus welchen Gründen, heute nicht hier ist – vielleicht hat er geahnt, dass ich ihn jetzt zitiere, ich weiß es nicht –, in einem Interview gesagt: Die SPÖ ist in Wahrheit aus ihrer Oppositionsrolle der Jahre 2000 bis 2007 bis heute nicht in der Regierung ange­kommen. – Ja, meine Damen und Herren, was heißt das? Das haben wir schon einmal erlebt, Herr Klubobmann Cap, das waren Ihre Vorgänger. Das ist einmal schon der FPÖ nicht gut bekommen, zu glauben, ich kann als Regierungspartei Opposition spie­len. Das kann nicht gut gehen! Und das war das Dilemma der SPÖ: Sie haben ge­glaubt, Sie können in der Regierung sitzen und gleichzeitig Opposition spielen. Was soll diese Aussage von Faymann sonst heißen: Wir sind noch nicht in der Regierung angekommen!?

Punkt drei: dieser ungeheuerliche Schwenk in der EU-Politik, meine Damen und Her­ren. (Abg. Strache: Jetzt machen Sie sich doch bitte nicht lächerlich! – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Erst im „profil“ dieser Woche hat der langjährige Kreisky-Sekretär Tho­mas Nowotny gemeint: Wenn die SPÖ von der Einbindung des Volkes spricht – Volks­abstimmung –, dann meint sie eigentlich die Einbindung der „Kronen Zeitung“. – Tho­mas Nowotny, langjähriger Sekretär des Alt-Bundeskanzlers Kreisky.

Oder Alt-Bundeskanzler Vranitzky: Jetzt weiß ich, warum es die Doppelführung gibt: weil einem allein kann so ein Schwenk nicht einfallen.

Meine Damen und Herren, lauter Persönlichkeiten der Sozialdemokratie!  Der frühere Finanzminister Lacina, bei dem ich selber vier Jahre Staatssekretär war und den ich gut kenne, hat gemeint: ein Schaden für die SPÖ, aber auch ein Schaden für das Land. Der Bürgermeister von Salzburg, Herr Kollege Schaden, hat gesagt, er geniert sich für dieses Verhalten seiner Partei. – Lauter sozialdemokratische Stimmen!

Vierter Punkt: die Führungskrise in der SPÖ. – Ja, meine Damen und Herren, da ist wirklich nicht die SPÖ schuld (ironische Heiterkeit bei der SPÖ – Abg. Strache: Der erste Freud’sche Versprecher, der richtig war!), da ist wirklich nicht die ÖVP schuld. In unbeschreiblicher Weise ist erstmals ein Bundeskanzler, der seiner Partei den ersten Platz in einer Wahl zurückgewonnen hat, scheibchenweise demontiert worden. Ich könnte jetzt eine Fülle von Zitaten bringen, aber ich zitiere nur Altbürgermeister Zilk: Hier gibt es eine Führungsschwäche, keine Führungskompetenz.

Was hier geschehen ist, ist einmalig in der Geschichte der Zweiten Republik: dass ein agierender Bundeskanzler von den eigenen Parteifreunden scheibchenweise demon­tiert wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Bundeskanzler Gusenbauer sagt heute im „Standard“ – und das ist schon sehr interes­sant für die Kollegen von der SPÖ –: Nicht alle, die mich mit „Freundschaft“ begrüßen, sind auch Freunde! – Meine Damen und Herren, das sollte Ihnen schon zu denken ge­ben.

Wenn es jetzt darauf ankommt, meine Damen und Herren, dass wir in Zukunft wieder das haben, was der Herr Vizekanzler wiederholt betont hat, nämlich Klarheit, Verläss­lichkeit, Ehrlichkeit, Handlungsfähigkeit, dann ist das genau das, was unser Land braucht.


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Und glauben Sie mir – das ist meine Erfahrung! –: Der Wähler verzeiht dem Politiker, wenn er einmal einen Fehler macht, wenn er einen geraden Weg geht, aber der Wäh­ler verzeiht dir nicht, wenn du einen Zickzackkurs gehst, wie das die SPÖ in den letz­ten Wochen getan hat.

Wir werden den Wähler bitten, uns eine klare Mehrheit zu geben. (Ruf bei der SPÖ: Das werden wir auch tun! – Abg. Strache: Da wird es aber sozialpolitisch eiskalt in Ös­terreich!) Der Slogan des Landeshauptmannes Dr. Erwin Pröll „Klarheit durch Mehr­heit“ ist völlig richtig. Wenn es klare Verhältnisse gibt, ist es viel besser, als wenn es so verwaschene Mehrheiten gibt wie derzeit. Wir sind optimistisch. Das Land braucht drin­gend eine klare Führung, braucht Ehrlichkeit, Verlässlichkeit und Handlungsfähigkeit! (Beifall bei der ÖVP.)

11.17


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Gla­wischnig-Piesczek. 6 Minuten maximale Redezeit. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


11.17.49

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig-Piesczek (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Werte Kolleginnen und Kollegen! Was machen wir jetzt gerade? Wir haben hier einen Neuwahlantrag zur Diskussion, zur Be­schlussfassung, der gestern in der Nacht noch im Verfassungsausschuss von allen Fraktionen dieses Hauses die Zustimmung erhalten hat. Was ist der Grund für diesen Neuwahlantrag? Das sollte man noch einmal ganz deutlich dazusagen: vorzeitige Be­endigung dieser Legislaturperiode wegen erwiesener Unfähigkeit der beiden Parteien ÖVP und SPÖ, miteinander zu arbeiten. Das ist der Grund für vorgezogene Neuwah­len, und das weiß auch die Bevölkerung.

Wenn man sich jetzt die Debatte angehört hat, wenn man das Ganze beobachtet hat, dann – zumindest mich überfällt dieses Gefühl, und ich glaube, es geht vielen vor den Fernsehgeräten zu Hause und auch hier oben auf der Galerie ähnlich – hat man den Eindruck, es geht hier nur um das Interesse der Parteien, nur um gegenseitige Schuld­zuweisungen, und es geht überhaupt nicht darum, wie man die Situation der Menschen in Österreich, die Lösungen brauchen ... (Abg. Parnigoni: Sie wollen in die Regierung! Sagen Sie es endlich!) – Sie können sich dann gern zu Wort melden, aber bitte lassen Sie mich jetzt ganz kurz einmal zumindest anfangen.

Viele Menschen in Österreich haben Probleme, mit denen sie alleine nicht fertig wer­den, und sie verlangen von der Politik zu Recht, dass wir uns mit diesen Problemen auseinandersetzen und Lösungen anbieten, miteinander arbeiten, Beschlüsse fassen, um diese Probleme auch tatsächlich in den Griff zu bekommen. Und das haben Sie nachweislich die letzten zwei Jahre einfach nicht gemacht. In Österreich hat Stillstand regiert, und die Menschen waren im Wesentlichen mit ihren Sorgen und Nöten völlig al­lein. Ich werde Ihnen auch noch ein paar Beispiele dafür bringen.

Eines der wichtigsten Objekte der Wahlkampfbegierden aller Parteien sind die Fami­lien. Das finde ich heute in Inseraten: Familien spürbar entlasten. Das war jetzt auch in den Reden zu hören. Tatsächlich ist es so, dass viele Familien mit Kindern im Moment vor unlösbaren Problemen stehen, und sie fühlen sich derzeit nur eines, nämlich allein gelassen und im Stich gelassen.

Wir haben in Österreich über 200 000 Kinder, die Kinderbetreuungseinrichtungen bis zum sechsten Lebensjahr besuchen. Während der Sommerzeit stehen 180 000 von ih­nen vor verschlossenen Türen!

Das ist in jedem Bundesland ähnlich: Alle Kinderbetreuungseinrichtungen im Burgen­land sperren zu. In Niederösterreich sperren 1 029 Kindergärten zu, es bleiben nur et-


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was über 1 Prozent offen, und die sind nicht wirklich durchgehend geöffnet. Ich habe stapelweise Briefe vor allem von berufstätigen Müttern, die nicht wissen, wie sie die Ferienzeit mit 25 Urlaubswochen mit ihrer Berufstätigkeit vereinbaren können.

Sie sagen, in Niederösterreich sei das anders. Eine Mutter aus Brunn am Gebirge sagt aber, dass von drei Kindergärten nur einer geöffnet ist, und der auch nur während der ersten und der letzten Ferienwoche, und dass sie überhaupt nicht weiß, wie sie das managen soll. (Abg. Dr. Schüssel: Was meinen Sie mit 25 Wochen Urlaub?)

Angesichts dessen sprechen Sie von Familienentlastung und davon, dass Ihnen die Familien wirklich wichtig sind. Das sind tatsächlich echte Probleme und Sorgen! (Abg. Ing. Westenthaler: Wer hat 25 Wochen Urlaub?) 25 Urlaubstage! (Abg. Ing. Westen­thaler: Sie haben Wochen gesagt! Das ist ein Unterschied!) – Danke für die Korrektur! Ich bleibe präzise.

Allerdings: 39 Tage Ersatzprogramm im Sommer, 45 Tage Ersatzprogramm – wie sol­len das Eltern tatsächlich bewerkstelligen? (Zwischenruf bei der SPÖ.)

In Wien ist es besser, das muss man dazusagen. Im Durchschnitt bleiben in Wien nur sechs Tage die Kindergärten zu, allerdings zahlt man in Wien den entsprechenden Preis.

Wenn Sie sagen, durch Kindergärten und Kinderbetreuung soll man die Familien ent­lasten, dann frage ich mich, warum Sie es in den letzten zwei Jahren noch nicht zu­stande gebracht haben, Kindergärten in Österreich flächendeckend gratis anzubieten. (Beifall bei den Grünen.)

Das ist ein konkretes Problem, wo es wirklich keine großen Umstände macht, eine Lö­sung zu finden. Da geht es nicht darum, welcher Politiker was zu wem gesagt hat, da geht es nicht um Schuldzuweisungen, sondern da geht es um die Lösung eines kon­kreten Problems. Bitte eine Lösung – und das rasch! (Abg. Dr. Schüssel: Niederöster­reich!)

In Niederösterreich ist es dasselbe Problem, Herr Kollege Schüssel. (Abg. Dr. Schüs­sel: Vormittags gratis!) Ja, vormittags gratis! Aber sagen Sie mir, welche Frau/welcher Mann nur vormittags arbeiten möchte, zu Mittag nach Hause fährt, um zu kochen, und sich dann am Nachmittag um die Kinderbetreuung kümmert? (Abg. Dr. Schüssel: Im­merhin vormittags gratis!)

Das sind Vorstellungen, die, wie ich meine, in das letzte Jahrhundert gehören. Wir wol­len ganztägige Kinderbetreuung, flächendeckend gratis, und das in hoher Qualität: Das ist der Standard! Und der ist in Niederösterreich bei Weitem nicht erreicht. (Beifall bei den Grünen.)

Das zweite Problem, das alle identifiziert haben und wo sich alle zu Maßnahmen bezie­hungsweise zu Lösungen bekennen, ist die so genannte Teuerung. Warum gibt es die­se Teuerung überhaupt, was steckt da eigentlich dahinter?

Sie greifen mit Ihren Lösungen in Ihren Inseraten das Problem nicht an. Sie sagen, man müsse wegen der Teuerung die Familien entlasten. Sie wollen den Mittelstand entlasten. Die tatsächliche Problematik ist jedoch der international steigende Ölpreis. Und es gibt, glaube ich, nur eine einzige Antwort auf diese Entwicklung, und die heißt, konsequent den Ausstieg aus den fossilen Energieträgern, aus der Ölwirtschaft vorzu­nehmen.

Sie haben vor wenigen Jahren noch zu besänftigen versucht. Der Wirtschaftsminister hat immer gesagt, die Preise werden wieder sinken, das sei alles kein Problem. Das ist ein Problem! Wir sind mittlerweile auf über 145 US-Dollar angelangt. Das heißt: Mobili­tät, Energieversorgung, Stromversorgung, Wärmeversorgung müssen auf eine andere


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Basis gestellt werden. Aber wenn Sie das nicht konsequent betreiben, dann treiben Sie einfach viele Familien konsequent in die Armutsfalle und in organisatorische Probleme.

Wie soll man Mobilität bewerkstelligen? – Dazu braucht es einen flächendeckenden Ausbau des öffentlichen Verkehrs, ein bisschen mehr als die lächerlichen 10 Millionen, die Minister Faymann in den letzten Jahren investiert hat, und auch die tatsächliche Umstellung des gesamten Energiesystems. Das haben Sie nicht einmal im Ansatz in Angriff genommen, sondern Sie machen Business as usual und stecken den Kopf in den Sand. Auf der anderen Seite reden Sie groß von Teuerungs-Entlastung et cetera. Das Problem haben Sie aber nicht an der Wurzel gepackt.

Das dritte Problem, auf das ich noch zu sprechen kommen möchte, ist die Frage: Wie geht es wirklich den Ärmsten und den kleinsten EinkommensbezieherInnen in Öster­reich?

Sie hätten gestern die Möglichkeit gehabt – und Sie haben sie heute wieder –, Sofort­entlastungsmaßnahmen zu beschließen. Die Einkommensgruppen mit einem Einkom­men unter 1 000 € leiden wirklich am massivsten unter den Teuerungen. Es gibt viele Familien, die zwar mehrere Jobs haben, aber davon nicht mehr leben können. Sie aber verschieben die ganze Problematik jetzt auf die nächste Wahl, auf die nächsten Regie­rungsverhandlungen. Eineinhalb Jahre verlorene Zeit – und dafür tragen Sie die Ver­antwortung! Die kann Ihnen niemand abnehmen. (Beifall bei den Grünen.)

11.24


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kickl. 6 Minuten maximale Redezeit. – Bitte.

 


11.24.20

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Wir nehmen zur Kenntnis, dass der „Hoffnungsträger der Sozialdemokratie“, Herr Faymann, hier noch immer nicht eingetroffen ist. Wahr­scheinlich führt er im Hintergrund hektische Telefonate und schaut, ob er noch alle Landesparteiobleute hat. (Abg. Dr. Niederwieser: Der hat viel zu tun!)

Es war ja auch vorhin so, dass Herr Klubobmann Cap von der SPÖ da hinten ganz hektisch herumgelaufen ist und durchgezählt hat, ob noch alle da sind und ob er nicht vielleicht für die letzten paar Stunden hier herinnen im Parlament zu den Statisten, die wir ohnehin schon kennen, zu den politischen Statisten dann noch echte Statisten he­reinsetzen muss, um ein Bild der Geschlossenheit zumindest nach außen hin zu ver­mitteln.

Die Wahrheit ist, dass es massive Absetzbewegungen in der SPÖ gibt – das ist ja gar keine Frage, das lesen wir jeden Tag in der Zeitung, das sieht man ja überall –, und zwar Absetzbewegungen von denen, die noch den Mumm haben, zu sagen: So geht es nicht weiter!, Absetzbewegungen, die im Grunde genommen – und das prophezeie ich Ihnen – das schon vorwegnehmen, was die Wähler bei ihnen gemacht haben, näm­lich die Flucht zu ergreifen vor dieser Chaospolitik, die sie ganz maßgeblich mit zu ver­antworten haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Bei denjenigen, denen der Mut fehlt, wird schon Ende September nachgeholfen wer­den, da können Sie sicher sein. Wenn Sie den Schritt schon selbst nicht setzen: Der Wähler wird das für Sie erledigen. Eine Vertragsverlängerung wird es für manche nicht geben.

Meine Damen und Herren, es ist ja auch bei der ÖVP nicht viel anders: Auch dort ha­ben wir es mit einer unglaublichen Arroganz zu tun! Das war ja fast eine Sternstunde des Fernsehens gestern: Wir wissen jetzt von der ÖVP, dass für sie Volksbegehren, Volksbefragungen, Volksabstimmungen etwas sind, was wir ohnehin nicht brauchen. (Abg. Strache: Das hat keine Tradition!)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 57

Wer gestern den Herrn Vizekanzler in der „ZiB 2“ gesehen hat, der hat eigentlich das Gefühl gehabt: Wahlen brauchen wir auch nicht mehr!, denn das war eine Art Veran­staltung, wo er sich de facto via Fernsehen selbst zum nächsten Kanzler ausgerufen hat. Diesen Eindruck hat man zumindest gehabt. Also: Wahlen sind jetzt offensichtlich auch noch überflüssig. Wie ein „schwarzer Pfau“ hat der Vizekanzler dort sozusagen das Rad geschlagen und gesagt: Ich denke nicht einmal daran, nicht einmal im Min­desten, keine Sekunde lang denke ich daran, dass die Österreicher auf irgendeine an­dere Idee kommen könnten, als mich, den Wilhelm Molterer, den Sparefroh der Nation, zum nächsten Kanzler zu machen! Ich denke nicht daran! (Abg. Strache: Aber die Stimme hätte er gerne!)

An Ihrer Stelle, meine Damen und Herren von der ÖVP und Herr Vizekanzler, würde ich da ein bisschen vorsichtiger sein, ob diese Rechnung aufgeht. Ich würde nicht da­von ausgehen, dass die Österreicher darauf verzichten, Ihnen einen ordentlichen Strich durch diese Rechnung zu machen. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Dr. Schüssel: Aber Molterer war sehr gut!)

Das Ganze hat ja einen gewissen Symbolcharakter und zeigt, dass wir es im Grunde genommen bei beiden großen Parteien, die sich selber gerne staatstragende Parteien nennen, aber das Gegenteil davon sind, mit einem unglaublich faulen Kern zu tun ha­ben. Und weil Sie von selbst nicht draufkommen, ist es halt so, dass wir Ihnen das sa­gen müssen: Sie haben etwas verloren, was es für eine anständige Politik braucht: Sie haben die Bodenhaftung verloren! Sie haben die für uns Freiheitliche ganz selbstver­ständliche Demut vor der Bevölkerung verloren! Das ist es, was Ihnen fehlt – sonst würde es solche Auftritte im Fernsehen à la Molterer nicht geben, wo man sich in der Manier des Ludwig  XIV. mit dem Staat gleichsetzt. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie haben, meine Damen und Herren, diese Demut verloren, weil Sie glauben, der Wind, mit dem Sie segeln, weht aus Brüssel. Nein, er weht nicht aus Brüssel, er weht gegen Brüssel! Wenn Sie eine Politik für die Österreicherinnen und Österreicher ma­chen wollen, dann müssen Sie gegen diesen Wind kreuzen und dürfen nicht Ihre Fah­nen in diesen Wind hineinhängen! (Beifall bei der FPÖ.)

Aber Sie setzen sich allen Ernstes mit diesem Staat gleich! Und beim Herrn Vizekanz­ler hat man manchmal das Gefühl, dass er sich weniger als Parteichef interpretiert denn als logischer Thronfolger im Bundeskanzleramt.

Meine Damen und Herren, Sie glauben doch nicht allen Ernstes, dass die Bevölkerung glaubt, dass es ohne Sie nicht geht, wenn Sie in den letzten Monaten und eigentlich seit Beginn dieser Regierungskoalition bewiesen haben, dass es mit Ihnen nicht geht. Das ist ja das Problem! (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Da muss man sich nur einmal anschauen, was Sie in der EU-Frage aufgeführt haben. Wie schaut denn das aus? – Ich meine, eines kann man der ÖVP nicht vorwerfen: dass sie nicht geradlinig (Zwischenruf bei der SPÖ) – „Beton“ war heute das Stichwort, das stimmt –, felsenfest gerade losmarschiert! Wirklich, da gibt es kein Wackeln, über­haupt kein Beirren. Aber was nützt denn das, wenn Sie am Holzweg unterwegs sind – geradlinig, stur und unbeirrt?! (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Das ist Ihr Fehler! Das muss man Ihnen vorwerfen. Das ist der falsche Weg! Da ist es ja nur logisch, dass Sie die eigene Bevölkerung als unqualifiziert „herunterdodeln“ – anders kann man das nicht nennen – und wahrscheinlich auch die Iren, die Holländer und die Franzosen. Das ist ein Holzweg! Und das muss man der ÖVP vorwerfen.

Und bei der SPÖ könnte man den Verdacht haben, dass sich da irgendetwas geändert hat. – Aber es hat sich gar nichts geändert! Überhaupt nichts!


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 58

Herr Klubobmann Cap, seien Sie mir bitte nicht böse, wenn ich das sage: Sie sind eine Symbolfigur für die politische Rückgratlosigkeit und Charakterlosigkeit, die von dieser SPÖ und von ihren Führungsfunktionären Besitz ergriffen hat! (Abg. Dr. Niederwieser: Bitte, Herr Präsident, das geht nicht!) Das ist ein wirkliches Problem. Mit den Windun­gen, mit den Wendungen, mit den Verbiegungen, die Sie in den letzten Tagen und Wo­chen – auch hier herinnen – aufgeführt haben, sind Sie ein Kandidat für den chinesi­schen Nationalzirkus. (Beifall bei der FPÖ.)

Da braucht man solche Leute, die sich sozusagen in alle Richtungen verbiegen kön­nen. Da können Sie das Publikum unterhalten. Aber hier herinnen sind Sie kein Kandi­dat, um für die Österreicher auch nur irgendetwas zum Besseren zu verändern.

Sie, Herr Kollege Cap, erinnern mich an einen politischen Wurlitzer: Da kann man alles abrufen, vom Protestsong bis zur Lobeshymne, je nachdem, wie man es braucht. Cap spielt alles, meine Damen und Herren! (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Gestatten Sie mir auch ein Wort zur Sozialpolitik. Dort, wo Sie „sozial“ draufschreiben, steckt in Wahrheit Belastung drinnen. Herr Faymann hat in Wien alles dazu getan, um die Gemeindebauten in Ausländer-Wohnheime umzumodeln. Das ist sein „Erfolgspro­jekt“! Und da soll gleich jeder wissen, woher der Wind unter dem Herrn Faymann weht: Das ist sozialistische Politik! (Abg. Dr. Schüssel: Der Herr Faymann ist gar nicht da!)

Wenn man sich die sozialpolitischen Errungenschaften im Großen und Ganzen an­schaut, muss man sagen: Es wird von den sozialpolitischen Dingen als Eintrag für die Geschichtsbücher die neue Frisur vom Herrn Buchinger übrigbleiben – ansonsten nicht wirklich etwas! (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

11.30


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheib­ner. Auch für Sie gilt eine maximale Redezeit von 6 Minuten. – Bitte.

 


11.30.49

Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Herr Präsident! Werte dezimierte Bundesre­gierung heute hier! Herr Abgeordneter Wittmann von der SPÖ hat etwas Richtiges ge­sagt: Die Bevölkerung will nicht wählen, zumindest nicht vorzeitig, sondern sie will, dass eine Regierung, die für vier Jahre bestellt ist, auch vier Jahre arbeitet. Sehr rich­tig, Herr Kollege Wittmann! Das hat sich die Bevölkerung von Ihnen auch erwartet: dass vier Jahre gearbeitet wird und nicht nur versprochen wird, aber nichts davon ge­halten wird und nur gestritten wird und dann, nach Bruch dieser Regierung, wieder al­les für die Zukunft versprochen wird. Das wollen die Menschen nicht, meine Damen und Herren von dieser Regierung, vor allem jene von der Sozialdemokratie! (Beifall beim BZÖ.)

Es ist ja ungeheuerlich, dass man jetzt schon wieder diskutiert, was denn das alles kostet und wie hoch die Wahlkampfkostenrückerstattung sein wird. Ich sage Ihnen: Wir werden einen Antrag einbringen, dass es dann, wenn eine Legislaturperiode nur über die Hälfte der Zeit geht, auch nur die Hälfte der Wahlkampfkosten rückerstattet werden sollen (Beifall beim BZÖ), denn weshalb soll die Bevölkerung mit ihren Steuergeldern die Zeche dafür zahlen, dass wir eine Regierung haben, die nicht arbeiten will? Das ist unzumutbar, Herr Kollege Wittmann!

Es ist schon lustig, wenn der Abgeordnete Cap – und ich sage: rückgratlos ist er sicher nicht, er ist ein guter Schauspieler, und das mit Konsequenz – hier fragt: Wo war denn die Opposition? Das ist nicht die Frage, sondern die Bevölkerung in Österreich fragt sich die ganze Zeit schon: Wo ist die Regierung, nämlich eine Regierung, die für die Menschen in Österreich arbeitet, eine Regierung, die das tut, was sie versprochen hat?


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 59

Herr Kollege Cap, heute könnte man fragen: Wo ist die SPÖ-Führungsmannschaft heute hier auf der Regierungsbank? Hat sie sich schon verabschiedet und wohin? (Abg. Dr. Stummvoll: Beim Herrn Dichand!) Beim Herrn Dichand sind die? – Das weiß ich nicht. Ich habe nur von einem SPÖ-Abgeordneten gehört – ich sage nicht, wer es war –, dass der Herr Faymann schon einen Spitznamen hat: Der Mister Faymann ist der „Mister Feigmann“ in der SPÖ-Fraktion, weil er sich dann, wenn es heikel wird, ger­ne irgendwo versteckt. (Heiterkeit beim BZÖ. – Abg. Dr. Graf: Das ist der Fischer!)

Das wollen wir aber nicht, meine Damen und Herren! Wir wollen die Auseinanderset­zung mit Ihnen auch heute führen. Wo sind Sie, damit wir mit Ihnen diskutieren kön­nen? (Beifall beim BZÖ.)

Sie vor allem, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, haben die Re­gierung von 2000 bis 2007 mit allen Mitteln bekämpft, selbst mit Hilfe des Auslandes und mit Demonstrationen. Sie haben gesagt: Es muss sich etwas ändern!

Heute sagt Herr Cap: Es muss sich jetzt etwas ändern! Da geben wir ihm recht, denn solch eine Regierung, wie wir sie bis jetzt gehabt haben, diese Große Koalition, darf es nicht wieder geben! Ihre Zeit ist vorbei! Meine Damen und Herren, Sie müssen abge­wählt werden! (Beifall beim BZÖ.)

Es gab eineinhalb Jahre Stillstand, Streit und Nichtstun. Sie haben das gute Kapital, das wir Ihnen hinterlassen haben, aufgebraucht. Und das ist das Problematische! Und das alles geschieht in einer sensiblen Zeit, in einer Zeit, wo die Konjunktur Gefahr läuft, sich abzuschwächen, auch aufgrund der hohen Energiepreise, in einer Zeit, in der es notwendig wäre, gegenzusteuern, die Kaufkraft der Bevölkerung durch eine Steuerre­form zu stärken, den Wirtschaftsstandort Österreich zu unterstützen, damit die Arbeits­plätze gesichert sind – und nicht klassenkämpferisch gegen Unternehmer, gegen Stif­tungen und Sonstiges zu Felde zu ziehen.

Darum geht es nicht! Es geht darum, Arbeitsplätze zu schaffen. Und Arbeitsplätze schaffen nicht Ihre Ideologen und Ihre Berater mit marxistischen Lehrbüchern, sondern Arbeitsplätze werden von Unternehmungen geschaffen. Das wäre unsere Linie, und es wäre dringend notwendig, dass wir diese Linie jetzt verfolgen. (Beifall beim BZÖ.)

Und wenn Sie über Pensionen reden, dann kann ich nur sagen: Na selbstverständlich müssen die gesichert sein! Die Pensionen für die jetzigen Pensionisten sind ja gesi­chert. Wir müssen die Pensionen für die Jungen sichern, dass sie in 10, 20, 30 Jahren auch eine Pension haben. Wir müssen den Jungen heute über flachere Einkommens­kurven die Möglichkeit geben, in die Vorsorge zu investieren. Das wäre eine Aufgabe, die zwar nicht von heute auf morgen zu erledigen sein wird, wie man es gerne populis­tisch in irgendwelchen Wahlkampfbroschüren verspricht, die aber wirklich nachhaltig für die Gesellschaft in Österreich etwas bringen würde.

Nun zur Staatsreform. – Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, haben, obwohl Sie in den letzten eineinhalb Jahren eine Zweidrittelmehrheit gehabt ha­ben, bis auf die Verlängerung der Legislaturperiode fast nichts zusammengebracht. Können Sie noch irgendjemandem erklären, warum es in diesem kleinen Österreich neun verschiedene Bauordnungen geben muss?, und, und, und. Das ist doch nieman­dem mehr zu erklären! Das kostet viel Geld, ist ineffizient, gehört abgeschafft und ver­einheitlicht.

Man könnte hier noch eine ganze Fülle von anderen Dingen ansprechen, wie etwa die Integration. Da, meine Damen und Herren, auch Sie von der FPÖ, unterscheiden wir uns von Ihnen. Sie verlangen Verschärfungen, Sie verlangen Maßnahmen gegen den Asylmissbrauch – wir haben Maßnahmen auch gegen Ihre Stimmen umgesetzt. Wir


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haben ein Asylrecht geschaffen, das zu einer Halbierung der Zahl der Asylanträge ge­führt hat. Es gibt zwar noch immer Missbrauch im Asylbereich, es ist nicht alles perfekt, aber wir haben eine wirkliche Erleichterung und auch Verbesserung der Sicherheit hier in Österreich erreicht.

Es ist auch zu einer Halbierung der Zahl der Verleihung von Staatsbürgerschaften durch unsere Maßnahmen, die wir gesetzt haben, und durch Verschärfungen, die wir eingeführt haben, gekommen. Das ist eine geradlinige Politik, wo es zwar immer wie­der Fehler gibt, aber wo die Perspektive stimmt und wo der Weg in eine gute Zukunft führt. (Beifall beim BZÖ.)

Meine Damen und Herren, wir hören jetzt schon wieder, wer aller mit wem nicht koa­lieren wird. Was soll denn das? In einer Demokratie muss man mit allen reden. Es soll sich jetzt einmal der Wähler entscheiden für Programme, für Personen, und dann soll­ten wir uns anschauen, welche Möglichkeiten einer Zusammenarbeit, einer Koopera­tion es in der Zukunft gibt – und nicht ideologische Scheuklappen aufsetzen. Das inter­essiert nur die Parteisekretäre und vielleicht ein paar Journalisten, aber nicht die Bevöl­kerung. Der Bevölkerung sind ideologische und politische Streitereien völlig egal. Die Bevölkerung möchte Antworten auf die Fragen der Zukunft für dieses Land haben. Und da sind wir alle gefordert, zu handeln. Und da sollte die Bevölkerung sehr genau auf­passen ... (Zwischenruf der Abg. Rudas.) – Ja, Wahltag ist Zahltag, meine Damen und Herren – auch für die Politik der Sozialdemokratie in den letzten eineinhalb Jahren!

Wir stehen dazu: Konzepte für die Zukunft, niemanden ausschließen, aber klar zu sa­gen: Eine Große Koalition, so wie wir sie jetzt gehabt haben, darf es für dieses Land nie wieder geben! (Beifall beim BZÖ.)

11.37


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Stadl­bauer. Ihre maximale Redezeit beträgt 5 Minuten. – Bitte.

 


11.37.16

Abgeordnete Bettina Stadlbauer (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank, auf der Galerie und vor den Fernsehgeräten! Hohes Haus! Die ÖVP ist kein verlässlicher Partner und ist alles andere als stabil, wie sie im­mer von sich selbst behauptet. (Abg. Rädler: Wo steht das? In der „Kronen Zeitung“?) Ganz im Gegenteil: Die ÖVP ist instabil! Und das werde ich Ihnen jetzt beweisen.

Wussten Sie eigentlich, dass seit 1990, also seit fast 20 Jahren, jede zweite Legislatur­periode – das ist die Periode, in der der Nationalrat eigentlich arbeiten sollte – von der ÖVP beendet worden ist? (Abg. Rädler: Wer hat Ihnen diese Rede geschrieben?) Und trotzdem geht die ÖVP noch her und kündigt in den heutigen Tageszeitungen an, dass sie für Klarheit, Verlässlichkeit, Ehrlichkeit und Handlungsfähigkeit steht! (Abg. Dipl.-Ing. Klaus Hubert Auer: Ja, so ist es! – Abg. Rädler: Jawohl!) Ich halte das für ziemlich vermessen.

Nehmen wir zum Beispiel als ersten Punkt die Klarheit her! – Wo ist in Ihrer Partei die Klarheit, wer jetzt das Sagen hat? (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.) Ist es Vizekanzler Molterer oder vielleicht doch Klubobmann Schüssel? (Abg. Wöginger: Das ist ein Rohrkrepierer!) Oder ist es Herr Bundesminister Pröll, der heute in Ermangelung einer herzeigbaren Bilanz seines Ressorts eine kräftige Wahlrede halten musste? Oder ist es vielleicht doch der Landeshauptmann Pröll? (Abg. Dr. Schüssel: Wo ist der Fay­mann? Wo ist der Infrastrukturminister?) Ich darf in diesem Zusammenhang an das ak­tuelle Zitat erinnern, das da lautet: Dem Vizekanzler fehlt der Mut oder der Weitblick oder vielleicht auch beides.


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Das heißt, es gibt Schüssel, es gibt Molterer, es gibt zweimal Pröll. Die einzige Klar­heit, die ich hier sehe, ist die, dass in der ÖVP nur Männer das Sagen haben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Schüssel: Wir haben eine Staatssekretärin! Wir haben drei Frauen in der Regierung!)

Zweiter Punkt: Verlässlichkeit. – Sie von der ÖVP sind verlässlich? (Abg. Dr. Stumm­voll: Ja, wir sind verlässlich!) Sie haben die Koalition aufgekündigt, und das nicht zum ersten Mal. Also, abgesehen davon, dass man sich als Koalitionspartner nicht auf die ÖVP verlassen kann, können sich auch die Menschen nicht auf die ÖVP verlassen, weil die ÖVP immer so lange wählen lässt, bis sie selbst das Wahlergebnis akzeptiert.

Dritter Punkt: Ehrlichkeit. – Das finde ich ja überhaupt zum Schreien. Klubobmann Schüssel hat noch am Sonntagabend im ORF behauptet, die ÖVP würde abwarten, wie das SPÖ-Präsidium ausgehen wird, und dann die weitere Vorgangsweise entschei­den. Und wie war es wirklich? – Vizekanzler Molterer hat parallel zum SPÖ-Präsidium bereits bekanntgegeben, dass er Neuwahlen haben will.

Noch ein Beispiel für die „Ehrlichkeit“ der ÖVP: Ich erinnere an ein Zitat des damali-
gen Vizekanzlers Schüssel vor der Wahl 1999, als er gesagt hat: Wenn wir Dritter werden, dann gehen wir in Opposition! – Und wie war es wirklich? Schüssel hat sich mit Hilfe der FPÖ zum Bundeskanzler machen lassen! So viel zum Thema Ehrlichkeit. (Abg. Rauch-Kallat: Das haben Sie bis heute nicht verwunden!)

Schließlich das vierte Thema: Handlungsfähigkeit. Sie von der ÖVP wollen künftige Änderungen im Pensionssystem von einem Computer errechnen lassen. – Das ist Handlungsfähigkeit? Damit beweisen Sie doch, dass Sie politisch unfähig sind, zu han­deln, und gleichzeitig schaffen Sie damit menschliche Politik ab.

Sehr geehrte Damen und Herren, die ÖVP steht für Unklarheit in ihren eigenen Reihen, für Unverlässlichkeit und Unehrlichkeit gegenüber den jeweiligen Regierungspartnern und vor allem den Menschen in diesem Land, und die ÖVP ist unfähig und unwillig, po­litisch zu handeln.

Die SPÖ hat in den letzten Jahren versucht – es ist zum Teil auch hervorragend gelun­gen –, dieses Land ein Stück sozial gerechter zu machen. Uns liegen die Menschen am Herzen. Alle sollen dieselben Chancen haben, und dieselben Chancen sollen keine Frage der finanziellen Leistbarkeit sein.

Und bei uns kommen die Frauen nicht zu kurz, ganz im Gegenteil (Abg. Rauch-Kallat: Darum haben Sie jetzt eine Frau durch einen Mann ersetzt bei der Regierungsumbil­dung!), wir haben für die Frauen in Österreich gearbeitet und wollen dies auch in Zu­kunft tun. Wir wollen ihre Chancen erweitern und es ihnen ermöglichen, ein unabhängi­ges Leben zu führen. (Zwischenruf des Abg. Grillitsch.)

Wir haben die berufstätigen Frauen gestärkt – 1 000 € Mindestlohn, Mehrarbeitszu­schläge. Wir haben den Kampf gegen Gewalt an Frauen weiter in Angriff genommen. Wir haben Schritte zur Einkommensgerechtigkeit gesetzt. Wir haben das Kindergeld flexibilisiert. Wir haben neue Kinderbetreuungseinrichtungen geschaffen und so weiter.

Und wir wollen noch viel mehr erreichen für die Frauen in diesem Land. Aber das kön­nen wir jetzt nicht mehr, weil die ÖVP mutwillig Neuwahlen vom Zaun gebrochen hat, dabei wäre noch so viel zu erledigen. Wir wollen ein zweites Gewaltschutzpaket, wir wollen eine Familienrechtsreform, wir wollen das Unterhaltssystem verbessern, wir wollen einen Papamonat und, und, und. (Ruf bei der ÖVP: Vorsicht, Versprechen!)

Die SPÖ ist die einzige Partei, die für die Frauen die Stimme erhebt und Verbesserun­gen umsetzen will und kann. (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 62

Weder die ÖVP, die in der Regierung so viel für Frauen verhindert hat, noch die ande­ren Parteien stellen die Frauen so in den Vordergrund, wie wir das machen. (Präsident Dr. Spindelegger gibt das Glockenzeichen.) – Schlusssatz? (Ruf bei der ÖVP: Es reicht!)

Sehr geehrte Damen und Herren, heute beschließen wir die vorzeitige Auflösung der XXIII. Gesetzgebungsperiode – eine große Herausforderung, aber auch eine große Chance für ein neues, sozial gerechtes Österreich. – Danke schön. (Anhaltender Bei­fall bei der SPÖ.)

11.42


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Neuge­bauer. Auch für ihn gilt eine maximale Redezeit von 5 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


11.43.04

Abgeordneter Fritz Neugebauer (ÖVP): Hohes Haus! – Mit diesen beiden Wörtern beginnen viele Kolleginnen und Kollegen hier am Rednerpult Ihre Ausführungen, und ich denke, dass das mehr als eine rhetorische Formel ist: Aus diesen beiden Wörtern spricht Respekt vor der Volksvertretung.

Der Herr Bundespräsident hat heute deutlich gemahnt, mit Würde und Stil die nächs­ten Wochen und Monate zu begehen. – Vom Stil war heute viel die Rede, ich darf zwei persönliche Erlebnisse dazu schildern.

Ich hatte das Privileg, an den Koalitionsverhandlungen teilnehmen zu dürfen. Nach einem Wahlkampf, der intensiv geführt wurde, sind wir in der ersten Runde hier im Haus aufeinandergetroffen, und der Herr Bundeskanzler hat gefragt: Womit fangen wir an? Da stand doch noch etwas Vertrauensbildendes im Raum, was notwendig gewe­sen wäre, und Frau Landeshauptfrau Burgstaller hat gesagt: Wahlkampf ist Wahl­kampf – und jetzt gehen wir zur Tagesordnung über!

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In einem Wahlkampf auf­einander loszudreschen bis hin zur persönlichen Diffamierung, das  ist nicht der politi­sche Stil, der den Respekt vor dieser Volksvertretung heben kann! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Öllinger: Das tut die ÖVP nie! Gerade die ÖVP!)

Zweiter Eindruck: Wir haben uns dann gefunden, ein gutes Programm entwickelt – und dann kam das Thema Studiengebühren. Beide Parteien haben ihre Standpunkte dar­gestellt, und irgendwann hat dann Michael Häupl gesagt: Liebe Freunde, jetzt tun wir nicht lange herum, die Studiengebühren sind Gesetz, wir haben die Abschaffung ver­langt, weil wir nicht gewusst haben, dass wir Erster werden! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wahlversprechen sind in die Nähe der Umsetzbarkeit zu halten, in die Rufweite der Umsetzbarkeit, möchte man sich nicht dem Vorwurf aussetzen, den Otto von Bismarck gebracht hat: Nie wird so viel gelogen wie nach einer Jagd und vor einer Wahl! – Wahr­heit, Ehrlichkeit sind angesagt! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Öllinger: Für wen gilt das jetzt? – Abg. Rudas: Hat er Ihnen das persönlich gesagt?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Bundesministerin Dr. Schmied, mit der die Zu­sammenarbeit in der letzten Zeit sehr gut funktioniert hat, hat auf die Erfolge etwa im Bildungsbereich hingewiesen. Ich konnte eine Aussage des Herrn Kollegen Hundstor­fer lesen, in der er darauf hinweist, man werde in Zukunft klarstellen müssen, was ein Wahlprogramm und was ein Koalitionsabkommen ist.

Gerade Sie, Frau Bundesminister, bieten dafür ein beredtes Beispiel: Dort, wo wir die Themen des Koalitionsprogramms abgearbeitet haben, hat es hervorragend funktio-


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niert – jedoch dort, wo Sie geglaubt haben, ein Wahlprogramm wie die Einheits-, Ge­samtschule umsetzen zu müssen, konnte es ganz einfach nicht funktionieren! (Abg. Rudas: Warum nicht? – Abg. Parnigoni: Weil Sie dagegen sind!) Es ist wichtig in einer Vereinbarungskultur, dann, wenn man etwas vereinbart, die Thementreue auch zu halten. (Beifall bei der ÖVP.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestern war in einer Schweizer Zeitung zu lesen – und ich hätte jede Wette verloren, dass die Sozialdemokratische Partei Österreichs einen Bundeskanzler mitten in der Legislaturperiode „absticht“, der für sie die Wahlen gewonnen hat; das ist keine Häme –:

„Zunächst wird sich vor allem die SPÖ um ihren miserablen Zustand kümmern müs­sen.“

Und dann heißt es weiter: „Aber wie soll man in Faymann den großen Neuerer er­blicken, wenn er sich durch den unglaublichen Fauxpas mit der ,Kronenzeitung‘ jeglicher Vertrauenswürdigkeit beraubt hat? Sein politisches Talent mag unbestritten sein. Seine Begabung zu trüben Tricks und windigen Winkelzügen aber genauso.“ – (Abg. Dr. Cap: Wahlkampf!)

Ich zitiere weiter: „Wie sich daraus eine Läuterung der in zahlreiche unappetitliche Ge­schichten verwickelten Partei erreichen lassen soll, ist ein ziemlich großes Rätsel.“ (Abg. Rudas: Sie trauen sich, nachdem Sie mit der FPÖ in der Koalition waren ...?!)

Ich empfinde keine Schadenfreude, denn das tut uns international nicht gut. Die Politik, die wir in der Diplomatie gepflogen haben, war immer noch eine konsensuale.

Kein Rätsel, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist die Position der Österreichischen Volkspartei. Ich zitiere einen ganz, ganz Großen. Drei Jahre vor seinem Tod hat Julius Raab formuliert:

In all den Jahren meiner Kanzlerschaft habe ich mich nicht gescheut, immer wieder als Mahner und Warner aufzutreten, wenn es die Entwicklung der Dinge notwendig ge­macht hat. Ich weiß, dass ich mich damals auch manchmal unpopulär gemacht habe, aber ich habe das allgemeine Interesse vor Popularität und Eintagserfolg gestellt. – Zi­tatende.

Die ÖVP wird auch in Zukunft das allgemeine Interesse über das Parteiinteresse stel­len. – Herzlichen Dank. (Lang anhaltender Beifall bei der ÖVP.)

11.48


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllin­ger. 5 Minuten maximale Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


11.48.32

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren hier im Haus! Auch die Zuschauer seien begrüßt! Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Ich frage mich: Auf welcher Veranstaltung bin ich da? (Ruf bei der ÖVP: Im Parlament!) Was er­lebe ich da?

Wir haben hier einen Neuwahlantrag zu diskutieren und zu beschließen. Ich höre von Seiten der Regierungsbank, von ÖVP-Seite und von SPÖ-Seite: Wir haben gut gear­beitet! Wir haben viel weitergebracht! Wir wollen weiterarbeiten! – Und? Diskutieren wir jetzt über Neuwahlen? Diskutieren wir nicht auch darüber und sollten wir nicht auch da­rüber diskutieren, dass diese Regierung zumindest in den letzten Monaten nichts, aber auch gar nichts weitergebracht hat?

Sollten wir nicht auch darüber reden, dass die Bevölkerung dieses Schauspiel, das sie sich gegenseitig geboten haben – und da steht es niemandem aus den beiden Partei­en zu, sich zu entschuldigen und zu sagen, dass es der andere war –, satt hat? Sollten wir nicht darüber diskutieren, dass die Bevölkerung es absolut satt hat, an diese Art


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von Politik auch nur anzustreifen, nämlich wenn sie sagen: Wir haben viel weiterge­bracht, wir haben etwas geleistet!, aber völlig an der Lebensrealität der Menschen vor­beigehen? Die Menschen haben im Moment andere Sorgen!

Natürlich ist es auf der einen Seite so, dass Neuwahlen eine Erlösung von dieser Plage sind. Aber wie lange? Neuwahlen sind auch, fürchte ich, eine Flucht in die Verantwor­tungslosigkeit von beiden Parteien.

Das alles geschieht angesichts des Umstandes, dass die Menschen derzeit unter einer enormen Teuerung zu leiden haben, nicht nur bei den Energiepreisen, bei allem. Bei den Mieten, bei den Betriebskosten beispielsweise stehen im Herbst Teuerungen an. (Abg. Parnigoni: Sie sind ja für höhere Benzinpreise, Herr Öllinger!) Wo ist denn eine funktionierende Regierung im Herbst? Wo ist ein funktionierendes Parlament, das Be­schlüsse fassen kann und fassen will? Sie haben sich selbst gelähmt, indem Sie ges­tern angekündigt haben, sich nicht überstimmen zu wollen. Sie hätten gestern die Chance gehabt, Studiengebühren ... (Abg. Parnigoni: Steht im Koalitionspakt, dass wir uns nicht überstimmen! Nicht erst seit gestern! Wir sind pakttreu!) – Ja, aber ich denke, die Koalition ist zu Ende. Kommen Sie mir nicht mit einem Koalitionspakt, an den sich von beiden Seiten niemand gehalten hat!

Sie hätten gestern die Möglichkeit gehabt, die Studiengebühren abzulehnen. Sie hätten gestern die Möglichkeit gehabt, der Krankenkassensanierung zuzustimmen. (Abg. Par­nigoni: Sie hätten damals einer Minderheitsregierung zustimmen können und haben es nicht gemacht!)

Wissen Sie, was im Oktober oder November in der Wiener Gebietskrankenkasse droht, Herr Kollege Parnigoni? Sie wissen es! – Entweder wird die Wiener Gebietskranken­kasse als Erste – dann kommt die Niederösterreichische, dann kommt die Steirische – Konkurs anmelden. Das wird man wahrscheinlich nicht tun. Oder es kommen Selbstbe­halte. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Parnigoni.) Selbstbehalte in der Höhe von 30 Prozent sind angesagt. Und die haben Sie zu verantworten. Sie haben das zu ver­antworten, auch Sie hier, die Regierungsparteien, indem Sie sagen, dass Sie jetzt nichts entscheiden wollen. (Abg. Parnigoni: Ausschließlich der Finanzminister!)

Dann, wenn eine neue Regierung handlungsfähig ist, ist es zu spät. dann zahlen die Leute die Selbstbehalte zusätzlich zu allen anderen Belastungen, die sie in den nächs­ten Wochen und Monaten ertragen müssen, wo ihnen weder eine Regierung hilft noch die Regierungsparteien ÖVP und SPÖ, die nichts anderes zu tun haben, als in den nächsten Monaten auf den jeweils anderen hinzuzeigen und zu sagen: Der ist schuld!

Das ist uninteressant! Lösungen sind gefragt, meine sehr geehrten Damen und Herren! Und die verweigern Sie – beide Parteien – konsequent seit Monaten! (Beifall bei den Grünen.)

Worum geht es bei den Neuwahlen? Wenn man Ihnen zuhört, gewinnt man den Ein­druck, es gehe eigentlich nur um einen „Boxenstopp“, bei dem entschieden wird, wer als Erster, als Sieger durch das Ziel fährt. Dieser „Boxenstopp“ – es ist dann klar, wenn man Ihnen zuhört, Sie wollen im Prinzip so wie bisher weitermachen – ist eine teure Angelegenheit. 100 Millionen € werden vermutlich insgesamt ausgegeben dafür, dass entschieden wird, wer als Erster durchs Ziel geht! Entweder wird dann nach den Wah­len die große Koalition weitergeführt oder Rot-Blau, Schwarz-Blau sind die Alternative. Ist das eine Alternative, meine sehr geehrten Damen und Herren? (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Wir haben jetzt gerade von der FPÖ gehört, dass sie zwei Sozialversicherungssysteme haben möchte: eines, für das die deutsche Ahnentafel und der Stammbaum gelten,


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und eines für alle anderen, die Kolaric, Vastic oder sonst irgendwie heißen und auch österreichische Staatsbürger sind oder hier in diesem Land Steuern und Sozialversi­cherungsbeiträge zahlen wie wir. Das ist nicht die Alternative! (Beifall bei den Grü­nen. – Präsident Dr. Spindelegger gibt das Glockenzeichen.)

Daher werden wir alles daran legen, dass die Grünen die nächsten Jahre politisch ge­stalten können und nicht Sie von der FPÖ. (Beifall bei den Grünen.)

11.54


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Vilims­ky. Für ihn gilt eine maximale Redezeit von 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


11.54.12

Abgeordneter Harald Vilimsky (FPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Sie hinter mir aufgefädelt auf der Regierungsbank sitzen! Meine wer­ten Kolleginnen und Kollegen! Ein Wort zu meinem Vorredner: Sie brauchen keine Angst zu haben, dass wir irgendwo durch die Hintertür irgendwelche Pakte schließen – das ist vielleicht für Sie ungewöhnlich, für uns nicht –, denn für uns zählt nach der Wahl das, was wir vor der Wahl gesagt haben, und wir sind sicher nicht bereit, hier oder dort irgendwelche Pakte einzugehen gegen die dezidierte Aussage gegenüber der Bevölke­rung, dass nämlich sowohl ÖVP als auch SPÖ ausschließen, mit uns in eine Regierung zu gehen. Bei einem solch faulen Trick machen wir mit Sicherheit nicht mit. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Mag. Gaßner: 2000 war das anders!)

Meine Damen und Herren, der Nationalrat löst sich heute auf. Nicht einmal zwei Jahre hat diese Pleiten-, Pech- und Pannenregierung gedauert. Das, was bleibt, sind die größte Teuerungswelle der Zweiten Republik, ein noch nie da gewesener sozialer Kahlschlag und der Ausverkauf der rot-weiß-roten Interessen durch die Ratifikation des Lissabon-Vertrages.

Dass wir heute den Nationalrat auflösen, hat auch einen Grund, und der Grund hat einen Namen, dieser Name ist ÖVP, und im Konkreten betrachtet ist es Wolfgang Schüssel. Zum dritten Mal schon hat Schüssel den Knopf gedrückt und eine Regie­rung in die Luft gesprengt. Wenn heute ein Biograph über Wolfgang Schüssel ein Buch schreiben würde, würde er wahrscheinlich den Titel „Vom Mascherlträger zum Spreng­meister“ wählen. Genau das ist die Politik der ÖVP, aus Egomanie, aus Machtkalkül diese Republik in den Würgegriff zu nehmen. (Beifall bei der FPÖ.)

Das Beste ist überhaupt, dass wir uns von dieser Fraktion den Vorwurf gefallen lassen müssen, wir säßen im Hooligansektor. Das Gegenteil ist der Fall. Sie (in Richtung ÖVP) sitzen heute im Hooligan-Sektor der Politik, und um Sie herum ist eine Firewall zu ziehen! Das muss Ihnen einmal in aller Deutlichkeit gesagt werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Man sieht ja Ihr Verhalten ganz deutlich: Noch am Vorabend des vergangenen Mon­tags, an dem die Regierung gesprengt wurde, hat Ihr Klubobmann Schüssel gegen­über den Fernsehzusehern angekündigt, dass man zumindest das SPÖ-Präsidium ab­warten möchte und dann die Entscheidungen trifft. Und dann ist am Montag von Herrn Vizekanzler Molterer zeitgleich verlautbart worden: Es reicht!

Ich kann Ihnen nur sagen: Es reicht nicht nur uns, es reicht auch der österreichischen Bevölkerung, mit solch einer Regierung konfrontiert zu sein. Das, was Sie der Bevölke­rung zumuten, ist eine Ungeheuerlichkeit!

Aber die SPÖ hat schon recht, das ist wirklich das Übel, dass die ÖVP ab dem ersten Tag der Bildung dieser Regierung dagegen gearbeitet (Abg. Rädler: Ihr Arbeitsverwei­gerer! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) und versucht hat, diese Regierung zu


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sprengen. (Abg. Rädler: Ihr wart Arbeitsverweigerer!) – Kommen Sie dann heraus und erregen Sie sich nicht so in der hinteren Reihe.

Man muss aber auch zur SPÖ etwas sagen: Ich habe den Eindruck, nachdem bei Ih­nen gerade ein Massenexodus der Fall ist, Sie sind wie ein Stück roter Würfelzucker (Abg. Mag. Gaßner: Es gibt genug gute Leute bei uns!), der gerade im schwarzen Kaf­fee gelandet ist, und Herr Klubobmann Schüssel rührt gemütlich diesen Kaffee um. Sie sind in Auflösung begriffen. Sie haben alles versprochen, Sie haben nichts gehalten. Ihren eigenen Kanzler und Vorsitzenden haben Sie abmontiert in einer grausamen Ma­nier, haben ihn geopfert auf einer roten Guillotine und haben ihn durch den Neolibera­listen schlechthin ersetzt, Herrn Faymann, von dem Ihre Kollegen sagen, dass er noch glatter sein soll als ein Aal und eine Teflonpolitik betreibt. (Abg. Mag. Gaßner: Da könnt ihr euch auf etwas gefasst machen! – Abg. Dr. Cap betritt soeben den Sitzungs­saal.) – Ich begrüße Klubobmann Cap herzlich in unseren Reihen!

Genau dieser Herr Faymann war es, der, als es um einen Teuerungsausgleich ging, nicht einmal mit der Wimper gezuckt hat, als es aber darum ging, zwei neue Positionen im ÖBB-Holding-Vorstand zu schaffen, mit einer halben Millionen Jahresgage, war er der Erste, der das durchgedrückt hat. Genauso war es im Bereich der Asfinag, wo er mit einem Millionenaufwand alle wegrasiert hat, nur um dort einen roten Parteigänger zu installieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der heutige Tag darf nicht ohne Folge blei­ben. Es kann nicht sein, dass durch Ihre Mutwilligkeit, durch die Tätigkeiten des Herrn Sprengmeisters Wolfgang Schüssel der Steuerzahler erneut zur Kassa gebeten wer­den soll. Daher bringen wir einen Entschließungsantrag ein, der darauf abzielt, dass die durch Sie von der ÖVP und auch durch Sie von der SPÖ verursachten Kosten ge­gengerechnet werden sollen mit den Millionen, die Sie an Wahlkampfkosten-Rücker­stattung zu erwarten haben.

Ich darf daher folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Vilimsky und weiterer Abgeordneter betreffend in Rechnung stellen der Kosten bei vorgezogenen Neuwahlen

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, zu prüfen, inwieweit die Möglichkeit besteht, die durch die vorzeitigen Neuwahlen verursachten, der Republik entstehenden Kosten jener Regierungspartei, die diese vorzeitigen Neuwahlen durch ihre Regierungsunwil­ligkeit verursacht hat, in Rechnung zu stellen und diese mit ihrem Anspruch auf Wahl­kampfrückerstattung gegenzuverrechnen.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

Ich weiß, dass die rot-schwarze Suppe von Ihnen bestellt wurde (Präsident Dr. Spindelegger gibt das Glockenzeichen), aber ich garantiere Ihnen: Am Wahltag wird ein riesiges blaues Überraschungsei drinliegen! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

11.59


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Der von Herrn Abgeordnetem Vilimsky einge­brachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Ver­handlung.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 67

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Vilimsky und weiterer Abgeordneter betreffend in Rechnung stellen der Kosten bei vorgezogenen Neuwahlen; eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 841/A betreffend eine Bundes­gesetz, mit dem die XXIII. GP des Nationalrates vorzeitig beendet wird.

Die politische Hauptverantwortung für die Auflösung der Bundesregierung trägt die ÖVP und dort insbesondere der Bundesparteiobmann der ÖVP Vizekanzler Bundesmi­nister für Finanzen Mag. Molterer.

Die ÖVP hat aus parteitaktischen Gründen schon 2-mal (1995 und 2002) in der Ver­gangenheit vorzeitige Nationalratswahlen vom Zaun gebrochen.

Solche mutwillig verursachten vorzeitigen Neuwahlen kosten der Republik und ihren Bürgern mehrere Millionen Euro an Steuergeldern.

Es ist nicht einzusehen, dass die Bürger Österreichs für die Regierungsunwilligkeit zu­mindest einer Partei zu zahlen haben.

Vor diesem Hintergrund stellen die unterfertigten Abgeordneten den nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert zu prüfen, in wie weit die Möglichkeit besteht die, durch die vorzeitigen Neuwahlen verursachten, der Republik entstehenden Kosten, jener Regierungspartei, die diese vorzeitigen Neuwahlen durch ihre Regierungsunwil­ligkeit verursacht hat, in Rechnung zu stellen und diese mit ihrem Anspruch auf Wahl­kampfrückerstattung gegen zu verrechnen.“

*****

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haub­ner. 5 Minuten maximale Redezeit. – Bitte.

 


12.00.01

Abgeordnete Ursula Haubner (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Re­gierungsmitglieder! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Wenn man jetzt die Debattenbeiträge verfolgt hat, dann konnte man merken, dass der Rosenkrieg zwi­schen ÖVP und SPÖ voll entbrannt ist. Ich wundere mich nur ein bisschen, warum man so streitet, denn normalerweise streitet man, wenn man sich scheiden lässt, um ein Vermögen, aber da gibt es ja kein Vermögen, sondern da ist bestenfalls eine Kon­kursmasse vorhanden. Daher bräuchte man da eigentlich nicht so heftig aufeinander loszugehen. – Aber sei’s so. (Beifall beim BZÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Neuwahlen während einer Legislaturperiode sind immer ein Armutszeugnis! Sie sind ein Armutszeugnis für diejenigen, die Verant­wortung übernommen haben. Dass die Bevölkerung das so sieht und dass die Stim­mung auch so ist, zeigen ja zahlreiche Leserbriefe aus den verschiedensten Medien, wie zum Beispiel – ich darf nur kurz zitieren – ein Leserbrief aus den „Oberösterreichi­schen Nachrichten“:


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 68

Ich finde es mehr als ungerecht, dass eine Regierung, die eigentlich nichts arbeitet, das volle Gehalt bezieht. – (Abg. Dr. Bösch: Nicht schon wieder Leserbriefe!) –Hof­fentlich zahlt die ÖVP die Neuwahlen, nicht das Volk. Für solche Scherze hat der Fi­nanzminister Geld, nicht aber für die Armen und für die Pensionisten. – Zitatende. Das sind nur zwei Beispiele aus einer Zahl von Leserbriefen.

Ich sage noch einmal: Gewählt werden politische Parteien und ihre Vertreter, um für das Land und für die Menschen zu arbeiten. Sie werden nicht dafür bezahlt, dass sie ihre parteipolitischen Machtspiele oder vor allem auch ihre eigenen Befindlichkeiten pflegen. Gewählt wird man dafür, dass man das, was man versprochen hat, auch ein­hält. Gerade diese Regierung ist ein wahrer Meister, was das Umfallen anbelangt. Ich sage jetzt ... (Abg. Prinz: Ein Teil dieser Regierung!)

Nein, nein, ganz verabschieden können Sie sich nicht, denn es ist nicht nur der „Gusi-Hunderter“, der versprochen worden ist, sondern auch das Vorziehen der Steuerre­form. Man braucht gar nicht so weit zurückzuschauen. (Zwischenruf des Abg. Rädler.)

In der APA habe ich Folgendes gefunden: Im März 2008 hat Gusenbauer gesagt: 2008 wird ein Jahr der Arbeit und nicht ein Jahr der Wahlen sein. – Molterer hat darauf ge­antwortet: Das ist eine Sache, die uns eint bis 2010. – So viel zur Glaubwürdigkeit und zu den Versprechungen.

Aber die Pflanzerei der Bürgerinnen und Bürger geht weiter! Wenn ich mir heute, Herr Vizekanzler, dieses Inserat anschaue: „Neustart für Österreich“ (die Rednerin hält eine Zeitungsseite in die Höhe), wonach Sie die Teuerung und steigende Energiepreise wir­kungsvoll bekämpfen wollen, dann kann ich sagen: Da bin ich bei Ihnen! Wenn es um rasche Hilfe für die Betroffenen geht, dann bin ich auch bei Ihnen. Ich frage mich nur: Warum haben Sie nicht als Finanzminister jetzt, mit 1. Juli, die eingetretene Erhöhung der Mineralölsteuer für Heizöl abgeschafft? – Das hätten Sie machen können! Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Regierungspartner oder das ganze Haus hier nicht mitge­gangen wäre. Daher ist die Glaubwürdigkeit mit einem großen Fragezeichen zu verse­hen, auch wenn Sie das jetzt dementsprechend plakatieren.

Meine Damen und Herren! Für mich ist es sehr bedrückend, dass Sie es nach 543 Ta­gen der SPÖ- und ÖVP-Katastrophenregierung geschafft haben, dass sich immer mehr Menschen wirklich von der Politik abwenden und sich weigern, in Zukunft von ih­rem Wahlrecht Gebrauch zu machen. (Beifall beim BZÖ.)

Das Bedrückende ist auch, dass so viele junge Menschen dabei sind, junge Menschen, junge Familien, junge Leute, die arbeiten, die sich etwas geschaffen haben, die auch zu den so genannten Leistungsträgern dieser Gesellschaft gehören und die sagen: Mit dieser Politik will ich überhaupt nichts mehr zu tun haben!

Das ist das Erschreckende: 543 Tage des Stillstands und der gegenseitigen Blockade. Ich bin daher froh, dass endlich auch wieder eine Chance für Österreich besteht, dass nach dem 28. September neue Kräfte, neue Politiker auch mit Gespür für die Men­schen und mit Herz für die Sorgen und Anliegen der Menschen arbeiten können. Sie werden auch den notwendigen Mut für die Gestaltung der Zukunft haben müssen.

Wir brauchen eine Politik, die dort handelt, wo es dringend notwendig ist. Das ist für uns vom BZÖ bei der steuerlichen Entlastung der Bürger und der kleineren und mittle­ren Unternehmen, damit sich Leistung wieder lohnt.

Das ist für uns vom BZÖ die offensive Stärkung der Familien, damit auch die Wahlfrei­heit des persönlichen Lebenskonzepts der einzelnen Familien gewährleistet ist.

Das ist für uns vom BZÖ die Sicherheit für die älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger, dass Pflege leistbar ist und dass Alter nicht arm macht, aber auch der Weg und neue Überlegungen, wie wir die Pensionen für die Jungen später sichern können.


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Für uns ein ganz wichtiger Punkt ist eine echte Reform des Gesundheitssystems (Prä­sident Dr. Spindelegger gibt das Glockenzeichen), damit der Patient nicht im Regen stehen gelassen wird.

Meine Damen und Herren, zum Abschluss sage ich: Wir vom BZÖ stehen für diese In­halte! Wir werden alles tun, damit es eine solche große Koalition nicht mehr gibt und damit die gefährliche Drohung, die heute der rote Haider in Oberösterreich ausgespro­chen hat (Präsident Dr. Spindelegger gibt erneut das Glockenzeichen), nämlich, es soll nach der Wahl wieder eine große Koalition ohne Wenn und Aber geben, nicht wahr wird! (Abg. Parnigoni: Ihre Redezeit, Ihre Zeit ist abgelaufen, Frau Kollegin!) Dafür werden wir uns einsetzen: dass das den Österreicherinnen und Österreichern nicht mehr zugemutet wird! (Beifall beim BZÖ.)

12.05


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nach Rücksprache mit den Fraktionen lege ich die Redezeiten der Abgeordneten für die nächste Runde mit 5 Minuten und für die letz­te Runde mit ebenfalls 5 Minuten fest.

Als Nächste ist Frau Abgeordnete Rudas zu Wort gemeldet. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


12.05.43

Abgeordnete Laura Rudas (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Mitglieder auf der Regierungsbank! Sehr geehrtes Hohes Haus! ZuschauerInnen auf der Zuschauer­tribüne! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Apropos moderne Politik: Kollege Neugebauer, Sie stellen sich hier heraus und reden im Zusammenhang mit unserem Spitzenkandidaten Werner Faymann über Anstand und Moral. Sie stellen sich hier heraus und reden darüber, was appetitlich oder unappetitlich ist! (Zwischenruf des
Abg. Morak.)

Wer hat Hetze, Ausgrenzung und Menschenhass hier auf die Regierungsbank ver­pflanzt? – Sie waren es damals, die keine Moral hatten, als es darum ging, dass ganz Europa gesagt hat: Mit dieser FPÖ ist keine Regierung zusammenzustellen! Sie waren das, Herr Neugebauer! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich sage es Ihnen ganz ehrlich, und ich merke das gerade im Kontakt mit Gleichaltri­gen: Die kommenden Wochen werden nicht leicht. Ich hoffe, es ist unser aller Bestre­ben – und dies wird auch unser aller Aufgabe sein –, in den kommenden Wochen die Wahlbeteiligung zu steigern. (Abg. Morak: Sie sind der Koalitionspartner!)

Wir sind die Repräsentantinnen und Repräsentanten, wir vertreten die Wählerinnen und Wähler. Um das tun zu können, brauchen wir ihr Vertrauen (Ruf bei der ÖVP: Ihr braucht die „Kronen Zeitung“!) – aber das ist kontinuierlich zurückgegangen! (Abg. Rädler: Ihr braucht den Boulevard!) Deshalb ist mein Zugang heute nicht der, hier zu sagen, wer wofür steht und warum dies oder jenes schlecht ist. (Abg. Dr. Haimbuch­ner: Das ist auch die Basis der SPÖ ...!) Jede politische Partei, jede Bewegung hat ih­re Standpunkte und ihre Programme, und das ist auch okay, gerade in einer demokrati­schen Auseinandersetzung. (Abg. Rädler: ... redet im Fernsehen!)

Mein Politikverständnis lässt ja Konflikte zu, weil sich sonst nie etwas verändern würde. Aber „Konflikte“ heißt nicht: Politik-Hickhack zum Selbstzweck. In den letzten zwölf Jahren – das heißt, seit ich fünfzehn war – hat die Molterer-ÖVP drei Mal die Regie­rung gesprengt, drei Mal frühzeitig Neuwahlen ausgerufen (Ruf bei der ÖVP: Es war notwendig!), ohne Argumentation, einfach so. (Abg. Rädler: Wer hat Ihnen das er­zählt?) Da sage ich Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Österreich hat sich da mehr verdient! (Beifall bei der SPÖ.)


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Wir sind gewählt worden – und manchmal, ich bin noch nicht lange hier im Haus, habe ich den Eindruck, das wird vergessen –, wir sind gewählt worden, um die Welt zu ver­bessern! Politik kann etwas verändern. Politik kann für soziale Gerechtigkeit sorgen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Gerade als große Koalition hätten wir auch viele Möglichkeiten gehabt. Ich sage gar nicht, dass wir nicht auch etwas weitergebracht haben. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Aber die großen Herausforderungen stehen doch noch vor der Tür! Warum konzentrie­ren wir uns nicht aufs Weltverbessern statt aufs Streiten, aufs Hickhack, aufs Ausrufen von Neuwahlen, auf Nostalgie der vergangenen Tage? (Zwischenruf des Abg. Wögin­ger.)

Ziehen wir Bilanz! Ich bin voller Elan hier in das Parlament gekommen, um eben die Welt zu verbessern. Wir sagen: Erhöhung des Pflegegelds! Sie, Herr Molterer, sagen hingegen: Nein! (Abg. Dr. Brinek: Er gibt die richtige Antwort!)

Wir sagen: Gesundheitsreform, damit auch meine Generation im Sozialstaat gesund leben kann! (Abg. Rädler: Warum machen Sie es nicht?) Herr Neugebauer, was war die Antwort Ihrer Partei? – Nein! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wir kommen und sagen: Abschaffung der Studiengebühren! Das wollen die jungen Leute, und es hat jede und jeder in diesem Land das Recht, die Bildung zu absolvie­ren, die sie oder ihn interessiert und für die sie oder er sich entschieden hat. Was ist Ih­re Antwort? (Abg. Sburny: Was ist Ihre Ansage?) – Kollege Schüssel ist nicht hier. – Nein! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wofür stehen Sie? – Nein sagen, Blockade, Parteien-Hickhack und dann Neuwahlen! Das ist Politik von vorgestern. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich sage es noch einmal, und das muss man unterstreichen: Politik ist etwas Tolles, Politik ist etwas Wichtiges, und Politik ist dazu da, Lösungen zu finden! (Abg. Strache: Für die Menschen da zu sein!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP, da Sie vorhin erzählt haben, was Sie am Gang von meinen Kolleginnen und Kollegen hören, erzähle ich Ihnen, was ich von Ih­ren Kolleginnen und Kollegen am Gang höre: 1 Prozent weniger für die ÖVP – und die alte Riege ist weg! (Abg. Rädler: 10 Prozent mehr für die FPÖ!) Ich sage es Ihnen ganz ehrlich – und ich zeige jetzt extra ein bisschen nach hinten –: Dann können wir, vielleicht auch wir, konstruktive Politik für Österreich machen, dann können wir tatsäch­lich einen Neustart wagen!

Ich sage ganz deutlich: Wenn wir jetzt Neuwahlen machen, damit Sie Schwarz-Blau wiederbeleben können, dann ersparen Sie das bitte den SteuerzahlerInnen! (Abg. Rädler: Es geht ja nicht um Ihre ...!) Wenn wir Neuwahlen machen, hat das nur dann einen Sinn, wenn sie in einer neuen, optimistischen, weltoffenen und lösungsorientier­ten Politik münden. Ich hoffe, das ist auch denjenigen bewusst, die diese Neuwahlen (Präsident Dr. Spindelegger gibt das Glockenzeichen) unbedingt herbeiführen wollen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.10


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Auer. 5 Minuten maximale Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ. – Unter anderem Ruf bei der FPÖ: ... Mandate gehören!)

 


12.11.06

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ge­schätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank! (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und FPÖ. – Präsident Dr. Spindelegger gibt das Glockenzei­chen. – Ruf bei der SPÖ: Frau Abgeordnete Rudas ist keine Göre!)

 



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Präsident Dr. Michael Spindelegger: Meine Damen und Herren, am Wort ist Herr Ab­geordneter Auer. Ich bitte, ihm die nötige Aufmerksamkeit zuzuwenden! (Heftige Zwi­schenrufe bei der SPÖ.)

Herr Abgeordneter! Ich bitte Sie, in der Rede fortzufahren.

 


Abgeordneter Jakob Auer (fortsetzend): Danke, Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren hier im Hohen Haus und auf der Regierungsbank! Frau Kollegin Rudas, Sie sind offensichtlich noch zu jung, um alles zu wissen; das soll kein Vorwurf sein, aber nur zur Erinnerung (Abg. Rudas: Ich bin ein bisschen jünger als Herr Neu­gebauer!): Wer hat denn seit Wochen geschrieben, dass es Zeit für ein Ende ist? – Darf ich Ihnen den Namen in Erinnerung rufen: Helmut Zilk! Wer hat denn gesagt: „Ich schäme mich für meine Partei!“? – Heinz Schaden! Was hat Ihnen denn Androsch aus­gerichtet, ein ehemals großer Politiker der SPÖ, meine Damen und Herren? (Abg. Par­nigoni: Wer hat denn gesagt ...? Pröll!)

Herr Kollege Kickl, Sie haben sich dazu verstiegen, Herrn Vizekanzler Molterer vorzu­werfen, dass er sein Ohr nicht am Volk hätte. – Wissen Sie, Herr Kollege Kickl, da hat der Wähler ein ganz feines Gespür! (Abg. Strache: Herr Pröll hat ihn kritisiert!) Schau­en Sie sich Ihre Vorzugsstimmen an, und schauen Sie sich seine Vorzugsstimmen an: Mag. Molterer hatte über 5 000, aber Sie keine einzige! (Beifall bei der ÖVP. – Zwi­schenrufe bei der FPÖ.) Waren Sie offensichtlich zu feig, in einem Wahlkreis zu kandi­dieren, Herr Kollege Kickl, weil Sie Angst vor dem Urteil der Wähler hatten? – Daher: Mäßigen Sie sich ein bisschen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Ironi­sche Heiterkeit bei der FPÖ.) Mäßigen Sie sich ein bisschen!

Meine Damen und Herren, wenn man heute gemeint hat, dass durch diesen Neuwahl­antrag die Zukunft der Krankenkassen gefährdet wäre – ja, das ist ein Problem. Aber welche Krankenkasse ist denn wirklich krank, meine Damen und Herren? – Es ist dies die Wiener, und diese ist unter der Führung einer ganz bestimmten Partei abzuhaken, geschätzte Damen und Herren! Darüber sollte man einmal nachdenken. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Morak: Welche Partei ist das?)

Interessant: Ich gehöre ja zu jenen, die schon einige Regierungsformen hier in diesem Haus erlebt haben. Sinowatz/Steger, dann viele andere. (Abg. Strache: Aber das war eindeutig die schlimmste!)

Herr Kollege Strache, Sie waren durchaus ein wirklich guter Erfüllungsgehilfe Ihres ehemaligen Bundesparteiobmannes Haider. (Abg. Strache: Ich war in keiner Regie­rung!) Da haben Sie noch gejubelt, da haben Sie noch geschrien, da haben Sie noch mitgeholfen, ihn auf den Schultern zu tragen. (Abg. Strache: Ich bin mit Herrn Haider abgefahren!) Heute wollen Sie ja davon nichts mehr wissen. (Abg. Strache: Ich bin mit Herrn Haider abgefahren!) Sie wollen nichts mehr wissen – ja, Sie haben sich abge­wandt, das sagt man dann ganz einfach. (Abg. Strache: Ich bin mit Herrn Haider abge­fahren!) „Abgefahren“ ist etwas anderes. Das sagt auch sehr viel über die Zustände der Partei, meine Damen und Herren! (Abg. Strache: Er hat unsere Grundsätze verlassen, unsere Wähler verlassen!)

Meine Damen und Herren, die Frage an diesem 28. September wird ganz einfach sein: Welcher Partei, welchen Personen und welchen Programmen traut man zu, die Zukunft zu lösen?

Vielleicht aber zuerst doch ein Blick zurück: Ich möchte es nicht verabsäumen, gerade auch den Kollegen im Budgetausschuss – ob das Kollege Gartlehner, ob das Kollege Weinzinger, ob das Kollege Sonnberger ist – ein herzliches Dankeschön für die faire Partnerschaft zu sagen. Da gab es über Parteigrenzen hinweg kein Problem. Das gilt


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auch dem Kollegen Rossmann, durchaus in kritischen Situationen unterwegs, aber im­mer auf sehr fairer und konstruktiver Basis. – Das sei einmal vorweg festgestellt.

Meine Damen und Herren, es gab einen durchaus passablen Start: Ein Doppelbudget wurde in kürzester Zeit abgehakt, und es gab eine hervorragende Finanzausgleichs­verhandlung. Auch hier sei gedankt: dem Kollegen Gaßner, dem Kollegen Steier, auch aus meiner Fraktion dem Kollegen Prinz, dem Kollegen Hornek und vielen anderen. Meine Damen und Herren, vor allem auch deshalb, weil der Herr Bundesminister für Fi­nanzen und Vizekanzler Molterer ein Gefühl und ein Gespür dafür hatte, dass auch der ländliche Raum und die kleineren Gemeinden eine Stärkung der Finanzkraft brauchen, wurde das umgesetzt. (Abg. Dr. Graf: Das klingt wie eine Abschiedsrede!)

Sehen wir uns an, wie Österreich heute dasteht! Da gibt es einen interessanten Ver­gleich: Oberösterreich ist besser als Österreich, und Österreich ist bereits besser als die Schweiz – beim Wirtschaftswachstum eindeutig besser, beim Exportwachstum ein­deutig besser, bei der Zunahme der Arbeitsproduktivität eindeutig besser, bei der Zu­nahme der Beschäftigten eindeutig besser.

Ja, wir wissen, dass das in erster Linie ein Verdienst der Wirtschaft ist, dass den her­vorragenden Führungskräften, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der Applaus dafür gebührt. Aber auch die politischen Rahmenbedingungen wurden von dieser Re­gierung und vor allem auch von der Vorgänger-Regierung – das sei lobend erwähnt – auf Schiene gebracht. Das sollte man nicht vergessen, meine Damen und Herren! (Bei­fall bei der ÖVP. – Abg. Strache: Deshalb ist ja diese Regierung entgleist, weil alles auf Schiene gebracht wurde! Dann ist diese Regierung entgleist!)

Wenn etwas stimmt, dann hat Herr Bundesminister Faymann einen richtigen Satz ge­sagt, als er meinte: Die SPÖ hat den Umstieg von der Opposition in die Regierung nicht verkraftet. (Präsident Dr. Spindelegger gibt das Glockenzeichen.) Das stimmt – nicht auf der Regierungsbank, sondern seine eigene Fraktion, sein eigener Klub hat es nicht verkraftet und hat den eigenen Bundeskanzler Gusenbauer abmontiert, wie es das auf diese Weise in Österreich noch nie gegeben hat! (Beifall bei der ÖVP.)

12.16


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Sbur­ny. 5 Minuten maximale Redezeit. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


12.16.41

Abgeordnete Michaela Sburny (Grüne): Herr Präsident! Werte Regierungsmitglieder! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn sich die Leute derzeit in einer Sache einig sind, dann ist es wohl die, dass die rot-schwarze Regierung die aktuellen Probleme nicht gelöst hat. Sie haben auch in den letzten Tagen, also gestern und heute, die Chance versäumt, gewisse Probleme noch kurzfristig zu lösen.

Wenn Kollegin Rudas sagt, sie möchte die Welt verbessern, und der ÖVP vorwirft, dass sie gegen die Abschaffung der Studiengebühren war und ist, dann muss ich ihr recht geben. Meine Frage ist aber: Warum haben Sie die Chance nicht wahrgenom­men, die Studiengebühren heute oder morgen abzuschaffen? (Abg. Strache: Weil der eigene Klub ...!) – Da haben Sie gekniffen, da sind Sie zu feig geworden! (Beifall bei den Grünen.) Sie verraten Ihre eigenen Leute, obwohl Sie hier sagen, Sie wollen die Welt verbessern. (Abg. Rädler: Die falsche Partei!)

Das ist einfach die Politik der SPÖ: Sie machen große Ankündigungen (Abg. Rädler: Der KPÖ!), und wenn die Chance besteht, dann machen Sie es nicht! Sie haben die aktuellen Probleme nicht gelöst, und Sie lassen überhaupt keinen Zweifel daran, dass


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Sie an die Zukunftsprobleme nicht einmal im Traum denken. Eines dieser Probleme ist die Frage der Universitäten, wo Sie so agieren, wie Sie agieren.

Eine andere Frage ist die Frage der Frauengleichstellung am Arbeitsmarkt. Ich finde, es gibt da überhaupt keinen Anlass, zu jubeln und Loblieder auf die SP-Frauenministe­rinnen zu singen, wenn man sich die aktuelle Studie anschaut und sieht, dass die Schere zwischen den Einkommen von Frauen und Männern nicht nur vorhanden ist – wie wir es ohnehin schon seit Jahren und Jahrzehnten kennen –, sondern gerade in einem Bereich aufgeht, von dem die ÖVP immer sagt: Leistung, Anstrengung!, und die SPÖ sagt, es sollen Karriere und Familie vereinbar sein, nämlich in dem Bereich, wo gut qualifizierte Frauen – die wenigen, die in höhere Positionen kommen – dann we­sentlich weniger als die Männer verdienen.

Das heißt: Je besser qualifiziert, je größer die Anstrengung, desto weniger verdienen die Frauen! Das ist Ihre Frauenpolitik, und da gibt es in Zukunft sicher einiges zu tun. (Beifall bei den Grünen.)

Von den Freiheitlichen rede ich da gar nicht, sie haben ja in den Frauen ein neues Angstthema entdeckt. Denn sie machen nicht nur Angst vor der EU und Angst vor den Ausländern, sondern das neueste Angstthema ist die Angst vor den Frauen, sodass sie sagen: Wenn es um die Gleichstellung der Frauen auf dem Arbeitsmarkt geht, ist das Gehirnwäsche!, und ähnliche Vokabeln. Mit ihnen kann man in dieser Sache also nicht rechnen, das ist mir klar. Aber von ÖVP und SPÖ, die da den Mund immer sehr voll nehmen, könnte man vielleicht doch ein bisschen etwas anderes erwarten. (Beifall bei den Grünen.)

Nun zu einem völlig anderen Punkt, der mir aktuell wichtig ist, weil es um Neuwahlen geht: Wir haben bereits bei der letzten Wahl darüber diskutiert, dass es eine Begren­zung der Wahlkampfkosten geben soll und dass die Wahlkampfkosten transparent ge­macht werden sollen. Wir haben nach der letzten Wahl sofort einen diesbezüglichen Antrag zur Begrenzung und Transparenz der Wahlkampfkosten eingebracht. Kollege Cap hat damals, kurz vor der Wahl, noch gesagt, er ist nicht der Wahlkampfleiter und ist froh, dass er sich darüber keine Gedanken machen muss, aber im Prinzip hätte er nichts gegen eine Wahlkampfkostenbegrenzung.

Der Europarat hat bereits 2003 beschlossen, dass es eine Transparenz der Wahl­kampfkosten geben soll. Österreich hat das nie ratifiziert. Nach der letzten Wahl schreibt die APA: Die ÖVP und die SPÖ haben angegeben, dass sie mit 7 Millionen € das Auslangen finden. – Geschätzt wird – nach der Wahl –, dass sie 32 Millionen € ge­braucht haben.

Im Sinne eines kurzen Wahlkampfes, im Sinne der Schonung der Steuergelder und im Sinne der Transparenz bringe ich daher einen Entschließungsantrag ein, der dem An­trag entspricht, der seit zwei Jahren im Ausschuss liegt, wo Sie, ÖVP und SPÖ, ihn nämlich nicht behandeln wollen, und dieser bezieht sich auf die Wahlkampfkostenbe­grenzung durch Transparenz.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Sburny, Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wahlkampfkostenbegrenzung durch Transparenz

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Novelle des Parteiengesetzes vorzulegen, die bei den kommenden Wahlen hinsichtlich der Wahl­kampfausgaben vollkommene Transparenz nach folgenden Eckpunkten gewährleistet:


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Verpflichtung der Parteien, gegenüber dem Rechnungshof vor der Wahl die gesamten geplanten Wahlkampfausgaben bekannt zu geben.

Nach der Wahl Überprüfung der tatsächlichen Wahlkampfausgaben der einzelnen Par­teien durch den Rechnungshof.

Veröffentlichung der geplanten und tatsächlichen Kosten durch den Rechnungshof.

Bei Überschreitung der bekannt gegeben Wahlkampfausgaben soll der betroffenen Partei 50 Prozent dieses Überschreitungsbetrages von der ihr zustehenden Parteienfi­nanzierung einbehalten werden.

*****

Ich gehe davon aus, dass SPÖ und ÖVP größtes Interesse an Transparenz und an geringen Kosten für den Wahlkampf haben und diesem Antrag zustimmen. (Präsi-
dent Dr. Spindelegger gibt das Glockenzeichen.) – Vielen Dank. (Beifall bei den Grü­nen.)

12.21


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Der von Frau Abgeordneter Sburny eingebrach­te Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhand­lung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Sburny, Glawischnig-Piesczek, Freundinnen und Freunde betreffend Wahlkampfkostenbegrenzung durch Transparenz,

eingebracht im Zuge der Debatte über den Antrag der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Dr. Wolfgang Schüssel, Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem die XXIII. Gesetzgebungsperiode des Nationalra­tes vorzeitig beendet wird (841/A).

Begründung

„Die Großparteien haben für den vergangenen Wahlkampf offenbar deutlich mehr Geld ausgegeben als offiziell angekündigt. Das geht aus den kürzlich veröffentlichten Partei­bilanzen hervor. Demnach haben ÖVP und SPÖ im Wahljahr 2006 insgesamt fast 32 Mio. Euro in die Öffentlichkeitsarbeit gesteckt. Offiziell hatten beide Parteien ihr Wahlkampfbudget mit je sieben Mio. Euro beziffert.“ (APA, 30.9.2007)

Die Wählerinnen und Wähler haben ein Recht darauf, zu wissen, wie viel die einzelnen Parteien im Rahmen eines Wahlkampfes ausgeben. Dennoch werden derzeit von Par­teien die tatsächlichen Ausgaben verschleiert, indem unrealistisch niedrige Wahlkampf­ausgaben bekannt gegeben werden. Diese Zahlen haben mit der Realität freilich nichts zu tun.

Um mehr Transparenz hinsichtlich der tatsächlichen Wahlkampfausgaben herzustellen und damit eine gewisse Selbstbeschränkung zu erreichen, soll der Nationalrat umge­hend eine gesetzliche Basis dafür schaffen, dass diese Transparenzbestimmungen be­reits bei der Nationalratswahl 2008 zur Anwendung kommen können.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 75

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Novelle des Parteiengesetzes vorzulegen, die bei den kommenden Wahlen hinsichtlich der Wahl­kampfausgaben vollkommene Transparenz nach folgenden Eckpunkten gewährleistet:

Verpflichtung der Parteien, gegenüber dem Rechnungshof vor der Wahl die gesamten geplanten Wahlkampfausgaben bekannt zu geben.

Nach der Wahl Überprüfung der tatsächlichen Wahlkampfausgaben der einzelnen Par­teien durch den Rechnungshof.

Veröffentlichung der geplanten und tatsächlichen Kosten durch den Rechnungshof.

Bei Überschreitung der bekannt gegeben Wahlkampfausgaben soll der betroffenen Partei 50% dieses Überschreitungsbetrages von der ihr zustehenden Parteienfinanzie­rung einbehalten werden.

*****

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Be­lakowitsch-Jenewein. 5 Minuten Redezeit. – Bitte, Frau Kollegin.

 


12.22.08

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Herr Präsident! Werte Re­gierungsmitglieder! Hohes Haus! Gestern Abend ist mir der kalte Schauer über den Rücken gelaufen, Herr Vizekanzler Molterer, als Sie die Transformation vom „Pater Willi“ zum selbstgekrönten Bundeskanzler dieser Republik vollzogen haben. Ich muss Ihnen schon sagen – Herr Präsident, ich weiß, ich darf das Wort „scheinheilig“ nicht verwenden, aber eines ist schon gegeben: Es gibt einen großen Unterschied zwischen Schein und Sein in der ÖVP. (Beifall bei der FPÖ.)

Diese Regierung hat in den letzten Monaten keine Legitimation gehabt. Das hat selbst der scheidende Bundeskanzler formuliert, der gesagt hat: Wenn es keine Gesundheits­reform gibt, dann hat die Regierung keine Legitimation! – Genau diesen Zustand haben wir jetzt. Sie haben eine Gesundheitsreform, die keine war, zum „Kassensanierungspa­ket“ umbenannt, das keines war. Zum Schluss ist ein Kassenkostendämpfungspaket übrig geblieben – und selbst das haben Sie noch den Neuwahlen geopfert.

Sie sind hergegangen und haben das zum Spielball gemacht – Sie haben etwas ge­braucht – und haben es scheitern lassen. Sie haben ganz bewusst in Kauf genommen, dass die Gebietskrankenkassen jetzt vor dem Nichts stehen, vor dem Aus stehen, und Sie haben bewusst in Kauf genommen, dass die Bevölkerung draußen jetzt zittern muss. Nach der Teuerungswelle bei den Lebensmitteln, bei den Treibstoffen, bei den Mieten wissen die Österreicherinnen und Österreicher nicht mehr, ob sie sich im Herbst, im Spätherbst und im nächsten Jahr überhaupt noch den Arzt leisten können. Das haben Sie bewusst in Kauf genommen! Das ist ein politisches Spiel, das abzuleh­nen ist, meine Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Gescheitert ist das aber nicht einmal an den Inhalten. Dem Vernehmen nach hat es ja längst eine Einigung mit der Ärztekammer gegeben. Es hat ein Übereinkommen gege­ben, dass die Einzelverträge vom Tisch sind, dass dieser Aut idem-Plan vom Tisch ist, dass die Patientenquittung weg ist. Gescheitert ist diese so genannte Gesundheitsre-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 76

form nur daran, dass Sie sich nicht einigen konnten, wer in diesem „Hauptver­band neu“, in dieser sogenannten Hauptverbandsholding das Sagen haben soll, wer dort wichtiger sein soll, wer dort mehr Macht haben soll: Soll es die ÖVP sein oder soll es die SPÖ sein? – Das ist der wahre Hintergrund des Ganzen. (Beifall bei der FPÖ.)

Genau daran hat es sich gespießt! Herr Klubobmann Cap, es ist zu wenig, wenn Sie sagen, Sie haben „gekämpft“! Worum haben Sie denn gekämpft? – Sie haben ge­kämpft, dass die Beamten-Versicherung kontrolliert wird, und Sie (in Richtung ÖVP) haben gekämpft, dass sie nicht kontrolliert wird. Und auf der Strecke bleiben die Ös­terreicherinnen und Österreicher! Das ist ein Skandal, weil Sie auf dem Rücken der Österreicher Ihr ganzes Proporz- und Machtsystem aufrechterhalten wollen! Das ist der eigentliche Skandal! (Beifall bei der FPÖ.)

Eines haben Sie geschafft in diesen 18 Monaten – dazu muss man Ihnen gratulieren –: Sie haben es geschafft, die Kammern – Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer – in den Verfassungsrang zu erheben. Das haben Sie geschafft. „Bravo“! Und das dann noch ohne Prüfkompetenz für den Rechnungshof. Na, gratuliere! Das war Ihre Leistung in den vergangenen 18 Monaten.

Dieser ganze Hauptverband ist ein Selbstversorgungssystem für Ihre Politpensionisten und für Ihre Multifunktionäre. Das wollen Sie aufrechterhalten. Das Ganze wollen Sie auf dem Rücken der Österreicherinnen und Österreicher aufrechterhalten. Das ist Ihr System, und deswegen lassen Sie auch eine Gesundheitsreform scheitern!

Etwas muss ich Ihnen von der SPÖ auch noch vorwerfen: Sie sind in dieser Koalitions­zeit permanent von der ÖVP geprügelt, vor sich her geknüppelt worden. (Abg. Stra­che: Das ist richtig!) Und was machen Sie jetzt? – Jetzt kriechen Sie noch zu Kreuze vor dieser ÖVP, anstatt dass Sie sich jetzt endlich einmal hinstellen und sagen: Gut, dann gehen wir jetzt die Probleme an! Geben wir den Krankenkassen einmal eine Fi­nanzspritze! Nehmen wir nicht in Kauf, dass die Wienerinnen und Wiener im Herbst keinen Arzt mehr haben! Nehmen wir nicht in Kauf, dass die Studiengebühren blei­ben! – Aber nein, das alles machen Sie nicht! Sie haben ein Stillhalteabkommen, damit die ÖVP nur ja nicht böse werden kann, denn sonst nimmt sie einen ja im Herbst wo­möglich nicht mehr mit in die Koalitionsverhandlungen – und dann haben Sie vielleicht gar nichts mehr. (Abg. Strache: Ganz genau so wie das BZÖ damals!) Genau das ist der Grund! Das opfern Sie, das opfern Sie alles zugunsten einer möglichen bezie­hungsweise eventuellen Koalition nach dieser Wahl.

Da werden Ihnen die Österreicher einen Strich durch die Rechnung machen; das wer­den Sie schon sehen, denn so locker kommen Sie da nicht hin.

Sie von ÖVP und SPÖ haben 18 Monate lang reinen Stillstand produziert. Es ist ein Raunen und ein Aufatmen durch diese Republik gegangen, als endlich einmal einer gesagt hat: Gut, es geht nicht mehr, machen wir Neuwahlen! (Vizekanzler Mag. Molte­rer: Genau!)

Dies aber nicht, Herr Vizekanzler, weil sich die Leute freuen, Sie endlich wählen zu dürfen! Nein! Die Menschen freuen sich, genau Sie abwählen zu dürfen, Herr Vize­kanzler! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Strache: Herr Vizekanzler, Sie sind doch der Or­ganisator der Untätigkeit dieser Regierung!)

Nach Ihrem gestrigen Auftritt in der „ZIB 2“ kann ich Ihnen versichern, Herr Vizekanz­ler, da sind es noch viel, viel mehr Leute geworden, die Sie wieder herunterholen wol­len von diesem Thron, von diesem Kanzlerthron der Republik Österreich. Da werden Sie nicht bleiben! So locker werden Sie es nicht haben, Herr Vizekanzler Molterer; das sage ich Ihnen schon. Nach eineinhalb Jahren politischer Selbstbefriedigung haben es die Österreicher bis obenhin satt, und Sie werden abtreten müssen. Das kann ich Ih­nen jetzt schon prophezeien. (Beifall bei der FPÖ.)


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Zur SPÖ: Das, was Sie treiben, ist nackte Kapitulation. (Präsident Dr. Spindelegger gibt das Glockenzeichen.) Ihnen ist es nur wichtig – Ihnen beiden! –, das schwarz-rote Proporz- und Machtmodell aufrechtzuerhalten; aber da werden Ihnen die Österreicher eine Absage erteilen. (Beifall bei der FPÖ.)

12.27


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Darmann. 5 Minuten. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.27.38

Abgeordneter Mag. Gernot Darmann (BZÖ): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Werte Zuseher zu Hause und auf der Galerie! Wir haben heute in vielen Zeitungen, breit gestreut über alle Printmedien, Inserate um Hun­derttausende Euro des Vizekanzlers Mag. Molterer vorgefunden – „Neustart für Öster­reich“ –, in denen er festhält: Klarheit, Verlässlichkeit, Ehrlichkeit, Handlungsfähigkeit soll die Zukunft sein, in die diese Regierung, die zukünftige Regierung das Land führt.

Ich muss Ihnen sagen, Herr Vizekanzler, Herr Noch-Vizekanzler, das ist ein Wahnsinn, denn die einzige Verlässlichkeit, die man aus dieser Annonce herauslesen kann, ist vom ersten Tag an, noch bevor Neuwahlen beschlossen worden sind, die Versorgung der Bevölkerung mit Falschinformation.

Wenn man in diesen Inseraten zum Beispiel liest – ich möchte jetzt ein paar Punkte an­führen –, die Teuerung sei wirkungsvoll zu bekämpfen, und dann noch im Detail „ra­sche Hilfe für die Betroffenen“ geschrieben wird, und wenn man sich zurückerinnert, wie die rasche Hilfe dieser Bundesregierung ausgesehen hat im letzten Herbst, als es die Teuerungswelle gegeben hat, kann man sich nur wundern! Da wurde darüber dis­kutiert, dass wir im Jahr 2010 eine Steuerreform machen werden. – Das ist die rasche Hilfe? – Das ist keine rasche Hilfe! (Abg. Strache: Wer hat sie denn verhindert? Der Herr Vizekanzler!)

Eine gegenteilige Aktion haben wir in Kärnten gesetzt; zu Beginn dieses Jahres gab es einen Teuerungsausgleich. Dort, wo das BZÖ unter Landeshauptmann Dr. Jörg Haider Verantwortung trägt, hat es für Einzelpersonen, die das Geld dringend brauchen, 100 € und für Familien 200 € gegeben. (Abg. Strache: Das war der „Gusi-Hunderter“ in Kärn­ten!) Und das war jetzt nicht nur eine einmalige Aktion in Kärnten, sondern im kom­menden Herbst wird es diesen Teuerungsausgleich noch einmal geben. Daran sieht man: Diese Regierung hat viel geredet – aber wir in Kärnten, wo wir die Verantwortung getragen haben, haben auch gehandelt.

Nächster Punkt: Benzinpreise, Heizöl. Da ist genauso eine Teuerung gegeben; jeder spürt das tagtäglich. Was hat die Bundesregierung letztes Jahr gemacht? – Die Steuer auf Benzin und auf Diesel erhöht! Was hat die Bundesregierung dieses Jahr gemacht, mit 1. Juli 2008? – Die Steuer auf Heizöl erhöht! Wo sind da die Maßnahmen gewesen, um die Bevölkerung zu entlasten? – Nirgends!

Dort, wo wir Verantwortung tragen, haben wir – so das BZÖ in Kärnten – gegenteilige Maßnahmen gesetzt. Wir haben die Landestankstellen, die Billigdiesel-Tankstellen für die gesamte Bevölkerung geöffnet! Kollege Auer war dort sicher auch schon tanken. (Beifall beim BZÖ.)

Jede Person, die dorthin tanken geht, spart sich pro Tank 10 bis 12 €. Das ist wirklich eine Summe, von der man sagen kann, dass sie eine Entlastung der Bevölkerung dar­stellt. Auch alle anderen Bundesländer wären übrigens eingeladen, solche Aktionen für ihre Bürger durchzuführen. Kein anderes Bundesland hat bisher nachgezogen. Wir ha­ben das in Kärnten umgesetzt!


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 78

Wenn wir schon bei den Benzinpreisen sind: Die Pendlerpauschale in Kärnten, und da bitte ich schon aufzupassen, liegt 400 Prozent über dem Österreichschnitt. Das sind Maßnahmen, die die Bevölkerung entlasten, die der Bevölkerung helfen, und nicht nur mit ein paar Cent auf oder ab an die Bevölkerung Almosen ausgeben. (Beifall beim BZÖ.)

Nächster Punkt: Hier, angeführt in einem Inserat der ÖVP: „Starke Wirtschaft in einem lebendigen Europa“. Ja, wir sind stolz auf die Unternehmen, wir sind stolz auf die Mit­arbeiter unserer Wirtschaft, die die Arbeitsplätze schaffen und erhalten, aber nicht auf diese Bundesregierung, weil diese Bundesregierung dazu sicher nichts beigetragen hat.

Zum EU-Reformvertrag. Meine Damen und Herren, das kann man Ihnen nicht erspa­ren und nicht oft genug hier wiederholen, was diese Bundesregierung nicht alles aufge­führt hat, um die Bevölkerung von der Meinungsbildung auszuschließen, nicht zu befra­gen, keine Volksabstimmung zu ermöglichen ... (Abg. Strache: Ihr habt auch gegen unseren Volksabstimmungsantrag gestimmt!)

Diese Bundesregierung hat wirklich alles versucht, um die Meinung der Bevölkerung nicht in ihre Entscheidung mit aufzunehmen. (Abg. Strache: Und ihr habt dabei mitge­spielt!)

Wir in Kärnten haben Unterschriften gesammelt, beglaubigte Unterschriften, 15 000 bei Notaren, beim Gemeindeamt, um eine Volksbefragung zu erwirken. Aber was macht diese Bundesregierung? – Sie zieht – auch mit Hilfe der FPÖ; das kann ich Ihnen nicht ersparen – den Ratifizierungstermin vor, sodass diese Volksbefragung in Kärnten nicht mehr durchgeführt werden konnte. (Beifall beim BZÖ. – Abg. Strache: Ihr habt gegen die Volksabstimmung gestimmt!) Das heißt, da hat die FPÖ leider mit dieser Bundesre­gierung gepackelt und somit eine Volksbefragung in Kärnten, die einzig mögliche in ganz Österreich, verhindert.

Nun kann man auch noch Weiteres anführen: Heizkostenzuschuss in Kärnten für die Bürger, Müttergeld in Kärnten für die Bürger, Schulstartgeld in Kärnten für die Bürger, Lehre mit Matura kostenlos, hoffentlich in Österreich schlussendlich dann auch kom­plett kostenlos, und, unerledigt weiterhin, von Bundeskanzler Gusenbauer verspro­chen, eine endgültige Lösung der Ortstafelfrage in Kärnten bereits im vergangenen Jahr. (Abg. Strache: Haider ist der Einzige, der in Kärnten zweisprachige Ortstafeln aufstellt!) Bis jetzt wurde das immer von der SPÖ verhindert. Wo bleibt diese endgülti­ge Lösung? Bis heute liegt da nichts auf dem Tisch! Der Bundeskanzler zieht sich zu­rück und flüchtet.

So gesehen kann man sagen: Die Bevölkerung verdient sich für die Zukunft eine Poli-
tik des Vertrauens, eine Politik der Verlässlichkeit. Wir vom BZÖ zeigen dort, wo wir Verantwortung tragen, dass wir dieses Vertrauen rechtfertigen und diese Verlässlich­keit den Bürgern sichern und gemeinsam mit den Bürgern in die Zukunft gehen. (Präsi­
dent Dr. Spindelegger gibt das Glockenzeichen.) – Danke. (Beifall beim BZÖ sowie des Abg. Dr. Fichtenbauer.)

12.32


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Meine Damen und Herren! Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, ersuche ich Sie und appelliere an Sie, bei Ihrer Wortwahl so sorgsam zu sein, dass Sie die Würde des Hohen Hauses nicht verletzen. Das gilt insbesondere auch für Zwischenrufe gegenüber anderen Abgeordneten, die man zwar jetzt nicht personell zuordnen kann, die aber beleidigend sind.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Elmar Mayer. 5 Minuten maximale Redezeit. – Bitte, Herr Kollege.

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 79

12.33.14

Abgeordneter Elmar Mayer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren der Regierung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin jetzt seit einein­halb Jahren hier im Hohen Haus und habe mir selbstverständlich gewünscht, dass die­se Legislaturperiode länger geht, aber zwei Dinge sind es, die ich besonders heraus­streichen möchte.

Das eine: Herr Kollege Strache, Sie würden gut daran tun, Ihre Mannen ein bisschen zur Ordnung zu rufen, wenn ich zum Beispiel daran denke, dass einer aus Ihren Rei­hen – jetzt schaut er ganz unschuldig herunter; ich glaube, Sie waren es, Herr Kollege Auer – unsere Abgeordnete Laura Rudas als Göre bezeichnet hat. (Abg. Dr. Haim­buchner: Nein, nein! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Dann waren Sie es! – Aus Ihren Reihen hat man eindeutig gehört, dass Sie unsere Abgeordnete als Göre bezeichnet haben. (Abg. Strache: Was behaupten Sie da?) Aus Ihren Reihen! Nicht behaupten, ich habe das ... (Abg. Strache: Lügen Sie nicht he­rum!) Das haben sechs, sieben gehört. (Abg. Strache: Lügen Sie doch nicht herum! Lügen Sie doch nicht!)

Ich sage es Ihnen deshalb, Herr Strache, weil Sie allen Grund hätten, ganz vorsichtig umzugehen mit diesen Dingen. (Beifall bei der SPÖ. – Neuerliche  Zwischenrufe des Abg. Strache.)

Wenn Sie denken, Herr Strache, keiner aus unseren Reihen hat Sie als Neonazi be­schimpft, nur weil Sie mit Ihren Wehrsportübungen aufgetreten sind. Keiner von uns! Jeder hat Respekt gehabt und gesagt, das sind Jugendsünden und andere Blödeleien, die Sie getrieben haben. Wir lassen es uns aber nicht gefallen, auch von einer FPÖ nicht, auch von einem Strache nicht, oder wer da noch in seinem Gefolge ist, dass Ab­geordnete unserer Fraktion als Gören beschimpft werden. (Abg. Strache: Das war vielleicht von der ÖVP!) Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei der SPÖ.)

Und das Zweite, meine Damen und Herren: Ich habe noch etwas erlebt; ich war früher in der Kommunalpolitik tätig, auch in der Landespolitik, aber was ich im Parlament er­lebt habe an Klientel-Politik, habe ich bisher nirgends so gesehen.

Ich möchte dazu zwei Beispiele bringen, weil die Redezeit auch nicht mehr zulässt, die für mich symptomatisch sind: Sie werden sich erinnern können, als das erste Mal die Förderungsmodalitäten der Agrarmarktordnung zur Debatte standen. So schnell konnte man gar nicht schauen, wie die Traktoren aufgefahren sind, die Tanks prall gefüllt mit Dieselsprit, EU-gefördert, und für einen mächtigen Wirbel gesorgt haben: Wir lassen uns unsere Förderungen nicht in Frage stellen, geschweige denn herausschießen!

Es war die gleiche Zeit, in der wir uns bemüht haben um eine Teuerungsabgeltung für Benzin und Sprit für jene Menschen, die einen Pkw berufsmäßig brauchen, Pendler und andere, dass man eben da die Kilometergeldpauschale erhöht und auch ein ent­sprechend höheres Kilometergeld gewährt. – Gleichzeitig aber sind Sie diejenigen, die solche Privilegien bis zur Neuwahldrohung verteidigen.

Ein zweites Beispiel: Ich denke an diese unsägliche Geschichte – Kollege Stummvoll wird sich sicherlich daran erinnern –, als es darum ging, 400 Millionen € Stiftungsgelder an die Reichsten der Reichen zu verteilen. 400 Millionen € Stiftungsgelder, von denen geplant war, sie an jene, die bereits steuerschonend ihr Geld angelegt hatten, zu ver­teilen. Dreimal ist es mir passiert, Herr Kollege Stummvoll, so beinhart wollten Sie die­se Sache durchdrücken: Abgeordnete aus dem ganzen Bundesgebiet sind hergekom­men, nach 30 Sekunden konnten sie wieder nach Hause fahren, weil Sie gesagt ha­ben: Wenn das nicht durchgeht, nächste Woche treffen wir uns wieder! – In der folgen­den Woche dasselbe, weil Sie beinhart diese 400 Millionen, auf 20 Jahre aufgeteilt, an die Stiftungsnehmer auszahlen wollten. Das war reinste Klientelpolitik!


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Gleichzeitig aber haben Sie, als unser Bundeskanzler gefordert hat, als erste Maß­nahme zur Teuerungsentlastung für die Kleinst- und Kleinverdiener eine Einmalzah­lung von 100 € durchzusetzen, sozusagen sofort mit dem Neuwahl-Schwert gedroht. (Abg. Dr. Stummvoll: Sie wollten Almosen verteilen! – Abg. Marizzi: Ui, ui, ui!)

Daher ist es höchst an der Zeit – wir hätten oft solche Anlässe gehabt –, zu sagen: Es reicht uns! Es war nur dem Langmut und der Geduld unseres Bundeskanzlers Gusen­bauer zu verdanken, der gesagt hat: Wer Demokratie will, muss zum Kompromiss fähig sein; wir müssen diesen Weg gehen! – Nachdem Sie wegen x Dingen fünfmal ange­droht haben, dass Sie in Neuwahlen gehen wollen, nehmen Sie die Tatsache, dass mehr Bürgernähe gefordert wird, zum Anlass, um aus dieser Koalition abzuspringen.

In Wirklichkeit haben Sie uns ja damit einen Riesengefallen getan; das muss man schon dazusagen. (Vizekanzler Mag. Molterer: Weil der Gusenbauer weg ist?! Oder was?) In Wirklichkeit war Ihre Entscheidung die einzig richtige, nämlich zu sagen: Wenn es so nicht mehr weitergeht, dann soll es nicht weitergehen! Und es freut mich, denn es ist selten so ein Ruck durch die Partei gegangen wie zu dem Zeitpunkt, als be­kannt wurde, dass Werner Faymann dieses Amt übernehmen wird. (Beifall bei der SPÖ. – Ironische Oh- und Ah-Rufe bei der ÖVP.)

Und ich schwöre Ihnen (Präsident Dr. Spindelegger gibt das Glockenzeichen): Den Wahltag werden die Österreicherinnen und Österreicher dazu nutzen, um endlich die­sen unseligen Schüssel-Blockade-Kurs abzuwählen. Wir freuen uns darauf und werden uns alle anstrengen, zu erreichen, dass endlich dieser unselige Schüssel-Kurs abge­wählt wird. Am 28. September haben wir die Möglichkeit dazu. (Beifall bei der SPÖ.)

12.38


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Fuhr­mann. 5 Minuten maximale Redezeit. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


12.38.56

Abgeordnete Silvia Fuhrmann (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! Nachdem in einigen Reden schon auch davon die Rede war, dass nicht alles schlecht war, was diese Bundesregierung getan hat, möchte ich Ihnen und vor allem den Damen und Herren auf der Galerie und vor den Fernsehschir­men einige weitere Beispiele dafür näherbringen.

Ich möchte mich zum Beispiel auch als Jugendsprecherin sehr herzlich bei unserem Fi­nanzminister Molterer bedanken, der der Einzige in dieser Bundesregierung ist, der es geschafft hat, tatsächlich in seinen Agenden auch generationengerecht zu agieren. Er kennt die Nöte und die Sorgen der älteren Bevölkerung, nimmt aber auch die Anliegen der jungen Menschen ernst, und das ist richtig. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte mich aber auch bei Herrn Bundesminister Bartenstein und bei Frau Staats­sekretärin Marek bedanken, die alles in die Wege geleitet haben, um dafür zu sorgen, dass Lehrlinge die Möglichkeiten einer ordentlichen Ausbildung und einen ordentlich Lehrplatz bekommen. Auch der Fortführung des „Blum-Bonus“, ursprünglich eine ÖVP-Idee, möchte ich Anerkennung zollen.

Anerkennung zollen möchte ich auch der Initiative von Herrn Bundesminister Barten­stein, bei den Problemen rund um den Jugendschutz sofort aktiv zu werden. Es nützt nämlich das beste Jugendschutzgesetz nichts, wenn Handels- und Gewerbebetriebe von niemandem kontrolliert werden. Bundesminister Bartenstein hat hiezu sofort die Initiative ergriffen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich möchte mich aber auch bei Herrn Bundesminister Hahn bedanken, der sich sofort vor die österreichischen Studierenden stellt, wenn es darum geht, deren Studienplätze in Österreich zu verteidigen. Er hat sofort das Gespräch mit Vertretern der Europäi-


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schen Union gesucht und gesagt, dass es wohl nicht sein kann, dass österreichische Studierende einen Nachteil haben – während andere noch hilflos herumgestanden sind und nicht gewusst haben, was sie tun sollen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich möchte mich aber auch bei Frau Außenministerin Plassnik und bei Herrn Staats­sekretär Winkler bedanken, die sich von Ihrem europapolitischen Kurs nicht beirren lassen. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Es sind gerade die Jungen und ihre Zukunft, die von der Europäischen Union natürlich profitieren. Man denke an Ausbildungs- oder Jobmöglichkeiten, jedes Jahr absolvieren 8 000 Studierende ein Auslandssemester. Aber Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, wollen das madig machen und schlechtreden! Vielmehr muss man weiter denken und die Initiative ergreifen, damit das auch für Lehrlinge möglich wird. Man muss den Kurs allgemein auf die Zukunft set­zen, anstatt aus irgendwelchen populistischen Gründen hiezu in die Vergangenheit zu blicken!

Apropos Vergangenheit: Kollegin Stadlbauer hat in ihrer Rede kritisiert, dass die Pen­sionen vom Computer ausgerechnet werden. Glauben Sie wirklich, dass die Leute in Pensionsversicherungen mit dem Rechenschieber arbeiten und, um Pensionen zu er­rechnen, blaue oder rote Kugeln herumschieben? (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das könnte daran liegen, dass Sie mit Block und Bleistift nicht ordentlich rechnen können und durch Ihre Berechnungen ständig Schulden auf Kosten der Jungen machen. Das werden wir sicher nicht zulassen! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren – vor allem die, die hier zusehen –, ich wette, die SPÖ hat schon längst einen Entwurf für den nächsten Pensionistenbrief verfasst, in der Hoffnung, dass ältere Menschen, die sehr viel Erfahrung haben und sehr klug sind, wieder auf ihre Versprechungen und Plattitüden hereinfallen. Aber ich sage Ihnen eines: Sie haben weder bei der älteren Bevölkerung noch bei den Jungen irgendetwas zu melden! Ich möchte erwähnen, dass die SPÖ sogar auf Ebene der Schüler- und Studentenvertretung nichts mehr zu melden hat. Es wurde nämlich auch dem VSStÖ-ÖH-Vorsitzenden das Vertrauen entzogen, er wurde abgewählt. Wir gratulieren jetzt dem AG-Vorsitzenden Samir Al-Mobayyed, der an den Universitäten sehr gute Politik machen wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist kein Zufall, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass die vor Kurzem statt­gefundenen Landesschülervertretungswahlen 24 zu 5 für die Österreichische Schüler­union ausgegangen sind – gerade einmal fünf Landesschulsprecher-Positionen werden von der SPÖ-nahen AKS besetzt. Das zeigt, wem hier das Vertrauen geschenkt wird. Sicherlich nicht jemandem, der sich heute einer Zeitung verkauft und morgen anderen Lobbyisten. Österreich verdient einen Bundeskanzler, der ehrlich ist und Rückgrat hat. Dafür gibt es nur einen: Willi Molterer! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

12.43


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Kog­ler. Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

 


12.44.06

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Dezimierte Bundesregie­rung! Immerhin, der Angesprochene ist anwesend. Ich weiß nicht, ob es das neue Wahlkampfkonzept der Sozialdemokraten ist, außer dem amtierenden Bundeskanzler auch den Spitzenkandidaten in öffentlichen Debatten vorsichtshalber nicht auftreten zu lassen.


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Damit ist es aber auch schon genug des Unterschiedes und des Lobes gegenüber der ÖVP. Sie sind zwar bei parlamentarischen Debatten wirklich oft präsenter – das ist schon seit Jahren so –, aber das ist nicht mein Punkt. Das schützt Sie nicht vor folgen­der Kritik: Die ÖVP stellt sich regelmäßig vor jedem Wahlkampf als Hort des politischen Sonnensystems in Österreich dar, als Zentrum, um das sich alle drehen müssen. Ein Wunder, dass das so lange gelingt; diesmal sollte es Ihnen aber nicht mehr gelingen! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Gleichzeitig besteht aber der Befund – nicht nur meiner –, dass die ÖVP und nament­lich mittelbar oder unmittelbar Dr. Schüssel – er agiert ja noch immer – maßgeblich da­ran beteiligt sind, dass Regierungen, die Sie immer mit Neustart-Gejohle inszenieren – auch jetzt erleben wir wieder diese Zeltfeststimmung –, ständig von der ÖVP gesprengt werden. Das ist jedenfalls der Befund.

Was diese Strategie betrifft, sage ich Ihnen: Wer einen solchen Butterberg auf dem Kopf hat, sollte sich nicht immer als „Hort der Stabilität“ bezeichnen. Das wird sich nicht mehr ausgehen! (Beifall bei Grünen und FPÖ.)

Ich glaube, es ist aus gutem Grund in den letzten Tagen sehr oft davon die Rede, dass die nächste Wahl eine Richtungsentscheidung sein wird. Das hört man öfter, aber diesmal ist etwas dran. Es stellt sich nur die Frage, wozwischen. – Wird es eine Rich­tungsentscheidung zwischen den jetzigen Regierungsparteien?

Wir haben eine ÖVP, die ihre eigenen Wahlversprechen – das ist etwas, das sie immer wunderbar der SPÖ umhängt – in der Koalition nicht einmal annähernd umgesetzt hat. (Abg. Strache: Die SPÖ hat auch nichts für den Mittelstand getan, weder für die klei­nen noch für die mittleren Unternehmen!) Sie kann das nur dadurch kaschieren, dass eine Sozialdemokratie in der Regierung, bevor sie überhaupt versucht hat, etwas zu er­kämpfen, schon die Energie verpuffen ließ und – entschuldigen Sie den Ausdruck, es ist zwar kein schönes Bild, aber mir fällt kein treffenderes ein – flachliegend irgendet­was oberhalb der Tischkante erreichen wollte. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sie konnten deshalb nie auf den Tisch hauen, weil Sie nie über die Kante geschaut ha­ben. Irgendwann spüren das die Leute. Das ist nicht die Kritik daran, dass man nicht wissen würde, dass Kompromisse zu verhandeln sind. – Selbstverständlich, das ist das Problem unserer Zeit – ich darf mir diesen halbminütigen Ausflug tatsächlich erlau­ben –, nämlich dass allen immer suggeriert wird, es müsse alles, was gefordert wird, hundertprozentig durchgesetzt werden.

Man soll deshalb von seinen Forderungen nicht wirklich Abstand nehmen. Man muss es so erklären, dass vor eineinhalb Jahren fast nur die große Koalition möglich war. So war es! Es braucht sich niemand dafür zu schämen in diesem Haus. Es ist allerdings in der Verantwortung derer, die diese Koalition eingehen, wenigstens den glaubwürdigen Versuch zu unternehmen, das umzusetzen, was sie sich vorgenommen haben. An die­ser Glaubwürdigkeit und Kompromissbereitschaft hat es jedoch gemangelt. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Die Richtungsentscheidung zwischen einer Partei, die im Wesentlichen ganz offenkun­dig nur mehr die oberen Zehntausend – oder nicht einmal die, sondern die oberen 3 000 Stiftungsbesitzer – vor Augen hat, und einer Partei, der es nicht einmal mehr auf­fällt, dass sie damit ebenfalls über den Tisch gezogen wird – das wird die Richtungs­entscheidung nicht sein!

Wir müssen auch sonst feststellen, dass die Sozialdemokraten in Fragen der sozialen Gerechtigkeit relativ deutlich den Löffel abgegeben haben. Es reicht eben nicht, an einer Mindestsicherung herumzudoktern, wobei in irgendwelchen Haushaltstöpfen he­rumgeschoben wird und am Schluss in Wahrheit nicht mehr herauskommt, als vorher da war. Man wird sich dazu bekennen müssen, dass soziale Gerechtigkeit einer Um-


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verteilung bedarf und auch etwas kosten darf. Dass das bei der ÖVP kein Thema ist, wissen wir schon, aber warum Sie das auslaufen ließen, ist weniger verständlich. (Bei­fall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das Gleiche haben Sie mit dem von Ihnen als solchen apostrophierten Mittelstand zu verantworten, den Sie entlasten wollen. Wo denn? Nicht einmal einen Anlauf haben Sie gemacht, weder für die mittleren Betriebe noch für die mittleren Einkommen. Wir bekennen uns aber dazu. Da gehört etwas gemacht!

Man kann nicht einfach hergehen und dauernd Steuersenkungen versprechen, deshalb wird man darauf hinweisen müssen, dass irgendwo noch Steuerleistung zu erbringen ist. Wir tun das, wir waren schon bei der letzten Wahl die Einzigen, die nicht mit diesen Geschenken herumgerannt sind.

Aber es geht sich etwas aus. Deshalb wird es bei der Richtungsentscheidung um diese Art von Glaubwürdigkeit gehen. (Präsident Dr. Spindelegger gibt das Glockenzei­chen.) Es wird in Wahrheit eine Entscheidung zwischen Grün und Blau sein, und nicht zwischen Rot und Schwarz. Diese Art von Fortsetzung ist, glaube ich, nicht mehr zu unterbieten. (Beifall bei den Grünen.)

12.49


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Herr Abgeordneter Kogler, Sie haben die Abwe­senheit des Herrn Bundeskanzlers angesprochen. Deshalb möchte ich das Haus darü­ber informieren, dass Herr Bundeskanzler Gusenbauer wegen eines Todesfalles im Familienkreis derzeit an einem Begräbnis teilnimmt.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Fichtenbauer. Redezeitbeschränkung: 5 Minu­ten. – Bitte.

 


12.50.01

Abgeordneter Dr. Peter Fichtenbauer (FPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Zum Ersten: Herr Kollege Mayer, Sie waren ein engagiertes Mitglied des Untersuchungsausschusses. Sie sollten doch – da ich älter bin als Sie, darf ich das bei aller Bescheidenheit hinzufügen – ge­lernt haben, dass man keine Beschuldigung ohne Sachsubstrat erheben soll.

Ich darf Ihnen mitteilen, dass nach gefestigter Umfrageerkenntnis, die auch von einigen Abgeordneten Ihrer Fraktion geteilt wird, der von Ihnen beklagte (Abg. Strache: Zwi­schenruf!) Ruf beziehungsweise die Wortwahl gegenüber der Frau Kollegin Rudas nicht aus den Reihen der Freiheitlichen Partei, sondern aus dem Nachbarsegment ge­kommen ist. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich nehme mir aber die Freiheit, fraktionsübergreifend als Gentleman zu handeln. Frau Kollegin Rudas, wer immer Ihnen diesen Ruf zugedacht hat: Ich entschuldige mich für einen Mann dieses Hauses, der so gehandelt hat! (Allgemeiner Beifall.) – Vielen Dank für die Zustimmung! (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Herr Kollege, ich bin nicht bereit, mich auf Basis solcher akustischen Verwerfungen, die Sie zum Besten geben, weiter hier auseinanderzusetzen. Ich bin eher geneigt, mich den Dingen des Staates zuzuwenden, die wir jetzt abhandeln. Vielleicht halten Sie es aus, kurze Reflexionen über rechtsstaatliche Prinzipien durchzuführen. Das lohnt sich, und zwar persönlich, für das Parlament und auch für den Staat. (Abg. Dr. Mitterlehner: Bei aller Bescheidenheit!)

Ich bin auch bereit, Ihnen ein Privatissimum zu geben. Ich habe schon vielen Men­schen juristische Ausbildung zukommen lassen, es soll auch in diesem Fall an meinem Fleiße nicht mangeln. Auch wenn es noch so aufregend ist, es schadet keinesfalls. Ein berühmter Mensch – ich glaube, es war Adenauer – hat gesagt: Es ist kein Schaden,


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über Nacht klüger zu werden. – Dieses Recht sollten Sie auch für sich in Anspruch nehmen.

Da wir über rechtsstaatliche Prinzipien sprechen: Kollege Stummvoll hat in Richtung SPÖ bedeutende Männer dieser Partei als Zeitzeugen dafür genannt, dass die Verträg­lichkeit mit den sozialdemokratischen Prinzipien so abhanden gekommen ist, dass sie mit der jetzigen SPÖ und ihrer Führung nicht mehr mitkönnen.

Warum kam das so? – Die Antwort ist relativ einfach: Weil sich die SPÖ selbst von Grundsätzen, die sie über viele Jahrzehnte glaubwürdig vertreten hat, verabschiedet hat. Ich meine den Grundsatz, keine wesentlichen Handlungen, die den Staat betref­fen, ohne Verklammerung mit den Interessen der Bevölkerung durchzuführen. Es ge­hört zu den später wohl als schädlich zu beschreibenden Dingen, dass von der Mehr­heit dieses Hauses jeder Ansatz, der von uns, von der Freiheitlichen Partei, in Richtung einer Volksabstimmung über den Vertrag von Lissabon vorgetragen wurde – oder auch Volksbefragung, wie manche gemeint haben, wir wollten aber die Volksabstimmung –, mit aller Gewalt als EU-widrig, EU-feindlich und mit ähnlichen Vokabeln bezeichnet wurde. (Beifall bei der FPÖ.)

Diesen Weg ist die SPÖ bedauerlicherweise mitgegangen. Es ist dies ein selbstver­schuldetes Desaster, in dem sich die SPÖ befindet und in welches sie sich selbst hi­neinmanövriert hat. Man kann nicht in wesentlichen Dingen so konsequent gegen eigentlich als Grundsätze vermutete Prinzipien eines Lagers verstoßen.

Herr Noch-Vizekanzler (Abg. Dr. Mitterlehner: Und zukünftiger Bundeskanzler! – Abg. Strache: Das ist Wunschdenken!), ich bitte Sie, nicht im Stile einer Savonarola-Verbrennung eine Denk- und Sprechverbotspolitik zu betreiben und keine Ausgren­zung in Richtung politischer Meinung zu betreiben, die sich von den Grundsätzen un­terscheidet, die Sie vertreten. Solange politische Darbietungen und Überzeugungen auf dem Boden des österreichischen Verfassungsrechtes abgehandelt werden, sind sie recht, billig und vertretbar. Niemand steht außerhalb eines Raumes, der zu respektie­ren und dessen Auffassungen möglich, richtig und nur mehrheitsabhängig in diesem Hause sind. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der FPÖ.)

12.54


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Dolin­schek. Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

 


12.55.06

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehr­te Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren! Diese große Koa­lition in der XXIII. Gesetzgebungsperiode ist von Anfang an unter keinem guten Stern gestanden. Ich unterstelle niemandem, weder Herrn Bundeskanzler Gusenbauer noch Herrn Vizekanzler Molterer, diese große Koalition von Anfang an gewollt zu haben. Diese große Koalition wollten vor allem die Sozialpartner, sie stehen noch heute dazu. Sie sind als Einzige sehr traurig darüber, dass sich diese Koalition auflöst – das ist so.

Als Nächsten möchte ich in diesem Zusammenhang Herrn Bundespräsidenten Fischer erwähnen. Er war einer der Architekten dieser großen Koalition. (Beifall beim BZÖ.) Er hat zum Herrn Bundeskanzler gesagt: Weißt du, was? Es kann nicht sein, dass es hier eine Dreierkoalition gibt – ob rot-grün-blau, schwarz-grün-blau oder mit einer orange Schattierung –, das darf nicht sein. Wir brauchen stabile Verhältnisse, wir brauchen eine Zweidrittelmehrheit, wir brauchen eine große Koalition!

Gesagt, getan. Der Herr Bundespräsident hat gesprochen. Der Herr Bundeskanzler und der Herr Vizekanzler haben sich zusammengetan und eine große Koalition gebil­det. Es ist aber von Anfang an nichts weitergegangen, weil der eine den anderen blo­ckiert hat. Während bei den Krankenkassen die ÖVP beziehungsweise der ÖAAB zu-


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rückgerudert hat, hat bei der Pensionsfrage die SPÖ-Basis den Herrn Sozialminister zurückgepfiffen. Das war bezeichnend dafür – um nur zwei Beispiele zu nennen.

Diese hausgemachten Fehler der SPÖ waren sehr interessant. So wurde zum Beispiel ausgerechnet der größte Gegner der Eurofighter, Herr Minister Darabos, zum Verteidi­gungsminister ernannt. Es war eine überzogene Forderung beim letzten Wahlkampf, ihn einfach abzubestellen. Es musste doch jedem einleuchten, dass das nicht möglich sein würde. Das war der Grundfehler.

Kommen wir zum Thema Studiengebühren: Diese wurden seinerzeit eingeführt, damit Menschen nicht nur inskribieren, um gratis mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu dürfen; und damit keine Gaststudenten herkommen, die hier nur studieren, unsere Plätze wegnehmen und dann wieder ins Ausland gehen. Dafür wurden die Studienge­bühren eingeführt! (Zwischenruf der Abg. Mag. Trunk.)

Man muss andere Förderungen finden, um die Studierenden zu unterstützen, Frau Kol­legin Trunk, aber nicht an alten Zöpfen festhalten! Dass das auch mit der ÖVP als Part­ner nicht möglich sein wird, muss jedem klar sein. So ist das Scheitern sozusagen vor­programmiert! (Beifall beim BZÖ.)

Die großen Probleme sollten gelöst werden, hat der Herr Bundespräsident gesagt. Macht eine Verwaltungsreform, macht eine Strukturänderungsreform, ihr habt eine Zweidrittelmehrheit! – Nur: Es ist mit dieser Zweidrittelmehrheit nichts weitergegangen!

Wenn ich mir das Inserat, dass Herr Vizekanzler Molterer jetzt in den Zeitungen ge­schalten hat, ganz unten anschaue, so lese ich:

Die Wähler sind am Wort. Damit wir nach der Neuwahl umgehend die Arbeit aufneh­men können. Mit klarer Mehrheit und klarem Auftrag. – Zitatende.

Den klaren Auftrag und die klare Mehrheit gab es schon jetzt, Herr Vizekanzler! Es kann in Zukunft nicht anders werden, es sei denn, es gibt in Zukunft keine große Koali­tion. Ich hoffe sehr, dass es nicht dazu kommt! (Beifall beim BZÖ.)

Sie hatten große Möglichkeiten, die Teuerung wirkungsvoll zu bekämpfen. Auch das steht in diesem Inserat, Herr Vizekanzler. – Warum haben Sie das nicht getan? Bei uns ist schon eine Koalition nur wegen einer vorgezogenen Steuerreform in die Brüche gegangen. Auch das machen Sie jetzt nicht! Obwohl die Leute unter den hohen Prei­sen für Lebensmittel, Sprit und Waren des täglichen Bedarfs leiden, führen Sie keine Steuerreform durch, Sie versprechen das nur. Wann wird sie denn kommen, um die Familien und den Mittelstand zu entlasten, geschätzte Damen und Herren auf der Re­gierungsbank? Trotz hoher Spritpreise haben Sie keinen amtlichen Preisstopp einge­führt, wie dies in Luxemburg der Fall war. Jetzt wollen Sie aber die Rückerstattung der hohen Wahlkampfkosten. (Präsidentin Dr. Glawischnig-Piesczek übernimmt den Vor­sitz.)

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Scheibner, Ing. Westenthaler, Kollegin und Kollegen betreffend an­teilige Kürzung der Wahlkampfkostenrückerstattung im Falle einer vorzeitiger Auflö­sung des Nationalrates

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend einen Gesetzentwurf vorzulegen, der sicherstellt, dass die Höhe der Wahlkampfkostenrückerstattung für eine National­ratswahl von der Dauer der vorhergehenden Gesetzgebungsperiode in direkte Abhän­gigkeit gebracht wird und sich daher im Falle einer vorzeitigen Auflösung des National-


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rates die Wahlkampfkostenrückerstattung für die nachfolgende Nationalratswahl ent­sprechend verringert.“

*****

Geschätzte Damen und Herren! Wenn Sie ein bisschen Anstand haben, dann stimmen Sie diesem Entschließungsantrag auch zu, denn wenn kürzer gearbeitet wird – nicht einmal die Hälfte –, dann muss es auch weniger Wahlkampfkostenrückerstattung ge­ben. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall beim BZÖ.)

13.00


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Der soeben eingebrachte Entschlie­ßungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Scheibner, Ing. Westenthaler, Kollegin und Kollegen betreffend an­teilige Kürzung der Wahlkampfkostenrückerstattung im Falle einer vorzeitiger Auflö­sung des Nationalrates, eingebracht im Zuge der Debatte zum Tagesordnungspunkt 1 in der Sitzung des Nationalrates am 9. Juli 2008

Mit 30. Oktober 2006 wurde die XXIII. Gesetzgebungsperiode mit der konstituierenden Sitzung des Nationalrates begonnen. Gemäß Art. 27 Bundes-Verfassungsgesetz ist – abgesehen von den Möglichkeiten einer vorzeitigen Auflösung – die Dauer einer Gesetzgebungsperiode mit derzeit vier Jahren normiert.

Eine vorzeitige Auflösung des Nationalrates, wie sie nunmehr nach nicht einmal zwei Jahren durch Beendigung der glücklosen Zusammenarbeit von SPÖ und ÖVP herbei­geführt wird, ist – abgesehen davon, dass die Bürgerinnen und Bürger ein Anrecht da­rauf haben, dass eine Bundesregierung für die Dauer einer gesamten Legislaturperio­de arbeitet – nicht zuletzt ein beachtlicher zusätzlicher Kostenfaktor, der von den öster­reichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zu tragen ist.

Daher sollte die Höhe der Wahlkampfrückerstattung für eine Nationalratswahl künftig von der Dauer der vorhergehenden Gesetzgebungsperiode in direkte Abhängigkeit ge­bracht werden und sich daher im Falle einer vorzeitigen Auflösung des Nationalrates die Wahlkampfkostenrückerstattung für die nachfolgende Nationalratswahl  entspre­chend verringern.

Nicht zuletzt im Interesse der österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler stellen die unterfertigten Abgeordneten daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend einen Gesetzesentwurf vorzule­gen, der sicherstellt, dass die Höhe der Wahlkampfkostenrückerstattung für eine Natio­nalratswahl von der Dauer der vorhergehenden Gesetzgebungsperiode in direkte Ab­hängigkeit gebracht wird und sich daher im Falle einer vorzeitigen Auflösung des Natio­nalrates die Wahlkampfkostenrückerstattung für die nachfolgende Nationalratswahl  entsprechend verringert.“ 

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Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächste Wortmeldung: eine tatsächli­che Berichtigung des Herrn Abgeordneten Dipl.-Ing. Auer. Sie kennen die gesetzli­chen Bestimmungen. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


13.00.39

Abgeordneter Dipl.-Ing. Klaus Hubert Auer (ÖVP): Frau Präsidentin! Leider ist nur eine Berichtigung möglich. Meine Berichtigung bezieht sich auf die Rede des Kollegen Darmann. Er hat gemeint, dass eine der Maßnahmen, die der Kärntner Landeshaupt­mann gegen die Teuerung gesetzt hat, unter anderem die von den Kärntner Steuer­zahlerinnen und Steuerzahlern finanzierten Billig-Tankstellen seien und dass ich als Abgeordneter – ich, Klaus Auer – bei einer dieser Billig-Dieseltankstellen getankt hätte.

Ich berichtige also tatsächlich, dass das nicht so ist (Zwischenruf des Abg. Mag. Dar­mann), sondern dass vielmehr in diversen Zeitungen Fotos abgelichtet wurden, wo un­ter anderem der Herr Landeshauptmann mit seinem orangen Verkehrsreferenten drauf war, als er beim Tanken an diesen Billig-Tankstellen, die von den Kärntner Steuerzah­lerinnen und Steuerzahlern finanziert wurden, ertappt wurde. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

13.01


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordne­ter Amon. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


13.01.50

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Vize­kanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren der Bundesregierung! Ich bin ja eigentlich froh, in einem Land zu leben, in dem jeder tanken darf, wo er will und wo das nicht von einem Landeshauptmann vorgeschrieben werden kann. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn man heute diese Debatte hört, dann fällt eines auf: dass der ÖVP gleichsam für alles die Verantwortung gegeben wird. Ich meine, wir übernehmen gerne Verantwor­tung, weil wir auch verlässlich sind, wenn wir Verantwortung übernehmen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Aber für eines, meine Damen und Herren, übernehmen wir nicht die Verantwortung: für das Tohuwabohu und das Chaos, das in der Sozialdemokratie herrscht. Dafür übernehmen wir nicht die Verantwortung! Denn es ist für die Menschen leicht nachvollziehbar, was Sie aufgeführt haben, und daher gehen Ihre Angriffe da auch völlig ins Leere.

Es ist nicht so, dass wir das zweifelsohne für uns schmerzhafte Wahlergebnis im Jahr 2006 nicht verkraftet haben. Es war schmerzhaft. Aber vielmehr war es so, dass Sie von der Sozialdemokratie bis heute nicht das verwunden haben, was Ihre Spitze an SPÖ-Wahlversprechen, an SPÖ-Zusagen dem Wähler gegenüber, an SPÖ-Positionen aufgegeben hat und was im Regierungsübereinkommen zu stehen kam. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das haben Sie nie verwunden. Und deshalb war es auch von Anfang an für Sie ein Problem, mit Ihrer Spitze in dieser Koalition zu sein. Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren, und das erkennen die Menschen auch! (Beifall bei der ÖVP. – Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, es ist auch kein Zufall, dass sich die Sozialdemokratie mo­mentan in Auflösung befindet. Ich meine, vor drei Tagen erklärte der Bundeskanzler der SPÖ de facto seinen Rücktritt und sagte, dass er als Spitzenkandidat nicht mehr zur Verfügung steht. Einen Tag später: Es gibt Äußerungen sonder Zahl, dass Sie jetzt hier in freier Mehrheitsfindung die Studienbeiträge abschaffen werden, was dazu führt, dass Ihr Wissenschaftssprecher zurücktritt. Gestern trat Ihre Landesparteivorsitzende in Kärnten zurück.


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Der heutige Rücktritt eines SPÖ-Spitzenpolitikers ist noch ausständig, alle warten noch darauf. Sie sind in Auflösung begriffen. Sie kommen mit Ihren eigenen Positionen nicht mehr zu Rande. Das ist Ihr Problem, und das ist eigentlich traurig.

Es ist traurig, dass eine einstmals staatstragende Partei so weit gehen muss, dass sie sich einem Zeitungsherausgeber an den Hals wirft.

Es ist traurig, dass Ihr nunmehriger Spitzenkandidat Werner Faymann keine andere Möglichkeit sieht, als sich einem Zeitungsherausgeber an den Hals zu werfen, dort un­ter der Türe hineinzukriechen, um wenigstens die Zustimmung der „Kronen Zeitung“ zu finden. Das ist doch peinlich für eine staatstragende Partei! (Beifall bei der ÖVP. – Zwi­schenruf des Abg. Parnigoni.)

13.05


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Zu einer tatsächlichen Berichtigung ist Herr Klubobmann Strache zu Wort gemeldet. Sie kennen die gesetzlichen Bestimmun­gen: 2 Minuten Maximalredezeit. – Bitte, Herr Klubobmann.

 


13.05.27

Abgeordneter Heinz-Christian Strache (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Abgeordneter Elmar Mayer von der SPÖ hat wahr­heitswidrig behauptet, dass ein freiheitlicher Abgeordneter die Kollegin Rudas als „Gö­re“ bezeichnet hätte. – Das ist ausdrücklich zurückzuweisen, da unrichtig!

Diese Worte sind aus den Reihen der Freiheitlichen Partei und der freiheitlichen Parla­mentarier nicht gefallen! Das ist auch im Stenographischen Protokoll so nachzule­sen. – Wenn, dann handelt es sich um den Nachbarsektor. (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP.)

13.06


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordne­ter Ing. Hofer. 3 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


13.06.00

Abgeordneter Ing. Norbert Hofer (FPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Werte Mitglie­der der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Ich verstehe diese ganze Aufre­gung nicht. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Präsidentin Dr. Glawischnig-Piesczek gibt das Glockenzeichen.) Wir haben heute Wichtiges zu beraten. (Neuerliche Zwischenru­fe bei der ÖVP.) Herr Kollege, beruhigen Sie sich! Österreich hat wirklich andere Sor­gen! (Zwischenruf der Abg. Mag. Muttonen.) Bei der Wahrheit bleiben, meine Damen und Herren, ja: Bleiben wir bei der Wahrheit! Da möchte ich Ihnen auch sagen: Vorher hat ein Kollege, Werner Amon, gesagt, die ehemals staatstragende Partei SPÖ ist da­bei, sich aufzulösen. – Das mag sein, aber das ist auch kein Wunder, denn: Wenn der Koalitionspartner „Salzsäure“ über den Partner gießt, dann löst sich der Partner eben auf.

Meine Damen und Herren, aus meiner Sicht – da Kollege Zach da hinten sitzt –: Ich glaube, Anfang vom Ende der SPÖ war, dass auf einem Mandat der Sozialdemokratie Herr Zach kandidiert hat, der völlig diametrale Vorstellungen hat, für Ladenöffnungszei­ten ist, die 24 Stunden betragen sollen. Das war der erste große Fehler. Für Sie ange­nehm, Herr Zach, Sie haben sich billig „einkaufen“ lassen, aber für die SPÖ natürlich ein riesengroßer Fehler.

Dann ist man angetreten als „Sozialfighter“, meine Damen und Herren. Herr Bundesmi­nister Buchinger, ich habe Ihnen einmal so einen „Sozialfighter“ überreicht; ich habe heute wieder einen gebastelt und darf Ihnen einen geben. Lassen Sie ihn fliegen! (Der Redner dreht sich zur Regierungsbank um und übergibt Bundesminister Dr. Buchinger


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einen Papierflieger. – Rufe: Fliegt der wenigstens?) Lassen Sie ihn fliegen, er fliegt. Aber: Dieser „Sozialfighter“ ist leider aus Gründen, über die man diskutieren kann, nicht abgehoben; viele Dinge sind nicht geschehen.

Zum Beispiel: Wertanpassung beim Pflegegeld. – Wir haben einen Inflationsverlust von 20 Prozent; das Pflegegeld aber ist leider nicht wertangepasst worden. (Abg. Parnigo­ni: Schuld ist der Finanzminister!)

Was mir auch sehr leid tut: keine neue Schwerarbeiterregelung. Schwerarbeit wird im­mer nur dann berücksichtigt, wenn sie in den letzten 20 Berufsjahren anfällt, und da für mindestens zehn Jahre. Wir hätten eine neue, gerechte Schwerarbeiterregelung ge­braucht.

Nächster Punkt: Volle Anerkennung von Pflegezeiten als Pensionszeiten, eine bessere Hospizkarenz – all das wäre notwendig gewesen.

Oder: Abschaffung des Angehörigenregresses. – Warum, meine Damen und Herren, müssen Kinder, wenn Eltern pflegebedürftig werden, was ohnehin schwierig genug ist, auch noch die finanzielle Last tragen? Das ist doch ungerecht. Für jemanden, der kei­ne Kinder hat, wird das bezahlt. Wenn ich Kinder habe, dann müssen meine Kinder für mich als Pflegebedürftigen in die Tasche greifen. Das kostet sehr viel Geld. Das ist aus meiner Sicht ungerecht. (Abg. Parnigoni: Schuld ist der Finanzminister!)

Weiters: Mehrwertsteuer auf Medikamente und Heilbehelfe. – Warum muss man für eine Beinprothese Mehrwertsteuer bezahlen, meine Damen und Herren? Auch ein Punkt, den es zu verbessern gilt.

Oder: Indexanpassung bei Familienleistungen.

All das sind Dinge, die sozial notwendig gewesen wären und die der Sozialfighter, der unbewaffnet war, leider nicht umsetzen konnte.

Meine Damen und Herren! Ich habe mir eine Zeitung angesehen und darin gefunden, wie jetzt die SPÖ auch mit den Wählern umgehen zu können glaubt. Ich habe hier eine Zeitung der SPÖ, die sich mit den hohen Lebensmittelpreisen beschäftigt. Da steht:

„Der gute Tipp

Lebensmittel sind jetzt teuer wie nie.“ – Jetzt erwartet natürlich der Wähler, es kommt ein Lösungsvorschlag der SPÖ. Und da steht dann: „Ein einfacher Trick kann da Abhil­fe schaffen: Nicht hungrig einkaufen gehen!“

Und darunter: „Für jeden was: Bei uns. Die Zeitung der SPÖ“. – Das ist eine Zeitung der SPÖ. Daneben ein Rezept für den Fleisch-Käse-Strudel.

Da vorhin hier die Aufregung so groß war, weil man angeblich eine Mandatarin als „Gö­re“ bezeichnet hat, was zu verurteilen ist, hier steht: „Wia ma hålt so g’sågt håt ... Die erfolgreiche Serie der SPÖ“

Da steht: „Keiffn ... kritisches, humorloses Weib“ – nicht Frau, sondern „Weib“.

Dann als weiterer Punkt: „Fist ... leichter, stinkender Bauchwind“.

Meine Damen und Herren, wenn das die Wahlkampfbroschüren der SPÖ sind, mit de­nen Sie glauben, erfolgreich in den Wahlkampf ziehen zu können, dann wünsche ich Ihnen viel Glück und alles Gute! (Beifall bei der SPÖ.)

13.10


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemel­det.

Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.


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Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang
in 666 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstim­mig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend in Rechnung stellen der Kos­ten bei vorgezogenen Neuwahlen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Damit abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Sburny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wahlkampfkostenbegrenzung durch Transparenz.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Scheibner, Kollegin und Kollegen betreffend anteilige Kürzung der Wahl­kampfkostenrückerstattung im Falle einer vorzeitigen Auflösung des Nationalrates.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

13.12.252. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (610 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Tabakgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungs­gesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversi­cherungsgesetz geändert werden (656 d.B.)

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Ta­gesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch-Jenewein. 4 Minu­ten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


13.12.56

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Es liegt uns heute ein Gesetzesvorschlag vor, der auf ein generelles Rauchverbot in Gastronomiebetrieben abzielt. Davon betroffen sind in Österreich insgesamt mindestens 60 000 Gastronomiebetriebe, Kaffeehäuser, Gast­häuser. Dazu kommen auch noch Buschenschanken, Veranstaltungen, wo das Verab­reichen von Speisen und Getränken erlaubt ist, Zeltfeste und so weiter. Das ist also schon etwas, was eher bedenklich ist.

Ich glaube, wir sind uns in einem einig: dass Rauchen sehr gesundheitsschädlich ist. Das brauchen wir, wie ich meine, hier nicht zu betonen. Aber das Problem lösen wir nicht durch ein Rauchverbot in Gastronomiebetrieben. Das eigentliche Problem ist bei-


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spielsweise im häuslichen Bereich viel größer. Das Zusammenleben mit einem Part­ner, der raucht, ist weit schädlicher als ein Lokal aufzusuchen. Noch dazu suche ich ein Lokal freiwillig auf, also ich setze mich da einer Gefährdung meiner Gesundheit be­wusst aus.

Daher glaube ich, dass dieses Gesetz am eigentlichen Problem wirklich vorbeigeht. Es wird keinen einzigen Menschen dazu bringen, von seiner Zigarette abzulassen. Es wird keinen einzigen Menschen dazu bringen, mit dem Rauchen aufzuhören. Daher ist die­ses Gesetz meiner Meinung nach ein bisschen ein Selbstzweck und eine Alibiaktion.

Wir wären besser beraten und es wäre sinnvoller, wir würden Maßnahmen setzen, um den Rauchern auch Hilfestellungen anzubieten, von ihrem Laster loszukommen, von ihrer Sucht loszukommen. Und es ist ja kein Geheimnis, die häufigsten Neujahrsvorsät­ze der Österreicherinnen und Österreicher sind jedes Jahr, mit dem Rauchen aufzuhö­ren. Und jedes Jahr scheitern Zigtausende Österreicher an genau diesem Vorhaben und sind wieder zurück bei ihrem Problem.

Daher wäre es weit sinnvoller, wenn man es ehrlich damit meint, dass wir die Men­schen in diesem Land gesünder machen sollen und sie auch wirklich vom Rauchen wegbringen wollen, Folgendes zu machen: Nehmen wir die Tabaksteuer, die ja nicht gerade gering ist, machen wir eine Zweckbindung auf diese Tabaksteuer und lassen wir sie genau diesen Menschen wieder zugute kommen, indem wir ihnen Therapie­möglichkeiten anbieten, die sie auch wirklich vom Rauchen wegbringen können, indem wir ihnen Unterstützung geben, indem wir diesen Menschen auch Hilfestellung geben.

Ich glaube nicht, dass es Sinn macht, hier eine Raucherhatz zu betreiben, indem man Raucher mit großen Strafen quasi verfolgt und mit großen Strafen versucht, sie vom Rauchen wegzubringen. Eine positive Motivation ist eine weit sinnvollere, weit bessere und weit erfolgreichere. Und letztendlich ist es das, was ja unser gemeinsames Ziel ist. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

13.15


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Rasinger. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.15.48

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Die heutige Novelle zum Tabakgesetz ist ein weiterer meiner Meinung nach wichtiger Schritt in Richtung Gesundheitsschutz.

Angefangen haben wir 1996, als wir zum ersten Mal, damals mit Ministerin Krammer, versucht haben, ein Tabakgesetz durchzubringen. Damals war die Ausgangslage ganz anders als heute, damals wurde von der Tabakindustrie glatt bestritten, dass Rauchen überhaupt schädlich ist. Mühsam haben wir im öffentlichen Bereich erreicht, dass klei­ne Räume rauchfrei gestellt wurden, ganz kleine Aufschriften. Das war der Start.

Seitdem hat sich ja sehr viel getan, erstens weltweit, zweitens europaweit, aber drittens auch in Österreich. Der letzte Schritt war die freiwillige Vereinbarung der Bundesminis­terin Rauch-Kallat mit der Gastronomie. Und Sie sehen es tagtäglich, es gibt kaum ein Lokal, wo nicht eine Nichtraucherzone ausgewiesen ist. Es gibt so eine Art, möchte ich sagen, friedliches Nebeneinander, wobei man das „friedlich“ schon unter Anführungs­zeichen stellen muss, manche Raucher sind schon ziemlich rücksichtslos.

Das heutige Gesetz wendet sich an einen kleinen Kreis, das muss man schon sagen, nämlich die Gastronomie, denn zu glauben, dass das Tabakproblem gelöst ist, wenn beim Weggehen weniger geraucht wird oder man Rauch nicht ausgesetzt ist, ist ein Irr-


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tum. Die Gefährdung entsteht vor allem durch das Selberrauchen. Das Passivrauchen ist wahrscheinlich mindestens zehnmal weniger gefährlich, ungefährlich würde ich nicht sagen.

Wenn Sie sich die Zahlen der WHO anschauen, dann werden Sie sehen, dass Rau­cher acht Jahre früher sterben und 30 Prozent aller – aller! – Karzinome – das wären in Österreich 11 000 – durch das Rauchen verursacht sind, 85 Prozent der COPD, wo die Leute qualvoll ersticken, 85 Prozent von Kehlkopfkrebs und Lungenkrebs, die durch Rauchen entstehen. Es muss also unser Fokus einmal in Richtung Aktivrauchen ge­hen. Beim Passivrauchen findet sich der Hauptschädigungsfaktor in der familiären Um­gebung. Fragen Sie einmal die Kinder, die dann an Asthma leiden oder eine schlechte­re Entwicklung der Lunge haben, die im häuslichen Raum passiv bequalmt werden. Das heißt, so muss man das Problem einmal einordnen. (Abg. Dr. Graf: Alle, die jetzt nicht hier sind, sind gerade rauchen!)

Aber auch in der Gastronomie ist Schutz der Nichtraucher wichtig, und ich glaube, die­ser Weg ist ein vernünftiger Schritt. Ich weiß, dass es im Ausland Bestrebungen gibt, eine Art von totalem Nichtraucherschutz in der Gastronomie herzustellen.

Erstens ist es, wie ich vorhin schon gesagt habe, ziemlich blauäugig, denn es löst das Gesamtproblem überhaupt nicht, aber zweitens wissen wir, dass es natürlich europa­weit Unterschiede gibt. Zwischen Italien, Deutschland und Österreich sind schon Unter­schiede. In Italien geht einer einfach raus. In Deutschland wurde das totale Rauchver­bot vom Verfassungsgerichtshof, Landesverfassungsgerichtshof gekippt, weil Wirte nachweisen konnten, dass das praktisch 20 Prozent weniger Umsatz bedeutet, das für viele existenzgefährdend war. Deshalb wurde das totale Rauchverbot dort gekippt.

Daher ist, glaube ich, der österreichische Schritt ein wichtiger Schritt nach vorne. Ich bin aber überhaupt nicht blauäugig, ich bin sicher, dass der Trend von Seiten der EU, aber auch der gesellschaftliche Trend eigentlich eher in Richtung Nichtrauchen geht. Als Arzt sage ich Ihnen: Das ist auch ganz gut so. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abge­ordneten der SPÖ.)

13.19


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Klub­obmann Ing. Westenthaler. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.19.52

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (BZÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Wir vom Bündnis Zukunft Österreich haben ja den Kampf sofort aufgenom­men, als das Gerücht aufkam, diese Regierung möchte allen Ernstes – und das ist ja in der SPÖ noch immer vorherrschende Meinung – ein generelles Rauchverbot für alle Lokalitäten in Österreich.

Offenbar gibt es die nächste Krisensitzung – Herr Klubobmann Cap, nur damit Sie sie nicht versäumen! Es ist nämlich keiner da hinter Ihnen. Es ist völlig leer. (Zwischenruf des Abg. Dr. Niederwieser.) – Ja, wir sind recht gut vertreten, muss ich sagen; bei uns ist die Mehrheit hier.

Wir sind daher froh darüber, dass wir mit einer Unterschriftenaktion, mit 20 000 Unter­schriften hauptsächlich von betroffenen Gastronomen, hier im Hohen Haus auch ein bisschen Druck erzeugen konnten, weil wir wirklich der Meinung sind, dass ein gene­relles Rauchverbot etwas ist, was massiv abzulehnen ist. Das ist eine Verbotspolitik, ein Eingriff in die persönlichen Freiheiten sowohl der Gäste, die in ihrer Freizeit ja ent­scheiden wollen, wo sie hingehen und nicht hingehen, aber vor allem auch der Gastro­nomen und Unternehmer, die unserer Meinung nach auch selbst entscheiden sollen, ob sie ihr Lokal zu einem Raucher- oder Nichtraucherlokal machen.


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Es muss überhaupt Schluss sein mit dieser grassierenden Verbotsmentalität, die sich in den letzten Monaten durchgesetzt hat: Rauchverbot, Handyverbot in Graz – übri­gens interessanterweise alles auf Initiative der ÖVP; ich weiß nicht, wo da innerhalb der ÖVP die Liberalität geblieben ist. Das Nächste ist vielleicht eingeschränktes Essen. Besteuern wir als Nächstes Fett im Essen! Und dann dürfen wir vielleicht auch nur mehr das trinken, was die Politik uns vorschreibt.

Das ist eine Entwicklung, die wir als liberal denkende Menschen keinesfalls zur Kennt­nis nehmen können. Daher setzen wir uns auch dafür ein, dass der Unternehmer auf der einen Seite und der Gast in seiner Freizeit auf der anderen Seite frei entscheiden können, was sie tun und lassen und was nicht, meine sehr geehrten Damen und Her­ren! (Beifall beim BZÖ.)

Es war schon ein Erfolg, den wir uns auch auf unsere Fahnen heften, dass dieses ge­nerelle Rauchverbot nicht kommt. Es ist übrigens überall dort, wo es eingeführt wor­den ist, gescheitert: Die Bayern ziehen zurück; die CSU hat kalte Füße bekommen. In Italien gibt es massive Umsatzeinbrüche in der Gastronomie. In Deutschland gibt es bis zu 70 Prozent an Umsatzeinbrüchen dort, wo generelles Rauchverbot gilt. Verbun­den ist das mit unangenehmen Nebenerscheinungen, wie etwa, dass Leute in Scharen vor Lokalen stehen und dort rauchen. Dann kommt die dadurch bedingte Lärmbelästi­gung für Anrainer dazu. Es sind Kettenreaktionen von Unsinnigkeiten, die da entste­hen.

Daher sagen wir klipp und klar: Die Lösung liegt auf der Hand. Es soll jeder Unterneh­mer, jeder Gastronom selbst entscheiden, ob er sein Lokal zu einem Nichtraucher-, zu einem Raucherlokal macht, ob er eine Mixzone macht oder zwei verschiedene Zonen. So viel Freiheit muss doch gewährleistet sein! Er trägt ja dann auch die Verantwortung dafür. Er trägt dafür die Verantwortung, ob überhaupt noch jemand zu ihm kommt oder nicht. Und er trägt auch dafür die Verantwortung, ob er letztlich damit erfolgreich ist oder nicht. (Beifall beim BZÖ.)

Wir sind aber auch dafür, dass es neben dieser freien Entscheidung für Gastrono­men und für Gäste durchaus auch zu einer verstärkten Förderung – das ist ein we­sentlicher Punkt! – von wirklich guten Entlüftungsanlagen kommt. (Zwischenruf des Abg. Dr. Niederwieser.)

Es gibt Lokale in Wien, die wir kennen, da wird gepofelt und geraucht, was das Zeug hält, und die Luft dort ist trotzdem gut, weil die Entlüftung dort funktioniert. Das ist zwar sündteuer, aber es wäre auch eine Möglichkeit, die Anschaffung dieser Lüftungsanla­gen entsprechend zu unterstützen.

Wir sind auch dafür, dass man verpflichtend gleich bei der Tür kennzeichnen soll, ob das Lokal ein Raucherlokal oder nicht ist, dass jeder weiß, bevor er hineingeht, wo er hingeht.

Ich kann mir sogar vorstellen, dass man zeitlich befristete Rauchverbote in einem Spei­serestaurant macht, wo gegessen wird: zur Mittagszeit, zur Abendzeit, von dann bis dann. Das sollte man aber auch nicht vorschreiben, sondern empfehlen, und der Gas­tronom soll das selbst entscheiden.

Die Aussagen der Gäste und auch der Gastronomen zeichnen ja eine klares Bild. – Das ist übrigens eine Umfrage der Wirtschaftskammer vom April des vergangenen Jahres, Frau Ministerin! – Unter dem Titel „Die Gäste brauchen es nicht und die Wirte wollen es nicht“, nämlich diese Bevormundung, sprechen sich mehr als die Hälfte der Gastronomen für die Wahlfreiheit aus, nur 14 Prozent sind für eine gesetzliche Tren­nung.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 94

Diese Gesetzesvorlage können wir deshalb nicht unterstützen, weil Sie die Wirte in eine Grauzone schicken, die inakzeptabel ist. Da wird ein Bürokratie-Wust für Lokale mit über 50 Quadratmetern aufgebaut. Wie das funktionieren soll, weiß ich nicht. Ich weiß auch nicht, wie jemand überhaupt die Entscheidung herbeiführen soll, ob sein Lo­kal geteilt wird oder nicht.

Ich denke, man hätte die Finger überhaupt davon lassen sollen. Wir sind hier für gänz­liche Freiheit – und nicht für Bevormundung, nicht für Zwang und nicht für Verbote, denn das widerspricht einer liberalen Gesellschaftspolitik. (Beifall beim BZÖ.)

13.24


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Keck. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.25.00

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Minister! Als vor vielen Jahren das Arbeitnehmerschutzgesetz verabschiedet wurde, dass in Büroräumen oder auf Arbeitsplätzen, wo ein Nichtraucher ist, nicht mehr geraucht werden darf – ich war, die Betonung liegt auf war, ein sehr, sehr starker Raucher –, habe ich mir gedacht: Das ist nicht umsetzbar; diese Verbotspolitik lässt sich nicht umsetzen! Wir haben Bei­spiele gehabt: 20 Raucher, ein Nichtraucher, der es wollte. Es waren wirklich fürchterli­che Konflikte. Aber es ist geschafft worden, die Vernunft hat gesiegt, das Rauchverbot hat sich durchgesetzt. Es wird in diesen Räumen nicht mehr geraucht.

Dieser Arbeitnehmerschutz setzt sich jetzt auch in der Gastronomie fort. Es dürfen dort Jugendliche und werdende Mütter in Räumen, in denen geraucht wird, nicht mehr ar­beiten. Im Kollektivvertrag soll verankert werden, dass eine Abfertigung gewährt wird, wenn die Arbeitsstelle wegen der Einwirkung des Passivrauchens gekündigt wird. Ich denke, ein Arbeitnehmerschutz, den wir in allen anderen Bereichen haben, ist auch in der Gastronomie notwendig, denn man soll Jugendliche nicht dem Rauch aussetzen.

Meine Damen und Herren, glauben Sie mir eines: Ich war 38 Jahre lang begeisterter Raucher (Abg. Dr. Van der Bellen: Nur?!) Seit einem halben Jahr aber rauche ich nicht mehr. (Abg. Dr. Graf: Und nervös bist du auch, und deswegen ist die Regierung geplatzt!) Das ist zwar eine kurze Zeit, muss man sagen, aber eines habe ich in die­sem halben Jahr festgestellt: Wenn ich in ein Lokal gehe – und das ist mir vorher nicht aufgefallen –, in dem geraucht wird, ist es unangenehm, wenn ich dort esse, wenn ich etwas trinke und wenn ich mich unterhalte. Ich habe selbst jahrelang – das gebe ich zu – andere Personen mit meinem Rauch belästigt. Mir fällt aber jetzt auf, dass das wirklich eine Belästigung ist.

Man soll das nicht machen. Ich bin jetzt etwas polemisch – und vielleicht nach 38 Jah­ren geläutert –, und daher sage ich: Wenn man jahrelang ratenweise – ich sage es hart – Selbstmord betreibt, weil man sich selbst gesundheitlich ruiniert, soll man das nicht mit anderen machen, sondern diese Menschen schützen.

Ich denke, wenn ich mir dieses Rauchverbot ansehe, dass es kein sehr strenges ist, denn es gibt viele Ausnahmen. Zum Bespiel darf in Lokalen mit weniger als 50 Qua­dratmetern nach wie vor geraucht werden. In Lokalen, die zwischen 50 und 80 Qua­dratmeter groß sind und bei denen eine Teilung bautechnisch nicht möglich ist – das kann die Behörde entscheiden –, darf auch weitergeraucht werden. Und in Lokalen, die größer als 80 Quadratmeter sind, ist das Rauchen gestattet, wenn dafür ein geeigneter Raum eingerichtet wird, der maximal 50 Prozent der Gesamtfläche des Lokals umfasst. Das heißt, es werden in der Gastronomie beide Gruppen befriedigt.

Ich denke, dass es ein gutes Gesetz ist, und nachdem jemand bin, der beide Seiten kennengelernt hat, kann ich das auch für beide Seiten beurteilen. Der nächste Redner


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ist ein starker Raucher und wird natürlich anders argumentieren. Ich denke, dass die­ses Gesetz zum Schutze der Nichtraucher gut ist, und man soll von den Rauchern wirklich verlangen dürfen, dass sie Rücksicht auf die Nichtraucher nehmen. Mit diesem Gesetz wird ihnen ein kleiner Teil vorgeschrieben. Ich glaube, diese Verantwortung werden sie auch tragen können. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Graf: Wenn in der Re­gierung mehr Leute rauchen würden, dann wäre sie nicht geplatzt, dann hättet ihr eine Friedenspfeife geraucht!)

13.27


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Lutz Weinzinger. 2 Minuten Redezeit. – Bitte. (Zwischenruf des Abg. Lutz Weinzinger auf dem Weg zum Rednerpult.) – Wollen Sie 5 Minuten Redezeit? – Gut.

 


13.28.04

Abgeordneter Lutz Weinzinger (FPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Präsident! Wir haben heute kurz nach dieser interessanten Diskussion und Debatte vor dem Auflösungsbeschluss dieses Nationalrates und dieser Regierung eine „Abstim­mung mit den Füßen“ miterlebt: Es sind alle gegangen. Sie wussten genau, dass es um dieses Problem geht. Es interessiert niemanden. Sie sind gegangen. Das heißt, wenn wir jetzt abstimmen, hier auf der Stelle, kriegen wir nicht einmal das Quorum zu­sammen. (Abg. Ing. Westenthaler: Dann haben wir eine Mehrheit!) Dann haben wir eine Mehrheit, wir, die wir rauchen!

Meine Damen und Herren, es geht darum, dass wir da in die Selbstbestimmung des Menschen eingreifen wollen. Wir wollen in einen Bereich eingreifen, der beachtliche Auswirkungen wirtschaftlicher, aber auch kultureller Natur hat. Das Rauchen ist ein Teil unserer Kultur seit 300 Jahren.

Rauchen ist nicht gesund, keine Frage. Es sind aber auch viele andere Dinge nicht ge­sund. Seit einigen Jahrzehnten – Gott sei’s geklagt! – haben wir eine neue Kultur, die vor allem von der Jugend sehr begeistert angenommen wurde: das so genannte Fast­food. Wollen wir das jetzt auch verbieten? Wir wissen, wie ungesund das ist. Wir wis­sen, wie bedenklich das ist. Wir wissen, dass die Essensgewohnheiten eine Problema­tik darstellen und dass ein beachtlicher, immer höher werdender Prozentsatz unserer Kinder und unserer Jugend – entschuldigen Sie jetzt diesen bösen Ausdruck – verfet­tet. Und das ist nicht gesund. Verbieten wir jetzt das Fastfood? Verbieten wir McDo­nald’s? Die werden sich wehren, denn da steckt Lobbyismus dahinter, und zwar starker Lobbyismus.

Wir Raucher haben keine Lobby. Wenigstens die Raucher bisher hatten aber zumin­dest Erziehung, Anstand und Benehmen. Und diese Erziehung und dieser Anstand und dieses Benehmen brachten sie dazu, dass sie selbstverständlich mit ihrem Rauchen niemanden behelligt haben.

Da gibt es ja die berühmte Anekdote: Im Speisewagen eines Zuges – es muss schon lange her sein, denn heute darf man ja gar nicht mehr rauchen – sitzt ein alter Oberst. Ein junger Offizier setzt sich dazu, der Oberst isst gerade, und der junge Offizier fragt ihn: Herr Oberst, stört es Sie, wenn ich rauche? – Daraufhin sagt dieser: Das weiß ich nicht, ob mich das stört, denn es hat noch nie jemand gewagt, zu rauchen, während ich esse!

Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass man Rücksicht auf den Nichtraucher nimmt, es ist eine Selbstverständlichkeit, dass man an einem Tisch, zu dem man sich setzt, fragt: Stört es euch, wenn ich rauche, oder stört es nicht? – Und wenn einer sagt: Es stört mich!, dann raucht man eben nicht.


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Es ist aber eine Unglaublichkeit, dass man das per Gesetz verordnet! So kann es nicht sein! Es kann doch nicht sein, dass man nicht dem Einzelnen diese Entscheidung überlässt. Es kann doch nicht sein, dass man damit gewachsene Kultur zerstört. Unse­re Stammtische, die es sowohl in der Stadt als auch auf dem Land gibt, sind gewach­sene Kultur, und an diesen Stammtischen wird seit drei Jahrhunderten geraucht, wenn nicht länger.

Es ist selbstverständlich so, dass man Rücksicht nimmt. Haben Sie erlebt, wie das in Italien ausschaut, wenn alle vor dem Lokal, vor dem Restaurant stehen und dort rau­chen und versuchen, irgendeine Art von Aschenbecher zu erreichen, wo sie ihren Tschick hineinschmeißen. Und im Restaurant ist niemand drinnen! Wollen Sie das ha­ben? (Abg. Dr. Niederwieser: Ja!) Wollen Sie wirklich, dass wir in Zukunft die Gesell­schaft in Raucher und Nichtraucher teilen? Wollen Sie das haben?

Diese Teilungstendenzen haben ja einige politische Kräfte bei uns schon seit einiger Zeit: Teilung in Mann und Frau (Ruf bei der SPÖ: Das ist leider von Natur aus gege­ben!), Teilung in Raucher und Nichtraucher, Teilung in verheiratete Frauen und nicht verheiratete Frauen. (Abg. Dr. Van der Bellen: Da ist aber die Regierung nicht schuld! – Abg. Öllinger: Ausländer und Inländer!) – Ausländer und Nichtausländer – richtig –, auch diese Teilung will ich nicht! (Allgemeine Heiterkeit.) Ich mag Ausländer, die bei uns zu Besuch sind. (Beifall bei der FPÖ.) Und ich mag auch Ausländer, die zu uns kommen und bei uns einwandern wollen. Da habe ich gar nichts dagegen, dann sollen sie aber die entsprechenden rechtlichen Voraussetzungen erfüllen. Ich habe nichts gegen Einwanderung, aber Einwanderung auf dem Weg, der dafür vorgesehen ist – und nicht mit Wegschmeißen des Ausweises, um dann schwarz über die Grenze zu gehen und dann zu sagen: Asyl! – Das ist der falsche Weg.

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, dieses Gesetz nicht zu beschließen. Ich bitte Sie, Rücksicht auch auf einen ganz wesentlichen Teil unserer Wirtschaft, der für unse­re Art des Zusammenlebens wichtig ist, zu nehmen, nämlich auf unsere Wirte. Was sollen die jetzt machen? Sie werden ja mit Strafe bedroht. Sollen sie die Raucher hi­nausschmeißen? – Eine Katastrophe! Oder die Raucher nicht hinausschmeißen und dort rauchen lassen, wo sie nicht dürfen? – Eine Katastrophe! Oder sollen sie die Nichtraucher hinausschmeißen? – Eine Katastrophe! (Abg. Dr. Niederwieser: Eine Ka­tastrophe ist etwas anderes!)

Ich bin in vielen Bereichen nicht der Meinung meines Vorvorredners, des Klubobman­nes Westenthaler, aber hier hat er recht: Hier muss man die freie Entscheidung der Wirtschaft überlassen, die freie Entscheidung: Ich bin ein Nichtraucherlokal, ich bin ein Raucherlokal, ich bin ein gemischtes Lokal, hier kann man rauchen und in abgetrenn­ten Bereichen nicht rauchen. (Abg. Mag. Trunk: Genau das wird es geben! Deswegen müssen Sie jetzt ja sagen!) Das kann man machen, aber doch nicht mit solchen Zwangsmaßnahmen.

Meine Damen und Herren, nehmen Sie Rücksicht auf eine aussterbende Rasse: auf uns Raucher! (Beifall bei der FPÖ.)

13.34


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


13.34.46

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Gestatten Sie mir, zum Tabakgesetz Stellung zu neh­men, obwohl ich bei den Grünen nicht für Knigge zuständig bin und auch nicht der grü­ne Kultursprecher bin! (Heiterkeit bei Grünen und ÖVP.)


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Über dieses Gesetz wurde seit Monaten diskutiert. Ich muss sagen, manche Argumen­te trieben schon skurrile und obskure Blüten. Die Gegner des Gesetzes oder die Pro-Rauch-Bewegung wollten statistisch dingfest machen, dass die Zahl sich selbst suizi­dierender Gastronomen wöchentlich massiv und statistisch signifikant ansteigt. Man­che sprachen: Sie stürzen sich von ihren Dachterrassen!, andere wollten sogar be­haupten, dass das Passivrauchen ein Stimulans für das Immunsystem und für die Ge­sundheit und Abwehrkraft der Leute notwendig ist.

Bleiben wir bei den Tatsachen. Unbestritten ist: Rauchen ist schädlich. Ich will Ihnen die ganzen Erkrankungen gar nicht aufzeigen. Viele führen zu schwersten Behinderun­gen, zu hohen Kosten – und nicht wenige auch zum Tode. Das ist unbestritten. Trotz­dem muss man der Tatsache ins Auge schauen, dass eine Gesellschaft ohne Sucht und ohne Orte oder Zeiten der Lust – so sage ich jetzt einmal – eine Utopie ist, die auch per Gesetz nicht abzudrehen ist.

Was tut man daher? Ich glaube, es ist natürlich Aufgabe des Staates und unser aller, zu schauen, dass jeder/jede in Österreich das bestmögliche Recht hat, seine/ihre Ge­sundheit zu schützen. Das ist mit Anstrengungen zu bewerkstelligen. Was aber sicher nicht geht, ist, jeden Mann und jede Frau zu einem gesunden Leben per Gesetz zu verpflichten. Das wird scheitern, und das muss man zur Kenntnis nehmen, ob es einem jetzt passt oder nicht.

Dieses Gesetz ist daher nicht nur unter dem Blickwinkel von Schwarz-Weiß- oder Al­les-oder-nichts-Kategorien zu sehen, sondern es ist ein Kompromiss gegenüber einem Ist-Zustand, der sicher für viele unerträglich ist. Das bietet in Zukunft schon Möglichkei­ten und Sicherheiten an, dass Nichtraucher bedeutend besser als bisher geschützt werden. Jedes Lokal, das über 70 Quadratmeter groß ist, ist verpflichtet, diese Tren­nung vorzunehmen, und ein beträchtlicher Teil der kleineren Lokale wird zu Nichtrau­cher-Lokalen werden. Das war bisher nicht der Fall.

Einigen ist das zu wenig – ich sehe das –, anderen ist bereits das zu viel. Wir werden uns bemühen müssen, diesen Nichtraucherschutz besser als bisher zu handhaben. Daher ist dieser Schritt, wenn er auch für viele ein zu kleiner ist, zumindest zu begrü­ßen. Denn: Was ist die Alternative? – Es gäbe kein Gesetz, wir würden den Status quo weiter fortschreiben.

Daher stimmen wir dieser Gesetzesvorlage zu, meinen aber doch, dass man es sehr genau auf die Auswirkungen, auf den Grad der Umsetzung evaluieren muss, um zu se­hen, ob dieser eine Schritt genügt oder ein zweiter folgen muss. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

13.38


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dolinschek. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


13.38.24

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Bundesminister! Wir vom BZÖ treten für eine friedliche Koexistenz von Nichtrauchern und Rauchern ein – und damit für getrennte Raucher- und Nichtraucher­zonen. Dies erreicht man nicht mit Zwängen und Verboten, sondern mit vernünftigen Lösungen wie einer deutlichen Kennzeichnung von den einzelnen Lokalen. Es müsste den Gastronomen vorbehalten bleiben, wie sie ihre Betriebe einrichten und auch be­treiben wollen. Auch den Gästen sollte es freigestellt sein, ob sie Raucherlokale aufsu­chen oder Nichtraucherlokale bevorzugen.

Umfragen haben ergeben, dass sich 70 Prozent der Österreicherinnen und Österrei­cher für eine Wahlmöglichkeit und gegen Verbote aussprechen. Rund 20 000 Unter-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 98

schriften hat eine Bürgerinitiative mit der Forderung „Ohne Verbot geht’s auch“ gegen ein generelles Rauchverbot in Gastronomiebetrieben gesammelt. Die Unterzeichner dieser Initiative treten dafür ein, dass es laut Tabakgesetz jedem Gastronomiebetrieb, wie bereits gesagt, unbenommen bleiben soll, ob er in seinen öffentlich zugänglichen Lokalitäten entweder ein absolutes Rauchverbot, ein räumlich begrenztes Rauchverbot oder eine allgemeine Raucherlaubnis geben soll.

Gastronomiebetriebe sollen bei der Entscheidung in dieser Frage Wahlfreiheit haben – dieser Meinung bin ich –, und das jeweilige Lokal sollte von außen deutlich gekenn­zeichnet sein.

Für einen aktiven Nichtraucherschutz bin ich genauso, aber strikt gegen den Beginn einer Politik, bei der es nur mehr um Verbote, um Zwänge und um Einschränkungen geht – einer Politik, die diese Koalition jetzt vorangetrieben hat. Diese ist ja nun zu En­de, das ist das Gute. Wer in Eigentumsrechte der Gastronomen sozusagen eingreift, nimmt auch den Gästen gewisse Grundrechte.

Dass man Strafen zwischen 2 000 € und 10 000 € für Gastronomen oder zwischen 100 € und 1 000 € für Gäste vorsieht, und das nur wegen ein paar Zigaretten, ist mei­ner Meinung nach in höchstem Maße untragbar. Raucher sind ja keine Kriminellen, sie werden hier nur kriminalisiert. Wer so etwas verlangt, der handelt für mich in keinem Fall demokratisch, sondern undemokratisch. Der Bedarf schafft die Regel, und nicht umgekehrt!

Wir fordern daher eine Wahlfreiheit für Raucher und Nichtraucher. Es soll für jeden Bürger in Österreich auch in Zukunft diese Möglichkeit bestehen – und nicht so wie in anderen Ländern, wo die Scheidungsrate, wie sich in Italien gezeigt hat, wesentlich an­gestiegen ist, weil das „Anbandeln“ draußen vor dem Lokal natürlich viel einfacher ge­worden ist. (Beifall beim BZÖ. – Heiterkeit der Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein. – Abg. Neugebauer: Habt ihr das wissenschaftlich untersucht, die Anbandlerei?)

13.41


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Höllerer. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


13.41.43

Abgeordnete Anna Höllerer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Frau Bun­desministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach einer ausgiebigen Diskussions­phase konnte man einen Kompromiss finden und hat nun eine praktikable und gute Lö­sung im Sinne des Schutzes der Nichtraucher gefunden. Es ist ein generelles Rauch­verbot, das wir heute mit dieser Gesetzesmaterie verhandeln, das in allen Gastrono­miebetrieben gelten wird – mit bestimmten Ausnahmen, wo es die baulichen Gegeben­heiten nicht erlauben, und unter Berücksichtigung von ausgewiesenen, abgegrenzten Raucherzonen. Das heißt, dass in allen Restaurants, in Bars, Cafés, Kaffeehäusern und Konditoreien, aber auch auf bewirtschafteten Schutzhütten oder in Almwirtschaften und auch bei allen Heurigen der Nichtraucherschutz – also diese Abgrenzung, sage ich jetzt einmal, auf bestimmte Gebiete, wo Rauchen erlaubt ist – stattfinden wird.

Ich bin auch sicher, dass allein schon mit der Verabschiedung dieses Gesetzes eine bestimmte Sensibilisierung bei den Bürgerinnen und Bürgern eintreten wird. Es ist auch heute schon so, dass man als Raucher in einem Restaurant am Verhalten der Nichtrauchergäste merkt, dass in Räumlichkeiten, in denen gegessen wird, Rauchen störend und unerwünscht ist. Ich denke, dass das Verlassen von Nichtraucherzonen, um in den Genuss einer Zigarette zu kommen, zur Selbstverständlichkeit werden wird.

Das ist auch gut so: gut für die Menschen, die sich in Restaurants, in Räumlichkeiten, in denen eindeutig nicht geraucht wird, wo es also rauchfrei ist, wohlfühlen wollen, und


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gut natürlich auch für alle Menschen, die in Restaurants arbeiten, weil sie dann in die­sen Zonen, wo nicht geraucht werden darf, auch nicht dem Passivrauchen ausgesetzt werden.

Ich denke, dass wir mit diesem Gesetzesbeschluss einen guten und richtigen Weg ge­hen, der dazu führen wird, dass uns zukünftig ein gesünderer Aufenthalt in unseren Gastrobetrieben möglich sein wird, womit auch ein Gewinn an Lebensqualität für viele Menschen verbunden sein wird. Ich bin auch der Überzeugung, dass diese Panikma­che, die es am Anfang bezüglich der Überregulierung und bezüglich der Beeinträchti­gung der persönlichen Freiheit gab, bald im Sande verlaufen wird und sich das Ganze in Wohlgefallen auflösen wird. – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Lutz Weinzinger: Die Stammtische werden sich in unserem Land auflösen! – Cannabis, sagt ihr alle, darf man rauchen! Cannabis darf man rauchen ...!)

13.44


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


13.44.28

Abgeordneter Mag. Dr. Martin Graf (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Nachdem Kollege Lutz Weinzinger vergessen hat, etwas zu erwähnen, habe ich mich auch noch auf die Rednerliste reklamiert, und außerdem verdient dieses Thema auch mehr Aufmerksamkeit. Und daher freue ich mich, dass ich jetzt hier sprechen kann.

Nun, man kann dieses Thema natürlich über den Arbeitnehmerschutz und über vieles andere abhandeln. Und wenn ich dann vom Kollegen Niederwieser Zwischenrufe höre wie, es sei ja keine Katastrophe, wenn die Gastronomie weniger Umsatz macht, dann darf ich dem schon entgegenhalten: Vielleicht ist das in der Allgemeinheit so, aber der einzelne Wirt, der tatsächlich Umsatzeinbrüche hat, muss in Zeiten wie diesen gar nicht Umsatzeinbrüche von 20 Prozent haben, um kurzfristig in den Konkurs zu gehen, sondern da genügen schon Umsatzrückgänge im Ausmaß von 3 bis 5 oder vielleicht 7 Prozent, denn wir wissen ja, dass die Gastronomie, was die Eigenmittel, das Eigen­kapital betrifft, ganz schwach ausgestattet ist und ohnedies schon zu kämpfen hat – mit der Konkurrenz, aber auch international und Ähnliches mehr. Vielleicht will man auch eine Bereinigung?

Es ist auch eine Kulturfrage. Stellen Sie sich doch ein Kaffeehaus wie das Hawelka und ähnliche Lokale vor: Da gehen die Nichtraucher doch gerne hinein – und dann dür­fen sie eigentlich nicht mehr! Und wenn eine Frau schwanger ist, dann darf sie dort in Wirklichkeit auch nicht mehr hineingehen. (Abg. Wöginger: Als Arbeitnehmerin!)

Man kann natürlich jetzt beginnen, alle einzeln abzustrafen. (Abg. Wöginger: Als Ar­beitnehmerin, Herr Dr. Graf!) – Ja, jeder Vergleich hinkt, das wissen wir schon. Und Sie von der ÖVP mit Ihrem Wirtschaftsbund werden es wieder hervorragend in der Gastro­nomie den Wirtsleuten beibringen, wie toll Sie nicht gekämpft haben dafür, dass weiter­hin ein bisserl geraucht werden darf und dass man das Ganze etwas abgemindert hat. – Sie werden sehen, es werden genug sein, die am Ende abgestraft werden.

Ich sage auch: Es gibt in der Regel nicht die intoleranten Raucher, sondern es gibt eher die intoleranten, militanten Nichtraucher, die oftmals sehr aggressiv sind. Das möchte ich auch nur zu einem meiner Vorredner sagen.

Wir haben aber insofern einen Ausweg gefunden, als wir sagen: Wir sollen uns doch dazu bekennen! Man soll zu etwas stehen bei der Abstimmung! – Es ist ja wieder ein­mal so, dass sehr viele Materien in dieses Gesetz hineingepackt werden. Da geht es ja nicht nur um die Gastronomie – das würde nämlich wahrscheinlich dann nicht durchge-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 100

hen –, sondern da nimmt man den Arbeitnehmerschutz hinein und noch ein paar ande­re Bestimmungen. Und dann ist das verbrämt, und dann muss man das im koalitionä­ren Zwang vorauseilend eben mittragen.

Daher haben wir einen Antrag auf getrennte Abstimmung eingebracht, die noch dazu namentlich erfolgen wird, betreffend alle die Raucher betreffenden Maßnahmen in der Gastronomie, inklusive der Strafbestimmungen. Und da können Sie, die Herren und Damen vom Wirtschaftsbund, die auf der Seite der Wirtschaftstreibenden – die das nämlich nicht wollen – stehen, sich dann wenigstens nicht mehr argumentativ heraus­schwindeln, weil wir ja sehen werden, wie Sie am Ende abstimmen.

Es ist schon fatal – wenn ich das feststellen darf –: Auf der einen Seite hat man – das ist ja auch eine Nichtraucher- oder eine Präventionsmaßnahme gewesen – die Zigaret­ten durch steuerliche Belastungen teurer gemacht. Was ist denn das Ergebnis? – Der Schmuggel ist gewachsen! Den bekommt man nicht und nicht in den Griff. Trafikanten gehen im Gegenzug reihenweise in Konkurs oder leben zumindest wesentlich schlech­ter. Die haben nämlich keine Lebensqualität mehr, wenn sie sich die einzige Angestell­te oder den Angestellten nicht mehr leisten können und dann selbst eine 80- oder 90-Stunden-Woche haben, damit sie überhaupt noch einigermaßen über die Runden kom­men. Also: Den Schmuggel bekommt man nicht in den Griff, aber man erhöht perma­nent die Steuern und sagt, das ist der Nichtraucherschutz.

Am Ende ist es ja nur mehr Randgruppenpolitik, die wir machen: Jetzt gibt es die Auto­fahrer, die permanent belastet werden und die eine Randgruppe sind. Es gibt die Män­ner, die in Wirklichkeit ja schon diskriminiert werden. Wenn man heterosexuell ist, hat man schon gar keine Chance mehr. Wenn man dann noch Raucher ist, ist es über­haupt schon ganz arg. Und jetzt kommt noch dazu: der Wirt, der Raucher, Autofahrer, Mann und heterosexuell ist, hat keinen Platz mehr in der Gesellschaft! – So sehe ich das, und ich möchte das eigentlich nicht. (Abg. Wöginger: Wo sind Sie denn daheim, Herr Doktor?)

Ich will eigentlich, dass wir einen österreichischen Weg gehen, dass wir uns das, was wir in Österreich lieb gewonnen haben, erhalten und nicht permanent den amerikani­schen (Abg. Wöginger: Wo sind Sie denn zu Hause?) und europäischen und EU-Lobbyisten frönen.

Ich will es gar nicht von der gesundheitlichen Warte angehen. Natürlich stimmt es, dass Rauchen ungesund ist und dass man als Nichtraucher acht bis zehn Jahre länger lebt. Na, werden Sie dann die Pensionen kürzen? Dann freut einen doch das Leben schon gar nicht mehr, wenn man so lange lebt! – Wir sind doch als Raucher die Cash­cow der Nation!

Das wissen wir ja am Ende ohnehin, dass man im Leben immer die gleichen Gesund­heitskosten hat: Sie fallen immer in den letzten paar Jahren des Lebens an, und zwar wurscht, ob Sie 80, 90 oder 60 Jahre alt werden. Aber der Raucher lebt kürzer. Und wenn wir das jetzt alles verbieten, dann wird unser Pensionssystem erst recht und noch früher einen Kollaps erleiden! – Das will ich auch verhindern, das sei eben-
falls dazugesagt. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Hörl: Das ist makaber, Herr Doktor! – Abg. Dr. Graf – zu seinem Sitzplatz zurückkehrend –: Ich bin Raucher, ich darf das sa­gen! Ein Nichtraucher darf das nicht! – Und jetzt geh’ ich eine Zigarette rauchen – zu allen anderen Kollegen, die rauchen!)

13.49


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Johann Maier. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 101

13.50.07

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! – Werter Kollege Graf, ich wür­de dich doch ersuchen, noch hierzubleiben! – Auch ich muss mich outen, so wie Kolle­ge Keck, der es sehr schön beschrieben hat, wie es jemandem geht, der selbst Ketten­raucher war. Vor vier Jahren habe ich noch drei Packungen Zigaretten täglich ge­raucht. (Abg. Dr. Graf: Und ich hab’ es ertragen!) Ich habe damit meine Umwelt, meine Familie belästigt, und ich gestehe eines: Mir geht es, seit ich zu rauchen aufgehört ha­be, besser! (Abg. Dr. Graf: Ist in Ordnung!) Ich gehöre allerdings nicht zu diesen intole­ranten Nichtrauchern, sondern ich glaube, dass wir in dieser Frage einen Kompromiss eingehen sollen. Und dieser Entwurf, dieses Gesetz wird dem gerecht.

Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte aber auf diese teil­weise absurden Argumente eingehen. Kollege Weinzinger spricht vom „Eingriff in die Selbstbestimmungsrechte“. – Gerade von den Freiheitlichen habe ich das bei Canna­bis allerdings noch nie gehört. – Kollege Dolinschek wiederum spricht vom „Grundrecht auf Rauchen“. – Ich frage mich: Wann kommt das Grundrecht auf das Schnellfahren?

Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke wie Reinhard Mey: Nur über den Wolken ist die Freiheit grenzenlos. (Abg. Dr. Graf: Da darf man auch nicht mehr rauchen, im Flugzeug!) Es gibt Grenzen der Freiheit, und zwar am Arbeits­platz. Hier geht es um den Arbeitnehmerschutz. Es geht um die Grenzen der Freiheit auch in der Gastronomie, und hier gehen wir einen Kompromissweg. Es gibt auch in der Familie Grenzen der Freiheit, insbesondere auch in den Kinderzimmern.

Eines hat mich im Rahmen dieser Diskussion gestört: dass von einigen Verfechtern des Rauchens das Gesundheitsrisiko des Passivrauchens generell in Frage gestellt wurde. In der heutigen Diskussion habe ich davon noch relativ wenig gehört. – Ich glaube, wir alle müssen davon ausgehen, dass es wissenschaftlich erwiesen ist, dass Arbeitnehmer einem massiven gesundheitlichen Risiko ausgesetzt sind, wenn sie täg­lich mehrere Stunden der Tabakrauchbelastung ausgesetzt sind. Das ist in der Gastro­nomie der Fall, und daher ist hier eben eine gesetzliche Regelung notwendig.

Frau Bundesministerin, ich möchte nur auf zwei Probleme hinweisen. Ich stelle fest, dass insbesondere bei unserer Jugend die Wasserpfeife verharmlost wird. Ich glaube, dass hier seitens des Gesundheitsressorts entsprechende Aufklärungsarbeit erfolgen muss. Und das Gleiche gilt für Hilfsmittel zur Raucherentwöhnung, die insbesondere über das Internet angeboten werden.

Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Sozialdemokratische Par­tei steht für die Bedürfnisse und die Interessen von NichtraucherInnen sowie für den ArbeitnehmerInnenschutz.

Heute werden wir ein Gesetz beschließen. Die Diskussion wird damit nicht abgeschlos­sen sein, und ich stimme Kurt Grünewald zu: Wir werden diese Regelungen in ein, zwei, drei Jahren gemeinsam evaluieren müssen. – Heute darf ich Sie einladen, die­sem Gesetz zuzustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.53


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


13.53.33

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Grünen stehen für den klaren Schutz von Nichtraucherinnen und Nichtrauchern. Das sage ich Ihnen als Raucher, und ich habe in diesem Sinn auch die Rede des Abgeordneten Keck sehr interessant und spannend gefunden, weil in diesem


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Fall jemand, der 34 Jahre lang geraucht hat, zum Rednerpult gegangen ist und gesagt hat: Jetzt erlebe ich es aus einer anderen Perspektive, und ich weiß, dass ich in meiner Raucherperiode etwas getan habe, das ich aus heutiger Sicht so nicht mehr tun könnte und tun würde, weil ich einen anderen Eindruck davon habe, was es für eine Wirkung auf NichtraucherInnen hat!

Diese Frage wird sich jeder Raucher und jede Raucherin natürlich auch stellen müs­sen. Da ist es nicht damit getan – und das geht an die Adresse der Kolleginnen und Kollegen von FPÖ und BZÖ –, dass man einfach sagt, das ist eine Kulturfrage. Ich kann den Ausführungen des Kollegen Weinzinger da schon viel abgewinnen, aber die Frage: Stört es jemanden, wenn ich rauche?, ist eine No-na-Frage, weil Nichtraucher und Nichtraucherinnen in der Regel, wenn sie nicht auf das Gespräch verzichten wol­len, sagen: Nein, bleib’ sitzen! – Das heißt, so kommen wir einer Lösung, die den Schutz der Nichtraucherinnen und Nichtraucher im Auge behält, sicher nicht näher.

Die andere Seite ist, dass ich es für problematisch halte, wenn aus der Frage, wie der optimale Schutz für NichtraucherInnen erzielt werden kann, eine Glaubensfrage kon­struiert wird. Die Gesellschaft spaltet sich sozusagen nicht auf in NichtraucherInnen und RaucherInnen, sondern wir haben auch noch ganz andere Probleme, die wesent­lich wichtiger sind. Das heißt aber nicht, dass wir deshalb auf den Schutz der Nichtrau­cherInnen verzichten dürfen.

In diesem Sinn: Dieses Gesetz stellt einen Kompromiss dar, und dieser wird all jene nicht befriedigen, die sich einen besseren Schutz wünschen. Und er wird natürlich all jene, die sozusagen auf der Kulturfrage oder auf der Selbstbestimmung beharren – die, und da hat Kollege Maier völlig recht, in diesem Fall als Argument völlig unangebracht ist –, nicht zufriedenstellen. – Wir stimmen dem Kompromiss trotzdem zu.

Aber, Frau Bundesministerin, an Ihre Adresse sei mir schon eine Anmerkung erlaubt: Wenn – was offensichtlich mittlerweile schon vergessen ist – in der „Presse“ im März unter dem Titel „Die Politik im Dunstkreis der Tabakindustrie“ zu lesen ist: „Das Ge­sundheits-Ministerium füttert die Raucher-Lobby mit dubiosen Statistiken, die Ärzte als ,offenbar manipuliert‘ bezeichnen“, dann wird damit ein Problem aufgeworfen, das ich schon für relevant halte und das nicht so zu beantworten ist, wie Kollege Weinzinger glaubt, der der Meinung war, nur die Raucher verfügten über überhaupt keine Lobby. – Nein, es gibt eine massive Lobby, das ist die Tabakindustrie!

Offensichtlich haben wir, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn die Tabakin­dustrie auch schon das Gesundheitsministerium mit augenscheinlich verfälschenden Statistiken füttert, die dann vom Gesundheitsministerium – das muss man sich vorstel­len: Papiere der Tabakindustrie! – an die Öffentlichkeit weitergegeben werden, also das Gesundheitsministerium im Wesentlichen sagt, die Papiere der Tabakindustrie sind gut und die kann man verwenden, ein Problem.

Dann haben wir ein Problem mit Ihnen, Frau Bundesministerin, und mit Ihrer Politik, denn dafür sind Sie ganz sicher nicht verantwortlich beziehungsweise sind Sie dafür die ungeeignete Person, nämlich als Gesundheitsministerin Papiere der Tabaklobby über die Adresse Ihres Ministeriums verschicken zu lassen. Das ist Lobbyismus pur! Das wünsche ich mir von keinem Minister und keiner Ministerin, aber von einer Ge­sundheitsministerin im Besonderen nicht.

Letzter Satz, meine sehr geehrten Damen und Herren: Wenn dem Gesetz entsprochen wird und die Leute weniger rauchen – und das würde auf eine andere Debatte hinfüh­ren –, dann hätten wir auch mit der Nikotinsteuer ein Problem, nämlich mit den Einnah­men. Ich finde es richtig, dass an und für sich in dem Paket zur Kassensanierung Ein­nahmen aus der Nikotinsteuer auch zur Finanzierung des Gesundheitswesens verwen­det werden. Nur – allerletzte Bemerkung dazu –: Sie verweigern sich auch dieser Lö-


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sung, indem Sie sie nicht beschlossen haben, indem wir die Kassen im Regen stehen lassen, indem wir de facto dazu beitragen, dass die Kassen die wichtige Aufgabe – wenn man dieses Paket jetzt ernst nimmt –, nämlich den Schutz der NichtraucherIn­nen, eigentlich unzureichend wahrnehmen können.

Selbstverständlich hätten Kassen, Kranken- oder Gesundheitskassen, jetzt eigentlich die prioritäre Aufgabe, all jenen, die tatsächlich mit dem Rauchen aufhören wollen, das entsprechend zu ermöglichen und sie dabei zu unterstützen. Dafür fehlt ihnen aber lei­der wirklich das Geld, das sie brauchen würden. (Beifall bei den Grünen.)

13.59


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Wöginger zu Wort. Er möchte 3 Minuten sprechen. – Bitte.

 


13.59.08

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Eigentlich treffen wir mit diesem Gesetz den Nagel auf den Kopf. Wir ha­ben hier im Parlament eine Art Raucherlobby und eine Art Nichtraucherlobby, und eigentlich ist der Kompromiss, der vorliegt, ein guter.

Aber zum Kollegen Weinzinger und auch zu Ihnen, Herr Kollege Graf: Es wird nicht so sein, dass mit diesem Gesetz die Gesellschaft gespalten wird, denn wir haben im Ver­lauf der Gesetzeswerdung darauf geachtet, dass die Wahlfreiheit bestehen bleibt: dass die Wahlfreiheit bei den Wirten bestehen bleibt, vor allem im ländlichen Raum, in den kleineren Gaststätten, wo das Zusammentreffen der Menschen noch ein wichtiger Fak­tor im gesellschaftlichen Leben ist. Dass dort der Wirt entscheiden können soll, ob er sagt, bei mir wird geraucht oder bei mir wird nicht geraucht, das ermöglichen wir mit diesem Papier. Dazu stehen wir auch, dazu bekennen wir uns. (Beifall bei der ÖVP.)

Kollege Weinzinger, der wahrscheinlich gerade eine raucht – das sei ihm gegönnt! –, wird in seinem Stammlokal, nämlich im Baumgartner „Bräustüberl“, das ich auch ken­ne, weil wir ja aus dem gleichen Bezirk kommen, weiterhin die Möglichkeit haben, ge­nüsslich seine Zigarette zu rauchen, und zwar sowohl im Sommer als auch im Winter.

Ich denke, wir sollten einen sehr wichtigen Punkt ehrlich ansprechen: Es geht vor allem auch darum, die Nichtraucher zu schützen. Ich habe auch zehn Jahre lang geraucht, von 15 bis 25, ich habe dieses Laster von der Schule mitgenommen. Vor acht Jahren habe ich es aber Gott sei Dank geschafft, aufzuhören. (Abg. Dr. Graf: Du bist ja noch gar nicht so alt!) Zur Aufklärung: Ich bin jetzt 33, Herr Kollege Graf!

Ich habe es Gott sei Dank geschafft, und ich meine, es gebührt jenen Menschen, die von diesem gesundheitsschädigenden Suchtmittel wegkommen und es schaffen, los­zulassen, auch Respekt und Anerkennung. Wenn auch einige hier unter uns sind, die das schaffen, ist das sicherlich auch erwähnenswert. – Herr Kollege Graf, falls Sie das anstreben, wünsche ich Ihnen alles Gute! (Abg. Dr. Graf: Irgendwann!) Es ist machbar. Es spielt sich hauptsächlich im Kopf ab – und nicht in irgendwelchen Büchern oder sonst wo!

Noch einmal kurz zurück zum Gesetz: Es geht vor allem auch um den Schutz für die ArbeitnehmerInnen. Es geht nicht nur um schwangere Frauen, die als Gäste in die Lo­kale kommen, sondern es geht auch um die ArbeitnehmerInnen, die als KellnerInnen in den Gastronomiebetrieben beschäftigt sind, und vor allem auch um die Lehrlinge, die dort in der Ausbildung tätig sind. Vor allem für diese Personen soll der Schutz gelten.

Es ist aber, ehrlich gesagt, auch für einen jungen Familienvater, der mit den Kindern unterwegs ist und zu Mittag eine Gaststätte aufsucht, unangenehm, wenn es über­haupt keine Möglichkeit gibt, das Mittagessen mit der Familie einzunehmen, ohne dass rundherum geraucht wird. Ich meine, es darf ein Nichtraucher sehr wohl für sich in An-


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spruch nehmen, dass er wenigstens einen Platz oder eine Räumlichkeit in einem Gast­haus vorfindet, wo man ohne Rauch das Essen einnehmen kann.

Ich glaube, das ist ein Kompromiss. Wir sind vielleicht nicht am Ende des Weges, vor allem auch hinsichtlich dessen, was sich die Europäische Union in diesem Bereich als Endzielvorgabe vorstellt. Ich meine aber, die jetzt getroffene Lösung ist vor allem auch für die Wirte eine wichtige Entscheidung, und es ist ein tragfähiger Kompromiss für die gesamte Bevölkerung, egal ob jemand Raucher oder Nichtraucher ist.

Ich glaube, so sollten wir es sehen, und in diesem Sinne kann man diesem Gesetz si­cherlich die Zustimmung geben. Es ist dies, wie gesagt, ein guter Kompromiss.

Abschließend möchte ich noch sagen: Ich meine, man sollte all jene ermuntern, die mit dem Rauchen aufhören wollen. Es ist möglich. Und es ist sicherlich gesünder, nicht zu rauchen als zu rauchen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.03


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Trunk. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


14.03.14

Abgeordnete Mag. Melitta Trunk (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Kollegen und Kolleginnen! Ich sage für all jene, die leider so süchtig sind wie ich, die also zu der Gruppe der Raucher gehören, dass es einen gewissen common sense gibt: Wir sind für Eigenberechtigung und Selbständigkeit, wissen aber auch, dass die eigene Freiheit dort ihre Grenzen findet beziehungsweise Regeln braucht, wo die Freiheit des anderen berührt wird. Daher haben wir sinnvollerweise beim Alkohol Promillegrenzen, und daher brauchen wir sinnvollerweise, wenn wir se­hen, dass wir mit Freiwilligkeit nicht wirklich weiterkommen, auch in der Frage des Schutzes von NichtraucherInnen Regeln.

In allen Debattenbeiträgen wurde gesagt, was Inhalt dieser Novelle ist. Es gibt Wahl­freiheit, es gibt aber ganz zuerst auch den Schutz von Nichtrauchern und Nichtrauche­rinnen, insbesondere im Bereich der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im Gastro­nomiebereich, aber auch für Gäste. Die Politik hat dort regelnd einzugreifen, wo es mit der Freiwilligkeit eben hapert.

Ich danke daher ganz explizit einerseits meiner Kollegin, Gesundheitssprecherin Sabi­ne Oberhauser, und auch der Frau Ministerin, andererseits aber auch der Wirtschafts­kammer und den sozialdemokratischen Wirtschaftstreibenden, allen voran Willi Ture­cek, der selbst Nichtraucher ist, aber engagiert mitgearbeitet hat, dass wir ein friedvol­les Nebeneinander – denn ein Miteinander ist halt nicht immer möglich – erreicht ha­ben. Ich danke insbesondere aber auch Kollegen Kaske und der Gewerkschaft, die eine Einigung mit Maß und Ziel möglich gemacht haben.

Warum hat das ein Jahr lang gedauert? – Die Raucherdebatte hat bewiesen, dass beim Rauchen jeder seine Position hat. Das ist wie beim Aufstellen einer Fußballmann­schaft: Jeder bringt sich ein. Daher ist es ein guter erster Schritt, den wir in diese Rich­tung tun. Wir haben genauso wie andere Staaten unsere Entscheidung getroffen und uns nicht darauf verlassen, dass die EU schon für eine Lösung sorgen wird. Ich denke, wir sind selbstbewusst genug, eine eigene Regelung zu schaffen. Wir lassen uns nicht drohen, und wir ziehen Regelungen nicht vor, ohne zu wissen, welche danach folgen.

Meine Kollegen haben mir das Recht gegeben, hier heute als Freizeit- und Tourismus­sprecherin zu sprechen. Das passt zwar ressortmäßig nicht ganz, wir haben aber ein Jahr mitgearbeitet, und ich meine, das ist ganz im Sinne der Kooperation. Ich habe ein Ersuchen: Ich meine, es wird notwendig sein, dass man sich im Wirtschafts- und Tou-


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rismusministerium auch überlegt, wie man in diesem Zusammenhang den Gastrono­men und Gastronominnen durch eine Förderung unter die Arme greifen kann.

Ich meine, in der gesamte Debatte des heutigen Tages und auch des vergangenen Jahres bestand zwischen allen Konsens, dass es uns vor allem um eine Veränderung des eigenen Bewusstseins und des Bewusstseins unserer Kinder und Älteren geht. Unsere politische Aufgabe ist es, für Prävention zu sorgen, ein positives Vorbild zu sein und in der Frage der Süchte, des Rauchens und des Alkohols, aber auch in der Frage der Radikalität und Gewalt bewusstseinsverändernd für eine gesündere Gesellschaft zu wirken.

Ich glaube, wir sollten diesen Weg des geänderten Bewusstseins und des friedlichen Nebeneinander vor allem auch in der künftigen Wahlzeit gehen! – Danke schön. (Bei­fall bei der SPÖ.)

14.06


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächste hat sich Frau Bundesminis­terin Dr. Kdolsky zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.

 


14.06.45

Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend Dr. Andrea Kdolsky: Ge­schätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Abgeordnete! Werte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie! Der Schwerpunkt des vorliegenden Gesetzentwurfes ist letztlich, wie im Regierungsübereinkommen gefordert, eine Verstärkung des Nichtraucherschutzes unter Einbeziehung der Gastronomie. Dabei steht vor allem auch der Schutz vor dem Passivrauchen im Vordergrund. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiges gesundheitspoli­tisches Anliegen

Es ist hier mehrmals gesagt worden – und ich glaube, es ist gar nicht notwendig, das speziell zu betonen –, dass Rauchen schädlich ist. Auf der anderen Seite gebe ich aber auch all jenen Recht, dass es ein ganz wichtiger Teil auch von Politik ist, sich die Frage zu stellen, wie viel Staat Privat braucht und wo die Aufgabe des Staates beginnt, erzieherisch tätig zu werden. Ich glaube, das bedarf einer sehr sensiblen Vorgangswei­se, und die lange, sehr intensive Diskussion hat gezeigt, dass es wichtig ist, sich mit diesen Fragen unter Einbeziehung aller Beteiligter auseinanderzusetzen.

Herr Abgeordneter Graf, auch die Wirtschaftstreibenden wurden in diese Diskussion mit einbezogen, haben ihre Stimme erhoben und haben ihre Bedenken geäußert und Vorschläge eingebracht.

Die Regelungen zum Schutz vor dem Passivrauchen in umschlossenen öffentlichen Räumen werden international und auch von der WHO als eine ganz wesentliche ge­sundheitspolitische Maßnahme gesehen und erkannt. Letztlich ist das auch eine der vielen Möglichkeiten, den Tabakgenuss einzudämmen. Uns ist immer bewusst gewe­sen, dass das keine Möglichkeit ist, Menschen vorrangig und zu einem hohen Prozent­satz zum Nichtrauchen zu bringen.

Neben der Prävention, neben den Bemühungen, dass junge Menschen erst gar nicht zur Zigarette greifen, weil Rauchen nicht mehr als schick gilt, und der Unterstützung beim Aufhören trägt das Rauchverbot in umschlossenen öffentlichen Räumen aber auch dazu bei, das Rauchen einzudämmen. Ich glaube, es wird in Zusammenarbeit mit den Kassen auch Möglichkeiten geben, entsprechende diesbezügliche Angebote zu schaffen. Es gibt zumindest schon ganz konkrete Gespräche. (Abg. Dr. Graf: Die Kas­sen sind ja pleite! Was sollen die zahlen?) Neben den Kampagnen, die angeboten wer­den, ist das auch einer der Schritte, gegen die Passivrauch-Situation massiv aufzutre­ten.


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Es wurde der Vorwurf gemacht, dass Sanktionen im Raum stehen. Sehr geschätzte Abgeordnete! Immer wieder kommt auch der Vorwurf, dass die Politik Gesetze aus­schließlich „l’art pour l’art“ macht. Warum sollten sich die Menschen, wenn Gesetze ge­macht, dann aber nicht kontrolliert werden und es keine Sanktionen gibt, an diese Ge­setze halten? Ich meine daher, dass es sehr wohl der richtige Weg ist, wenn abgerun­dete und vernünftige Gesetze geschaffen werden, wo bei deren Nichteinhaltung selbst­verständlich Sanktionen vorgesehen sind.

Ich möchte darauf verweisen, dass Österreich eines der ersten Länder war, das für den öffentlichen überdachten Bereich ein Rauchverbot als Gesetz niedergeschrieben hat. Das Manko beziehungsweise Problem dabei war, dass wir keine Sanktionen in diesem Bereich hatten. Es war nur Beschilderung vorgeschrieben, wir hatten aber keine Mög­lichkeiten, zu überprüfen, ob das Rauchverbot in öffentlichen geschlossenen überdach­ten Bereichen eingehalten wird oder nicht. Mit der vorliegenden Gesetzesnovelle konn­ten wir jedoch gemeinsam sicherstellen, dass dieser Bereich zum ersten Mal auch mit Sanktionen versehen wird.

Ich glaube, dass wir damit nicht nur den Nichtraucherschutz und den Schutz vor Pas­sivrauchen ermöglicht haben, sondern ich meine, dass wir damit auch für die Gastro­nomie eine möglichst hohe Flexibilität im Sinne von Freiwilligkeit geschaffen haben. Auch jetzt gibt es bereits viele Gastronomiebetriebe, die auch ohne gesetzliche Rege­lung diese richtigen Schritte gesetzt haben. Ich finde, es ist falsch, alle über einen Kamm zu scheren. Es haben sich aber noch zu wenige entsprechend verhalten. In Ös­terreich wurde nach wie vor verstärkt eher der Nichtraucher als ungeliebter Gast gese­hen. Eigentlich hatte eher der Raucher sozusagen das Lokal in erster Linie für sich. In Anbetracht dessen glaube ich, dass es wichtig war und ist, eine Gleichstellung dieser beiden Bereiche zu schaffen, und diese Gleichstellung haben wir durch dieses Gesetz ermöglicht.

Wichtig war aber auch, an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu denken. Ich glaube, dass man diesen Aspekt sehr oft vergessen hat. Nun tragen wir jedoch dem Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der in der Gastronomie beschäftig­ten Jugendlichen und Auszubildenden, aber auch der werdenden Mütter, die in diesem Bereichen tätig sind, entsprechend Rechnung.

Wir haben auch die Kennzeichnungspflicht genau definiert, denn in Zukunft sind jene Lokale, in denen geraucht wird, und jene Lokale, in denen nicht geraucht wird, entspre­chend zu kennzeichnen. Das heißt, es wurde auch die Wahlmöglichkeit für die Konsu­mentinnen und Konsumenten geschaffen, sich zu entscheiden, wo sie zum Beispiel einen Abend verbringen möchten und wo nicht. Diese Kennzeichnung war für uns eine wichtige Bestimmung in diesem Gesetz.

Ich habe auch schon darauf hingewiesen, dass die Einführung von Verwaltungsstrafen notwendig ist, und zwar auch um zu zeigen, wie ernst wir diese Situation nehmen.

Herr Abgeordneter Öllinger, es steht so manches in den Zeitungen, was nicht zu be­weisen ist. Ich kann Ihnen zu diesem Thema jetzt einiges zur Verfügung stellen. Das Bundesministerium hat die Verpflichtung, die gesamte gängige Literatur, die derzeit zu diesem Thema kursiert, zu speichern und zu archivieren. Wir können Ihnen daher je­derzeit alle entsprechende Unterlagen geben. Ich meine, die Diskussion zwischen den zwei Welten in Österreich, zwischen den Rauchern auf der einen Seite und den Nicht­rauchern auf der anderen Seite, soll nie so weit führen, dass Schranken aufgebaut werden. Das Gesundheitsministerium sieht sich hier als Mediator. Wir haben allen, die uns darum gebeten haben, etwa Fachärztinnen und Fachärzten für Pulmologie, also all jenen, denen dieses Gesetz nicht weit genug gegangen ist, aber auch jenen, die wirt­schaftliche Interessen oder auch den Freiheitsgedanken vertreten, diese Literatur ge­geben.


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Die Herkunft dieser Unterlagen ist sehr unterschiedlich: Die Sammlung umfasst unter anderem medizinische Fachliteratur, Statistiken aus anderen europäischen Ländern, entsprechende Verfassungsgerichtshofsbeschlüssen, aber natürlich auch verschiede­ne Studien. So hat etwa die Tabakindustrie – ich erinnere jetzt nur an die vielen Univer­sitätskliniken, die von Reynolds, einem großen Tabakunternehmen, finanziert werden – zahlreiche Studien in Auftrag gegeben, zum Beispiel zum Schutz von Jugendlichen vor dem Tabakrauchen. Ich sehe also keinen Grund dafür, diese öffentlichen Studien, die auch international definiert wurden, der Öffentlichkeit nicht zur Verfügung zu stellen. Von Seiten des Ministeriums sind wir gerne bereit, diese Unterlagen an alle Interessier­ten weiterzuleiten. Wir haben zu diesem Thema eine Bibliothek geschaffen. – Herzli­chen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

14.15


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Donabauer. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


14.15.08

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Mei­ne Damen und Herren! Hohes Haus! Als Parlamentarier habe ich nicht die Gesetze in Frage zu stellen. Ich stelle mir aber die Frage, ob wir wirklich für alles Gesetze brau­chen.

Frau Ministerin, vorweg möchte ich sagen: Sie haben einen tollen Job geleistet, und zwar mit den Gesundheitssprechern beider Parteien und auch mit den Branchenvertre­tern. Das war keine einfache Sache, wir haben aber jetzt ein taugliches Gesetz vor uns, dem wir zustimmen. Das Gesetz hat viele gute Ansätze, löst aber bei Gott nicht al­le Probleme, das ist klar.

In meiner Zeit war Rauchen in. Auch ich habe geraucht, und zwar ordentlich. Ich habe selbst aufgehört und weiß, wie schwierig das ist. Jedenfalls ist aber klar, dass wir jetzt auch einige sehr markante Grenzbereiche ansprechen müssen.

Heute rauchen in Österreich 2,3 Millionen Menschen, vor allem Frauen und Jugendli­che. Da geht es vor allem um Bewusstseinsbildung. 39 Österreicher sterben täglich an den Folgen des Rauchens. Rauchen führt zu gesundheitlichen Schäden. Sie alle ken­nen die Statistiken: 30 Mal höheres Risiko bei Lungenentzündung, Grippe, Lungen­krebs, Herzinfarkt und dergleichen mehr. Rauchen bringt hohe Belastungen mit sich, vor allem gesundheitliche, aber Rauchen ist bei Gott auch keine billige Sache.

Ich denke, es ist wichtig, dass wir einmal klar geregelt haben, wie wir die Begegnung von Rauchern und Nichtrauchern in Wahrheit gestalten, dass nicht der eine den ande­re – was gar nicht so dramatisch ist, wie es oft dargestellt wird – stört. Wichtig ist je­doch vor allem, dass wir in der Bewusstseinsbildung weitergehen und die Leute wirk­lich auf die Gefahren und Probleme aufmerksam machen. Verantwortung ist gefragt.

Herr Kollege Öllinger, Sie haben es nicht gern, wenn man bei Ihnen zurückredet. – Wir haben es aber auch nicht gern, wenn Sie uns belehren! Ihre ewigen Erzählungen von den Kassenproblemen können Sie sich sparen!

Ich sage Ihnen ganz offen: Fraglos haben die Krankenkassen zum Teil Probleme. Sie können uns aber nicht in eine Reform hineinargumentieren, bei welcher Träger ganz unterschiedlicher Struktur über einen Leisten geschlagen werden. Da machen wir nicht mit! Die Kassen werden bundesweit von drei Ministerien geprüft, nämlich vom Finanz-, vom Sozial- und vom Gesundheitsministerium. (Zwischenruf des Abg. Öllinger.)

Herr Öllinger, Sie hören nicht gerne zu! Hören Sie sich das an! Das sollen auch alle an­deren haben, und dann denken wir über die Strukturen nach, und ich glaube, wir wer-


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den Lösungen finden, mit denen es in diesem Land gut weitergeht. Davon bin ich über­zeugt. (Beifall bei der ÖVP.)

14.17


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Aubauer. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


14.17.49

Abgeordnete Mag. Gertrude Aubauer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! An die Adresse der Kritiker: Ist das Par­lament eine Insel der Seligen? Hier funktioniert nämlich das Miteinander beziehungs­weise Nebeneinander von Rauchern und von Nichtrauchern, und zwar nicht nur hier im Saal. Wer rauchen will, geht hinaus, und auch in der Cafeteria ist Raum für Nichtrau­cher und Raucher. (Abg. Dr. Riepl: Der Raucher-Raum ist aber viel größer!) Jedenfalls sieht man, dass es funktioniert, wenn es klare Spielregeln gibt. Daher brauchen wir auch klare Spielregeln in der Gastronomie.

Werte Kollegen von den Freiheitlichen, ganz deutlich gesagt: Wir wollen keine Hatz auf Raucher, wir wollen aber einen deutlich stärkeren Schutz der Nichtraucher. Das ist wichtig. Gewinner kann jeder von uns sein, denn jeder von uns könnte erkranken – sei es durch Passivrauchen oder durch Rauchen. Jede vermiedene Erkrankung ist ein Ge­winn. Weniger Leid für den Einzelnen ist etwas Positives.

Ich ersuche Sie um Ihre Zustimmung. (Beifall bei der ÖVP.)

14.19


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Durchschlag. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.19.13

Abgeordnete Claudia Durchschlag (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bun­desministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin Nichtraucherin. Seit fast 50 Jahren bin ich überzeugte Nichtraucherin, und dieser Teil von mir hätte durch­aus auch mit einer noch weiter gehenden Regelung leben können.

Mir sind allerdings auch persönliche Freiheiten sehr wichtig, und ich möchte nicht in einer Gesellschaft leben, in der auch im privaten und persönlichen Bereich alles gere­gelt wird und in der daher auch sehr viel verboten ist. Dieser Teil von mir hätte durch­aus auch mit einer liberaleren Regelung gut leben können.

Und genau dieses Spannungsfeld an verschiedenen Meinungen, Wünschen und Inter­essen findet sich in der Öffentlichkeit wieder.

Daher ist dieser Gesetzentwurf, auch im Hinblick auf dieses Spannungsfeld der unter­schiedlichen Meinungen zu diesem Thema, ein sehr ausgewogener, der aber ganz wichtige Aspekte in den Vordergrund rückt: Dem Aspekt des Nichtraucherschutzes, be­sonders in Bezug auf Jugendliche, Schwangere und Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer im Allgemeinen, wird durch sehr klare und vor allem umsetzbare Regelungen Rechnung getragen.

Ich weiß, besonders in der Ärzteschaft war der Wunsch nach einem totalen Rauchver­bot sehr groß. Das ist ein verständlicher Wunsch, resultierend aus der Sorge um die Gesundheit besonders schutzbedürftiger Jugendlicher und Ungeborener. Aber ein Blick zum Beispiel nach Irland mit seinem totalen Rauchverbot zeigt, dass zwar die Zahl der Raucher dort insgesamt zurückgegangen ist, aber die der jugendlichen Rau­cher zugenommen hat. Das heißt, totale Verbote haben offensichtlich einen besonde­ren Reiz.


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Daher ist die Formel: weitreichender Schutz der Nichtraucher auf der einen Seite, be­sonders der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber Eigenverantwortung der Wirte und Gäste auf der anderen Seite mit Sicherheit eine sehr vielversprechende.

Frau Bundesministerin, ich danke Ihnen für dieses Gesetz mit Augenmaß, das dem Gesundheitsaspekt besonders Rechnung trägt. Wenn es in näherer oder fernerer Zu­kunft aus einer inneren Überzeugung und im breiten Konsens zu einem totalen Rauch­verbot kommen sollte, werde ich das auch mittragen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.21


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Eder. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.21.31

Abgeordneter Dr. Sebastian Eder (ÖVP): Frau Präsidentin! Verehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Wir sind uns alle einig: Rauchen ist gesundheitsschädigend, Rauchen ist vor allem die einzige Sucht, die den unmittelbaren Nachbarn über das Passivrauchen schädigen kann. Als Arzt würde ich natürlich das Rauchen am liebsten ganz verbieten, aber so realistisch bin ich schon, dass ich weiß, dass das nicht möglich ist.

Was kann da die Politik tun? – Die Politik kann, wie Karl Donabauer gesagt hat, war­nen, aufklären und muss das im zunehmenden Ausmaß machen und sie kann vor al­lem Nichtraucher vor Passivrauchen schützen.

Ein generelles Rauchverbot im öffentlichen Bereich ist inzwischen fast kein Problem mehr. Der Nichtraucherschutz in der Gastronomie ist dagegen schon viel schwieriger. Gastronomische Lokale sind für mich nicht unbedingt der klassisch-öffentliche Bereich, sondern auch eine Art halbprivater Bereich, und daher muss man ganz sorgfältig vor­gehen. Der Staat muss die Wahlfreiheit und die Selbstbestimmung auf Basis der Eigenverantwortung beachten, wenn er schon nicht wagt, das Rauchen ganz zu ver­bieten. Daher ist ein generelles Rauchverbot in allen Lokalen prinzipiell und natürlich aus wirtschaftlichen Gründen schwer umsetzbar.

Wir sollen nicht unbedingt auf andere Länder schauen, wir sollten eigene kreative Lö­sungen im Sinne von Nichtraucherschutz und im Sinne des Friedens in der Gesell­schaft suchen. Die Frau Ministerin ist da sehr behutsam und geschickt vorgegangen. Herzlichen Dank dafür! (Beifall bei der ÖVP.)

Jetzt gibt es ein maßgeschneidertes und unmissverständliches Reglement mit dem obersten Prinzip: Ein Nichtraucher soll sich unbehelligt in einem Gastronomielokal auf­halten können. Die vorliegende Lösung ist Garantie dafür und die Voraussetzung für ein friedliches Nebeneinander. Die Lösung entspricht auch dem Regierungsüberein­kommen. Es sind ja doch einige Punkte aus dem Regierungsübereinkommen in den letzten zwei Jahren verwirklicht worden.

Meine Damen und Herren, ich habe das Gefühl, die Zahl derer, die sagen, dieses Ge­setz geht zu weit, ist jetzt höher als die Zahl jener, die sagen, es geht zu wenig weit. Das ist für mich ein Beweis, dass dieses Gesetz auch aus gesundheitlicher Sicht ein gutes Gesetz ist. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.23


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Obernosterer. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.24.05

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, Frau Ministerin, dieses Nichtraucherschutzge-


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setz, das hier auf den Tisch liegt, ist beispielhaft, wenn man sich die Gesetzgebung rund um Österreich anschaut.

Es ist eine ganz klare Regelung für die Raucher, für die Nichtraucher und es ermöglicht trotzdem die Freiheit der Eigenverantwortung und die Freiheit des Unternehmertums. Jeder Wirt, ob groß oder klein, kann entscheiden, ob sein Lokal ein Raucherlokal oder ein Nichtraucherlokal ist, im größeren Bereich natürlich getrennt. Die Vorschrift ist des­halb diese klare Regelung bis 50, maximal bis 80 m². Da hat der Unternehmer die freie Entscheidung, ob er sich zu einem Raucherlokal oder Nichtraucherlokal bekennt.

Wenn wir das sehen, was jetzt in Deutschland passiert ist: Es liegen ganz klare Zahlen auf dem Tisch, 11 Prozent der kleinen Kneipen in Berlin haben zusperren müssen, weil sie eben Nichtraucherlokale geworden sind. Und wie einige meiner Vorredner schon gesagt haben, gerade für den ländlichen Raum, für die Gasthäuser, für die Kommuni­kationsstätten, für die Stammtische wäre ein komplettes Rauchverbot ein wirtschaftli­ches Chaos gewesen.

Ich möchte mich wirklich namens der gesamten Tourismuswirtschaft, der zirka 90 000 Betriebe, nicht nur bei Ihnen, Frau Ministerin, die Sie federführend waren, son­dern auch bei Ihnen, liebe Abgeordnete, recht herzlich für diese Zustimmung bedan­ken.

Wenn ich sehe, dass zum Beispiel das BZÖ und die FPÖ nicht für dieses Gesetz stim­men, nicht, weil sie für ein komplettes Rauchverbot sind, sondern deshalb, weil sie noch viel mehr Liberalisierung wollen, wundert das mich eigentlich. Es ist einzigartig in der Europäischen Union, dass es ein Parlament gibt, wo alle politischen Fraktionen eher für Liberalisierung und nicht für das komplette Rauchverbot sind. Da sieht man, dass man auch manchmal in Österreich ordentliche Wege gehen kann.

Das ist ein gutes Gesetz, es sichert viele Arbeitsplätze, sichert vielen Unternehmen ih­re Existenz, gerade den kleinen Beiseln und den Gastwirten. Dafür möchte ich mich bei euch allen und ganz besonders bei Ihnen, Frau Ministerin – Sie als Gesundheitsminis­terin haben da sehr stark stehen müssen –, recht herzlich bedanken. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

14.27


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hörl. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.27.11

Abgeordneter Franz Hörl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wurde heute schon ziemlich al­les zu diesem Gesetz gesagt. Es ist ein Kompromiss, der – und das dürfen wir nicht vergessen – in das Eigentum der Wirte und Wirtinnen dieses Landes massiv eingreift, aber es ist auch ein Kompromiss, der, wie ich glaube, doch für den Nichtraucherschutz steht. Ich bedanke mich bei allen, auch bei allen Ärzten im Parlament, die uns unter­stützt haben und die unsere Sorgen und Wünsche, auch die der Wirte, akzeptiert ha­ben.

Mir war es ganz besonders wichtig, dass wir es ermöglichen, dass die kleinen Lokale Wahlfreiheit haben. Es soll also nicht nur so sein, dass sich Raucher und Nichtraucher aussuchen können, ob sie in ein Lokal hineingehen, sondern es sollte auch so sein, dass bei den kleinen Lokalen die Existenz nach wie vor gesichert ist und dass kleine Wirte eben wählen können. Das ist ganz besonders wichtig für die wirtschaftliche Exis­tenz, es ist aber auch wichtig für das soziale Leben auf dem Land, für das Feierabend­bier, für die Feierabendzigarette. Ich glaube, hier wird die Gesellschaft nicht gespalten, sondern eher zusammengeführt. Es wäre schlecht gewesen, wenn wir ein generelles Rauchverbot gehabt hätten.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 111

Ich bedanke mich noch einmal bei allen, die das möglich gemacht haben – bei dir, lie­be Frau Ministerin, ganz besonders. Sie hat hier wirklich ein Standing bewiesen; Kolle­ge Obernosterer hat es schon gesagt. Ich bedanke mich aber auch bei der Gesund­heitssprecherin des scheidenden Koalitionspartners und bei allen, die hier Verständnis hatten, im Namen der Wirte dieses Landes. (Beifall bei der ÖVP.)

14.28


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemel­det.

Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 610 der Beilagen.

Die Abgeordneten Dr. Graf, Kolleginnen und Kollegen haben ein Verlangen auf ge­trennte Abstimmung sowie ein Verlangen, diese getrennte Abstimmung namentlich durchzuführen, eingebracht.

Ich werde daher zunächst über die vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffe­nen Teile namentlich und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Tei­le des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über Artikel 1 Ziffern 15 und 17 bis 23 in der Fassung der Regierungsvorlage.

Da hiezu namentliche Abstimmung verlangt wurde und dieses Verlangen von 20 Ab­geordneten gestellt wurde, ist die namentliche Abstimmung auch durchzuführen.

Ich gehe daher so vor.

Die Stimmzettel, die zu benützen sind, befinden sich in den Laden der Abgeordneten­pulte und tragen den Namen der Abgeordneten sowie die Bezeichnung „Ja“ – das sind die grauen Stimmzettel – beziehungsweise „Nein“ – das sind die rosafarbenen. Für die Abstimmung können ausschließlich diese amtlichen Stimmzettel verwendet werden.

Gemäß der Geschäftsordnung werden die Abgeordneten namentlich aufgerufen, den Stimmzettel in die bereitgestellte Urne zu werfen.

Ich ersuche jene Abgeordneten, die für Artikel 1 Ziffern 15 und 17 bis 23 in der Fas­sung der Regierungsvorlage stimmen, „Ja“-Stimmzettel, jene, die dagegen stimmen, „Nein“-Stimmzettel in die Urne zu werfen.

Ich bitte nunmehr die Schriftführerin Abgeordnete Binder-Maier, mit dem Namensaufruf zu beginnen; Frau Abgeordnete Dr. Brinek wird sie später dabei ablösen.

(Über Namensaufruf durch die Schriftführerinnen Binder-Maier und Dr. Brinek werfen die Abgeordneten die Stimmzettel in die Urne.)

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Die Stimmabgabe ist beendet.

Die damit beauftragten Bediensteten des Hauses werden nunmehr unter Aufsicht der Schriftführerinnen die Stimmenauszählung vornehmen.

Die Sitzung wird zu diesem Zweck für einige Minuten unterbrochen.

(Die zuständigen Beamten nehmen die Stimmenauszählung vor. – Die Sitzung wird um 14.36 Uhr unterbrochen und um 14.40 Uhr wieder aufgenommen.)

*****

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 112

Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt.

Abgegebene Stimmen: 148, davon „Ja“-Stimmen: 125, „Nein“-Stimmen: 23.

Artikel 1 Ziffern 15 und 17 bis 23 in der Fassung der Regierungsvorlage ist somit ange­nommen.

Gemäß § 66 Abs. 8 der Geschäftsordnung werden die Namen der Abgeordneten unter Angabe ihres Abstimmungsverhaltens in das Stenographische Protokoll aufgenom­men.

*****

Mit „Ja“ stimmten die Abgeordneten:

Ablinger, Aubauer, Auer Jakob, Auer Klaus Hubert;

Bauer, Bayr, Becher, Binder-Maier, Brinek, Brosz;

Cap, Csörgits;

Donabauer Karl, Donnerbauer Heribert, Durchschlag;

Eder Sebastian, Eder-Gitschthaler, Ehmann, Einwallner, Eisenschenk, Eßl;

Fazekas, Fleckl, Franz, Freund, Füller, Fürntrath-Moretti;

Gahr Hermann, Glawischnig-Piesczek, Grander, Grillitsch, Grossmann, Großruck, Grü­newald;

Haberzettl, Hagenhofer, Hakl, Heinzl, Hlavac, Höfinger, Höllerer, Hörl, Hornek, Hra­decsni, Huainigg, Hursky;

Ikrath;

Kainz, Kaipel, Kapeller, Karl, Keck, Kirchgatterer, Knoll, Königsberger-Ludwig, Kopf, Kößl, Krainer, Krist, Kukacka, Kuntzl, Kuzdas;

Lapp, Lentsch, Lichtenecker, Lohfeyer, Lueger, Lunacek;

Maier Johann, Mandak, Marizzi, Mayer Elmar, Mikesch, Morak, Murauer, Muttonen;

Neugebauer Fritz, Niederwieser;

Oberhauser, Obernosterer, Öllinger;

Pack, Pendl, Pfeffer, Pirklhuber, Prähauser, Prammer, Praßl, Prinz;

Rädler Johann, Rasinger, Rauch-Kallat, Riener Barbara, Riepl, Rinner Sylvia, Rudas;

Schasching, Schatz, Schelling, Schittenhelm, Schönpass, Schopf, Schüssel, Sieber Norbert, Sonnberger, Spindelberger Erwin, Spindelegger Michael, Stadlbauer, Stadler Astrid, Steibl Ridi, Steier, Steindl Konrad, Stummvoll;

Tamandl, Trunk;

Van der Bellen;

Wechner, Weinzinger Brigid, Weninger Hannes, Wittmann, Wöginger, Wurm;

Zinggl, Zwerschitz, Zweytick.

Mit „Nein“ stimmten die Abgeordneten:

Belakowitsch-Jenewein, Bösch;


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 113

Darmann, Dolinschek;

Fichtenbauer;

Gradauer, Graf;

Haimbuchner, Haubner Ursula, Hofer;

Kickl, Klement, Kurzmann;

Lautenschlager;

Mayerhofer;

Neubauer Werner;

Schalle, Scheibner;

Themessl;

Vilimsky, Vock;

Westenthaler;

Zanger.

*****

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbe­zügliches Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Ge­setzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist wiederum mehrheitlich. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

14.41.043. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (590 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Suchtmittelgesetz – SMG und das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz – GESG geändert werden (SMG-Novelle 2008) (657 d.B.)

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Wir kommen nun zum 3. Punkt der Ta­gesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als erster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Grünewald mit 4 Minu­ten freiwilliger Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


14.41.36

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ein bundesweites Register über Suchtgifte und Substi­tutionsmittel dürfte irgendwie ein Steckenpferd des Gesundheitsressorts sein; etwas, das sich selbst das Innenressort, das sich Bundesminister Platter nicht getraut hat.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 114

Eine lückenlose Erfassung von Patientinnen und Patienten, die in Therapie stehen, vorzuschlagen, hat das Gesundheitsministerium mehrfach versucht: Einmal im Jahr 2006 durch eine Suchtmittelverordnung, aber irgendwo dürfte man dann im Res­sort doch irgendwie Sorge gehabt haben, dass das nicht ganz verfassungswürdig ist, und im Jahr 2007 hat man einen Ministerialentwurf geschrieben, der in einem § 24b wiederum dieses bundesweite Register beinhaltet hat. Aufgrund massivster Kritik von Expertinnen und Experten wurde der Entwurf aber zurückgezogen.

Nunmehr erfolgt die dritte Auflage dieses Verlangens, und wieder sollen die Daten von Patientinnen und Patienten bundesweit gesammelt werden und bestimmten Ressorts auf Anfrage zur Verfügung stehen, nämlich dem Innenressort, dem Verteidigungsres­sort und sogar dem Ressort für Wirtschaft und Arbeit.

Wenn man sich fragt, worum es sich hier handelt, gibt es eine relativ schnelle Antwort: Abhängigkeit und Sucht sind per definitionem eine Erkrankung. Keinem Bürger, keinem Minister/keiner Ministerin, selbst einem Kanzler nicht, würde einfallen, Diagnosen mit ihren Trägern, den Patientinnen und Patienten, in ein bundesweites Register einzufü­gen.

Sich bei Suchterkrankung einer Therapie zu unterziehen, erfordert massive Kraftan­strengungen für die Kranken. Diese Therapie ist kein Honiglecken, sie erfordert Diszi­plin, sie erfordert aber auch Vertrauen, Vertrauen in die behandelnden Ärztinnen und Ärzte. Und dieses Vertrauen wird jetzt auf die Probe gestellt, wenn Ärztinnen und Ärzte sagen müssen: Liebe Frau/lieber Herr, ich muss Sie nennen, ich muss Sie in ein Re­gister einbringen, das auf Anfrage mehreren Ministerien offengelegt wird – Sie mit Ih­ren Daten, mit Ihrer Erkrankung und mit Ihrer Art der Therapie!

Man hat jetzt den Weg einer Regierungsvorlage gewählt, um dieses Gesetz durchzu­drücken, und das ist sehr durchsichtig: Regierungsvorlagen bedürfen nämlich keiner Begutachtung. Alle Expertinnen und Experten und auch die Ärztekammer mit den be­handelnden Ärzten sind gegen dieses Gesetz Sturm gelaufen, gegen die Entwürfe Sturm gelaufen, gegen die Verordnung Sturm gelaufen. Sie sehen die ärztliche Schweigepflicht durchbrochen und haben Sorge, dass sich PatientInnen, die sich zu einer Suchttherapie aufraffen, aufgrund der Nennung, aufgrund der Nicht-mehr-Anony­misierung dieser Therapie entziehen und wieder in den Untergrund gehen, wo sie nicht mehr erfasst werden.

Das aber hat massive Nachteile. Diese PatientInnen im Untergrund haben keine Mög­lichkeiten, sozusagen zu sauberen, zu ärztlich beobachteten, zu kontrollierten Thera­pien zu kommen, gefährden so nicht nur ihr Leben, sondern schüren Begleitkriminali­tät, um zu Suchtmitteln zu kommen, bekommen zusätzlich massive Probleme verur­sachende Erkrankungen, von Leberentzündungen angefangen, unsaubere Spritzen, etc. pp.

Das heißt, diese Ansicht, man müsste nur jeden Süchtigen, jeden Kranken erfassen, dann sei die Welt in Ordnung, ist eine seltsame, eine gesundheitspolitisch kontrapro­duktive – und dagegen sollte man auch therapeutisch angehen, schlage ich einmal vor.

Es steht der Verdacht im Raum – und das wird als Grund für dieses Gesetz genannt –, dass Abhängige von Arzt zu Arzt pendeln und sich immer wieder das Therapiemittel, das Substitutionsmittel verschreiben lassen. – Dem schiebt das Gesetz jetzt schon einen Riegel vor. Die Amtsärzte müssen verständigt werden, die Leute sind beim Amtsarzt registriert, aber auch der unterliegt einer gewissen ärztlichen Verschwiegen­heitspflicht, und jede Apotheke, wenn jemand diesen Weg ginge, käme drauf: Der hat schon etwas bekommen!, und man würde beim behandelnden Arzt rückrufen, dessen Name ja auf dem Rezept vermerkt ist.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 115

Ich frage mich also, warum solche diffusen Ängste und Vorurteile dazu führen, dass ÄrztInnen und PatientInnen gleichzeitig mehr als einen warnenden Finger erheben, man aber einfach sagt, es soll so sein. Ich trete mit aller Vehemenz gegen dieses Ge­setz auf – und das hat nichts mit Verherrlichung von Drogen zu tun. Das sage ich nur, um nicht wieder irgendwelchen seltsamen Vorwürfen ausgesetzt zu sein. (Beifall bei den Grünen.)

14.47


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Rasinger. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.47.18

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehr­te Frau Ministerin! Hohes Haus! Diese Regierungsvorlage zum Suchtmittelgesetz kennzeichnet eine Weiterführung des österreichischen Wegs, und ich möchte zwei Punkte herausgreifen.

Erstens ist interessant, dass jetzt der Cannabis-Anbau unter staatlicher Aufsicht ge­nehmigt ist, was aber nicht Freigabe bedeutet. Es gibt den wissenschaftlichen Hinweis, dass Cannabis, zumindest Extrakte daraus, dass Delta-9-Tetrahydrocannabinol eine heilende Wirkung hat – Gift- und Heilmittel liegen oft sehr nahe nebeneinander –, und zwar vor allem bei Krebskranken, Multiple-Sklerose-Kranken, AIDS-Kranken, die unter schlimmem Brechreiz beziehungsweise Appetitstörungen leiden. Vor allem gegen Ap­petitstörungen haben wir derzeit kaum ein geeignetes Mittel.

Somit ist der Anbau unter staatlicher Aufsicht sogar etwas Gutes, wobei ich als Arzt ab­solut nicht der Freigabe von Cannabis das Wort rede. Es gibt auch Studien, dass durch Cannabis zum Beispiel die Gefahr einer Schizophrenie erhöht wird. Möglich sind De­pressionen, Amotivationszustände, Gedächtnisstörungen. Also so ungefährlich ist Can­nabis nicht. Das „British Medical Journal“ hat vor einigen Wochen getitelt: Wir haben uns geirrt!, hat also zugegeben, Cannabis ist nicht so ungefährlich, wie man gesagt hat. Abgesehen davon haben wir genug Probleme mit unseren legalen Süchten.

Herr Abgeordneter Grünewald! Suchtmittelregister, Substitutionsregister – bitte, malen wir jetzt nicht den Teufel an die Wand! Natürlich ist es sinnvoll, dass man Daten hat, dass man Daten wissenschaftlich austauscht, dass man Daten unter den Therapeuten austauscht. Der Datenschutzrat hat das geprüft und auch für in Ordnung befunden. Es dient auch dem Versuch, die Zahl der Drogentoten zu senken, wenn man eine genaue Statistik führt, wo die Schwerpunkte liegen. Ich betreue 30 Süchtige, und ich weiß, dass es sehr wohl Probleme gibt. Ich weiß, dass manche Süchtige über mehrere Stel­len versuchen, ihre Suchtmittel zu bekommen, und dass es ein großes Problem für den verschreibenden Arzt ist, da eine Übersicht zu halten.

Alles in allem glaube ich sagen zu können, dieses Suchtmittelgesetz geht einfach den österreichischen Weg weiter. Wir waren nie in Extremen verhaftet, und ich muss sa­gen, die Erfolge – heute sind fast 50 Prozent der Süchtigen in Substitution – zeigen, dass wir dieses Problem, welches in jedem Land der Welt existent ist, doch möglichst klein halten. Nur eines: Die Sucht hat ganz andere Wurzeln, und zu glauben, dass man das mit Strafrecht und irgendwelchen Registern in den Griff bekommt, das wäre wirk­lich naiv – und so naiv sind wir alle nicht. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.50


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch-Jenewein; 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 116

14.50.47

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Wir Freiheitlichen wer­den dieser Regierungsvorlage nicht unsere Zustimmung geben, denn: Zum einen ist das ein Gesetz, das permanent novelliert und wieder novelliert wird, und ich denke, es wäre sinnvoll, einmal generell ein neues, übersichtlicheres Gesetz zu machen.

Zum anderen gibt es einige Hauptkritikpunkte von unserer Seite. Wenn wir wollen – das hat auch Herr Abgeordneter Grünewald schon angesprochen –, dass sich Men­schen behandeln lassen und gesund werden, dann dürfen wir ihnen nicht damit dro­hen, dass sie und ihre Krankheit irgendwo registriert sind. Ich würde auch nicht wollen, dass überall aufscheint, ob mir ein Zahn gezogen wurde. Ich glaube, das ist ein Punkt, der wirklich zu kritisieren ist, zumal wir die Menschen auch von der Straße wegholen wollen.

Ein weiterer Kritikpunkt – und ich weiß, es ist geltendes Recht, aber das hätte ich mir von einer Novelle sehr wohl erwartet –: dass schon der bloße Verdacht ausreicht, um in dieses Register eingetragen zu werden. Das ist etwas, womit wir überhaupt nichts anfangen können, denn das ist ein Vernaderungsparagraph. Das würde bedeuten, Frau Bundesminister, Sie erhalten eine anonyme Anzeige, dass Sie drogenkrank sind, und dann kommen Sie in dieses Register – ob das jetzt stimmt oder nicht! Selbst wenn die Staatsanwaltschaft derartige Fälle niederlegt, so ist das etwas, das mit meinem Rechtsverständnis überhaupt nicht konform geht. Das ist etwas, das aus dem Gesetz wirklich entfernt gehört, und zwar sehr dringend. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abge­ordneten der Grünen.)

Ich glaube, dass das schon ein Grund dafür ist, dass wir diesem Gesetz nicht zustim­men können.

Nicht ganz nachvollziehbar ist für mich auch, warum gerade die Ages mit dem Anbau beauftragt werden soll. Wie schaut es da aus mit den Kapazitäten? Hat diese Agentur überhaupt die Möglichkeiten, die Räumlichkeiten? Das ist meines Erachtens alles ein bisschen unklar.

Es ist das für uns ein Gesetz, das undurchschaubar ist, das in sich unlogisch und in­komplett ist, und daher werden wir diesem Gesetz nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald.)

14.52


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Oberhauser. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.53.02

Abgeordnete Dr. Sabine Oberhauser (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministe­rin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es war uns vollkommen klar, dass wir uns mit die­sem Gesetz in einem Spannungsfeld zwischen Datenschutz und einer koordinierten Gesamtbetreuung von Suchtkranken – da bin ich ganz beim Kurt Grünewald – und auch dem Verhindern von Mehrfachverschreibungen, wie wir sie leider immer wieder sehen, bewegen werden.

Allerdings muss ich sagen, dass durch die jetzt vorliegende Regierungsvorlage im Ver­gleich zu dem, was in den Anfängen da war, dank wirklich sehr zäher Verhandlungen, an denen von unserer Seite sehr viele Expertinnen und Experten – vor allem Dank an die Wiener Drogenkoordinatoren, die als Sprecher der österreichischen Drogenkoordi­natoren bei uns waren – intensiv mitgewirkt haben, eine Abmilderung dieses Gesetzes erreicht werden konnte. Genau jene Punkte, die kritisiert wurden, nämlich die Frage


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 117

der personenbezogenen Daten und der Sammlung von personenbezogenen Daten, haben auch uns an dem Grundentwurf gestört und sind jetzt in dieser Vorlage nicht mehr enthalten.

Wir haben die Daten beim Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend an­gesiedelt – wir haben sie nicht im Justizministerium und nicht im Innenministerium an­gesiedelt. Es ist auch so, dass die gespeicherten Daten in dem jetzigen Entwurf auf das absolute Minimum reduziert sind.

Es gibt jetzt maximalen Datenschutz für die Betroffenen. Der erste Vorschlag des Bun­desministeriums war, dass die Daten nur personenbezogen gespeichert werden kön­nen und dass das Ministerium diese auch haben muss, um sozusagen „schöne Daten“ zu haben. Das war im Grundentwurf so festgeschrieben. Jetzt ist es so, dass die Daten bei Eingabe sofort codiert werden müssen.

Nach dem vorigen Entwurf wäre auch eine direkte Online-Abfrage durch das Justizmi­nisterium, das Innenministerium, das Wirtschaftsministerium möglich gewesen. Auch das ist nicht mehr möglich. Das heißt, es kann nur mehr das Gesundheitsministerium abgefragt werden. Das Gesundheitsministerium braucht eine Begründung und gibt dann die Daten weiter. Im Zusammenhang mit diesen Online-Abfragen gab es durch­aus Begehrlichkeiten auch vom Landesverteidigungsministerium, dass man im Prinzip gleich ganze Jahrgänge an Zivildienern mehr oder weniger durchscreenen hätte kön­nen. All diese Begehrlichkeiten sind ausgeräumt, herausverhandelt. Geht nicht mehr! Es gibt begründete Einzelfälle, im Bereich Landesverteidigung etwa, zum Beispiel beim Auslandseinsatz oder beim Lenken von Transporten mit Sprengstoffen. Da kann eine Abfrage – aber nur durch das Ministerium – erfolgen.

Es ist auch so, dass im Prinzip in diesem Entwurf der Amtsarzt als die Drehscheibe gilt, nicht das Ministerium. Das heißt, der Amtsarzt kann Codierungen einführen und auch wieder rückführen; nur im Einzelfall kann das das Ministerium machen.

Wir haben auch versucht, die Bürokratie für die behandelnden Ärztinnen und Ärzte – was eine Forderung war – möglichst einzudämmen. Das heißt, all diese Dinge wie Be­ginn und Ende wurden herausgenommen, es werden im Prinzip nur mehr rezeptbezo­gene Daten eingegeben.

Ich glaube, dass wir diesem Gesetzentwurf beruhigt zustimmen können. Vor allem glaube ich, dass es gut ist, eine derart abgespeckte Variante zu haben, denn man weiß nicht, was zukünftige Regierungen bringen könnten. Ich glaube, dass das in der Form sicherlich die gescheitere Variante ist. (Beifall bei der SPÖ.)

14.56


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Zwerschitz; sie ist für 3 Minuten gemeldet. Wir werden dann die Sitzung um 15 Uhr zum Aufruf des Dringlichen Antrages unterbrechen. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


14.56.39

Abgeordnete Barbara Zwerschitz (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Auch wir können uns dem anschließen, dass wir schwerwiegende datenschutzrechtliche Be­denken haben, auch wenn Kollegin Oberhauser jetzt versucht hat, diese auszuräumen. Wie damit umgegangen wird und wie viele einzelne Anfragen dann beantwortet wer­den, wissen wir nicht.

Es steht im Gesetz, dass zu statistischen Zwecken die Daten pseudonymisiert werden, dass aber die personenbezogenen Daten sehr wohl zunächst einmal ans Gesundheits­ministerium gemeldet werden – wenn ein Strafbestand vorliegt, wenn eine Anzeige vor-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 118

liegt, auch wenn ein Verdacht vorliegt. Das scheint uns – was auch in der Begutach­tung kritisiert wurde – äußerst übertrieben zu sein. Man kann in Verdacht geraten, auch wenn man nichts verschuldet hat. Es reicht eine Anzeige zum Beispiel von einer Nach­barin, die das Gefühl hat, dass die Pflanzen, die auf der Veranda stehen, nicht so ganz koscher sind. Es reicht, wenn man zum falschen Zeitpunkt neben dem falschen Men­schen steht, wenn man zum Beispiel gerade neben jemandem steht, der Drogen dealt, um zu solch einer Anzeige zu kommen.

Was passiert dann mit den Daten? – Österreich ist leider nicht dafür berühmt, beson­ders sorgsam mit Daten umzugehen. Das Misstrauen konnte auch dadurch nicht aus­geräumt werden, dass man beschließt, dass Paragraphen, die zunächst vom Justiz­ausschuss nicht beschlossen werden, dann plötzlich ohne Begutachtung im Gesund­heitsausschuss landen. Ich weiß, sie sind leicht adaptiert worden, aber sicher nicht ausreichend.

Sehr viel von der Kritik, die in der Begutachtung erfolgt ist, ist nach wie vor zutreffend.

Es ist auch nicht einzusehen, warum jetzt plötzlich derart viele Daten im Gesundheits­ministerium zusammenlaufen müssen. Geburtsort, Staatsbürgerschaft, Geburtsdatum, Geschlecht, Zuname, Vorname, diese Daten werden erst später anonymisiert, wenn die Anzeige zum Beispiel zurückgelegt wird. Der Zweck ist die Evidenthaltung der an­hängigen Verfahren. – Verfahrensverwaltung ist etwas, das ich ursächlich in meinem Verständnis im Justizministerium ansiedeln würde. Es gibt eine Kriminalstatistik, es gibt eine Verurteilungsstatistik – warum muss plötzlich das Gesundheitsministerium auch so etwas haben?

Und was auch bedenklich ist: Es gibt nicht die direkten Online-Zugriffe, aber es gibt nach wie vor die Anfragen, die auch online möglich sind. Und wenn Daten einmal im Netz sind, ist es sehr schwierig, sie zu schützen, dazu beizutragen, dass sie wirklich so gut verschlüsselt sind, dass sie niemand mehr finden kann.

Der Datenschutzrat, Herr Abgeordneter Rasinger, hat in der Begutachtung sehr wohl einiges an diesem Entwurf kritisiert. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.59


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Ich unterbreche nunmehr die Verhand­lungen über den Punkt 3 der Tagesordnung, damit die verlangte Behandlung eines Dringlichen Antrages gemäß der Geschäftsordnung um 15 Uhr stattfinden kann.

15.00.01Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen betref-
fend Verhinderung der missbräuchlichen Anwendung der Anti-Mafia-Paragra­phen (854/A)(E)

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Wir gelangen zur dringlichen Behand­lung des Selbständigen Antrages 854/A(E).

Da dieser inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Der Dringliche Antrag hat folgenden Wortlaut:

Begründung:

In einem martialisch anmutenden Großeinsatz der Polizei wurde am 21. Mai 2008 6:00 Uhr früh österreichweit gegen TierschützerInnen vorgegangen: Türen wurden ein­geschlagen, maskierte Sondereinheiten stürmten die Wohnungen und bedrohten die TierschützerInnen mit Waffen. Die Büros von 4 Tierschutzvereinen wurden durch Be-


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schlagnahmungen von Unterlagen und Computern vollkommen lahm gelegt, 10 Per­sonen wurden festgenommen, 23 Hausdurchsuchungen wurden durchgeführt. Zwei Tage später wurde über die 10 Personen Untersuchungshaft verhängt, die bis heute anhält. Begründet wird die Untersuchungshaft mit „Verdunkelungsgefar“ und „Tatbege­hungsgefahr“ sowie dem Verdacht der Beteiligung an einer kriminellen Organisation gem. § 278a StGB. 

1. Rechtswidriges Polizeiliches Vorgehen

Bereits kurz nach den geschilderten Polizeimaßnahmen kam es zur Schilderung von Rechtswidrigkeiten und Unverhältnismäßigkeiten.

In darüber eingeleiteten Beschwerdeverfahren gestand die Oberstaatsanwaltschaft Wien in einer Stellungnahme vom 25.6.2008 mittlerweile ein, dass die gewaltsame Öff­nung der Türen gesetzwidrig erfolgte, und dass in zumindest einem Fall die Haus­durchsuchung von vornherein unzulässig war, da keinerlei Anfangsverdacht gegen die Wohnungsinhaber bestand. Die Begründung für die Hausdurchsuchungen und die An­gabe der zu suchenden Gegenstände war in den Anordnungen jeweils zu unbestimmt formuliert. Zu weiteren Vorwürfen, dass etwa gesetzwidrig die Beiziehung von Vertrau­enspersonen und Rechtsbeiständen verweigert wurde oder die Bewohner der Wohnun­gen menschenunwürdig behandelt wurden, indem sie etwa in Unterwäsche stunden­lang am Gang vor den Wohnungen stehen mussten, sowie dass in zumindest zwei Fäl­len gesetzwidrig DNA-Proben entnommen wurden, haben sich bisher weder die Krimi­nalpolizei noch die Oberstaatsanwaltschaft geäußert.

Über die anhängigen Beschwerden wurde noch nicht entschieden, es ist jedoch zu er­warten, dass weitere Instanzen zahlreiche Rechtswidrigkeiten und Verletzungen der Menschenrechte im Zuge der Polizeimaßnahmen feststellen werden.

2. Fragwürdige Verhängung der Untersuchungshaft und diffuse Vorwürfe

Die Untersuchungshaft wurde mit den Haftgründen der Verdunkelungs- und der Tatbe­gehungsgefahr begründet.

Da bei der angeführten Polizeiaktion sämtliche Computer und Datenträger beschlag­nahmt worden sind, ist nicht nachvollziehbar, worin die „Verdunkelungsgefahr“ beste­hen soll.

Eine Tatbegehungsgefahr konnte schon deshalb nicht begründet werden, da den Be­schuldigten und ihren Rechtsvertretern nicht mitgeteilt wurde, welche konkreten Straf­taten vorgeworfen würden. Auch Akteneinsicht wurde erst im Verlauf der folgenden Wochen schleppend und nur teilweise gewährt, so dass eine ordnungsgemäße Vertei­digung unmöglich war. Der allgemeine Vorwurf einer „kriminellen Organisation“ ist – wie unten noch zu zeigen ist – strafrechtlich nicht haltbar.

Einzeldelikte, welche in den Haftverhandlungen vom 6.6.2008 erstmalig einigen Be­schuldigten vorgeworfen wurden, haben sich, wie in einer Stellungnahme der Ober­staatsanwaltschaft Wien vom 19.6.2008 bestätigt wird, großteils als unhaltbar erwie­sen. Bei einer angeblichen Brandstiftung an einer Jagdhütte stellte sich etwa heraus, dass diese durch einen Ofen verursacht wurde, was von den Jägern  zunächst auch der Versicherung gegenüber verschwiegen wurde. In anderen Fällen hat ein von der Polizei geführter angeblicher Belastungszeuge – über dessen Einvernahme auffallen­der Weise keine Niederschrift existiert – die ihm zugeschriebenen Aussagen sofort be­stritten. Diesbezüglich hat ein Verteidiger bereits Strafanzeige gegen die ermittelnde Beamtin eingebracht.

Die verbleibenden Einzelvorwürfe wie etwa das Klopfen auf ein Autodach, das Aus­streuen von Papierschnitzeln, eine Tierbefreiung von Schweinen und einige geringwer­tige Sachbeschädigungen (Beschädigung von Plakatständern, Einwurf einer Fenster­scheibe) können eine Untersuchungshaft unter keinen Umständen rechtfertigen.


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Dennoch wurde zuletzt am 7.7.2008 die Untersuchungshaft mit fadenscheinigen Be­gründungen neuerlich verlängert. Das Oberlandesgericht Wien hat über die anhängi­gen Haftbeschwerden bis heute nicht entschieden.

3. Missbräuchliche Anwendung des § 278a StGB – „Kriminelle Organisation“

Der Tatbestand des § 278a StGB wurde für die Bekämpfung mafiaähnlicher Verbin­dungen geschaffen. Intention der Schaffung des § 278a StGB war also die Bekämp­fung schwerer organisierter Kriminalität, gedacht wurde an Organisationen wie bei­spielsweise die sizilianische Mafia, die kalabrische N’drangheta oder die chinesischen Triaden (vgl Kienapfel, JBl 1995, 613). Nun wird er zur Kriminalisierung der Tierschutz­bewegung missbraucht.

Der Tatbestand „Kriminelle Organisation“ wird offenbar nur deswegen herangezogen, da keine konkreten Tatnachweise vorliegen. Für alle ungeklärten Fälle, die mit Tier­schutz zusammenhängen könnten, wird eine kriminelle Organisation verantwortlich ge­macht.

Nicht nur Amnesty International zeigte sich aufgrund der angeblich vorliegenden Be­weislage irritiert darüber, dass hier das Gesamtdelikt der Mitgliedschaft in einer krimi­nellen Organisation verfolgt wurde und nicht entsprechende Strafverfahren wegen Sachbeschädigung, Nötigung oder gefährlicher Drohung eingeleitet wurden.

Offensichtlich wurde auf den „Mafiaparagrafen“ zurückgegriffen, da es trotz ausgiebi­ger, ja sogar ausufernder Ermittlungen unter Heranziehung modernster technischer Er­mittlungsmethoden durch mehrere Jahre hindurch der Polizei nicht gelang, eine Reihe schwerer Sachbeschädigungen gegen Bekleidungsgeschäfte aufzuklären. Anschei­nend wurde diese Bestimmung genau in jenem Moment herangezogen, als dies zur Er­langung der gerichtlichen Bewilligung noch weitergehender Ermittlungsmethoden ge­fordert war.

Im Ergebnis konnten jedoch gegen die jetzt Beschuldigten trotz dieser weitreichenden Ermittlungsmethoden keine Beweise einer Beteiligung an den untersuchten schweren Sachbeschädigungen gefunden werden. Statt dessen wurde die Tätigkeit legaler Ver­eine überwacht, die Teilnahme an legalen Demonstrationen dokumentiert, die Tele­kommunikation einer Vielzahl von Tierschützern abgehört, die verfassungsrechtlich ge­schützte Abgabe von freien Meinungsäußerungen zu Tierschutzfragen im Internet er­forscht, und aus all diesen Mosaiksteinen die Behauptung konstruiert, die Beschuldig­ten seien „militante Tierrechtler“ und alleine aufgrund dieses Umstandes der angebli­chen kriminellen Organisation zugehörig und deshalb für sämtliche ungeklärten Strafta­ten mit möglichem Zusammenhang zur Tierschutzszene verantwortlich.

Diese ausufernde Interpretation durch die ermittelnden Polizeibeamten wurde
von Staatsanwaltschaft und Untersuchungsrichtern bestätigt, ohne dass erkennbar eine eingehende rechtliche Prüfung erfolgt wäre, welche die irrige Auslegung
des § 278a StGB zu Tage bringen hätte müssen.

Tatsächlich kann der Tatbestand des § 278a StGB bei richtiger rechtlicher Auslegung nämlich nicht erfüllt sein:

Die im Gesetz geforderte „unternehmensähnliche Organisation“ liegt in der von der Staatsanwaltschaft beschriebenen losen Vernetzung nicht vor.

Nur durch Zusammenrechnung zweier nachweislich unabhängiger Personengruppen konnte die geforderte Mindestzahl von Mitgliedern erreicht werden.

Die angebliche Organisation strebt keine Bereicherung an, und auch ein „erheblicher Einfluss auf Politik und Wirtschaft besteht“ nicht.

Das vom Gesetzgeber einschränkend gedachte Tatbestandsmerkmal einer besonde­ren Abschirmung gegen Strafverfolgungsmaßnahmen wurde in sein Gegenteil ver-


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kehrt, indem die bloße Verwendung von E-Mail Verschlüsselung wie sie allgemein üb­lich ist und etwa von Banken ihren Kunden vorgeschrieben wird als Beweis für das Vorliegen einer kriminellen Organisation angesehen wurde.

Schließlich wäre die Ausrichtung der Organisation auf die geplante Begehung „schwer­wiegender Straftaten“ gefordert. Es würden zwar einige der von der Polizei nicht aufge­klärten Sachbeschädigungen dieses Kriterium erfüllen, die den in Haft sitzenden Be­schuldigten mittlerweile nur noch vorgeworfenen Delikte erfüllen diese Voraussetzung jedoch jedenfalls nicht.

4. Reformbedarf

Zunächst wird im gegenständlichen Fall durch geeignete Maßnahmen der verantwortli­chen Minister dafür Sorge zu tragen sein, dass die unhaltbare Inhaftierung der Be­schuldigten so rasch als möglich beendet wird, und über allfällige verbleibende Vorwür­fe ein faires Strafverfahren nach rechtsstaatlichen Grundsätzen durchgeführt wird.

Darüber hinaus zeigt sich jedoch an dieser Sache, dass § 278a StGB in seiner derzeiti­gen Formulierung zu „überschießenden" Gesetzesanwendungen führen kann. Damit ist die legale und für die Gesellschaft nützliche und bedeutsame Arbeit aller ehrenamtli­chen Vereine, seien es Umweltschutzvereine, Anti-Atomkraft-Volksbegehren usw. be­droht, wenn nur irgendwo in ihren Randbereichen die Möglichkeit besteht, dass „schwarze Schafe“ Straftaten begehen. Folgt man dieser Argumentation konsequent, dann könnten etwa auch Fußball-Fanclubs und Freiwillige Feuerwehren kriminelle Or­ganisationen darstellen, wenn es etwa bei von ihnen organisierten Veranstaltungen zu Schlägereien oder Sachbeschädigungen kommt.

Es werden daher dieser Paragraf und verwandte Strafbestimmungen legistisch zu überarbeiten und zu sanieren sein, damit ein Missbrauch wie im gegenständlichen Fall zukünftig verhindert wird.

Darüber hinaus wird aufgrund der vorgefallenen Rechtsverletzungen und Unverhältnis­mäßigkeiten bei den gegenständlichen Hausdurchsuchungen und vorangegangenen Überwachungsmaßnahmen streng nachzuprüfen sein, wie die Polizeibehörden und Gerichte mit den ihnen eingeräumten Ermittlungsinstrumenten umgehen. Insbesondere angesichts der gestärkten Position der Staatsanwaltschaften im Vorverfahren seit In­krafttreten der StPO-Reform mit 1. Jänner 2008 wurde die richterliche Kontrolle des Einsatzes dieser Ermittlungsmethoden eingeschränkt, und es wird diese Maßnahme durch entsprechende Evaluierungsmaßnahmen zu hinterfragen sein. Darüber hinaus muss offensichtlich die Schulung der Exekutivkräfte, aber auch von Gerichtsorganen hinsichtlich der Einhaltung der menschenrechtlich geschützten Verfahrensgarantien verbessert werden.

Schließlich wird durch entsprechende personelle Ausstattung dafür zu sorgen sein, dass Beschwerdeverfahren betreffend Haftprüfungen und die Verletzung subjektiver Rechte durch polizeiliche und gerichtliche Maßnahmen rasch und auf höchstem quali­tativem Standard durchgeführt werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass

1. der § 278a StGB und verwandte Strafbestimmungen dahingehend reformiert wer­den, dass eine missbräuchliche Anwendung auf Nichtregierungsorganisationen künftig ausgeschlossen ist;


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2. polizeiliche und gerichtliche Ermittlungsmaßnahmen, welche in verfassungsrechtlich geschützte Rechte Einzelner eingreifen, tatsächlich nur im Falle unbedingter Erforder­lichkeit unter strenger Prüfung der Verhältnismäßigkeit bei gleichzeitiger penibler Ein­haltung der gesetzlichen Bestimmungen und mit ausführlicher, inhaltlich durchdachter Begründung beschlossen werden und zum Einsatz kommen, und möge dies insbeson­dere durch geeignete Schulungsmaßnahmen und organisatorische Vorkehrungen si­cherstellen;

3. Beschwerdeverfahren in Haftprüfungssachen und hinsichtlich der Verletzung subjek­tiver Rechte durch polizeiliche und gerichtliche Maßnahmen rasch und auf höchstem qualitativem Standard durchgeführt werden;

4. eine Evaluierung der Wahrnehmung der Befugnisse der Staatsanwaltschaften auf­grund der Strafprozessreform in angemessener Frist durchgeführt werde.

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung gemäß § 74a iVm § 93 Abs. 1 GOG verlangt.

*****

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Ich erteile Frau Abgeordneter Mag. Weinzinger als Antragstellerin zur Begründung des Dringlichen Antrages das Wort. Gemäß § 74a Abs. 5 der Geschäftsordnung darf die Redezeit 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


15.00.02

Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Minis­terInnen! Hohes Haus! Stellen Sie sich vor, Sie werden frühmorgens wach, weil vor Ih­nen ein maskierter bewaffneter Polizist mit gezogener Waffe steht, mit mehreren Kolle­gen, und Sie auffordert, sofort aufzustehen und die Arme über den Kopf zu nehmen. (Abg. Dipl.-Ing. Auer: Und was haben Sie am Vorabend gemacht? – Abg. Murauer: Dann wissen Sie, dass Sie vorher irgendetwas falsch gemacht haben!) – Ja, genau, der Kollege sagt, dann wissen Sie, dass Sie irgendetwas falsch gemacht haben. Sie überlegen fieberhaft, was das gewesen sein könnte. – Sie wissen es nicht. (Abg. Mu­rauer: Das wird er einem dann schon sagen!) Das wird er einem dann schon sagen, meint der Kollege. Ja, die Polizei sagt: Kommen Sie mit, das erfahren Sie schon noch rechtzeitig!

Bei der Einvernahme wird Ihnen dann erklärt, Sie seien Mitglied einer kriminellen Orga­nisation. (Abg. Murauer: Da haben wir es eh schon!) Jetzt sind Sie Mitglied bei der ÖVP. (Abg. Murauer: Das ist keine kriminelle Organisation!) Das ist in meinen Augen keine kriminelle Organisation. Wenn es nach dem § 278a geht, bin ich mir da schon nicht mehr so sicher, Herr Kollege. (Präsidentin Mag. Prammer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Faktum ist, das, was ich Ihnen gerade geschildert habe, ist in Österreich Ende Mai in 23 Haushalten genau so passiert, und das, was die Menschen sich vorwerfen lassen mussten, ist, dass sie für den Tierschutz aktiv gewesen waren, dass sie Gnadenhöfe betreiben, an Tierschutzdemonstrationen teilgenommen haben, andere Tierschützer oder Tierschützerinnen kennen, Vorwürfe dieser Art. Genau das ist der Vorwurf, Herr Kollege: Es gibt gegen keinen der Beschuldigten einen konkreten Anklagepunkt, es kann keinem eine einzelne konkrete Straftat mit auch nur annäherndem Beweis ad per­sonam vorgeworfen werden.

Was wir haben, sind zehn Tierschützerinnen und Tierschützer, die heute noch in Unter­suchungshaft sitzen wegen des Vorwurfes, angeblich einer kriminellen Organisation


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anzugehören, aber es gibt sonst keine konkreten Anklagepunkte. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass in einem Rechtsstaat, dass in Österreich so etwas möglich ist und einem Bürger oder einer Bürgerin so etwas passieren kann. (Beifall bei den Grü­nen.)

Schauen wir uns noch genauer an, wie diese Hausdurchsuchungen und Festnahmen abgelaufen sind!

Glauben Sie, entspricht es einem modernen Rechtsstaat mit korrektem Vorgehen, mit klaren Bestimmungen für das Vorgehen, wenn man einem Beschuldigten bei einer Hausdurchsuchung erstens einmal gleich ungeschaut die Tür eintritt, nicht einmal fragt, ob er aufmacht, nicht sagt, er möge gesuchte Gegenstände freiwillig herausgeben – was auch nicht geht, weil der Durchsuchungsbescheid so formuliert ist, dass relevante Informationen gesucht werden, und das kann man schlecht herausgeben –, wenn man dann den Beschuldigten in der Unterhose in Handschellen auf den öffentlichen Gang vor seine Wohnung zerrt und dort eine Stunde lang „abstellt“, während in seiner Abwesenheit die Hausdurchsuchung durchgeführt wird? – Das spottet nicht nur jeder Beschreibung, sondern das widerspricht vor allem den Rechtsvorschriften für die Vor­gangsweise bei solchen Hausdurchsuchungen. Das ist glatt rechtswidrig! (Beifall bei den Grünen.)

Dass das rechtswidrig ist, ist im Übrigen eine Behauptung, die nicht nur ich aufstelle, sondern die Oberstaatsanwaltschaft hat das inzwischen bestätigt: Die Art und Weise, Hausdurchsuchungen durchzuführen, einfach mit dem Rammbock Türen aufzubrechen und so mit Menschen, die keiner gröberen Vergehen verdächtigt werden konnten, um­zugehen, ist klar rechtswidrig und im Übrigen jedenfalls menschenrechtswidrig. „am­nesty international“ hat in ungewohnter Schnelligkeit und Deutlichkeit eine Stellungnah­me zu diesen Vorgängen abgegeben und eindeutig festgestellt, dass sowohl die Vor­gangsweise als auch das Festhalten von Menschen in Untersuchungshaft ohne Vorla­ge konkreter Anklagepunkte menschenrechtswidrig ist.

Wie ist es jetzt dazu gekommen? – Es gab, glaubt man den Schriften der Staatsanwalt­schaft, in den letzten elf Jahren 33 einzelne Straftaten von so genannten Gasanschlä­gen, gemeint sind Stinkbomben, nichts sonst. Brandstiftungen wurden genannt, bis zu gelinderen Sachbeschädigungen. Wenn man das alles durchgeht und sich das an­schaut, nachdem die Oberstaatsanwaltschaft das überprüft hat, stellen wir fest, dass von den 33 einzelnen Straftaten (Abg. Dipl.-Ing. Auer: 33, das ist aber nicht wenig!) nur noch – je nachdem, ob man nur jene ab Geltung des Gesetzes dazu nimmt oder nicht – vermutlich 22 Straftaten übrigbleiben, davon mehrere Schmierereien an Haus­wänden, mehrere eingeschlagene Fensterscheiben, es war in den Unterlagen nicht eindeutig, ob zwei oder fünf beschädigte Hochstände, und besagte Stinkbomben. Das sind die konkreten Straftaten, um die es geht.

Spannend finde ich, wie mit diesen Vorwürfen umgegangen wird. Da wird behauptet, es hätte eine Brandstiftung gegeben. Klingt ziemlich dramatisch, das ist natürlich nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Wenn man sich die Unterlagen anschaut – was im Übrigen die HaftprüfungsrichterInnen machen sollten, was inzwischen die Oberstaats­anwaltschaft gemacht hat –, sieht man, es geht schon aus den Unterlagen selber her­vor, dass eine behauptete Brandstiftung einer Jagdhütte in Zurndorf nichts anderes war als ein Brand, durch einen defekten Ofen verursacht, was die Jäger zuerst nicht und dann doch zu Protokoll gegeben und der Versicherung gemeldet haben. Das geht al­lein schon aus dem Polizeiakt hervor.

Wenn man das halbwegs gründlich studiert, dann kann man aus der Tatsache dieses Brandes und der Tatsache, dass am nächsten Tag einer der beschuldigten Tierschüt­zer mehrere Stunden in der Gegend anwesend war, wohl nicht den konkreten Tatvor-


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wurf einer Brandstiftung konstruieren. Das ist haarsträubend, das spottet jedem rechts­staatlichen Prinzip, wie hier umgegangen wird. (Beifall bei den Grünen.)

Aber leider ist das über weite Teile des Aktes offenbar durchgängiges Prinzip: Aus will­kürlichen einzelnen Elementen werden Vorwürfe konstruiert, die keiner auch nur ober­flächlichen Betrachtung standhalten.

Zweites Beispiel: Einem Beschuldigten wurde vorgeworfen, persönlich verantwortlich zu sein für eine Stinkbombenaktion in einem Kleidergeschäft in Graz, weil der Betroffe­ne zufällig im selben Zeitraum in der Steiermark anwesend war. Als Tierschützer in der Steiermark aufhältig zu sein heißt in diesem Fall, verantwortlich zu sein für einen Stink­bombenanschlag auf ein Geschäft in Graz. Noch dazu hat der Beschuldigte in dieser Zeit an der Fernsehsendung „Tausche Familie“ teilgenommen und ziemlich eindeutige Alibis dafür gehabt.

So kann man nicht vorgehen! Das ist völlig unkorrekt, das spottet jedem Rechtsstaat, und ich beharre darauf, dass wir in Österreich nach rechtsstaatlichen Prinzipien vorge­hen! (Beifall bei den Grünen.)

Wir haben mehrere Beispiele, die ich Ihnen jetzt nennen könnte, wo der Staatsanwalt aus Material, das relativ harmlos ist, versucht, Tatvorwürfe zu konstruieren, zum Bei­spiel durch Falschübersetzungen. Ob das versehentlich oder absichtlich passiert ist, kann ich jetzt überhaupt nicht beurteilen. In der Originalübersetzung müsste es heißen: Wir haben gemeinsam Jagden auf Nerze sabotiert. Was so viel heißt wie: Jagdhörner gespielt, damit die Jagdmeute verwirrt war. Daraus wurde in der Falschübersetzung im Akt plötzlich: Wir haben gemeinsam Nerzfarmen sabotiert. Und das ist zumindest eine Besitzstörung, wenn nicht sogar eine Sachbeschädigung.

Das ist keine Lappalie, das ist keine Schlamperei, die man sich so nebenbei erlauben darf – und schon gar nicht, wenn das quer durch den Akt immer wieder auftritt! Das ist eine strafrechtlich relevante Informationsverfälschung – ob absichtlich oder unabsicht­lich, das sei dahingestellt, aber so geht es nicht, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen.)

Aber jetzt komme ich zum Gipfel der Beweisführung, der an Absurdität nicht mehr zu überbieten ist. Hätte mir das irgendjemand als Drehbuch für einen Film vorgelegt, hätte ich ihm gesagt: Das ist so an den Haaren herbeigezogen, vergessen Sie das wieder, das glaubt Ihnen kein Mensch!

Mehrere von Ihnen werden sicher die Kontrollstelle für artgerechte Tierhaltung kennen. Das sind diejenigen, die die Eierproduktion kontrollieren und dieses Gütesiegel verge­ben. Daran sind mehrere Tierschutzorganisationen und die produzierenden Betriebe, die sich kontrollieren lassen wollen und das Gütesiegel haben wollen, beteiligt. Lege­batterien sind davon ausgeschlossen.

Wussten Sie, dass die Kontrollstelle eine kriminelle Organisation ist, die Schutzgelder­pressung betreibt? Seitens der Staatsanwaltschaft wurde tatsächlich zu argumentieren versucht, die Tierschützer sind eine kriminelle Organisation, und mit dieser Kontrollstel­le setzen sie die produzierenden Betriebe unter Druck, damit diese ihnen Schutzgeld zahlen. Das hat dann selbst die Staatsanwaltschaft auf Nachfrage wieder fallen lassen müssen, weil es so abwegig ist. Das sind simple Beiträge, die der Kontrollstelle nur für die Kontrollarbeit zugute kommen. Da ist keine Bereicherung oder sonst etwas dahin­ter.

Das zeigt nur, wie abwegig hier die Interpretationen sind. Und da darf es einen dann nicht wundern, dass als belastendes beschlagnahmtes Material schon Dinge gelten wie – das wurde in den Haushalten oder bei den Organisationen gefunden – Handys, Spritzen, Spraydosen, Leibchen mit Tierschutzorganisationsaufdruck, Holzsägen. Das


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hätten Sie bei mir daheim auch alles finden können, ganz ehrlich. Bin ich deswegen eine kriminelle organisierte Tierschützerin, weil ich Spritzen besitze, Einwegspritzen, ohne Nadel noch dazu, weil ich eine Holzsäge besitze? Das ist ja absurd. Ich habe so­gar zwei Handys – nicht nur eines, hochgradig verdächtig! – und einen Laptop mit mehreren USB-Sticks.

All das wurde und wird den Beschuldigten noch immer ausgelegt als ein Beweis dafür, dass ihre Tätigkeit nicht einfach normale Tierschutzarbeit ist, nicht einfach normale NGO-Tätigkeit ist, sondern den Tatbestand der kriminellen Organisation erfüllt. (Abg. Rädler: Kein Rauch ohne Feuer!) – Kein Rauch ohne Feuer, außer bei Brandstiftungen an Jagdhütten, wo sich dann alles als Schall und Rauch entpuppt.

Herr Kollege! Die Frage ist, wo da das Feuer ist, wo der viele Rauch herkommt. Und ich werde darauf noch zu sprechen kommen, was es alles aufzuklären gibt bei der Ge­schichte. Da ist von vorne bis hinten so ziemlich alles mehr als aufklärungswürdig, das kann ich Ihnen versichern. (Beifall bei den Grünen.)

Schauen wir uns doch einmal an, welche Voraussetzungen laut Gesetz und laut OGH-Kriterien vorliegen müssen, um den Tatbestand der kriminellen Organisation zu erfül­len.

Erstens: Sie muss auf Dauer angelegt sein. – Gut. Den Punkt erfüllen die Tierschutzor­ganisationen auch, dass sie nicht vorhaben, sich als Verein nach zwei Wochen sofort wieder aufzulösen.

Zweitens: Es muss eine unternehmensähnliche Struktur gegeben sein. – Da wird es schon haarig, weil die Staatsanwaltschaft selber argumentiert an mehreren Stellen da­mit, dass keine unternehmensähnliche Struktur nachweisbar ist, sondern dass da ir­gendwelche unabhängigen geheimen kleinen autonomen Zellen mit einer angeblich kriminellen Tätigkeit aktiv sind. Also entweder – oder, meine Damen und Herren: ent­weder unternehmensähnlich oder autonome Zellen, die man halt nicht ausfindig ma­chen kann.

Drittens: Es muss eine Mindestpersonenanzahl gegeben sein, erst dann ist von einer Organisation zu reden. Man geht in der Justiz immer davon aus, dass das zehn Perso­nen sein müssen. – Welch ein Zufall: Es wurden genau zehn Personen festgenommen! (Abg. Schalle: Es können aber auch weniger sein!) Wenn man genauer hinschaut und sich die Auswertungen der Staatsanwaltschaft anschaut, erkennt man, es sind eigent­lich zwei Fünfer-Gruppen, die untereinander mehr verfeindet als befreundet sind und die jedenfalls nicht unbedingt freiwillig auch nur legale Aktionen miteinander machen würden.

Das gehört zu den weniger erfreulichen Eigenschaften engagierter Kreise wie auch der Tierschützer, dass sie nicht immer bestens miteinander befreundet sind. Soll es ja wo­anders auch geben, nicht wahr, meine Damen und Herren von der freiheitlich-orangen und sonstigen Truppe?

Ein Kriterium ist also jedenfalls die Mindestanzahl.

Viertens: Es muss ein erheblicher Einfluss auf Politik und Wirtschaft gewährleistet sein. – Ist es ein erheblicher Einfluss auf die Wirtschaft, wenn eine Schadenssumme der jetzt noch übrigen aufrechten Tatvorwürfe von zirka 14 000 € übrig bleibt? Von den anfangs behaupteten mehreren hunderttausend Euro sind wir ja weit entfernt nach Prü­fung der Oberstaatsanwaltschaft. Also das kann man nicht wirklich behaupten.

Was den Einfluss betrifft, den die Organisationen versuchen auf die Politik zu nehmen, so versucht vermutlich die Industriellenvereinigung zwanzig bis dreißig Mal mehr Ein­fluss auf die Politik zu nehmen, und sie ist vermutlich auch erfolgreicher dabei – und im


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Übrigen nicht nur auf die Politik, sondern auch auf die Wirtschaft. Da wären also ÖVP oder Industriellenvereinigung oder Gewerkschaft oder SPÖ oder auch die Grünen min­destens so verdächtig mit ihren versuchten Einflussnahmen auf die Politik und die Wirt­schaft. Man kann also nicht wirklich behaupten, das sei eine kriminelle Tätigkeit.

Fünftens: Es muss sich die kriminelle Organisation der Strafverfolgung entziehen wol­len. – Hört, hört, die haben tatsächlich ihre E-Mails verschlüsselt! Mit PGP, dem, was jede Zeitungsredaktion in Österreich heute hat, dem, was jede Bank einem dringend anrät zu verwenden, wenn nicht als Voraussetzung für E-Banking einfordert, dass man eine PGP-Verschlüsselung hat. Mehr war da nicht.

Letzter Punkt: Es müssen schwerwiegende Straftaten begangen werden durch diese kriminelle Organisation. – Und jetzt schaue ich mir an, was da noch übrig geblieben ist nach Prüfung durch die Oberstaatsanwaltschaft: eingeschlagene Fensterscheiben, um­geschnittene Hochstände, Schmierereien, Stinkbomben. – Wo war da jetzt die „schwerwiegende Straftat“?

Apropos schwerwiegende Straftat – ein besonders skurriles Detail: Es gibt tatsächlich einen so genannten Anfallsbericht der Polizei an die Staatsanwaltschaft, nach § 100 StPO, also schwerwiegende Straftat, in dem inkriminiert werden einerseits Missfallens­äußerungen über die Festnahmen der Tierschützer in Internetforen und andererseits eine Presseaussendung der Rechtshilfe gemeinsam mit der Grün-Alternativen Jugend, wo eine Pressekonferenz angekündigt wird, an der ich auch teilgenommen habe. Die Presseaussendung lag vor; die können Sie sich jederzeit alle im Netz anschauen, sie ist vom 23. Mai.

Ist es schon kriminell, den Satz zu schreiben: Egal, ob ihr antifeministisch, gegen Atomkraftwerke, für die Umwelt oder sonst etwas seid, es kann euch alle treffen: Soli­darisiert euch!? Ist das schon der Tatbestand einer kriminellen Organisation? Was bitte soll dieser Anfallsbericht der Polizei an den Staatsanwalt? Das soll ein schwerwiegen­des Verbrechen sein? Und, liebe Polizei, gibt es vielleicht auch zu meinen Presse­äußerungen einen Anfallsbericht? Ich habe nicht viel anderes gesagt. Ist das schon kri­minell?

Spannend wird es, wenn ich mir anschaue, was es heißen würde, wenn das Schule macht. Man kann sagen: Mein Gott, die Tierschützer, die gehen mir eh schon immer auf die Nerven. Das sagen sicher einige von Ihnen. Oder: Die Methoden von denen ge­fallen mir eh nicht, die zeigen immer so grausliche Bilder her. Wenn ich mir über ver­wendetes Bildmaterial, verwendete Sprache, öffentliche Auftritte oder Methoden Ge­danken mache und sage, das, was mir nicht gefällt, wäre kriminell, da dürften nicht mehr sehr viele Wahlkampfaktivitäten stattfinden. Also das kann es ja wohl nicht sein.

Das ist so, müssen Sie sich vorstellen – vielleicht ein Beispiel vor allem für Ihre Berei­che –, als würden Sie verdächtigt, einer kriminellen Organisation anzugehören, weil Sie bei der Freiwilligen Feuerwehr sind und weil es des Öfteren im Zuge von Feuerwehr­festen zu irgendeiner Schlägerei gekommen ist. (Abg. Prinz: Das ist ein sehr schlech­ter Vergleich!)

Damit haben Sie gar nichts zu tun, da gebe ich Ihnen völlig recht. Die Feuerwehr ist eine äußerst honorige, ehrenwerte Organisation. Die kann auch nichts dafür, wenn es nach einem Feuerwehrfest eine Schlägerei gibt. Oder auch ein Fußballverein kann nichts dafür, wenn es nach einem Match eine Schlägerei gibt. Aber warum wird dann von der Staatsanwaltschaft argumentiert, dass legale Tierschutzleute, legale Aktivisten etwas wissen müssen, wenn es illegale Aktivitäten gab, und daher verantwortlich sind dafür und sich angeblich zu einer kriminellen Organisation zusammengeschlossen ha­ben?


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Also: Entweder bei den einen das zulassen oder es bei allen gemeinsam argumentie­ren. Und da sind wir an dem Punkt, dass nichts mehr geht. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn das Schule macht, was man hier versucht als Präzedenzfall mit einigen Tier­schützern durchzuführen, dann ist in Hinkunft jede Aktivität einer Nichtregierungsorga­nisation davon bedroht, abgedreht zu werden, wenn es jemandem politisch unbequem wird, politisch gegen den Strich geht, weil man sagt, das ist jetzt nach § 278a StGB kri­minell.

Konsumentenaktionen – geht nicht mehr; unlauterer Einfluss auf Politik und Wirtschaft. Demonstrationen gegen eine Firma – geht nicht mehr; Einflussnahme. Wenn das zum Maßstab wird, wie jetzt vorgegangen wird, kann man Greenpeace, Attack, Clean-Clo­thes-Kampagne und vermutlich die Katholische Frauenaktion zusperren und die Betref­fenden in Untersuchungshaft nehmen.

Was ich mich dabei frage, meine Damen und Herren – vielleicht kann mir das irgendje­mand beantworten –: Warum wendet die Polizei zwei Jahre lang ich weiß nicht wie vie­le Ressourcen für den vermutlich bislang größten je dagewesenen Lauschangriff auf, zum Teil rechtswidrig, nicht genehmigt, gegen Tierschützer? Haben wir wirklich so viele Polizeiressourcen zu verschwenden, während wir Menschenhändlern hinterherja­gen könnten, tatsächlich mafiöse Strukturen aufspüren könnten, Schlepperbanden dingfest machen könnten? Ausgerechnet die Tierschützer werden zwei Jahre lang von vorne bis hinten observiert, verfolgt?! Und man hat ja dabei noch nicht einmal et­was gefunden! Das ist ja die Crux an der Geschichte: Sie schaffen es nicht, den Be­schuldigten auch nur eine einzelne Straftat nachzuweisen! Und weil das der Polizei nicht gelingt, erfindet man diese kriminelle Organisation als Vorwurf. Das ist haarsträu­bend! Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, das ist ein veritabler Justizskandal, dem wir inzwischen zuschauen müssen.

Wenn § 278a StGB so ausufernd missbraucht werden kann und die üblichen Mecha­nismen, dem Einhalt zu gebieten, nach sieben Wochen noch immer nicht gegriffen ha­ben, dann frage ich mich, wo wir eigentlich sind.

Es spricht nichts dagegen, Verfahren gegen einzelne auf freiem Fuß befindliche Perso­nen wegen Sachbeschädigung durchzuführen. Wenn sie etwas strafrechtlich Relevan­tes getan haben, dann ja. Jede Sachbeschädigung, jedes strafrechtlich relevante Detail ist zu verfolgen. Aber Sie haben nicht einmal einen einfachen Tatverdacht, und die Menschen sitzen in Untersuchungshaft. Nur bei dringendem Tatverdacht ist eine Un­tersuchungshaft zulässig! (Abg. Mandak: Seit sieben Wochen!)

Seit sieben Wochen sitzen diese Menschen in Untersuchungshaft, die am Montag auf weitere zwei Monate verlängert wurde. Wenn Sie es sich erlauben, da nur einmal vor­sichtig nachzudenken, finden Sie dann nicht auch: Das ist wirklich ein Skandal!?

Das, was wir brauchen, ist die sofortige Enthaftung dieser zehn Beschuldigten. Führen Sie gegen auf freiem Fuß befindliche Personen ein Verfahren! Wir brauchen eine so­fortige Reparatur dieses unseligen und, wie wir jetzt wissen, für jeden Missbrauch an­fälligen § 278a StGB. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Grünen.)

15.20


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zur Abgabe einer Stellungnahme hat sich nun die Bundesministerin für Justiz Dr. Berger zu Wort gemeldet. Die Redezeit soll 20 Mi­nuten nicht übersteigen. – Bitte.

 


15.21.15

Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich möchte meiner Stellungnahme zum vor­liegenden Antrag einige grundsätzliche Bemerkungen zum Verhältnis „Politik und Jus­tiz“ voranstellen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 128

Ich habe die Ressortführung Anfang 2007 mit dem sehr dringlichen Auftrag des Regie­rungsprogramms übernommen, die Umsetzung der Strafprozessreform voranzutreiben, sodass ihr Inkrafttreten mit 1. Jänner 2008 gesichert ist. Ich habe mich wirklich mit vol­ler Kraft diesem Ziel gewidmet, weil ich der Überzeugung bin, dass durch diese Reform entscheidende Verbesserungen im Bereich der Rollenverteilung zwischen Kriminalpoli­zei, Staatsanwaltschaft und Gericht auf der einen Seite und der Einsichts-, Mitwir­kungs- und Kontrollrechte von Beschuldigten und Opfern auf der anderen Seite erreicht werden können.

Dieses System der gegenseitigen Kontrolle beruht auf einem sehr starken Pfeiler, näm­lich der Unabhängigkeit der Justiz, die ich uneingeschränkt als ein besonders zu schüt­zendes Gut der österreichischen Gesellschaft achte.

Ich darf auch daran erinnern, dass dieser Nationalrat aufgrund meiner Initiative in der Verfassung festgehalten hat, dass die Staatsanwaltschaft ein Teil der Gerichtsbarkeit ist und daher in besonderem Maße den Geboten der unbeeinflussten, objektiven Ver­fahrensführung verpflichtet ist. (Abg. Mag. Brigid Weinzinger: Das wäre es ja!) In die­sem Sinne habe ich mich immer auch dazu bekannt, auch nur den bloßen Anschein einer wie auch immer gearteten Einflussnahme auf die Entscheidungen von Gerichts­barkeit und Staatsanwaltschaft zu vermeiden, gleichzeitig jedoch allen Informations­pflichten gegenüber den gesetzgebenden Körperschaften nachzukommen.

Mir war es daher auch ein besonderes Anliegen, die Ausübung des Weisungsrechts so transparent zu gestalten, dass es eben nicht in den Geruch einer politischen Einfluss­nahme auf Strafverfahren gerät. Die Regelungen, die dieser Nationalrat im Rahmen der Begleitgesetzgebung zur Strafprozessreform beschlossen hat, sichern das auch dadurch ab, dass jede Weisung zu den Akten zu nehmen ist und damit der Aktenein­sicht der Beteiligten des Verfahrens unterliegt.

Ich sage das deshalb, weil wir heute in einer Situation sind, in der ungeachtet der Ent­scheidungen der unabhängigen Justiz die Behauptung einer missbräuchlichen Straf­verfolgung mit dem Ziel aufgestellt wird, eine Entschließung zu verabschieden, deren Punkt 1 nur so ausgelegt werden kann, dass der Nationalrat auch tatsächlich in einem Einzelfall von einer rechtsmissbräuchlichen Anwendung des § 287a Strafgesetzbuch ausgeht.

Andreas Koller hat in der heutigen Ausgabe der „Salzburger Nachrichten“ in einem et­was anderen Zusammenhang bemerkt, ob es denn tatsächlich sinnvoll wäre, darüber abzustimmen, welche Strafe in einem bestimmen Fall angemessen wäre. Ich meine, dass dies den Kern trifft, weil ich nicht akzeptieren kann, dass während eines anhängi­gen gerichtlichen Verfahrens die noch zu treffenden Entscheidungen der Rechtsmittel­gerichte präjudiziert werden sollen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein unbestreitbarer Vorteil der Strafprozessreform liegt ja darin, dass auch gegenüber Polizeiorganen erhobene Vorwürfe einer unverhältnismäßigen Anwendung von Zwang im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens geprüft werden. Ich denke, dass es ein Zei­chen des Respekts vor der unabhängigen Justiz wäre, diese Entscheidungen ab­zuwarten und der Justiz hier das Vertrauen auszusprechen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Brigid Weinzinger: Deswegen dürfen wir keine Gesetze ändern?)

Meiner Informationspflicht gegenüber dem Hohen Haus komme ich natürlich gerne nach, weshalb ich – allerdings ohne jeglichen Kommentar zur Recht- und Verhältnis­mäßigkeit – über den Verlauf des Verfahrens Folgendes berichten kann:

Am 27. November 2006 langte bei der Staatsanwaltschaft in Wiener Neustadt eine An­zeige des Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung Niederös­terreich gegen unbekannte Täter wegen Sachbeschädigungen ein.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 129

Am 28. Februar 2007 sowie am 4. Mai 2007 wurden weitere Anzeigen gegen die noch auszuforschenden Beschuldigten wegen Sachbeschädigungen an den Tatorten Perch­toldsdorf und Wien erstattet.

In der Folge langten bei der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt wiederholt Nachhang­stücke ein, darunter solche der Kriminaldirektion Wien, wobei die relevierten Sachver­halte seitens der Polizei zunächst wegen krimineller Vereinigung, § 287 StGB, später wegen krimineller Organisation, § 278a StGB, angezeigt wurden.

Am 21. und 22. Mai 2008 wurden zehn Beschuldigte festgenommen und in Vollziehung der gerichtlich bewilligten Anordnungen zahlreiche Durchsuchungen von Orten und Gegenständen vorgenommen. Der zuständige Richter des Landesgerichts Wiener Neustadt verhängte über die Festgenommenen die Untersuchungshaft wegen Verdun­kelungs- und Tatbegehungsgefahr.

Am 6. Juni und neuerdings wieder am 7. Juli 2008 ordnete das Gericht jeweils die Fort­setzung der Untersuchungshaft aus den bisherigen Haftgründen an. In den jeweiligen Entscheidungen wurden die für den dringenden Tatverdacht bestimmenden Tatsachen ausführlich dargelegt, die sowohl für den Haftgrund der Verdunkelungsgefahr als auch jenen der Tatbegehungsgefahr maßgeblichen Aspekte eingehend begründet und die Verhältnismäßigkeit bejaht.

Nach den mir vorliegenden Informationen haben einige Beschuldigte gegen die Ver­hängung der Untersuchungshaft und fast alle Beschuldigten gegen die Fortsetzung der Untersuchungshaft sowie einige Beschuldigte und Betroffene auch gegen einzelne Er­mittlungs- und Zwangsmaßnahmen, zum Beispiel die Durchsuchung von Wohnungen, Rechtsmittel erhoben. Über diese Rechtsmittel wird das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden haben.

Das Ermittlungsverfahren erstreckt sich nicht allein auf § 278a StGB, sondern auch auf andere Straftatbestände. Die Beschränkung der Akteneinsicht gründet sich auf § 51 Abs. 2 letzter Satz der Strafprozessordnung. Danach darf die Akteneinsicht vor Beendigung des Ermittlungsverfahrens insoweit beschränkt werden, als besondere Umstände befürchten lassen, dass durch eine sofortige Kenntnisnahme von bestimm­ten Aktenstücken der Zweck der Ermittlungen gefährdet wäre.

Befindet sich der Beschuldigte allerdings in Haft, so ist eine Beschränkung der Akten­einsicht hinsichtlich solcher Aktenstücke, die für die Beurteilung des Tatverdachts oder der Haftgründe von Bedeutung sein können, nach Verhängung der Untersuchungshaft unzulässig.

Wegen der behaupteten Verletzung subjektiver Rechte wurden von mehreren Beschul­digten Einsprüche wegen Rechtsverletzung nach § 106 Abs. 1 StPO erhoben, über die bislang vom Gericht noch nicht entschieden wurde. Nach der mir vorliegenden Informa­tion sind derzeit von der Akteneinsicht nur mehr ganz wenige Aktenstücke ausgenom­men.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, nun allgemein zum § 278a Strafgesetz­buch.

Der Tierschutz ist auch mir ein wichtiges Anliegen. Ich empfinde Hochachtung für je­den, der sich hier aktiv einsetzt, um zum Beispiel illegale und tierquälerische Aktivitäten und Praktiken aufzudecken. Allerdings kann kein noch so ehrenwertes Motiv einen Rechtfertigungsgrund für schwerwiegende Straftaten bieten, wenn das nicht ausdrück­lich im Gesetz vorgesehen ist. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Dr. Fich­tenbauer und Schalle. – Abg. Mag. Brigid Weinzinger: Was ist eine schwerwiegende Straftat?)

Ich möchte Sie hierzu auch auf einen Vergleich mit § 278c Abs. 3 StGB aufmerksam machen, der klarstellt, dass eine Tat nicht als terroristische Straftat gilt, wenn sie auf


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die Ausübung von Menschenrechten ausgerichtet ist. Friedliche Proteste bis hin zu Maßnahmen, die ein Einschreiten der zuständigen Organe zur Verfolgung tierquäleri­scher Aktivitäten ermöglichen, sind sicher durch die Grundrechte der Meinungsfreiheit und der Versammlungsfreiheit gedeckt. (Abg. Mag. Brigid Weinzinger: Demonstratio­nen zum Beispiel!)

Tierschutz darf sich daher aktiv an Protestmaßnahmen und Blockaden oder Ähnlichem beteiligen, nicht jedoch fortgesetzt fremdes Eigentum beschädigen oder andere Straf­taten begehen. (Beifall des Abg. Neubauer.)

Andererseits ergibt sich daraus völlig eindeutig, dass die dort aufgezählten Straftaten, wie etwa schwere Nötigung oder schwere Sachbeschädigung, auch dann strafbar sind, wenn sie einem an sich achtenswerten Zweck dienen.

Ich möchte, dass Sie berücksichtigen, dass jede andere Auffassung eine grundlegende Änderung des Prinzips darstellen würde, wonach Gewaltausübung staatlicher Autorität vorbehalten ist. (Abg. Mag. Brigid Weinzinger: Nennen Sie mir eine schwerwiegende Straftat, Frau Ministerin!)

Ich darf zur Geschichte dieses Tatbestands auch anmerken, dass er durch einen Initia­tivantrag des Nationalrates 1993 in das Strafgesetzbuch eingeführt wurde. Der Kritik an der damals sehr unbestimmten Weite, die bloß darauf abstellte, dass eine Organisation gegründet wird, die auf die fortgesetzte Begehung bestimmter Straftaten ausgerichtet ist, hat der Nationalrat im Zuge der Beratungen zum Strafrechtsänderungsgesetz 1996 Rechnung getragen. Die letztlich auf diese Änderung zurückgehende aktuelle Fassung dieser Strafbestimmung ist demgegenüber weitaus enger gefasst, sowohl hinsichtlich der zugrunde liegenden Delikte als auch hinsichtlich des erforderlichen Organisations­grades.

Ich darf aus der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ein paar Beispiele zitie­ren, was denn unter dem schon genannten Erfordernis zu verstehen ist, sich gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen. Dazu gehören die Gründung oder Füh­rung eines Scheinunternehmens zum Zweck der Tarnung, der häufige Wechsel der von den Mitgliedern benützten, mit Wertkarten betriebenen Mobiltelefone, das Verwen­den von Codewörtern bei Telefonaten und die Gegenobservation. Das sind Beispiele dafür, wann der Tatbestand des Abschirmens gegen Strafverfolgungsmaßnahmen an­zunehmen ist.

Ich möchte auch noch darauf hinweisen, dass diese und verwandte Bestimmungen in Umsetzung international rechtlicher Verpflichtungen ergangen sind, insbesondere auch in Umsetzung der Konvention zur Bekämpfung organisierter Kriminalität.

Die erneuerte Strafprozessordnung enthält eine Reihe von Schutzbestimmungen, wie etwa das Gebot der Gesetz- und Verhältnismäßigkeit und des rechtlichen Gehörs. Die Betroffenen haben die Möglichkeit, die Entscheidung des unabhängigen Gerichts über behauptete Verletzungen dieser Rechte zu begehren. Dazu gehört, wie schon erwähnt, auch § 51 Strafprozessordnung, wonach der Beschuldigte grundsätzlich das Recht hat, in die der Kriminalpolizei, der Staatsanwaltschaft und dem Gericht vorliegenden Ergeb­nisse des Ermittlungs- und des Hauptverfahrens Einsicht zu nehmen.

Bei anderen Debatten hatte ich schon die Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass die Reform der Strafprozessordnung ein sehr weitreichendes Reformprojekt darstellt, dass wir, so gut wir konnten, Vorsorge getroffen haben für ein gutes Funktionieren, dass wir aber auch die Notwendigkeit gesehen haben, das Wirksamwerden der neuen Strafpro­zessordnung wissenschaftlich begleiten zu lassen. Diese wissenschaftliche Begleitung schließt mit ein, zu beobachten, zu evaluieren, inwieweit die Staatsanwaltschaften ihre neue Rolle wahrnehmen. In diesem Sinne ist jedenfalls ein Punkt, den Sie in Ihrem An-


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trag auch ansprechen, als bereits in die Wege geleitet zu betrachten. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Abgeordneten Schalle und Neubauer.)

15.34


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gehen nun in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß der Geschäftsordnung kein Redner/keine Rednerin länger als 10 Minuten sprechen darf, wobei jedem Klub eine Gesamtredezeit von 25 Minuten zukommt.

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Mag. Steinhauser. 10 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


15.34.22

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Bundesministerin, ich habe Sie immer als sensible Rechtspolitikerin geschätzt. Ich von der Opposition und Sie in der Regierung waren nicht immer einer Meinung, aber das, was ich geschätzt habe, ist der Umstand, dass Sie sich nie einer Diskussion verschlossen haben. (Abg. Dr. Brinek: Bei welcher Veranstaltung waren Sie da?)

Heute allerdings haben Sie das getan, denn es gibt im Zusammenhang mit den Tier­schützern einiges zu diskutieren, nämlich hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 278a Strafgesetzbuch, und Sie entziehen sich der Debatte mit der Unterstellung, wir würden ein Gesetz für einen Einzelfall ändern wollen. Sie wissen, dass das nicht so ist. Der Entschließungsantrag ist natürlich in die Zukunft gerichtet. Es sollen damit nur die Leh­ren aus diesem Fall gezogen werden. (Beifall bei den Grünen.)

Ich finde es schade, dass Sie das machen, weil ich finde, dass Sie damit Ihrer selbst nicht gerecht werden.

Ich möchte ein paar grundsätzliche Punkte zum § 278a StGB sagen, damit dieser hier in seiner Dimension erfasst wird.

500 000 Frauen in Europa arbeiten in Zwangsprostitution, und es läuft mir kalt über den Rücken, wenn ich Berichte höre, dass Menschenhändler asiatische und afrikani­sche Flüchtlingslager durchwandern und sich jene Frauen aussuchen, die sie dann un­ter falschen Versprechungen in Bordellen Europas verkaufen. Der Umsatz dieser Men­schenhändler in Europa beträgt über 10 Milliarden €. Keine Nachsicht, kein Mitleid mit diesen Menschenhändlern, mit diesen Waffenschiebern, mit diesen Geldwäschern (Beifall bei den Grünen), und das Parlament hat 1993 – Sie haben es erwähnt – mögli­cherweise durchaus gute Gründe gehabt, warum die ursprüngliche Richtlinie zur Geld­wäscherei verschärft wurde, wenn man sich diese Zahlen anschaut.

Wenn ich bedenke, dass bis zu 5 Prozent des Weltbruttoinlandsprodukts aus ille-
galen Quellen stammt, dann verstehe ich schon, dass man einen Straftatbestand
braucht, der diesen Verbrechensgruppen gerecht wird. (Demonstrativer Beifall des
Abg. Mag. Donnerbauer.)

Wenn man sich die Unterlagen anschaut, Herr Kollege, dann sieht man auch relativ ge­nau, wer die Adressaten dieses Paragraphen waren. Damals war die Rede von der sizilianischen Mafia, von der kalabrischen N’Drangheta und von den chinesischen Triaden – aber sicher nie von Tierschützern! Die kommen dort garantiert nicht vor. Es wurde im gegenständlichen Fall der § 278a Strafgesetzbuch missbraucht, um eine unbeugsame, kritische und vielleicht auch unbequeme Gruppe politisch mundtot zu machen. Das ist der Hintergrund! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des
Abg. Mag. Donnerbauer.)


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Während offensichtlich – wenn man sich die Zahlen anschaut, so kann man das fest­stellen – Geldwäscher, Waffenschieber, Frauenhändler ihren Geschäften nachgehen können, sitzen die Tierschützer in Österreich in Untersuchungshaft. Stellen wir noch einmal gegenüber: dort Versklavung und Milliardenumsätze, da Tierschutz und mögli­cherweise – das ist natürlich in einem Verfahren zu klären – Sachbeschädigung in der Höhe von einigen tausend Euro! (Abg. Mag. Donnerbauer: Möglicherweise? Schauen Sie sich einmal an, was die aufgeführt haben!)

Natürlich „möglicherweise“, denn in Österreich gilt immer noch die Unschuldsvermu­tung. Vielleicht nicht bei Ihnen – aber das ist ein Rechtsgrundsatz! (Beifall bei den Grü­nen.)

Natürlich „möglicherweise“! Das ist in einem Verfahren zu klären. Aber eines ist klar: möglicherweise Sachbeschädigung, aber sicher nie die Erfüllung des Straftatbestandes „Bildung einer kriminellen Organisation“ gemäß § 278a Strafgesetzbuch.

Das ist ein klarer Missbrauch! Und er hat auch ein Vorbild, meine Damen und Her-
ren, es ist ja nicht der erste Fall. Es gibt einen ähnlichen Fall in Deutschland – dort ist der § 129 zur Anwendung gekommen –, und zwar war 2007, wie vielleicht einige hier wissen werden, der G8-Gipfel in Deutschland, und dort hat es natürlich jede Menge Wi­derstand gegeben, denn was die G8 auf einem Gipfel macht, das gefällt nicht allen; das ist nachvollziehbar.

Was hat damals die Polizei dort gemacht? – Man hat in Deutschland den § 129 ange­wendet, hat behauptet, es gäbe da eine militante Kampagne zur Verhinderung der G8, das sei eine kriminelle Organisation, hat Hausdurchsuchungen durchgeführt und eine Untersuchungshaft verhängt. Dies war offensichtlich das Vorbild für die Vorgangsweise in Österreich.

Warum wurde der § 278a Strafgesetzbuch angewendet? Das ist eine spannende Fra­ge! Warum ist man nicht einfach hergegangen und hat gesagt: Okay, da gibt es ein Graffiti an der Wand, und man schaut sich an, wer das war, und macht dann ein Ver­fahren wegen Sachbeschädigung und entscheidet für eine Lösung in Form einer Diver­sion – oder auch nicht. Das sind ganz normale Dinge, die immer wieder vorkommen.

Es gibt einen Grund: Polizei und Staatsanwaltschaft konnten offensichtlich die Delikte einzelnen Personen nicht zuordnen und damit auch keine Strafverfolgungshandlungen setzen. Das war das Problem der Polizei! Und da ist man auf die gute Idee gekommen, da gäbe es ja den § 278a Strafgesetzbuch, da kommt es gar nicht auf die Begehung strafbarer Handlungen an. Da kommt es nämlich nur darauf an, dass man Mitglied einer kriminellen Organisation ist. Und somit war der Mythos der kriminellen Organisa­tion konstruiert, und plötzlich hat man eine Personengruppe herausgegriffen. Die hat man ja gekannt, das BVT hat sie überwacht und gesagt: Das ist die Personengruppe, die strafbare Handlungen gesetzt hat. Wir können sie zwar niemandem zuordnen, aber weil sie Mitglied einer kriminellen Organisation sind, wird jetzt über sie die Untersu­chungshaft verhängt und gibt es Hausdurchsuchungen!

Es gibt ein einziges Ziel hinter diesem Manöver, Frau Bundesministerin, und da ersu­che ich schon um Ihre Aufmerksamkeit (Bundesministerin Dr. Berger ist in ein Ge­spräch verwickelt), denn das ist ein sensibler Bereich. Ich glaube ja eigentlich, dass nicht einmal die Staatsanwaltschaft glaubt, dass am Ende der § 278a StGB zur Anwen­dung kommt.

§ 278a StGB ist ein Vehikel, er wird als Ermittlungsparagraph missbraucht – das ist jetzt der Vorwurf –, dann kommt es zu den Hausdurchsuchungen, man kommt so mög­licherweise an belastendes Material heran, das man dann in Einzelverfahren gegen einzelne Personen einsetzt, und der § 278a wird fallen gelassen. Diese Vorgangsweise


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ist eines Rechtsstaates schlichtweg unwürdig. So geht das nicht! Man kann nicht belie­big einen strafbaren Vorwurf erheben, ohne ihn zu beweisen, nur um zu Ermittlungser­gebnissen zu kommen! (Beifall bei den Grünen.)

Kollegin Weinzinger hat in Ansätzen oder sogar sehr ausführlich, muss ich sagen, dar­gelegt, dass die Begründung des § 278a StGB hinten und vorne nicht passt. Unterneh­mensähnliche Struktur, das wird einfach behauptet, und es wird gar nicht belegt, wo da die geforderte hierarchische Kommandostruktur ist. Nein, man nimmt eine beliebige Gruppe und sperrt sie ein!

Es ist auch darauf hingewiesen worden, rein zufällig sind es zehn Personen, weil das Gesetz zehn Personen für die Bildung einer kriminellen Organisation verlangt.

Dann der Vorwurf schwerwiegender strafbarer Handlungen – auch diesbezüglich hat Kollegin Weinzinger schon sehr richtig gesagt, dass letztendlich gar nichts übrig geblie­ben ist. Es fehlt auch jede Konkretisierung, warum diese Personengruppe die strafba­ren Handlungen begangen hat. Wir wissen, es gibt strafbare Handlungen, und wir wis­sen, es gibt Tierschützer, und das genügt schon. – Aber das genügt eben nicht in einem Rechtsstaat!

Der dritte Punkt ist der erhebliche Einfluss auf Wirtschaft und Politik – das ist eine ganz wichtige Bestimmung in diesem § 278a StGB. Da fragen wir uns: Wo ist der Einfluss auf Wirtschaft und Politik bei den Tierschützern? – Wissen Sie, wie das untermauert wird? Es wird behauptet, dass diese Tierschützer Unternehmen in den wirtschaftlichen Ruin treiben würden, indem sie Kampagnen gegen den Pelzhandel veranstalten wür­den. Wenn das nicht so gefährlich wäre, würde ich lachen. Das ist ja schlichtweg lä­cherlich, denn politische Kampagnen in eine bestimmte Richtung führen Sie alle, meine Damen und Herren, führt jede NGO. Das allein kann und darf in einem Rechtsstaat nicht zur Anwendung des § 278a StGB führen! (Beifall bei den Grünen.)

Frau Bundesminister, zusammenfassend einige Schlussfolgerungen daraus: Der Rechtsstaat hat unseres Erachtens versagt. § 278a StGB wurde als Ermittlungspara­graph missbraucht, um zu Hausdurchsuchungen und Untersuchungshaft zu kommen. Es wurde ein politisches Exempel statuiert, um unliebsamen Gruppen zu zeigen, dass man mit Strafverfolgung zu rechnen hat.

Das ist der Grund dafür, Frau Bundesminister, dass wir Sie heute damit konfrontiert ha­ben. Wir glauben, dass die logische Folge daraus nicht unbedingt ist, dass Sie sich so­zusagen da jetzt ins Verfahren begeben – mir ist schon klar, dass Sie da eine defensi­ve Haltung einnehmen müssen –, aber wir laden Sie ein, über eine Novellierung, über eine Reform des § 278a StGB nachzudenken, damit dieser Missbrauch nicht möglich wird.

Wir haben auch schon einen Initiativantrag eingebracht, der jedoch aufgrund der Auflö­sung des Nationalrates leider nicht mehr in Diskussion genommen werden wird – wir werden ihn natürlich wieder einbringen –, der ein ganz wesentliches Merkmal einschie­ben soll, nämlich dass ein wesentliches Identitätsmerkmal einer kriminellen Organisa­tion immer Gewinnabsicht und Bereicherungsstreben sind. Damit ist garantiert, dass NGOs und andere politische Organisationen nicht mehr mit dieser gefährlichen Waffe Zielscheibe werden können. (Zwischenruf des Abg. Dr. Aspöck.) Das ist das einzige Ziel. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

15.43


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dr. Jarolim zu Wort. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


15.43.53

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Meine Damen und Herren! Frau Präsi­dentin! Frau Bundesminister! Das gegenständliche Verfahren ist wahrlich nicht unbe-


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dingt ein Ruhmesblatt. Wenn man sich den Sachverhalt anschaut und die Reaktion des Staates, dann stellt sich die Frage der Gleichmäßigkeit in den Verfolgungshandlungen schon. Daher glaube ich, dass wir hier sehr sorgsam mit dem Sachverhalt umgehen müssen und auch mit den Beurteilungen, wofür eigentlich die Bestimmung, die hier an­gewendet wurde, nämlich § 278a StGB, tatsächlich herangezogen wird.

Ich glaube, dass wir da weit über das parteipolitische Feld hinauskommen, weil es sich natürlich auch um die Frage handelt: Wodurch werden hier Tierschutzorganisationen abgegrenzt etwa von Protestvereinen gegen Atomkraftwerke, Gegnern von Atomkraft­werken et cetera?

Um keinen falschen Eindruck zu erwecken: Ich glaube, jegliche strafbare Handlung, die begangen wird, ist eine strafbare Handlung zu viel – da gibt es keine Ausrede –, ist zu verurteilen, ist zu verfolgen, ist zu bestrafen. (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP.)

Aber wir haben im gegenständlichen Fall – das ist ja schon ausgeführt worden – die Anwendung einer Bestimmung, weil offensichtlich kein konkreter Strafvorwurf, kein konkreter Tatbestand gegen einzelne Personen besteht. Viele von uns und von euch, Herr Kollege Donnerbauer, waren ja auch damals dabei, als diese Bestimmungen ge­schaffen wurden, und man muss sich schon anscheuen, was die Zielrichtung dieser Bestimmung einer kriminellen Organisation eigentlich ist. Und danach ist natürlich auch zu prüfen, wie weit Exekutive, wie weit Justiz, in diesem Fall Staatsanwaltschaft, Ge­richte, das einsetzen müssen.

Es ist natürlich auch dem zuzustimmen, was die Frau Justizministerin gesagt hat, näm­lich dass das Verfahren ein offenes Verfahren ist. Ich glaube aber trotzdem, dass sich die Legislative, also wir, die wir mitgestaltet haben an diesem Gesetz, sehr wohl hier zu Wort melden kann und auch den Standpunkt vertreten kann, was nach Ansicht dieses Hauses die Norm sein sollte, und auf der anderen Seite ist natürlich von der Gerichts­barkeit noch nicht durchjudiziert.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichtes ist offen. Was mich da aber besonders in­teressiert, ist – ich nehme an, es gibt nach dieser Entscheidung eine Grundrechtsbe­schwerde –, was der Oberste Gerichtshof dazu sagt. Aber trotzdem ist es legitim, zuvor schon hier Stellung zu nehmen.

Ich lade Sie wirklich ein, einmal durchzulesen, was die Voraussetzung sein soll und sein muss, um diese Bestimmung anzuwenden. Neben der unternehmensähnlichen Verbindung sind das natürlich auch noch die schwerwiegenden strafbaren Handlun­gen, die dann – nicht taxativ, aber beispielsweise – aufgezählt werden. Und wenn wir hier im Gesetz schwerwiegende strafbare Handlungen im Bereich der sexuellen Aus­beutung von Menschen, der Schlepperei, von Kampfmitteln, Kernmaterial, radioaktiven Stoffe haben, meine Damen und Herren, dann ist das schon ein Kaliber – es heißt ja nicht umsonst Killer-Paragraph, Mafia-Paragraph –, wo schon etwas Besonderes vor­liegen muss und darüber hinaus auch noch die Absicht der Bereicherung im großen Umfang – die ist da überhaupt auszuschließen; ich glaube, das wissen wir – oder er­heblicher – meine Damen und Herren, erheblicher! – Einfluss auf Politik oder Wirt­schaft angestrebt werden muss.

§ 105 StGB – ich möchte jetzt nicht zu fachlich werden, aber ich glaube, es ist wichtig, darauf hinzuweisen –, die Nötigung, einer der Tatbestände, die vorgeworfen werden, nämlich unterhalb dieser §-278a-Bestimmung, besagt: Auch wer eine Nötigung begeht, macht sich dann nicht strafbar, wenn sie zur Herbeiführung oder zur Durchsetzung eines sittlich nachvollziehbaren Wertes dient.

Im gegenständlichen Fall geht es um Tiere. Ich sage noch einmal, ich verteidige es nicht, wenn hier Sachbeschädigungen, Brandstiftung – das wurde ja zurückgezogen –


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stattgefunden haben, das ist zu bestrafen, aber wir haben hier eine ganz andere Be­stimmung.

Ich darf Sie einladen, über Folgendes nachzudenken: Wir selbst haben mit dem § 285a ABGB, also im Bürgerlichen Gesetz, eine Norm festgelegt, wo wir gesagt ha­ben, Sachen und Tiere sind nicht gleichzusetzen. Es gibt für Tiere Sondernormen, weil sie ein höherwertiges Rechtsgut sind. Das sind Lebewesen, die genauso wie wir schmerzempfindlich sind, die Qualen ausgesetzt werden, und das wollen wir nicht.

Und wir haben jedes Mal bei Beginn derartiger Aktivitäten hier den Umstand, dass tier­quälerische Aktivitäten, die keiner von uns will, aufgezeigt werden, ob das Legehühner­batterien, Tiertransporte oder das Zusammenpferchen von Schweinen auf engstem Raum sind. Das wollen wir nicht.

Versetzen Sie sich einmal in die Lage, dass Sie anlässlich von Recherchen, von Pro­testaktionen damit konfrontiert werden, dass irgendwo ein derartiger Zustand besteht, Sie dann eine Anzeige erstatten – und es passiert nichts.

Es ist daher, glaube ich, wichtig, in weiterer Folge an den oder die – wer immer das nach der Wahl auch ist – Innenminister/Innenministerin heranzutreten und zu sagen, dass solche Anzeigen unverzüglich zu verfolgen sind und dass hier Rechtsklarheit zu schaffen ist, weil sich natürlich durch die Kenntnis, dass sich wo derartige rechtswidri­ge Verhältnisse abspielen und keiner etwas dagegen macht, ein enormes Spannungs­feld aufbauen kann. Und ich weiß nicht, wer von uns wie damit umgeht, wenn wo der­artige tierquälerische, wirklich unerträgliche Zustände herrschen.

Daher gibt es hier eine Abwägung, meine Damen und Herren: Was ist das Rechtsziel, das man erreichen möchte? Ich sage noch einmal, die strafbaren Handlungen sind in­akzeptabel und sind zu bestrafen. Aber mit dieser Norm, mit diesem Killer-Paragra­phen hereinzugehen, weil es offensichtlich so sein könnte – es kann schon sein, dass hier kein konkreter Tatbestand gegen eine einzige einzelne Person vorliegt –, ist wirk­lich unsachlich und unangemessen.

Wir werden dieser Entschließung nicht beitreten. Ich möchte hier aber mit allem Nach­druck sagen, wir sind über die Entwicklung nicht glücklich, aber die Justiz ist am Wort. Ich möchte die Entscheidung des Oberlandesgerichtes und des Obersten Gerichtsho­fes dazu kennen, um dann wirklich entsprechend auf diesen Umstand reagieren zu können. Ich glaube, wir werden in weiterer Konsequenz sicherlich auch darauf zu schauen haben, dass derartige rechtswidrige Vorgänge Tieren gegenüber umgehend von der Exekutive abgestellt werden.

Es ist bedauerlich, und ich denke und hoffe, dass die Justiz feststellt, dass die Norm hier nicht anzuwenden ist. Wenn es nicht so sein sollte, werden wir, glaube ich, einen Diskurs darüber führen müssen, ob es wirklich so sein soll, dass die Bestimmung auf diese Sachverhalte anzuwenden ist. Ich hoffe allerdings, dass der Oberste Gerichtshof hier entsprechende Klarheit schafft. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

15.51


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Mag. Donner­bauer zu Wort. 8 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


15.51.24

Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Frau Präsidentin! Werte Frau Bun­desministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um eines gleich von Beginn an klarzustellen: Auch meiner Fraktion, der ÖVP, liegen der Tierschutz und das Wohl von Tieren am Herzen. Der beste Beweis dafür ist ja das Tierschutzgesetz, das unsere ehemalige Kollegin Ulrike Baumgartner-Gabitzer vor einigen Jahren gemeinsam mit al-


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len Fraktionen hier im Haus in vielen und wochenlangen Verhandlungen ausverhandelt hat und das auch umgesetzt wurde. Völlig klar. (Beifall bei der ÖVP.)

Aber, werte Kolleginnen und Kollegen, insbesondere der grünen Fraktion, der Um­stand, dass man für Tierschutz ist, rechtfertigt weder Gewaltdaten noch strafbare Handlungen. Und das ist der Punkt. (Zwischenrufe bei den Grünen)

Sie haben heute hier eine klare Themenverfehlung begangen. (Rufe bei den Grünen: Nein!) Wir sind hier im Nationalrat, hier ist nicht das Oberlandesgericht oder der Obers­te Gerichtshof, der jetzt einen Strafakt zu beurteilen hat. Dazu fehlt uns ja auch die In­formation. (Abg. Mag. Kogler: Lesen Sie doch den Antrag durch, bevor Sie schulmeis­tern! – Weitere Zwischenrufe bei den Grünen.)

Ich verstehe Ihre Aufregung nicht. Frau Kollegin Weinzinger hat uns in ihrer gesamten zehnminütigen Rede hier nur irgendwelche Informationen aus einem Strafakt vorgele­sen und vorgehalten. (Abg. Mag. Kogler: Eine Novelle soll sie vorlegen, die Bundesre­gierung! Lesen Sie das vorher! Das war eh zu befürchten, dass Sie das nicht tun!) Ich kann das nicht nachvollziehen, ich kenne diesen Strafakt nicht. Woher ihn Frau Kolle­gin Weinzinger kennt, weiß ich nicht, aber das ist nicht unser Thema, bitte. Es geht nicht darum, dass wir hier einen konkreten Strafakt zu beurteilen haben. Das ist Sache der Gerichte, und dort soll es auch bleiben, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Kogler: Ja, selbstverständlich!)

Ich halte es einfach für gefährlich, wenn wir beginnen, hier im Parlament einzelne Strafverfahren herauszunehmen und zu zergliedern. (Abg. Mandak: Kollege Jarolim hat verstanden, worum es geht!) Das widerspricht auch der Gewaltentrennung, und die Gewaltentrennung ist doch ein Grundprinzip des Rechtsstaates und der Demokratie. Wir sind für den Beschluss von Gesetzen, für die Regeln zuständig (Abg. Mandak: Ge­nau!), und die Gerichte sind dafür zuständig, darüber zu urteilen. Und dabei soll es auch in Zukunft bleiben, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Wenn wir heute hier den § 278a StGB in den Mittelpunkt stellen – Sie, liebe Frau Kolle­gin Weinzinger, haben das nicht gemacht; Sie haben diesen Strafakt, diesen Straffall hier in den Mittelpunkt Ihrer Ausführungen gestellt (Zwischenruf der Abg. Mag. Wein­zinger); ich stelle jetzt diesen § 278a in den Mittelpunkt der Ausführungen (Abg. Mag. Kogler: Genau, probieren Sie es!) –, so ist die erste frage: Was stellt denn dieser Paragraph unter Strafe? – Es heißt:

„Wer eine auf längere Zeit angelegte unternehmensähnliche Verbindung einer größe­ren Zahl von Personen gründet oder sich an einer solchen Verbindung als Mitglied be­teiligt“,

„die, wenn auch nicht ausschließlich, auf die wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen, die das Leben, die körperliche Unversehrt­heit, die Freiheit oder das Vermögen bedrohen, oder schwerwiegender strafbarer Handlungen im Bereich der sexuellen Ausbeutung von Menschen, der Schlepperei oder des unerlaubten Verkehrs mit Kampfmitteln, Kernmaterial und radioaktiven Stof­fen, gefährlichen Abfällen, Falschgeld oder Suchtmitteln ausgerichtet ist“, ist zu bestra­fen. (Abg. Dr. Van der Bellen: Wir können lesen, Herr Kollege!)

Wollen Sie das ändern, meine sehr geehrten Damen und Herren der Grünen? – Sie haben gerade gesagt, Sie wollen diesen Paragraphen ändern. (Abg. Öllinger: Wo sind da die Tierschützer?) Wollen Sie das ändern? Ich möchte daran nichts ändern. (Beifall bei der ÖVP.)

Schauen wir uns einmal die Kriterien an, die Sie hier kritisiert haben und von denen Sie meinen, dass sie hier nicht vorliegen sollen.

Wie gesagt, ich kenne diesen konkreten Fall nicht, ich kenne auch diesen Akt nicht, und ich werde mich auch nicht damit beschäftigen (Abg. Öllinger: Typisch!), weil das


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nicht unser Aufgabe hier ist. (Abg. Dr. Van der Bellen: Was denn, das sind keine Bür­ger?) Das ist Aufgabe der Gerichte, in die wir vertrauen.

Nehmen Sie das Tatbestandsmerkmal der unternehmensähnlichen Verbindung her. (Abg. Mag. Kogler: Sie brauchen immer einen Untersuchungsausschuss, bis Sie über­haupt ein Ohr aufmachen!) Beschäftigen Sie sich doch einmal wirklich mit diesen Re­gelungen. Ziehen Sie die Stenographischen Protokolle vom Zeitpunkt der Beschluss­fassung im Jahr 1992 heran, als dieser Paragraph hier vom Hohen Haus eingeführt wurde.

„Der Begriff ,unternehmensähnlich‘, sagen die damaligen Erläuterungen, „soll die Ele­mente arbeitsteiligen Vorgehens, hierarchischen Aufbaus sowie des Vorhandenseins einer gewissen Infrastruktur ... zusammenfassen.“ (Abg. Mag. Steinhauser: Genau! Die liegen nicht vor!)

Das ist gut und richtig so, und das soll auch in Zukunft in diesem Paragraphen so blei­ben. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Steinhauser: Soll auch so angewendet werden, wenn es so gefordert ist!)

Oder wollen Sie vielleicht die Ziffer 2 abschaffen, in der gefordert wird, dass eine Berei­cherung in großem Umfang oder ein erheblicher Einfluss auf Politik und Wirtschaft an­gestrebt wird? – Wir wollen das nicht abschaffen, auch das soll weiterhin so bleiben.

Oder wollen Sie abschaffen, dass bestraft wird, wer andere korrumpiert oder ein­schüchtert oder sich gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abschirmt? (Abg. Öllinger: Haben Sie zugehört?) – Wir wollen das nicht abschaffen! Daher ist dieser Paragraph so, wie er ist, richtig und sind wir auch nicht dafür, ihn zu verändern. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mandak: Bitte lesen Sie unseren Antrag, Herr Kollege!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren von den Grünen, das, was Sie hier verlan­gen, auch in Ihrem Antrag und in Ihren Redebeiträgen, ist offensichtlich etwas, für das wir nicht zur Verfügung stehen.

Sie verlangen, dass es Ausnahmen gibt, so quasi: Wenn der grüne Klub es will, dann sind manche Organisationen aus den Strafgesetzen ausgenommen, für die gelten die Gesetze der Republik nicht. (Abg. Mag. Steinhauser: Unsinn! Wir sind auch dafür, dass der CV ausgenommen wird!) Genau das ist das, was Sie hier wollen.

Oder wollen Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass in Zukunft Kollege Pilz, der sich einer strafrechtlichen Überprüfung durch seine Immunität entzieht, durch Handauflegung Organisationen von den Strafgesetzen ausnimmt? – Wir wollen das nicht, und dafür stehen wir auch nicht zur Verfügung! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, abschließend: Ich glaube, wir sollten uns da­vor hüten, einzelne Straffälle, einzelne Strafverfahren hier in den Mittelpunkt unserer Debatte zu stellen. (Zwischenruf der Abg. Mag. Weinzinger.) Das sollen, bitte, die Ge­richte machen, dort gibt es Rechtsmittel, dort gibt es den rechtsstaatlichen Instanzen­zug und einen entsprechenden Aufbau. (Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler.)

Wir vertrauen in die Unabhängigkeit und in die Objektivität der Gerichte und sind si­cher, dass von diesen die Wahrheit ans Licht gebracht und ein richtiges Urteil gespro­chen wird.

Wir sind natürlich auch für Meinungs- und für Demonstrationsfreiheit, das sind grundle­gende Werte in unserer Gesellschaft, aber eines kann nicht sein: Es kann nicht sein, dass man dann, wenn man für seine Überzeugung einsteht, andere schädigt, Gewalt gegen andere ausübt, Sachbeschädigung begeht. Das kann es nicht sein, und das soll in Zukunft auch so bleiben. (Beifall bei der ÖVP.)

15.57



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 138

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Fichtenbauer zu Wort. 5 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


15.57.52

Abgeordneter Dr. Peter Fichtenbauer (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Erstens: Kein Organ der Republik Österreich ist kritikfrei. Es gibt keinen kritikfreien Raum.

Zweitens: Es kann im Sinne der kontinentaleuropäischen Lehre der abstrakten Formu­lierung von Tatbeständen keinen Paragraphen geben, der den Appendix hat: Miss­bräuchliche Anwendung ist verboten. – Sie können sagen: No na!, aber es darf kein einziger Paragraph des österreichischen Strafgesetzbuches – auch nicht in den Ne­bengesetzen – missbräuchlich angewendet werden. Das ist einmal klar.

Damit, würde ich sagen, ist dem Raum, diesem Entschließungsantrag beizutreten, doch ein bisschen der intellektuelle Boden entzogen, denn es wird eine Gesetzeser­gänzung des § 287a dahin gehend verlangt, dass dessen missbräuchliche Anwen­dung – jetzt kann man noch sagen: auf Nicht-Regierungsorganisationen – künftig aus­geschlossen ist.

Ich würde sagen, das geht nicht, denn entweder sind die abstrakten Tatbestandsmerk­male eines einzelnen strafrechtlichen Tatbestandes, eines Paragraphen erfüllt oder sie sind nicht erfüllt.

Wenn wir nun zu dem Punkt kommen, dass reale Sachverhaltselemente fehlerhaft oder – jetzt füge ich hinzu – in missbräuchlicher Weise als Tatbestandsmerkmale eines Paragraphen des Strafrechtes unterstellt oder so gedeutet werden, dann ist das eine andere „Baustelle“.

Da sind wir zunächst einmal bei der polizeilichen Arbeit. Ich darf doch in aller – un-
ter
Anführungszeichen – „Freundschaft“ darauf verweisen, dass die geschätzte Frau Volks­anwältin Stoisits für polizeiliche Dinge zuständig ist und dass bis zur heuti-
gen Stunde – wir haben das überprüft – keine Missstandsfeststellung der Volksanwalt­schaft in Bezug auf die Handlungen, über die wir hier sprechen, auffindbar ist. Da hapert es also irgendwie im grünen Gebiet der Beobachtung von Missbräuchen. (Abg. Mag. Steinhauser: Es gibt ja keine ...!)

Na ja, wenn der gesamte Sachverhalt polizeilich zunächst fehlerhaft erfasst worden ist, dann darf man doch diese Kontrollfrage stellen, warum die von den Grünen entsendete Volksanwältin eine Missbrauchs- oder Missstandsfeststellung bisher noch nicht getrof­fen hat. (Abg. Dr. Graf: Weil die Grünen nicht mit ihr sprechen!)

Ob und inwieweit die uns zur Kenntnis gebrachten Sachverhalte – und es gibt keine Notwendigkeit, dass irgendjemand außer denen, die unmittelbar von den betroffenen Personen damit betraut sind, Aktenkenntnis erhält, weil diese ja immerhin der gesetzli­chen Verschwiegenheitspflicht unterliegen –, wenn es also so ist, wie es in der Begrün­dung des Antrages drinsteht, und wenn das zutrifft, was man in den Medien darüber le­sen konnte, so möchte ich persönlich nicht verhehlen, dass gute Gründe zum Zweifel daran bestehen, dass der § 278a treffsicher angewendet worden ist – ich möchte sogar hinzufügen: wahrscheinlich nicht –, sondern dass eher die Bestimmung des § 278, der ja auch angezogen worden ist, die richtigere sein dürfte. Das kann wohl so sein.

Tatsache ist, dass die staatlichen Organe in Richtung der Vollziehung in Ansehung die­ser Sachverhalte bei Gericht zum Vollzug anstehen. Ob und inwieweit der Kniefall vor der alltäglichen Richtigkeit der unabhängigen Justiz im Einzelfall angebracht ist oder nicht, möchte ich in aller aufklärerischen Nüchternheit sozusagen nicht als gegeben er­achten. Aber vom Ansatz her wiederhole ich, dass ein Entschließungsantrag, dass a) überhaupt Gesetze angewendet werden sollen und dass b) im Einzelfall ein bestimmter


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Paragraph nicht missbräuchlich angewendet werden soll, sozusagen der parlamentari­schen Behandlung nicht wirklich überzeugend zugänglich ist.

Dass die Evaluierung der Befugnis der StA nach der neuen StPO durchzuführen ist, ist wohl auch eine Selbstverständlichkeit. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

16.02


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Mag. Darmann zu Wort. 8 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


16.02.52

Abgeordneter Mag. Gernot Darmann (BZÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bun­desministerin! Hohes Haus! Meinen Ausführungen zum Entschließungsantrag der Grü­nen möchte ich einige Punkte voranstellen.

Zum einen ist, glaube ich, klarerweise für uns alle hier eine vollständige Akteneinsicht in den Ermittlungsakt nicht gegeben (Abg. Mag. Steinhauser: Nicht einmal für die An­wälte!), da gewisse Punkte beziehungsweise Aktenteile von der Einsicht StPO-konform ausgenommen sind. Das heißt, es ist für uns alle sehr, sehr schwierig – außerdem soll es ein sehr umfangreicher Akt sein; man kann nur nach den Medienberichten gehen, und da ist immer nur von punktuellen Einblicken die Rede –, hier konkret über diesen Fall zu sprechen. (Abg. Mag. Kogler: Da sollte man die Raiffeisen-Meldung ...!)

Deswegen muss man sich natürlich sehr hüten, hier Verdächtigungen in den Raum zu stellen (Abg. Mag. Kogler: Herr Konrad vom Hochsitz herunter kommentiert!), sowohl in die eine Richtung als auch in die andere Richtung. Deswegen muss man auch sehr vorsichtig sein, wenn man hier sagt, dass es vielleicht bestimmte Fehlleistungen in der Art absichtlicher und unbegründeter Beschuldigungen in eine Richtung gegeben hat.

Zum anderen sei mir vorweg auch erlaubt, festzustellen, dass das BZÖ natürlich für den Tierschutz in friedlicher Form eintritt. Österreichweit gibt es Hunderttausende Men­schen, die in friedlicher Art und Weise gesetzeskonform dem Tierschutz nachgehen. Ich glaube, auch mich hier als Tierschützer nennen zu können.

Zum Dritten darf ich erwähnen, dass es doch sehr entlarvend war, Herr Kollege Stein­hauser, dass Sie hier im Zusammenhang mit dem G8-Gipfel in Deutschland davon re­den, dass es „natürlich“ einen Widerstand, eine Menge Widerstand gegeben hat. (Abg. Mag. Steinhauser: ... ist ja legitim!) Dieses Wort „natürlich“ ist hier sehr interessant: dass Sie es als „natürlich“ voraussetzen, dass es einen Widerstand gegen einen G8-Gipfel – noch dazu, wie man gesehen hat, einen gewaltbereiten Widerstand – gegeben hat.

Eines sei im Zusammenhang mit dem Redebeitrag des Kollegen Jarolim erwähnt, der davon ausgegangen ist, dass in den Zielen des § 278aStGB, die aufgezählt wurden, keine Tierschutzorganisationen erwähnt sind: Bei dieser Aufzählung handelt es sich um eine exemplarische und um keine taxative Aufzählung. Das heißt, es gibt Tatbe­standsmerkmale, die für jeden hier in Österreich gelten. Wenn er diese erfüllt, dann ist er natürlich unter einen bestimmten Tatbestand, unter einen Straftatbestand zu subsu­mieren. – Dies vorweg.

Nun aber zu den einzelnen Punkten des Entschließungsantrages der grünen Fraktion, und da möchte ich zunächst auf die Ziffer 1 zu sprechen kommen. Hier wird verlangt, dass der § 278a StGB und verwandte Strafbestimmungen dahin gehend reformiert werden, dass eine missbräuchliche Anwendung auf Nicht-Regierungsorganisationen künftig ausgeschlossen ist. – Ich glaube, es ist heute in den Redebeiträgen schon mehrfach gesagt worden: Österreich ist ein Rechtsstaat, hier haben sich alle an die Gesetze zu halten, jeder Bürger, der Staat und natürlich auch Organisationen, die aus den Bürgern bestehen. Das heißt, wenn hier Organisationen beziehungsweise die Bür­ger sich nicht an die Vorschriften halten, hat natürlich die Justiz einzuschreiten.


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Zum zweiten Punkt der Grünen, der Forderung, dass polizeiliche und gerichtliche Er­mittlungsmaßnahmen, welche in verfassungsrechtlich geschützte Rechte Einzelner eingreifen, tatsächlich nur im Falle unbedingter Erforderlichkeit anzuwenden sind: Sie meinen damit sicher die Freiheitsentziehung als Einschränkung eines verfassungs­rechtlich geschützten Rechtes. – Dazu muss ich Ihnen Folgendes sagen: Dass das nur unter unbedingter Erforderlichkeit gegeben ist, ist derzeit geltendes Recht! Das heißt, das braucht man nicht extra zu fordern.

Das Nächste ist: Sie wollen eine strenge Prüfung der Verhältnismäßigkeit. – Ja, natür­lich gibt es eine strenge Prüfung der Verhältnismäßigkeit! Sie werden keinem Richter unterstellen, dass er die Haft als Ultima Ratio, auch in Untersuchungshaftform, einfach beliebig verhängt.

Als Nächstes wird eine inhaltlich durchdachte Begründung gefordert. – Ja, natürlich wird der Untersuchungsrichter auch eine Untersuchungshaft entsprechend begründen. Diese Begründungen liegen auch vor.

Zur Ziffer 3 des Antrages der Grünen: Beschwerdeverfahren sollen möglichst rasch und auf höchstem qualitativen Standard durchgeführt werden. – Ja, klar, unsere Unter­stützung dazu gibt es seit vielen, vielen Jahren, und das ist ja auch geltendes Recht. Natürlich muss es raschest möglich ein Beschwerdeverfahren geben, und der Stan­dard muss auch in einem höchsten qualitativen Ausmaß gegeben sein, keine Frage.

Zur Ziffer 4 Ihres Antrages, einer Evaluierung der Wahrnehmung der Befugnisse der Staatsanwaltschaft nach der StPO-Reform: Darüber können wir sicherlich in einigen Monaten reden. Diese Reform ist erst seit 1. Jänner 2008 in Kraft; wir wissen, dass die Verfahren, die derzeit danach abgehandelt werden, alle noch im Laufen sind. Das heißt, zum derzeitigen Zeitpunkt hat eine Evaluierung sehr wenig Sinn. Man wird diese Verfahren abwarten müssen, um in weiterer Folge natürlich diesen Schritt zu gehen. Dann können Sie auch auf uns zählen.

Zum Abschluss sei mir der Hinweis gestattet, dass es für uns doch ein starkes Stück war, dass die Grünen gerade heute die Debatte über diesen Dringlichen Antrag führen, obwohl die Grünen seit Wochen, seit Monaten immer wieder in Verbindung gebracht werden mit dieser Organisation, die auch gegen Peek & Cloppenburg in Bezug auf den Pelzhandel (Abg. Mag. Kogler: Mafia ...!) demonstriert hat, angeblich – das steht seit Monaten im Raum und ist noch durch nichts widerlegt worden – von Peek & Cloppen­burg erhebliche Spenden bekommen hat und dann im zeitlichen Naheverhältnis diese Gruppierungen abgezogen sind. (Zwischenruf des Abg. Mag. Donnerbauer.)

Im Gegensatz dazu haben anderen Handelsketten keine Zahlungen getätigt (Abg. Öl­linger: Ich gehe dort einkaufen! Bin ich auch verdächtig?), und dort wurden diese Maß­nahmen dieser Tierschutzorganisationen sogar noch verstärkt. Das heißt, das ist ein starkes Stück! (Zwischenrufe bei den Grünen.)

Aber, wie gesagt, wenn sich die Vorwürfe der grünen Fraktion bewahrheiten sollten, dass es bewusst widerrechtliche Maßnahmen in eine Richtung gegeben hat, nämlich speziell auch, hier ohne entsprechende Tatbestandsmerkmale vorzugehen, dann ist das natürlich ein Skandal. Bis jetzt ist nur der Schutzmantel der Grünen über diverse Tatverdächtige der eigentliche Skandal. – Danke schön. (Beifall beim BZÖ.)

16.09


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Mag. Kogler zu Wort. 5 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


16.09.15

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Frau Präsidenten! Frau Bundesministe­rin! Meine Damen und Herren! Es ist wirklich unverständlich, dass Sie sich nicht der


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 141

ganz kleinen Mühe unterziehen, den Text des Antrages zu lesen. Lesen Sie den ersten Satz! Natürlich ist uns die Problematik bewusst gewesen, wohin das alles von Ihnen gedeutet werden kann oder wird, und deshalb steht klipp und klar drin, dass an die Bundesregierung herangetreten wird oder heranzutreten wäre – wenn Sie denn endlich ein Einsehen hätten und zustimmen würden –, dass der § 278a StGB in der Art und Weise reformiert wird, damit die Auslegung und die Sache anschließend klar ist.

Das ist der normalste Vorgang im Parlament, gerade in Österreich, dass man die Bun­desregierung auffordert, eine solche Regierungsvorlage vorzulegen, damit wir im Haus eine andere Grundlage haben, wenn es nämlich so ist, wie Sie sagen: dass unter die­sem Paragraphen diese Verfolgungshandlungen möglich sind. Das passt uns nicht. Wenn es Ihnen passt, dann ist das Ihr Problem, und dann erklären Sie sich! Aber wir haben hier einen Antrag gestellt, dass eine Regierungsvorlage ins Haus kommt. Das ist das Normalste – aber offensichtlich nicht bei den Abgeordneten der Regierungsfrak­tionen! (Beifall bei den Grünen.)

Insofern gehen alle diese Vorwürfe an der Sache vorbei. Niemand will sich in das Ver­fahren einmischen auf die Art und Weise, die Sie erwähnt haben, aber dass man kri­tisch hinschaut, das hat noch jeder Rechtsstaat vertragen und brauchen können. Gera­de in Österreich ist es sinnvoll, kritisch hinzuschauen! Immer wieder bin selbst ich noch negativ überrascht, und wir stellen fest, dass einiges nicht stimmt. Ich lasse jetzt einmal die Justiz draußen, aber wenn wir nur dort beginnen, wo polizeiliche Ermittlungen statt­finden und allenfalls dann die Staatsanwaltschaft die Schnittstelle dafür ist, wie be­stimmte Delikte in Österreich verfolgt werden – und vor allem nicht verfolgt werden –, dann sieht man doch, was alles nicht stimmt in diesem Land!

Menschenhandel ist genannt worden. Wo sind denn die großen Erfolge? – Ich möchte einmal wissen, wie viele Ermittlungsbemühungen dort im Verhältnis zu dem, was wir hier beobachtet haben, überhaupt gesetzt werden. Beim Tatbestand der Geldwäsche haben wir auch legistischen Nachholbedarf; wir haben noch nicht einmal alle EU-Richt­linien umgesetzt. Was wir im Bankenausschuss gesehen haben, war schlimm genug; es gibt jetzt gar keine Zeit dafür, auf das alles einzugehen. Aber wo sind da die Initiati­ven?

Wo ist denn die Polizei, wenn es darum geht, bestimmte Vorverdachtsmomente zu ver­folgen, wenn es um wirtschaftliche Großkriminalität geht? Wo ist sie denn? – Ja, es gibt einzelne Beamte – das haben wir im Untersuchungsausschuss gesehen –, die Wi­derstand gegen Interventionen leisten, die von oben herunter erfolgen. Zu der Zeit, als hier diese Ermittlungen gelaufen sind, hat sich ein Herr Horngacher noch wunderbar mit Herrn Schlaff vertragen und bestimmte Handlungen gesetzt, die im Nachhinein Gott sei Dank aufgeklärt werden konnten. Aber wo ist jetzt die richtige Dimension der poli­zeilichen Energien, die verwendet werden, um bestimmte Tatbestände zu verfolgen?

Da hat man ganz klar den Eindruck: Die großen Geschichten sind Ihnen relativ wurscht, und da muss ein Exempel statuiert werden! Das beginnt eben bei diesen Er­mittlungshandlungen, und das ist das, was wir nicht akzeptieren wollen.

Abschließend: Wir haben in Österreich ein Problem in diesem ganzen Umgebungsbe­reich, auf das wir wirklich hinschauen sollten. Wir rutschen bei allen internationalen Rankings zurück, etwa in der Korruptionsbekämpfung. Solche Rankings gibt mittlerwei­le auch die OECD heraus, und das ist ja nicht niemand! Wir haben hier Probleme, ge­rade im wirtschaftlichen Bereich – das ist nicht lustig, das ist nicht gesund, Sie reden doch immer vom Wirtschaftsstandort! –, aber auch nach Transparency International. Da sollte die Polizei ihre Ermittlungskünste einmal anwenden, statt auf die kleinen Tier­schützer losgehen! Das ist das Anliegen. (Beifall bei den Grünen.)

16.13



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 142

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Keck zu Wort. 5 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


16.13.16

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin kein Jurist und werde mich da heraußen auch nicht juristisch äußern. Denn eines weiß ich: Drei Juristen zum selben Thema um eine Meinung ge­fragt, das ergibt drei verschiedene Meinungen. (Ruf bei der FPÖ: Vier!) Ich kann hier zu dieser Thematik nur eines sagen: Wenn Straftaten begangen wurden, dann sind diese Straftaten auch zu verurteilen. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Ich glaube, zu dem stehen wir alle in einem Rechtsstaat, und das werden auch wir alle vertreten. (De­monstrativer Beifall bei der ÖVP.) – Klatschen Sie noch nicht, meine Damen und Her­ren, es kommt noch mehr! (Heiterkeit bei den Grünen.)

Ich muss auch mit großer Skepsis sagen: § 278a StGB ist eine Regelung in Bezug auf eine mafiöse Vereinigung. Bei dem, was diese Tierschützer begangen haben, handelt es sich sicherlich um kein organisiertes Verbrechen – und es geht auch um keine terro­ristische Vereinigung.

Meine Damen und Herren, ich möchte jetzt durch Bilder einiges in Erinnerung rufen. Hätten diese Tierschützer nicht Sachbeschädigungen begangen, in Höfen, bei Stallun­gen Fotos gemacht und sie uns hier im Parlament präsentiert (der Redner hält nach­einander ein paar entsprechende Fotografien in die Höhe) – wir hätten nicht das Käfig­halteverbot von Hühnern. Aufgrund dieser Fotos haben wir es gemacht, meine Damen und Herren! (Beifall bei SPÖ und Grünen.) Schauen Sie sich diese Bilder an, wir haben sie hier im Plenum schon einmal präsentiert.

Wir hätten in dieser Gesetzgebungsperiode nicht das Halten von Kaninchen in Käfigen verboten, wenn wir nicht diese Fotos gehabt hätten, meine Damen und Herren, weil die Tierschützer sie gemacht haben. Wenn sie sich strafbar gemacht haben, sind sie auch zu verurteilen – dazu stehen wir nach wie vor –, aber wir hätten gesetzlich nicht reagie­ren können, wenn diese Fotos nicht hierher gekommen wären, wenn nicht die Fotos von solchen Schweinezüchtern gekommen wären – ich habe noch viele Bilder hier, meine Damen und Herren, Sie können sie sich gerne anschauen –, wenn es nicht sol­che Zustände in Stallungen gegeben hätte.

Genau aufgrund dieser Zustände haben wir ein Bundestierschutzgesetz verabschiedet, wobei die Tierschützer als Experten geladen waren. Alle fünf Parlamentsparteien – da­mals vier – waren mit diesen Experten in Verbindung, und die Experten waren genau diese, die jetzt inhaftiert sind! Das war zum Beispiel Dr. Balluch, der als Experte hier im Parlament war und uns erklärt hat, was wir als Parlamentarier machen müssen, damit diese tierschutzrelevanten Maßnahmen von uns als Gesetzgeber gesetzt werden kön­nen.

Meine Damen und Herren, jetzt wirft man diesen Tierschützern vor, dass sie von 2000 bis 2008 – ich entnehme das aus Medienberichten – 14 Sachbeschädigungen began­gen haben. Da kann ich nur eines sagen – ich habe das schon bei einer Pressekonfe­renz gesagt, meine Damen und Herren –: Wenn sie 14 Sachbeschädigungen began­gen haben, dann sollen sie aufgrund dieser Sachbeschädigungen verurteilt werden. Aber das ist kein Anlass, eine Untersuchungshaft von – bis jetzt – sieben Wochen zu verhängen und um weitere acht Wochen zu verlängern! (Beifall bei SPÖ und Grünen.) Ich glaube, meine Damen und Herren, da ist etwas zu weit gegangen und zu weit ge­griffen worden. (Abg. Öllinger: Die Rache des Bauernbundes!)

Die Gründe für die jetzige Inhaftierung sind hier schon genannt worden. Ich weiß nicht, ob sie stimmen; ich habe keine Akteneinsicht, ich kann überhaupt nichts sagen. Es wird Diebstahl sein, Einbruch, Verwüstung, Brandstiftung. Teilweise mag es stimmen,


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teilweise mag es nicht stimmen, ich weiß es nicht. Aber trotzdem: Hier eine Untersu­chungshaft zu verhängen, ist sehr, sehr dürftig!

Eines aber weiß ich, wenn ich die Medien verfolge. Da werden immer Beispiele erstellt, was diesen Tierschützern angelastet wird, und da heißt es zum Beispiel: Auf einem Stein, mit dem 80 Plakate zu einer Reptilienausstellung zerstört wurden, soll DNA eines Beschuldigten sein. – Na ja, vielleicht hat er den Stein in der Hand gehabt; ich weiß nicht, wie man das macht.

Die Zerstörung eines Autos wird einem Beklagten angelastet. Er war drei Monate vor­her in der Gegend. Das wurde über Handy-Abhörung festgestellt. Das sind für mich wirklich Dinge, die sehr an den Haaren herbeigezogen sind. Aber, wie gesagt, da muss man schauen, was wirklich dahintersteckt.

Das für mich ganz Wichtige ist: Ist die lange Untersuchungshaft vielleicht ein Versuch der Einschüchterung, meine Damen und Herren? – Denn eines ist vollkommen klar: Leicht haben es die Tierschützer nicht. Ich bin Tierschützer, ich bin auch aktiver Tier­schützer, und ich trete für den Tierschutz ein. Da wird man natürlich eingeschüchtert, weil Lobbying hinter diesen Maßnahmen steht. (Abg. Mag. Kogler: So ist es!)

Ich kann nur für einen einzigen und letzten Fall sagen, was diese Tierschützer gemacht haben. Sie sind in eine Schweinezucht in Niederösterreich eingedrungen. (Ruf bei der ÖVP: Eingedrungen!) Eingedrungen: Sie haben die Stallungen aufgemacht, Fotos ge­macht und diese ins Internet gestellt, weil dieser Schweinezüchter schon 15 Mal ange­zeigt wurde – und 15 Mal von der Behörde nicht reagiert wurde! 15 Mal wurde nichts gemacht. Sie haben wieder Bilder – das sind solche Bilder (der Redner verweist auf die von ihm mitgebrachten Fotografien) – ins Internet gestellt, wieder eine Anzeige ge­macht. Nichts ist passiert! (Abg. Öllinger: Die Rache des Bauernbundes an den Tier­schützern ist das!)

Meine Damen und Herren! Die Tierschützer sind verhaftet worden – diejenigen, die wirklich Tierquälerei begangen haben, sind noch in Freiheit! Ich frage mich: Ist das wirklich der richtige Weg, diese Tierschützer so in Haft zu lassen?

Man soll sich in Wirklichkeit der Tierquäler annehmen! Die Tierschützer soll man zwar nicht streicheln – das sage ich nicht unbedingt –, aber den Tierschützern sollte man wirklich wohlwollend entgegentreten. Wenn sie Straftaten begangen haben, gehören sie verurteilt. Aber trotzdem glaube ich, ohne die Arbeit dieser Tierschützer wäre eines nicht möglich gewesen: Diese Gesetze, die wir in Österreich in den letzten Jahren ver­abschiedet haben, hätten wir nicht verabschieden können! (Beifall bei SPÖ und Grü­nen.)

16.18


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dr. Haimbuch­ner zu Wort. 5 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


16.18.54

Abgeordneter Mag. Dr. Manfred Haimbuchner (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bun­desministerin! Werte Damen und Herren Kollegen! Hohes Haus! Wenn man sich den Antrag der grünen Fraktion anschaut, dann kann man ihn durchaus differenziert be­trachten.

Wenn da unter Punkt 1 erwähnt wird, „die Bundesregierung wird aufgefordert, sich da­für einzusetzen, dass der § 278a StGB und verwandte Strafbestimmungen dahin ge­hend reformiert werden, dass eine missbräuchliche Anwendung auf Nicht-Regierungs­organisationen künftig ausgeschlossen ist“, dann muss man einmal klar sagen, dass Straftatbestände niemals missbräuchlich angewendet werden sollen! Das gilt nicht nur für § 278a StGB, sondern auch für die anderen Bestimmungen des Strafgesetzbuches, das ist keine Frage.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 144

Aber dann wird es bei den Nicht-Regierungsorganisationen auch juristisch ein bisschen heikel. Was ist das wirklich? Wer ist das wirklich? (Abg. Öllinger: Der CV auch! Die Burschenschaften!) – Das können Sie in dem Sinn gar nicht fordern wollen. Denn ich sage (Abg. Öllinger: Der Bauernbund!), es gibt Personen, die entweder Straftaten be­gehen oder keine Straftaten begehen. Es gibt mehrere Personen, die sich zusammen­tun und Straftaten begehen oder auch keine Straftaten begehen. (Zwischenrufe bei ÖVP und Grünen.)

Dann hören wir: Na ja, wie ist das jetzt mit der Untersuchungshaft? Darüber können wir hier dann theoretisch sprechen. Wir können uns über Gesetze unterhalten, ob die gut oder schlecht sind. Wir können uns natürlich auch über den § 278a StGB unterhalten. Was hat sich der Gesetzgeber damals dabei gedacht? Allerdings sollten wir auch vor­sichtig sein, wenn die Politik auf einmal Rechtsprechung betreiben möchte. Die Politik hat nicht Rechtsprechung zu betreiben und hat auch nicht Druck auszuüben auf ein Bundesministerium! (Beifall bei der FPÖ.)

Sie hat auch nicht Druck auszuüben auf die Justiz. Wenn man sich die Begründung dieses Antrags ansieht, und ich habe mir den durchaus genau angesehen, muss man sagen, das wäre vielleicht keine schlechte Verteidigerschrift. Das wäre vielleicht gar keine schlechte Stellungnahme in einem Strafverfahren, aber wir hier herinnen können das nicht beurteilen. Wir können hier im konkreten Fall nicht beurteilen, ob ein rechts­widriges polizeiliches Vorgehen stattgefunden hat, ob eine fragwürdige Verhängung der Untersuchungshaft gegeben ist.

Wenn das so gewesen ist, dann haben die gerichtlichen Instanzen das zu entscheiden und diese Entscheidungen zu revidieren. Und wenn diese Menschen zu Unrecht in Un­tersuchungshaft gesessen sind und inhaftiert waren, dann haben sie auch einen An­spruch auf Haftentschädigung. Und so weit funktioniert unser Rechtsstaat schon, mei­ne sehr verehrten Damen und Herren. (Abg. Mandak: Die Oberstaatsanwaltschaft be­urteilt das so!)

Wir können nicht irgendwelche Anlassfälle heranziehen, um hier dann unter Umstän­den einen gewissen medialen Druck zu verursachen. Tierschutz ist eine wichtige Sa­che, keine Frage, aber wenn es dann im Zuge von gewissen Vorkommnissen zu straf­rechtlichen Vergehen oder Verbrechen kommt, dann rechtfertigt das auch der Tier­schutz nicht.

Wir dürfen hier auch eines nicht machen: nicht zwischen „guten“ und „schlechten“ kri­minellen Organisationen zu unterscheiden. Irgendjemand, der Straftaten begeht, aber vielleicht für etwas Höheres kämpft – da sollten wir sehr vorsichtig sein. Das hat es in der Geschichte schon mehrmals gegeben – und davor sei gewarnt. (Abg. Öllinger: Könnten Sie das vielleicht zeitlich ein bisschen genauer zuordnen?)

Wir Freiheitliche treten auch für den Tierschutz ein. – Hören Sie ruhig zu, Herr Kollege Öllinger! (Abg. Öllinger: Ich passe auf!) – Wir treten für den Tierschutz ein. Da müssen wir dann aber auch dementsprechende Gesetze hier im Parlament verabschieden, aber eines kann nicht sein: Dass bei Landwirten hausiert wird, dass Sachbeschädigun­gen begangen werden, dass Druck ausgeübt wird. Das müssen wir ablehnen. Manch­mal ist es auch so – ich rede jetzt wirklich abstrakt, weil ich den konkreten Fall nicht kenne, und ich werde mich hüten, davon zu sprechen –, und das kann nicht sein, dass auch anständige Bürger unter Umständen in ein schiefes Licht geraten aufgrund eines entsprechenden Drucks.

Für den Tierschutz: ja. Wir sind aber auch für eine unabhängige Justiz. Es ist daher nicht die Frage, die wir hier erörtern sollten, ob diese Personen jetzt zu Recht oder zu Unrecht in Untersuchungshaft sitzen. Dafür haben wir eine unabhängige Justiz und un­abhängige Gerichte. (Beifall bei der FPÖ.)

16.23



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 145

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Krainer zu Wort. 5 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


16.23.31

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Meine sehr geehrte Damen und Herren! Kolle­ge Steinhauser hat am Anfang seiner Rede gemeint, dass es beim § 278a StGB vor al­lem auch um Menschenhandel geht und dessen Organisierung, also darum, wie die Behörden gegen Menschenhandel vorgehen können.

Da ist mir eingefallen, was in diesem Bereich in Österreich eigentlich passiert ist. Da hat es doch einen Erlass des Bundesministeriums gegeben, dass für gewisse Firmen die Tänzerinnen-Visa möglichst schnell auszustellen sind.

Besonders spannend finde ich: Ich habe einen Paragraphen, bei dem es um Drogen­handel, Menschenhandel, Mafia, Mord, Totschlag, also wirklich das Böseste vom Bö­sen im Verbrecherwesen geht. In der Praxis gibt es einen Erlass, dass man möglichst schnell diese Visa verteilt. Von Untersuchungen in diesem Zusammenhang weiß ich nichts. Und auf der anderen Seite, wenn es um den Bereich der Tierschützer geht, dann bildet da angeblich das BVT – ich weiß auch nicht genau, ob es das BVT, das BIA oder was auch immer ist, aber ich habe gehört, das BVT, also das Büro für Verfas­sungsschutz und Terrorismusbekämpfung – eine SOKO Pelz und eine SOKO Bekleidung, also Sonderkommissionen, um mit jahrelangen Überwachungen, Belauschungen, was auch immer gegen Tierschützer vorzugehen. Also, da scheint mir durchaus ein gewisses Ungleichgewicht zu herrschen.

Was mir in diesem Zusammenhang noch eingefallen ist, sind die berühmten Jagdeinla­dungen eines gewissen Mensdorff-Pouilly. Einmal im Jahr wird das Kabinett des Innen­ministers nach Schottland zur Jagd eingeladen. Es kann sich heute zwar keiner mehr genau daran erinnern, ob er dabei war oder nicht, aber wie dem auch sei. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Sie haben recht, es war nicht nur das Kabinett des Innenministers, es war auch das Kabinett des Landwirtschaftsministers. – Danke, dass Sie mich erin­nern! – Die sind also einmal im Jahr auf diese Jagd gefahren, und öfters war man eben auch noch so zwischendurch, denn ein Jahr ist doch relativ lang, in Luising, im Burgen­land, auch auf einem Jagdgut des Mensdorff-Pouilly.

Dort waren allerdings nicht nur die Kabinettsmitglieder. Man kann dazusagen, dass das ein Betrieb ist, wo im Jahr zirka 25 000 Fasane gezüchtet werden, um nachher gejagt zu werden. Man kann dort für 12 500 € am Tag ein paar Freunde einladen und be­kommt dann dort 200 bis 400 Fasane, die gefüttert und dann aufgescheucht werden – „Schupffasane“ sagt man dazu – zum Jagen. Was das alles mit Jagd zu tun hat, das lassen wir hier einmal dahingestellt.

Es sind jedenfalls nicht nur die Kabinettsmitglieder des Innenministers dort, sondern es sind eben auch so böse Menschen wie Balluch dort, der bereits erwähnte Dr. Balluch und Tierschutzorganisationen – VGT, „Vier Pfoten“ et cetera. Die gehen dorthin und fil­men das. Sie machen Fotografien von den Volieren, in denen die Fasane gezüchtet werden. Sie filmen die „Schupffasan-Technik“ von Luising, ja, machen Fotos, doku­mentieren, wie viele gleich sterben, wie viele an Bleivergiftungen sterben und so wei­ter.

Ich meine, da ist der Weg nicht mehr weit, sage ich einmal. Natürlich stört ihn das, denn das steht dann plötzlich im „NEWS“, das steht im Internet, dass er damit so viel Geld verdient. Und eine Woche später sind die vom Innenministerium bei ihm, und da erzählt er eben, wie unangenehm die sind. Und plötzlich wird ermittelt, aber nicht ir­gendwie ermittelt. Nein, volle Länge, alles, der Rechtsstaat packt seine größten Waffen aus, die er hat, die Waffen, die wir hier ihm gegeben haben.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 146

Also, wir geben der Polizei Instrumente in die Hand, ja, damit sie Drogen- und Uran-Dealer, Menschenhändler, Geldwäscher, Mafia, Leute, die mit Mord, Totschlag und Er­pressung arbeiten, jagt. Wir geben ihnen diese Instrumente, damit sie diese Leute ja­gen, ja. Und was passiert? – Visa sind schnell auszustellen, aber diese Instrumente werden dann gegen Tierschützer eingesetzt, und das ist schon rasend bedenklich. Und dieser Zusammenhang ... Ich will jetzt gar nicht sagen, dass Mensdorff-Pouilly gesagt hat: „Schafft mir die vom Hals!“ oder wer auch immer. (Abg. Öllinger: So könnte es ge­wesen sein!)

Es sollten sich alle überlegen, die in leitenden Positionen in einem Ministerium oder in einem Kabinett sind, ganz genau überlegen, ob sie Jagdeinladungen oder irgendwel­che Einladungen annehmen, noch dazu, wo doch Mensdorff-Pouilly bekanntlich einer der größten Waffenhändler Österreichs ist und das Innenministerium für das Kriegsma­terialiengesetz zuständig ist. Da gibt es ja Vorwürfe en masse! Das sollte man sich also genau überlegen, weil sich ein Unbeteiligter natürlich dann genau diese Fragen stellt, die ich mir hier stelle. (Abg. Dr. Brinek: Nennen Sie die Vorwürfe beim Namen!) Und deswegen ... – Ich habe das relativ klar gesagt, wie ich das hier sehe.

Wir haben alle gedacht, dass diese Instrumente, die wir als Parlament der Polizei ge­ben, gegen Mord, Totschlag, Menschenhandel, Drogenhandel, Geldwäsche, gegen die Bösen der Bösen eingesetzt werden. Keiner von uns hat daran gedacht, dass es dann darum geht, Menschen, die Fotos von Tieren machen, von denen sie der Meinung sind, dass sie schlecht gehalten werden, und dabei vielleicht eine Fensterscheibe ein­schlagen oder dergleichen, dass diese Instrumente gegen diese Personen eingesetzt werden. (Abg. Lentsch: Die sind ja so arm!) Dafür hat nämlich die Polizei und die Jus­tiz andere Instrumente, nämlich Sachbeschädigung et cetera.

Wir sollten, glaube ich, das jetzt anschauen, wie das weitergeht, und dann, nach die­sem Fall und nicht im laufenden Verfahren, denn das sage ich auch: Respekt vor dem Rechtsstaat, vor der Unabhängigkeit der Justiz, dann also, wenn das alles abgeschlos­sen ist, schauen wir uns genau an, was da passiert ist. Vom heutigen Tag aus beurteilt schaut es jedoch nicht gut aus, was hier passiert ist, vor allem von Seiten des BVT und des Innenministeriums. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

16.29


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster hat sich Herr Abgeordneter Vock zu Wort gemeldet. 5 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


16.29.48

Abgeordneter Bernhard Vock (FPÖ): Frau Präsident! Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! In den letzten Wochen haben mich zahlreiche be­sorgte Tierschutzaktivisten und besorgte Tierschützer angerufen, was denn hier im Justizbereich geschehen ist. Man hat gelesen, wie brutal unsere Polizei vorgegangen sein soll. Man hat davon gelesen oder gehört davon, dass die Haftbedingungen unzu­mutbar sind, dass auf eine vegane Ernährung der Tierschützer nicht Rücksicht genom­men wird und so weiter. Insgesamt also zahlreiche Vorwürfe, die Polizei und Justiz gel­ten.

Die Vorwürfe der Bildung einer kriminellen Organisation scheinen auf den ersten Blick auch absurd, denn unter Mafia-ähnlichen Verbindungen mit schwerer organisierter Kri­minalität stellt man sich als normaler Bürger doch etwas anderes vor. Es ist auch un­verständlich, warum diese Bürger, die ja in Österreich bekannt und wohnhaft sind, nicht auf freiem Fuß angezeigt werden, sondern in Untersuchungshaft sitzen.

Ich glaube, das Problem ist Folgendes: Auf der einen Seite nützen die Tierschützer das Internet und alle Öffentlichkeitsmöglichkeiten, um auf ihre Situation hinzuweisen, auf der anderen Seite aber haben wir – Gott sei Dank – auch einen Rechtsstaat, der jetzt


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nicht die Gegenargumente aufzeigen kann. Frau Ministerin Berger wird jetzt vielleicht sagen, Sie wüsste da zwar mehr, kann es aber hier nicht sagen, warum seitens der Behörde konkret so vorgegangen wurde.

Wir wissen nicht genau, welche Vorwürfe es da wirklich gibt – und letzten Endes gilt in einem Rechtsstaat die Unschuldsvermutung. Wenn ich jetzt hier im Parlament zum Beispiele aufzähle, was diesen Leuten alles vorgeworfen wird, dann würde ich ja die Unschuldsvermutung verletzen, wenn ich sage: Der Mann hat dieses und jenes getan!

Nochmals: Das Problem ist, dass auf der einen Seite im Internet argumentiert wird, dass die Tierschützer natürlich all diese Möglichkeiten nutzen, andererseits aber Justiz und Polizei nicht die Möglichkeit haben, da jetzt entsprechend entgegenzusetzen.

Kollege Keck hat hier Photos gezeigt; ich selbst habe mir auch die Homepage eines dieser Aktivisten des „Vereins gegen Tierfabriken“ genau angeschaut, und ich muss sagen: Da gibt es wirklich viele Aktionen, die man nur begrüßen und unterstützen kann. Unterschriftenlisten, Protestaktionen, Photos werden gemacht – und es wird so darauf hingewiesen, wo überall gegen den Tierschutz verstoßen wird.

Diese Aktivisten nutzen ja selbst unser Rechtssystem, indem sie zum Beispiel Anzei­gen gemacht haben, wenn es zu Verletzungen des Tierschutzes kam. All das ist wich­tig und gut, und man kann das als Tierschützer nur begrüßen.

Allerdings gibt es schon auch ein paar Bereiche, wo ich als Tierschützer ja sage, ande­re Kollegen hingegen, die im Justizbereich tätig sind, da schon eher sagen, das ist ein Graubereich; das könne man daher nicht mehr mittragen. Ich erwähne in diesem Zu­sammenhang zum Beispiel die Aktion betreffend Fiaker, wo sich Aktivisten in die Stal­lungen eingeschlichen haben. Da geht es schon um Besitzstörung.

Oder: Wenn man sich vor ein Geschäft stellt und dort Folder gegen eben dieses Ge­schäft verteilt, so stellt das den Tatbestand der Geschäftsschädigung dar. – Ich würde das als Tierschützer auch noch begrüßen und sagen: Da kann ich noch mitgehen; da ist eben das Interesse des Tierschutzes wichtiger als das Interesse des Geschäftsab­laufes!

Wenn ich dann aber höre, dass auch der Tatbestand krimineller Handlungen vorgewor­fen wird (Abg. Mag. Steinhauser: Welche?), dass zum Beispiel Gerätschaften wie Bagger und so weiter zerstört werden sollen, und wenn ich höre, dass Pelzmäntel ver­unstaltet worden sind und eingebrochen wurde, dann muss ich sagen: Das alles sind Dinge, wo man als Abgeordneter, der ja auch einen Eid auf die Einhaltung der Gesetze abgelegt hat, nicht mehr mitgehen kann. Das kann man dann nicht mehr mittragen. Da kann ich nur sagen: Wenn die Tierschützer das gemacht haben, dann haben sie leider sicherlich eine bestimmte Grenze überschritten.

Unsere Rechtsinstitutionen sind aufgefordert, herauszufinden, wer was gemacht hat, wer die Täter sind, und dann muss ein ordentliches Verfahren abgewickelt werden. Dort, wo Schuld erwiesen ist, muss es zu Verurteilungen kommen – und dort, wo keine Schuld erwiesen ist, muss natürlich freigesprochen werden. Wobei ich jetzt vielleicht noch solidarisch mit den Tierschützern sagen kann, da ich ihnen im positiven Sinne un­terstelle, dass sie das alles ja im Interesse des Tierschutzes gemacht haben, dass der eine oder andere vielleicht auf ein mildes Urteil hoffen kann.

Zusammengefasst sage ich namens der Freiheitlichen: Ja zum Tierschutz, Ja zum Ak­tionismus – das gehört zum Tierschutz oftmals dazu, eben im Interesse der Tiere –, aber ein klares Nein dort, wo es kriminell wird. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeord­neten der ÖVP.)

16.34



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 148

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Dr. Hlavac zu Wort. 5 Minuten gewünschte Redezeit. Ich mache darauf aufmerksam, es gibt eine Ge­samtrestredezeit für die SPÖ von 7 Minuten. – Bitte.

 


16.34.55

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Es sind hier schon viele Be­kenntnisse zum Tierschutz abgegeben worden. Ich glaube, dass Tierschutz eine sehr wichtige und auch eine sehr prinzipielle Sache ist, denn wie human eine Gesellschaft ist, zeigt sich auch am Verhalten gegenüber Tieren. Ich habe es daher sehr begrüßt, dass wir hier ein Tierschutzgesetz beschlossen haben. Es war das keine leichte Sa­che; ich kann mich daran erinnern, dass es sehr divergierende Interessen gegeben hat.

Nochmals: Ich trete wirklich dafür ein, dass der Tierschutz ernst genommen wird. Ich selbst trage auch keine Pelze, und ich trete in vielen Bereichen für den Tierschutz ein.

Vieles – das ist schon gesagt worden – würde es nicht geben, wenn es nicht das Enga­gement der Tierschützer gäbe, so zum Beispiel die Abschaffung der Käfighaltung für Kaninchen, die Abschaffung von Legebatterien und so weiter – alles Dinge, die ich für sehr, sehr wichtig halte. Daher meine ich auch, dass es sehr positiv und wichtig ist, dass es Tierschützer gibt, dass sich diese so engagieren, sodass uns das auch hilft, gesetzlich etwas weiterzubringen.

Zugleich ist, glaube ich, unbestritten: Wenn Gesetze verletzt werden, dann ist von der Justiz darauf zu reagieren. Ich möchte als Juristin jetzt eigentlich nicht allzu sehr auf den konkreten Fall eingehen. Es gilt einerseits die Unschuldsvermutung, andererseits bin ich auch überzeugt davon, dass sich die unabhängige Justiz korrekt verhält.

Es gibt aber einige Dinge, die man, denke ich, in diesem Zusammenhang schon fest­halten kann und sollte. Erstens: Der Polizeieinsatz scheint nach all dem, was wir gese­hen haben – um es jetzt sozusagen neutral zu formulieren – überschießend gewesen zu sein. Es ist notwendig, das alles zu überprüfen, und ich gehe davon aus, dass das auch überprüft werden wird.

Was die Untersuchungshaft betrifft, möchte ich darauf hinweisen, dass in der Gesetz­gebungsperiode 1990 bis 1994 das Haftprüfungsverfahren eingeführt wurde. Das war damals eine Initiative von Michael Graff und mir. Ich denke, dass das ein sehr wichtiges Verfahren ist, das sich auch bewährt hat. Es sollte aber weiterhin evaluiert und auch ausgebaut werden. Ich könnte mir vorstellen, dass die Grundrechtsbe­schwerde in Haftsachen ausgedehnt wird und dass bei dem Verfahren vor dem Obers­ten Gerichtshof ein breiterer Bereich erfasst werden sollte und dass auch Verfassungs­rechtler beigezogen werden sollten.

Das Zweite ist, dass einmal grundsätzlich überprüft werden muss, ob die Maßnahmen, die wir im Kampf gegen den Terrorismus und gegen die organisierte Kriminalität set­zen, auch treffsicher und zielsicher sind. Wenn ich zum Beispiel höre, dass der E-Mail­verkehr untersucht wird, dass versucht wird, in Daten hineinzugehen, die eigentlich persönlich sind, dann ist das vielleicht in bestimmten Bereichen zulässig, aber man sollte sich schon überlegen, ob das nicht in einem viel zu großen Maße geschieht und ob nicht die Freiheitsrechte des Einzelnen dadurch zu sehr eingeschränkt werden.

Meine Damen und Herren, über den § 278a StGB ist schon viel gesagt worden. Wie gesagt, man soll in ein Verfahren nicht eingreifen. Es ist aber von Seiten des Parla­ments doch angebracht, zu erheben, ob dieser Paragraph so interpretiert wird, wie wir uns das vorstellen und erwarten, denn er ist sicherlich nicht dafür gedacht, bei gewöhn-


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licher Sachbeschädigung oder auch Drohung und ähnlichen Delikten angewandt zu werden, sondern nur in einem ganz bestimmten Zusammenhang, eben mit organisier­ter Kriminalität.

Meine Damen und Herren, daher ist das sicherlich eine Gelegenheit, zu überlegen, wie es auch im Bereich des Menschenrechtsschutzes weitergehen soll. Nicht vorstellen kann ich mir, dass wir dazu jetzt etwas beschließen, denn es soll die Möglichkeit ge­ben, das Verfahren einmal abzuschließen und sich anzusehen, wie sich verschiedene Paragraphen bewähren. Soviel ich weiß, ist ja auch eine Evaluierung der StPO ge­plant.

Meine Damen und Herren, abschließend möchte ich noch einige persönliche Worte sprechen. Ich habe vor einiger Zeit beschlossen, nicht mehr für den Nationalrat zu kan­didieren. (Abg. Jakob Auer: Das ist aber schade!) Die nächste Nationalratswahl kommt nun früher als angenommen, aber ich bleibe bei meiner Entscheidung und werde dem nächsten Nationalrat nicht mehr angehören.

Es ist für mich kein wirklicher Abschied, denn ich bin, wie viele von Ihnen wissen, auch in der Parlamentsdirektion tätig. Ich bin vom damaligen Präsidenten Benya als erste Frau in den Konzeptsdienst der Parlamentsdirektion aufgenommen worden. – Das war damals eine Sensation, heute ist das zum Glück eine Selbstverständlichkeit. Ich werde also im Herbst in einer anderen Funktion wieder mit Ihnen zu tun haben. Ich möchte mich daher jetzt nicht verabschieden, sondern nur bedanken und Ihnen allen persön­lich alles Gute wünschen. (Allgemeiner Beifall.)

16.41


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Pilz zu Wort. 10 Minuten Wunschredezeit. – Bitte.

 


16.42.22

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Hlavac, selbstverständlich auch von unserer Seite alles Gute! – Und jetzt gleich zum heutigen Thema: Eine kleine Korrektur: Herr Kollege Fichtenbauer hat na­mens der Freiheitlichen Partei erklärt, er habe heute bei der Volksanwaltschaft angeru­fen und festgestellt, dass die Volksanwältin Terezija Stoisits säumig gewesen sei und noch nichts unternommen habe.

Wahr ist vielmehr: Die Volksanwaltschaft hat eine Prüfung eingeleitet, am 18. Juni 2008 ein schriftliches Ersuchen an das Innenministerium zur Stellungnahme in dieser Causa gerichtet und bis heute keine Antwort vom Innenministerium bekommen. Ihnen, Herr Kollege Fichtenbauer, kann ich nur den Appell widmen: Lernen Sie telefonie-
ren! Das steht auch einem Justizsprecher der Freiheitlichen Partei nicht schlecht an. (Abg. Ing. Kapeller: Herr Kollege Pilz! Sind Sie im Herbst noch da?)

Zweitens zu den Fakten selbst und zu dem, was da passiert ist (Abg. Ing. Kapeller: Kandidieren Sie wieder?): Stellen Sie sich einmal vor, die Wiener Kriminalpolizei ermit­telt in einer Causa – und das ist nicht an den Haaren herbeigezogen! – Raiffeisen, Geldwäsche in Osteuropa, insbesondere in Russland, und setzt durch, dass zum Zwe­cke der weiteren Aufklärung der Vorstand des Bauernbundes in Untersuchungshaft ge­nommen wird. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.)

Ich rechne nicht damit, dass das auf große Zustimmung der Österreichischen Volks­partei stoßen würde, und glaube kaum, dass ein Abgeordneter der ÖVP uns dann zu­rufen würde: Lassen Sie die Finger von diesem rechtsstaatlichen Verfahren, das Parla­ment soll sich nicht einmischen!

Stellen wir uns vor – ich hoffe nicht, dass das passiert! –, ein antifaschistisches Denk­mal würde irgendwo in Österreich verunziert und ein Staatsanwalt käme auf die Idee,


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einen Untersuchungsrichter zu ersuchen, Führungspersönlichkeiten der Freiheitlichen Partei in Untersuchungshaft zu nehmen. – Ich glaube nicht, dass Kollege Haimbuchner ans Rednerpult treten würde und sagen würde: Finger weg von diesem Verfahren, auf den österreichischen Rechtsstaat ist Verlass!

Warum ist das bei den Tierschützern dann ganz anders? (Abg. Prinz: ... Tierschützer ... eine Vorfeldorganisation der Grünen!)

Wissen Sie, dass es seit den beiden Schriftsätzen der Oberstaatsanwaltschaft Wien keinen schwerwiegenden konkreten Tatverdacht gegen auch nur einen einzigen der in­haftierten Tierschützer mehr gibt? Der Verdacht der Brandstiftung wird nicht mehr auf­rechterhalten, der Verdacht der schweren Sachbeschädigung ebenfalls nicht. Meine Herren Justizexperten von ÖVP, FPÖ und vermutlich auch BZÖ! Sie wissen doch, dass eine der wesentlichen Voraussetzungen zur Erfüllung des Tatbilds nach § 278a des Strafgesetzbuches die fortgesetzte und planmäßige Begehung eines schweren Delikts nach dem Strafgesetzbuch ist. – Das fällt weg.

Jetzt haben wir es zum ersten Mal in der Geschichte dieses Paragraphen mit einer kri­minellen Organisation ohne Kriminelle zu tun. – Das ist eine strafrechtlich bemerkens­werte Situation.

Ich habe das vor eineinhalb Stunde mit einer sehr bekannten Richterin besprochen. Sie hat mich darauf hingewiesen, dass die österreichische Richtervereinigung bei der Einführung des § 278a StGB vor genau dieser Situation gewarnt hat, weil es nämlich möglich ist – und das haben Sie von der ÖVP immer bestritten! –, eine kriminelle Orga­nisation ohne ein einziges schweres Delikt, ohne einen einzigen schweren Tatverdacht gegen eine konkrete Person zu konstruieren und daraufhin alle Maßnahmen bis hin zur Untersuchungshaft zu verhängen.

Das ist ja der große Konstruktionsfehler des § 278a StGB! Deshalb hat es ja Warnun­gen nicht nur von der österreichischen Richtervereinigung gegeben. Sie haben uns da­mals gesagt: Niemals! Es gehe um die russische Mafia, es gehe um die sizilianische Mafia, es gehe um die moldawische, die chinesische – und so weiter – Mafia, aber doch niemals um Bürgerinitiativen, Nicht-Regierungs-Organisationen, Organisationen der österreichischen Zivilgesellschaft. – Und jetzt ist genau das passiert! (Ruf beim BZÖ: Die grüne Mafia!)

Es gibt keinen konkreten Tatverdacht der Begehung eines schweren Delikts. Jetzt stellt sich die Frage, was eigentlich passiert ist. – Ich erzähle Ihnen die Geschichte im Zeit­raffer (Ruf bei der ÖVP: Bitte nicht!):

Es gibt ein völlig erfolgloses Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbe­kämpfung. Der Rechungshof hat festgestellt, dass es bis zum Endpunkt der Prüfung, also bis 2006, nur eine einzige operative Analyse gab – das heißt, ein polizeilich und gerichtlich verwertbares Ergebnis. (Ruf bei der ÖVP: Seien Sie doch froh!)

Wir haben gefragt, in welchem Bereich. Antwort: Im Bereich Extremismus. – Also kein verwertbares Ergebnis im Bereich Terrorismusbekämpfung, kein verwertbares Ergeb­nis in einer Sondereinheit des österreichischen Verfassungsschutzes, die seit mehr als zehn Jahren eine österreichische Spezialität ist, nämlich eine eigene Verfassungs­schutzeinheit zur Bekämpfung des organisierten Tierschutzes in Österreich. – Das ist etwas Einmaliges in ganz Europa! Das ist eine Eigenart des österreichischen Verfas­sungsschutzes.

Was ist jetzt passiert? – Der Verfassungsschutz hat Spitzel – Vertrauenspersonen – in alle Tierschutzorganisationen eingeschleust. Er hat Peilsender an Fahrzeugen mon­tiert. Er hat optisch und akustisch überwachen lassen und keinen einzigen konkreten Tatverdacht aktenmäßig festhalten können.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 151

Dann hat es eine politische Entscheidung gegeben: Wir wollen einen Erfolg! Die politi­sche Entscheidung war eine von Innenminister Platter, der sagte: Ja, es gibt alle mögli­chen Anschuldigungen, setzen wir eine Sonderkommission ein! Und ganz oben an den Betreff der Sonderkommission hat man willkürlich einen grünen Funktionär aus Nieder­österreich gesetzt, bei dem sich nach wenigen Monaten herausgestellt hat, dass er mit vielem zu tun hatte, nur Tierschützer war er nie. Er hat absolut nichts mit Tierschutz zu tun, und im Betreff der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt war er die Nummer eins.

Dann ist ein Anfallsbericht der Sonderkommission unter Leitung von Oberstleutnant Böck gekommen: Mitteilung an die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt wegen des Verdachts der Begehung eines schweren Verbrechens nach dem Strafgesetzbuch – also eine StPO-mäßige Anzeige. Inhalt ist eine Pressekonferenz im Grünen Klub zur Unterstützung der Rechtshilfe. Oberstleutnant Böck verweist darauf – ich werde Ihnen dieses Dokument öffentlich vorlegen –, dass Missfallenskundgebungen von Tier­schützern und Grünen strafrechtlich geprüft werden sollen. (Oh-Rufe bei der ÖVP. Abg. Dr. Brinek: Wahnsinn! Zwischenruf des Abg. Mag. Donnerbauer.)

Da sind wir jetzt beim Kern des § 278a StGB angelangt, nämlich bei der politischen Absicht. Können Sie sich vorstellen, wie es heute Menschen in Bürgerinitiativen, Men­schen bei Global 2000, Anti-AKW-Aktivisten und -Aktivistinnen und vielen anderen mehr geht?

Sie sehen einerseits, dass unbescholtene Tierschützer, gegen die es keinen konkre­ten schweren Tatverdacht gibt, in Untersuchungshaft sitzen, andererseits aber Men­schenhändler und ihre Unterstützer im Außenministerium und im Innenministerium nach wie vor Karriere machen und hochrangige wirtschaftliche Persönlichkeiten wie Ju­lius Meinl und Karl-Heinz Grasser nach wie vor von den Millionen geprellter Kleinanle­ger und Kleinanlegerinnen einen beträchtlichen Teil – nämlich hunderte Millionen – in die eigenen Kassen umleiten können. Die stehen aber alle unter dem Schutz der Ös­terreichischen Volkspartei! (Zwischenrufe bei der ÖVP. Abg. Dr. Brinek: Unglaub­lich!)

Diejenigen, die Bordelle mit Visa des Außenministeriums in Linz und in Wien beliefern, stehen unter dem Schutz der Österreichischen Volkspartei! Die, die Kleinanleger mit Hilfe der Meinl Bank prellen, stehen unter dem Schutz der Österreichischen Volkspar­tei! (Abg. Hornek: Das ist ja ein Skandal, diese Wortmeldung! Jetzt reicht es!) Die,
die im Bereich Raiffeisen Geldwäsche in Russland vertuschen, stehen unter dem Schutz der Österreichischen Volkspartei! Aber die Tierschützer, die stehen nicht unter dem Schutz der Österreichischen Volkspartei! (Abg. Hornek: Du bist ein Feig­ling ...! Abg. Eßl: So ein Schwachsinn!)

Meine Damen und Herren, selbstverständlich können und wollen wir uns nicht in ein laufendes Verfahren einmischen. (Rufe bei der ÖVP: Unglaublich! Ein Skandal!) Und selbstverständlich soll die Justiz auch im Bereich des Tierschutzes konkrete Straftaten verfolgen. Wenn aber Instrumente des Rechtsstaates missbraucht werden, dann schlägt die Stunde des Parlaments und der parlamentarischen Kontrolle. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Deswegen haben wir ja auch Untersuchungsausschüsse eingesetzt, die genau Miss­brauch dieser Art untersuchen. Eines mussten wir bis jetzt aber noch nie untersuchen: Dass Unschuldige möglicherweise auch aus politischen Motiven mit Unterstützung eines bereits abgewanderten Innenministers willkürlich ihrer Freiheit beraubt werden. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP. Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glocken­zeichen.)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 152

Deshalb ergeht mein Appell an die Justizministerin, wieder rechtsstaatliche Zustände herzustellen und die Menschenrechte in Österreich auch in der Justiz und in der Polizei wieder gebührend zu schützen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie bei Ab­geordneten der SPÖ. Rufe bei der ÖVP: Unglaublich! Ein Skandal!)

16.52


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dr. Graf zu Wort. 10 Minuten Wunschredezeit. – Bitte.

 


16.53.03

Abgeordneter Mag. Dr. Martin Graf (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Hohes Haus! Herr Kollege Pilz ist ja wirklich ein Phänomen. Wenn man das so betrachtet, haben Sie vollkommen Recht mit dem, was Sie zur Implementierung beziehungsweise zum Be­schluss des § 278a StGB gesagt haben. Sie haben die Historie vollkommen richtig dar­gestellt. Es hat natürlich viel Skepsis gegeben – nicht nur seitens der Richtervereini­gung und anderer Organisationen, sondern auch von politischer Seite.

Es war dann wie immer eine Abwägung der Güter, aber Ihrer Darstellung ist ungeteilt zuzustimmen. Ich bin auch der Überzeugung, dass vielleicht gerade in diesem konkre­ten Fall, den ich nicht in der Tiefe kenne, unter Umständen mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird. – Das liegt zumindest nahe.

Daher habe ich auch volles Verständnis dafür – man muss das ohnehin immer wieder machen –, dass gesetzliche Normen oder Bestimmungen von Zeit zu Zeit evaluiert werden, ob das, was man erreichen wollte, damit erreicht wurde, oder ob es vielleicht Überschießungen oder Ähnliches gibt – überhaupt, wenn die Bestimmungen umstritten waren, weil sie ja kein wirkliches Tatbild kennen und Ähnliches; es gibt ja mehrere sol­cher Paragraphen in unserer Rechtsordnung.

Im zweiten Teil Ihrer Rede gehen Sie dann aber so weit, dass man Ihnen nicht mehr folgen kann. Ich bin nicht der Beschützer oder der Hüter der ÖVP, aber es ist auch nicht in Ordnung, dass man die ÖVP generalverurteilt, als ob sie mit mafiosen Leuten im Dauerkontakt stünde. (Abg. Lentsch: Der Herr Pilz kann das hervorragend!) Das geht nicht. Das ist ein bisschen zu viel, was Sie da machen, und dann bringen Sie das auch immer zu einer bestimmten Wendung.

Zum Tierschutz noch einmal: Ich denke, es gibt keine Partei, die nicht dafür ist. Die Frage ist: Lebt man es? Setzt man die richtigen Signale? Wie geht man damit um? – Das ist das Thema!

Tierschutz ist auch eine zutiefst ethische Angelegenheit. Da kommt es auch darauf an, welche Signale Spitzenvertreter unserer Gesellschaft setzen. Oft sind die Signale von Spitzenrepräsentanten jedoch falsch, weil sie das Gegenteil bewirken.

Ich möchte das Thema, das ja schon ausführlich beleuchtet worden ist, einmal unter einem anderen Aspekt betrachten, nämlich unter dem der Forschung mit Tieren, der Tierversuche. Minister Hahn hat sich erst Ende Juni dieses Jahres anlässlich der Ver­öffentlichung der jüngsten Tierversuchsstatistik, die für das Jahr 2007 einen Anstieg der Zahl von Versuchstieren um 4 Prozent zeigte, für die weitere Erforschung von Er­satzmethoden für Tierversuche ausgesprochen. – Da sind wir mit ihm einer Meinung.

Ich möchte Ihnen aber jetzt einen Sachverhalt darstellen. Es kommt immer auf
die Signale an, auf den Umgang, die Ethik und Ähnliches mehr: Zumindest seit dem Jahr 1996 werden am Max-Planck-Institut in Martinsried bei München immer wieder mehr oder weniger gleich geartete Tierversuche an Katzen, teilweise auch an Frett­chen und in letzter Zeit an Mäusen durchgeführt.


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Dabei wird den Tieren die Kopfhaut aufgeschnitten, ein Loch in den Schädel gebohrt, die harte Hirnhaut entfernt, über dem Loch dann ein Metallzylinder zementiert, der mit Silikonöl gefüllt wird, damit das frei gelegte Hirngewebe nicht austrocknet. Mit einer Ka­mera werden dann Veränderungen im Hirngewebe festgehalten und gefilmt, während vor den Augen der Tiere Muster auf den Bildschirmen ablaufen. Zum Teil werden Kat­zen mit durchtrennten Augenmuskeln verwendet, sodass sie schielen.

Bei manchen Experimenten wurde den Katzen und Mäusen jeweils ein Auge zugenäht. Einigen Kätzchen wurden Kontaktlinsen oder brillenartige Gebilde verpasst. Am Ende der Experimente wurden zum Teil noch Farbstoffe ins Gehirn injiziert. Schließlich wur­den die Tiere getötet, um das Gehirn zu untersuchen. Ziel der Versuche sei die Erfor­schung und Kartierung des Gehirns von Katzen und zur Abwechslung auch von Mäu­sen und Frettchen.

Ich verurteile diese Tierschinderei! Sie ist auch als unzulässig zu beurteilen, ethisch absolut unvertretbar und letztlich als wissenschaftlicher Unfug zu bezeichnen, da diese Versuche ohne jeden klinischen Bezug originär nicht mit der Entwicklung von Medika­menten im Zusammenhang stehen und keine neuen Therapieansätze bringen sollten, sondern lediglich – jetzt sage ich es in meinen Worten – der Publikationsgeilheit von Wissenschaftern dienen. – Und das verurteile ich. Das ist ein Aspekt. (Beifall bei FPÖ und Grünen.)

Wenn dann im Gegenzug der Herr Minister Hahn – und jetzt geht es um die Signale in diesem Bereich – als neuen Chef des I.S.T. Austria, also des Eliteforschungsinstituts der Industriellenvereinigung, gemeinsam mit der Bundesregierung den Leiter dieser Tierversuchsreihe am Max-Planck-Institut, den Hirnforscher Tobias Bonhoeffer, zum ersten Präsidenten bestellt – auf Vorschlag der Herren Raidl, Zeilinger und Haim Hara­ri –, dann läuten für mich die Alarmglocken.

Das sind die falschen Signale, die wir da als ethische Botschaft ausschicken, und schon die Ankündigung des Herrn Bonhoeffer, dass er seine Leute aus dem Max-Planck-Institut ab dem Jahr 2010 nachholen wird, um seine Forschungsreihen weiter zu forcieren, bedeutet für mich Gefahr im Verzug. Dieser Mann ist zumindest in der wissenschaftlichen Community hinsichtlich seiner Methodik im wissenschaftlichen Be­reich äußerst umstritten.

Ich frage mich, ob wir es uns angesichts des Bedürfnisses, sich mehr dem Tierschutz zuzuwenden, und angesichts dessen, dass permanent die Ethik in der Forschung ein­gefordert wird – nicht nur in diesem Bereich, aber speziell auch in diesem Bereich –, überhaupt leisten können oder ob das nicht schon der erste Rohrkrepierer ist.

Wir können hier über Bestimmungen reden, soviel wir wollen: Wenn wir nicht bereit sind, als Spitzen in der Gesellschaft die richtigen Signale zu setzen, dann hat das alles gar keinen Sinn. Dieses Hohe Haus ist sehr wohl aufgefordert, im strafrechtlichen Be­reich die eine oder andere Korrektur vorzunehmen, wenn etwas missbräuchlich ver­wendet wird.

Aber wir sind auch politisch dazu aufgerufen und ethisch dafür verantwortlich, nach Möglichkeit diejenigen Forscher nach Österreich zu holen, die tatsächlich einen Mehr­wert für die Gesellschaft erzeugen und nicht bloß unter ethisch fadenscheinigen bezie­hungsweise bedenklichen Umständen bei uns Karriere machen wollen, wobei unsere Spitzenrepräsentanten in dieser Republik nicht merken, welche Personalentscheidun­gen sie treffen. – Danke. (Beifall bei FPÖ und Grünen.)

17.00


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Mag. Donnerbauer zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter, Sie ken­nen die gesetzlichen Bestimmungen. – Bitte.

 



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17.00.46

Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Frau Präsidentin! Werte Frau Bun­desministerin! Hohes Haus! Kollege Pilz hat hier wahrheitswidrig behauptet, dass Men­schenhändler und andere Kriminelle – die ich jetzt nicht im Einzelnen aufzählen wer­de – unter dem Schutz der österreichischen Volkspartei stünden. – Das ist natürlich völlig falsch!

Wahr ist vielmehr, dass sich die ÖVP immer für eine effiziente Aufklärung und eine konsequente Verfolgung sowie Bestrafung von Kriminellen – und von allen Menschen, die Straftaten begehen – eingesetzt hat, egal, welcher ideologischen Ausrichtung sie sind und aus welchen Motiven sie solche Taten begehen. (Abg. Mag. Kogler: Wer hat denn für Chernoy interveniert?) Wahr ist aber leider auch, dass Kollege Pilz unter dem Schutz der Immunität steht und das auch weidlich ausnützt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

17.01


Präsident Dr. Michael Spindelegger (den Vorsitz übernehmend): Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Selbständigen Antrag 854/A(E) der Abgeordneten Mag. Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verhinderung der missbräuchlichen Anwendung der Anti-Mafia-Paragraphen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

17.02.07Fortsetzung der Tagesordnung

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Ich nehme die Verhandlungen über den 3. Punkt der Tagesordnung wieder auf.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dolinschek. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

 


17.02.19

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Zurück zum Suchtmittelgesetz und dem Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz. Nach derzeitigem Recht ist der Anbau von Pflanzen zur Gewinnung eines Suchtsgiftes in Österreich verboten. Bestimmte Institute oder Anstal­ten, die das für wissenschaftliche Zwecke tun, sind davon ausgenommen. Auch der Anbau von Pflanzen der Gattung Cannabis – ist ja bekannt – zur Gewinnung von Sub­stanzen zum Zwecke der Arzneimittelherstellung ist nicht erlaubt, da auch diese Sub­stanzen als Suchtgifte qualifiziert werden.

Meine Vorredner haben sich hauptsächlich mit den Meldepflichten der Bezirksverwal­tungsbehörde als Gesundheitsbehörde an das Bundesministerium für Gesundheit, Fa­milie und Jugend beschäftigt, sowie mit den Themen Anzeigen und Datenschutz. Wie so oft, sind die Meinungen dazu geteilt. Tatsache ist jedoch, dass es grundsätzlich eine Änderung des Suchtmittelgesetzes ist, eine Anpassung an europäisches und nationa­les Recht. Mit der Novelle zum Suchtmittelgesetz soll der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH – unter der Kontrolle des Bundesministe­riums für Gesundheit, Familie und Jugend – die Aufgabe übertragen werden, die aus den Cannabis-Pflanzen gewonnenen Wirkstoffe nicht nur zur Arzneimittelforschung, sondern auch zur gewerblichen Arzneimittelherstellung zu verwenden.


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Die heilende Wirkung der Cannabis-Pflanze ist schon seit mehreren Jahrhunderten be­kannt. Aus dieser Pflanze gewonnene Stoffe haben teilweise schmerzstillende und ab­schwellende Wirkung und werden von Ärzten in vielen Bereichen verwendet – bei der Chemotherapie, bei HIV, bei Spastik, bei multipler Sklerose, nach Rückenmarkerkran­kungen und so weiter.

Daher ist der Anbau der Pflanze der Gattung Cannabis zwecks Gewinnung von Sub­stanzen für die Arzneimittelherstellung meiner Meinung nach grundsätzlich zu begrü­ßen. Wir werden dem zustimmen. (Beifall beim BZÖ.)

17.04


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Barbara Riener. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 2 Minuten. – Bitte.

 


17.04.44

Abgeordnete Barbara Riener (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesmi­nisterin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Gestern war in einer steirischen Tageszei­tung zu lesen, ich zitiere:

„... ist bereits der 13. Drogentote in diesem Jahr in der Steiermark. Die meisten Opfer waren im Drogenersatzprogramm und starben an einem Drogenmix, der Substitol en­thielt.“

Sie sehen, sehr geehrte Damen und Herren, dass diese Novelle nicht nur notwendig, sondern lebensnotwendig ist. Sie regelt nämlich neben dem medizinischen und wis­senschaftlichen Gebrauch von Suchtmitteln die zentrale Suchtmitteldatenevidenz und die Verankerung eines bundesweiten Substitutionsmonitorings. Dadurch soll eine ge­naue Beobachtung der Substitutionsmittelverabreichung in den Bundesländern möglich sein – VorrednerInnen haben schon darauf hingewiesen.

Aber es darf nicht vorkommen, dass Drogenabhängige so viele Substitutionsmittel ver­schrieben bekommen, dass sie damit dealen können. Von solchen Fällen erzählen mir immer wieder MitarbeiterInnen von Drogenberatungsstellen, mit denen ich immer wie­der in Kontakt stehe. Ein Problem sind also die hohen Verschreibungsmengen und die mangelnde nachfolgende Kontrolle. Auch wird von den ExpertInnen vom sogenannten Doctor Hopping gesprochen – das bedeutet, dass sich die Süchtigen von Ärzten in ver­schiedenen Bundesländern Drogenersatzmittel mehrfach verschreiben lassen. Mir ist durchaus bekannt, dass der Datenschutz eine wichtige Sache ist, aber ich glaube, dass die Gesundheit der Betroffenen aus der Suchtszene Vorrang hat. Ich danke Ih­nen, Frau Bundesministerin, für diese ambitionierte Vorlage.

Es ist mir noch wichtig, Folgendes zu sagen: Das Substitutionsprogramm war ur­sprünglich für jene Suchtkranke gedacht, die nicht mehr von ihrer Sucht loskommen können, wird aber immer mehr Jugendlichen verschrieben. Das halte ich für absolut falsch. Die Jugendlichen brauchen eine Perspektive, die da heißt: Drogenfrei und nicht Ersatzdroge, nämlich zur Rettung von Menschenleben! (Beifall bei der ÖVP.)

17.06


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Bayr. Frei­willige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

 


17.07.06

Abgeordnete Petra Bayr (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch ich finde es erfreulich, dass wir den Wirkstoff der Cannabis-Pflanze mit diesem Gesetz entstigmatisieren und das Tetrahydrocannabinol künftig auch für Arzneimittel gewinnen sowie einsetzen werden. Die positive Wirkung ist durchaus be­kannt. – Das ist ein Aspekt.


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Der zweite Aspekt dieses Gesetzes besteht darin, dass es eine zentrale Datenevidenz geben soll, und zwar mit dem Ziel, einerseits bei der Abgabe von Substitutionsmitteln mehr Überblick zu haben und andererseits daraus die entsprechenden statistischen und wissenschaftlichen Erkenntnisse zu erzielen. Wenn es wirklich darum geht, Daten über bessere Handhabung von Substitutionsbehandlungen zu haben und bessere Prä­ventionsarbeit zu leisten, wie uns die Frau Ministerin im Ausschuss versichert hat, dann ist dieses Gesetz durchaus zu begrüßen – unter der Prämisse, dass es wirklich einen lückenlosen Datenschutz und einen lückenlosen PatientInnenschutz in dieser Frage gibt und dass wir damit dazu beitragen, die Suchtkranken zu entstigmatisieren.

Ich glaube, dass bei unserer Drogenpolitik im Gesundheitsbereich ganz klare Prämis­sen unser Handeln leiten müssen, erstens: Abhängigkeiten im Vorfeld zu vermeiden, zweitens: Suchtkranke zu heilen, und drittens – das ist wahrscheinlich die schwierigste Aufgabe –: eine Welt zu schaffen, in der Menschen nicht mehr glauben, durch Einnah­me psychoaktiver Mittel dieser Welt entfliehen und in eine andere flüchten zu müssen.

Ich hoffe, dass das Suchtmittelgesetz ein Beitrag zu einer Drogenpolitik ist, die den Weg des Rationalen, des Aufklärerischen und des Vernünftigen geht. Ich hoffe, dass das ein Beitrag dazu ist, in diesem Bereich nicht mehr marktschreierisch Ängste zu schüren. Wenn das so ist, ist es sicher ein guter Schritt in die richtige Richtung. – Dan­ke sehr. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Neugebauer.)

17.09


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Als vorläufig letzte Rednerin in dieser Debatte gelangt Frau Abgeordnete Rauch-Kallat zu Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 2 Minuten. – Bitte.

 


17.09.25

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ho­hes Haus! Die Novelle zum Suchtmittelgesetz und die Novelle zum Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz hat zwei wichtige Kriterien:

Erstens geht es um die Schaffung einer zentralen Suchtmitteldatei. Diese ist meines Erachtens vor allem notwendig im Sinne einer gesamthaften Betreuung, eines Betreu­ungsnetzwerkes für Suchtkranke in der Substitution, auch eines berufsgruppenüber­greifenden Betreuungsnetzes. Zweitens geht es dabei auch um die Schaffung der Rechtsgrundlagen für die Nutzung der Möglichkeiten des E-Governments im Rahmen dieser zentralen Suchtmitteldatenevidenz.

Ich glaube, dass es auch ein wichtiges Mittel zur Verhinderung von Missbrauch ist. Wir wissen, dass leider auch in der Substitution Missbrauch betrieben wird und damit unter anderem auch junge Menschen geschädigt werden können.

Ganz wichtig ist, glaube ich, die Möglichkeit, jetzt auch den Cannabisanbau unter der Kontrolle der AGES durchführen zu können. Das war unter anderem ein wichtiges An­liegen vieler Behindertenorganisationen. Ich möchte diesbezüglich ein großes Danke­schön an Franz-Joseph Huainigg richten, der gerade in diesem Bereich viele Jahre ge­kämpft hat, weil damit auch Medikamente zur Erleichterung für behinderte Menschen in bestimmten Bereichen geschaffen werden können. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP.)

17.11


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Ich darf alle Abgeordneten bitten, die Plätze einzunehmen, denn wir kommen nun zur Abstimmung.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 157

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 657 der Beilagen.

Hiezu liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung der Abgeordneten Zwerschitz, Kolleginnen und Kollegen vor.

Ich werde daher zunächst über den vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betrof­fenen Teil und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Ge­setzentwurfes abstimmen lassen.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über Artikel I Ziffer 40 in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Teil des Gesetzentwurfes ihre Zustim­mung geben, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenom­men.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussbe­richtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahen­des Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Ge­setzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit.

Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

17.12.414. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 836/A(E) der Abgeordne­ten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend na­tionalen Gesundheitsgipfel zum Thema Gesundheitsreform (658 d.B.)

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

 


17.13.11

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Hohes Haus! Man könnte meinen, es gäbe Gipfel genug und angesichts der Neuwahldebatte bestünde bei diesem Thema keine Dringlichkeit. Der Grund für dieses Verlangen liegt aber – wie wir im Gesundheitsausschuss diskutiert haben – im kompletten Versagen der Bundesregierung, eine nachhaltige Kassenreform zu bewerk­stelligen und einzuleiten. Entweder man hat sich davor gedrückt, oder man hat kapitu­liert, oder man konnte sich – im freundlichsten Sinne – nicht einigen. Egal, welche die­ser drei Ursachen letztlich der Fall war, spüren werden es die Kassen, die im Herbst zunehmend in ein finanzielles Debakel schlittern werden, das anhält und nicht auf Knopfdruck zu reparieren ist. Und spüren werden es die Patientinnen und Patienten, weil die Kassen gezwungen sein werden, mit ihren Leistungen noch sparsamer als bis­her umzugehen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 158

Ich halte den Grund für diesen gewünschten Gipfel für nach wie vor aufrecht. Es war eine politische Bankrotterklärung, etwas, zumindest initial, als Gesundheitsreform zu bezeichnen, was keine ist, sondern lediglich ein Kassensanierungspaket. Ich rufe Ih­nen noch einmal in Erinnerung, dass selbst der Begriff „Kassensanierungspaket“ ein maximaler Etikettenschwindel ist, weil im Hearing der Experten des Sozialausschusses der Rechnungshofpräsident Moser meine Frage, ob Kassen dadurch nachhaltig finan­ziert würden, mit einem Nein beantwortet hat. Wirtschaftskammerpräsident Leitl hat auf dieselbe Frage geantwortet, damit sei maximal eine tendenzielle Stabilisierung der De­fizite zu erreichen.

Das ist ein kümmerliches Paket. Ich sage Ihnen, dass die Auswirkungen deshalb sehr grimmig und unverantwortlich sein werden, weil die Kassen schon jetzt in einzelnen Detailbereichen der medizinischen Versorgung maximale Defizite aufweisen – nicht nur im Bereich der Prävention, sondern auch im Bereich der Rehabilitation, insbesondere nach Schädel-Hirn-Verletzungen und Schlaganfällen. Im Bereich der Psychotherapie auf Krankenschein wird nach wie vor eine große PatientInnen-Gruppe mit psychischen Erkrankungen massiv diskriminiert gegenüber Menschen mit körperlichen Erkrankun­gen.

Im Bereich der medizinischen Begleitung von Sterbenden im Hospizwesen und in der Palliativmedizin hängt es vom Meldezettel, vom Bundesland ab, in dem man lebt, ob diese Begleitung bezahlt wird oder auf das Vermögen der Sterbenden – beziehungs­weise auf das ihrer Kinder – zugegriffen wird. Das halte ich für untragbar!

Es ist auch untragbar, die besten Punkte dieser initialen Reform der Sozialpartner oder dieses Vorschlages sofort zu kippen in einer Art Demutsgeste vor den Ländern. Es ist untragbar, eine Vereinheitlichung von Verantwortung und Kompetenz wegzunehmen, die in Österreich maximal diversifiziert ist, und eine Lederhosen-Politik fortzusetzen, die unterschiedlichste Budgettöpfe letztlich zu Ungunsten der Kranken historisch fort­setzt! (Beifall bei den Grünen.)

Ich glaube, man sollte darüber reden, weil das Problem nicht beseitigt ist. Am meisten irritiert mich, dass da von Solidarität gefaselt wird, während letztlich eine Kasse gegen die anderen kämpft. Wenn ich merke, dass unterschwellig – scheinbar, in den Hinter­köpfen mancher – die Gebietskrankenkassen jene sind, die für die Plebejer und den Plebs da sind, und man nicht sieht, dass ihre mangelnden Einnahmen oder ihr Defizit aufgrund eines weniger privilegierten Versicherten-Klientels entsteht, dann hört sich meiner Meinung nach überhaupt jeder Spaß auf!

Also: Ich würde dafür stimmen, auch wenn Sie es ablehnen. Im Herbst ist es in vielen Bereichen zu spät – und das ist eine Schande! (Beifall bei den Grünen.)

17.17


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Wöginger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 2 Minuten. – Bitte.

 


17.17.48

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Grünewald, genau das ist der Punkt. Wenn Sie den Präsidenten Moser aus Ihrer Sicht zitieren und das he­rausnehmen, was Sie hören wollen, dann sage ich Ihnen, was für uns wichtig ist: Im Rechnungshofbericht, in dem Oberösterreich Wien gegenübergestellt und der städti­sche Faktor berücksichtigt wurde, kommt klar zum Ausdruck, dass in Wien nicht or­dentlich gewirtschaftet wird. Daher sehen wir nicht ein, dass frisches Steuergeld für diese Gebietskrankenkassen fließen soll; die anderen zahlen hier nämlich über den Ausgleichstopf ein. Das können wir so nicht akzeptieren und nehmen das so auch nicht zur Kenntnis. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei den Grünen.)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 159

Was die Verwaltungszahl angeht, Herr Dr. Grünewald, schauen Sie sich das an: In Wien ist ein Mitarbeiter der Gebietskrankenkasse für 414 Versicherte zuständig, in Oberösterreich für 600 Versicherte. Solange diese Maßnahmen hier nicht gesetzt wer­den, werden wir nicht zulassen, dass Steuergelder in diese Kassen fließen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Kogler: Das ist genau falsch!)

Uns ist bewusst, dass mit Beginn des nächsten Jahres hiezu eine Lösung auf dem Tisch liegen muss. Aber jetzt herzugehen und Gelder in einer Höhe von Hunderten Mil­lionen zu beschließen und zu sagen, es wird schon irgendwie weitergehen – das ist uns zu wenig! Geld kann nur Maßnahmen und Leistungen folgen. (Abg. Mag. Kogler: Reden Sie einmal von der Bauernkasse, Sie Ignorant!)

Hätten Sie, Herr Kollege Kogler, ...

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Einen Augenblick, Herr Kollege!

Herr Abgeordneter Kogler, ich bitte Sie, unterlassen Sie solche Zwischenrufe! Sie wis­sen, dass wir vereinbart haben, auch die letzten Tage des Plenums in einer Würde über die Bühne zu bringen, die dieses Haus verdient!

Herr Abgeordneter Wöginger, setzen Sie bitte fort!

 


Abgeordneter August Wöginger (fortsetzend): Herr Präsident, kein Problem. – Herr Kollege Kogler! Wenn andere Kassen die Struktur übernommen hätten, auch die Selbstbehalte, die wir bei den Bauern und vor allem auch bei der BVA haben, nämlich bundesweit, dann hätten wir die Probleme gar nicht, die wir bei manchen Gebietskran­kenkassen haben! Das muss man hier dazusagen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten des BZÖ. – Abg. Dr. Oberhauser: Selbstbehalte!)

Nein, aber wir sehen, dort, wo wir sie haben, Frau Kollegin Oberhauser, funktioniert die Finanzwirtschaft. Und das ist ein Thema, mit dem wir uns schon beschäftigen müssen.

Und zum Zweiten zum Antrag, wo es um die Gesundheitsreform geht; das war ja die Sanierung der Krankenkassen, was in der Regierungsvorlage praktisch bearbeitet wur­de, was leider nicht zustande gekommen ist, aber aus unserer Sicht auch mit guten Gründen. Es gibt rund 20 Arbeitsgruppen im Ministerium, die sich mit der Gesundheits­reform beschäftigen, zum Beispiel ELGA, wo man draufgekommen ist, dass man erst ein Gesetz braucht, um es auch wirklich umsetzen zu können, allgemeine Medizin­strukturen und Synergien.

Alle Stakeholder sind mit eingebunden, auch die Experten, so wie bei den Hearings auch im Sozialausschuss, die meiner Meinung nach sehr ertragreich waren und wo man viele Neuigkeiten hier mit einbinden kann. Aus unserer Sicht sind diese Ergebnis­se abzuwarten und auch in einem neuen Anlauf für eine Gesundheitsreform mit einzu­arbeiten. Das sehen wir als die nächsten wichtigen Schritte. Und ich bin auch über­zeugt davon, dass der Zeitrahmen im Herbst ausreichend ist. (Beifall bei der ÖVP.)

17.21


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Be­lakowitsch-Jenewein. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


17.21.25

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bun­desminister! Hohes Haus! Ganz kurz zu den Ausführungen meines Vorredners. Herr Wöginger! Ich weiß nicht, ob Sie überhaupt wissen, wovon Sie jetzt gesprochen haben. Man hat den Eindruck, an Ihnen ist überhaupt alles vorbeigegangen. Sie reden da von Selbstbehalten für alle. Ist es das, was Sie wollten? Ist das der Grund, warum jetzt al­les gescheitert ist, warum alles vom Tisch ist? War es das? Ich glaube, es ist völlig un-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 160

zulässig, dass Sie sich überhaupt hier herstellen und versuchen, die BVA mit Gebiets­krankenkassen auch nur ansatzweise zu vergleichen. Das kann so nicht funktionieren.

Und genau das Problem haben Sie. Sie glauben, Sie haben Ihre eigenen Kassen. Sie sind irgendwo in einer anderen Sphäre, und da lassen wir eben die bei der Gebiets­krankenkasse Versicherten auf der Strecke. Wird schon irgendwie gehen, sollen sie halt schauen, wo sie bleiben. Genau das ist offensichtlich Ihre Einstellung und Ihre Meinung. Deswegen haben Sie es auch platzen lassen. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie wissen genauso gut wie ich, dass diese Reform keine Gesundheitsreform war, die Frau Bundesminister hat es dann irgendwann als Kassensanierungspaket bezeichnet. Und dann hatten wir ein Hearing, ein Expertenhearing. Zwei Drittel dieser Experten, die unter anderem wahrscheinlich auch von Ihnen genannt wurden, haben sich zu diesem Entwurf negativ geäußert. Spätestens da hätten Sie sehen müssen, dass das, was Sie da auf den Tisch legen, eigentlich nicht einmal das Papier wert ist, auf dem es steht. So war die Geschichte.

Und was machen Sie dann? – Dann gehen Sie her, lassen das Ganze, opfern das al­so, nur damit Sie Ihre Neuwahlen machen können, nur damit es einen Grund gibt, hier Neuwahlen vom Zaun zu brechen. Da lassen Sie das alles platzen und lassen die Be­völkerung, lassen die Wienerinnen und Wiener, lassen die Steirerinnen und Steirer, lassen die Niederösterreicher im Regen stehen. (Abg. Kößl: Das ist ein Trauerspiel!)

Dieses Trauerspiel spielt sich in der ÖVP ab, weil die ÖVP für diese unsoziale Politik verantwortlich ist. Sie als ÖVP sind dafür verantwortlich, dass die Krankenkassen im Herbst den Konkurs anmelden werden müssen. Dafür sind Sie verantwortlich, und das ist das Trauerspiel, nicht das andere! (Beifall bei der FPÖ.)

Aber auch ein Trauerspiel ist schon ein bisschen, dass die SPÖ hier auch mitzieht und mitmacht. Und das ist das eigentlich Dramatische an der ganzen Geschichte, dass Sie sich, nachdem Sie jetzt eineinhalb Jahre von der ÖVP geknechtet worden sind, von der ÖVP vorgeführt worden sind, jetzt immer noch der ÖVP unterordnen und hier immer noch ein Stillhalteabkommen schließen. Das ist einfach unverantwortlich angesichts der Tatsache, dass die Krankenkassen wirklich vor der Pleite stehen.

Ich bringe in diesem Zusammenhang folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Belakowitsch-Jenewein, Kickl, Ing. Hofer und weiterer Abgeord­neter betreffend finanzielle Sofortmaßnahmen zur Sanierung der Gebietskrankenkassen

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, unverzüglich alle rechtlich notwendigen Schrit­te zu setzen, die als finanzielle Sofortmaßnahmen einen Forderungsverzicht des Bun­des gegenüber den Gebietskrankenkassen im Ausmaß von 450 Millionen Euro, sowie die vollständige Abgeltung der nicht-abziehbaren Vorsteuer vorsehen.“

*****

Ich würde Sie wirklich bitten, dem auch zuzustimmen, denn es ist unverantwortlich, was Sie hier treiben. Es ist absolut nicht nachvollziehbar, warum Sie die Menschen auf der Straße stehen lassen wollen, warum Sie den Menschen, nachdem Sie in den letz­ten 18 Monaten alles teurer gemacht haben, in den letzten 18 Monaten nichts wirklich weitergebracht haben, auch noch den Arzt wegnehmen wollen. Das ist unverantwort­lich, und das gehört wirklich abgestraft.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 161

Glauben Sie mir: Das werden sich die Menschen da draußen schon merken. Da kön­nen Sie sich mit Ihren frühen Wahlterminen gar nicht mehr drüberretten. Das kommt bei der Bevölkerung an, denn Hochmut kommt vor dem Fall, und das wird die ÖVP noch zu spüren bekommen. (Beifall bei der FPÖ.)

17.25


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Der von Frau Abgeordneter Dr. Belakowitsch-Jenewein eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht da­her mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Belakowitsch-Jenewein, Kickl, Ing. Hofer und weiterer Abgeord­neter betreffend finanzielle Sofortmaßnahmen zur Sanierung der Gebietskrankenkassen

eingebracht im Zuge der Debatte über Tagesordnungspunkt 4, Bericht (658 d.B.) des Gesundheitsausschusses über den Antrag 836/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Be­lakowitsch-Jenewein und Kollegen betreffend nationalen Gesundheitsgipfel zum The­ma Gesundheitsreform in der 67. Sitzung des Nationalrates am 9. Juli 2008

Die sogenannte Gesundheitsreform, oder das, was von ihr übrig geblieben ist, scheiter­te jetzt letztendlich daran, dass sich die Koalitionspartner nicht einigen konnten, wie sie in ihrem altbewährten Proporzsystem die Macht jeweils optimal aufteilen.

Im Hinblick auf die immer noch prekäre finanzielle Situation der gesetzlichen Kranken­versicherung sind aber jetzt, mehr denn je, finanzielle Maßnahmen notwendig, um die Versorgung der Versicherten und ihrer Angehörigen, sowie die Leistungsfähigkeit der Krankenversicherungsträger sicherzustellen.

Im Jahr 2007 verzeichneten die Krankenversicherungsträger einen saldierten Geba­rungsabgang von 343,5 Millionen Euro, die Gebietskrankenkassen sogar einen sol­chen in Höhe von 425,4 Millionen. Die Prognosen lassen ein Ansteigen dieser Abgän­ge erwarten. Verschärft wird die finanzielle Lage durch die Vermögenssituation insbe­sondere einiger Gebietskrankenkassen.

Zur Entlastung dieser nachteiligen Vermögenssituation sollte im gescheiterten Kassen­sanierungspaket eine teilweise Entschuldung aus Budgetmitteln des Bundes erfolgen. Es sollten die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass der Bundesminister für Finanzen gegenüber bestimmten Gebietskrankenkassen auf die im Wege einer Rechtsträgerfinanzierung über die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur aufge­nommenen Mittel von bis zu 450 Millionen Euro zuzüglich Zinsen verzichten darf.

Es ist trotz der Bankrotterklärung dieser Regierung unumgänglich diese Maßnahmen so rasch wie möglich umzusetzen. Voraussetzung für einen derartigen Verzicht muss natürlich sein, dass die Mittel, auf die der Bund verzichtet, jeweils ausschließlich von den Gebietskrankenkassen zur Reduzierung ihrer negativen Reinvermögen verwendet werden, indem ihre Verbindlichkeiten abgedeckt werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, unverzüglich alle rechtlich notwendigen Schrit­te zu setzen, die als finanzielle Sofortmaßnahmen einen Forderungsverzicht des Bun-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 162

des gegenüber den Gebietskrankenkassen im Ausmaß von 450 Millionen Euro, sowie die vollständige Abgeltung der nicht-abziehbaren Vorsteuer vorsehen.“

*****

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Lapp. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Sie sind am Wort. (Abg. Riepl: Jetzt wird es wieder sachlich!)

 


17.25.18

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Sehr geehrte Frau Kollegin Belakowitsch-Jenewein, es ist schade, dass Sie nicht zu Ihrem Antrag geredet haben, aber wahrscheinlich ist Ihnen die Emotion so durchgegangen, dass Sie sich gar nicht mehr an Ihr Anliegen erinnert haben, das wir hier auf der Tagesordnung haben.

Ich glaube, dass Gesundheitspolitik nicht in polemischen Auseinandersetzungen ver­flacht werden kann, sondern die Menschen erwarten in Österreich ein gutes Angebot, ein leistungsfähiges Angebot. Und wir Politikerinnen und Politiker und die Menschen, die in der Selbstverwaltung tätig sind, müssen die Voraussetzungen dafür schaffen.

Zu dem, was Kollege Wöginger hier vorher dargestellt hat, kann ich nur sagen, sehr geehrter Herr Kollege Wöginger, machen Sie alle weiter so! Dann wird diese Wahlaus­einandersetzung eine sehr spannende werden. Sie haben gesagt, die Wiener Gebiets­krankenkasse hat nicht ordentlich gewirtschaftet. Da muss man eigentlich sagen, neh­men Sie das zurück! Die Wiener Gebietskrankenkasse ist mehrere Male geprüft wor­den, und es ist immer wieder festgestellt worden, dass dort gut gewirtschaftet wird.

Und wenn hier von der ÖVP darüber gesprochen wird, dass im Gesundheitssystem mehr Selbstbehalte eingeführt werden, dann kann ich wie meine Kolleginnen Csörgits und Dr. Oberhauser nur sagen, warum es zu keinem Abschluss gekommen ist. Wir werden im Wahlkampf nämlich aufzeigen, was Sie wollten, was hinter Ihren langen Verhandlungen und Stillhalteabkommen et cetera gestanden ist.

Die Menschen verdienen, dass wir uns professionell mit Fragen der Gesundheit aus­einandersetzen und nicht Selbstbehalte einführen und nicht irgendwelche – wie soll ich sagen? – Sündenböcke durch das Tal treiben.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Medizin muss gerecht angeboten werden, und zwar für alle.

Zum Antrag der Kollegin Belakowitsch-Jenewein, dass es einen Gesundheitsgipfel ge­ben soll: Sehr geehrte Frau Kollegin! Von Gipfeln haben wir genug. In den vergange­nen Legislaturperioden sind wir von einem Gipfel zum nächsten geeilt, doch sind da­mals keine Ergebnisse gekommen.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stehen für eine Politik von Ergebnissen, und daran arbeiten wir. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Wo?)

17.27


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Haub­ner zu Wort. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


17.27.56

Abgeordnete Ursula Haubner (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesmi­nisterin! Es geht um die Abhaltung eines Gesundheitsgipfels. Ich sage, ja, er wäre und er ist dringend notwendig. Denn wenn wir rechtzeitig einen Gesundheitsgipfel gehabt


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hätten, dann hätten wir uns vielleicht viele leere Kilometer und viele Diskussionen hier herinnen erspart, wo wir über Dinge geredet haben, die vielleicht gar nicht mehr in Ver­handlung gewesen sind. (Beifall beim BZÖ.)

Wenn jetzt die Emotionen bezüglich dieser sogenannten Gesundheitsreform wieder sehr hoch gehen, kann ich vieles nachvollziehen. Aber eines möchte ich in diesem Zu­sammenhang schon auch sagen, ich bin andererseits ähnlich wie bei einer Neuwahl sehr froh, dass wir die Chance bekommen haben, eine echte Gesundheitsreform zu machen. Und wer hindert uns daran, die Zeit zu nützen und jetzt wirklich auch Nägel mit Köpfen zu machen?

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist wichtig, dass konkrete Ziele vereinbart werden: Wohin geht die Reise? Und ich halte nichts davon, nur Geld zur Verfügung zu stellen und die Rahmenbedingungen wieder nicht so abzustecken, wie es sich gehört. Die Patienten sollten auch in Zukunft sicher sein können, dass sie Qualität bekommen und nicht einer Zweiklassenmedizin anheimfallen.

Daher sage ich noch einmal ja zu einem rechtzeitigen und umfassenden Gesundheits­gipfel. Das BZÖ hat das in Oberösterreich auch im Landtag schon unterstützt. Kärnten hat als einziges Bundesland auch in diesem Zusammenhang einen Gesundheitsgipfel gemacht. Und das hat sehr, sehr viel genützt, auch im Hinblick auf Information und vie­les andere. (Beifall beim BZÖ.)

17.29


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Der vorläufig letzte Redner dieser Debatte ist Herr Abgeordneter Ing. Hofer. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


17.29.50

Abgeordneter Ing. Norbert Hofer (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Mei­ne Damen und Herren! Frau Kollegin Lapp hat vorher gemeint, man sei in der letzten Legislaturperiode von Gipfel zu Gipfel geeilt (Abg. Mag. Lapp: In der vergangenen!) – in der vergangenen –, aber es liegt kein Ergebnis vor. Sie haben diese gemeint? (Abg. Mag. Lapp: Nein!) Aber da muss ich Ihnen sagen, in dieser Legislaturperiode haben Sie auch kein Ergebnis erzielt im Rahmen der Gesundheitsreform oder, besser gesagt, im Rahmen eines Krankenkassensanierungspakets. Hier stimmt das Ergebnis also auch nicht. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Mag. Lapp.)

Und ich frage mich, warum kein Gesundheitsgipfel. Wir haben immer gesagt – das hat auch die Frau Gesundheitsministerin betont –, hier wird keine Gesundheitsreform be­schlossen, sondern ein Krankenkassensanierungspaket, ein Kostendämpfungspaket. Also wenn wir eine Gesundheitsreform angehen mit den ganz großen Herausforderun­gen, die damit verbunden sind, Finanzierung aus einem Topf, wie das schon so oft ge­nannt worden ist, dann wird man sich mit allen Betroffenen zusammensetzen müssen.

Schauen wir uns doch auch einmal die Zahlen an: 90 Prozent der Gesundheitspro­bleme werden von den niedergelassenen Ärzten behandelt. Die 7 000 Kassenärzte verursachen etwa 10 Prozent der Gesundheitskosten. Im Schnitt kostet ein Patient pro Quartal bei einem niedergelassenen Arzt in Deutschland 75 €, in Österreich 45 €. Das heißt, hier eine weitere große Kostenersparnis erreichen zu wollen, das wird wahr­scheinlich nicht funktionieren.

Deswegen können wir hier auch nicht beim niedergelassenen Arzt ansetzen. Im Ge­genteil: Mehr Aktivitäten beim niedergelassenen Arzt bedeuten auch niedrigere Kosten im Gesundheitssystem. Daher müssen wir den Mut haben, auch eine Gesundheitsre­form anzugehen, und ich glaube, da wäre ein Gesundheitsgipfel sicherlich der richtige Weg. (Beifall bei der FPÖ.)

17.32



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 164

Präsident Dr. Michael Spindelegger: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht 658 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend finanzielle Sofort­maßnahmen zur Sanierung der Gebietskrankenkassen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

17.33.055. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Petition (28/PET) betreffend „Re­solution der Interessengemeinschaft der Dialysepatienten und Nierentransplan­tierten Kärntens“, überreicht vom Abgeordneten Mag. Gernot Darmann (659 d.B.)

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Wir gelangen zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen daher in die Debatte ein.

Erste Rednerin ist Frau Abgeordnete Grander. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschrän­kung. – Bitte.

 


17.33.08

Abgeordnete Maria Grander (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Zur eingereichten Petition der Interessensgemeinschaft der Dialysepatienten und Nierentransplantierten Kärntens, Mitglied des Dachverbandes Selbsthilfe Kärn­tens. Ich bin in Tirol für diesen Dachverband verantwortlich, daher möchte ich das auch ein bissel hervorstreichen. Diese Petition macht uns die Situation der Menschen mit diesen chronischen Erkrankungen bewusster.

Die Gesellschaft für Nephrologie weist in ihren Schriften aus, dass 10 Prozent der Be­völkerung Nierenerkrankungen haben und dass die Zuwachsrate bei den Dialysebe­handlungen 6 Prozent beträgt, weiters, dass derzeit fünf Schichten in den Dialysesta­tionen gefahren werden, das heißt, es braucht eine ausreichende Zahl von Dialyseplät­zen. Die Dialyse soll auch nicht unpersönlich in der Nachtschicht stattfinden, vor allem bei Patienten, die das zu dieser Zeit nicht haben können oder wollen. Es gibt aber auch Leute, die gerne in der Nachtschicht die Dialyse haben, das muss man auch dazusa­gen. Ich habe selber einen Chef gehabt, der immer in der Nacht zur Dialyse gegangen ist. Da sind Patienten- und Wohnortorientierung notwendig und vor allem auch extra­murale Zentren.

Ich möchte noch ganz kurz auf die Selbsthilfegruppen eingehen. Die steigende Zahl der Selbsthilfegruppen zeigt, dass immer mehr chronisch kranke Menschen und deren Angehörige den Weg in die Selbsthilfegruppen und Vereine suchen, um dort inmitten von Gleichbetroffenen das Leben mit der Krankheit so gut wie möglich zu erlernen. Viele erlangen durch die Zugehörigkeit in diesen Gruppen trotz der schwierigen Situa­tion mehr Lebensqualität. Und es gibt in Österreich über tausend Selbsthilfegruppen und Vereine und auch einen Zusammenschluss in einer Arbeitsgemeinschaft Selbsthil-


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fe Österreich. Das ist ein Zusammenschluss der Dachverbände, Selbsthilfegruppen und Vereine Österreichs. Wir unterstützen also diese Petition. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

17.35


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Eh­mann. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Kollege.

 


17.35.32

Abgeordneter Michael Ehmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir behandeln heute die vorliegende Petition aus Kärnten, die in Form eines Entschlie­ßungsantrages an den Gesundheitsausschuss weitergeleitet werden soll.

Worum geht’s? – Es wurde ja schon angesprochen: Es geht um die vorliegende Reso­lution, die im Wesentlichen sieben Punkte beinhaltet. Ob alle sinnvoll sind, wird der Ge­sundheitsausschuss abzuklären haben. Aber grundsätzlich bedeutet das schon für uns, dass chronisch kranken Menschen das Leben zukünftig erleichtert werden soll.

Ich fasse zwei wesentliche Punkte aus der Resolution heraus: die Wahlfreiheit für Nie­renpatienten und die sogenannte Mitternachtsdialyse. Dies wurde ja schon von meiner Vorrednerin angesprochen. Was die Wahlfreiheit für Nierenpatienten betrifft, muss klar sein, dass bei der Auswahl der Dialysestation auch die Transportkosten berücksichtigt werden müssen, denn bei generell freier Wahl der Dialysestation oder des Transplan­tationszentrums ist natürlich zu befürchten, dass die Transportkosten eventuell unge­ahnte Ausmaße annehmen könnten. Aber gerade der Gesundheitsausschuss könnte genau das richtige Mittelmaß finden und die entsprechende Entscheidung treffen.

Das Gleiche gilt auch für die Art der Nierenersatztherapie. In Österreich haben wir eine freie Arztwahl, und daher wäre es logisch, aus dem gleichen Prinzip heraus den chro­nisch kranken Patienten eine Mitsprachemöglichkeit sowohl hinsichtlich der Art der Nierenersatztherapie als auch der Auswahl der Dialysestation und letztendlich auch des Transplantationszentrums zu ermöglichen. Aber konkret geht es um eine Mitspra­chemöglichkeit und nicht unbedingt um ein Mitspracherecht.

Ich komme noch einmal darauf zurück, dass diese Resolution, wie gesagt, vor allem chronisch Kranken das Leben erleichtern soll. Damit komme ich zu meinem zweiten Punkt, der Mitternachtsdialyse. Man sollte sich doch überlegen, ob es wirklich unaus­weichlich ist, Dialysepatienten zur Geisterstunde, also zu Mitternacht, an die Dialyse­maschine zu hängen, obwohl einige, wie gesagt, das auch in dieser Form wollen. Jetzt weiß ich schon, dass in einigen Spitälern bereits in bis zu vier, fünf Schichten gearbei­tet wird. Angenehm ist diese Situation für die Betroffenen und für das zuständige Per­sonal ja nicht. Das ist klar. Die Petition versucht auch auf diese Problematik des medi­zinischen Personals hinzuweisen und darauf einzugehen.

Damit verbunden muss auch die Ressourcenfrage untertags mit berücksichtigt werden. Um diese von mir aus Zeitgründen nur teilweise angeführten Probleme zu lösen, gibt es den gemeinsamen Entschließungsantrag, der noch eingebracht wird, denn dieser wird ja einen Befund der Situation in Auftrag geben, um im Gesundheitsausschuss die­se ernst zu nehmende Thematik im Sinne der Betroffenen positiv abhandeln zu kön­nen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.38


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Grü­newald. 1 Minute Redezeit wünschen Sie sich. – Bitte, Herr Kollege.

 


17.38.41

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Herr Bundesminister! Diese Petition ist ein guter Beweis dafür, dass Ge-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 166

sundheitsreformen zwar immer wieder im Mund getragen werden, aber ohne Ergebnis bleiben. Man könnte einen Nachmittag füllen mit ähnlichen Petitionen gleicher Wertig­keit. Der Bedarf an Dialyseplätzen und die Qualität von Dialyseplätzen sind Inhalt des Strukturplans Gesundheit. Was fehlt, ist allerdings die Umsetzung. Und es fehlt hinten und vorne.

Das letzte Beispiel für die Notwendigkeit der Zusammenführung von Kompetenzen
und Budgetströmen ist das unwürdige Herumschieben von DialysepatientInnen zwi­schen Niederösterreich und Wien und der unwürdige Streit um deren Transportkos­ten. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

17.39


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Vock. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


17.40.02

Abgeordneter Bernhard Vock (FPÖ): Lieber Herr Präsident! Frau Minister! Sehr ge­ehrte Damen und Herren Abgeordnete! Leider leiden immer mehr Österreicher an dau­erndem Nierenversagen. Im vergangenen Jahrzehnt hat sich diese Anzahl an Neuer­krankungen, der Dialyse verdoppelt. Daher sollte man meinen, die Dialysestationen wachsen aus dem Boden wie die Schwammerln, weil sie notwendig sind. Interessant ist, wie die Krankenkassenverträge vergeben werden. Während in Wien in den letzten zwei Jahren 89 Plätze neu geplant sind, ist in Kärnten keine einzige Erweiterung ge­plant. Viel schlimmer finde ich noch, dass wir in Mödling seit dem Jahr 2000 eine fixfer­tig eingerichtete Dialysestation haben, deren Leistungen sogar billiger wären als jene, die die benachbarten Spitäler anbieten, aber sie bekommt keine Krankenkassenverträ­ge. Das heißt, die Krankenkassen könnten sich zwar etwas sparen, aber man schickt die Dialysepatienten lieber nach Wien oder nach Wiener Neustadt.

Und wer sich dann in Wien näher informiert oder den Kontrollamtsbericht vom AKH oder vom KAV anhört, hört von schweren Mängeln, hört, dass an allen Ecken und En­den der Dialysestationen Mängel auftreten. Der Abstand zwischen den Dialysebetten sei zum Teil geringer, als es die hygienischen Erfordernisse verlangen. Die Trennung zwischen der „gelben“ und „weißen“ Dialyse funktioniere nicht, obwohl gerade das für die Vermeidung der Verbreitung von Hepatitis und HIV wichtig wäre. Und das alles ist in einem abbruchreifen Haus untergebracht. Und gleichzeitig gibt es in Mödling eine Dialysestation, die fixfertig in einem Neubau eingerichtet ist, die aber keine Kranken­kassenverträge bekommt.

In Wien fehlen sogar die Betriebsgenehmigungen. Trotzdem bekommt man die Verträ­ge, trotzdem können hier die Patienten versorgt werden. Ich finde es auch richtig, wenn die Patienten versorgt werden.

Ich kann im Interesse der Patienten nur hoffen, dass künftig die Verträge von Dialyse­stationen nach Bedarf vergeben werden und nicht nach politischen Interessen, wie es hier offensichtlich der Fall ist. Und, wie ein Kollege richtig gesagt hat, der Patient soll es sich aussuchen können, zu welcher Dialysestation er geht.

Die Resolution selbst begrüßen wir natürlich. (Beifall bei der FPÖ.)

17.42


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Der vorläufig letzte Redner in dieser Debatte ist Herr Abgeordneter Mag. Darmann. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


17.42.20

Abgeordneter Mag. Gernot Darmann (BZÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Es ist mir eine große Freude, feststellen zu können, dass diese Resolution nicht nur den Weg ins


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 167

Plenum geschafft hat, um hier einmal darüber diskutieren zu können, sondern auch weiterhin im Gesundheitsausschuss ein großes Thema sein wird aufgrund der Tatsa­che, dass sich der Gesundheitsausschuss dazu durchringen konnte, einen Fünf-Partei­en-Antrag zu beschließen und einen Bericht anzufordern, der vor allem bezüglich der Versorgungsqualität und -dichte im Bereich der Transplantationen und Dialysestellen Klarheit schaffen soll.

Wichtig ist für mich auch festzustellen – und deswegen habe ich diese Resolution, die­se Petition der Interessensgemeinschaft der Dialysepatienten und Nierentransplantier­ten aus Kärnten im Parlament eingebracht –, dass ich dieser Thematik im Herbst letz­ten Jahres etwas näher gekommen bin, als ich bei einer Veranstaltung dieser Interes­sensgemeinschaft eingeladen war und mich dort mit dieser Thematik erstmals befas­sen konnte. Ich glaube, es geht den meisten von uns und auch vielen Mitgliedern des Gesundheitsausschusses so, dass sich so gut wie niemand darüber Gedanken macht, wo er im Falle eines Organversagens der eigenen Person Organe herbekommt und wie er für einen solchen Fall „vorsorgen“ kann.

Im Zuge dieser Veranstaltung war – das ist einer der Punkte dieser Resolution – die Frage der Widerspruchslösung ein wesentliches Thema. Ich möchte die kurze mir ver­bleibende Zeit nutzen, hier auch diese Information zu verbreiten, dass dies unbedingt notwendig ist. Es gilt – das wird einigen doch bekannt sein – in Österreich die Wider­spruchslösung. Das heißt, wenn man zu Lebzeiten widerspricht und das in einem so­genannten Widerspruchsregister kundtut, dass die Organe nach dem Tod eben nicht entnommen werden sollen, um diese jemand anderem zu spenden, dann wird das auch nicht durchgeführt.

Aber es gibt nicht nur dieses Widerspruchsregister, sondern es gibt auch die Möglich­keit – und die ist anerkannt, aber zu wenig bekannt –, mit seinen Angehörigen darüber zu reden und diese aufzuklären, wie man zu dieser Organentnahme steht, um dann im Extremfall beim eigenen Ableben den Ärzten im Krankenhaus es zu ermöglichen, ra­sche Schritte zu setzen, auf die Angehörigen zuzugehen und in ehestmöglicher und kurzer Zeit Informationen zu erlangen, ob die Ärzte die Organe entnehmen können, um weitere Leben zu retten.

Ich glaube, das ist ein ganz wesentlicher Punkt, über den noch viel weiter diskutiert ge­hört, beziehungsweise gehört diese Information verbreitet. Wie gesagt, es ist sehr posi­tiv, dass sich der Ausschuss durchringen konnte, einen Fünf-Parteien-Antrag zu dieser wichtigen Thematik zu verfassen. – Danke schön. (Beifall beim BZÖ.)

17.45


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 659 der Beilagen angeschlossene Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist einstimmig angenommen. (E 84.)

17.45.306. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (587 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesbehindertengesetz geändert wird (621 d.B.)


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7. Punkt

Regierungsvorlage: Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behin­derungen sowie das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (564 d.B.) (gemäß § 28 GOG keine Ausschuss­vorberatung)

8. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 185/A(E) der Abgeordneten Mag. Gernot Darmann, Kollegin und Kollegen betreffend Einfüh­rung einer einheitlichen ärztlichen Begutachtung durch das Bundessozialamt für die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b STVO (622 d.B.)

9. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 318/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rechts­anspruch auf persönliche Assistenz am Arbeitsplatz (623 d.B.)

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Wir gelangen nun zu den Punkten 6 bis 9 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Von der Vorberatung der Regierungsvorlage 564 der Beilagen wurde gemäß § 28a GOG Abstand genommen.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Hofer. 4 Minuten freiwillige Redezeitbe­schränkung. – Herr Kollege, Sie sind am Wort.

 


17.46.43

Abgeordneter Ing. Norbert Hofer (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich darf bei dieser Gelegenheit wieder ein­mal unterstreichen, warum mir der Rechtsanspruch auf persönliche Assistenz ganz be­sonders wichtig ist. Behinderte Menschen, die diese Form der Unterstützung benöti­gen, sollen wissen, unter welchen Voraussetzungen sie diese Unterstützung bekom­men, und dann auch im Rahmen eines Bescheides zuerkannt bekommen, ob sie per­sönliche Assistenz erhalten oder nicht. Wenn man sie eben nicht erhält, hat man immer noch die Möglichkeit, diesen Bescheid auf dem Rechtsweg zu bekämpfen. Deswegen auch dieser Antrag betreffend Rechtsanspruch auf persönliche Assistenz.

Meine Damen und Herren, ich möchte aber diese Gelegenheit auch dazu nutzen, zwei weitere Themen anzusprechen, die für behinderte Menschen, für alte und kranke Men­schen in Österreich von hoher Bedeutung sind.

Erstens: das Pflegegeld. Viele von Ihnen kennen den Verein „BIZEPS“, die Zeitung „BIZEPS-Info“. Sie alle werden die Möglichkeit haben, sich im Zuge dieses anstehen­den Wahlkampfes mit Anfragen von vielen Vereinen, Verbänden in Österreich ausein­anderzusetzen, sicher auch wieder von „BIZEPS“. „BIZEPS“ macht üblicherweise Inter­views mit Behindertensprechern, Parteivorsitzenden, um sie zu befragen, wie die Be­hindertenpolitik in der nächsten, in der neuen Legislaturperiode aussehen wird.

Da hat es ein Interview vor der letzten Nationalratswahl mit dem damaligen SPÖ-Par­teivorsitzenden Alfred Gusenbauer gegeben. Er hat dort gesagt, er sagt zu, dass es in der neuen Legislaturperiode unter einer Regierung mit der SPÖ eine Inflationsabgel­tung beim Pflegegeld geben wird.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 169

Es ist sehr, sehr schade, dass erstens im Regierungsprogramm schon diese Inflations­abgeltung nicht vorgesehen war und dass selbst die geringe Erhöhung, die im Regie­rungsprogramm vorgesehen war, nun nicht umgesetzt werden konnte.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Hofer, Neubauer, Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend In­flationsanpassung des Pflegegeldes

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, schnellstmöglich alle erforderlichen Schritte zu setzen, um das Pflegegeld so anzupassen, dass es inflationsbereinigt dem Wert bei dessen Einführung im Jahr 1993 entspricht. In Zukunft soll zudem eine jährliche Index­anpassung des Pflegegeldes sichergestellt werden.“

*****

Sie sehen also, es geht hier nicht um eine Erhöhung des Pflegegeldes, es geht nur um eine Wertanpassung, um den Wertverlust der letzten Jahre auszugleichen, damit Pfle­ge für die betroffenen Menschen auch leistbar ist.

Ein zweiter Punkt, von dem ich weiß, dass er vielen Mandataren, vielen Abgeordneten des Hauses auch ein Anliegen ist, ist der Angehörigenregress.

Ich habe das heute schon einmal kurz erwähnt: Wenn Sie als Familienvater, als Mutter krank werden und pflegebedürftig werden und diese Pflege auch entsprechende Kos­ten verursacht, dann werden Ihre Kinder finanziell zur Verantwortung gezogen. Und das ist für den Pflegebedürftigen auch eine Belastung. Ich möchte nicht, dass, wenn ich in diese Situation komme, dann meine Kinder vielleicht über Gebühr finanziell be­lastet werden, sich dann vielleicht kein Haus bauen können oder keine Wohnung kau­fen können oder dann die Familie meiner Kinder unter Druck gerät.

Ich verurteile natürlich niemanden, der keine Kinder hat. Es gibt in Österreich derzeit 1,1 Millionen Ein-Personen-Haushalte – und dieser Trend geht weiter. Jeder entschei­det selbst, wie er lebt. Es ist aber doch ungerecht, dass sich jemand, der keine Kinder hat, auch keine Sorgen machen muss, dass seine Familie, dass seine Kinder für diese Kosten aufkommen – das geht natürlich nicht. In dem Fall kommt die öffentliche Hand für die Kosten auf. Ich meine, das sollte auch für jene gelten, Frau Kollegin Lapp, die eben Kinder haben, dass die öffentliche Hand für die Pflegekosten aufkommt. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie sind anderer Meinung. Ich kann mir aber nicht genau erklären, warum Sie hier an­derer Meinung sind. Ich bin gespannt auf Ihre Argumentation! Was können meine Kin­der dafür, wenn ich beim Paragleiten abstürze und mir das Kreuz breche und dann vielleicht ein Pflegefall werde? Wenn ich keine Kinder habe, dann bezahlt der Steuer­zahler die Kosten, die zu berappen sind. (Abg. Mag. Lapp: Der Steuerzahler bezahlt auch so!) – Also, ich kann Ihnen sagen, Frau Kollegin Lapp, ich habe in meinem Ver­wandten- und Bekanntenkreis viele Menschen, deren Eltern pflegebedürftig sind. Diese bezahlen sehr hohe Beträge für diese Pflege. Es wundert mich, dass Ihnen das nicht bekannt ist oder dass Sie das nicht wissen, dass die Kinder finanziell ... (Abg. Mag. Lapp: Pflegegeld?) – Nein, nicht das Pflegegeld! Jeder von Ihnen wird das aus dem eigenen Familienkreis vielleicht kennen, dass Sie dann, wenn die Eltern pflegebe­dürftig sind, zur Kassa gebeten werden.


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Dass Ihnen als Mandatarin einer Regierungspartei das völlig neu ist, das verwundert mich dann doch sehr. Hier brauchen wir mehr Gerechtigkeit, das heißt: kein Angehöri­gen-Regress. Ich glaube auch, dass es möglich sein muss, bei den vernunftbetonten Mandataren dieses Hauses eine Mehrheit für dieses Anliegen zu finden. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich darf daher folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Hofer, Kickl, Neubauer und weiterer Abgeordneter betreffend Abschaffung des Angehörigen-Regresses

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert alle nötigen Schritte zu unternehmen, um eine grundsätzliche bundesweite Streichung des Angehörigen-Regresses zu erwirken.“

*****

Mir ist schon bewusst, dass Sie jetzt diesem Antrag nicht zustimmen werden. Aber wer auch immer die nächste Bundesregierung stellen wird, sollte sich mit diesem Anliegen ernsthaft auseinandersetzen. (Beifall bei der FPÖ.)

17.52


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Die beiden von Herrn Abgeordnetem Ing. Hofer eingebrachten Entschließungsanträge sind ausreichend unterstützt und stehen daher mit in Verhandlung.

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Hofer, Neubauer, Kickl und weiterer Abgeordneter betreffend In­flationsanpassung des Pflegegeldes, eingebracht im Zuge der Debatte zu den Tages­ordnungspunkten 6- 9 in der 67. Sitzung des Nationalrates am 9. Juli 2008

Menschen mit Behinderung sind eine inhomogene Gruppe und müssen als solche mit ihren jeweiligen Bedürfnissen berücksichtigt werden. Dabei ist es wesentlich, dass Menschen mit Rechten ausgestattet werden und nicht als Hilfsempfänger gesehen werden. Ziel unterstützender Betreuung muss die Integration und ein möglichst selbst­bestimmtes Leben sein.

Eine gute Versorgung im Fall der Pflege- und/oder Betreuungsbedürftigkeit ist ebenso wie bei Krankheit, Unfall oder Behinderung eine Kernaufgabe des Sozialstaates. Ohne das Freimachen von Finanzmitteln lässt sich das Problem nicht lösen. Die Finanzie­rung darf nicht durch den Haushalt der Betroffenen erfolgen, aber auch nicht auf Kos­ten der Pfleger und Betreuer. Wenn die Finanzierung von Pflegenden und Betreuenden nicht solidarisch erfolgt und das Risiko weiter überwiegend privat getragen werden muss, kann die Schwarzarbeit in diesem Bereich nicht bekämpft werden.

Während diese Regierung gestritten hat, hat das Pflegegeld Jahr für Jahr an Wert ver­loren. Die Regierung hat, trotz gegenteiliger Beteuerungen vor den Wahlen und dem Eingeständnis, eines sogenannten „Pflegenotstands“, das Pflegegeld bis jetzt nicht er­höht.

Im Jahr 2005 wurden in Österreich 3,046 Mrd. Euro oder 1,2 % des BIP für Langzeit­pflege aufgewendet. Trotz steigender Zahl an Pflegegeldbeziehern hält sich aufgrund ausgebliebener Inflationsanpassungen des Pflegegeldes seit 1997 die Ausgabenquote für Langzeitpflege auf konstantem Niveau. Dies natürlich auf Kosten der betroffenen


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Pflegebedürftigen und der Angehörigen. Zum Vergleich: Die Ausgaben für Pflege be­tragen in Dänemark 2,8 % des BIP. Dort funktioniert das System, es gibt keinen Pfle­genotstand und es gibt dort auch keine Regierungschefs, in deren Familie auf illegale Pflege zugegriffen wird.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, schnellstmöglich alle erforderlichen Schritte zu setzen, um das Pflegegeld so anzupassen, dass es inflationsbereinigt dem Wert bei dessen Einführung im Jahr 1993 entspricht. In Zukunft soll zudem eine jährliche Index­anpassung des Pflegegeldes sichergestellt werden.“

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Hofer, Kickl, Neubauer und weiterer Abgeordneter betreffend Abschaffung des Angehörigen-Regresses, eingebracht im Zuge der Debatte zu den Tagesordnungspunkten 6- 9 in der 67. Sitzung des Nationalrates am 9. Juli 2008

Die private Pflege ist durch eine verantwortungslose Familienpolitik und durch eine Vernachlässigung der pflegenden Angehörigen zunehmend in Gefahr. Wir Österreicher leisten uns immer weniger Kinder. In den letzten 20 Jahren ist die Zahl der Einperso­nenhaushalte von rund 800.000 auf 1,100.000 gestiegen.

Der Trend zur Singularisierung dünnt die Unterstützungsnetzwerke unter nahen Ange­hörigen aus. Wer heute Single ist kann schon morgen vor allem eines sein: einsam. Und wenn es keine nahen Angehörigen gibt, dann kann es auch keine Pflege durch nahe Angehörige geben.

Während bei pflegebedürftigen Eltern die Kinder zur Bezahlung der Pflege- und Be­treuungsleistungen herangezogen werden, sind Kinderlose in einer besseren Situation. Hier übernimmt die öffentliche Hand die Kosten, wenn das eigene Vermögen ver­braucht ist.

Es ist für Eltern höchst unangenehm, wenn sie wissen, dass aufgrund der eigenen Pflegebedürftigkeit ihre Kinder, die sich vielleicht gerade eine Existenz aufbauen, die Schulden für das Haus oder die Wohnung abbezahlen oder für die Kosten der eigenen Kinder aufkommen müssen, zusätzlich belastet werden.

Diese Ungerechtigkeit gilt es zu beseitigen. Der bisherige Angehörigen-Regress muss gestrichen werden. Ein Regress kann nur dort und unter bestimmten Rahmenbedin­gungen Geltung erlangen, wo es zu Schenkungen an betroffene Angehörige durch den Pflegebedürftigen gekommen ist.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert alle nötigen Schritte zu unternehmen, um eine grundsätzliche bundesweite Streichung des Angehörigen-Regresses zu erwirken.“

*****

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 172

Präsident Dr. Michael Spindelegger: Von der Regierungsbank aus hat sich Herr Bundesminister Dr. Buchinger zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


17.52.36

Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz Dr. Erwin Buchinger: Sehr geschätzter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten im Hohen Haus! Um sicherzustellen, dass die Diskussion nicht von vornherein in eine sachlich falsche Richtung geht, möchte ich darlegen, dass zum einen mit einer Novelle zum Bundespflegegeldgesetz, die ich im Ministerrat mehrmals vorzulegen versucht ha­be und zu der bislang vom Noch-Regierungspartner noch keine Zustimmung erbracht werden konnte, die Abgeltung der Inflation in dieser Legislaturperiode im Ergebnis ge­sichert ist.

Ich schlage in dieser Novelle vor, eine fünfprozentige Erhöhung des Pflegegeldes über alle Pflegestufen hinweg vorzunehmen. Der Koalitionspartner kritisiert das und schlägt vor, eine nach Pflegegeldstufen differenzierte Inflationsabgeltung vorzunehmen. Das ist natürlich insofern nicht sachgemäß, weil die Inflation ja die Pflegegeldbezieher und -bezie­herinnen über alle Pflegegeldstufen trifft.

Eine Differenzierung wollen wir in der Form vornehmen, dass die höheren Pflegegeld­stufen insofern mehr profitieren, als wir eine Sonderregelung für die Pflegegeldeinstu­fung für demenzerkrankte Personen und für schwerstbehinderte Kinder und Jugendli­che vorsehen. Hiezu hat sich der Koalitionspartner bisher noch gar nicht geäußert. Der Finanzminister war bisher nicht bereit, in Verhandlungen einzutreten.

Ich habe heute ein Schreiben an ihn formuliert, wo ich ihm darlege, dass im Budget­pfad, den die Regierung beschlossen hat, diese Pflegegelderhöhung voll umfasst ist und daher nichts dagegen spricht, im Ministerrat morgen dem zuzustimmen – eine ent­sprechende Tischvorlage ist vorbereitet – und dann im Parlament noch vor den Neu­wahlen und vor der Bildung einer neuen Regierung das vorzunehmen.

Mein Vorschlag ist sogar: Erhöhen wir das Pflegegeld so wie die Pensionen mit 1. No­vember 2008 – und nicht erst mit 1. Jänner 2009. Ich lade die anwesenden Damen und Herren der ÖVP, denen dieser sozialpolitische Fortschritt ein Anliegen ist, ein, beim Herrn Finanzminister in diese Richtung auch auf eine Änderung seiner Haltung einzu­wirken! (Beifall bei der SPÖ.)

400 000 Österreicherinnen und Österreicher würden Ihnen das sehr, sehr danken. Es gibt 400 000 Bezieher und Bezieherinnen von Pflegegeld in Österreich, die ganz drin­gend diese rasche Erhöhung brauchen. Gerade die Bezieher von Pflegegeld sind fi­nanziell meist nicht sehr günstig gestellt, sie sind daher von Inflation besonders betrof­fen. Wenn sie mit dem Pflegegeld Leistungen zukaufen, was im Regelfall der Fall ist, oder die Pflege und Betreuung durch Angehörige damit finanzieren, sind sie auf diese rasche und maßgebliche Erhöhung des Pflegegeldes sehr, sehr angewiesen. Nehmen Sie sich ein Herz, meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wirken Sie hier auf Ih­ren Kollegen Finanzminister ein! (Abg. Steibl: Und was ist mit Regress in den SPÖ-Ländern?)

Wir haben insgesamt mit dieser Erhöhung sowohl bei den 5 Prozent als auch bezüglich der Demenzkranken und der schwerstbehinderten Kinder und Jugendlichen ein Volu­men von knapp 130 Millionen € an Verbesserung für pflegebedürftige Menschen. Das wäre die stärkste Verbesserung finanziell und inhaltlich beim Pflegegeld seit seiner Einführung im Jahr 1993. Das ist ein wichtiges Anliegen – nicht nur mir, das sollte auch Ihnen ein wichtiges Anliegen sein! (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Initiativantrag, bundesweite Regelungen für den Wegfall des Regresses vorzuse­hen: Da darf ich den geschätzten Herrn Abgeordneten aufklären, dass es einen Ange­hörigen-Regress im Bundesrecht beim Pflegegeld nicht gibt. Das Pflegegeld des Bun-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 173

des wird unabhängig von Vermögen und Einkommen sowohl der beziehenden Person als auch des oder der Angehörigen ausbezahlt. Ihr Antrag zielt daher, Herr Ing. Hofer, völlig ins Leere. Ein derartiger Regress kann auf Bundesebene nicht abgeschafft wer­den, weil es ihn erfreulicherweise nicht gibt. Es tut mir leid, dass ich Ihnen das sagen muss.

Auch bei der 24-Stunden-Betreuung, Herr Ing. Hofer, gibt es zwar ein Fördermodell, das von immer mehr Menschen angenommen wird, aber erfreulicherweise keinen An­gehörigen-Regress. Weil es ihn nicht gibt, kann er auch nicht abgeschafft werden.

Ich würde Sie gerne einladen, Ihre vielfältigen Initiativen im Sozialbereich auf Felder zu konzentrieren, wo es einen Sinn macht, wo es eine Verbesserung für den Menschen als Resultat geben kann – und nicht nur hier eine aus meiner Sicht nicht sachgerechte Beschäftigung zu betreiben. Der Initiativantrag greift inhaltlich etwas auf, was es nicht gibt. Es gibt bundesweit beim Pflegegeld sowohl bei den Grundleistungen als auch bei den Angehörigenleistungen keinen Regress von Angehörigen. Wir wollen ihn auch nicht, wir wollten ihn nie, daher brauchen wir ihn auch nicht abzuschaffen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Lapp – in Richtung FPÖ –: So schaut es aus! – Abg. Ing. Hofer: Mit einer Zweidrittelmehrheit! – Abg. Kickl: Wie haben Sie das dann bei der Mindestsi­cherung angedacht?)

17.57


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Lapp. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


17.57.46

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Im Anschluss an den Kollegen Hofer möchte ich nur noch auf einen Aspekt ein­gehen, wo sich eigentlich in den letzten Monaten eine sehr große und schnelle Ent­wicklung dargeboten hat, nämlich bei der stationären Unterbringung von pflegebedürfti­gen Menschen in den Heimen. In den Bundesländern war es ja bis vor Kurzem so, dass es in sechs Bundesländern einen Angehörigen-Regress gegeben hat.

Momentan sind wir bei der stationären Unterbringung von pflegebedürftigen Menschen in der Situation, dass es nur mehr in drei Bundesländern diesen Angehörigen-Regress gibt, weil die Bundesländer aufgrund der allgemeinen Diskussion zur 24-Stunden-Be­treuung diesen Regress abschaffen werden. Da bin ich auch sehr positiv darauf einge­stellt, dass das die Bundesländer selbst tun werden, denn das ist ja deren Verantwor­tung.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte zu einem ganz wichtigen Tagesord­nungspunkt kommen. Wir diskutieren oder beratschlagen hier auch über die UN-Kon­vention über die Rechte behinderter Menschen. Österreich war eines der ersten Län­der, die das unterzeichnet haben. Wir ändern das Bundesbehindertengesetz, wir füh­ren einen Monitoringausschuss ein, in dem BehindertenvertreterInnen, VertreterInnen aus dem Bereich der Menschenrechte, der Entwicklungszusammenarbeit und der wis­senschaftlichen Lehre zusammenkommen, um die Erfüllung der UN-Konvention zu be­gutachten, zu begleiten.

Ich denke, dadurch ist ein sehr wichtiger integrativer Anreiz geschaffen worden, wo be­hinderte Menschen mit VertreterInnen von Menschenrechtsorganisationen und ande­ren NGOs für eine Weiterentwicklung unserer Gesellschaft eintreten. Das ist ein guter Schritt. (Beifall bei der SPÖ.)

17.59


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Frau Abgeordnete Haubner ist die nächste Rednerin. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Sie sind am Wort.

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 174

18.00.02

Abgeordnete Ursula Haubner (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Es geht in dieser Debatte um drei verschiedene Anträge. Ersterer betrifft die Ratifizierung beziehungsweise die Unterzeichnung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung, der wir sehr gerne unsere Zustimmung ge­ben, haben wir doch im Jahr 2006 seitens des Sozialministeriums sehr engagiert vor­bereitet, dass das jetzt unterzeichnet werden konnte. Wir sehen das, begleitend zum Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz, als weiteres Signal dafür, dass hier klare Regelungen für die Menschen mit Behinderung geschaffen werden.

Das Zweite betrifft das Anliegen der persönlichen Assistenz. Im Jahr 2004 hat der da­malige Sozialminister Herbert Haupt diese Förderrichtlinien für persönliche Assistenz am Arbeitsplatz geschaffen, weil ihm das ein besonderes Anliegen war. Es hat sich das bisher sehr gut bewährt. Ich stehe aber nicht an zu sagen, dass man nach einigen Jah­ren überlegen sollte, ob man es nur bei den Richtlinien belässt, ob man nicht doch auch einen Rechtsanspruch daraus entwickelt. Daher werden wir auch diesem Antrag unsere Zustimmung geben.

Das Dritte ist: Wir werden sicher nicht zustimmen, dass das Thema der einheitlichen ärztlichen Begutachtung für die Ausstellung des Behindertenausweises nach § 29b StVO wieder einem anderen Ausschuss zugewiesen wird. Ich kann mich erinnern, das erste Mal, im Herbst 2007, wurde das mit der Begründung vertagt, dass man im kommenden Jahr Verbesserungen schaffen will, und der Herr Bundesminister hat gesagt, er stellt diese Verbesserungen in Aussicht. Bis heute ist nichts an Verbesserungen geschehen, sondern das Einzige, das man macht, ist, dass man es jetzt dem Verkehrsausschuss zuweist. Aber was hat der Verkehrsausschuss mit der einheitlichen ärztlichen Begut­achtung zu tun? (Abg. Mag. Lapp: Straßenverkehrsordnung!)

Aber das ist eben das Dilemma dieser Regierung (Abg. Mag. Lapp: Nein, das ist die Straßenverkehrsordnung!): Etwas versprechen und es dann nicht halten. In diesem Zu­sammenhang, wo es darum geht, für die Behinderten Erleichterungen zu schaffen, ist das wirklich ein starkes Stück. (Beifall beim BZÖ.)

18.02


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Huainigg. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Sie werden mit dem Funk­mikrophon zu uns sprechen und sind am Wort.

 


18.02.33

Abgeordneter Dr. Franz-Joseph Huainigg (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Ho­hes Haus! Das Pflegegeld wurde diskutiert, obwohl das heute gar nicht Thema ist, und es wurden Schuldzuweisungen gemacht. Ich halte solche Schuldzuweisungen für nicht nötig. Denn in einer Koalition braucht es immer zwei Partner, um etwas zu beschlie­ßen; und es gab andererseits auch Forderungen vonseiten der ÖVP, wie eine Abschaf­fung des Regressanspruches – diesen gibt es leider für Angehörige von zu Pflegenden bei stationärer Unterbringung; hier könnte der Bund eine Artikel-15a-Vereinbarung mit den Ländern eingehen – oder die Abschaffung der Vermögensgrenzen.

Es gäbe viele Bereiche, die man genauso heute diskutieren könnte, wie etwa die Wei­terführung der schulischen Integration nach der 8. Schulstufe, wozu wir schon im Jahr 2007 einen Entschließungsantrag eingebracht haben, wofür es aber noch immer keine Gesetzesvorlage gibt. Das ist bedauerlich. Wenn die Koalition weitergegangen wäre, wäre sicher noch einiges Gutes entstanden.

Was aber heute Thema ist, das ist die UN-Konvention. Es ist ein sehr wichtiger Schritt, dass wir heute diese Konvention durch das Parlament ratifizieren. Mit dieser Konven­tion wird in vielen Ländern dieser Erde der Zugang zu Grundrechten, zu Bürgerrechten,


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zu Menschenrechten für behinderte Menschen sichergestellt. Das ist eine sehr wichtige Maßnahme, an der Österreich und vor allem der Verein „Licht für die Welt“ sehr maß­geblich beteiligt waren.

Es gibt weltweit zirka 650 Millionen behinderte Menschen. 80 Prozent davon leben in Schwellenländern, und hier könnte und sollte Österreich auch in Umsetzung der UN-Konvention als Beispiel dienen und im Austausch diese Länder auch unterstützen, da­mit sie zu einer Gleichstellung, zu einem Ausbau des Sozial- und Gesundheitssystems kommen. Es wäre wichtig, dass man in der Entwicklungszusammenarbeit solche Pro­jekte für und mit behinderten Menschen ausbaut und stärkt.

Besonderes Augenmerk gilt auch dem Artikel 10 der UN-Konvention, in dem ein Grundrecht auf Leben für behinderte Menschen festgeschrieben ist. Das klingt so selbstverständlich. Wenn man aber gleichzeitig in Österreich sieht, dass die Geburt eines behinderten Kindes als Schadensfall deklariert wird und seine gesamte Lebens­existenz als Schadenersatzforderung durch ein OGH-Urteil zugesprochen wird, dann gibt es hier Handlungsbedarf. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten des BZÖ sowie des Abg. Strache.)

Es sollte eines der ersten Themen im Monitoring-Ausschuss, der heute beschlossen wird, die Frage sein, wie dieses Thema zu lösen ist.

Entschließungsanträge machen heute wenig Sinn, weil das Parlament ja morgen ver­mutlich aufgelöst wird. (Abg. Haidlmayr: Nicht nur vermutlich! Ganz sicher!) Aber ich möchte als Anliegen weitergeben, dass die UN-Konvention in einer „Leichter Lesen“-Fassung erstellt wird, damit auch Menschen mit Lernbehinderung diese Rechte nutzen können und sie ihnen verständlich gemacht werden. – Danke. (Beifall bei ÖVP und BZÖ sowie des Abg. Strache. – Abg. Haidlmayr fährt im Rollstuhl auf die Rampe, um sich zum Rednerpult zu begeben.)

18.07


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Frau Abgeordnete Haidlmayr, es ist vor Ihnen noch ein anderer Redner an der Reihe. Vielleicht bleiben Sie noch kurz oben, bis Herr Kollege Huainigg das Rednerpult wieder über die Rampe verlassen hat. (Abg. Haidl­mayr: Ich fahre einmal hinunter!) – Wie Sie wünschen.

In der Zwischenzeit wird Herr Abgeordneter Themessl das Wort nehmen. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 2 Minuten. – Bitte, Herr Kollege. (Abg. Themessl gibt zu ver­stehen, dass er gerne der sich bereits neben dem Rednerpult befindlichen Abg. Haidl­mayr den Vortritt lässt.) Sie sind ein Kontra-Redner und daher nach der Geschäftsord­nung als Nächster für die Wortmeldung vorgesehen. – Bitte, Sie haben das Wort.

 


18.08.07

Abgeordneter Bernhard Themessl (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ho­hes Haus! Nur weil hier offensichtlich einiges unklar ist betreffend die Frage, ob es eine Regressforderung im Pflegebereich eigentlich gibt oder nicht gibt: Das ist bundeslän­derweise unterschiedlich. Ich sage Ihnen, in Vorarlberg kann die Regressforderung bis zu 28 Prozent des frei verfügbaren Einkommens auch der Nachkommen betreffen. Und das Interessante an der ganzen Geschichte ist, dass das nicht nur die eigenen Kinder betreffen kann, sondern dass das teilweise sogar auf die Enkelkinder weitergeht. Ich schildere Ihnen einen Fall, den ich seit einem Monat auf dem Tisch habe:

Vor zehn Jahren hat eine Oma ihrem Enkel ein Grundstück geschenkt. Vor acht Jahren hat das Mädchen geheiratet und in der Zwischenzeit Haus gebaut. Sie haben eine Fa­milie mit zwei Kindern, vier und zwei Jahre alt. Der Mann arbeitet als Alleinverdiener. Und jetzt ist die Oma plötzlich ein Pflegefall. Man hat dann festgestellt, dass da Eigen­tum vorhanden war. In der Folge hat man das Ganze geschätzt, und vom Land Vorarl-


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berg wurde der jungen Familie, also dem Enkelkind, vorgeschrieben, pro Monat 320 € an den Pflegekosten der Oma mitzuzahlen. Aufgrund der Einkommenssituation der Fa­milie war es dann möglich, diesen Betrag auf 100 € zu reduzieren. Aber nur, damit Sie wissen, welche Blüten das treibt!

Herr Bundesminister, Sie verfügen heute und morgen in diesem Hohen Haus noch über eine Zweidrittelmehrheit. Es wäre ein Leichtes für Sie, mit Ihrem Koalitionspartner, der ÖVP, einmal bundesweit diese Regressforderungen abzuschaffen. – Danke. (Bei­fall bei der FPÖ. – Abg. Strache: Das ist ja kein Partner, das ist ja ein Koalitionsgeg­ner!)

18.09


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist jetzt Frau Abgeordnete Haidlmayr. Ich stelle die Uhr auf die gewünschten 7 Minuten. – Bitte.

 


18.10.09

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Vorredner und auch Herr Hofer haben zuerst über diese Regresskosten gesprochen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich erzäh­le Ihnen jetzt einmal etwas, wenn Sie es noch nicht wissen (Abg. Steibl: Jetzt sagen Sie es uns einmal im Klartext, oder?): Die Regressansprüche in Vorarlberg, wie Sie sie gerade beschrieben haben, und in anderen Bundesländern sind Ländersache! Da gibt es kein Bundesgesetz, das irgendwo vorschreiben würde, dass es an Angehörige Regressansprüche gibt, sondern das macht sich jedes Bundesland für sich selbst! (Abg. Ing. Hofer: Ein Verfassungsgesetz verabschieden!)

Ich sage das jetzt deshalb, weil nämlich die ÖVP – und das muss ich Ihnen jetzt einmal erzählen –, wenn es darum geht, das Pflegegeld mit 1. Jänner um 5 Prozent zu erhö­hen, alle 400 000 PflegegeldbezieherInnen in Österreich in Geiselhaft nimmt, nämlich indem sie sagt: Wir stimmen einer Erhöhung des Pflegegeldes um 5 Prozent nur zu, wenn dieser Regressanspruch abgeschafft wird!

Ich meine, das muss man sich vorstellen: Der Bund kann es nicht abschaffen, weil das Ländersache ist. (Abg. Steibl: Eben! Und das sind alles rote Länder: Steiermark und so weiter! Ihr könnt euch schon auf ein Packl hauen!)

Und das ist wirklich, mit Verlaub, Herr Präsident – verlogen! (Die Rednerin hält, wie schon vor, so auch nach diesem Ausdruck, einen Augenblick inne. – Heiterkeit.)

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Frau Abgeordnete, Sie warten jetzt auf meine Reaktion. Ich bitte Sie, diesen Ausdruck nicht zu verwenden, sondern einen anderen. Ich fordere Sie ausdrücklich auf, diesen Ausdruck zurückzunehmen.

Bitte, Sie sind wieder am Wort.

 


Abgeordnete Theresia Haidlmayr (fortsetzend): Mein Kollege, der ebenfalls behindert ist, hat gesagt, es wird doch keiner glauben, dass wir deppert genug sind – wortwört­lich! –, dass wir nicht checken, was Landes- und Bundesgesetze sind – und die Re­gressforderungen sind Landessache! (Abg. Ing. Hofer: Verfassungsgesetz machen!)

Und für diese Landessachen, diese Landesgesetze, wo Ihre eigenen Landeshauptleute das Geld einstecken, nämlich über den Regress, brauchen Sie nicht 400 000 Pflege­geldbezieherInnen in Geiselhaft zu nehmen. Das ist unseriös, und das tut man einfach nicht! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Steibl: Also: Die Steiermark hat einen roten Lan­deshauptmann und einen roten Soziallandesrat!)

So. Das war es einmal zum Aktuellen. – Jetzt aber zu dem  (Abg. Steibl: Und Bur­genland, Wien, Salzburg ...!) – Ja, die Landeshauptleute. Das ist Ländersache! Regen Sie sich nicht auf, ich habe es Ihnen gesagt. Sie wissen es jetzt sicher, auch wenn Sie


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es vielleicht vorher noch nicht gewusst haben: Das ist Ländersache! Und suchen Sie sich andere Menschen, die Sie in Geiselhaft nehmen, aber lassen Sie uns in Ruhe! (Beifall bei den Grünen.)

Und jetzt zu den einzelnen Tagesordnungspunkten. – Herr Minister, die Änderung im Bundesbehindertengesetz ist gut und richtig. Es passt jetzt auch, dass bei der Einrich­tung einer Gruppe zur Beobachtung der Einhaltung der UN-Konvention auch Men­schen mit Behinderungen beteiligt sein werden, damit da nichts schiefgeht – denn al­les, was wir selbst kontrollieren, das wissen wir dann, und wenn es nicht passt, dann können wir uns rechtzeitig melden und unsere Bedenken anmelden.

Was die Ratifizierung der Konvention betrifft, so war ich dafür, dass sie nicht dem Aus­schuss zugewiesen wird, sondern sofort heute ins Parlament kommt. Wahrscheinlich habe ich es schon gerochen, dass die Regierung zerbricht. Sonst wäre das nämlich erst im Herbst gekommen, und so kann es jetzt noch ratifiziert werden, und das ist ganz, ganz wichtig. Es geht um 650 Millionen Menschen mit Behinderungen, die durch diese Konvention zwar keine Verbesserung erhalten, aber eine Klarstellung, was Dis­kriminierung ist und wie gegen Diskriminierung vorgegangen werden muss. – Auch dem werden wir zustimmen.

Dann zu dem Antrag bezüglich der einheitlichen Begutachtung bei Ausweisen laut § 29b StVO – das sind die sogenannten Behindertenausweise –: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da haben wir in Österreich wirklich ein gewaltiges Problem, näm­lich deshalb, weil es derzeit so ist, dass, unabhängig davon, bei welcher Bezirkshaupt­mannschaft man ist, in welcher Stadt oder in welchem Bundesland man lebt, manche den Ausweis kriegen und manche nicht. Da herrscht derzeit eine Willkür, und da muss man eine Vereinheitlichung schaffen, nämlich dahin gehend, dass es einheitliche Stan­dards gibt. – Es gibt diesbezüglich einen negativen Ausschussbericht, und deshalb müssen wir diesen Ausschussbericht ablehnen.

Was die Frage der Finanzierung der persönlichen Assistenz am Arbeitsplatz betrifft, so stimmen wir dem zu. Nur glauben wir, es ist zu kurz gegriffen, weil es auch der persön­lichen Assistenz im Freizeitbereich bedarf, und auch das müssen wir noch angehen.

Es gäbe noch viel zu sagen, Herr Minister, was ganz wichtig ist, gerade im Hinblick auf das Pflegegeld. Aber eines ist klar, meine sehr geehrten Damen und Herren: Ange­sichts dessen, was die ÖVP jetzt mit 400 000 PflegegeldbezieherInnen aufführt, kön­nen Sie sich darauf verlassen – und ich kann, wenn Sie wollen, das jedem und jeder Einzelnen von Ihnen schriftlich geben –: Ich werde das so in die Bevölkerung bringen und die Leute so darüber aufklären, dass wirklich kein Grashalm mehr wächst und nie­mand mehr dabei ist, der nicht weiß, dass Sie verhindern, dass es diese Pflegegeld­erhöhung geben wird!

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der ÖVP! Sie reden immer nur davon, dass Sie Verbesserungen für Menschen mit Behinderungen wollen. Wenn es aber dann konkret darum geht, sie auch zu machen, dann sind Sie die Letzten, die dafür sind. Und das ist absolut schändlich! (Beifall bei den Grünen.)

18.16


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Frau Abgeordnete Haidlmayr, für den Ausdruck „verlogen“ erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf, den Sie erwartet haben. (Abg. Haidlmayr: Ich habe es nicht gehört!)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schopf. (Abg. Haidlmayr: Ich habe nicht ge­hört, was Sie gesagt haben, ...)

Frau Kollegin Haidlmayr, ich wiederhole: Ich habe Ihnen einen Ordnungsruf für den Ausdruck „verlogen“ erteilt. (Abg. Haidlmayr: Ist in Ordnung! Den nehme ich!) Ob das


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in Ordnung ist oder nicht, darüber zu urteilen, steht Ihnen nicht zu! – Das war der Ord­nungsruf. (Zwischenrufe bei den Grünen. – Abg. Haidlmayr: Trotzdem ist mir die Wahrheit noch immer lieber! – Ruf: Das brauchst du dir nicht gefallen zu lassen! – Abg. Haidlmayr: Nein, das passt schon! Wenn es die Wahrheit ist, ...!)

Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Schopf mit einer freiwilligen Redezeit­beschränkung von 2 Minuten zu Wort. – Bitte, Herr Kollege.

 


18.16.57

Abgeordneter Walter Schopf (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Lie­be Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu dem Antrag, den Herr Abgeordneter Hofer eingebracht hat, zur Thematik der persönlichen Arbeitsassistenz einiges sagen. Ich denke nämlich, dass dieses Thema tatsächlich sehr wichtig ist. Kollege Hofer, ich schätze auch Ihre Arbeit – nicht nur hier, sondern vor allem auch im Ausschuss –, sie ist sehr sachlich, aber ich glaube, dass Sie bei diesem Thema nicht ganz richtig liegen.

Sie fordern letztendlich eine gesetzliche Regelung, obwohl wir aufgrund der Praxis wis­sen, dass wir diesbezüglich keinerlei Schwierigkeiten haben. Im Gegenteil: Wenn man mit den Betroffenen spricht, wenn man mit Institutionen spricht, die hier in der Vermitt­lung tätig sind, wenn man mit Beamtinnen und Beamten, Kolleginnen und Kollegen vom Bundessozialamt spricht, die letztendlich zuständig sind und aufgrund von Richtli­nien diese persönliche Arbeitsassistenz zur Verfügung stellen und bereitstellen – in Ab­sprache natürlich mit den Betroffenen, in Absprache mit den Arbeitgebern –, dann weiß man, dass es sehr, sehr gut funktioniert.

Ich habe keine Zahlen aus dem Jahr 2008, sondern nur aus dem Jahr 2007, und da wissen wir, dass es in Österreich fast 300 Fälle gegeben hat – und es gab 300 Fälle, in denen es keine Ablehnung gegeben hat. Es gibt nämlich überhaupt keine Ablehnung! Es sind alle Anliegen der betroffenen Personen, von behinderten und schwerstbehin­derten Menschen, zu 100 Prozent erfüllt worden.

Mir ist auch noch wichtig, anzumerken, dass die Personen im Bundessozialamt sagen, dass es aufgrund dieser Richtlinien letztendlich möglich ist, dass man rasch agieren kann, dass man flexibel arbeiten kann, dass man tatsächlich auf sämtliche Bedürfnis­se, die die betroffenen Personen haben, auf sämtliche Anliegen und Bedürfnisse, die letztendlich auch die Arbeitgeber haben, eingehen kann.

Worum geht es in dieser Angelegenheit? – Es geht letztendlich darum, dass diese Per­sonengruppe, dass behinderte Menschen, schwerstbehinderte Menschen durch diese persönliche Arbeitsassistenz die Möglichkeit erhalten, einen Job auszuführen, wo Ar­beitnehmer und Arbeitgeber à la longue zufrieden sind. Ich denke nämlich, dass das das Wichtigste ist, dass diese Menschen auch eine Möglichkeit haben, einer Beschäfti­gung nachzugehen. Und ich meine, das muss letztendlich das Ziel von uns allen sein. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.19


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Steibl. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


18.20.02

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Heute Vormittag hat Fritz Neugebauer in einer sehr exzellenten Rede von der Würde des Hohen Hauses gesprochen. Wenn ich an die Rede der Kollegin Haidlmayr denke, dann sage ich, diese Rede war würdelos.

Ich muss Ihnen noch eines mit auf den Weg geben: Wenn Sie schon reden, dann müs­sen Sie auch wissen, wovon Sie reden, denn zum Beispiel das Land Vorarlberg mit


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einem ÖVP-Landeshauptmann hat für Familien den Regress zurückgreifend auch auf Grund und Boden mit 1. Jänner 2008 abgeschafft. Ich denke, man muss auch wissen, wovon man spricht. (Beifall bei der ÖVP.)

Ganz kurz: Mein Redebeitrag befasst sich mit der persönlichen Assistenz am Arbeits­platz. Hier wurde sehr viel Theoretisches gesprochen. Ich denke, mit Rechtsanspruch und mit Recht haben kann man nicht immer alles regeln. Aber der Ansatz ist natürlich gut, und es ist auch notwendig, dass wir darüber diskutieren.

In meinem Zivilberuf habe ich einen Mitarbeiter, der gerade die Zuerkennung eines As­sistenten für den Arbeitsplatz bekommen hat. Ich möchte an dieser Stelle wirklich ein Danke den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Bundessozialämter sagen, denn es ist binnen einer Woche möglich gewesen, diese persönliche Assistenz zu bekommen. Diese Praxis zeigt, wie wichtig das ist und welche sozialen Leistungen wir in diesem Land haben, um diesen Menschen zu helfen – in welcher Form sie auch behindert sind.

Ich bin stolz darauf und froh darüber, in einem Land wie Österreich leben zu dürfen, ar­beiten zu dürfen, insbesondere dort, wo die ÖVP regiert. (Beifall bei der ÖVP.)

18.21


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Die vorläufig letzte Rednerin dieser Debatte ist Frau Abgeordnete Bayr. Ebenfalls 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


18.21.53

Abgeordnete Petra Bayr (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben uns sowohl als Entwicklungs- als auch als Behindertenspreche­rInnen aller fünf Parteien im Parlament auf Initiative von „Licht für die Welt“ schon lan­ge vor dem ersten Unterschreiben der Konvention mit dem Thema der Konvention über die Rechte behinderter Menschen auseinandergesetzt. Ich möchte an dieser Stelle er­wähnen, dass wir in unserem Entwicklungszusammenarbeitsgesetz auch verankert ha­ben, dass die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen in unseren Entwicklungs­projekten zu berücksichtigen sind, und zwar in der Planung, in der Umsetzung und auch in der Evaluierung.

Und nur dann, wenn wir Menschen mit Behinderungen auch wirklich mit unseren Pro­grammen erreichen, wird es uns gelingen, die Millennium Development Goals umzu­setzen.

Die UN-Konvention bedeutet einen sehr wichtigen Paradigmenwechsel: Menschen mit Behinderungen werden nicht länger als HilfsempfängerInnen oder als Bevormundete behandelt, sondern sie werden zu Menschen mit Rechten, mit Ansprüchen und zu Menschen, die diese Rechte auch selbst ausüben können. Und ich halte das für einen sehr, sehr wichtigen Schritt, für einen wirklichen Meilenstein in der Behindertenpolitik, auch in der Entwicklungspolitik.

Wir müssen jetzt natürlich auch dementsprechend unsere österreichischen Programme anpassen. Etwas, was ein sehr wichtiges Mittel in der Entwicklungspolitik ist, ist das Drei-Jahres-Programm, in dessen letzter Auflage die Menschen mit Behinderungen als speziell erwähnte Zielgruppe herausgefallen sind. Ich fordere uns alle auf, dass wir da­rauf achten, dass diese beim nächsten Drei-Jahres-Programm wieder drinnen stehen, dass wir unsere Projekte nach den Bedürfnissen von behinderten Menschen ausrich­ten, denn nur dann werden wir es schaffen, die acht Ziele, die sich die Welt gesteckt hat, bis 2015 zu erreichen. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

18.23


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 180

Wünscht eine der Berichterstatterinnen ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nunmehr zu einer Reihe von Abstimmungen.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesbehindertengesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 587 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist Einstim­migkeit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Ing. Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Inflationsanpassung des Pflegegeldes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschaffung des Angehörigen-Regres­ses.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Auch das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Nun gelangen wir zur Abstimmung, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertra­ges in 564 der Beilagen gemäß Artikel 50 Abs. 1 Ziffer 1 Bundes-Verfassungsgesetz die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Ich lasse jetzt über den Antrag der Abgeordneten Mag. Lapp, Dr. Huainigg, Kol­leginnen und Kollegen, wonach der vorliegende Staatsvertrag im Sinne des Arti-
kels 50 Abs. 2 Ziffer 3 Bundes-Verfassungsgesetz durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Mag. Lapp, Dr. Huainigg, Kolleginnen und Kollegen, dass die arabische, chinesische, russische und spanische Sprachfassung des gegenständlichen Staatsvertrages im Sinne des Ar­tikels 49 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes dadurch kundzumachen sind, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für europäische und interna­tionale Angelegenheiten aufliegen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist einstimmig angenommen.

Ferner gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 622 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.


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Ich weise den Antrag 185/A(E) dem Verkehrsausschuss zu.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 623 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

18.27.1210. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 510/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erstel­lung eines Plans zum Abbau baulicher Barrieren für die vom BMLV genutzten Gebäude (624 d.B.)

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Tages­ordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen daher in die Debatte ein.

Erste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. Gewünschte Redezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 


18.27.44

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann es sehr kurz machen. Tatsache ist, dass es das Bundesministerium für Landesverteidigung bis heute nicht geschafft hat, seine Pflicht zu erfüllen, die es eigentlich bis 1. Jänner 2006 erfüllen hätte müssen, nämlich die Ab­gabe eines Etappenplans und die Umsetzungen dieses Etappenplans hinsichtlich bar­rierefreier Sicherstellung aller ihm unterstehender Gebäude.

Damit sind wir eigentlich wieder genau dort, wovon wir immer reden. Der Bund macht Gesetze und hält sie nicht ein. Und jetzt rennen wir – oder rollen wir – seit über einein­halb Jahren diesem Etappenplan nach. Ich glaube, das ist wieder einmal ein Beweis dafür, wie ernst man die Interessen von Menschen mit Behinderungen nimmt, wenn es darauf ankommt: Man ignoriert sie. Und das hat mit dieser Materie, mit diesem nicht er­folgten Etappenplan zu tun. Wir wissen wieder einmal, wie wir dran sind.

Meine Damen und Herren, ich wünsche mir, dass sich das ändert – gewaltig ändert; dass wir nicht mehr negiert und nicht mehr als BürgerInnen zweiter Klasse gesehen werden, sondern als gleichberechtigte Partnerinnen und Partner, unabhängig davon, wie intensiv wir behindert sind und was die Ursache unserer Behinderung ist. Wir wol­len in diesem Land gleichgestellt werden. Dafür werde ich kämpfen. Und ich werde nie aufhören, dafür zu kämpfen. Das kann ich Ihnen garantieren, denn es geht um unsere Lebensrechte, es geht um unsere Selbstbestimmung und es geht um unsere Freiheit.

Und diese Freiheit, meine sehr geehrten Damen und Herren, diesen Anspruch auf un­sere Selbstbestimmung und Freiheit können Sie uns nicht nehmen. Sie können das nur verzögern, aber nehmen lassen wir uns das nicht. Deshalb werde ich weiterkämpfen, werden wir weiterkämpfen. Die Rechte behinderter Menschen sind Menschenrechte – und die gelten auch für uns. – Danke. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

18.30


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Wech­ner. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 



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18.30.49

Abgeordnete Hedwig Wechner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Verehrte Damen und Herren! Mein Redebeitrag wird einen etwas formalen Charakter haben. Der freiheitliche Klub brachte einen Entschließungsantrag betreffend Erstellung eines Plans zum Abbau baulicher Barrieren für die Gebäude, die vom Bundesministe­rium für Landesverteidigung genutzt werden, im Sozialausschuss ein. Allerdings hat dieser Antrag wohl nicht seinen Platz im Sozialausschuss, sondern muss sinnvollerwei­se an den Landesverteidigungsausschuss gerichtet werden. (Abg. Dr. Graf: Die Zuwei­sung macht schon die Präsidentin?!)

Verehrte Anwesende! Das Behindertengleichstellungsgesetz des Bundes verpflichtet nicht nur dazu, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um Menschen mit Behinderung den Zugang zu allen Leistungen des Bundes zu ermöglichen, sondern es sieht auch Fristen zur Umsetzung der Barrierefreiheit durch Umsetzung baulicher Veränderungen vor. Von jenen Gebäuden, die das Bundesministerium für Landesverteidigung nützt, können bitte selbstverständlich nur jene betroffen sein, in denen Parteienverkehr statt­findet. Ich gehe einmal davon aus, dass, wenn ich als Beispiel Munitionslager nennen darf, diese sicher nicht davon betroffen sein können.

Dazu sei gesagt, das Amtsgebäude Roßau und das Heeresgeschichtliche Museum sind ja bereits barrierefrei.

Ich darf ferner ein ganz eindeutiges Bekenntnis aussprechen: Wir bekennen uns zu je­der Initiative, die Menschen mit Handicaps den Zugang nicht nur zu Bundeseinrichtun­gen uneingeschränkt ermöglicht, sondern zu jeder öffentlichen Einrichtung. Ich glaube, dazu muss nicht viel mehr ergänzt werden.

Wenn der Herr Bundesminister für Landesverteidigung noch nicht dazu Stellung ge­nommen hat, warum er den Zeitplan nicht einhalten konnte und warum er nicht im Zeit­plan liegt, ob ein Etappenplan vorliegt, der eine konkrete Zeitplanung enthält, so soll er das bitte in seinem Ausschuss, dem Landesverteidigungsausschuss, machen und dort Gelegenheit haben, dies zu tun.

Am Ende meiner Ausführungen möchte ich mich ganz herzlich bei Herrn Minister Bu­chinger und bei Herrn Minister Darabos für ihre geleistete Arbeit im Bereich des Sozia­len wie auch der Landesverteidigung bedanken. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.33


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Vorläufig letzter Redner in dieser Debatte ist Herr Abgeordneter Ing. Hofer. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


18.34.08

Abgeordneter Ing. Norbert Hofer (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Mir hat gerade ein Kollege gesagt, man kann ja nicht davon aus­gehen, dass es im Landesverteidigungsministerium sehr sozial zugeht. Möglicherweise ist das nicht der Fall, aber, was ich kurz sagen darf: Die Zuweisung an den Ausschuss macht die Präsidentin. Tut mir leid, dass das nicht in Ihrem Sinne erfolgt ist.

Zweitens, gnädige Frau: Der Vergleich mit dem Munitionslager ist nicht wirklich sehr seriös. Ich weiß nicht, ob Sie beim Militär gedient haben, ich glaube aber nicht. Es gibt auch beim Bundesheer natürlich ... (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Die Rede war in Ordnung, aber trotzdem: Der Vergleich mit dem Munitionslager war doch ein sehr har­ter. Lassen Sie mich das beurteilen! Seien Sie nicht so streng mit mir! Es ist heute eine meiner letzten Reden. Das darf ich zu meiner Verteidigung sagen. (Rufe bei der SPÖ: Wirklich?) – Heute! Ja. (Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP.)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 183

Aber natürlich gibt es auch beim Bundesheer, beim Militär „Parteienverkehr“ – unter Anführungszeichen. Ich will auch nicht den Truppenübungsplatz Allentsteig barrierefrei machen oder den Hindernisparcours beim Militär (Abg. Dr. Graf: Das Heeresspital!), aber es geht darum, dass auch das Bundesministerium für Landesverteidigung die Pflicht hatte, so wie alle anderen Ministerien, mit 1. Jänner 2006 die Etappenpläne ab­zugeben. Und keiner verlangt vom Ministerium, dass jetzt sofort alles barrierefrei wird. Das wäre auch in diesem Ministerium nicht wirklich sinnvoll. Aber man muss doch sa­gen, was umsetzbar und bis wann es umsetzbar ist. Darum geht es in diesem Antrag.

Ich finde es schade, dass wir jetzt durch diese neuerliche Zuweisung diesen Antrag nicht beschließen können. (Beifall bei der FPÖ.)

18.35


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 624 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Ich weise den Antrag 510/A(E) dem Landesverteidigungsausschuss zu.

18.36.3211. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 517/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Pflege­geldleistungen mit Auslandsbezug (625 d.B.)

12. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 518/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Prü­fung der widmungsgemäßen Verwendung des Pflegegeldes durch Gesundheits­manager (626 d.B.)

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Wir gelangen nun zu den Punkten 11 und 12 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erste Rednerin ist Frau Abgeordnete Königsberger-Ludwig. 3 Minuten freiwillige Rede­zeitbeschränkung. – Bitte.

 


18.37.09

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Kol­leginnen und Kollegen des Hohen Hauses! Wir beschäftigen uns jetzt mit zwei Anträ­gen. Der erste betrifft die Prüfung der widmungsgemäßen Verwendung des Pflegegel­des durch Gesundheitsmanager. Es geht darum, einen flächendeckenden Einsatz von Gesundheitsmanagern zu veranlassen, um die zweckmäßige Verwendung des Pflege­geldes zu überprüfen. Begründet wird das damit, dass das zurzeit nicht ausreichend gegeben ist.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 184

Ich muss dazu sagen, Herr Kollege Hofer, dass das unserer Ansicht nach nicht korrekt ist, weil die Qualitätskontrollen sehr wohl stattfinden, und zwar durch die Sozialversi­cherungsanstalt der Bauern, die ja als Kompetenzzentrum für die Sozialversicherungs­anstalten agiert. Unserer Ansicht nach ist das mit diesem Kompetenzzentrum, mit die­sen Qualitätsprüfungen ausreichend gegeben. Und deswegen habe ich auch schon im Ausschuss gesagt, dass wir diesem Antrag nicht zustimmen werden.

Der zweite Antrag beschäftigt sich mit Pflegegeldleistungen mit Auslandbezug. Darin wird die Regierung aufgefordert, alle erforderlichen Schritte zu setzen, damit künftig si­chergestellt ist, dass das Pflegegeld bei ausländischem Wohnsitz ruht. Das wird damit begründet, dass die Überprüfung im Ausland sehr schwierig ist und dass die Adminis­tration in den Verbindungsstellen sehr schwierig umzusetzen ist.

Da muss ich Ihnen sagen, dass das nicht möglich ist, weil die Pflegegeldleistung eine Versicherungsleistung ist, eine Leistung, die auf Einzahlungen beruht. Das heißt, die Menschen haben Ansprüche erworben, und diese Geldleistungen werden ja im Aus­land nur dann bezahlt, wenn die pflegebedürftigen Menschen eben im Inland diesen Anspruch erworben haben. Es gibt dazu auch ein EuGH-Urteil, das besagt, dass es einfach nicht möglich ist, dass die Auslandsbezüge ruhen. Auch deshalb werden wir diesem Antrag nicht zustimmen.

Ich möchte noch ein paar Anmerkungen zum Pflegegeld und überhaupt zur Pflegede­batte machen, weil ich denke, dass uns dieses Thema noch sehr lange beschäftigen wird. Es ist ein Thema, das sehr emotional diskutiert wird, weil es sehr viele Menschen betrifft. Ich meine, dass der Ansatz von Bundesminister Buchinger, hier eine große Lö­sung zu finden und nicht immer nur punktuell kleine Lösungen zu suchen, sondern über viele Möglichkeiten im Pflegebereich nachzudenken, der richtige ist.

Ich denke auch, dass es sehr, sehr wichtig wäre, das Pflegegeld zu erhöhen, wozu es ja die Novelle des Bundespflegegesetzes gibt, weil das wirklich ein äußerst wichtiger Beitrag wäre, der die Menschen sehr entlasten würde.

Ebenso sehe ich die Neueinstufung von demenzkranken Menschen und behinderten Kindern und Jugendlichen als ganz, ganz wichtigen Punkt. Ich finde es sehr schade, dass die ÖVP bei diesem so wichtigen Gesetz nicht mitgeht. Ich ersuche die Abgeord­neten von der ÖVP, auf ihren Parteivorsitzenden, den Vizekanzler und Finanzminister, dahin gehend einzuwirken, dass vielleicht diese Novelle doch noch umgesetzt werden kann, damit die Menschen in diesem Bereich entlastet werden können.

Vielleicht können Sie in diesem Bereich wirklich einmal den Gedanken hintanstellen, dass Bundesminister Buchinger keinen Erfolg haben darf, denn dieser Erfolg ist nicht für den Minister, sondern wäre wirklich für die Menschen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.40


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordne­te Mandak zum Wort. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Kolle­gin.

 


18.41.00

Abgeordnete Sabine Mandak (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Antrag betref­fend widmungsgemäße Verwendung des Pflegegeldes. – Ich frage mich, ob Sie sich überlegt haben, wie hoch der Betrag des Pflegegeldes eigentlich ist, der denjenigen zur Verfügung steht, die Pflege, Hilfe und Unterstützung brauchen. Ich wundere mich vor allem über Sie, Herr Kollege Hofer, weil Sie sich sonst in diesem Bereich schon Gedanken machen. Sie wissen genauso gut wie ich, dass das Pflegegeld einen Anteil von rund 2 bis maximal 4 € – in seltenen Fällen – des Stundensatzes des Betreuungs­aufwands ausmacht und abdeckt – und da wollen Sie diejenigen, die Pflegegeld bezie-


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hen, auch noch überprüfen, ob sie diesen kleinen Anteil der tatsächlichen Kosten wohl auch ordnungsgemäß einsetzen?!

Ich denke, es wäre besser und wichtiger, den Betroffenen Beratung zu geben, Unter­stützung zu geben, vor allem die notwendigen ambulanten Dienste zur Verfügung zu stellen, die sie dringend brauchen, die aber nicht zur Verfügung stehen, weil die Länder säumig sind, weil der Bund säumig ist und weil auch Sie, Herr Minister, säumig sind, zu überprüfen, ob die Bundesländer ihrer Aufgabe nachkommen: dass nämlich genug am­bulante, teilstationäre und stationäre Angebote im Pflege- und Betreuungsbereich vor­handen sind.

Das wird nicht gemacht. Hier liegt die Verantwortung bei den Ländern, aber auch beim Bund, zuallerletzt aber bei den Betroffenen selbst, die keinesfalls jene Leistungen be­kommen, die sie brauchen.

Pflegegeld bei ausländischem Wohnsitz streichen. – Ich habe mir überlegt: Was ma­chen Sie denn mit mir, wenn ich 75 Jahre alt bin, Pflegestufe 3 habe, wenn ich merke, es wird immer schlechter, und zu meiner Tochter übersiedle, die zufällig in München wohnt? Dann bekomme ich kein Pflegegeld mehr? Weil ich zu meiner Tochter über­siedle? Oder was tun Sie mit einem 60-jährigen Frühpensionisten, der eine schwere rheumatische Erkrankung hat, Pflegestufe 2 bekommt und dem die ärztlich Verantwort­lichen sagen, am besten für ihn ist, wenn er in der Wärme ist? Dieser Herr wohnt jetzt nicht mehr in Österreich, sondern in Mallorca, weil es da warm ist und das seiner rheu­matischen Erkrankung gut tut. – Diesem Herrn streichen Sie dann das Pflegegeld? Mit welcher Berechtigung und mit welchem Hintergrund? Alle haben denselben Anspruch, egal ob sie in Deutschland oder in Mallorca sind oder ob sie hier in Österreich Pflege und Betreuung in Anspruch nehmen!

Aus diesem Grund werden wir beiden Anträgen unsere Zustimmung verweigern. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

18.43


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Ing. Hofer zu Wort. 2 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte, Herr Kollege.

 


18.43.32

Abgeordneter Ing. Norbert Hofer (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Königsberger-Ludwig hat gemeint, das Pflegegeld sei eine Versicherungsleistung. – Das ist nicht korrekt! Das ist keine klassische Versi­cherungsleistung, Frau Königsberger-Ludwig, denn Sie bekommen auch dann Pflege­geld, wenn Sie nicht in einen Pflegeversicherungsfonds oder was auch immer einge­zahlt haben. Pflegegeld ist keine Versicherungsleistung, daher ist auch Ihre Argumen­tation nicht nachvollziehbar.

Aber jetzt zu den beiden Anträgen. Erstens: Gesundheitsmanager. Ich möchte ein Bei­spiel erzählen, warum ich das für ein gutes Modell halte. (Abg. Haidlmayr: Ich brauche keinen Gesundheitsmanager! Wenn ich krank bin, gehe ich zum Doktor!) Frau Kollegin Haidlmayr, bitte! Ich habe oft den Eindruck, Sie überziehen derart, dass Sie unserer Gruppe, die wir vertreten wollen, mehr schaden als nützen. (Beifall bei FPÖ, SPÖ, ÖVP und BZÖ.)

Ich möchte ein kurzes Beispiel bringen: Eine Dame, Unfall, Querschnittlähmung, wurde behandelt, ist dann nach Hause entlassen worden und bekommt Pflegegeld. Diese Da­me wohnt in einem kleinen Dorf. Tagsüber ist sie mit dem Rollstuhl hinausgeschoben worden auf die Straße – es ist bei uns in den burgenländischen Dörfern so üblich, dass sich dort viel abspielt, da sitzt man halt auf der Bank –, dort ist sie sehr lange geses­sen, und am Abend ist sie wieder ins Haus gebracht worden. Nach einiger Zeit ist die-


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se Dame wund gesessen, wurde wieder ins Spital eingeliefert, ist dort drei Monate lang betreut worden, behandelt worden – das kostet sehr viel Geld; dort kostet der Tag 600 € –, ist wieder nach Hause gekommen, wieder wund gesessen, wieder eingeliefert worden, wieder drei Monate Behandlung. Dann hat ein Pfleger mit dem Hausarzt Kon­takt aufgenommen, hat ihm das erzählt, und dieser hat dann darauf geachtet, dass die­se Dame nicht so lange im Rollstuhl sitzt, entlastet wird, einen anderen Polster be­kommt und die Pflege auch in Ordnung ist.

Deswegen ist der Gesundheitsmanager so wesentlich: damit das Pflegegeld wid­mungsgemäß verwendet wird, eben für diese Leistungen. Wenn ich den Rollstuhl mit der Patientin den ganzen Tag auf den Gehsteig hinausstelle, dann wird sie wund sit­zen, wenn sie sich nicht bewegt. Da wird das Pflegegeld kassiert, aber nicht wid­mungsgemäß verwendet; natürlich nicht absichtlich. – Erster Antrag.

Der zweite Antrag betrifft eine Empfehlung des Bundesrechnungshofes, die besagt, dass es in jenen Fällen, wo nicht geprüft werden kann, wie dieses Pflegegeld verwen­det wird, sinnvoll ist, diese Leistung ruhen zu lassen. Dieser Empfehlung sind wir mit diesem Antrag gefolgt. Ich möchte aber ausdrücklich betonen – darauf hat mich ein Kollege der Grünen aufmerksam gemacht –, dass ich damit nicht jene gemeint habe, die nach dem Opferfürsorgegesetz Pflegegeld beziehen. Das ist mir ganz, ganz wich­tig. Das war nicht meine Zielgruppe. Aber ich möchte doch dieser Empfehlung des Bundesrechnungshofes folgen und empfehlen, dass überall dort, wo man nicht prüfen kann, ob das Pflegegeld ordentlich verwendet wird, auch richtig verwendet wird, diese Leistungen ins Ausland nicht bezahlt werden sollten.

Die Beispiele, die Sie genannt haben, Frau Kollegin Mandak, kann ich nachvollziehen, aber es ist letztlich doch meine persönliche Entscheidung, ob ich mich von Österreich verabschiede und meinen Wohnsitz ganz woanders hin verlege, und somit kann ich auch keine Garantie darauf haben, dass ich diese Leistung aus Österreich bekomme. Sie haben wahrscheinlich eine andere Meinung, eine andere Ansicht – das ist meine persönliche Meinung.

Frau Kollegin Haidlmayr, ich möchte Ihnen nicht zu sehr nahetreten, aber wenn wir da­für eintreten, dass wir Behinderte – ich kann sagen „wir Behinderte“ – gleich behandelt werden wollen (Abg. Haidlmayr: Gleichgestellt!), gleichgestellt werden wollen, dann dürfen wir auch nicht hergehen und für uns Sonderrechte in Anspruch nehmen. Wenn es einen Ordnungsruf vom Präsidenten gibt, dann muss ich ihn zur Kenntnis nehmen. Das ist eben so, und da ist es egal, ob ich behindert oder nicht behindert bin. Ich glau­be, wir machen für unsere Klientel viel, wenn wir das auch so zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der FPÖ.)

18.47


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Ursula Haubner. 1 Minute freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Kollegin.

 


18.47.44

Abgeordnete Ursula Haubner (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesmi­nister! Hohes Haus! Über das Pflegegeld ist in der Debatte zum vorherigen Tagesord­nungspunkt schon sehr viel gesprochen worden. Ich möchte nur noch einmal sagen: Es ist eine der besten Sozialleistungen in diesem Land. Es ist eine hervorragende In­vestition dafür, dass Menschen frei entscheiden können, ob sie Leistungen zukaufen, ob sie Leistungen durch Familienangehörige abdecken, dass sie also wirklich flexibel sein können.

Natürlich ist es wichtig, immer wieder auf die richtige Verwendung des Pflegegeldes hinzuweisen, denn es ist sicher nicht dafür gedacht, dass man es seinem Enkelkind auf das Sparbuch legt, sondern dass man wirklich für seine eigene Pflege, für seine eigene


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Betreuung etwas tut. Überprüft wird mit einem Projekt, das schon vor einigen Jahren eingeführt wurde. Ich glaube, das ist ein gutes Projekt, weil es dabei in erster Linie um Beratung geht.

Kollege Hofer hat jetzt erklärt: Es geht letztendlich auch um die Beratung, um die fach­liche Betreuung und die fachliche Pflege. – Der Antrag betreffend zweckmäßige Ver­wendung würde die Entscheidungsfreiheit nämlich sehr einschränken. Dass jemand kontrolliert, dass ich das Geld zum Beispiel ja der richtigen Organisation gebe, das möchte ich nicht. Aber Sie haben das jetzt erklärt, und ich verstehe es. Ich glaube aber, wir brauchen diese Gesundheitsmanager nicht, denn man sollte zuerst einmal das überprüfen, evaluieren, was derzeit Stand der Dinge ist, und dann kann man sich immer in einem nächsten Schritt auch dahin gehend äußern.

Zum zweiten Antrag betreffend das Pflegegeld: Pflegegeld wird grundsätzlich für die im Inland Wohnhaften ausbezahlt. Es gibt natürlich durch die Mobilität, durch die offenen Grenzen immer wieder andere Möglichkeiten, Pflegegeld auch im Ausland zu bezie­hen; Kollegin Mandak hat ein sehr gutes Beispiel dafür genannt. Daher sage ich: Si­cher muss man darauf achten, dass nicht Missbrauch betrieben wird, aber grundsätz­lich zu sagen, dass für diejenigen, die sich im Ausland aufhalten, kein Pflegegeld be­zahlt wird, wird so nicht funktionieren. Daher werden wir auch diesen beiden Anträgen nicht unsere Zustimmung geben. (Beifall beim BZÖ.)

18.49


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Vorläufig letzte Rednerin in dieser Debatte ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


18.50.25

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Herr Minister! Herr Hofer, das, was Sie jetzt erzählt haben, und das, was in diesem Antrag steht, sind völlig andere Dinge. Ich lese Ihnen nur einen Satz vor:

„Der Nationalrat wolle beschließen:

,Die Bundesregierung wird aufgefordert, ... hinsichtlich seiner Effizienz zu prüfen und nach positiver Beurteilung den flächendeckenden Einsatz von Gesundheitsmanagern, die eine zweckwidrige Verwendung des Pflegegeldes aufgrund von Verwahrlosung be­urteilen, ....‘“

Das ist ein bisschen ein Unterschied. Eine zweckwidrige Verwendung – heißt das, wenn ich mir für mein Pflegegeld eine persönliche Assistenz leiste, die mit mir einkau­fen geht, anstatt vielleicht eine zusätzliche Windel, dann ist das eine Zweckentfrem­dung? Was meinen Sie damit? In Ihrem Antrag geht es um die „zweckwidrige Verwen­dung“, und wenn Sie die zweckwidrige Verwendung überprüfen wollen, dann heißt das nichts anderes, als dass Sie den Menschen unterstellen, dass sie ihr Pflegegeld zweckwidrig verwenden. – Und das tun sie nicht!

Außerdem, Herr Hofer, wissen Sie ganz genau, dass die Träger, die das Pflegegeld ausbezahlen, laut ihren Vereinbarungen, den 15a-Vereinbarungen, jederzeit die wid­mungsgemäße – nicht die zweckwidrige, sondern die widmungsgemäße – Verwen­dung des Pflegegeldes überprüfen können, und zwar seit 1. Juli 1993.

Noch etwas, Herr Hofer! Es wird mir ein Gesundheitsmanager nichts bringen, wenn ich vor der Tür fünf Stufen zu bewältigen habe, aber mir wird mein „Gesundheitsmanager“, nämlich mein Hausarzt, etwas bringen, wenn ich krank bin. Sie dürfen nicht davon aus­gehen, dass alle PflegegeldbezieherInnen automatisch krank sind. Die sind nicht krank. Manche sind zusätzlich krank, manche sind nur behindert – und da braucht es keinen Gesundheitsmanager. – Das einmal zu dem einen Antrag.


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Mit dem zweiten Antrag wollen Sie, Herr Hofer, die Einstellung des Pflegegeldes für Personen, die im Ausland leben. – Ist das wirklich Ihr Ernst? Das kann doch nicht tat­sächlich Ihr Ernst sein!

Ich sage Ihnen auch ein Beispiel: Ein Freund von mir ist in Wien – er ist aus Bosnien – auf einer Baustelle in den Stromkreis geraten. Er ist jetzt schwerstbehindert. Es war ein Arbeitsunfall, er bekommt Pflegegeld und ist jetzt natürlich nach Bosnien zurückgezo­gen, weil er sich dort seine Betreuung organisieren kann, was er hier nicht machen könnte. – Dem wollen Sie das Pflegegeld wegnehmen? Ist das tatsächlich ernst ge­meint?

Noch etwas: Unterstellen Sie mir nicht, dass ich unter Umständen unseren Leuten, nämlich den Menschen mit Behinderungen, mehr schade als helfe! Das machen schon Sie. Sie schaden ihnen nämlich spätestens dann, wenn sie Ausländer sind oder im Ausland leben. – Das ist keine Politik für Menschen mit Behinderungen, denn wir las­sen uns nicht ganz einfach auseinanderdividieren, auch nicht von den Freiheitlichen. Das gibt es bei uns nicht.

Jetzt möchte aber noch etwas anderes sagen, Herr Minister, denn ich weiß nicht, ob Sie im Herbst noch Minister sind; wir wissen es beide nicht, sagen wir einmal so: Wir kennen uns schon sehr lange, seit 23 Jahren, wir sind viele Wege gemeinsam gegan­gen, haben uns immer wieder getroffen. In meinem vorigen Job war der Herr Minister derjenige, der aufgepasst hat, ob ich alles richtig mache, diesmal war es umgekehrt. Ich möchte Ihnen danken, aber nicht, weil Sie so positive Arbeit geleistet haben – in diesem Fall hätte ich Sie nicht ständig kritisieren müssen; unsere Ansprüche waren eben unterschiedliche –, sondern weil wir uns immer auf Augenhöhe begegnet sind und weil wir hart gekämpft haben für Forderungen, uns aber immer gegenseitig als Menschen respektiert und dies nie aufgegeben haben. Ich wünsche mir, dass wir das auch weiterhin so halten können.

Ich möchte das hier ganz bewusst sagen, weil es ganz, ganz wichtig ist, dass auch nichtbehinderte Menschen mit uns auf Augenhöhe diskutieren und nicht über uns ste­hen – denn sie sind nicht größer, sie stehen nur! (Beifall bei den Grünen sowie bei Ab­geordneten der SPÖ.)

18.54


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen daher zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 625 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Ferner gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 626 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

18.55.4913. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 247/A(E) der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend Er-


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stellung einer Studie über die ökonomischen und sozialen Auswirkungen von Zuwanderung nach Österreich und die damit verbundenen Auswirkungen auf den Sozialstaat (627 d.B.)

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Wir gelangen nun zum 13. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen daher sogleich in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Klubobmann Strache. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschrän­kung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


18.56.19

Abgeordneter Heinz-Christian Strache (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schon seit geraumer Zeit fordern wir eine Studie ein und haben auch immer wieder Anträge dazu eingebracht, um die Kosten der Zuwanderung nach Österreich einmal genau zu errechnen, transparent zu machen, aufzuzeigen, aber leider Gottes haben das bis dato die anderen Fraktionen hier in diesem Haus verhindert. Man ist nicht bereit, in diesem Bereich Fakten auf den Tisch zu legen, damit wir den Österreichern einmal darlegen können, wie die Realität aussieht. Als unser diesbezüglicher Antrag zum ersten Mal im Ausschuss verhandelt wurde, hat leider Gottes auch das BZÖ dagegengestimmt. Erst beim zweiten Mal hat sich das BZÖ durchringen können, zuzustimmen. Das ist einmal ein richtiger Schritt, ein Schritt in die richtige Richtung.

Ich darf an dieser Stelle vielleicht auch Experten zitieren, nämlich Frau Eva Pichler, die in einem „Presse“-Gastkommentar – sie ist Universitätsprofessorin am Institut für Volkswirtschaftspolitik und Industrieökonomik der Wirtschaftsuniversität Wien – am 8. März 2007 Folgendes gesagt hat:

„Österreich ist nicht nur ein begehrtes Zielland für Asylanten und Familienangehörige, auch werden vom Sozialstaat magnetisch unqualifizierte Arbeitsmigranten stärker als qualifizierte angezogen.“

Jetzt kann man sagen: Das ist ein Vergleich, den sie da gemacht hat! Das könnte man auch mit einer Allegorie gleichstellen: Da werden manche aufgrund unseres Sozialsys­tems – wie das Licht eben auch Motten anzieht – angezogen, um dieses Sozialsystem zu nützen, sprich zu missbrauchen. Wir wissen, dass dieser Missbrauch stattfindet – und er ist bis heute nicht abgestellt worden. (Präsidentin Dr. Glawischnig-Piesczek übernimmt den Vorsitz.)

Wir Freiheitlichen sagen daher auch: Wenn wir heute den Sozialstaat in Österreich be­urteilen und feststellen müssen, dass oftmals viele, viele Leistungen eingespart wer­den, auf dem Rücken von Staatsbürgern, sprich auf dem Rücken von Österreichern, weil angeblich kein Geld vorhanden ist, dann müssen wir uns schon die Frage stellen: Warum fehlt manchmal das Geld? Ist man nicht bereit, den Sozialstaat entsprechend aufrechtzuerhalten, oder fehlt das Geld wirklich, weil Nichtstaatsbürger in diesen So­zialstaat – wenn man so will – zugewandert sind und vom ersten Tag an fast alle Son­derleistungen in Anspruch nehmen können? Familienbeihilfe, Kindergeld, soziale Woh­nungen und sonstige Sonderleistungen sind nicht mehr auf die Staatsbürgerschaft aus­gerichtet, obwohl das vernünftig wäre.

Beispiel Europäische Union, weil ich immer höre: Das geht nicht! – „Das geht nicht!“, heißt in Wirklichkeit: „Ich will nicht!“, denn in Dänemark, einem Europäischen Unions­land, gibt es diese Differenzierung. Dort gibt es das Staatsbürgerrecht, obwohl es sich um ein Land der Europäischen Union handelt. Dort gibt es bei Sonderleistungen Staatsbürgerrechte, dort gibt es gewisse Sonderleistungen nur für Staatsbürger. (Bei­fall bei der FPÖ.)


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Das ist etwas Vernünftiges. Darüber sollten wir nachdenken, wenn wir den Sozialstaat sicherstellen wollen. Wir wollen nicht weiter den linken Lebenslügen auf den Leim ge­hen, die wir in den letzten Jahrzehnten hier immer wieder gehört haben. Es wurde uns immer gesagt, der Sozialstaat ist nur dann aufrechtzuerhalten, wenn wir die Massenzu­wanderung vorantreiben. Wir brauchen quasi die Massenzuwanderung, sonst wird der Sozialstaat nicht mehr finanzierbar sein, werden die Pensionen nicht mehr finanzierbar sein. – Heute wissen wir aus der Realität, dass das Gegenteil der Fall ist. Die Sozial­töpfe sind durch die Massenzuwanderung nicht zum Bersten gefüllt, dass wir unsere Pensionen sichern können, den Sozialstaat sichern können, sondern das Gegenteil ist der Fall: Sie sind leider Gottes fast ausgeräumt!

Das hat einen Grund: weil, was viele Experten heute auch sagen, Zuwanderung in der Regel den Staat die ersten 25 Jahre wesentlich mehr kostet, als sie bringt, und daher ein Minusgeschäft ist, wenn man nicht darauf achtet, wer zu einem kommt, welche Qualifikation derjenige hat, ob er eine Arbeit hat und Steuern zahlt oder eben nicht ar­beitet und dem Sozialsystem auf der Tasche liegt. Und genau deshalb müssen wir hier neue Kriterien diskutieren und auch sicherstellen, um den Missbrauch in diesem Be­reich abzustellen, dass wir wirklich Leistungsträger in unsere Gesellschaft bekommen und nicht Menschen, die nur hierherkommen, um dieses System zu missbrauchen.

Natürlich muss man auch kritisch festmachen, dass die Wirtschaft oder auch Teile der Industriellenvereinigung immer wieder hier schon ein Interesse haben und damit argu­mentieren, dass wir qualifizierte Fachkräfte brauchen. – Ja, aber in erster Linie brau­chen wir qualifizierte Fachkräfte in Österreich. Wir wollen österreichische Arbeitskräfte hier fachlich qualifiziert ausgebildet wissen, das sollte der Schwerpunkt Nummer 1 sein, und wir sollten hier nicht einen Verdrängungswettbewerb zum Besten geben. Wenn Menschen gebraucht werden, dann sollen sie auch die Möglichkeit haben, zu uns zu kommen, ja, dann sollen sie auch die Möglichkeit haben, hier zu arbeiten und auch Steuern zu zahlen, hier zu leben und sich zu integrieren. Nur: Wenn  jemand dann nach einem oder eineinhalb Jahren seinen Arbeitsplatz verliert und keinen mehr findet, dann soll er bitte nicht auf Dauer die Möglichkeit haben, hier im Land zu verblei­ben und auf ewig sozusagen vom Sozialstaat zu leben. Hier muss man eingreifen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir wollen, dass in diesem Bereich endlich einmal Klarheit darüber herrscht: Wie sieht es wirklich aus? Wir wollen eine eigene Gastarbeitersozialversicherung, wir wollen hier Kostenwahrheit, aber auch Leistungsgerechtigkeit – Kostenwahrheit, damit wir endlich wissen, was das wirklich kostet, was es den österreichischen Steuerzahler kostet. Wir wissen, dass unser Sozialsystem über mehrere Generationen entstanden ist. Nicht wir haben das Sozialsystem aufgebaut, sondern das ist generationsübergreifend entstan­den; drei Generationen haben hier eingezahlt, damit wir ein System in diesem Bereich sicherstellen konnten. Wir sagen daher, es wäre auch sehr vernünftig, über eine Gast­arbeitersozialversicherung nachzudenken, um Leistungsgerechtigkeit herzustellen, dass eben nicht jeder, der zu uns kommt, ab dem ersten Tag alle Anspruchsleistungen, nämlich auch soziale Sonderleistungen, haben kann.

Das wäre ein wichtiger Punkt, um endlich den Sozialstaat auf Dauer zu sichern, näm­lich für den Staatsbürger, dem gegenüber wir in erster Linie verantwortlich sind. Wir wollen daher diesen Missbrauch, der entstanden ist, abgeschafft wissen, und dazu braucht es eine Grundlage – die Grundlage einer Studie. Und ich verstehe nicht, dass Sie sich so sträuben, diese Studie zu genehmigen, dass Sie dagegen sind. Sie sagen ja immer, das, was wir sagen, stimme nicht. Da wäre es doch ein Leichtes, dass Sie unserem Antrag auf eine Studie zustimmen, damit Sie uns endlich den Wind aus den Segeln nehmen können, damit Sie endlich, Herr Minister, sagen können: Ich habe es schwarz auf weiß, dass das, was die Freiheitlichen sagen, nicht stimmt! (Beifall bei der FPÖ.)


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Aber Sie wissen offenbar, dass das, was wir sagen, richtig ist. Deshalb haben Sie Angst vor dieser Studie, und deshalb sind Sie nicht bereit, diese Studie zu machen, weil Sie nämlich dann selbst entlarvt würden, und zwar insofern, als alle Ihre Argumen­te, die Sie bis dato gebracht haben, nicht stimmig sind und Sie ein schlechtes Gewis­sen haben müssen. (Beifall bei der FPÖ.)

Zum Abschluss ein Zitat des Chefs des deutschen ifo Instituts für Wirtschaftsforschung Hans-Werner Sinn. Dieser sagte in einem Gespräch mit der „Stuttgarter Zeitung“ am 22. April 2006 Folgendes – ich zitiere –:

Wichtig ist freilich, dass Zuwandernde nur verzögert in das Sozialsystem integriert wer­den. Indirekte Immigration in den Sozialstaat, die wir 30 Jahre lang hatten, muss ein Ende haben. Und er sagt weiters, dass diese ersten drei Jahrzehnte ein Zuwanderer den Staat im Durchschnitt 2 500 € pro Jahr kostet. – Zitatende.

Wenn man die Zuwanderungsquoten der letzten 30 Jahre hernimmt und wir heute in etwa von 900 000 Zuwanderern in Österreich reden, dann kann man sich durchaus ausrechnen, von welcher Summe wir da reden. Und da sollten wir uns schon überle­gen, ob es nicht gescheit gewesen wäre, schon vor 30 Jahren diese Summe in die Fa­milienförderungspolitik zu investieren, damit wir in unserer eigenen Gesellschaft wieder mehr Kinder und zusätzliche neue Arbeitskräfte haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich glaube, wir sollten ganz offen über diese falsche demographische und sozialpoliti­sche Entwicklung reden und nicht wieder mit irgendwelchen Totschlagargumenten kommen, das sei angeblich menschen- oder ausländerfeindlich – Unsinn! Wir wollen menschenfreundlich sein, und wir sind den Staatsbürgern verpflichtet, und da haben wir eine Verantwortung, und die wollen wir sicherstellen. (Beifall bei der FPÖ.)

19.04


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Krist. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.04.58

Abgeordneter Hermann Krist (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundesmi­nister! Hohes Haus! In Wahlzeiten, habe ich immer so den Eindruck, kommt immer wieder dieses alte Trauma der FPÖ zum Vorschein: Ganz Österreich ist von Auslän­dern umzingelt, und jedes Eindringen insbesondere von Asylsuchenden, von Familien­mitgliedern, von Wirtschaftsflüchtlingen muss verhindert werden. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Man zitiert Experten zum Teil verkürzt, komplett falsch oder sehr eigenwillig. Zumindest interpretiert man die Aussagen. Meistens operiert man auch mit Zahlen, die durch nichts zu belegen sind. (Abg. Strache: Dann machen Sie doch die Studie!) In jedem Fall sollen einzelne Gruppen gegeneinander ausgespielt werden, Neid und Missgunst sollen geschürt werden und mit unglaublichen Wortspielereien Ängste und Aufregung provoziert werden. (Abg. Strache: Warum sträuben Sie sich dann so gegen die Stu­die?)

Ein Beispiel. Kollege Strache, du hast vor kurzem in einem „profil“-Interview, nachzule­sen, gesagt: Wisst ihr, was eine Maul- und Klauenseuche ist? Wenn osteuropäische Arbeiter im Westen arbeiten müssen, dann maulen sie, und wenn sie nicht arbeiten, dann klauen sie. (Abg. Strache: Das ist schon lange her!)

Meine Damen und Herren, solche Aussagen sind absolut menschenunwürdig! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strache: Ein allegorischer Vergleich! Das ist schon lange her, das ist aus dem Jahr 2005!) Wer Menschen – egal aus welchem Land – derartig verun­glimpft, will keine sachlichen Gründe hinter einer Studie finden, sondern sein versteck-


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tes Ziel, nämlich in Bezug auf diese Studie, ist nichts anderes als Spaltung und Förde­rung von Intoleranz und Neid, und das lehnen wir SozialdemokratInnen entschieden ab! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben es heute am Vormittag gehört: Sozialversicherungsträger zusammenlegen, eine für Österreicher, eine für Ausländer. (Abg. Strache: Ihr kürzt lieber den Österrei­chern Sozialleistungen!) Dieser Logik folgend würde dann bei der nächsten Regie­rungsbeteiligung der FPÖ, zu der es hoffentlich nie kommt, als Nächstes kommen: Kin­dergärten trennen, Schulen trennen, Wohnblöcke trennen, Betriebe trennen, Menschen ausweisen.

Es gibt sogar einen jungen FPÖ-Funktionär in Oberösterreich, der die Meinung vertritt, dass Fußballspieler mit nichtdeutscher Muttersprache in einer Kampfmannschaft nichts verloren haben. – Unvorstellbar, unvorstellbar! Ich kann es beweisen, kein Problem.

Das Programm der FPÖ ist immer schon gewesen: Einbunkern, Ängste schüren, Aus­länder diffamieren! – Das lehnen wir ab, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Unser Zugang zum Thema Flüchtlinge, Asylsuchende, Familienzusammenführung, Zu­wanderer ist: Problem erkennen, Herausforderung annehmen, menschliche Lösungen finden. (Abg. Strache: Und was spricht jetzt gegen die Studie?) Das Miteinander, mei­ne Damen und Herren, ist allemal besser, als Intoleranz aufzubauen und so den sozia­len Frieden unseres Landes, um den uns viele Länder auf dieser Erde beneiden, aufs Spiel zu setzen. (Abg. Strache: Welches Argument spricht gegen die Studie, Herr Kol­lege?)

Dieser Antrag auf Spaltung der Bevölkerungsgruppen, auf weiteres gegenseitiges Aus­spielen von Nationalitäten, von Familien und von Menschen, die aus verschiedensten Gründen verfolgt werden, wird von uns keinesfalls unterstützt! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strache: Vom Staatsbürgerrecht haben Sie überhaupt noch nichts gehört! Das hat schon der Herr Faymann in Wien ausgehöhlt!)

19.07


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Haubner. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.07.57

Abgeordnete Ursula Haubner (BZÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Genauso emotional, wie jetzt die Diskussion schon wieder gelaufen ist, ist es auch zwei Mal im Ausschuss gewesen. Es war eine Diskussion zwischen ganz Rechts und ganz Links, wo man sich gegenseitig vorgeworfen hat, dass die Zahlen nicht stim­men, die hier angeführt werden, dass verallgemeinert wird, und so weiter.

Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Gerade aus diesen Gründen, dass wir end­lich einmal darüber eine sachliche Diskussion führen können, eine sachliche Diskus­sion auf Basis von Daten und Fakten, die Österreich-relevant sind, stimmen wir dieser Studie zu! Ich glaube, dann, wenn eine Studie vorliegt, kann jede Partei ihre Schlüsse daraus ziehen, und über diese diskutieren wir dann auch wieder in diesem Haus. Und das BZÖ wird auch seine Schlüsse daraus ziehen. (Beifall beim BZÖ.)

Aber so zu reden und sich nur gegenseitig etwas vorzuwerfen, ohne eigentlich genau zu wissen, welche Zahlen und Daten für Österreich relevant sind, das ist für mich keine seriöse Diskussion. Aus diesem Grund stimmen wir dieser Studie zu. (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

19.09


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 



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19.09.17

Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Minister! Ho­hes Haus! Die Kollegin Haubner wünscht sich eine sachliche Debatte und eine Studie. Ich weiß nicht genau, wie viele Studien noch. Ich werde jetzt gleich welche nennen, es gibt nämlich die Studien schon, allein man muss sie auch lesen wollen.

Das Problem mit dem Klubobmann Strache ist, dass man eine sachliche Diskussion mit ihm schwer führen kann, weil er hauptsächlich die drei Urängste der Freiheitlichen abwechselnd bemüht, in diesem Fall die vor den Ausländern. (Abg. Strache: Sie tun sich schon mit anderen Meinungen schwer! Für Sie ist es sehr schwer, andere Meinun­gen zuzulassen!)

Den Sozialstaat gibt es bei Ihnen ja offenkundig nur für Inländer und vermutlich auch nur in der männlichen Form. Was Sie wollen, ist ein nationaler Sozialstaat. Da wird mir ein bisschen schwummerlig dabei. Jedenfalls kann ich Ihnen eines sagen: Mit den Grü­nen wird es Apartheid im Sozialsystem in Österreich nicht geben! (Beifall bei den Grü­nen.)

Das ist das Wesen eines Sozialstaates.

Wenn Sie ein paar Zahlen wollen, Frau Kollegin Haubner, ich habe den Bericht vom Wifo Österreich hier. Wenn man sich die Einzahlungen von MigrantInnen in das Sozial­system versus Auszahlungen ansieht, dann sieht man, dass pro Person Einzahlungen ins System von 1 763 € Auszahlungen von 1 165 € gegenüberstehen. Das heißt, schon jetzt gibt es netto eine Einzahlung.

Jetzt kann man sich natürlich fragen, ob man nicht noch etwas verbessern kann. Natür­lich! In dem Moment, wo man den Arbeitsmarktzugang für MigrantInnen erleichtert, ha­ben diese ein Arbeitseinkommen, das heißt, sie zahlen Einkommensteuer, sie zahlen Sozialversicherungsbeiträge, Lohnsteuer und brauchen weniger Sozialtransfers. Das Logischste wäre daher, herzugehen und zu sagen: Wer legal in Österreich lebt, hat automatisch legal Zugang zum Arbeitsmarkt. Das ist das, was das Sozialsystem ganz eindeutig rasch entlasten könnte. Und das sollte zumindest für Flüchtlinge, die ja nicht freiwillig kommen, gelten. (Abg. Strache: Vielleicht für diese georgischen Asylwerber, die als Kriminelle unterwegs sind quer durch Österreich!)

Das ist doch menschenverachtend, Menschen jahrelang zu zwingen, darauf zu warten, dass sie irgendetwas tun dürfen, und gleichzeitig noch darüber zu jammern, dass man ihnen die Grundversorgung zahlen muss.

Wir haben noch eine Studie, Frau Kollegin Haubner. Das wäre auch etwas für Sie, Herr Strache, falls Sie zwischendurch einmal etwas lesen wollen. Die Bertelsmann-Studie rechnet für Deutschland aus, was die Kosten von nicht erfolgter Integration sind, überall dort, wo der Staat Integration verhindert oder nicht ausreichend fördert, vor al­lem die fehlende Integration in den Arbeitsmarkt. Für Deutschland sind es je nach Re­chenmodell, drei werden vorgestellt, zwischen 12 und 15 Milliarden € pro Jahr. In Ös­terreich ist die Situation sicher in etwa gleich, das heißt, unser Wert wird etwa bei einem Zehntel liegen. Das heißt, wir haben enorme Kosten dadurch, dass wir Integra­tion behindern.

Es sollte daher die logische Folgerung sein: Wir brauchen vor allem verbesserte Inte­gration, verbesserten Arbeitsmarktzugang für Migranten und Migrantinnen. Das Letzte, was wir brauchen, ist eine Studie mit erkennbarer Absicht, die sich die Freiheitlichen für den Wahlkampf da gerne bestellen würden. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Stra­che: Sie haben Angst vor der Realität!)

19.12


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kickl. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 194

19.12.52

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Her­ren! Zunächst zum Kollegen Krist, der offensichtlich irgendetwas in die falsche Kehle bekommen hat, was die Zusammenstellung von Fußballmannschaften betrifft. Er sollte das eigentlich besser wissen als Vorsitzender des Sportausschusses, wo es doch da­rum geht, dass heimische Fußballer auch ihre Chance haben und überhaupt noch ein Leiberl in einer Kampfmannschaft finden, und das von der Jugend auf. Das ist der Hin­tergrund solcher Regelungen. Und ich muss Ihnen, glaube ich, nicht ausdrücklich sa­gen, dass selbst die EU in ihren entsprechenden Weißbüchern und Richtlinien solche Dinge vorsieht und es ausdrücklich gutheißt, dass der heimische Nachwuchs durch solche Kontingentierungen geschützt wird. Das ist einmal das eine. (Beifall bei der FPÖ.)

Zum anderen, meine Damen und Herren: Wir diskutieren jetzt über diese Studie nicht das erste Mal, und natürlich ist es Ihr gutes Recht, das abzulehnen, no na. Aber was mir damals schon beim ersten Mal im Ausschuss gefehlt hat und heute wieder fehlt, das ist im Grunde genommen eine sachliche Begründung dieser Ablehnung. (Abg. Öl­linger: Der war gut, der Schmäh!) Das ist genau der Punkt: eine sachliche Begrün­dung, die man als zureichend bezeichnen kann. (Abg. Strache: Die können das nur populistisch ablehnen, anders geht das gar nicht!)

Ich habe damals vieles gehört im Ausschuss, und heute habe ich auch wieder vieles gehört, aber das geht am Kern der Sache vorbei. Das ist schon interessant: Die grüne Fraktion insbesondere und die SPÖ als Teil der linken Reichshälfte, das sind diejeni­gen, die sich sonst überall aufplustern, um sozusagen als Tabubrecher aktiv zu wer­den, die sich einen Spaß daraus machen, jedes Tabu zu brechen, das ist eine ihrer Lieblingssportarten. Aber wenn Sie dann hergehen und die Themen Zuwanderung und Kosten zusammenbringen, dann hauen sie den großen Tabusack drüber, dann darf darüber nicht diskutiert werden, und dann gibt es da offensichtlich ein Gesprächsver­bot. Und das ist schon etwas sehr Seltsames. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich finde das schon interessant, weil überall anders hängen Sie sich diese Vokabeln gerne um: Evaluierung, Erhebung, Leistungsnachweis und alles Mögliche, um zu schauen, ob das Steuergeld, das von den Inländern, von den Staatsbürgern bezahlt wird, auch entsprechend verwendet wird. Nur in diesem einen Punkt geht das seltsa­merweise nicht.

Es gibt ja nur die zwei Möglichkeiten, Kollege Öllinger: Entweder Sie haben recht, dann ist der Tag, wo diese Studie erscheint, ein Feiertag für die Grünbewegung – oder wir haben recht, und die Indizien, die wir bisher haben, sprechen sehr dafür, dass wir recht haben. Und dann werden Sie sich überlegen müssen, wie Sie das in Zukunft argumen­tieren. Mit Ihrem Gutmenschentum allein wird es dann nicht getan sein. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie sollten sich ein bissel mehr um die Rechte und die Interessen der Staatsbürger kümmern. Es ist ja sehr lobenswert, dass Sie sich auch für Tierschützer einsetzen, da waren heute interessante Aspekte dabei, aber da sind auch Leute dabei, so wie ich mich erkundigt habe, die auf abstruse Ideen kommen, etwa den Menschenaffen Men­schenrechte zu geben. Und ich bin mir sicher, dass man da auch in Ihrer Fraktion ein paar Befürworter von solchen Ideen finden kann. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, was man nicht machen kann, ist, ganz einfach zu sagen: Jeder, der eine solche Studie fordert, gehört in die Pfui-Abteilung, das ist ein ganz schlimmes Tabu, das ist etwas Unmenschliches, das darf man nicht machen! (Abg. Dr. Pirklhuber: Antihumanistisch ist das! Ein Kastensystem wollen Sie! Das ist men­schenverachtend!) Das hat mit Seriosität überhaupt nichts zu tun. Gehen Sie doch her


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 195

und nehmen Sie dieses Zahlenmaterial; besonders Kollege Öllinger macht sich ja im­mer die Mühe, diese Texte auseinanderzuklauben und zu sagen: Das ist unzureichend, das kommt aus Deutschland, da hat man nur einen Teil untersucht! Ja, so kann man argumentieren, aber man kann so nicht argumentieren, wenn man damit unseren An­satz widerlegen will, dass wir endlich Zahlenmaterial für Österreich brauchen, denn da beißt sich die Katze in den Schwanz. (Beifall bei der FPÖ.)

Kollege Riepl, Sie haben im Sozialausschuss gemeint, weil wir gesagt haben, dass es eine ausufernde Zuwanderung in den letzten Jahren gegeben hat, Sie freuen sich schon auf dieses Papier, Sie werden es nach Ottakring in den Wahlkampf mitnehmen, der jetzt früher gekommen ist, als es Ihnen vielleicht lieb ist. Sie haben vergessen, da­zuzusagen, dass Sie die entsprechenden Passagen übersetzen werden müssen, denn sonst werden Sie es dort nicht mehr zum Einsatz bringen können, bei der Klientel, für die Sie sich einsetzen.

Meine Damen und Herren, da nützt es auch nichts – und da ist auch der Kollege Öllin­ger Spezialist –, dann zu sagen: Das kann nicht stimmen, denn das haben ja Leute ge­macht, die eine ganz andere Intention haben! Und es ist richtig, der Herr Sinn ist si­cherlich kein Vertreter des Sozialstaates, das war nicht seine Intention, den Sozialstaat voranzutreiben, das ist ein klassischer Neoliberaler. Das ist richtig, aber deswegen heißt das noch lange nicht, dass das, was er an Zahlenmaterial herausbekommen hat, falsch ist.

Sie würden ja auch nicht sagen, dass die Physik deswegen nicht stimmt, weil man spä­ter aus den Erkenntnissen eine Atombombe gebaut hat. Die physikalischen Gesetze sind die Grundlage, um das eine daraus zu machen oder das andere. Und diese Grundlagen sind es, die wir uns wünschen. (Beifall bei der FPÖ.)

Im Grunde genommen sollten Sie sich endlich dazu durchringen, weniger dogmatisch zu sein, sich einmal von Ihren Vorurteilen gegenüber einer solchen Studie befreien und vielleicht dazu finden, die Vorteile einer solchen Studie zu erkennen. (Beifall bei der FPÖ.)

19.18


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemel­det.

Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 627 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

19.18.2814. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 709/A(E) der Abgeordneten Ursula Haubner und Kollegen betreffend Einführung eines Gene­rationengeldes in Österreich (628 d.B.)

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Wir kommen nun zum 14. Punkt der Ta­gesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lautenschlager. – Bitte, Herr Abge­ordneter.

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 196

19.19.18

Abgeordneter Hartmann Lautenschlager (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! – Auf der Ministerbank sitzt niemand. – Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Diese Regierung liegt in den letzten Zügen – das einzig Positive, das man der Sache abge­winnen kann. Vor allem die Aufbaugeneration und allen voran die Frauen können sich bei dieser Regierung bedanken.

Die Sozialdemokratie ist angetreten, den Frauen zu helfen, die Situation der Frauen zu verbessern – aber geschehen ist nichts! Die Aufbaugeneration wurde sträflich vernach­lässigt. Auf die Frauen, die für die Pflege der Angehörigen, für die Betreuung der Kin­der nach der Geburt, für all diese Dinge kostenlos zur Verfügung gestanden sind, ist in dieser Solidargemeinschaft einfach vergessen worden. Anstatt dafür zu sorgen, dass sie eine eigene Pension erhalten, wurden sie vergessen, wurde das einfach überse­hen. Es wurde darüber überhaupt nicht geredet. Und das ist das Erschütternde an der ganzen Geschichte!

Ich brauche nur zu denken an die Pflege der nächsten Angehörigen, die diese Genera­tion von Frauen geleistet hat, im Sinne der Solidarität der Gesellschaft. Und was haben sie dafür bekommen? – Nichts! Sie werden für ihre Leistung weder bezahlt, noch wird ihnen irgendeine Entschädigung angeboten, sie werden ganz einfach vergessen.

Gerade die Herrschaften in der letzten Regierung waren es, die versprochen haben, für die Frauen zu sorgen, vor allem für jene Generation von Frauen zu sorgen, die den Aufbau mitgetragen und mitgeleistet haben. – Geschehen ist nichts! Es tut mir leid, dass ich das sagen muss.

Das war so auch bei der letzten Pensionsanpassung. Was ist passiert? Die Masse der Frauen hat die niedrigsten Pensionen, aber was haben diese Frauen als Erhöhung be­kommen? – 1,7 Prozent. Das ist erschütternd! Wir fordern 2,4 Prozent. Nur gegeben wird es nicht. Und da hätte ich eine Frage an die Regierung. Aber es ist leider niemand hier, den ich ansprechen könnte. (Abg. Strache: Es sind alle schlafen gegangen! – Abg. Dr. Cap: Es sind eh alle da!) Ich sehe niemanden. Es tut mir leid. (Rufe und Ge­genrufe zwischen Abgeordneten von FPÖ und ÖVP.) – Darf ich weiter fortsetzen?

Bei der letzten Pensionsanpassung wurde auch auf die Pensionserhöhung bezie­hungsweise Pensionsanpassung bei dieser Generationen von Frauen vergessen. Ob mit Absicht oder nicht, das will ich hier nicht beurteilen. Auf jeden Fall sind diese Frau­en auf das Schwerste benachteiligt. Sie haben ihre Hauptlebenszeit in der Solidarar­beit, und zwar mit der Pflege von Angehörigen, mit Kinder kriegen, mit Kinder aufzie­hen und Kinder versorgen verbraucht und stehen heute da mit einer, wenn man es hoch ansetzt, Mindestpension in der Höhe von 400 € oder sind, wie es oft der Fall ist, von ihrem Gatten abhängig.

Auf der einen Seite wird über Gender gesprochen, auf der anderen Seite, wo es mög­lich wäre, solche Dinge zu verändern, vor allem zugunsten der Frauen, geschieht aber gar nichts. Darauf wird einfach vergessen, es wird übersehen. (Beifall bei der FPÖ.) Dabei sind diese kostenlosen Leistungen zurzeit für unsere Gesellschaft absolut le­bensnotwendig, ja sogar überlebensnotwendig. Das möchte ich auch noch hinzufügen.

Wenn ich daran denke, dass sich der Herr Noch-Bundeskanzler Gusenbauer – das Wort „Noch-Bundeskanzler“ möchte ich unterstreichen – in einem Brief an die Bürger gewandt hat – es ist ohnehin schon Tradition bei den Sozialdemokraten, einen Pen­sionsbrief sozusagen auf die Reise zu schicken – und dass das Ganze, wie man dann vom Herrn Kalina, der leider in seiner Partei nichts mehr zu sagen hat, erfahren konn­te, 200 000 € gekostet hat, dann muss ich sagen: Mit diesem Geld hätten wir viele an­dere Dinge machen können, sinnvollere Sachen. Der Brief an die „Kronen-Zeitung“ wird wahrscheinlich viel billiger gewesen sein, 2,50 € vielleicht, wenn überhaupt so viel.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 197

In diesem Brief wurde unter anderem erklärt, dass die Vorgängerregierung bei den Pensionen nichts gemacht hat, um die Lage der Pensionisten zu verbessern. – Gut, das stimmt; darüber brauchen wir nicht zu reden. Aber ob es richtig war, diese Briefak­tion zu machen, ist eine andere Frage.

Nächster Punkt: Die Vorgängerregierung hat auch zugegeben, dass die Teuerungen exorbitant hoch sind und dass man dagegen etwas tun muss. Geschehen ist leider bis­her nichts! Das ist unanständig! Das muss ich Euch sagen, geschätzte Damen und Herren. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Da lacht irgendjemand. Dem muss es lustig vorkommen, dass es Leute gibt, die sich um den Zwanzigsten des Monats herum keine Milch oder kein Brot mehr kaufen kön­nen. Ich habe das erhoben, geschätzte Damen und Herren. Ich war mit meinen Kolle­gen in zirka 600 Haushalten, und dort haben wir uns angeschaut, was los ist, wie es dort den Leuten geht.

Es gibt Haushalte, die ein Monatseinkommen von 470 € haben – ich nenne das jetzt als Beispiel –, und die Miete kostet 310 €, mittags müssen diese Leute mit dem Häferl zu den Padres oder zu den Schwestern in die Klöster gehen, um überhaupt ein Essen zu erhalten, ein warmes Essen einmal am Tag. (Abg. Dr. Pirklhuber: Eine Schande ist es, dass es das überhaupt gibt!) Was sagen Sie? Ich verstehe kein Wort. Sie müssen deutlicher reden. Gewöhnen Sie sich einen anderen Dialekt an! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich will nur darauf hinweisen, wie es bei uns in Österreich wirklich ausschaut. Das Elend grassiert und wird immer mehr und es ergreift auch den Mittelstand. (Abg. Dr. Pirklhuber: Ich bin voll bei Ihnen! Sie haben mich nicht verstanden!) Und wenn Sie Pech haben, Kollege – ich weiß nicht einmal, wie Sie heißen, ich bin neu hier –, pas­siert Ihnen das Gleiche im späten Alter. Seien Sie vorsichtig! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Pirklhuber.)

Ich wäre vorsichtig an Ihrer Stelle. Das kann passieren, glauben Sie mir das. Und wenn Sie dann zu den Padres um eine Suppe gehen müssen, damit Sie einmal am Tag et­was Warmes im Bauch haben ... (Abg. Neubauer gibt dem Redner ein Zeichen, dass seine Redezeit abgelaufen ist.) – Ich sehe noch kein rotes Licht leuchten.

Im Grunde genommen ist die Situation die: Das Ganze läuft immer mehr in Richtung Unanständigkeit. Ich muss das hier leider sagen. Ich habe alte Frauen gesehen, die ab dem Fünfzehnten, Zwanzigsten des Monats aus blankem Wasser und irgendwelchen Kräutern eine Suppe gekocht haben, damit sie einmal am Tag etwas Warmes im Bauch haben, und davon haben sie gelebt. Ich habe mich geschämt, ich muss das hier sagen, obwohl ich zu diesem Zeitpunkt über kein öffentliches Einkommen verfügt habe. Und da haben wir versucht, zu geben und zu helfen.

Aber das sind keine Einzelfälle, sondern es gibt eine ganze Menge solcher Familien beziehungsweise Haushalte, die so knapp mit dem Geld sind. Und was tun wir oder was tut diese Regierung dagegen? – Nichts! Wir liefern immer mehr Geld nach Brüssel ab, wir zahlen immer mehr für irgendwelchen Firlefanz, aber für die Familien, vor allem für die Familien der Aufbaugeneration tun wir nichts. Und das ist eine Schande, das muss ich hier sagen. – Ich sage: Vergelt’s Gott fürs Zuhorchen! – so lange ich es noch sagen darf. (Beifall bei der FPÖ.)

19.27


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abge­ordnete Rudas. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


19.27.41

Abgeordnete Laura Rudas (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Lie­be Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich gratuliere zur Erstrede. Nur: Dass sich die FPÖ


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 198

hier als frauenpolitische Partei darstellt, ist ein bisschen zu hinterfragen, zumal, soweit ich mich zurückerinnere, ein ehemaliger Frauenminister vom Beruf Tierarzt war. Ich wäre da nicht ganz so mutig, die FPÖ als frauenpolitische Partei darzustellen, zumal ich mich auch an Diskussionen rund um die Abtreibung und das Abtreibungsrecht von Frauen erinnere. (Abg. Dr. Graf: Wir hatten schon eine Frauenministerin, die für Veteri­närangelegenheiten zuständig war! Sie haben überhaupt keinen Respekt vor dem Al­ter!)

Nun zum Antrag: Kollegin Haubner, ich glaube, dass der Ansatz durchaus gut gemeint ist. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten vertreten aber den Ansatz, dass Österreichs Frauen keine Almosenpolitik brauchen und diese auch nicht wollen, son­dern sie brauchen Unterstützung und die Möglichkeit, selbstbestimmt und frei ihren Le­bensalltag zu leben. Das heißt, Sozialpolitik und Arbeitsmarktpolitik müssen ineinan­dergreifen, müssen gut funktionieren. Sozial schwache Menschen müssen unterstützt werden – da ist unsere klare Meinung –, aber Menschen dürfen nicht zu Almosenemp­fängerInnen gemacht werden, das ist nicht der richtige Weg.

Ich glaube, dafür gibt es viele sozialdemokratische Vorbilder. Als Beispiel nenne ich jetzt patriotisch die Stadt Wien, die, wie ich meine, eine gute Mischung von Sozialhilfe und Sozialleistungen anbietet, indem sie vor allem den Wiedereinstieg der Frauen in das Berufsleben fördert, indem sie Frauen dadurch fördert, dass es genügend Kinder­betreuungseinrichtungen gibt. Ich glaube, das ist der weitaus wichtigere und notwendi­gere politische Ansatz.

Wenn wir über Pensionssicherung reden, sollen wir nicht vergessen, was im Jah­re 2000 passiert ist: die größte Pensionskürzung der Zweiten Republik, eine Pensions­verschlechterungsreform, unter der noch meine Generation leiden wird. (Abg. Dr. Graf: Die Ewiggestrige! Was ist in den letzten zwei Jahren passiert?)

Wir SozialdemokratInnen haben in dieser Regierung die richtigen Schritte gesetzt und werden in der nächsten Regierung mit einem sozialdemokratischen Bundeskanzler und mit einem sozialdemokratischen Sozialminister auch weiterhin für sichere Pensionen der heutigen Pensionsbezieherinnen und -bezieher und auch für die meiner Generation sorgen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.30


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Haubner zu Wort. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung – Bitte.

 


19.30.35

Abgeordnete Ursula Haubner (BZÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesmi­nister! Hohes Haus! Frau Kollegin Rudas, Sie sind eine sehr junge engagierte Frau, aber ich glaube, es steht Ihnen nicht zu, aufgrund eines Berufes zu qualifizieren, ob je­mand ein guter Politiker ist oder nicht. (Abg. Rudas: Nein, aber er ist ein Mann!) Ich weiß, dass Herbert Haupt ein hervorragender Politiker ist. Es kann auch ein Mann ein guter Frauenpolitiker sein, genauso wie eine Frau auch eine gute Politikerin sein kann und sich für die Anliegen der Männer einsetzen kann. (Beifall bei BZÖ und ÖVP.)

Der nun vorliegende Antrag des BZÖ ist eigentlich ein politischer Auftrag für alle, dafür zu sorgen, dass gerade Frauen im Alter besonders gut abgesichert sind.

Dass die letzte Regierung sehr viel für die Absicherung der Frauen in der Zukunft ge­macht hat, vor allem für diejenigen, die unter 50 sind, möchte ich nur kurz erwähnen: mit der Erhöhung der echten Pensionszeiten für Kindererziehung, mit der Verdoppe­lung der Bemessungsgrundlage, die jetzt von dieser Regierung wertgesichert wurde, was gut ist, mit einem Versicherungsschutz für die Pflege zu Hause, mit einer Reduzie­rung der Jahre für die Erwerbstätigkeit.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 199

Aber es gibt eine große Gruppe von Frauen, für die das nicht mehr gilt. Das sind dieje­nigen, die über 60 beziehungsweise über 65 Jahre sind. Wir haben in Österreich die Situation, dass 135 000 Personen, vorwiegend Frauen über 60, ohne Pension sind. Und wir haben die Situation, dass 78 000 Frauen schlecht versorgt sind. Die sind Opfer eines Systems, das es vor dem Jahr 2000 gab, eines Systems rot-schwarzer Regierun­gen, die sich um diese Frauen überhaupt nicht gekümmert haben, um Frauen, die nicht erwerbstätig waren, sondern sich dafür entschieden haben, ihre Kinder zu Hause groß­zuziehen und ihre Angehörigen zu Hause zu betreuen und zu pflegen. Genau für diese Frauen muss etwas gemacht werden!

In der Analyse sind ja die Sozialdemokratinnen, glaube ich, unserer beziehungsweise meiner Meinung, denn wenn ich die „Kronen Zeitung“ vom 5. Juni 2008 aufschlage, dann lese ich darin: 50 000 Oberösterreicherinnen, die über 60 Jahre sind, kommen erst als Witwen zu einem eigenen Einkommen. Dazu hat die SPÖ-Frauensprecherin Sonja Ablinger gesagt, es sei zynisch, dass sie erst als Witwen über eigenes Geld ver­fügen.

Analyse richtig! Aber was tun Sie dagegen? Da wäre unser Antrag ein richtiger Schritt in die Richtung, dass man dagegen etwas tut. In Kärnten hat es ein erstes Projekt in diese Richtung gegeben. Es war ein erfolgreiches Projekt. Wir haben jetzt ein Modell vorgestellt, das erweitert ist, wo nicht nur Kinderbetreuung enthalten ist, sondern auch Pflegeleistungen mit eingebunden sind. Und ich denke, man könnte gerade jetzt im Hinblick darauf, dass es eine Mindestsicherung so schnell nicht geben wird, zumindest für diese Gruppe von Frauen mit der Zustimmung zu diesem Antrag etwas machen. – Danke. (Beifall beim BZÖ.)

19.34


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Mandak zu Wort. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


19.34.14

Abgeordnete Sabine Mandak (Grüne): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich fange ein­mal mit dem Positiven an. – Positiv ist, dass wir diesen Antrag hier überhaupt diskutie­ren können, weil er im Sozialausschuss abgestimmt wurde. Das ist keine Selbstver­ständlichkeit im Parlament. Im Familienausschuss hat es eine ganze Reihe von Anträ­gen gegeben – von uns Grünen, auch von anderen Oppositionsparteien –, über die nie abgestimmt wurde und die deswegen auch nie hier zur Diskussion gestanden sind.

Was aber jetzt auffällt, ist der Umstand, dass zwar Anträge der Oppositionsparteien vorliegen, dass aber interessanterweise die Österreichische Volkspartei weder zu dem Thema „Pflege“ noch zu dem Thema „Zuwanderung“, noch zu dem Thema „Generatio­nengeld“ offenbar irgendetwas zu sagen hat. Das interessiert sie nicht.

Sie können natürlich Ihre RednerInnenlisten machen, wie immer Sie wollen, das steht Ihnen frei. Nur: Ich muss Ihnen ehrlich sagen, ich frage mich schon, welche Art Parla­mentarismus es ist, wenn Anträge der Oppositionsparteien nicht einmal als diskus­sionswürdig empfunden werden. Das ist äußerst eigenartig. (Beifall bei den Grünen.)

Gerade wollte ich sagen: Ich finde es auch äußerst eigenartig, dass nicht einmal ein Regierungsmitglied auf der Regierungsbank sitzt. Mittlerweile sitzt Frau Bundesminis­terin Kdolsky hier. Bis jetzt war die Regierungsbank leer. Falls Ihnen das nicht aufgefal­len ist: Es war vorhin kein einziges Regierungsmitglied hier anwesend. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Ein auf einer Rückbank Zeitung lesender Minister ist für mich kein anwesendes Mit­glied der Bundesregierung. (Beifall bei den Grünen.) Wirklich nicht! – Er nickt mit dem Kopf. Er ist nämlich deswegen nicht auf der Regierungsbank gesessen, weil er, wie er


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 200

sagt, für diesen Bereich beziehungsweise für diesen Tagesordnungspunkt nicht zu­ständig ist. Das muss ich natürlich respektieren.

Frau Ministerin Kdolsky ist gerade jetzt erst gekommen, und ich bin jetzt, glaube ich, die vierte von fünf RednerInnen. Auch das ist ein Zeichen, wie wenig wertschätzend die ÖVP hier mit diesem Parlament umgeht. Und dagegen wehre ich mich mit aller Ent­schiedenheit. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Dr. Kdolsky.)

Sie sind dafür auch nicht zuständig? (Bundesministerin Dr. Kdolsky: Nein!) Okay. Dann möchte ich gerne wissen, wer für das Thema „Generationengeld“ zuständig ist. Offenbar in dieser Bundesregierung gar niemand mehr. (Abg. Öllinger: Die Bundesre­gierung ist für nichts mehr zuständig!) Dieses Thema ist der Bundesregierung offenbar wurscht. Das Tragische ist, dass das schon seit Monaten so geht und deswegen hier im Haus nichts weitergeht. Das ist schlimm, vor allem schlimm für die Betroffenen. (Beifall bei den Grünen.)

Zum Thema „Generationengeld“. – Absicherung von Frauen, das klingt gut, wir sind dafür, aber auf eine ganz andere Art und Weise, nämlich mit einer Grundpension, und zwar einer Grundpension, die jedem Bürger und jeder Bürgerin in Österreich zusteht, unabhängig vom Geschlecht, denn es gibt auch Männer, die keine Altersabsicherung haben, auch die sollen das bekommen. Diese Grundpension setzt nach unserem Kon­zept beim Armutsschwellenwert in der Höhe von derzeit 800 € an, damit man auch wirklich mit dem Geld auskommt und leben kann. Das wäre unsere Antwort.

Ein Generationengeld macht, so wie Sie es definieren, keinen Sinn, und deswegen werden wir diesem Antrag nicht zustimmen beziehungsweise dem ablehnenden Aus­schussbericht sehr wohl zustimmen.

Ich würde Ihnen wirklich empfehlen, sich das grüne Pensionsmodell anzuschauen, weil es eine Möglichkeit ist, einerseits eine Grundsicherung zu geben, andererseits alle An­teile von Erwerbsarbeit dazuzuzählen, also ein ideales Modell, gerade auch für Frauen, aber eben nicht nur für Frauen, ein umfassenderes Modell und deswegen das weitaus Bessere als ein Generationengeld. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

19.38


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Neubauer zu Wort. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


19.38.33

Abgeordneter Werner Neubauer (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich möchte diese Gelegenheit wahrnehmen, meinem lieben Vorredner Hartmann Lautenschlager für seine berührenden Worte recht herzlich zu danken. Es ist seine erste Rede gewesen und wahrscheinlich auch seine letzte, und ich glaube, das verdient durchaus die Wertschätzung dieses Hohen Hauses. Er hat ein sehr schweres Los hinter sich. Ich bedanke mich bei dir ganz herzlich für deine wirklich berührenden Worte! (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten von SPÖ, ÖVP und BZÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Frauen hat diese Bundesregierung, die jetzt aus­scheidet, nicht besonders hoch geschätzt. Allein eine Anfrage hat gezeigt, dass 41 Branchen in Österreich heute noch immer – und da sind hauptsächlich Frauen be­troffen – ohne Kollektivverträge sind. Das ist ein ernsthaftes Signal. Die Regierung hat sich dieser Sache nicht angenommen.

Die Pensionisten und die Jugend wurden durch die Politik der scheidenden Regierung auch sehr schwer vernachlässigt.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 201

Ich gehe darauf ein, dass es eine Hacklerregelung gegeben hat, die bis 2010 verlän­gert wurde, die aber letztendlich aufgrund der Zeitenregelung bis 2013 nicht mehr ver­längert werden konnte. Die Arbeitnehmer haben ein Recht auf eine Dauerlösung.

Ich bringe daher namens meiner Fraktion folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Neubauer, Kickl, Ing. Hofer und weiterer Abgeordneter betreffend Verankerung der Langzeitversichertenregelung im Dauerrecht

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zu­zuleiten, die den abschlagsfreien Pensionsantritt für Langzeitversicherte als unbefriste­te Regelung im Dauerrecht der gesetzlichen Pensionsversicherung und eine Erweite­rung des Kataloges der im Rahmen der Langzeitversicherungsregelung als Beitrags­zeiten zu wertenden Ersatzmonate um Zeiten des Bezuges von Krankengeld, sowie um die so genannten Ausübungsersatzzeiten vorsieht.“

*****

Ich ersuche um Annahme unseres Antrages. (Beifall bei der FPÖ.)

19.40


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Der Entschließungsantrag ist ordnungs­gemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht daher mit zur Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Neubauer, Kickl, Ing. Hofer und weiterer Abgeordneter betreffend Verankerung der Langzeitversichertenregelung im Dauerrecht; eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 709/A(E) der Abgeordneten Ursula Haubner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung eines Generationengeldes in Österreich in der 67. Sitzung des Nationalra­tes am 9. Juli 2008

Das Regierungsprogramm für die XXIII. Gesetzgebungsperiode führt zum Thema Pen­sionen aus, daß der abschlagsfreie Pensionsantritt mit 55 bzw. 60 Jahren im Rahmen der Langzeitversichertenregelung - der sogenannten „Hacklerregelung“ - bis 2010 ver­längert werden soll, damit für jene Personengruppe, die lange Zeit hindurch Beiträge in das System eingezahlt hat, eine Verbesserung im Übergangsrecht erreicht wird.

Nachdem diese Verlängerung beschlossen wurde, hat die Bundesregierung bei ihrer Klausurtagung am 11. Jänner 2008 in Aussicht genommen, im Zusammenhang mit der Behandlung des von der Kommission zur langfristigen Pensionssicherung beschlosse­nen Berichtes über die langfristige Entwicklung der gesetzlichen Pensionsversicherung den abschlagsfreien Pensionsantritt mit 55/60 Jahren im Rahmen der Langzeitversi­cherungsregelung bis zum Jahr 2013, also um weitere drei Jahre, zu verlängern. Darü­ber hinaus kam man überein, in Hinkunft auch Zeiten des Krankenstandes sowie Aus­übungsersatzzeiten als Beitragszeiten in die Langzeitversicherungsregelung einzube­ziehen.

Auch die FPÖ hat sich immer für einen abschlagsfreien Pensionszugang nach 45 Ar­beitsjahren eingesetzt. Es ist aber eine untragbare Situation, daß bei den Pensionen


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mit Ausnahmeregelungen und Provisorien Politik gemacht wird. Die Arbeitnehmer wün­schen sich Sicherheit. Sie müssen wissen, unter welchen finanziellen Bedingungen sie die Pension antreten können. Vor allem für Bezieher niederer und mittlerer Einkommen geht es um jeden Euro.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zu­zuleiten, die den abschlagsfreien Pensionsantritt für Langzeitversicherte als unbefriste­te Regelung im Dauerrecht der gesetzlichen Pensionsversicherung und eine Erweite­rung des Kataloges der im Rahmen der Langzeitversicherungsregelung als Beitrags­zeiten zu wertenden Ersatzmonate um Zeiten des Bezuges von Krankengeld, sowie um die so genannten Ausübungsersatzzeiten vorsieht.“

*****

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemel­det.

Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 628 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verankerung der Langzeit­versichertenregelung im Dauerrecht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

19.41.2815. Punkt

Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über die Regierungsvorlage (611 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Lebensmittelgesetz 1975 sowie das Le­bensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz geändert werden (651 d.B.)

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Wir gelangen zum 15. Punkt der Tages­ordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als erster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Johann Maier mit 4 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


19.41.50

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir stimmen heute über eine Änderung des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes ab; eine Vor-


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lage, der wir zustimmen werden. Sie geht auf ein Urteil des Europäischen Gerichtsho­fes zurück. Österreich hatte nämlich einer deutschen Kontrollfirma, die keine Niederlas­sung in Österreich hatte, die Zulassung entzogen. Das verstieß gegen die Dienstleis­tungsfreiheit der Europäischen Union. Daher müssen wir das reparieren.

Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedauere, dass diese Le­gislaturpe­riode zu Ende geht, und zwar deswegen, weil wir im Bereich Lebensmittelsi­cherheit gemeinsam mit dem zuständigen Ministerium auf gutem Wege waren. Ich möchte das ausdrücklich betonen und möchte mich in diesem Zusammenhang bei den Mitarbeitern des Gesundheitsministeriums, insbesondere bei Herrn Mag. Herzog für die konstruktive Zusammenarbeit recht herzlich bedanken. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Wir wollten im Herbst dieses Jahres das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucher­schutzgesetz generell evaluieren. Wir haben eine Bio-Durchführungsverordnung vorbe­reitet und diskutiert. Wir haben uns damit auseinandergesetzt, wie Qualitätsauslobun­gen geregelt werden sollen – natürlich auch mit der Frage der Nährwertangaben.

Auch das Lebensmittel- und Veterinärregistergesetz, das wir in diesem Haus in einem Entschließungsantrag gefordert haben, sollte im Herbst oder im kommenden Jahr um­gesetzt werden. Ich bedauere, dass das nicht gelingt, hoffe jedoch, dass die Vorarbei­ten geleistet wurden und dass der kommende Nationalrat in diesem Bereich auch einen positiven Abschluss zustande bringt.

Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lebensmittelsicherheit ist für die Menschen in diesem Lande und in Europa von entscheidender Bedeutung. Ich erin­nere an die Situation in Italien, an den Käseskandal, wo 11 000 Tonnen verschimmel­ter Käse mit Ratten aufbereitet und wieder verkauft worden sind. Anscheinend waren auch deutsche Firmen involviert. Gerüchteweise haben wir gehört, dass sogar eine ös­terreichische Firma Material, abgelaufene Ware nach Italien geliefert hat.

Vor Kurzem waren wir konfrontiert mit dem Weinskandal in Italien, wo Billigwein mit Chemie, Düngemitteln, Salzsäure und Schwefel vermischt wurde.

Werte Kolleginnen! Werte Kollegen! Eines muss man sich offen fragen: Wir haben das Schnellwarnsystem der Europäischen Union – eine der besten Einrichtungen –, und Italien wird sich die Frage gefallen lassen müssen, warum die Mitgliedstaaten der Europäischen Union darüber nicht rechtzeitig informiert wurden.

Ich möchte die Gelegenheit auch wahrnehmen und möchte mich als Vorsitzender des Ausschusses für Konsumentenschutz recht herzlich bei allen Fraktionen bedanken für die teilweise kontroversielle, aber doch sehr ernsthafte Diskussion, die vom Bemühen gekennzeichnet war, zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen.

Ich kann namens meiner Fraktion nur eines festhalten: Ich hoffe, dass es in der kom­menden Legislaturperiode wieder einen Ausschuss für Konsumentenschutz gibt. (Bei­fall bei SPÖ und ÖVP.)

19.45


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Rädler. Er möchte gerne 2 Minuten sprechen. – Sie haben das Wort, Herr Abgeordne­ter.

 


19.45.49

Abgeordneter Johann Rädler (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesmi­nister! Die Dankesworte wurden ja bereits vom Herrn Vorsitzenden des Konsumenten­schutzausschusses ausgesprochen. Ich darf mich dem anschließen.

Wir sind gut gestartet, haben eineinhalb Jahre der Tätigkeit hinter uns, haben viele Konsumentenschutzinteressen in diesen Ausschuss eingebracht. Ich denke dabei etwa


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an den Bereich der Produktsicherheit, aber auch an den Bereich Lebensmittelsicher­heit für den Konsumenten und die Konsumentin.

Wenn wir heute hier eine Verordnung der EU umsetzen, indem wir einem EuGH-Urteil in Form der Novelle zum Lebensmittelgesetz entsprechen, dann ist das auch eine europäische Frage. Das, was Europa hier zu Sicherheit beitragen kann, wird in öster­reichische Rechtsform gegossen.

Gerade die letzten Tage und der verschwommene Blick aufseiten der Sozialdemokratie im Zusammenhang mit den europäischen Fragen bestärken mich, weiterhin für die Konsumentenschutzanliegen hier einzutreten.

Ich hoffe, dass auch in der nächsten Gesetzgebungsperiode hier ein Konsumenten­schutzausschuss tätig sein kann. Der bisherige hat sich bewährt. Die Konsumenten sind jetzt am Wort, nämlich auch bei der Wahl, um ihre Anliegen zu bestätigen, sodass eines unserer Anliegen, nämlich auch in der kommenden Gesetzgebungsperiode einen Konsumentenschutzausschuss zur Verfügung zu haben, umgesetzt werden kann.

Danke für die Zusammenarbeit, Kollege Maier. (Beifall bei der ÖVP.)

19.47


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Pirklhuber mit 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.47.33

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Maier hat ja schon darauf hingewiesen, dass es um die Umsetzung eines EuGH-Urteils geht, nachdem sich eine deutsche Kontrollstelle ungerecht behandelt fühlte und auch klagte. Sie bekam recht. Es ist eine erste Etappe in einer breiteren Umsetzung, die das Biokontrollwesen in Ös­terreich noch verbessern sollte. Leider wird es jetzt, durch den Wahlkampf bedingt, nicht sofort dazu kommen.

Ich möchte Folgendes zum neuen Ausschuss für Konsumentenschutz sagen: Aus mei­ner Sicht war beim Start sehr unklar, was eigentlich die Arbeitsweise des Ausschusses betrifft. Im letzten halben Jahr, würde ich meinen, gab es vor allem eine wichtige Inno­vation: dass jene Minister/Ministerinnen in den Ausschuss kommen, die die Zuständig­keit für diese spezifischen KonsumentInnenschutz-Fragen haben. Es hat einige Zeit gedauert, bis wir so weit waren, aber das war meiner Meinung nach eine richtige Ent­scheidung.

Ich denke, dass der Diskussionsstil im Ausschuss – ich habe doch auch ein bisschen einen Überblick, da ich in dem einen und anderen Ausschuss bin – durchaus auch mit der guten Vorsitzführung und, das möchte ich auch betonen, mit der kooperativen Vor­gangsweise der Fachbeamten zu tun hat. Das möchte ich noch einmal unterstreichen, ich finde das wichtig.

Was ich aber nicht so gut gefunden habe: Wenn wir dann Themen angesprochen ha­ben, die eben Querschnittsmaterien sind, sind schnell einmal Interessengruppierungen, Lobbys von anderen Seiten gekommen und wollten das abblocken.

Für die Zukunft: Wir sollten den Konsumentenschutz stärken. Wir sollten diese Quer­schnittsthemen ressortbezogen in den Ausschuss bringen, und wir sollten hier weiter­hin versuchen, im Sinne der Konsumentinnen und Konsumenten sozusagen nicht nur EU-Verordnungen umzusetzen, sondern auch innovativ zu sein und voranzuschreiten.

Frau Bundesministerin, da hätte ich ganz konkret noch einmal eine Anfrage an Sie. Im Rahmen der Lebensmittelsicherheit sind ja die Themen der Agro-Gentechnik und der gentechnisch veränderten Lebensmittel in den letzten Tagen auch in der Diskussion hier im Haus gewesen.


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Vor allem liegen in Ihrem Bereich auch das ganze Importregime und Importverbote,
die zum Teil von der EU gekippt wurden, wie wir wissen, nämlich beim Monsanto-
Mais MON 810. Aber weitere Importverbote wurden im Parlament hier beschlossen, und ich möchte Sie noch einmal ersuchen, Stellung dazu zu beziehen, wann die Ver­ordnung über die Gentechnik-Raps-Sorten konkret verlautbart wird. Wir haben im letz­ten Ausschuss gehört, dass das bereits unterschrieben ist. Ich hätte gerne gewusst: Ist die Verordnung publiziert? Mit welchem Datum? Wann wird die Verordnung, was das Importverbot von Mais MON 863 betrifft, verlautbart werden?

Auch wenn jetzt der Wahlkampf begonnen hat, ist es meiner Ansicht nach wichtig, dass diese Entscheidungen noch vollzogen und umgesetzt werden. Denn das ist die Basis für unseren Start im Herbst in einem ganz sensiblen Bereich der Lebensmittelsi­cherheit, in dem die österreichische Bevölkerung Vertrauen zu gentechnikfreien Le­bensmitteln haben will. Diese sollen nicht gefährdet sein. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

19.51


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Klement. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 2 Mi­nuten. – Bitte.

 


19.51.07

Abgeordneter Dipl.-Ing. Karlheinz Klement, MAS (FPÖ): Frau Präsident! Frau Minis­ter! Werte Kollegen! Grundsätzlich werden wir diesem Gesetzänderungsantrag zustim­men. Wir müssen dem folgen, was die EU vorgibt.

Ich nutze aber diese Gelegenheit auch dazu, um auf einige Inhalte dieses Lebensmit­telsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes einzugehen. Frau Minister, ich habe Sie vorhin schon darauf angesprochen. Es ist natürlich gut, wenn die Konsumenten Si­cherheit haben, und es ist gut, wenn auch Regelungen da sind, um gute Kontrollen durchzuführen. Ich zitiere aus dem Gesetz § 5, in dem drinsteht: „Es ist verboten, Le­bensmittel, die ... gesundheitsschädlich oder ... verfälscht oder wertgemindert sind“, in Verkehr zu bringen oder zu bewerben. – Genau auf dieses Bewerbungsverbot möchte ich eingehen.

Es gab vor Kurzem in Kärnten den Fall eines Biobauern, der sein Leinölprodukt als gut und gesund verkauft hat und einen Beipacktext dazugegeben hat: Vorbeugen ist bes­ser als Heilen. – Er geht darin auch auf die bekannt gesundheitsfördernden Effekte von Leinöl ein, auch jene von anderen Ölen wie Ringelblumenöl und so weiter. Er ist des­wegen, weil er ebendiese Beiblätter verwendet hat, zu einer Strafe verdonnert worden. Ich habe diesen Strafbescheid auch mit.

Der Punkt ist der: Wenn wir gesunde Lebensmittel haben wollen und sie auch fördern wollen, stellt sich die Frage, ob wir Biobauern wirklich bis ins Letzte kontrollieren müs­sen und ob es nicht besser wäre, dieses Gesetz bei der Anwendung etwas schonender zu handhaben, um Biobauern nicht in Verlegenheit zu bringen. Das Schlimme ist, dass bei dieser Probe festgestellt wurde, dass sie einzigartig gut ist und höchste Qualität hat, und es trotzdem zu einer Bestrafung kam, weil eben der Bauer in seinem Produkt­text darauf hingewiesen hatte, dass diese Produkte gesundheitsfördernd sind.

Als Nächstes noch ganz kurz: Wenn wir vergleichen, was „Actimel“ und andere große Konzerne bei ihrer Werbung im Fernsehen machen – sie weisen auch auf Gesund­heitsförderung hin und werden nicht bestraft –, besteht da, denke ich, ein großes Un­gleichgewicht. Dieses Ungleichgewicht müssen wir aufheben und Gerechtigkeit für un­sere Bauern mitbringen.


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Ich habe Ihnen (in Richtung Bundesministerin Dr. Kdolsky) auch ein kleines Büchlein von ihm mitzubringen. Alles Gute an Sie, verbunden mit der Hoffnung, dass Sie dann aufheben werden, was an Kontrollen da ist. – Danke sehr. (Beifall bei der FPÖ.)

19.53


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dolinschek. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 1 Minute. – Bitte.

 


19.53.32

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Die Verordnung über den ökologischen Landbau samt Durch­führungsverordnung ist noch im Lebensmittelgesetz von 1995 verankert. Es ist aber ein eigenständiges Gesetz geplant. Ein Entwurf war im Jahr 2005 schon in Begutachtung, aber zeitgleich wurde auf EU-Ebene eine Bioverordnung verabschiedet, und somit be­steht jetzt Handlungsbedarf.

Wir werden dieser Regierungsvorlage unsere Zustimmung geben, weil ich glaube, dass sie inhaltlich eine Anpassung ist, um eine drohende finanzielle Sanktion abzu­wenden. Hier gibt es bisher unterschiedliche Regelungen, in Zukunft wird das einheit­lich geregelt. Mit 1. Jänner 2009 soll es in Kraft treten.

Was den Konsumentenschutz betrifft, muss ich eines sagen: Die Einrichtung dieses Konsumentenschutzausschusses war sicherlich eines der positiven Merkmale in dieser Gesetzgebungsperiode. Ich hoffe, dieser wird auch in Zukunft weitergeführt. Da es eine Materie ist, die in sämtliche Bereiche eingreift, der Konsumentenschutz eine Quer­schnittsmaterie darstellt, sollten wir darauf achten, dass der Konsumentenschutz nicht von gewissen Lobbyisten oder Interessenvertretern in andere Ausschüsse getragen wird. Darauf sollten wir auch in Zukunft achten. Ich glaube, die Arbeit in diesem Aus­schuss war in den letzten eineinhalb Jahren außerordentlich positiv. (Beifall beim BZÖ sowie des Abg. Mag. Johann Maier.)

19.55


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Knoll. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Sie haben das Wort.

 


19.55.09

Abgeordnete Mag. Gertraud Knoll (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Werte, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann es kurz machen, die Problemstellung zu dieser Regierungsvorlage ist ja schon auf den Punkt gebracht worden: Einer deutschen Kontrollstelle wurde die Zulassung entzogen, weil die angemessene Niederlassung in Österreich nicht gegeben war. Das hatte eine Klage beim Europäischen Gerichtshof zur Folge. Dieser kam zu dem Erkenntnis, dass damit gegen die Verpflichtung zur Gewährleistung der Dienstleistungsfreiheit verstoßen wurde.

Nun ist einem solchen Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofes selbstverständlich Rechnung zu tragen und für entsprechende Maßnahmen zu sorgen. Ich denke, dies gilt nicht nur deshalb, weil im Falle eines Verzuges und eines Versäumnisses mit Scha­denersatzzahlungen, mit finanziellen Sanktionen zu rechnen ist, sondern es geht da­rum, dass die Einhaltung von Grundprinzipien der Europäischen Union im Vordergrund steht. Der Binnenmarkt der EU ist auf vier Grundfreiheiten gebaut, und dazu gehört der Dienstleistungsverkehr. Selbstverständlich hat dieses Prinzip der Dienstleistungsfrei­heit auch für ausländische Kontrollstellen zu gelten, die ihre Leistung im ökologischen Landbau in Österreich erbringen. Genau das stellt dieses Gesetz sicher.

Ich möchte mich hier für die interessante Zusammenarbeit in diesem Ausschuss be­danken, für die dynamische Vorsitzführung meines Kollegen Jacky Maier – herzlichen


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 207

Dank! Ich hoffe, dass es in dem Sinne, dass Konsumentenschutz und Lebensmittelsi­cherheit ganz große Anliegen der österreichischen Bevölkerung sind, diesen Aus­schuss auch in Zukunft wieder geben wird. (Beifall bei der SPÖ.)

19.57


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächster Rednerin erteile ich Frau Abgeordneter Dr. Eder-Gitschthaler das Wort. Sie möchte 2 Minuten sprechen. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


19.57.23

Abgeordnete Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Wir haben heute schon sehr viel über die vorlie­gende Regierungsvorlage gehört. Durch die Änderung des Lebensmittelgesetzes so­wie des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes soll einem EuGH-Ur­teil nachgekommen werden. Im Konkreten geht es um die Regelung des Kontrollsys­tems in der biologischen Landwirtschaft, insbesondere um die ausdrückliche Ermögli­chung des Zugangs von ausländischen Kontrollstellen zum Kontrollsystem. Wir haben das heute ja schon mehrmals gehört.

Die langjährige Verwaltungspraxis wird im Gesetzesvorschlag festgeschrieben, wo­nach private Kontrollstellen die Einhaltung der Unternehmerpflichten auf dem Gebiet der biologischen Landwirtschaft kontrollieren. Damit können nun auch ausländische Kontrollstellen zum Zug kommen. Vor allem die Kontrolle und die Zertifizierung von Biobetrieben sind streng und umfassend geregelt. In Österreich sind es private, akkre­ditierte Produktzertifikationsstellen, die mindestens einmal jährlich alle Biobetriebe kon­trollieren.

Österreich ist bekanntlich der Biomarkt Europas, für die Verbraucher ermöglicht dies ein sehr gutes Gefühl. Wir können sicher sein, wir haben sichere und vor allem hervor­ragende Lebensmittel, wir können stolz darauf sein. Ein großer Dank an unsere Bäu­erinnen und Bauern, die diese hervorragenden Lebensmittel für uns hier in Österreich produzieren! Wir haben keine italienischen Zustände, wie hier schon mehrmals ange­führt wurde.

Was wäre passiert, wenn wir das nicht tun würden? – Es wäre dann zur Verhän-
gung von finanziellen Sanktionen durch den EuGH gekommen, die der Bund zu tragen hätte. Ich kann Sie daher nur dazu auffordern, dieser Regierungsvorlage Ihre Zu­stimmung zu geben, kann mich auch für die gute Arbeit im Konsumentenschutz­ausschuss nur bedanken und denke ebenfalls, dass das eine hervorragende Einrichtung in diesem Hohen Hause ist. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Mag. Johann Maier.)

19.59


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mandak. 1 Minute freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


19.59.38

Abgeordnete Sabine Mandak (Grüne): Frau Vorsitzende! Frau Ministerin! Sie sind zu­ständig für das Lebensmittelgesetz sowie für das Lebensmittelsicherheits- und Ver­braucherschutzgesetz. Sie sind nicht zuständig für das Generationengeld. Ich habe Sie vorhin völlig zu Unrecht kritisiert, gerügt und gescholten. Ich bitte Sie dafür um Ent­schuldigung.

Meine Kritik leite ich weiter an Herrn Bundesminister Buchinger, und ich bitte Sie, den Begriff „ÖVP“ durch den Begriff „SPÖ“ zu ersetzen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Neugebauer: Das wollen wir aber nicht!)

19.59



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 208

Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Zu Wort gemeldet ist nun von der Regie­rungsbank aus Frau Bundesministerin Dr. Kdolsky – Bitte.

 


20.00.20

Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend Dr. Andrea Kdolsky: Frau Präsidentin! Geschätzte Abgeordnete! Um die Frage des Abgeordneten Pirklhuber zu diesem Thema zu beantworten: Beide Verordnungen, sowohl bezüglich der MON-Sor­ten als auch hinsichtlich der Raps-Sorten, werden noch im Juli – meine Verordnung ist bereits unterschrieben – per Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.00


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemel­det.

Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang
in 611 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen möchten, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist wiederum einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenom­men.

20.01.2516. Punkt

Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den Antrag 825/A(E) der Abgeordneten Johann Rädler, Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen be­treffend „Kennzeichnungspflicht von verarbeiteten Eiern in Fertig- bzw. Eipro­dukten und in der Gastronomie nach Herkunft und Haltungsform“ (652 d.B.)

17. Punkt

Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den Antrag 828/A(E) der Abgeordneten Johann Rädler, Mag. Johann Maier, Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirkl­huber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kennzeichnung von Lebensmitteln und den

Antrag 38/A(E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Herkunftsbezeichnung bei allen Lebensmitteln sowie „Made in the EU“-Kennzeichnungssystem (653 d.B.)

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Wir kommen zu den Punkten 16 und 17 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als ersten Redner bitte ich Herrn Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Pirklhuber an das Red­nerpult. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 209

20.02.13

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Meine Damen und Her­ren! Bei diesem Tagesordnungspunkt geht es um konkrete Entschließungsanträge, die aus der parlamentarischen Arbeit heraus im Ausschuss intensivst beraten wurden. (Zwischenruf des Abg. Mag. Donnerbauer.)

Ja, Kollege Donnerbauer, es war insofern spannend mit unserem Antrag zur Kenn­zeichnungspflicht von verarbeiteten Eiern: Bei einem Nudelerzeuger, der Eier mit ver­arbeitet, ist bisher keine Kennzeichnungspflicht gegeben, ob diese Eier aus einer Bo­denhaltung, aus einer Käfighaltung oder eben aus einer Freilandhaltung kommen. Das Problem ist, dass wir in Österreich – und das ist eine Erfolgsgeschichte – ab 2009 in der Legehennenhaltung keine Käfighaltung mehr haben. Das ist ein großer Erfolg, auf den wir stolz sind.

Es wäre nur logisch und richtig, im Folgeschluss und im nächsten Schritt die Kenn­zeichnung auch auf Verarbeitungseier auszudehnen. Warum? – Damit dort kein Dum­ping passiert, damit dort nicht plötzlich Billigst-Industrieeier mit dem niedrigsten Preis möglicherweise als österreichisches Produkt dem Konsumenten vorgegaukelt und in Verarbeitungsprodukte hineingeschwindelt werden. Das ist ja möglich. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ein Nudelprodukt kann selbstverständlich gekennzeichnet sein – ein österreichischer Hersteller mit einem österreichischen Gütezeichen –, aber diese Eier sind unter Umständen Import-Industrieeier aus Käfighaltung.

Da gab es eine lange Debatte. Ich weiß, es war eine schwierige Debatte. Auch in der Gastronomie geht es um die Auslobung von Freilandeiern beim Frühstücksei – ganz wichtig, für Österreich als Urlaubsland ist das auch in der Gastronomie ein wichtiges Thema. Die verschiedenen Verkehrskreise ... – Ja, Sie (in Richtung ÖVP) lachen, aber es ist für die Bäuerinnen und Bauern sehr wohl ein Thema, ob sie einen Markt haben, ob sie diese Eier in Österreich auch erfolgreich vermarkten können oder ob sie das nicht können.

Wir Grüne treten dafür ein (Abg. Höfinger: Wir auch!), dass diese Kennzeichnung auch bei Verarbeitungseiern erfolgt. Wir haben diesen Antrag schon sehr früh, im Sep­tember 2007, eingebracht. Ich muss ehrlich sagen, die SPÖ war bereit, Kollege Maier war bereit – und auch die anderen KollegInnen im Ausschuss –, in der Verhandlung wirklich zu versuchen, eine Lösung zu finden, um eine gemeinsame Entschließung zu­stande zu bringen.

Ich muss auch ehrlich sagen, ich bin enttäuscht von der ÖVP, die eigentlich immer sagt, dass sie die Bauernpartei ist. In dieser für die österreichischen Bäuerinnen und Bauern wichtigen Frage haben Sie nicht ja gesagt, weil offensichtlich in der Wirt­schaftskammer irgendjemand dagegen ist, dass die Industrie endlich auch diese Pro­dukte kennzeichnen muss. Da waren Sie dagegen! Wir haben eine verpflichtende Kennzeichnung gefordert, wir hätten einen Kompromiss finden können, aber die ÖVP hat das verhindert.

Deswegen müssen wir ganz einfach feststellen: schade darum! Es wird daher einen sehr vagen Antrag der Regierungsfraktionen geben, in dem nur von freiwilliger Kenn­zeichnung die Rede ist. (Abg. Mag. Donnerbauer: Anreize!) Meine Damen und Her­ren, freiwillig ist alles im Leben, da kann man alles machen. Es geht aber um verbindli­che Normen, und der Verordnungsentwurf des Ministeriums hätte das schon vorgese­hen. Sie wissen das genau, Herr Kollege Donnerbauer. Diesen Vorschlag des Ministe­riums hätten wir vom Parlament aus gerne unterstützt; das haben Sie von der ÖVP lei­der verhindert.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch sagen, dass es positive Diskussionen und auch einen gemeinsamen Antrag gab, auf den wir draufgegangen sind, der sich gera-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 210

dewegs auf die Ursprungs- und Herkunftskennzeichnung bezieht. In diesem Bereich hat auch die FPÖ sehr gute Anträge eingebracht, was das Herkunftskennzeichen und den Schlachtstempel betrifft. Der derzeitige Veterinärschlachtstempel ist kein Her­kunftszeichen, sondern eben nur sozusagen ein Verarbeitungsstempel. Wir müssen diese Dinge weiterentwickeln, damit nicht dort, wo ein österreichischer Schlachtstem­pel drauf ist, ein polnisches Rind drinnen ist, das dann plötzlich missbräuchlich als österreichische Ware auf den Markt kommt, in die Gastronomie, in den Tourismus. (Abg. Eßl: Wer redet denn das dem Konsumenten ein?)

Wer redet denn das dem Konsumenten ein?, fragt Kollege Eßl als Landwirtschaftskam­merpräsident von Salzburg. Im Salzburger Tourismusland, wo sich die Gastronomie im Marketing mit der österreichischen Alpenlandschaft nach vorne stellt, den Konsumen­tInnen und den Touristen dort österreichische Qualität verkauft – und dann ist ein däni­sches Schwein drinnen, dann ist vielleicht ein polnisches Rind drinnen! Das kann nicht der Sinn sein, meine Damen und Herren.

Ich weiß, Kollege Brosz ist schon ungeduldig, der Tag ist lang. Daher – ich könnte noch stundenlang darüber referieren –: Wir sind für Herkunftskennzeichnung und für klare Regionsbezeichnungen. In diesem Punkt haben Sie unsere Zustimmung. – Dan­ke. (Beifall bei den Grünen.)

20.07


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Keck. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


20.07.18

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Frau Präsident! Frau Minister! Ich habe heute hier schon Fotos von Hennen gezeigt, von Hühnern in Käfighaltungen, die wir unter­sagt haben. Aufgrund dieser Untersagung hat sich auch der Konsument umgestellt, denn die Legehennenhaltung ist ihm beim Kauf von Eiern ein sehr, sehr wichtiges An­liegen. Die Konsumentinnen und Konsumenten achten natürlich darauf, dass sie Eier von Freilandhühnern kaufen und diese auch verwenden.

Es sind Bäuerinnen und Bauern an uns herangetreten und haben gesagt, wir haben ein großes Problem: Was ist mit der Eierkennzeichnungspflicht bei Produkten, in denen Eier verarbeitet werden? – Denn da werden Eier herangezogen, die nicht unserer Le­gehennenverordnung entsprechen. Das heißt, das sind keine Freilandhühner – mit 1.1.2009 ist das bei uns per Gesetz ein Faktum –, sondern da werden Eier von Hennen genommen, die unter wirklich erbärmlichsten Umständen in Käfigen gehalten werden.

Wir haben gesagt: Jawohl, das ist ein Problem, das werden wir angehen müssen, wir werden etwas machen müssen. Wir haben natürlich versucht, hier über alle fünf Par­teien – besonders als Tierschutzsprecher haben wir verhandelt, weil das auch in den Tierschutzbereich hineinfällt – eine Einigung zustande zu bringen. Wir waren uns am Anfang einig, auch im Tierschutzsprecherbereich, Kollege Eßl, und wir haben gesagt: Jawohl, das ist ein Anliegen der Bäuerinnen und Bauern.

Ich muss sagen, ich bin wirklich überrascht gewesen, als mir gesagt wurde: Na ja, mehr als Freiwilligkeit ist schließlich nicht herausgekommen. Da muss ich sagen, ich weiß nicht, ob es das ist, was sich die Bäuerinnen und Bauern in Österreich erwarten. Ich weiß nicht, ob es das ist, was sich die Konsumentinnen und Konsumenten bei uns in Österreich erwarten.

Die ÖVP hat es nicht geschafft, ihrem Tierschutzsprecher zu folgen und zu sagen: Ja­wohl, das wollen die Bäuerinnen und Bauern, das wollen die Konsumentinnen und Konsumenten, wir wollen eine wirkliche Verpflichtung bei der Kennzeichnung von Pro­dukten aus der Eierverarbeitung, um zu wissen, welche Eier verarbeitet worden sind,


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ob das Eier aus Käfighaltungen sind, ob das Eier aus Freilandhaltungen sind oder ob das Eier aus dieser dritten Klasse sind, deren Name mir jetzt – ihr müsst mir verzei­hen – nicht einfällt. (Abg. Eßl: Bodenhaltung!)

Meine Damen und Herren, ich denke, es wäre der ÖVP sicherlich kein Stein aus der Krone gefallen, hätte sie dem Antrag zugestimmt. Sie hat es nicht getan. Jetzt ist es ein Antrag geworden, wonach es eine Verpflichtung auf freiwilliger Basis gibt – das ist ein bisschen widersprüchlich, aber es soll hier auf freiwilliger Basis versucht werden, die Kennzeichnungspflicht bei Produkten aus der Eierverarbeitung nachzuholen.

Mein Wunsch wäre es wirklich, dass es noch zur Einsicht in der ÖVP kommt, dass wir hier – wir haben ja noch Sitzungen vor den Wahlen, wie anzunehmen ist – eine Ände­rung herbeiführen können und dies in Österreich verpflichtend machen. (Beifall bei der SPÖ.)

20.09


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeord­neter Zanger. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


20.10.11

Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Ich bin ganz überrascht, dass bei den Grünen anscheinend ein Umdenken stattfindet. Jetzt kämpft Kollege Pirklhuber mit mir schon gegen ausländische Eier! Und wenn man dann noch weiß: Am Anfang war das Ei!, werden wir einmal schauen, wohin sich das noch entwickelt, Herr Kollege Pirklhuber. (Abg. Eßl: Bis zum Hendl!) Vielleicht kommen wir einmal noch ein bisschen in engeren Kontakt, nicht? (Beifall bei der FPÖ.)

Faktum ist ja, und da hat er ja recht, dass zum Schutz unserer einheimischen Bauern sehr wohl eine verpflichtende Kennzeichnung notwendig ist, und es ist traurig, dass man sich auf diese Verpflichtung nicht einigen konnte und bei der Freiwilligkeit geblie­ben ist.

Hinsichtlich der mit Eiern hergestellten Produkte ist noch festzustellen, dass mehr als 50 Prozent des gesamten Eierverbrauchs der österreichischen Bevölkerung über diese Produkte konsumiert werden.

Wenn man das mit der Politik von Rot und Schwarz der letzten Jahre vergleicht, müss­te dieser Prozentsatz noch um einiges höher sein, denn was Sie der österreichischen Bevölkerung an faulen Eiern in der Politik serviert haben, das geht praktisch auf die sprichwörtliche Kuhhaut kaum mehr hinauf.

Und weil wir gerade über Konsumentenschutz sprechen: Wähler sind auch Konsumen­ten, Konsumenten der Regierungspolitik, und da werden wir Freiheitliche wirklich zum Schutze der Bevölkerung alles daransetzen, dass so etwas wie in diesen letzten Mona­ten und Jahren nicht mehr vorkommen kann, diese Häklerei und Papierlerei. Es ist un­glaublich, was da passiert ist. Sie werden sich im Herbst bei den Wahlen, glaube ich, den Gürtel ein bisschen enger schnallen, und wir werden – vielleicht mit Eiern – ein bisschen stärker hier herinnen sitzen. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Morak: Bitte nicht! – Abg. Dr. Schüssel: Das war nicht das Gelbe vom Ei!)

20.12


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächste Rednerin hat sich Frau Ab­geordnete Mag. Aubauer zu Wort gemeldet. 2 Minuten. – Bitte.

 


20.12.12

Abgeordnete Mag. Gertrude Aubauer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Ich soll mich kurz fassen. Das mache ich gerne. In die


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 212

Diskussion „Das Gelbe vom Ei“ mische ich mich hier nicht ein. Das war jedenfalls nicht das Gelbe vom Ei, lieber Herr Kollege. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie alle kennen das Problem: Sie wollen sich gesund ernähren, aber Sie können die Beschriftung auf der Lebensmittelpackung nicht lesen. – Das ist unzumutbar, das muss sich ändern.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Kleingedrucktes auf Lebensmittelpackungen muss leichter lesbar werden. Wir wollen die Festsetzung einer ausreichenden Schriftgröße bei gutem Kontrast. Auch Farben können verstärkt eingesetzt werden. Ziel ist: Alle Menschen, die das wollen, sollen sich gesund ernähren können. An der unlesbaren Mikroschrift soll es künftig jedenfalls nicht scheitern. Dann wäre schon sehr viel gewon­nen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

20.13


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Herr Abgeordneter Bucher ist als Nächs­ter zu Wort gemeldet. Gewünschte Redezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


20.13.34

Abgeordneter Josef Bucher (BZÖ): Frau Präsident! Frau Minister! Meine sehr geehr­ten Damen und Herren! Ich habe mich nicht wegen der Ausführungen des Herrn Kolle­gen Zanger zu Wort gemeldet, sondern wegen der Gefahr, auf die ich aufmerksam ma­chen möchte, wenn wir wirklich diese ganzen EU-Verordnungen auf die Spitze treiben.

Ich möchte Ihnen nur ein Beispiel nennen, nämlich die HACCB-Verordnung, die Sie in diesem Hohen Haus – da war ich noch nicht hier – vor vielen Jahren beschlossen ha­ben, welche fatale Auswirkungen auf die Landwirtschaft und auf die Gastronomie ge­habt hat. Diese HACCB-Verordnung, diese Hygiene-Bestimmungen, die in ganz Euro-pa gelten sollten, werden nur in Österreich in dieser ausgeprägten Art und Weise ange­wandt. Im restlichen Europa ist das kein Thema. Wenn Sie jetzt im Sommer auf Urlaub fahren, nach Portugal oder nach Griechenland, dann werden Sie dort das Fleisch in der Sonne hängen sehen, aber wir in unserem übertriebenen Eifer, die EU-Verordnun­gen durch Golden Plating noch zu übertrumpfen, versuchen alles, um der österreichi­schen Wirtschaft einen Schaden zuzufügen, ihr Richtlinien aufzuerlegen.

Ich spreche jetzt von der Konsumentenschutzverordnung betreffend die Kennzeich­nung von Eiern, die in Speisekarten angeführt werden sollten. Haben Sie sich schon einmal überlegt, welchen riesigen Aufwand das für die Gastronomie bedeutet, wenn man nachforschen muss, welche Eier für Barilla-Nudeln – oder woher sie auch immer kommen, aus Italien, Spanien, woher Nudeln eben kommen und wo sie produziert wer­den – verwendet wurden, ob dort auch Freilandeier zur Anwendung gekommen sind? Ich glaube nicht, dass das zielführend ist und dass die Gastronomie das auch befolgen kann, weil es auch eine Überforderung darstellt.

Und was ist dann das Nächste? Das Nächste ist, dass wir eine Kalorienverordnung rechts auf der Speisekarte anzuführen haben, dass wir dann die Emulgatoren rechts anzuführen haben – E 13, E 15, E 218, was auch immer – und den Konsumenten über­fordern, weil er sich überhaupt nicht mehr auskennt. Das Einzige, was ihn interessiert, ist der Preis – auf der Speisekarte jetzt, wohlgemerkt.

Ich wundere mich, dass die ÖVP diesen Entschließungsantrag unterstützt, weil an mich sehr viele Gastronomenvertreter von der Wirtschaftskammer herangetreten sind – Helmut Hinterleitner, Hans Schenner et cetera –, die alle bei mir interveniert haben, diesen Entschließungsantrag zur Sprache zu bringen und nicht zuzustimmen. Da soll­ten Sie sich schon einmal überlegen, ob Sie damit der österreichischen Tourismuswirt­schaft einen Dienst erweisen. Ich will das nicht. – Danke. (Beifall beim BZÖ.)

20.16



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 213

Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Grossmann mit 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.16.25

Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe da eine etwas optimistischere Sicht der Dinge. Ich denke, das Bewusstsein der Konsumentinnen und Konsumenten hat sich im Laufe der Jahre grundlegend gewandelt, und zwar zum Positiven.

Kaufentscheidend sind natürlich neben dem Preis vor allem Qualitätskriterien. Konsu­mentinnen und Konsumenten sind sich immer stärker ihrer Macht bewusst, die sie mit ihrem Kaufverhalten haben. Sie wissen, dass sie mit ihrer Kaufentscheidung viel beein­flussen können: ob durch die Produktion Tierleid verhindert werden kann oder gar die Ausbeutung von Kindern, ob eine ökologische, nachhaltige Landwirtschaft gefördert wird, die die Existenz kleiner Bauern sichert und damit den ländlichen Raum stärkt. Da­ran hängen Arbeitsplätze, die Landschaftspflege und vieles mehr. Immer mehr rücken Klimaschutzerwägungen ins Zentrum des Bewusstseins. Lange Transportwege bedeu­ten eine schlechte CO2-Bilanz, schädigen unser Klima und unsere Lebensqualität, und deshalb greifen bewusste Konsumentinnen und Konsumenten eben lieber zu Lebens­mitteln aus der heimischen Landwirtschaft, zu saisonalen Produkten, die biologisch produziert werden. Dafür sind die Menschen erfreulicherweise immer mehr bereit, einen höheren Preis zu zahlen – Aber nur dafür! Gerade in Zeiten, in denen Lebens­mittel bedauerlicherweise immer teurer werden.

Grundvorrausetzung für dieses verantwortungsbewusste oder, anders gesagt, ethisch korrekte Konsumverhalten ist natürlich Information, klare, leicht zugängliche Informa­tion über Inhaltsstoffe, Produktionsverfahren und Herkunft der Lebensmittel. Leicht zu­gänglich heißt in entsprechender Schriftgröße, wie das Kollegin Aubauer soeben ausgeführt hat, mit entsprechendem Kontrast und mit unmissverständlichem Inhalt, der auch ohne Chemiestudium zu lesen ist.

Wenn mehr als der Preis zählen soll, setzt das natürlich ein großes Vertrauen der Kon­sumentinnen und Konsumenten voraus, und dieses Vertrauen darf nicht erschüttert werden – nicht durch irreführende Angaben, unklare Angaben oder gar betrügerische Praktiken. Wenn nämlich das Vertrauen einmal verloren ist, dann ist es kaum mehr wiederzugewinnen, und jahrelange Bemühungen einer nachhaltigen Landwirtschaft und Bewusstseinsbildung werden zunichte gemacht.

Deshalb sind verbindliche Rechtsgrundlagen auf europäischer und österreichischer Ebene unumgänglich. Erzeugerland, Name und Anschrift des Erzeugers, Herkunft der Rohstoffe müssen angegeben werden. Und da wäre eine entsprechende EU-Verord­nung, mit der zusätzlich eine Made-in-Europe-Herkunftsbezeichnung geregelt wird, auch durchaus sinnvoll, auch um Produkte, um europäische Produkte in Drittstaaten besser verkaufen zu können. Und es geht ja, wie wir wissen, um sehr viel: Es geht um die Vielfalt und die Qualität der Produkte in Europa, um Arbeitsplätze, Gesundheit und unser gesamtes Lebensumfeld.

Zum Abschluss möchte ich noch feststellen, dass der Konsumentenschutzausschuss ein großer Gewinn für alle Konsumentinnen und Konsumenten ist, und ich danke allen Mitgliedern dieses Ausschusses und vor allem dem Vorsitzenden, Johann Maier, für das großartige Engagement. Hoffentlich geht das so in diesem Sinne weiter! – Danke vielmals. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Mag. Aubauer.)

20.19


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Hradecsni. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 214

20.20.10

Abgeordnete Bettina Hradecsni (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Nur ganz kurz zu Ihren Ausführungen, Herr Kollege Bucher: Zu aufwändig würde es nicht werden für die Gastronomie, denn europaweit muss bereits jetzt jedes einzelne Ei gekennzeichnet sein. Wenn Sie ein Ei kaufen – ganz egal, woher aus Europa –, so ist das gekennzeichnet. (Abg. Schalle: Nicht auf der Mehlspeise!)

Ich denke mir, es wäre nur recht und billig, wenn sich die österreichische Wirtschaft da solidarisch erklären würde – die Gastronomie, die Eiererzeugung, Teigwarenerzeu­gung und so weiter –, denn wenn tatsächlich ab 1. Jänner 2009 die Käfighaltung bei uns verboten ist, so würde das lediglich bedeuten, dass billige Industrieeier aus dem Ausland importiert werden.

Deshalb ist für mich in keinster Weise nachvollziehbar, warum gerade die ÖVP, die sich ja immer als die Vertreterin der Bauern sieht und vielleicht auch so empfunden wird, nicht für eine verpflichtende und verbindliche Kennzeichnung eintritt und da wie­der auf Freiwilligkeit bestanden hat.

Vorhin haben sich alle sehr lobend über den Konsumentenschutzausschuss geäußert, und ich möchte das jetzt zum Anlass nehmen, zu sagen: Auch ich habe diese Arbeit ungemein wichtig gefunden, seitens der Vorsitzführung war man auch wirklich sehr be­müht und hat das exzellent gemacht; wir mussten aber immer wieder feststellen, dass es eigentlich verpflichtender Maßnahmen in Bezug auf den Konsumentenschutz be­durft hätte, dass es da aber leider Gottes gemäß Intention der Wirtschaft beziehungs­weise der ÖVP lediglich zu Maßnahmen auf freiwilliger Basis gekommen ist. Das war dann doch irgendwie ein bisschen eine Verhöhnung – „Verhöhnung“ ist vielleicht zu viel gesagt –, jedenfalls eine Missachtung des Parlaments, denn wir sollten hier keines­wegs Maßnahmen auf freiwilliger Basis beschließen, sondern eben verbindliche und verpflichtende Maßnahmen und Gesetze.

Zum Thema Lebensmittelkennzeichnung. Sehr begrüßenswert finde ich in diesem Zusammenhang eine ausreichende Schriftgröße, ebenso einen guten Kontrast. Das betrifft ja nicht nur alte und sehbehinderte Menschen, denn: Jeder von uns kennt die Suche nach dem Ablaufdatum, nach Nährwertangaben und so weiter. Wenn es die In­tention ist, dass sich die Menschen gesund ernähren, sollten wir in diesem Zusammen­hang doch auch die sogenannte Ampelkennzeichnung erwägen. Das wäre dann etwas für die nächste Gesetzgebungsperiode. Dieses Modell hat sich ja bereits in England sehr bewährt und wird jetzt europaweit überall diskutiert.

Wie gesagt, es geht um diese Lebensmittelkennzeichnung, und da ist in diesem Ent­schließungsantrag einerseits eine Herkunftsbezeichnung bei allen Lebensmitteln „Ma­de in the EU“ vorgesehen. Wir werden diesem Antrag zustimmen; wobei es im Punkt 1 darum geht, dass das Erzeugerland ausgewiesen sein muss, ebenso Name und An­schrift des Erzeugers auf allen Lebensmitteln. Weiters muss der Herkunftsort der Roh­stoffe klar und deutlich angegeben werden.

Das finde ich sehr begrüßenswert, denn derzeit haben wir die Situation – wir von den Grünen haben ja bereits in zwei Gesetzgebungsperioden Anträge auf Reform der Gü­tezeichenverordnung eingebracht –, dass in Bezug auf Produkte, die mit „Made in Aus­tria“ gekennzeichnet wurden, lediglich mindestens 50 Prozent der Wertschöpfung aus Österreich stammen muss. Das heißt zum Beispiel in Bezug auf das berühmte Glas Marillenmarmelade, dass das Glas aus Österreich und die Marillen dann eben aus dem Ausland kommen können.

Ich hoffe, dass das alles mit diesem Antrag dann obsolet sein wird. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

20.24



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 215

Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Höfinger zu Wort. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.24.49

Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundes­ministerin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf auch ein paar Worte zur Kennzeichnung verarbeiteter Eier sagen. Zunächst herzlichen Dank an die österreichischen Eierproduzenten, die in den letzten Jahren in wirklich vorbildlicher Art und Weise dem Bundestierschutzgesetz gerecht geworden sind und unter großem finanziellen Aufwand die Haltungsform auf biologische Haltung, auf Freiland- oder Bo­denhaltungsformen umgestellt haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Das ist wirklich einen Applaus wert, da haben Sie recht.

Es war zunächst ein großer Vorteil, dass sehr viele Handelsketten, dass sehr viele Ein­zelhandelsbetriebe, aber auch ein Großteil der österreichischen verarbeitenden Gewer­beindustrie auf österreichische Boden- oder Freilandhaltungseier umgestellt haben, was uns in den letzten Jahren eine gute Dynamik in diesen Märkten gebracht hat, wo­bei wir da zu einer sehr guten Zusammenarbeit gefunden haben.

Problemfelder – das stimmt schon – sind sicher in der großen verarbeitenden Industrie gegeben. Das ist ein internationaler Markt, und da geht es natürlich auch um Kosten sowie darum – dieses Argument darf man auch nicht außer acht lassen –, dass mo­mentan das Angebot an Boden- oder Freilandhaltungseiern noch gar nicht vorhanden ist, um damit den Markt voll abdecken zu können, denn das würde einen sehr teuren Zukauf bedeuten, vielleicht auch aus großer Entfernung, wo dann die Eier über große Strecken nach Österreich transportiert würden. Und das würde in der momentanen Si­tuation auch eine Verteuerung der Produkte bedeuten. Ich denke, angesichts unserer Diskussionen, die wir tagtäglich haben, wenn es um das Thema Teuerung geht, wäre das momentan das falsche Signal.

Grundsätzlich und als Vertreter der Eierproduzenten begrüße ich natürlich, dass dieser erste Schritt gemacht wird. Es ist das ein Schritt in die richtige Richtung, und ich bin mir dessen sicher, dass die Wirtschaft in der nächsten Zeit Wege finden wird, um verstärkt österreichische Ware einzusetzen, sodass wir dann gemeinsam diesen Weg weiterge­hen können.

Ich denke, momentan stellt dieses Gesetz wirklich eine Hilfestellung für die österreichi­schen Eierproduzenten dar, damit sie sich eben besser auf dem Markt positionieren können. Daher unterstütze ich das auch von meiner Seite aus voll. (Beifall bei der ÖVP.)

20.27


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Ab­geordneter Vock. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.27.13

Abgeordneter Bernhard Vock (FPÖ): Hohes Haus! Als Tierschützer begrüße ich na­türlich die strengen Regelungen, die wir in Österreich haben, dass die Käfighaltung im Auslaufen begriffen ist und wir in Zukunft Freilandeier bekommen. Es war auch wichtig für den Konsumenten, dass das gekennzeichnet ist, damit er das erkennen und sich dafür entscheiden kann.

Schwieriger wird es für den Gastronomen, wenn er Eier regelmäßig beispielsweise bei Metro einkauft – und er dann jedes Mal die Speisekarte ändern muss, wenn es plötz­lich eine andere Verpackung gibt, er aber zu einer exakten Kennzeichnung verpflichtet ist. Daher ist das in der Praxis meines Erachtens nur schwer durchsetzbar.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 216

Froh bin ich, dass heute sozusagen die Forderung nach „Made in the EU“ wegfällt, denn da wäre es noch viel unklarer, denn, auch wenn das Wiener Schnitzel mit „Made in the EU“ gekennzeichnet ist, weiß man ja erst recht nicht, ob die österreichischen Richtlinien auch eingehalten wurden. Nur wenn ehrlich „Made in Austria“ draufsteht, dann weiß der Konsument auch, was tatsächlich drinnen ist. (Beifall bei der FPÖ.)

20.28


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Eßl. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.28.00

Abgeordneter Franz Eßl (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Der Ent­schließungsantrag betreffend Kennzeichnungspflicht von verarbeiteten Eiern in Fertig- und Eiprodukten ist eine wichtige Angelegenheit, die wir heute beschließen werden. Es war der Wunsch der Konsumenten und es war auch aus Tierschutzgründen erwünscht, dass die Käfighaltung bei uns in Österreich verboten wird. Die EU wird das per 31. De­zember 2011 machen; in Österreich gilt das bereits ab 2009.

Eine logische Folge ist daher, dass man auch die Kennzeichnung dementsprechend anpasst. Bei Frischeiern gibt es die verpflichtende Angabe von Herkunft und Haltungs­form jetzt schon europaweit, nicht aber bei verarbeiteten Produkten. Und dass sich das ändert, das wollen wir. Wir wollen, dass sich zur Wahrung der Interessen der Konsu­mentinnen und Konsumenten etwas in Richtung einer Kennzeichnungspflicht auf EU-Ebene von verarbeiteten Eiern und Fertigprodukten entwickelt, und wir wollen, dass sich unsere Bundesregierung in diese Richtung entsprechend einsetzt und in der Zwi­schenzeit auch die Zeit nützt, um diesbezüglich ein auf Freiwilligkeit basierendes Sys­tem in Österreich zu schaffen.

Wir wissen, dass es derzeit in Österreich noch ungefähr 1,4 Millionen Hennen in Käfig­haltung gibt. Die wird es dann 2009 nicht mehr geben. Das bedeutet, es werden dann unter Umständen um 280 Millionen Eier mehr aus dem Ausland importiert werden, und das wollen wir nicht. Wir wollen, dass diese durch Eier von Hennen aus Boden- und Freilandhaltung ersetzt werden.

Noch die Zahlen: Derzeit werden 320 Millionen Eier als Schaleneier importiert, und als Eiprodukte noch einmal 340 Millionen Eier. Da geht es also um etwas, und darum ist es wichtig, dass wir diese Kennzeichnung schaffen.

Wir setzen nicht nur ein Zeichen, sondern das ist die logische Konsequenz aus dem Tierschutzgesetz. Wir entscheiden für die Bauern, wir entscheiden für die Wirtschaft, wir entscheiden für die Konsumenten und für die Österreicherinnen und Österreicher. (Beifall bei der ÖVP.)

20.30


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemel­det. Die Debatte ist geschlossen.

Wünschen die Berichterstatterin beziehungsweise der Berichterstatter ein Schluss­wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 652 der Beila­gen angeschlossene Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist mehrheitlich angenommen. (E 85.)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 217

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 653 der Beila­gen angeschlossene Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist mehrheitlich angenommen. (E 86.)

20.31.4218. Punkt

Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den Antrag 827/A(E) der Abgeordneten Johann Rädler, Mag. Johann Maier, Sigisbert Dolinschek, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Neufassung der europäischen Verordnung über Kosmetika (654 d.B.)

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Wir gelangen nun zum 18. Punkt der Ta­gesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als erster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Steier. 3 Minuten Rede­zeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


20.32.06

Abgeordneter Gerhard Steier (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine geschätzten Damen und Herren! Die Verbesserung der Sicherheit von Kosmetika steht im Mittelpunkt des Antrages 827/A. Anlässlich der Überarbeitung der europäischen Rechtsetzung über kosmetische Mittel soll die Kosmetikrichtlinie 1976 mit ihren zahlrei­chen Novellierungen und einzelstaatlichen Gesetzeswerken durch eine einzige Verord­nung ersetzt werden.

Geplant sind höhere Anforderungen an die Produktsicherheit und vereinfachte Regeln für die Meldung neuer kosmetischer Mittel. Dies stellt einen guten Anlass dar, präzisere Formulierungen und Verpflichtungen einzufordern, um Rechtssicherheit für die Herstel­ler, speziell aber für die Kunden zu gewährleisten.

Meine geschätzten Damen und Herren, der Begriff „Kosmetika“ umfasst ja nicht nur Make-ups oder Parfums, sondern auch millionenfach verwendete Produkte für die per­sönliche Hygiene, wie zum Beispiel Zahnpflegemittel, Shampoos oder Seifen.

Neue Erkenntnisse, Produkte und stoffliche Einsatzbereiche machen eine beständige Anpassung der bestehenden Vorschriften im Sinne der KonsumentInnen notwendig.

Der Antrag schlägt daher unter anderem vor, dass die Einführung von Mindeststan­dards zu keiner Absenkung der bisherigen Niveaus führen und die Begrenzung der so genannten CMR-Stoffe, zu denen kanzerogene, mutagene und reproduktionstoxi­sche Stoffe gehören, aufrecht bleibt.

Ganz besonders wichtig ist es, die KonsumentInnen vor möglichen Gesundheitsgefah­ren durch gefälschte Kosmetika zu schützen, denn von 2006 auf 2007 sind die durch Zolldienste an den Außengrenzen der EU beschlagnahmten Kosmetikprodukte um 264 Prozent gestiegen.

Kurz hervorheben möchte ich noch ein Thema, das im Zusammenhang mit Kosmetik, aber auch allgemein eine sehr wichtige Rolle spielt, nämlich die Nanotechnologie. Sie kommt bei verschiedenen Verbraucherprodukten zum Einsatz und wird immer mehr verwendet. Der Markt für Nanoprodukte wächst täglich und sehr stark. Stoffe mit ganz neuen Eigenschaften entstehen. Im Kosmetikbereich finden sich „Nanos“ zum Beispiel bei Tagescremes mit UV-Schutz, Zahncremes und so weiter.

Die Risikoforschung zu den Nanopartikeln steckt aber noch in den Kinderschuhen. Da­mit können gesundheitliche Risiken – zum Beispiel bei Sprays mit Nanotechnologie – nicht ausgeschlossen werden.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 218

Speziell bei Kosmetika muss unserer Ansicht nach auf die gesundheitlichen Probleme besonderes Augenmerk gelegt werden. Meine geschätzten Damen und Herren! Ob­wohl in immer mehr Produkten Nanomaterialien enthalten sind, wissen die österreichi­schen KonsumentInnen viel zu wenig über Nanotechnologie, ihren Einsatz und ihre möglichen Risken.

Umso wichtiger ist es daher, dass auf nationaler Ebene in Zusammenarbeit mit der AGES das Thema Nanotechnologie in Kosmetika und Lebensmitteln aufgegriffen und damit dem Konsumentenschutz weiterhin mehr Raum gegeben wird. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

20.35


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächste Rednerin bitte ich Frau Ab­geordnete Grander zum Rednerpult. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Frau Abgeordnete Grander ist nicht anwesend.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Hradecsni. Gewünschte Redezeit: 3 Minu­ten. – Bitte.

 


20.35.40

Abgeordnete Bettina Hradecsni (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Ja, auch wir unterstützen diesen Antrag, weil im Zuge der Neufassung der europäi­schen Verordnung über Kosmetika gefordert wird, dass es weiterhin eine strikte Be­schränkung von CMR-haltigen Stoffen geben soll. Auch die Einrichtung eines Schnell­warnsystems auf EU-Ebene erscheint uns ungemein wichtig, damit die KonsumentIn­nen so rasch wie möglich über gefährliche und nicht verkehrsfähige Kosmetika infor­miert werden.

Uns geht diese Verordnung allerdings nicht weit genug, und zwar genau in dem Be­reich, den der Kollege vorher schon angesprochen hat, nämlich der Nanotechnologie. Es gibt keine Kennzeichnungspflicht, und die Konsumenten wissen nicht, ob sie ein Produkt kaufen, das Nanopartikel beinhaltet. – Das ist ganz speziell jetzt im Sommer im Bereich der Sonnenschutzmittel ein Problem, die ja gerade bei Kindern angewendet werden.

Es gibt in diesem Bereich noch viel zu wenig Risikoforschung, speziell auch in Öster­reich. Wir haben deshalb ein grünes 5-Punkte-Programm zur Nanotechnologie vorge­schlagen, das Folgendes beinhalten würde: die Erstellung eines österreichischen Ak­tionsplans für Nanotechnologie; ein Moratorium für Produkte im Lebensmittel- und Kos­metikbereich, abgeleitet nach dem Vorsorgeprinzip; weiters – und das ist ganz wesent­lich – auch die Erhöhung der Mittel für die Risikoforschung auf mindestens 5 Prozent der Fördermittel für Nanotechnologie; und das Bekenntnis zum Code of Conduct der EU-Kommission und die Veröffentlichung der Stellungnahme Österreichs.

Im Konsumentenausschuss hatten wir an und für sich besprochen, dass im For­schungsausschuss ein Unterausschuss eingerichtet werden sollte, der sich mit diesem dringenden Thema auseinandersetzen sollte. Jetzt stehen wir mit der Auflösung des Nationalrates vor dem Problem, dass sich das um weitere Monate verzögern wird. Es wäre jedoch ganz dringend nötig, im Bereich der Nanotechnologie auf nationaler Ebe­ne endlich tätig zu werden. (Beifall bei den Grünen.)

20.38


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Abgeordnetem Dr. Haimbuchner das Wort. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschrän­kung. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 219

20.38.39

Abgeordneter Mag. Dr. Manfred Haimbuchner (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bun­desministerin! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Hohes Haus! Ich mache es gleich ganz spannend: Die FPÖ stimmt dem vorliegenden Antrag zu. Das ist eine ver­nünftige Sache. Die wesentlichen Punkte wurden ja bereits erwähnt. Die Mitglieder der Bundesregierung werden ersucht, sich für eine präzisere Formulierung der verantwort­lichen Person, für die Einführung von Mindeststandards und für die strikte Beschrän­kung von CMR-Stoffen einzusetzen.

Ein wesentlicher Punkt ist – und das scheint eine wirklich sinnvolle Angelegenheit zu sein – die Einrichtung eines EU-Schnellwarnsystems, damit Konsumenten über gefähr­liche und nicht verkehrsfähige Kosmetika auch rechtzeitig informiert werden. Das ist ein Bereich, der in den vergangenen Jahren jedenfalls vernachlässigt wurde.

Hinsichtlich der Nanotechnologie – darüber haben wir ja bereits im Ausschuss disku­tiert – ist die Risikoforschung und auch deren Förderung auf jeden Fall zu begrüßen. Ich warne aber davor, eine Art „Nanohysterie“ zu erzeugen. Das sollte man unseres Er­achtens nicht tun.

Schließlich ist das Thema Kosmetika ja mittlerweile auch ein wichtiges Thema für die Männer. – Man könnte ja bald sagen, es ist ein Genderthema. Immer mehr Männer verwenden Kosmetika, damit sie mit einem noch schöneren und gepflegteren Auftritt die Damen erfreuen. (Beifall bei der FPÖ.)

20.39


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dolinschek. 1 Minute Wunschredezeit. – Bitte.

 


20.40.19

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bun­desministerin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Zur Neufassung der europäischen Verordnung über Kosmetika vier Punkte.

Die Einführung eines Mindeststandards soll die Absenkung des heutigen Niveaus ver­hindern. Eine Präzisierung der Formulierung, um die nötige Rechtssicherheit zu errei­chen, ist ebenfalls zu befürworten, genauso wie der Sicherheitsbericht und das Schnellwarnsystem auf EU-Ebene. Die Weiterentwicklung der Nanotechnologie wurde von meinem Vorredner schon erläutert: Die Nanotechnologie soll der Bevölkerung transparenter gemacht werden und die Konsumenten auch sensibilisieren.

Wir werden dieser Neufassung der europäischen Verordnung über Kosmetika natürlich unsere Zustimmung erteilen. (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.41


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Ablinger. 2 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


20.41.08

Abgeordnete Sonja Ablinger (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Minister! Herr Abgeordneter Haimbuchner, Männer erfreuen Frauen eher dann, wenn sie sich zum Beispiel im Haushalt entsprechend beteiligen. – Ob sie das geschminkt oder ungeschminkt tun, ist uns relativ egal. Sie meinen diese Dinge ja meistens nicht sehr ernst, aber Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen: Es wird nicht besser, wenn Sie sich schminken.

Zum Inhalt dieser Vorlage: Das ist, finde ich, ein gutes Beispiel dafür, dass europawei­te Regelungen besser sind als nationalstaatliche Regelungen. Bisher gibt es 27 einzel­staatliche Gesetzeswerke mit über dreieinhalbtausend Seiten Rechtstext. Jetzt über-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 220

legt man sich genau deswegen, weil das so unübersichtlich ist, das in eine geschlosse­ne EU-Verordnung zu gießen. Seit 1976 hat es in diesen Bereichen 55 Änderungen gegeben – in den letzten Jahren jährlich drei bis fünf Änderungen. Das macht diese ge­samte Sache unübersichtlich.

Jetzt hat sich die EU entschlossen, eine Verordnung dazu zu machen, die im gesam­ten EU-Raum gültig sein soll. Wir haben uns im Konsumentenausschuss dazu ent­schieden, der Bundesregierung eine Aufforderung mitzugeben, sich dafür einzusetzen, dass durch Mindeststandards das hohe Niveau nicht abgesenkt wird, dass die strikte Beschränkung bleibt, was CMR-Stoffe betrifft, dass auch eine nationale Kompetenz eingeführt wird, was die Kontrolle betrifft, und dass es auch in Österreich finanzielle Mittel gibt, die ein Berichtswesen sicherstellen, wenn es einen jährlichen Bericht über unerwünschte Nebenwirkungen geben soll.

Wenn das gelingt und die Bundesregierung sich auch dafür einsetzt, dann ist das wirk­lich ein gutes Beispiel dafür, wie nationales Recht schwächer ist im Vergleich zum Europarecht, das konsumentenfreundlicher und produktsicherer ist. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.43


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächste Rednerin gelangt Frau Ab­geordnete Durchschlag zu Wort. 2 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


20.43.17

Abgeordnete Claudia Durchschlag (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bun­desministerin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! „Des is a guate Haut“, „sich in seiner Haut wohlfühlen“, „aus der Haut fahren“ – die Haut findet sich in der Umgangssprache in sehr vielen Zitaten wieder, und auch dadurch zeigt sich die Wichtigkeit dieses größ­ten Organs des Menschen.

Die Haut ist sozusagen das Kontaktorgan zur Außenwelt. Sie ist gleichzeitig Schutz vor unerwünschten Eindringlingen, ermöglicht aber auch durch Unmengen von Rezeptoren die Sensibilität und Sensitivität gegenüber der Umwelt. Der Schutz dieses größten menschlichen Organs muss daher höchste Priorität haben. Genau das möchte auch diese Vereinheitlichung und vor allem Vereinfachung der europäischen Verordnung über Kosmetika.

Daher ist auch folgerichtig die strikte Beschränkung von kanzerogenen, mutagenen und reproduktionstoxischen Stoffen einzufordern – ja, mehr noch: Ein Verbot dieser Stoffe sollte langfristig angestrebt werden. Fehlende Nachweisbarkeit in diesem Be­reich sollte nicht politisch verantwortliches Handeln zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger ersetzen.

Die Einrichtung eines Berichtssystems, was unerwünschte Nebenwirkungen angeht, wäre sehr positiv. Ebenfalls begrüßenswert ist die Einführung des Schnellwarnsys­tems. – Darauf ist schon eingegangen worden. Ich denke, ein besonderes Augenmerk sollte man in diesem Zusammenhang auf die Aufklärung von jungen Menschen – spe­ziell von Mädchen – legen. Schädigungen, die durch Noxen in Kosmetika bei so junger Haut entstehen, sind naturgemäß besonders gravierend.

Alles in allem kann man sagen, das ist ein Antrag, der ein positives Beispiel für ein kunden- beziehungsweise konsumentenorientiertes Zusammenspiel von EU und Natio­nalstaat darstellt. (Beifall bei der ÖVP.)

20.44


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemel­det.

Die Debatte ist geschlossen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 221

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 654 der Beilagen angeschlossene Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist einstimmig angenommen. (E 87.)

20.45.2219. Punkt

Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den Antrag 826/A(E) der Abgeordneten Erwin Spindelberger, Johann Rädler, Sigisbert Dolinschek, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Transparenz bei Internet-Roaming-Gebühren und den

Antrag 623/A(E) der Abgeordneten Bettina Hradecsni, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutz vor ungewolltem Datenroaming in Grenznähe (655 d.B.)

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Wir kommen nun zum 19. Punkt der Ta­gesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als erster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Spindelberger. 3 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


20.45.50

Abgeordneter Erwin Spindelberger (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Roaming – also der englische Ausdruck für „Herumstreifen“ – ist, wie allen bekannt, im Mobilfunk, aber auch im Internet die Bezeichnung für die Benutzung eines fremden Netzes.

Es ist unbestritten, dass wir in diesem Zusammenhang mit großen Problemen zu kämpfen haben, weil sich die Funkwellen nicht an die Bundesgrenzen halten. Daher er­leben wir sowohl als Handy- als auch als Internetnutzer, die in Grenzgebieten wohnen oder urlauben, mitunter böse Überraschungen.

Internetsurfen im Ausland ist im Regelfall natürlich teurer als in Österreich. Dazu kommt, wenn wir beim Thema Internet bleiben, auch noch, dass den Usern weder der Wechsel in ein fremdes Netz noch die neue, großteils viel teurere Kostenstruktur, die sich daraus ergibt, angezeigt wird. Es kommt in diesen Fällen nicht selten vor, dass In­ternet-Monatsrechnungen völlig überraschend teilweise sogar mehrere tausend Euro betragen.

Konsumentenschützer der Arbeiterkammer und des VKI bestätigen, dass solche Opfer­fälle nicht gerade selten sind, weil das Problem ganz einfach darin liegt, dass beim In­ternetsurfen der Wechsel in ein anderes Netz – ob im Ausland oder in Grenzgebieten – ohne entsprechende Information erfolgt und daher die Internetuser meist gar nicht wissen, ob sie sich in einem fremden Netz befinden, was eben genau zu diesen hohen Roaming-Gebühren führt, die unwissentlich zustande kommen.

So eine Situation hat, wie man im morgigen „Kurier“ sieht, dazu geführt, dass es nun­mehr im Bereich der Roaming-Gebühren für Gespräche, welche im Inland geführt wor­den sind, ein wohl richtungweisendes Urteil gibt, welches auch für Internetuser künftig zu einem Präzedenzfall werden könnte. Im morgigen „Kurier“ heißt es, ein redlicher Nutzer eines Mobiltelefons müsse damit rechnen, im Ausland zu einem höheren Tarif zu telefonieren, jedoch nicht im Inland zu einem Auslandstarif.


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Meine Damen und Herren! Diese von einem Netzbetreiber angestrengte Klage wurde auch aus dem Grund abgewiesen, weil es in diesem Zusammenhang keine Informa­tions-SMS gegeben hat, dass man sich wieder in einem ausländischen Netz befindet.

Um aber wieder zu den Internetusern zurückzukehren, die ja im Zentrum unseres An­trages stehen: Wir möchten bei unserem gemeinsamen Fünf-Parteien-Antrag die zu­ständigen Mitglieder der österreichischen Bundesregierung ersuchen, sich auf EU-Ebe­ne dafür einzusetzen, dass auch beim Internetsurfen generell bei einem Wechsel des Anbieternetzes dem Internetnutzer automatisch eine Nachricht – ob in Form eines SMS, Popups oder Mails – zukommen muss, welche den User über die neue Situation und die anfallenden Kosten informiert.

Ich bitte dich, Herr Minister, dass du dich diesbezüglich in Brüssel stark machst, um eine ähnliche Regelung, wie es sie schon für die Handynutzer gibt, auch für die Inter­netuser zu erwirken. (Beifall bei der SPÖ.)

20.49


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächste Rednerin zu Wort gemel-
det ist Frau Abgeordnete Fuhrmann. – Sie ist nicht anwesend. (Abg. Brosz: Ist von der ÖVP überhaupt ein Redner anwesend?)

Dann setzen wir fort mit Frau Abgeordneter Hradecsni als nächster Rednerin. 3 Minu­ten Redezeit. – Bitte.

 


20.49.13

Abgeordnete Bettina Hradecsni (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Es wurde ja schon gesagt: Es liegt jetzt ein Fünf-Par­teien-Antrag betreffend Schutz vor ungewolltem Datenroaming in Grenznähe vor.

Es ist nämlich so, dass die EU-Roaming-Verordnung den Anbieter verpflichtet, die Ein­wahl in ein Roaming-Netz anzuzeigen. Das beschränkt sich aber zurzeit nur auf Telefo­nate. Das ist eigentlich nicht einzusehen, weil das Kostenverhältnis bei Datenroaming weitaus gravierender ist; es ist weitaus teurer.

Wenn wir das vergleichen, stellen wir fest, dass da Rechnungen mit exorbitanten Be­trägen zustande kommen. Das geschieht noch dazu unbewusst. Ich selbst wohne auch in Grenznähe, und es ist wirklich so, dass oftmals das fremde Netz stärker ist als das heimische Netz. Und so loggt man sich automatisch ein und arbeitet und ist sich des­sen gar nicht bewusst. Also die Intention dieses Antrages ist wirklich überaus sinnvoll.

Ich bin ja schon sehr neugierig. Wir sind eine moderne Kommunikationsgesellschaft, und es ist voriges Jahr der EU-Kommissarin Reding gelungen, die Handy-Telefonrech­nungen im Ausland, also die Roaming-Gebühren, zu senken. Sie hat an und für sich den Betreibern, den Anbietern eine Frist bis 1. Juli 2008 gesetzt und gemeint, dass sie eben auch im Datenroaming und im Bereich SMS entsprechend nachbessern und weit­aus kostengünstiger werden müssen. Bis jetzt hat sich da nicht allzu viel getan, und ich hoffe, dass die EU-Kommissarin dann auch in diesem Bereich mit einer entsprechen­den Verordnung reagiert. (Beifall bei den Grünen.)

20.51


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dolinschek. 1 Minute Redezeit; Restredezeit der Fraktion 6 Mi­nuten. – Bitte.

 


20.51.34

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Transparenz bei den Roaming-Gebühren wäre eine Aufgabe für die Europäische Kommission, um eben diese Roaming-Gebühren zu vereinheitlichen –


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zumindest in Europa. Das ist ein globales Problem. Und wir alle wissen, dass das Inter­netsurfen im Ausland um vieles teurer ist als im Inland. Der Wechsel wird nicht ange­zeigt, neue Kosten ebenfalls nicht, und das verteuert natürlich die ganze Angelegen­heit.

Vor allem ist das Problem, man ruft einmal in Grenznähe an, das System schwappt in ein anderes über – und man hat einen anderen Anbieter. Was heute am Handy oft schon gang und gäbe ist, dass halt der Wechsel angezeigt wird, ist beim Internet nicht der Fall. Ich würde mir wünschen, dass diese Vorfälle, wie sie sich in letzter Zeit ge­häuft haben, ein Ende haben, dass Popups, SMS, Mails und so weiter bei einem Wechsel den User über die neue Situation informieren, auch über neue Tarife. Aber auf jeden Fall sollten diese Tarife auch vereinheitlicht werden.

Das wäre eine Angelegenheit für die Europäische Union. Herr Bundesminister, ich bitte Sie, das auch dort vorzubringen, denn das wäre sicherlich eine Aufgabe für die Euro­päische Union. (Beifall beim BZÖ.)

20.52


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Füller. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.53.01

Abgeordneter Christian Füller (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit der heute vorlie­genden Entschließung wird ein weiterer Schritt in Richtung verbesserter, transparente­rer Preisgestaltung in einem bisher nur sehr schwer zu durchblickenden Bereich ge­macht, nämlich dem Schutz vor ungerechtfertigter Preisverteuerung aufgrund von Da­tenroaming in Grenznähe.

Bei Telefonaten mit Handys ist es uns allen wahrscheinlich auch schon passiert und dadurch mittlerweile auch schon bewusst geworden, dass auf österreichischem Staats­gebiet, aber in Grenznähe, immer wieder ein ausländischer Mobilfunkbetreiber auf dem Display des Mobiltelefons auftaucht, wobei man dann auch annehmen kann, nicht die sonst üblichen inländischen Tarife zu bezahlen.

Ganz anders verhält es sich aber bei der Nutzung des Internet in Grenznähe. Sehr oft geschieht im Rahmen des Surfens, aber dem Kunden nicht erkennbar, dasselbe. Nir­gends erscheint, in welchem Netz man sich gerade befindet, und man glaubt sich im eigenen inländischen Netz zu befinden.

Bei der Kostenabrechnung wird einem plötzlich aufgrund von auf der Rechnung auf­scheinenden horrenden Preisen erst bewusst, dass es sich in Grenznähe anders ver­halten kann. Es ist auch nicht möglich – zumindest momentan –, dieses Problem auf technischem Wege zu lösen und die Netze der Betreiber den Staatsgrenzen eins zu eins anzupassen.

Aber mit dem heutigen Schritt, mittels dieser von allen fünf Parteien getragenen Ent­schließung, soll auch dieses Problem einer Verbesserung für die Konsumentinnen und Konsumenten zugeführt werden.

Technisch kann es kein Problem sein, für den Fall, dass ein fremdes Netz benutzt wird, eine Nachricht auf dem Bildschirm erscheinen zu lassen.

Insofern unterstützen wir eine solche Initiative auf europäischer Ebene, die auch hier gestartet werden soll, zu der die Bundesregierung heute aufgefordert wird. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.55


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Von der Regierungsbank aus hat sich nun Herr Bundesminister Buchinger zu Wort gemeldet. – Bitte.

 



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20.55.08

Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz Dr. Erwin Buchinger: Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten im Hohen Haus! Die Rednerinnen und Redner haben mit Recht – sowohl im Aus­schuss als auch hier im Plenum – auf ein bestehendes Problem hingewiesen, ein Pro­blem, das bei der Sprachtelefonie gelöst ist, bei der Datenübermittlung im internationa­len Bereich allerdings noch nicht. Um es präziser zu formulieren: Es gibt neuere Soft­ware, die da ein Problem aufzeigen kann, nämlich dass in ein fremdes Netz eingewählt wird. Aber insbesondere bei älteren Programmen, wo diese neue Software noch nicht in Anwendung ist, geschieht das vom Konsumenten meist unbemerkt. Daher besteht da ein Informationsbedarf, der auch leicht gelöst werden könnte, etwa indem Push-Mails automatisch generiert werden, die auf dieses Einwählen in ein ausländisches Netz hinweisen.

Es gibt aber nicht nur ein Informationsproblem, meine sehr geschätzten Damen und Herren Abgeordneten, es gibt auch ein Preisproblem. EU-weit ist geregelt, was denn bei grenzüberschreitenden Telefonaten an Höchsttarifen verlangt werden darf, aber es gibt keine ähnliche Regelung bezüglich eines Höchsttarifes beim Datenroaming. Also haben wir in Wirklichkeit zwei Probleme zu lösen: das Informationsproblem, also Auf­merksamkeit erregen, aber auch das Preisproblem.

Bezüglich des Preisproblems hat die EU-Kommissarin Reding bereits angekündigt, wenn nicht die Anbieter selbst bis 1. Juni 2008 reagieren und ihre Tarife senken, dann wird sie im Herbst eine entsprechende Richtlinie erlassen. Eine entsprechende Sen­kung ist nicht vorgenommen worden. Daher gehe ich davon aus, dass Frau Kommissa­rin Reding hier tätig wird. Und dieses Tätigwerden, diese Initiative sollte sich auch – und hier greife ich die Forderung, die Anregung aus diesem Entschließungsantrag auf – auf Informationen zum grenzüberschreitenden Datenroaming beziehen.

Ich habe in den letzten Tagen mit Infrastrukturminister Faymann diesbezüglich Kontakt aufgenommen. Wir haben bereits eine gemeinsame Vorgehensweise vereinbart. Es ist bereits ein Brief an die Frau Kommissarin abgegangen des Inhalts, dass sie bei der Ini­tiative der Kommission im Herbst, die hier tariflich eine Umsetzung erreichen wird, auch dieses Informationsproblem mit erledigen soll. Und ich hoffe, dass die Frau Kom­missarin das aufgreift.

Wir werden das auch in persönlichen Gesprächen dort, wo wir Gelegenheit haben, noch unterstreichen. Und es sollten in einer umfassenden Regelung der Europäischen Union beide aufgezeigten Probleme im Interesse der Konsumenten und Konsumentin­nen einer Lösung zugeführt werden, um Transparenz und Kostenbegrenzung zu errei­chen. (Beifall bei der SPÖ.)

20.58


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächster Rednerin erteile ich Frau Abgeordneter Mag. Hakl das Wort. 2 Minuten. – Bitte.

 


20.58.13

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die Österreicherinnen und Österreicher haben ja das Glück, aufgrund eines sehr, sehr intensiven Wettbewerbes grundsätzlich in den Genuss ausgesprochen billi­ger sowohl mobiler Breitbandtarife als auch Mobilfunktarife zu kommen.

Das ist auch ein volkswirtschaftliches Asset für uns, und ich glaube, dass das gleiche volkswirtschaftliche Asset auch die gesamte Europäische Union notwendig hat. Das heißt, ein Vergleich zeigt: Amerika hat mit überall ähnlich niedrigen Tarifen ebenso gro­ße Vorteile wie China und Indien als große zusammenhängende Wirtschaftsräume. Nirgendwo sind die Grenzen der Nationalstaaten so eng wie in Europa. Es ist daher


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völlig unverständlich, wenn bei Überschreitung einer Grenze, nur wenige Kilometer weiter, plötzlich horrende Kostensprünge stattfinden, die ein europaweites Wirtschaften erheblich erschweren.

Kommunikation ist ein großer und wichtiger Bestandteil der europäischen Wirtschaft und für alle Wirtschaftszweige, und ich glaube, es ist wichtig, in diesem europäischen Wirtschaftsraum die Schwellenängste zu beseitigen und auch die Schwellenkosten von einem Land zum anderen möglichst niedrig zu halten und daran gemeinsam zu arbei­ten.

Aus diesem Grund wird es wohl nicht genügen, nur die Probleme bei einem zufälligen Über-die-Grenze-Roamen zu beseitigen, was durch ein Gerichtsurteil bereits gesche­hen ist. Wir müssen hier Transparenz schaffen, die ich auch für wichtig halte. Darüber hinaus wird es allerdings notwendig sein, dass die Europäische Union ganz grundle­gende Regelungen trifft, dass die Grenzüberschreitung als alleiniges Kriterium für eine Vervielfachung der Kosten in Zukunft in Europa nicht mehr möglich ist. – Danke. (Bei­fall bei der ÖVP.)

20.59


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächster Rednerin erteile ich Frau Abgeordneter Fuhrmann das Wort. 2 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


21.00.06

Abgeordnete Silvia Fuhrmann (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Das Faszinierende an dieser Diskussion ist ja, dass auch Sie in Ihrem Redebeitrag, obwohl jetzt die SPÖ eine solch kritische Haltung der Europäischen Union gegenüber einge­nommen hat, deutlich aufgezeigt haben, wie wichtig die Zusammenarbeit mit den euro­päischen Institutionen ist, weil gerade die Frage der Roaming-Gebühren, egal, ob Han­dy oder Internet, zeigt, dass wir Österreicher allein unseren Bürgerinnen und Bürgern da überhaupt nicht weiterhelfen können, sondern hier bedarf es einer europäischen Lö­sung.

Ich bin sehr froh, dass Sie doch auch nicht verleugnen können, dass manche Dinge eben einfach nur auf europäischer Ebene entschieden werden können. Und es wird auch unsere Aufgabe sein, in der bevorstehenden Wahlauseinandersetzung, von der ich schon befürchte, dass dort mit populistischen Worthülsen agiert wird, den Leuten zu erklären, was tatsächlich Sache ist – und das ist sicher ein zitierbares Beispiel da­für.

Da es bei Handys via SMS sehr einfach ist, den BürgerInnen klarzumachen, dass sie sich in einem anderen Netz befinden – vor allem jene, die in Grenzregionen leben, ha­ben ja ständig damit zu kämpfen –, sollte das, meine ich, vor allem bei der Datenüber­tragung im Internet beziehungsweise beim Arbeiten mit dem Computer auch der Fall sein. (Präsidentin Mag. Prammer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Manche Betreiber geben ja dem Konsumenten schon eine Information dazu, arbeiten mit Popup-Fenstern oder sind so kundenfreundlich, dass diese Funktion standardmä­ßig deaktiviert ist und dass man auf Kundenwunsch hin das extra aktivieren müsste.

Die Kommissarin hat ja in diese Richtung auch schon ihre Absicht und ihre Bestrebun­gen artikuliert. Ich denke, dass das auf Schiene ist und im Sinne des Konsumenten­schutzes, da es hier auch um viel Geld geht, eine wichtige Frage ist, die wir auf euro­päischer Ebene mit österreichischer Unterstützung klären werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

21.02


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 226

Der Herr Berichterstatter wünscht kein Schlusswort.

Wir kommen zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 655 der Beilagen ange­schlossene Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein entsprechendes Zei­chen. – Das ist einstimmig angenommen. (E 88.)

21.02.4820. Punkt

Bericht des Ausschusses für Forschung, Innovation und Technologie über den Österreichischen Forschungs- und Technologiebericht 2008, vorgelegt vom Bun­desminister für Wissenschaft und Forschung und vom Bundesminister für Ver­kehr, Innovation und Technologie (III-152/662 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zum 20. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir kommen zur Debatte.

Als Erster zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Ing. Gartlehner. 2 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


21.03.24

Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätz­te Frau Staatssekretärin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich möchte beginnen mit einem Dank an alle Beamtinnen und Beamten, die in den beiden Ministerien und im Staatssekretariat diesen Bericht erstellt haben. Es ist ein im Wesentlichen wirklich er­freulicher und sehr positiver Bericht, der von der richtigen Entwicklung in den Berei­chen Forschung und Technologie sowie Forschung und Innovation zeugt.

Wir können nach 2,55 Prozent im Jahr 2007 damit rechnen, dass heuer eine F&E-Quo­te von 2,63 Prozent erreicht wird. Wir sind damit auf dem Weg zur 3-Prozent-Quote, die sich diese Bundesregierung für das Jahr 2010 vorgenommen hat.

Ich glaube, dass die Wahl nicht dazu führen wird, dass die Forschungsquote wieder absinkt. Ganz im Gegenteil: Wir spüren, dass eine gewisse Verstetigung der F&E-Auf­wendungen konjunkturunabhängig und auch unabhängig von solchen Ereignissen stattfindet.

Dieser Bericht zeigt, dass der öffentliche Anteil wieder leicht angestiegen ist, das war auch gut so, weil 2004 ein Unterbruch stattgefunden hat, welcher immer zu Schwan­kungen der F&E-Quote führen könnte. Ich kann wirklich erfreulicherweise feststellen, dass es in keinem anderen europäischen Land bei der F&E-Quote Steigerungen in dem Ausmaß und in dieser Geschwindigkeit gibt wie hier in Österreich und dass wir uns wirklich in einem extremen Aufholprozess befinden.

Herr Bundesminister Hahn hat schon angekündigt, dass er Forschungsattachés zu­sätzlich einsetzen wird, nach dem Muster, wie es auch in den USA sehr erfolgreich ge­macht wurde.

Ich glaube, der Klima- und Energiefonds wird ein weiteres Instrument sein, um die Quote zu heben. Es gibt natürlich auch noch die Möglichkeit, unsere Forschungspalet­te, sozusagen das Angebot an Forschungsprogrammen zu erweitern. Ich denke hier nur an Plastic IT, wo die Universität Linz derzeit wirklich noch in weltweit führender Po­sition ist und dringend ein Programm bräuchte, um mit den Spin-Offs, die hier existie­ren, intensiver zu forschen.


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Ich denke an die Biotreibstoffe, die zweite oder dritte Generation. Auch hier, glaube ich, sollte es unabhängig von den großen Agrar- oder Ölkonzernen Forschung geben, die das Tempo vorgibt und nicht sozusagen marktkonform Innovationen entwickelt, son­dern eben schneller ist.

Und natürlich glaube ich, dass die Produktionswissenschaften in Österreich in den letz­ten Jahren etwas in einen Rückstand gekommen sind, weil sehr viele neue For­schungsthemen wie Nanotechnologie und dergleichen eine gewisse Modernität dar­stellen. Aber die Produktionsforschung in Österreich ist, glaube ich, ein ganz wichtiges Feld, das wir auch noch stärker forcieren könnten.

In diesem Sinne bin ich sehr optimistisch, dass wir in den nächsten Jahren auch eine stark steigende Forschungsquote haben und ehestmöglich diese 3-Prozent-Quote er­reichen werden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

21.06


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Hakl. 3 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


21.06.57

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Der Forschungs- und Technologiebe­richt 2008 ist, würde ich sagen, im Ergebnis durchwachsen. Einerseits ist es erfreulich, dass die Forschungsquote für 2008 endlich bei fast 3 Prozent, nämlich bei 2,63 Pro­zent, liegen wird. Wir kommen unserem 3-Prozent-Ziel immer näher. Danke, Herr Bun­desminister Hahn! Auf der anderen Seite ist es gleichfalls erfreulich, dass sich auch die Ausgaben der Unternehmen für Forschung und Innovation am dynamischsten in der gesamten Europäischen Union entwickeln.

Gleichzeitig hat mit dieser Quantität auch eine qualitative Veränderung Einzug gehal­ten, nämlich über die traditionellen Industrie- und Forschungsbereiche hinaus: Wir sind jetzt auch beispielsweise im Bereich der Informationstechnologien, der Medizintechnik und damit in für Österreich noch nicht ganz so alten Branchen erfolgreich.

Gut durchwachsen meine ich aber trotzdem, weil sehr viele Dinge, die wir uns eigent­lich vorgenommen hatten, liegen geblieben sind. Und ich muss zugeben, dass es mich als stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Forschung und Innovation sehr betroffen macht, auf eine schwache Bilanz zurückblicken zu müssen.

Wie dem Bericht zu entnehmen ist, hat Herr Bundesminister Hahn mit seinem For­schungsdialog sehr viel gerettet, Herr Minister Bartenstein mit Forschungsprämien und Innovationsscheck ebenfalls. Was aber fehlt, und zwar zur Gänze, ist eine Strategie des zuständigen Ministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie, wie wir bei­spielsweise in den wichtigsten Bereichen der Informations- und Kommunikationstech­nologien, aber auch im Bereich der Telekom wirklich zukunftsfähig werden.

Frau Staatssekretärin, wir haben des Öfteren diskutiert, und ich gebe Ihnen recht: Wir hätten es schaffen müssen, die Frage der Breitbandinfrastruktur nicht nur anzudiskutie­ren, sondern wirklich zu lösen. Sie sehen mich schwer betroffen und verärgert, dass immerhin der Mann, der jetzt den Führungsanspruch in Österreich erhebt, Herr Bun­desminister Faymann, nie irgendeinen Anlauf gemacht hat, hier ein Problem zu lösen, und zwar weder in der sehr schwierigen Situation der Telekom und des Festnetzberei­ches noch in der Frage, wie wir künftig leistungsfähige Breitbandinfrastrukturen in Ös­terreich zur Verfügung haben wollen.

Gleichzeitig ist auch Verkehrsminister Faymann andere Zukunftsfragen nicht angegan­gen. (Abg. Parnigoni: Der Herr Vizekanzler hat verhindert, dass das Pflegegeld erhöht


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wird! Sie brauchen uns nicht anzupatzen!) Ich weiß, wie schwer es auch Sie, Frau Staatssekretärin, innerhalb Ihres Ministeriums hatten und dass Ihre Bemühungen leider nur sehr, sehr klein gehalten wurden und hier nicht zum Tragen kamen.

Deswegen hoffe ich, dass in der nächsten Legislaturperiode jemand die Verantwortung für dieses Zukunftsressort tragen wird, der sich traut und imstande ist, diese für das Land essentiell notwendigen Fragen anzugehen und aus dem Verkehrs- und Innova­tionsressort ein Zukunftsressort zu machen. Bundesminister Faymann war es wohl nicht. (Beifall bei der ÖVP.)

21.09


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Sburny zu Wort. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


21.10.25

Abgeordnete Michaela Sburny (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Hakl, ich gebe Ihnen völlig recht, was die Strategie betrifft, allerdings haben wir nicht nur ein Problem, was die Breitbandstrategie betrifft, sondern insgesamt im Forschungs- und Technologiebe­reich, nämlich dass wir keine klare Strategie haben, die nicht nur zwischen den Minis­terien einerseits, sondern mit dem Parlament andererseits abgestimmt ist. Es arbeiten hier die Ministerien zum Teil gegeneinander, zum Teil überschneidend. Das ist eines der Probleme, die auch immer bei Kritiken aller Art angesprochen werden, egal, ob sie von der OECD kommt, ob sie vom Wifo kommt, ob sie vom Rechnungshof kommt. Das ist einfach ein Thema, das uns behindert, diese völlige Unübersichtlichkeit über mehre­re Ressorts in diesem Bereich.

Damit komme ich zum Bericht. Der Bericht behandelt dieses Thema nämlich genau überhaupt nicht. Dieser Kritikpunkt, der ja Auswirkungen auf den effizienten Einsatz der Mittel hat, wird in diesem Bericht völlig ausgeklammert, ebenso wie andere Kritikpunk­te, die von ebendiesen Institutionen immer wieder genannt werden. Ich möchte kurz auf das eingehen. Wenn wir auch dem Bericht an sich zustimmen werden, weil er doch eine relativ gute Übersicht über den gesamten Forschungsbereich bringt, so möchte ich doch auf ein paar Kritikpunkte eingehen, denn vielleicht kann man das ja in Zukunft und unter einer neuen Regierung dann verbessern.

Es ist nach wie vor so, dass der Bericht keine vollständige und klare Dokumentation der Fakten im Forschungsbereich unter Rahmenbedingungen bringt. Das hat der Rechnungshof schon 2006 kritisiert. Es werden nur 20 Prozent etwa der Daten hier do­kumentiert. Das widerspricht der Aufgabe, dass nämlich eine Gesamtübersicht darge­legt werden müsste. Es hat sich in dieser Hinsicht nicht viel geändert.

Punkt zwei: Ein wichtiger Punkt ist diese Frage des Einsatzes der Mittel. Es ist richtig, dass wir mehr Mittel im Forschungsbereich ausgeben. Das ist gut. Die Frage ist nur: Wie effizient ist das? Da ist ein wichtiger Punkt eben die Überschneidung zwischen den Ressorts. Ein anderer Punkt betrifft die überschneidenden Programme, was auch damit zu tun hat, dass die Ressorts zum Teil sehr stark in Konkurrenz miteinander ste­hen und dann die Programme nicht optimal abgestimmt werden und sich immer wieder die Frage stellt und auch schon von Fachleuten erhoben wird: Brauchen wir jetzt in ers­ter Linie mehr Geld, oder brauchen wir einmal mehr Effizienz? Müssen wir uns das nicht genauer anschauen?

Ein dritter Punkt, auf den ich gerne eingehen möchte, ist der Rat für Forschung und Technologieentwicklung. Auch das ist ein Punkt, der in dem Bericht aus meiner Sicht nicht entsprechend abgehandelt wird. Wir haben den Rat für Forschung und Technolo­gieentwicklung als Beratungsgremium der Bundesregierung eingerichtet. Man kann


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schon darüber streiten, ob er nicht vielleicht auch unter anderem das Parlament bera­ten sollte. Er tut das, wenn wir das von ihm fordern oder verlangen oder uns wünschen. Es gibt da große Bereitschaft.

Aber Faktum ist, dass die Kompetenzen, wie sie ursprünglich im Gesetz festgelegt wa­ren, vom Rat zuerst einmal in der letzten Legislaturperiode überschritten wurden und in der jetzigen stark beschnitten wurden, so quasi in einer Gegenbewegung, die dazu ge­führt hat, dass die Ministerien sich wieder sehr viel mehr Einfluss geholt haben und der Rat seinerseits seiner Aufgabe meiner Meinung nach nicht gerecht wird und nicht ge­recht werden kann, weil ihm die Kompetenzen, die er eigentlich hätte, im Augenblick gar nicht mehr zugestanden werden.

Das heißt, meiner Meinung nach müssten wir uns in der nächsten Legislaturperiode das Gesetz neu anschauen und darüber diskutieren: Welche Funktion soll der Rat tat­sächlich haben – oder schaffen wir den Rat ab? Aber das ist momentan eine Struktur, die nicht optimal eingebunden ist, wie es sein sollte und auch sein könnte.

Ein letzter Punkt noch, auf den Bericht bezogen, ist die Frage der Frauen in der For­schung. Das empfinde ich im Bericht einfach als einen Hohn – um es einmal ganz drastisch zu sagen –, wenn man sich in dem Bericht darauf beschränkt, der Hoffnung Ausdruck zu verleihen, dass schon alles irgendwann besser werden wird und dass so quasi das Bewusstsein über die Probleme jetzt eh schon langsam vorhanden ist, dass wir zu wenig Frauen in Spitzenpositionen haben. Aber dass kein einziger konkreter Vorschlag drinnen ist oder eine konkrete Maßnahme, wie das sein könnte, beziehungs­weise völlig an dem vorbeigegangen wird, welche konkreten Probleme wir zum Bei­spiel in Krems oder an der Kunst-Uni mit der Bestellung von Frauen gehabt haben, empfinde ich tatsächlich als eine Schwäche dieses Berichtes.

Wie gesagt, wir werden zustimmen, weil er im Großen und Ganzen in Ordnung ist, es gibt aber heftige Kritikpunkte, auf die wir bei einem nächsten Bericht eingehen soll­ten. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

21.15


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun kommt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Kle­ment zu Wort. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


21.15.48

Abgeordneter Dipl.-Ing. Karlheinz Klement, MAS (FPÖ): Frau Präsident! Herr Minis­ter! Frau Staatssekretärin! Der Bericht geht auf wesentliche Dinge ein. Er geht darauf ein, dass wir Forschung und Entwicklung brauchen. Warum? – In Österreich haben wir nicht diese großen Ressourcen an Rohstoffen, dass wir Massenproduktion machen können. Wir haben keine großen Ressourcen, um riesige Landwirtschaft betreiben zu können. Wir haben keine großen Bergbauressourcen. Unsere Ressource heißt Wis­sen. Wir müssen natürlich zusehen, dass wir im Bereich Forschung und Entwicklung wirklich Weltklasse werden – vor allem im Kampf mit den großen aufstrebenden Län­dern wie China, Indien und so weiter, die auch im Bereich Forschung und Entwicklung schon ein riesengroßes Potential aufweisen.

Verwunderlich ist aber – damit gehe ich auf meine Vorrednerin ein –, dass in diesem Bericht von fünf Kapiteln ein ganzes Kapitel für Frauen in Forschung, Entwicklung und Innovation gewidmet ist. Die Frage ist zu stellen: Glauben wir wirklich, dass in Öster­reich mehr Innovation und Forschung mit künstlich herbeigeführten Quoten erreicht werden kann und dass wir dadurch Qualität steigern können? Ich glaube es nicht. (Abg. Sburny: Warum überrascht uns das nicht?)

Ich sehe, in diesem Bericht wird auch FEMtech von fForte erwähnt. Ich zitiere von der Homepage dieser fForte: „Die derzeit vorherrschende männliche Forschungskultur ent-


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wickelt Mechanismen der Ausgrenzung gegenüber Frauen. Diese Dominanz wirkt sich bei der Rekrutierung von wissenschaftlichem Personal aus.“

Das ist sehr interessant. Gehen die davon aus, dass jetzt Mathematik, Physik, Chemie plötzlich nur mehr männlich sind? Gibt es überhaupt Geschlecht bei Physik, Mathema­tik, Chemie? Gibt es bald einmal ein Gendergesetz von Pythagoras? Oder gibt es ein archimedisches Prinzip extra für Frauen? (Abg. Öllinger: Sie haben schon ein Problem mit Frauen!) Oder sprechen Sie Forschern ab, dass sie offen bestellen können, wenn sie Personal brauchen? Ich glaube, da sind wir völlig auf dem falschen Weg. (Abg. Pfeffer: Sind Sie Frauenhasser?)

Etwas ist auch zu sagen, das ist ganz klar – die ehemalige Frauenministerin wird be­sonders gerne zuhören –: Wir haben keine Geschlechterapartheid an den Universitä­ten. Ich habe noch nie Bänke gesehen auf den Unis, wo draufsteht: Nur für Männer. Al­so ich kenne das nicht. (Abg. Öllinger: Das ist aber schon ziemlich primitiv!)

Ich kenne auch keine Zulassungskriterien, die Frauen von der Forschung ausschlie­ßen. Wer Technik studieren will, der kann das, egal ob er Mann oder Frau ist. Ich sehe also hier keine Behinderungen für Frauen, außer Sie wollen wirklich Quantenphysiker oder Techniker, Montanisten mit Quoten bestellen. Gut, dann müssen wir überlegen, ob wir Universitäten zu linksfeministischen Genderzentralen machen. Das kann ja auch sein. (Abg. Öllinger: Ist schon notiert!) Aber ich glaube, das ist der falsche Weg, um Verbesserungen auf den Unis herbeizuführen. (Abg. Öllinger: Kommt schon ins Pro­gramm!)

Wenn wir von Förderungen sprechen, Frau Sburny, dann sage ich: Wir wissen, dass gerade im Bereich der Frauen riesige Gelder zur Verfügung stehen. „Laura Bassi Cent­res of Expertise“ bekommen 320 000 € Förderung pro Verein! Es gibt für FEMtech 400 000 € und für FEMtech Karriere „neu“ 50 000 € – alles verdoppelt!

Ich sage Ihnen, das führt nicht zur Verbesserung unserer Universitäten, der Forschung und Entwicklung. Wir brauchen eine geschlechtsneutrale Förderung. Wir brauchen Be­gabtenförderung und keine künstlichen Quoten, die der Wissenschaft in Österreich si­cher nicht helfen. (Beifall bei der FPÖ.)

21.19


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Schalle zu Wort. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


21.19.06

Abgeordneter Veit Schalle (BZÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Frau Staatssekretärin! Zum Forschungsbericht und Technologiebericht 2008 möchte ich eigentlich nur sagen: Es hängt schon großteils die Zukunft der Arbeitsplätze davon ab. Ich denke, wir haben einen großen Schritt mit 2,63 Prozent gemacht, aber wir sind noch immer nicht bei den 3 Prozent, die notwendig wären. Ich darf nur darauf verwei­sen, wie es in anderen Ländern aussieht, die ein wesentlich größeres Potential nicht nur an Menschen, sondern auch an Geldern dafür zur Verfügung haben: Deutschland oder vielleicht Indien oder China. In China alleine gibt es 1,2 Millionen Forscher und Forscherinnen. Ich glaube, es ist ganz besonders wichtig, dass wir unsere Kräfte und unsere Gelder konzentrieren auf wesentliche ... (Abg. Parnigoni: Wie viele Menschen leben in China? 1,3 Milliarden!) – 1,2 Millionen Forscher gibt es in China. (Abg. Parni­goni: Und wie viele Menschen leben dort?) – Das ist ja das Thema, das ich anschnei­den will!

Ich will damit sagen, dass wir unsere Kräfte bündeln und konzentrieren müssen und nicht nach dem Gießkannenprinzip das bisschen Geld, das wir haben, verteilen sollen. Ich denke, es ist ganz wichtig, dass wir uns darauf besinnen, wo unsere Stärken sind. Auf das will ich besonders hinweisen. (Beifall beim BZÖ.)


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Zweiter Punkt: Mir geht es darum, dass man, wenn es dann endlich einmal ein Produkt gibt, wie es zum Beispiel jetzt ein Patent mit dem Chip von Infineon ist – ein Energie sparender Chip, der von Infineon in Villach entwickelt wurde –, am heimischen Markt alles daran setzt, dass es zum Durchbruch kommt, damit es auch weltweit endlich zum Einsatz kommt. Hier gibt es aus meiner Sicht viel zu wenig Unterstützung.

Heute wurde auch schon angesprochen – ich möchte darauf hinweisen, weil es eigent­lich besonders schlimm ist –: Die Telekom Austria will ganz große Summen dafür aus­geben, dass sie viele Leute in die Frühpension schickt, ausgliedert oder wegschickt. Auf der anderen Seite hat sie unter Konkurrenzsituation die Ausschreibung für das Breitbandinternet gewonnen und sollte das auch umsetzen.

Frau Staatssekretärin, Herr Minister, ich würde schon bitten, dass Sie hier darauf drän­gen, dass nicht nur die Leute nachhause geschickt werden, sondern dass endlich ein­mal Breitband in Österreich umgesetzt und durchgesetzt wird. In der Steiermark be­schweren sich Unternehmen, die eigentlich keinen richtigen Internetanschluss haben. Ich glaube, wir sind da in einem Entwicklungsland, obwohl genug Geld dafür da ist, dass es gemacht wird. Man versteht das überhaupt nicht.

Ich habe noch eine letzte Frage, Herr Bundesminister: Was ist eigentlich mit den 4 Mil­lionen € passiert, die das Bundesministerium für Finanzen im ersten Quartal 2008 als überplanmäßig für den Betrieb von ISDA genehmigt hat? Ich hätte gerne gewusst, wie man 4 Millionen € zusätzlich schon im ersten Quartal ausgeben kann. – Danke. (Bei­fall beim BZÖ.)

21.22


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun hat sich Herr Bundesminister Dr. Hahn zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


21.22.40

Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Johannes Hahn: Frau Präsi­dentin! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Im Fußball haben wir es nicht geschafft, Europameister zu werden, aber wir haben die iberischen Ziele in der For­schung, die Lissabon- und Barcelona-Ziele ziemlich gut angepeilt und werden sie im Großen und Ganzen erreichen. Das hängt damit zusammen, dass wir die letzten zehn Jahre wirklich einen unglaublichen Lauf hingelegt haben und einen Rekord erarbeitet haben, was die Entwicklung der F&E-Quote im Vergleich zu den übrigen europäischen Mitgliedsländern anbelangt. Waren wir noch am Ende der vorigen Dekade bei unter 2 Prozent – 1,88 Prozent 1999 – so stehen wir heuer – es wurde schon von einigen Rednern angesprochen – bei 2,64 Prozent. Selbstverständlich haben wir das ambitio­nierte Ziel der 3 Prozent. Vielleicht werden wir sie nicht ganz erreichen, aber hätten wir uns nicht diese ambitiösen Ziele gesetzt, wären wir nicht annähernd dorthin gekom­men.

Auch der Anteil der Finanzierung durch die Wirtschaft im Vergleich zur öffentlichen Hand von zwei Dritteln zu einem Drittel, dieses Barcelona-Ziel werden wir erreichen. Wir stehen jetzt bei etwa 62 Prozent zu 38 Prozent. Das ist eine unglaubliche Entwick­lung, wenn ich daran denke, dass im Jahr 2000 der privat finanzierte Anteil an der F&E-Quote noch deutlich unter 60 Prozent war.

Wir haben also in der letzten Dekade in allen entscheidenden Forschungs-Benchmarks eine Zuwachsquote von 50, 60 bis weit über 100 Prozent. Wir sind damit an vierter oder fünfter Stelle in Europa. Ich sage ganz offen: Auch wenn wir über dem Durch­schnitt liegen, muss das Ziel die Besten der Besten sein. Das sind die skandinavischen Länder und das ist in Europa auch die Schweiz. Hier gilt es, Maß zu nehmen, denn in der Forschung ist Exzellenz alles. Da darf man sich keineswegs mit Mittelmäßigkeit zu­frieden geben. Letztlich ist die Qualität unserer Forschung – auch das ist von einigen


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Vorrednern schon angesprochen – die Basis unserer wirtschaftlichen Performance, un­seres gesellschaftlichen Wohlstands. Deswegen ist es wichtig, in Forschung – ob das nun Grundlagenforschung oder angewandte Forschung ist – zu investieren.

Ich bin sehr froh darüber, dass beim Innovationsdialog der Bundesregierung vergange­nen Herbst gerade diese Frage außer Streit gestellt wurde, ob wir jetzt mehr Geld in Grundlagen oder mehr Geld in angewandte Forschung geben sollen. Es ist evident: Beide gehören zusammen, und beide müssen entsprechend dotiert werden, denn A braucht B und B braucht A, sonst kann das Ganze nicht funktionieren.

Was mein Haus jedenfalls anbelangt, haben wir uns in der letzten Zeit wirklich als star­ke Partner in der Grundlagenforschung herauskristallisiert und unseren Anwalt gestellt. Auch die Mittel für die einzelnen Bereiche konnten seit dem Jahr 2000 mehr als ver­doppelt werden. Ich bin auch zuversichtlich, Herr Abgeordneter Schalle, dass jetzt mit der Bestellung beziehungsweise mit der Wahl von Professor Bonhoeffer gerade für I.S.T. Austria eine hervorragende Grundlage geschaffen werden konnte, um gerade in dem sehr zukunftsträchtigen Segment der Gehirnforschung im weitesten Sinne ein europäisches, ein globales Kompetenzzentrum zu werden. (Abg. Öllinger: Die haben aber ein anderes Problem!)

Zu der ganzen Frage Frauen in der Forschung: Es ist keine Frage, dass hier nach wie vor ein Aufholbedarf gegeben ist. Ich glaube, man muss davon ausgehen – und das sollte eigentlich eine No-na-Erkenntnis sein –, dass Begabungen und Talente in der Gesellschaft gleichmäßig verteilt sind: sozial gleichmäßig und auch zwischen den Geschlechtern. Dennoch müssen wir feststellen, dass es bei den Habilitierungen im­mer noch ein gigantisches Ungleichgewicht gibt, währenddessen sich bei den Gra­duierungen die Verteilung mit der Demografie etwa parallel verhält, sogar mittlerweile etwas mehr Frauen abschließen als Männer.

Daher muss es unser Ziel sein, mit geeigneten Förderinstrumenten diese Exzellenz zu fördern. Hier ist nicht Quote angesagt, hier sind intelligente Förderung und Unterstüt­zung angesagt. Ich sage ganz offen: Manche Instrumente greifen gut, manche greifen weniger gut. Diese Offenheit muss man haben, auch Förderinstrumente hinsichtlich ih­rer Wirksamkeit zu überprüfen. Ich unterstelle jedem Förderinstrument grundsätzlich den positiven Anspruch, etwas bewirken zu wollen. Oft stellt sich in der Praxis heraus, dass das eine besser und das andere schlechter geht. (Abg. Mag. Brigid Weinzinger: Manches probieren Sie nicht einmal aus!)

Ich denke, von dort, wo wir losgestartet sind, sind Entwicklungen auch bei den Habili­tierungen sehr gut. Wie gesagt, wir sind ja von einem relativ oder sehr niedrigen Ni­veau ausgegangen. Ich denke, in der Mehrzahl greifen die gesetzten Maßnahmen.

Frau Abgeordnete Sburny, zu den Hinweisen auf Kunst-Uni und Donau-Uni: In dem Fall ist die Frauenthematik, wie ich glaube, zu kurz gegriffen (Abg. Sburny: Na!), denn die Auseinandersetzungen dort sind strategischer Natur. Es sind Auseinandersetzun­gen über die Verfolgung von Entwicklungsplänen, ja oder nein. (Neuerlicher Zwischen­ruf der Abg. Sburny.)

Abschließend möchte ich zur Frage der Überschneidungen sagen: In der Vergangen­heit, Frau Abgeordnete Sburny, habe ich auch zu jenen gehört, die gesagt haben: Es sind viel zu viele Ministerien im Forschungsbereich tätig. Ich kann Ihnen nach einein­halb Jahren sagen: Ich glaube, dass die Schnittstellen ganz gut festgelegt sind. Ich würde für die nächste Legislaturperiode die eine oder andere sinnhafte Arrondierung empfehlen – keine Frage –, das bietet sich an. Irgendwo muss man aber Grenzen zie­hen, weil der Forschungsbereich Gott sei Dank über einen breiten Bereich geht: von der Universität bis in die Angewandte, bis in die Wirtschaftsforschung. Daher muss man irgendwo durchschneiden, weil das von einem Haus nicht bewerkstelligt werden kann.


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Entscheidend ist – da bin ich bei Ihnen! –, dass wir bei den Programmen Optimierun­gen herbeiführen. Ich glaube, dass die verantwortlichen Agenturen sehr gut arbeiten. Grundsätzlich gilt aber im Forschungsbereich: mehr Geld und gleichzeitige Optimie­rung. Das ist ein ständiges Thema, an dem es zu arbeiten gilt.

Ich bin überzeugt davon, dass eine nächste Bundesregierung den eingeschlagenen Weg, mehr Geld in die Forschung zu pumpen, weitergehen muss, weil das unabding­bar ist für das erfolgreiche Performen unseres Landes.

Ich glaube, in den letzten sieben, acht Jahren hat eine sehr erfolgreiche Forschungspo­litik in Österreich stattgefunden. Wenn ich mir die indirekten Forschungsförderungs­maßnahmen ansehe, dann haben sie in einer Art und Weise gegriffen, wie sie für Euro­pa exemplarisch ist, und diesen Weg gilt es fortzusetzen. Dann bin ich hundertprozen­tig sicher, dass wir in der nächsten Dekade absolut zur europäischen Spitze aufschlie­ßen können. Und das ist notwendig, dass wir uns von einem Land der Imitatoren zu einem Land der Innovatoren entwickeln. Wir sind auf dem besten Weg dahin. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

21.31


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es gelangt nun Herr Abgeordneter Morak zu Wort. Gewünschte Redezeit: 3 Minuten. – Bitte. (Abg. Parnigoni – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Morak –: Du musst die Zeit vom Hahn jetzt ein­bringen, ein bissel!)

 


21.31.00

Abgeordneter Franz Morak (ÖVP): Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! In Vorbereitung dieses Ausschusses habe ich mir kurz einmal die Rede von Tony Blair aus dem Jahr 2006 im King’s Centre in Oxford durchgelesen. Das war eine sehr, sehr markante Rede, die im Grunde all das unter­stützt, was wir heute hier schon geredet haben. Ausgehend von der Knowledge Econo­my berichtet er über eine Wirtschaft, die heute nicht mehr konkurrenzfähig ist auf Basis der Löhne, die wir hier zahlen. Sprich: Wenn wir sagen, wir haben in China Lohnkos­ten, die 5 Prozent von dem ausmachen, was wir hier zahlen, heißt das, dass es hier eine grundstürzende Umstrukturierung der Volkswirtschaften im Westen dieser Welt gibt. Das heißt, sind Technologien und Kapital mobil, so ist das Kapital, das nicht in diesem Ausmaß mobil ist, jenes, in das wir investieren müssen, das Kapital der Men­schen, also das Humankapital.

Die Forschung eines Landes, meint er, ist so wichtig wie die Stabilität eines Landes. Das heißt für uns Ermunterung junger Menschen, sich den Wissenschaften zuzuwen­den, den Naturwissenschaften mit den besten Wirtschafts- und Beschäftigungspers­pektiven.

Die Wissenschaft heute ist mehr denn je nicht losgelöst von der Gesellschaft zu sehen; zu groß ist der Einfluss auf diese Gesellschaft.

Und ich glaube, der Bericht, den wir hier durchgearbeitet haben, ist genau ein Bericht darüber, was seit 2000 – ich sage das auch – in diesem Lande passiert ist, nämlich die grundsätzliche Investition in diesen Bereich der Forschung und Entwicklung. Und ich glaube, wir tun gut daran, diesen Weg weiterzugehen. Und der Herr Bundesminister hat ja gesagt, dass wir auf einem guten Weg sind, uns dieser 3-Prozent-Grenze zu nä­hern.

In diesem Sinne ist auch dieser Forschungsdialog zu erwähnen, der hier aufgesetzt wurde, dass hier das Parlament, alle Beteiligten Strategien besprechen, abstimmen. Und so ist das auch mit den Ministerien zu sehen, meine ich. Ich habe es in meiner Eigenschaft als Staatssekretär nie als Fehler empfunden, dass es ein Staatssekretariat


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war, das viele Agenden gebündelt hat – vom Wirtschaftsministerium, vom Unterrichts­ministerium. Ich glaube, je mehr sich zuständig für diesen Aspekt der Ausbildung füh­len, desto besser ist das für die Forschungsquote, für die Forschung, aber auch für die Entwicklung eines Forschungskonzepts in diesem Lande. – Ich danke für die Aufmerk­samkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

21.34


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dr. Grünewald zu Wort. Gewünschte Redezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 


21.34.07

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Frau Staatssekretärin! Ich möchte ein bisschen die bisherigen Wortmel­dungen konterkarieren. Der Bericht ist im Wesentlichen gut, aber – Sie werden sich wundern, denn ich sage das vielleicht für Sie zum ersten Mal –: Quoten allein machen es auch nicht aus. Wir müssen schon schauen, was mit diesen investierten Geldern passiert, welche Wertschöpfung damit verbunden ist und was sie auslösen.

Wenn gesagt wird, indirekte Forschungsförderung habe sich bewährt, dann sei ange­merkt: Das wird momentan erst evaluiert, und wir werden hören, ob es sich bewährt hat.

Auch im Bereich der angewandten Forschung wird seit Langem kritisiert, dass nicht im­mer sehr scharf zu differenzieren ist: Was ist wirklich angewandte Forschung, und was ist nur angewandte Technologieförderung in der Wirtschaft? – Das gehört schon aus­einandergehalten.

Punkt zwei: Die Ministerien werden von Männern geführt, die Berichte sind vorwiegend von Männern geschrieben. Sie sind trotzdem gut, aber nicht perfekt. Wenn in einem Forschungs- oder Technologiebericht als Pausenfüller Tabellen verkauft werden, wo steht: „Anzahl der Habilitationen an den jeweiligen Universitäten“, dann ist das Unsinn. Man muss sagen: „Anzahl der Habilitationen pro hundert Wissenschafterinnen oder Wissenschaftern“, denn sonst kann man ja ebenso gut eine Tabelle machen, veröffent­lichen und sagen: In den USA gibt es 3 Millionen Kraftfahrzeuge, in Österreich nur 500 000. – Was sagt das? Das sagt gar nichts, außer dass Amerika größer als Öster­reich ist. Das wissen wir aber auch so, dazu brauchen wir keinen Forschungsbericht.

Das andere, was mich stört, ist: Es gibt sehr viele Räte, aber sie beraten nicht mehr wirklich, und man hört nicht auf sie. Ein ganz einfaches Beispiel: Wenn man die Arbeit eines Rates zitiert, dann heißt es vonseiten der Regierungsparteien immer: Nein, das stimmt ja nicht, das ist ja nicht wahr! Man vernadert das geliebte, schöne Österreich. Gutes Beispiel, der Bericht der Bundesregierung über Soziales: Die wohlhabendsten 10 Prozent besitzen zwei Drittel des Vermögens. – „Stimmt ja alles nicht!“ – Sofort ein Punschkrapferl drauf. Alles süß und bestens.

Ich rede jetzt ganz kurz noch über die Humanressourcen. Die kosten auch Geld, aber die kosten auch Überlegungen hinsichtlich der Fragen: Welche Perspektiven bietet man ihnen? Welche Zukunft haben sie? Und wie werden sie motiviert? – Und da ist einiges versäumt worden, was auch Faymann nicht gleichgültig sein kann, und sicher auch nicht Minister Hahn.

Ich lebe unter diesen Leuten noch beziehungsweise habe lange intensiv unter ihnen gelebt – meine ganze Berufszeit hindurch –, und ich schwöre Ihnen: Es geht ihnen nicht gut – egal, was Kollegin Brinek und andere hier sagen. Es geht ihnen nicht gut! Sie haben Verträge für vier Jahre, und unabhängig von ihrer Leistung müssen sie ge­hen – und können sich dann um eine Stelle bewerben, die es vielleicht gar nicht gibt. Das ist nicht gut, weil es unabhängig von der Leistung ist. Sie haben eine schlechte


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Bezahlung, sie haben kaum Karrieremöglichkeiten, und sie befinden sich bis ins höhe­re Alter in Abhängigkeiten, die in der internationalen Forschung völlig unüblich sind. Versäumt wurde dieses Tenure-Track-System, versäumt wurde zumindest ein Kollek­tivvertrag.

Ich erinnere Sie, die EU hat ethische Standards, wie man mit dem forschenden Perso­nal umgeht. Und da steht Anerkennung zur Diskussion, Förderung, Autonomie, Selb­ständigkeit und auch faire Bezahlung.

Neuwahlen sind eine Chance. Ich hoffe, wir können sie gemeinsam nutzen. (Beifall bei den Grünen.)

21.37


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Mag. Lohfeyer zu Wort. Gewünschte Redezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


21.38.04

Abgeordnete Mag. Rosa Lohfeyer (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Im vorliegenden Bericht sind das Innovationssystem, die Hochschulen, Innovationen im Unternehmenssektor ebenso Thema wie die Frauen in Forschung, Entwicklung und Innovation. Dass den Frauen ein eigenes Kapitel gewidmet worden ist, ist meiner Meinung nach sehr positiv zu bewer­ten.

Österreich braucht hoch qualifizierte Forscherinnen und Forscher, die sich im EU-wei­ten Wettbewerb bewerben. Und deshalb ist es auch sehr wichtig, hoch qualifizierte Hu­manressourcen auszubilden. Um das zu erreichen, sind die Zukunftschancen für Nach­wuchswissenschafterInnen an den Unis, meine ich, weiter zu verbessern. Denn nicht förderlich sind befristete Verträge oder hohe Personalfluktuation aufgrund unzureichen­der Karriereperspektiven.

Ich weiß aus zahlreichen Gesprächen, dass in anderen Ländern intensiver um For­scher und Forscherinnen geworben wird. Mein Appell: Werten wir den Beruf der Wis­senschafterin oder des Wissenschafters auf, um einer generellen Abwanderung entge­genzuwirken. Derzeit ist es leider noch so, dass viele Forscher und Forscherinnen, die in Österreich oft ausgezeichnet ausgebildet wurden, ins Ausland gehen und dann nicht mehr nach Österreich zurückkehren. Und damit wandert viel Wissen ab, und viele wis­senschaftliche Erkenntnisse werden so nicht für Österreich umgesetzt.

Dem ist entgegenzuwirken – nicht zuletzt auch und vor allem für Frauen, die sich für einen Weg in die Forschung entscheiden. Der aktuelle Forschungsbericht zeigt, dass sich Wissenschaft und Forschung in Bewegung befinden, nicht nur forschungsmäßig, sondern auch frauenpolitisch, Herr Klement. Fördermaßnahmen werden hinsichtlich Arbeits- und Lebenswirklichkeit, Karriereentwicklungs- beziehungsweise Karrierefor­men hinterfragt und blinde Flecken aufgezeigt.

Ich meine, dieser Weg muss weiterhin intensiv gegangen werden, auch wenn es be­reits zahlreiche nennenswerte Initiativen der verschiedenen Ministerien gibt, in denen es unter anderem um das Sichtbarmachen von Frauen in Forschung und Technologie beziehungsweise von hervorragenden weiblichen Forschungsleistungen geht. Wesent­lich wird es sein, dass zukünftig die richtigen Maßnahmen und Gelder an den richtigen Schlüsselstellen eingesetzt werden, damit Frau und Forschung Alltag werden und da­mit Wissen und Wissenschaft, egal, ob männlich oder weiblich, in Österreich weiter an Attraktivität gewinnen können. – Danke. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Dr. Schüssel.)

21.41


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Dr. Lichtenecker zu Wort. 3 Minuten. – Bitte.

 



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21.41.12

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Staatssekre­tärin! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Als Erstes möchte ich einen Dank an den Herrn Minister aussprechen, dass er mit seinen Ausführungen zum The­ma Frauen in der Forschung, Frauen in Entwicklung und Forschung vielleicht dazu bei­getragen hat, dass sich der trübe Blick von Kollegem Klement in der Gender-Frage et­was klärt und er vorwärts sehen kann.

Ich möchte drei Punkte ansprechen, die in diesem Forschungsbericht auffallen. Das Erste betrifft die Schwerpunktsetzung bei den Ressourcen, das Zweite die Transparenz der Geldflüsse und das Dritte, in aller Kürze, die Qualität und die Aufbereitung der Da­ten, die heute schon mehrmals angesprochen wurde.

Zur Schwerpunktsetzung. Es gibt hier sehr gute Ausführungen über die verschiedenen Bereiche und Forschungsfelder, auch darüber, wie diese gewertet werden und was überhaupt vorwärts gegangen ist. Wenn Sie sich die Wertungen anschauen, dann gibt es Kategorien wie: Stärken wurden ausgebaut, Schwächen deutlich verringert. Und dann gibt es auch die Kategorie: „Technologiefelder, in denen sich Stärken deutlich verringerten“. – Und was, glauben Sie, finden Sie darunter? – Sie finden darunter den Bereich der Umwelttechnik, die in Permanenz von dieser Regierung so hoch gelobt wird! Minister Bartenstein und Minister Pröll klopfen sich da immer gegenseitig auf die Schulter und sagen: Super!

Ich sehe Sie, und mir fällt Präsident Leitl ein. Dieser reist auch immer durch die Ge­gend und betont, wie wichtig dieser Bereich ist – und hier schlägt es sich nicht nieder! Im Gegenteil: Wir haben sowieso in der Praxis die Situation, dass hier wenig getan wird, siehe Ökostromgesetz gestern – das fällt ganz gewichtig in den Bereich der Um­welttechnik –, und auch hier in der Forschung geht nichts weiter, im Gegenteil, die Stärken werden deutlich verringert.

Der zweite Bereich: die Transparenz der Forschungsgelder. Endlich wurde es ge­schafft, im Landwirtschaftsbereich hier Licht ins Dunkel zu bringen. Im Forschungsbe­reich geht es hier noch lange nicht so weit, und insbesondere bei der FFG. Hier muss endlich auch klar sein: Wer sind die Förderungswerber?, Um welche Mittel geht es?, In welchem Zeitraum wurden diese ausbezahlt?, um auch hier deutlich zu machen, wo denn die Nutznießer sind.

Das Letzte, was ich noch ansprechen möchte – aber das sei nur ein Symbol für ver­schiedene Aufbereitungen von Daten beziehungsweise von Statistiken –: eine Statistik, in der es um den Frauenanteil bei den Forschungsanträgen beziehungsweise bei den bewilligten Forschungsanträgen geht. Hier auszuführen, wie hoch er ist, nämlich rund 20 Prozent bei den bewilligten, sagt nichts, aber rein gar nichts darüber aus, wie viele Mittel tatsächlich von Frauen in Forschung und Entwicklung in Anspruch genommen werden. – Aber das nur als Symbol für teilweise schwere Mängel in der Qualität der Daten und der Statistiken.

Das heißt, wir haben viele Aufgabenbereiche, die uns weiterhin begleiten werden, und die Hoffnung, dass unter der nächsten Regierung da mehr weitergeht. (Beifall bei den Grünen.)

21.44


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin: Frau Staatssekretärin Kranzl. – Bitte, Frau Staatssekretärin.

 


21.44.37

Staatssekretärin im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Christa Kranzl: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Auch ich möchte zu einigen vorge­brachten Punkten Stellung beziehen. Selbstverständlich – das habe ich auch bereits im


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Ausschuss aufgenommen – kann ein Bericht verbessert werden, soll auch verbessert werden. Es ist auch im Ausschuss darauf hingewiesen worden, dass nicht nur eine Analyse des Iststands aufgezeigt werden soll, sondern vor allem auch Zukunftsvisio­nen hier mit aufzunehmen wären. Das halte ich durchaus für einen positiven und gang­baren Weg.

Ich darf nur schon eines anführen: dass selbstverständlich eine Strategie generell Ar­beitsgrundlage unseres Ministeriums ist, dass hier vor allem natürlich eine Effizienz, das heißt der Mitteleinsatz, mir ganz besonders wichtig ist. Ich bin immer in der glückli­chen Lage gewesen, betonen zu können, dass die budgetären Mittel seitens des BMVIT durchaus als ausreichend empfunden worden sind, wobei aber hinzuzufügen ist, dass Geld allein nicht alles ist, sondern dass es auch auf die Qualität der Projekte ankommt. Das heißt: Was braucht man? – Unternehmungen, die auch F&E-Projekte einreichen, und vor allem solche, die dann auch zu neuen Marktprodukten, zu Innova­tionen führen können.

Für mich ist es dann ein Nachweis, dass tatsächlich das Ziel erreicht wird, wenn F&E-Investitionen dazu führen, dass à la longue gesehen die Weiterentwicklung des öster­reichischen Wirtschaftsstandortes nachgewiesen werden kann, dass es vor allem posi­tive Effekte auf den Beschäftigungsstandort gibt. Sie wissen, dass besonders der For­schungs- und Innovationsbereich einer ist, der mittel- bis langfristig die meisten Ar­beitsplätze ermöglicht, rund 17 000 an der Zahl; nur der Bildungsbereich ist einer, der diese Zahl noch entsprechend übertrifft.

Dass es wesentlich ist, auch Schwerpunkte zu setzen, auch das haben wir sehr ernst genommen. Wir haben Kritiken, die es gegeben hat – ob von OECD, Wifo oder Euro­päischer Kommission –, herangezogen. Wir haben durchaus ein positives Zeugnis er­halten, was den Mitteleinsatz betrifft, aber es sind natürlich auch Schwächen aufge­zeigt worden.

Wie gelingt es tatsächlich, verstärkt KMUs auch für Forschung, für Entwicklung zu inte­ressieren? – Wir haben hier mit der Initiative „Forschung schafft Arbeit“ ein ganz spe­zielles Programm erstellt, das sich besonders an klein- und mittelständische Unterneh­mungen richtet.

Kollegin Hakl ist jetzt nicht im Saal. Ich bedanke mich ganz herzlich für das Lob, das ausgesprochen worden ist. Der Innovationsscheck ist ein Teil davon. Mittlerweile, mit 1. Juli, sind exakt 1 384 Innovationsschecks beantragt worden. Er erfreut sich größter Beliebtheit. Es wird auch einer Kritik begegnet, indem nämlich Dienstleistungsunter­nehmungen für F & E interessiert werden können. Das ist ein sehr schwieriger Bereich. Es gibt sehr positive Beantragungen in den unterschiedlichen Bundesländern. In jenen Bundesländern, wo vor allem auch Unterstützung der öffentlichen Hand in großem Ma­ße gegeben ist, die bereits jetzt eine sehr hohe F&E-Quote ausweisen, dort gibt es auch eine Vielzahl von eingereichten Schecks.

Ich freue mich auch ganz besonders, dass das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit sich schlussendlich dann doch auch dieser Initiative angeschlossen hat und die­ses Programm, der Innovationsscheck, gemeinsam finanziert worden ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema Humanressourcen ist angespro­chen worden. Das ist ein Kritikpunkt, ein berechtigter. Wir wissen, dass rund tausend naturwissenschaftlich-technische Ausbildungen fehlen, dass es hier wirklich einen Mangel gibt.

Wir haben versucht, hier Initiativen zu setzen: einerseits die Frauen verstärkt für diese Bereiche zu interessieren, mit einer Adaptierung, einer Verbesserung des FEMtech-Programmes. Wir haben „brainpower“ entsprechend aufdotiert, wo wir versuchen, auch


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Forscherinnen und Forscher, die im Ausland tätig sind, für den österreichischen For­schungsstandort zu interessieren. Wenn Sie hier hineingehen, sind mehr als 600 offe­ne F&E-Jobs aufgelistet. Das wird sehr stark sowohl von Unternehmungen als auch von interessierten Forscherinnen und Forschern genutzt.

Aber – ganz wesentlich – wir versuchen natürlich auch, mit „Forschung macht Schule“ direkt in die unterste Bildungskette hineinzugehen, hier bereits Initiativen zu setzen, da­mit auch in Volksschulen, in Kindergärten, in Hauptschulen, bis hinauf zur Matura na­turwissenschaftlich-technische Ausbildungen verstärkt angenommen werden.

Die Innovationspraktika sind auch ein Teil dieses Programms. Mittlerweile gibt es 450 beantragte Innovationspraktika – ein Dank auch an österreichische Unternehmungen, die sich intensiv beteiligen –, für die seitens des BMVIT die Kosten von 1 000 € über­nommen werden und wo vor allem junge Menschen die Chance haben, in innovative Unternehmungen hineinschnuppern zu können.

Effizienz ist also etwas Wesentliches. Dem versuchen wir auch mit den programmati­schen Schwerpunkten Rechnung zu tragen.

Der alternative Bereich ist einer, der zukünftig ein ganz wesentlicher sein wird. Ich glaube, dass hier besondere Highlights bereits gelungen sind. Denken Sie nur an die Passivhaustechnologien, wo Österreich tatsächlich die Technologieführerschaft über­nommen hat, an Solarbereiche, an Photovoltaik, genauso aber auch an den Bereich der Luftfahrtindustrie. Hier gibt es Best-Practice-Beispiele, wo wir uns durchaus im europäischen Mittelfeld bewegen.

Was mir wichtig ist: Wenn Breitband angesprochen wird, Frau Kollegin Hakl, dann darf ich daran erinnern, dass im Regierungsprogramm aufgelistet worden ist, dass seitens des Finanzministers 300 Millionen € beigestellt werden. Leider Gottes sind diese Mittel nicht bereitgestellt worden.

Der Versorgungsgrad ist ein sehr großer in Österreich. Ich bin aber bei Ihnen, was die Geschwindigkeit betrifft: Da gibt es natürlich größere Unterschiedlichkeiten. Die IKT-Task Force ist mit Leben erfüllt worden. Da gibt es intensive Arbeitskreise, wo wirt­schaftliche Unternehmungen eingebunden worden sind, wo mittlerweile durchaus sehr, sehr positive Projekte für die Zukunft initiiert worden sind.

Frauen und Forschung, meine sehr verehrten Damen und Herren: Ich kann in diesem Punkt Herrn Abgeordnetem Klement nicht zustimmen. Selbstverständlich ist es wichtig, besondere Initiativen zu setzen, dass verstärkt Frauen auch in der Forschung Fuß fas­sen können. Es ist zwar die Anzahl von Frauen im wissenschaftlichen Bereich ange­stiegen, allerdings, das wissen wir auch, ist es so, dass besonders in Führungspositio­nen, dass besonders in Aufsichtsräten, in unterschiedlichsten Gremien leider Gottes die gläserne Decke nach wie vor vorhanden ist, dass es hier Prozentsätze von maxi­mal 5 Prozent gibt. Da sollen eben ganz spezielle Programme, wie es FEMtech ist, Un­terstützung geben.

Es kann nicht immer nur so sein, wenn auf einmal ein Mangel an wissenschaftlichem Personal in bestimmten Richtungen besteht, genauso wie auch im normalen Berufsle­ben an Facharbeitern, dass dann der Ruf nach Frauen sehr laut wird; wenn dann aber die Beschäftigung wieder sehr hoch ist, verstummt dieser Ruf wieder. Da, glaube ich, ist es wichtig, auch Initiativen zu setzen.

Ganz wesentlich sind die Überschneidungen der Ministerien, die immer wieder auch angesprochen worden sind: Selbstverständlich kann man und soll man in einer zukünf­tigen Regierungskonstellation darüber nachdenken, ob es nicht Sinn machen würde, Kompetenzen zusammenzuführen. Sie wissen, dass ich mich von Anfang an grund­sätzlich für ein Forschungsministerium ausgesprochen hätte, aber trotzdem muss ich


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nach diesen eineinhalb Jahren durchaus sehr positiv bewerten, dass die Zusammenar­beit auch möglich war, weil alle das Ziel, nämlich 3 Prozent F&E-Quote erreichen zu wollen, in diesem Bereich Österreich wirklich nach vorne zu bringen, gemeinsam woll­ten. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abge­ordneten der ÖVP.)

21.52


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Schel­ling. 2 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


21.52.16

Abgeordneter Dr. Johann Georg Schelling (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesmi­nisterin! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Der vorliegende Bericht zeigt eigentlich drei Dinge. Erstens: Wir sind auf dem richtigen Weg. Zweitens: Wir haben stetig aufgeholt. Drittens: Herr Kollege Grünewald, Sie haben recht, die Quote sagt nicht alles, aber wir haben von 2,55 auf 2,63 Prozent gesteigert – und das bei stark ge­wachsenem BIP. Sie wissen, dass wir am Anfang der Periode darüber diskutiert ha­ben, ob wir denn bei diesem starken Wirtschaftswachstum, das wir haben, überhaupt in der Lage sind, diese Quoten zu erfüllen. Daher sollte man das auch unter diesem Aspekt sehr positiv sehen.

Die Anstrengungen müssen natürlich weitergehen, das ist überhaupt keine Frage; wir sind noch nicht am Ziel. Der im Jahr 2000 eingeleitete Strukturwandel für höhere For­schungs- und Entwicklungsintensitäten in der Wirtschaft ist angelaufen, aber wir sollten immer wieder festhalten: Alles, was angelaufen ist, ist kein Selbstläufer, wir müssen et­was tun dafür, dass das weitergeht. Das gilt selbstverständlich auch für die Universitä­ten, das gilt auch für die außeruniversitäre Forschung, hier vor allem für die Kompe­tenzzentren, wo sich jetzt doch eine wichtige Rolle ergeben hat, und diese Rolle sollte ausgebaut und erweitert werden.

Zwei Projekte auf Bundesebene erscheinen mir wichtig: zum einen der Forschungsdia­log, der schon angesprochen wurde, zum anderen aber auch die Systemevaluierung. Beide Projekte sollten sicherstellen, dass die Mittel auch künftig mit hoher Hebelwir­kung eingesetzt werden. Die Wirtschaft hat in der Forschung und Entwicklung und in den Aufwendungen dazu zwischen 2004 und 2007 um 25 Prozent auf über 4 Mil­liarden € zugelegt. Ich glaube, dass auch die Zahl der forschenden Unternehmen, die auf über 14 Prozent gestiegen ist, ein deutliches Zeichen dafür ist, dass der Weg, der begonnen wurde, der richtige ist.

Wir haben gestern sehr ausführlich über Bildung, über Maßnahmen im Unterrichtsbe­reich diskutiert. Neben der Bildung ist es sicherlich so, dass die Forschung und Ent­wicklung einer der Wachstumstreiber sein wird und schon ist, den wir gemeinsam wei­terentwickeln müssen, um im internationalen Wettbewerb, so wie in der Vergangenheit, erfolgreich bestehen zu können. (Beifall bei der ÖVP.)

21.54


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dr. Nieder­wieser zu Wort. 3 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


21.54.26

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminis­ter! Frau Staatssekretärin! Frau Bundesministerin! Ich glaube, der Bericht ist wirklich sehr gut gelungen – im Gegensatz zu manchen, die hier das eine oder andere kritisiert haben. Ganz toll sind die Projekte „Forschung macht Schule“, wir haben darüber schon ausführlich diskutiert. Das ist alles schon erwähnt worden.


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Aber womit ich mich noch beschäftigen möchte, das ist eine Aussendung der ÖVP-Technologie-Sprecherin Hakl von heute Nachmittag, die es für notwendig erachtet hat, den Wahlkampf zu eröffnen, denn sie meinte, die Bilanz, die da gelegt wird, sei nicht gut, sie sei traurig. Da lohnt es sich schon einmal, diese Bilanz etwas kritisch zu be­leuchten. (Zwischenruf der Abg. Mag. Hakl.)

Es heißt da: in den vergangenen zwei Jahren jegliches Engagement vermissen las­send. – Kollegin Hakl, natürlich kann man aus eineinhalb Jahren auch zwei machen. Das würden eher Oppositionsparteien tun, aber nicht eine Regierungspartei.

Weiters ist da zu lesen: nur Personal- und Postenbesetzung. – Ich denke, Sie meinen da vielleicht Seibersdorf, wo Dinge kritisiert worden sind, wo sogar die Schlagzeile lau­tete: Rechnungshof liefert Stoff für den Staatsanwalt. Das ist nämlich Ihre Hinterlas­senschaft gewesen in Seibersdorf. Sie haben alle zugeschaut, wie sich die FPÖ das unter den Nagel gerissen hat. (Zwischenruf des Abg. Dr. Fichtenbauer.) Was jetzt herauskommt, ist ein Chaos in Seibersdorf. Dass Sie da zugeschaut haben, ist ei-
ne Schande, wenn Sie das mit Postenbesetzungen meinen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Riepl: Genauso ist es!)

Dass dann der Innovationsscheck dem Bundesminister Bartenstein zugeordnet wird, der eigentlich damit nur insofern zu tun gehabt hat, als er sich dem angeschlossen hat, und der Klima- und Energiefonds ausschließlich dem Finanzminister Molterer zugeord­net wird, das spricht Bände.

Aber wenn wir uns mit Versäumnissen in der Forschung beschäftigen, dann beschäfti­ge ich mich mit dem Kollegen Minister Hahn und dessen Bilanz im Forschungsbereich. Das ist ein Bereich, wo es um das Personal geht. Herr Minister Hahn! Dass junge ös­terreichische Forscherinnen und Forscher in Österreich keine Zukunft sehen und ab­wandern, dass wir her sehr wesentlich Leute ausbilden und dann verlieren, hängt damit zusammen, dass Sie es versäumt haben, endlich innerhalb dieser eineinhalb Jahre den Kollektivvertrag, der 2006 schon fertig gewesen ist, zu einem Ende zu bringen. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Hahn.) – Nein, nein, wir haben schon im Frühjahr 2007 darüber gesprochen, und dieser Kollektivvertrag ist das Um und Auf da­für, dass Menschen, junge ForscherInnen in Österreich eine Perspektive sehen. Sie brauchen Mitbestimmung und sie brauchen nicht ein solches Gesetz, wie es vorgelegt worden ist, wo sie weiterhin von jeglicher Form der Beteiligung an den Universitäten ausgeschlossen sind.

Zu den Versäumnissen einer langfristigen Forschungspolitik gehört auch, dass ein kon­tinuierliches Arbeiten nicht möglich ist, dass hier der Zuständige dafür sitzt, der dreimal die Koalition gesprengt hat, der Kollege Schüssel. Das wird auch für die Forschergene­rationen von Politologen, Psychologen und Soziologen ein reiches Betätigungsfeld werden. (Beifall bei der SPÖ.)

21.58


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es ist niemand mehr zu Wort gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Die Frau Berichterstatterin wünscht kein Schlusswort.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Forschung, Innovation und Technologie, den vorliegenden Bericht III-152 der Beilagen zur Kennt­nis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für dessen Kenntnisnahme eintreten, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 241

21.58.2121. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorla­ge (456 d.B.): Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroa­tien über die polizeiliche Zusammenarbeit (592 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zum 21. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen daher sogleich in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Ing. Kapeller. 2 Minuten gewünschte Re­dezeit. – Bitte.

 


21.58.53

Abgeordneter Ing. Norbert Kapeller (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Ge­schätzte Kollegen! Ganz kurz: Es geht hierbei um einen Polizeikooperationsvertrag mit Kroatien. Er ist genau so notwendig wie jene, die wir mit Tschechien, mit Deutschland, mit Ungarn und mit Slowenien abgeschlossen haben. Das ist eine Weiterführung, ein Ausbau der polizeilichen Kompetenzen. Gerade auf der sogenannten Balkanroute ist diese Zusammenarbeit dringend notwendig. Daher denke ich, dass wir diesem Vertrag auch hier im Haus zustimmen können, der am 14. November vorigen Jahres auf Be­amtenebene paraphiert wurde. – Ich bedanke mich. (Beifall bei der ÖVP.)

21.59


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Parni­goni zu Wort. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


21.59.41

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Be­merkenswert ist dabei, dass sich der Abgeordnete Pilz von der Rednerliste hat strei­chen lassen, obwohl er als Kontra-Redner gemeldet war. Was man da hineininterpre­tieren kann, weiß ich nicht, aber Faktum ist, es wäre interessant gewesen, zu erfahren, warum er auf seinen Beitrag verzichtet. Ich halte fest ...

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter, das kann ich aufklären: Die Grünen haben so gut wie keine Redezeit mehr.

 


Abgeordneter Rudolf Parnigoni (fortsetzend): Danke. Ist in Ordnung. (Abg. Dr. Stummvoll: Das ist auch gut so!) – Dem kann ich beipflichten. Es könnte auch ein Bosheitsakt innerhalb der grünen Fraktion gewesen sein, den Abgeordneten Pilz nicht mehr an das Rednerpult zu lassen. (Abg. Sburny: Nie! – Heiterkeit.)

Meine Damen und Herren, ich möchte auf alle Fälle dem beipflichten, was Kollege Ka­peller hier ausgeführt hat. Es ist ein Abkommen, das sich einer Reihe vieler derartiger Abkommen anschließt und das dazu beitragen wird, dass die Sicherheit in unserem Land verbessert wird, wobei ich der Frau Ministerin Fekter für die wenigen Tage, die sie im Amt ist, noch mitgeben möchte, darauf zu schauen, dass die Polizistinnen und Polizisten, die sich bei der EURO so hervorragend geschlagen haben, nicht nur mit einem warmen Händedruck abgespeist werden, sondern durchaus auch eine entspre­chende Belobigung und Belohnung bekommen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

22.01


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz. 2 Minuten Gesamtrestredezeit für die Grünen. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 242

22.01.22

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Danke schön, ich muss jetzt sehr schnell spre­chen. Erstens: Wir stimmen dagegen. Zweitens: deswegen, weil es die Möglichkeit gibt, ohne richterlichen Befehl grenzüberschreitend Hausdurchsuchungen und Ähnli­ches vorzunehmen. Drittens würden wir in ähnlichen Fällen auch dagegenstimmen. – Danke, Herr Kollege Parnigoni. (Beifall bei den Grünen.)

22.01


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Mayerhofer zu Wort. Herr Abgeordneter, ich mache auch bei Ihnen darauf aufmerksam: Der Freiheitli­che Klub hat noch 3 Minuten Gesamtrestredezeit. Ich stelle Ihnen die Uhr auf die ge­wünschten 2 Minuten. – Bitte.

 


22.01.59

Abgeordneter Leopold Mayerhofer (FPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehr­te Frau Minister! Selbstverständlich stimmen auch wir vernünftigen Vorschlägen und Notwendigkeiten immer zu.

Ich möchte aber auf einen anderen Aspekt des Polizeieinsatzes im Ausland kurz zu sprechen kommen. Dass in Kroatien drei Beamte dauernd Dienst machen und wir im Jahr 2006 insgesamt 133 Beamte im Ausland im Einsatz hatten, das finde ich insofern verwunderlich, als bei einer Aufklärungsquote von nur 37 bis 38 Prozent in Österreich hier eine Fehldisposition vorliegt, nämlich nach dem Motto: Das Wichtige zuerst. Die Sicherheit in Österreich ist wichtiger.

Wir sollten die Beamten hier im Land lassen, hier ist es unsicher genug. Es gibt genug ungeklärte Fälle aufzuklären. Daher finde ich das unangebracht. 6 Millionen € kostet dieser Einsatz. Und dass zum Beispiel – gleich wieder ein Sonderbeispiel – in Brünn bei einem Motorradrennen zehn Beamte ein ganzes Wochenende lang eingesetzt wer­den, das finde ich schlicht und ergreifend unverständlich. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

22.03


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun hat sich Frau Bundesministerin Dr. Fekter zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


22.03.18

Bundesministerin für Inneres Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister Bartenstein! Hohes Haus! Der Vertrag zwi­schen der Republik Österreich und der Republik Kroatien über die polizeiliche Zusam­menarbeit wird direkt einen Nutzen für die Sicherheit in Österreich bringen. Diese Ko­operation mit der kroatischen Polizei umfasst insbesondere folgende Maßnahmen:

Gemeinsame Sicherheitsanalysen, verstärkte Verpflichtung zur polizeilichen Amtshilfe, Zusammenarbeit bei der Aus- und Fortbildung, Zusammenarbeit betreffend Korrup­tionsbekämpfung, Unterstützungsleistungen bei polizeikontrollierten Transporten, neue Ermächtigungen für grenzüberschreitendes polizeiliches Einschreiten wie grenzüber­schreitende verdeckte Ermittlung und gemeinsame Streifen, Ermöglichung der Einrich­tung gemeinsamer Ermittlungsgruppen, Zusammenarbeit beim Zeugenschutz, Rege­lung der Entsendung von Beamten in Kontaktdienststellen, die der andere Vertrags­staat mit dritten Staaten betreibt.

Dieses Modell ist eins zu eins übernommen worden von jenem Modell, das wir bereits sehr erfolgreich mit unseren Nachbarstaaten pflegen und das wir auch in der Europäi­schen Union eingebracht haben, dass nämlich geprüft wird, ob es nicht auch im EU-Bereich flächendeckend eingesetzt wird.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 243

Jetzt ist es einmal ein bilateraler Vertrag; mit diesem soll die Kriminalitätsbekämpfung grenzüberschreitend optimiert werden. – Ich danke dem Hohen Haus für die Zustim­mung zu diesem Vertrag. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Pfeffer.)

22.04


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Fürntrath-Mo­retti zu Wort. 2 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


22.05.01

Abgeordnete Adelheid Irina Fürntrath-Moretti (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Minis­terin! Herr Minister! Hohes Haus! Auch von meiner Seite große Zustimmung zu diesem Vertrag, denn ich glaube, dass Österreich sicher bleibt, dazu brauchen wir auch die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit anderen Ländern. Es ist in den letzten Jah­ren ja schon sehr viel passiert. Auch Kroatien ist ein Land, mit dem man bei Verbre­chensbekämpfung und Kriminalitätsbekämpfung in hohem Maße zusammenarbeiten muss.

Mein Vorredner – Kollege Mayerhofer, glaube ich – hat gesagt, der Einsatz der öster­reichischen Beamten, die in Kroatien tätig sind, sei aus seiner Sicht nicht richtig. Also ich glaube, gerade diese Verbindungsbeamten garantieren eine gute Zusammenarbeit. Das kann nur von Vorteil sein.

Frau Ministerin Fekter ist auch eine Garantin dafür, dass diese Maßnahmen, die wir hier beschließen, entsprechend umgesetzt werden. Frau Ministerin Fekter, Sie sind die richtige Frau am richtigen Platz. – Alles Gute! (Beifall bei der ÖVP.)

22.05


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Fazekas zu Wort. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


22.06.11

Abgeordneter Hannes Fazekas (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundesmi­nisterin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Lieber Herr Kollege Pilz, dass Sie mit Ihrer Fraktion diesem Vertrag nicht zustimmen, verstehe ich nicht ganz, aber ich habe ein bisschen den Eindruck, Sie kommen jetzt in die Phase von vor 20 Jahren zurück, wo bei jeder Amtshandlung der Polizei sofort auch eine Menschenrechtsverletzung vermu­tet wurde. Ich verstehe das nicht ganz, denn wir wissen ganz genau, dass die interna­tionale Kriminalität schon lange unter dem Motto der gänzlichen Reise-, Dienstleis­tungs- und auch Niederlassungsfreiheit arbeitet.

Daher ist es auch notwendig, dass der Exekutivapparat seine Ressourcen unter einer zunehmenden Globalisierung der Kriminalität nutzen kann. Dazu braucht er das dafür nötige Rüstzeug. Daher ist es auch gut und wichtig und richtig, hier ein Kooperations­abkommen mit Kroatien abzuschließen, das, wie schon Herr Abgeordneter Kapeller er­wähnt hat, auch bereits mit vielen anderen Staaten abgeschlossen wurde.

Aber, geschätzte Frau Bundesministerin: Für einen modernen Polizeiapparat ist es nicht nur notwendig, Abkommen und Gesetze dementsprechend zu erarbeiten, son­dern eine moderne Exekutive braucht auch die Möglichkeit, in den Außendienst zu ge­langen und mit den Menschen in Kontakt treten zu können. Nämlich nicht nur dann, wenn jemand eine Anzeige erstattet, sondern auch draußen. Es ist ein bisschen wie bei den Nationalräten: Die haben auch die Aufgabe, ein wenig im Außendienst tätig zu sein und nicht nur hier ausschließlich im Büro, im Plenarsaal ihre Arbeit wahrzuneh­men. Das ist nicht immer der Fall und daher ist es auch notwendig – und ich bitte Sie darum –, in dieser Phase noch dafür zu sorgen, dass die Polizei auch die Beamtinnen und Beamten in den Außendienst schicken kann, denn ich glaube, sie wollen das auch.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 244

Das ist auch notwendig, weil das auch für die österreichische Bevölkerung, für ihr Ver­trauen in die Sicherheit – und das Wort „Sicherheit“ ist ja gestern auch von Vizekanzler Molterer ganz besonders erwähnt worden – wichtig ist und sie sich in dieser Sicherheit wiegen soll. Aber das kann sie nur dann, wenn die Polizistinnen und Polizisten auch auf der Straße Dienst versehen.

Ich möchte mich letztendlich auch bei allen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten für ihren Einsatz während der EURO recht herzlich bedanken und ihnen ein hohes Lob aussprechen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und FPÖ.) Hier hat die österreichische Exekutive gezeigt, was in ihr steckt und dass wir ohne Weiteres problemlos in der Lage sind, der­artige Events und Großveranstaltungen über die Bühne zu bringen. – In diesem Sinne: Alles Gute und danke! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

22.08


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Peter Haubner zu Wort. 1 Minute gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


22.08.52

Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Wir stimmen natürlich diesem Vertrag gerne zu, er wird zu einer weiteren Ver­besserung der Zusammenarbeit zwischen der Republik Kroatien und der Republik Ös­terreich führen. Diese Zusammenarbeit hat sich ja bei der EURO schon bestens be­währt. 350 000 Kroaten waren in Österreich bei den Spielen. Die Zusammenarbeit mit der Exekutive hat hervorragend funktioniert. (Abg. Scheibner: Sie hätten sich an­schauen sollen, was sich da abgespielt hat!) Dafür auch von unserer Seite ein herzli­ches Dankeschön.

Das einzige Problem, das wir mit den Kroaten hatten, war, dass wir sie im Happel-Sta­dion nicht besiegt haben, aber in dieser Hinsicht, so glaube ich, können wir auch darü­ber hinwegsehen. Es war dank des Einsatzes unserer Exekutive eine gute Europa­meisterschaft. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

22.09


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Köfer ist der nächste Red­ner. 3 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


22.10.00

Abgeordneter Gerhard Köfer (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Hohes Haus! Wir alle haben miterlebt, wie erfolgreich in den letzten Monaten die sehr intensive Zusammenarbeit mit Kroatien funktioniert hat. Bei diesem Großereignis unter­stützten, wie ich von meinen Kollegen auf der Dienststelle in Spittal an der Drau erfah­ren habe, kroatische Polizeieinheiten unsere Exekutive. Der Startschuss für diese In­tensivierung der Zusammenarbeit der Polizeibehörden beider Länder bei diesem Groß­ereignis erfolgte bereits im Sommer des letzten Jahres. Damals versahen bereits öster­reichische Polizisten an der kroatischen Adria ihren Dienst und assistierten dort eben ihren kroatischen Kollegen bei den Amtshandlungen mit den deutschsprachigen Urlau­bern.

Der heute zur Abstimmung vorliegende Vertrag zwischen der Republik Österreich und Kroatien über die polizeiliche Zusammenarbeit intendiert, diese polizeiliche Zusam­menarbeit weiter zu vertiefen. Es sollen die Strategien besser aufeinander abgestimmt werden, der Informationsaustausch sollte einfach etwas schneller und einfacher erfol­gen, und grenzüberschreitende Amtshandlungen sollten möglich werden.

Außerdem werden die neuen Ermächtigungen für ein grenzüberschreitendes polizeili­ches Einschreiten, so etwa für die verdeckte Ermittlung und für gemeinsame Polizei­streifen, geschaffen. Nicht zu vergessen ist die gegenseitige Unterstützung beim Schutz von Zeugen und vor allem von deren Angehörigen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 245

All das ist zu begrüßen – zum einen deswegen, weil die Kriminalität ständig im Steigen begriffen ist, zum anderen vor allem deshalb, weil die Aufklärungsrate im Sinken ist; sie ist dramatisch zurückgegangen. Ich erinnere: bei den angezeigten Fällen in Österreich um 6,9 Prozent, um 7,3 Prozent bei den geklärten Fällen. Die Aufklärungsquote ist ebenfalls gesunken. Dieser negative Trend in Österreich sollte raschest gestoppt wer­den. (Beifall bei der SPÖ.)

22.11


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste ist Frau Abgeordnete Stadler zu Wort gemeldet. 2 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


22.11.47

Abgeordnete Astrid Stadler (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Der heute zur Abstimmung vorliegende Vertrag ist eigentlich eine logische Schlussfolgerung von vielen Maßnahmen. Bundesminister Günther Platter hat bereits im Jahr 2007 alle Länder des Westbalkans besucht – mit dem Ziel der Vertiefung der Zusammenarbeit. Die bilaterale Zusammenarbeit mit Kroatien war immer außerordent­lich gut und ist eigentlich ein großer Sicherheitsgewinn für unser Land.

Kroatien hat auch immer öfter eine führende Rolle in der Bekämpfung der Organisier­ten Kriminalität übernommen, gerade in der Drogenbekämpfung. Die gemeinsamen Polizeistreifen während der Urlaubsmonate in den Tourismusregionen in Kroatien sind auch Beispiel der guten Zusammenarbeit. Auch bei der Euro 2008 hat sich diese Zu­sammenarbeit bewährt.

Im letzten Jahr ist dieser Polizeikooperationsvertrag entstanden, nach neuesten Stan­dards. Er liegt nun vor und bedeutet konkret die Erweiterung, Verstärkung und Vertie­fung der polizeilichen Zusammenarbeit beider Staaten und bringt Verbesserungen bei der Abstimmung der polizeilichen Strategien, aber auch Verbesserungen und Vereinfa­chungen im Informationsaustausch. Deswegen ist diese Beschlussfassung heute sehr zu begrüßen. (Beifall bei der ÖVP.)

22.13


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Heinzl. 2 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


22.13.19

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Hohes Haus! In einer globalisierten Welt ist auch das Verbrechen international geworden. Das verlangt geradezu nach einer internationalen Verbrechensbekämpfung. Eine enge Zusammen­arbeit mit den Staaten Südosteuropas ist dabei für Österreich, wie ich meine, beson­ders wichtig. Es freut mich daher sehr, dass Österreich und Kroatien zukünftig enger kooperieren werden.

Hohes Haus! Um die Sicherheit in Österreich zu gewährleisten, sind aber nicht nur Maßnahmen nach außen notwendig – die Kriminalität muss auch im Inland bekämpft werden. Es ist einfach eine Tatsache, sehr geehrte Damen und Herren: Die österreichi­sche Kriminalstatistik ist wahrlich nicht berauschend. Allein von Jänner bis Mai dieses Jahres wurden in Österreich 232 000 Verbrechen verübt, und – wie wir schon gehört haben – die Aufklärungsquote lag bei knapp 38 Prozent.

Deshalb, sehr geehrte Damen und Herren, Hohes Haus, hoffe ich, dass wir nach den Nationalratswahlen im Herbst 2008 eine Innenministerin oder einen Innenminister ha­ben werden, die/der für die innere Sicherheit mehr übrig hat als nur leere Worte und Personalabbau. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

22.14



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 246

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Der Herr Berichterstatter wünscht kein Schlusswort.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für innere An­gelegenheiten, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages in 456 der Beila­gen gemäß Art. 50 Abs. 1 Z. 1 B-VG die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

22.15.1422. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Antrag 750/A(E) der Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler, Kollegin und Kollegen betreffend Su­che nach vermissten Personen (593 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir kommen nun zum 22. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen daher sogleich in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Kößl. 2 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


22.15.46

Abgeordneter Günter Kößl (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Ge­schätzte Damen und Herren! Ich freue mich, dass es zu diesem Fünf-Parteien-Antrag gekommen ist, bedanke mich für diesen Entschließungsantrag, eingebracht vom Kolle­gen Westenthaler.

Es zeigt an und für sich gerade der Kriminalfall Fritzl, dass nichts unmöglich ist. Ich glaube, dass wir aufgerüttelt worden sind und uns natürlich viele Gedanken machen. Auf der einen Seite sind ja bereits verschiedene Maßnahmen in Überlegung, gerade im Bereich der Sexualstraftäterdatei, auf der anderen Seite ist es aber wichtig, dass wir gerade aus den Ermittlungen in diesem Kriminalfall Erkenntnisse gewinnen, wie wir diese auf andere Vermisstenfälle übertragen und diese vielleicht aus anderen Ge­sichtspunkten betrachten können.

Eines möchte ich hier noch klarstellen, Kollege Heinzl: Es ist möglicherweise an dir vo­rübergegangen: Im ersten Halbjahr 2008 gibt es ein Minus bei der Kriminalstatistik von 9 Prozent, und das ist, glaube ich, ein großer Erfolg unserer Exekutive. Ich gratuliere der Exekutive und bedanke mich für deren hervorragende Arbeit. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

22.17


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Mag. Johann Maier ist der nächste Redner. 3 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


22.17.19

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich am 11. März dieses Jahres eine parlamentarische Anfrage an den Innenminister betreffend abgängige Per­sonen in Österreich eingebracht habe, kannte noch niemand den Kriminalfall Fritzl. In der Anfragebeantwortung, die ich am 8. Mai erhalten habe, konnte ich lesen: Mit Stich­tag 31.12.2007 wurde nach 730 Personen gefahndet.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 247

Wenn man sich im Detail ansieht, wie alt diese Abgängigkeitsmeldungen sind, dann denkt man noch mehr nach. Älter als zehn Jahre bei 181 Personen; älter als drei Jahre bei 370 Personen; älter als ein Jahr bei 458 Personen. Mit Stichtag 31.12.2007 gab es 168 abgängige Personen, nach denen gefahndet wurde.

Noch brutaler, Hohes Haus, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind die Zahlen, die Minderjährige betreffen. Mit Stichtag 31.12.2007 waren folgende Zahlen von Perso­nen wegen Abgängigkeit gespeichert, die bei der Anzeige minderjährig waren: länger als ein Jahr: 64; länger als zwei Jahre: 47; länger als drei Jahre: 29; länger als vier Jahre: 21; länger als fünf Jahre: zehn; länger als zehn Jahre: 5 Personen.

Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir müssen uns fragen, was mit diesen Minderjährigen tatsächlich passiert ist. Daher haben wir als sozialdemokrati­sche Fraktion auch gesagt, dass dieser Antrag, der vom Kollegen Westenthaler einge­bracht wurde, unterstützt werden soll, und so kam es dann auch zu diesem Fünf-Par­teien-Antrag im Innenausschuss.

Frau Bundesministerin, wir erwarten uns, dass genau diesen Fällen mit gebotenem Nachdruck nachgegangen wird und dabei auch die Erfahrungswerte aus dem Kriminal­fall von Amstetten, dem Kriminalfall Fritzl, genützt werden.

Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist das heute ein Antrag, den wir – eine der Regierungsparteien – unterstützen, der von der Opposition kommt. Ein klares Wort zur ÖVP: Es gab viele vernünftige Anträge von den Oppositionspar­teien. Und wir als Sozialdemokratische Partei haben nicht verstanden, dass Anträge, die sinnvoll waren, von der Österreichischen Volkspartei nicht unterstützt wurden; gera­de auch im Konsumentenausschuss. (Abg. Kößl: Na geh, bitte!) – Kollege Kößl, es gab und gibt vernünftige Anträge von den Oppositionsparteien, zu denen es einfach ein striktes Nein von der ÖVP gegeben hat (Abg. Kößl: Nein, das stimmt nicht!), und wir sehen das nicht ein. (Beifall bei SPÖ und BZÖ sowie des Abg. Dr. Pilz.)

Ich möchte hier mit allem Nachdruck festhalten: Das ist keine Form von Parlamentaris­mus! Parlamentarismus, Kollege Kößl, ist mehr. Parlamentarismus bedeutet, dass wir gemeinsam zu Lösungen kommen. – Leider waren Sie dazu nicht bereit. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Kößl: Das ist unter deiner Würde!)

Ich bin froh, dass uns das bei diesem Antrag gelungen ist, und ich hoffe, dass alle Fraktionen diesem auch zustimmen werden. (Beifall bei SPÖ, Grüne und BZÖ.)

22.21


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Mayerhofer. 2 Minuten Gesamtrestredezeit. – Bitte.

 


22.21.31

Abgeordneter Leopold Mayerhofer (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Ministerin! Jawohl, es kann nie genug ermittelt werden, es kann nie genau genug gearbeitet werden. Auch bei den angesprochenen Fehlern sind menschliche Fehler passiert, glaube ich. (Zwischenruf des Abg. Kößl.) – Ja, so ist es, Herr Kollege, wir können uns auch noch darüber unterhalten. Dass du natürlich deine Fraktion und deine Minister verteidigst, ist für mich verständlich, es kommt aber deswegen der Wahrheit nicht näher.

Wir brauchen aber die gesetzlichen Voraussetzungen. Es wäre notwendig, bei einer Abgängigkeit, Herr Chefinspektor – da hättest du schon längst tätig werden können, eine entsprechende Novellierung einbringen können, die erforderlichen Voraussetzun­gen für die Beamten schaffen können –, auch dann, wenn keine gerichtlich strafbare Handlung vorliegt, sondern nur eine Vermisstenmeldung, Hausdurchsuchungen ma­chen zu können et cetera, ohne auf den Goodwill der Hausbesitzer oder Wohnungsbe­sitzer angewiesen zu sein.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 248

Ich sage dir nur, Kollege Kößl, dass das dringend erforderlich wäre, aber das habt ihr versäumt.

Wir bräuchten dort auch Psychologen und vor allem wesentlich mehr Beamte; zum Beispiel genau jene 133 Beamten, die ich vorhin angesprochen habe, die aus meiner Sicht zu Unrecht im Ausland eingesetzt sind. Die würden wir hier benötigen, geschätz­te Frau Ministerin! (Beifall bei der FPÖ.)

Da ist Gefahr im Verzug. Das, was die armen Eltern der Vermissten, was die Angehöri­gen mitmachen, möchte ich nie erleben müssen. Sie, Frau Ministerin, sind da jetzt be­sonders gefordert. – Schönen Abend! (Beifall bei der FPÖ.)

22.23


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster hat sich Herr Klubobmann Ing. Westenthaler zu Wort gemeldet. 1 Minute Gesamtrestredezeit. – Bitte.

 


22.23.33

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (BZÖ): Ich möchte mich herzlich bedanken bei allen Fraktionen, die diesen Antrag des BZÖ unterstützt haben. Es ist einfach uner­träglich, zu wissen, dass Hunderte Menschen, darunter auch Kinder, möglicherweise unter fürchterlichsten Umständen, der Freiheit beraubt, irgendwo eingesperrt, in irgend­welchen Kellern untergebracht sind. Ich wünsche mir daher, Frau Ministerin, dass Sie Erfolg haben und wir vielleicht aufgrund der neuen Erkenntnisse auch aus dem Fall F. aus Amstetten den einen oder anderen Fall neu aufrollen und klären können und die Menschen befreien können.

Nochmals herzlichen Dank. Es ist schön, Herr Klubobmann Cap, dass zumindest am Ende einer Legislaturperiode auch einmal ein Antrag, ein wichtiger Antrag des BZÖ von Ihnen und auch von den anderen Parteien mitgetragen worden ist. – Das ist an sich ein nettes Ende. Danke schön. (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

22.24


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es hat sich nun Frau Bundesministerin Dr. Fek­ter zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


22.24.25

Bundesministerin für Inneres Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Sehr geehrter Herr Mayerhofer! Es ist mir schon ein Bedürfnis, darauf hinzuweisen, dass Hausdurchsu­chungen ohne Verdachtslage, ohne Delikt rechtsstaatlich, sage ich einmal, höchst be­denklich wären, unzulässig sind und dass kein Richter dafür einen Hausdurchsu­chungsbefehl erteilen würde. Es ist mir ein Bedürfnis, das hier zu sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum konkreten Entschließungsantrag möchte ich das Hohe Haus dahingehend infor­mieren: Seitens des Bundeskriminalamtes wurden bereits im Februar 2008 die Landes­kriminalämter angewiesen, im jeweiligen örtlichen Zuständigkeitsbereich offene Fälle von Abgängigkeit neuerlich zu prüfen und erforderlichenfalls ein sogenanntes Cold-Ca­se-Management durchzuführen. Unter „Cold-Case-Management“ versteht man das er­neute Aufrollen eines ungeklärten, länger zurückliegenden Falles im Zusammenhang mit einem Delikt, mit dem Ziel, durch eine Fallanalyse beziehungsweise ein Täterprofil neue Ermittlungsansätze gewinnen zu können. Diese Evaluierung jener Fälle steht ins­besondere im Licht neuer Ermittlungsmethoden, wie zum Beispiel DNA, die den Ermitt­lern zum Zeitpunkt der früheren Erhebungen noch nicht oder nicht in der nunmehr ver­fügbaren Technologie zur Verfügung gestanden sind.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 249

Dem Bundeskriminalamt wurde mittlerweile von einzelnen Dienststellen bereits Bericht erstattet, wonach zu entsprechenden Abgängigkeitsfällen das Vorliegen von Ermitt­lungsansätzen geprüft wird beziehungsweise Erhebungen eingeleitet worden sind.

Durch das Bundeskriminalamt wird weiters darüber hinausgehend gegenwärtig eine generelle Auswertung des österreichweiten abgängigen Fahndungsdatenbestandes vorgenommen. Das sind wahrscheinlich jene Fälle, die Sie gemeint haben: abgängige Personen ohne Delikt. Auch das soll geklärt werden – wird bereits durch das Bundes­kriminalamt getätigt. (Beifall bei der ÖVP.)

22.26


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Murauer zu Wort gemeldet. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


22.26.43

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Ho­hes Haus! Meine Damen und Herren! Das Unwahrscheinliche ist Realität: Es sind im­mer noch Menschen abgängig, es werden Kinder gesucht. Wir müssen vermuten, dass diese unter schrecklichen Umständen dahinvegetieren müssen. Deswegen ist dieser Fünf-Parteien-Antrag nur zu unterstützen.

Frau Bundesministerin, Ihre Wortmeldung hat gezeigt, dass bereits Konsequenzen ge­zogen worden sind. Dass Sie hinter diesen Maßnahmen stehen, hat Ihr Bericht ge­zeigt. – Vielen herzlichen Dank dafür.

Ich glaube, Maßnahmen sind wichtig. Wichtig ist sicher auch die Zivilcourage, die et­was mehr an den Tag gelegt werden muss, weil die Zivilbevölkerung die Exekutive durchaus besser wird unterstützen müssen.

Die Sexualstraftäterkartei als Instrumentarium einzuführen, das ist, glaube ich, eine wichtige Maßnahme. Ebenso ist es wichtig, dass Interpol und internationale Kräfte auf diese Kartei zugreifen können, um prophylaktisch tätig zu werden, um aber auch die armen Opfer aufspüren zu können.

Ich bin zuversichtlich, dass wir vielleicht den einen oder anderen Fall auch aus diesem Anlass heraus lösen können. – Alles Gute für die Maßnahmen. (Beifall bei der ÖVP.)

22.28


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Hursky ist der nächste Red­ner. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


22.28.17

Abgeordneter Christian Hursky (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es ist mir eine Freude, diesen Fünf-Parteien-Antrag anzunehmen, weil dieser, glaube ich, eine ganz, ganz wichtige Maßnahme für die Betroffenen ist und den betroffenen Familien auch zeigt, dass wir hier etwas für die Menschen tun.

Leider Gottes findet es nicht sehr oft statt, dass wir Fünf-Parteien-Anträge annehmen – auch dann nicht, wenn sie gut sind. Ich darf auf ein Beispiel vor der letzten Verkehrs­ausschusssitzung hinweisen, als wir den Versuch unternommen haben, einen Fünf-Parteien-Antrag zu formulieren, um die EU-Monstertrucks mit 60 Tonnen und 25 Meter Länge auf Österreichs Straßen zu verhindern. Da ist leider Gottes die ÖVP nicht mitge­gangen, wahrscheinlich aus taktischen Gründen. Herr Kukacka als alter Politprofi hat das vom Tisch geschmettert, weil er diese Dinge heute wahrscheinlich nicht auf der Tagesordnung haben wollte. Das ist eine Politik, die im Endeffekt niemand haben will. Das ist eine Politik, die nicht für die Menschen in diesem Land arbeitet.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 250

Das sollten wir aber in Zukunft anders gestalten. Gute Anträge, egal von wem sie kom­men, sollten überprüft und auch entsprechend abgestimmt werden. (Zwischenruf des Abg. Mag. Kukacka.) Ja, ich weiß, Sie haben sich im Rahmen des Unterausschusses bei mir schon mehrmals als Pressesprecher beworben, aber ich habe schon jemanden. Danke, ich brauche eigentlich niemanden mehr in diese Richtung, Herr Kollege Kukacka. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ja, er hat das schon mehrmals versucht.

Ich wünsche, dass wir ein entsprechendes Ergebnis bei der Suche nach den Vermiss­ten zusammenbringen. Ich glaube, dass das das Wichtigste ist, das wir hier an das En­de dieses Tages stellen können.

Ich möchte mich abschließend ebenfalls für die geleistete Arbeit der vielen Kolleginnen und Kollegen von der Polizei im Rahmen der EURO 2008 bedanken, denn diese haben wirklich – und ich war sehr viel unterwegs mit ihnen – eine ganz hervorragende Arbeit geleistet. Und ich meine, die waren wirklich mit einer guten Deeskalationsstrategie un­terwegs. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und BZÖ.)

22.30


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Der Herr Berichterstatter wünscht kein Schlusswort.

Wir kommen nun zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 593 der Beilagen angeschlossene Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist einstimmig angenommen. (E 89.)

*****

Die Tagesordnung ist erschöpft.

22.30.53 Verlesung eines Teils des Amtlichen Protokolls

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es liegt mir das schriftliche Verlangen von 20 Abgeordneten vor, die vorgesehene Fassung des Amtlichen Protokolls hinsichtlich des Tagesordnungspunktes 1 zu verlesen, damit dieser Teil mit Schluss der Sitzung als genehmigt gilt.

Ich werde daher so vorgehen und verlese nunmehr den entsprechenden Teil des Amtli­chen Protokolls:

„Es liegt ein Verlangen gemäß § 51 Abs. 6 GOG von 20 Abgeordneten auf Verlesung des Amtlichen Protokolls hinsichtlich des Tagesordnungspunktes 1 vor (Beilage C).

Hinsichtlich des Tagesordnungspunktes 1 wird gemäß § 44 Abs. 2 GOG einstimmig – also mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit – beschlossen, von der 24-stündigen Aufliegefrist des Ausschussberichtes 666 der Beilagen Abstand zu nehmen.

TO-Punkt 1:

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag (841/A) der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Dr. Wolfgang Schüssel, Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die XXIII. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates vorzeitig beendet wird (666 der Beilagen)

Die Abgeordneten Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen bringen den Entschließungsan­trag Beilage 1/1 EA ein.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 251

Die Abgeordneten Sburny, Kolleginnen und Kollegen bringen den Entschließungsan­trag Beilage 1/2 EA ein.

Die Abgeordneten Scheibner, Kolleginnen und Kollegen bringen den Entschließungs­antrag Beilage 1/3 EA ein.

Abstimmung:

Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 666 der Beilagen in zweiter und dritter Lesung einstimmig angenommen.

Der Entschließungsantrag Beilage 1/1 EA wird abgelehnt.

Der Entschließungsantrag Beilage 1/2 EA wird abgelehnt.

Der Entschließungsantrag Beilage 1/3 EA wird abgelehnt.“

*****

Erheben sich Einwendungen gegen die Fassung oder den Inhalt des verlesenen Teils des Amtlichen Protokolls? – Das ist nicht der Fall.

Der verlesene Teil des Amtlichen Protokolls gilt daher gemäß § 51 Abs. 6 der Ge­schäftsordnung mit Schluss dieser Sitzung als genehmigt.

22.33.11 Einlauf

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 854/A bis 861/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 4755/J bis 4765/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für Donnerstag, den 10. Juli, 9 Uhr, ein. Die Tagesordnung wird im Wege der Klubs zugestellt. Diese Sitzung wird mit einer Fragestunde eingeleitet werden.

Diese Sitzung ist geschlossen.

22.33.44Schluss der Sitzung: 22.34 Uhr

 

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