8/PET XXIII. GP
Eingebracht am 23.01.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Petition
Mag. Johann Maier
ABGEORDNETER ZUM NATIONALRAT
DER REPUBLIK ÖSTERREICH
Konsumentenschutzsprecher der SPÖ Parlamentsfraktion
Tel. 40110/0
Fax
40130/3455
http://spoe.parlament.gv.at
Frau
Präsidentin des Nationalrates
Mag.a Barbara Prammer
im Hause
Wien, am 19. Jänner 2007
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
In
der Anlage übermittle ich die Parlamentarische Petition betreffend
Änderung der
Terminologie „Geistig abnorme Rechtsbrecher" sowie „Anstalt
für geistig abnorme
Rechtsbrecher"
im Sinne des § 100 Abs. 1 Z 1 GOG mit dem Ersuchen um
geschäftsordnungsmäßige Behandlung.
Mit freundlichen Grüßen
Die Sozialdemokratische Parlamentsfraktion
Klub der sozialdemokratischen Abgeordneten zum Nationalrat,
Bundesrat und Europäischen Parlament
Austria - 1017 Wien, Parlament
Einreicher:
Anja Niederreiter, Leiterin NEULAND, Nußdorferstr. 25, 5020 Salzburg
Parlamentarische Petition
betreffend
Änderung der Terminologie
„Geistig abnorme
Rechtsbrecher"
sowie
„Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher"
Das Bild psychisch kranker
Menschen war in der Gesellschaft lange Zeit von Unkenntnis,
Missverständnissen und Intoleranz
geprägt. Mit der EU-weiten Anti-Stigma Kampagne, die von
Österreich seit August 2002 ebenfalls umgesetzt wird, soll die
Entstigmatisierung psychisch
kranker Menschen vorangetrieben werden.
Nach wie vor sind die
Vorstellungen der Bevölkerung weit von der tatsächlichen
medizinischen
und psychologischen Realität entfernt und erinnern oft mehr an historische
und längst überholte
Konzepte. Unser Anliegen muss es sein,
derartige, oft historisch und laienpsychologisch geprägte
Bilder von psychisch kranken Menschen zu revidieren. Denn diese bringen
kein Verständnis für
die Tatsachen, sondern „bestenfalls" Vorurteile.
Es steht außer
Frage, dass Sprache Emotionen und Vorstellungen weckt, die zu Vorurteilen
führen können, wie z.B. der Vergleich von Katastrophen mit
Flüchtlingen („das Boot ist voll").
Gesellschaftliche Strukturen spiegeln sich in Sprache und Sprache konstituiert
die Gesellschaft.
UND: Gesellschaftliche Veränderungen
haben sich auch immer in der Veränderung von Sprache
ausgedrückt - vom Idioten und Krüppel zum Mensch mit
Behinderung oder Behinderten;
Landesnervenkliniken verändern sich zu Universitäten für
Psychiatrie und Psychotherapie.
Dabei sollte
es nicht belassen werden. „Geistig abnorme Rechtsbrecher " werden
doppelt
stigmatisiert, zum
einen als psychisch kranke Personen und zum anderen als Straftäter.
Für die Veränderung dieses Begriffes sprechen neben den
aufgeführten folgende weitere
Gründe:
Der Begriff „geistig"
ist ein Relikt der Philosophiegeschichte, er wird in der Fachlichliteratur
kaum verwendet und
ist aus der wissenschaftlichen Terminologie praktisch verschwunden. Er ist
unpräzise und bietet Anlass zu Fehlinterpretationen (Geist ist gleich
Intelligenz) und
Abgrenzungsprobleme (Geist = die gesamte Persönlichkeit).
Der Begriff „abnorm
" ist irreführend. Natürlich weichen psychisch kranke
Menschen sowohl
von der statistischen als auch von der
funktionalen Norm ab. Ersteres tun aber auch Genies und
letzteres ist ein Idealmodell, von dem selbst angesehene Bürger zu
häufig abweichen. Für die
Bevölkerung, die von funktionellen Konzepten nichts weiß, klingt
„abnorm" mehr wie ein
Anklang an etwas besonders Grauenhaftes, an
Bestien etc... ohne, dass man sich darunter etwas
konkretes vorstellen könnte. Auch Einstein war in diesem Sinne
abnorm.
Geistig abnorme Rechtsbrecher sind
schlich (auf eine von der Gesellschaft nach wie vor
stigmatisierte Art und Weise) krank.
„Rechtsbrecher" ist ein Begriff, der Assoziationen mit Aggression und Gewalt zulässt.
„Geistig
abnorm " klingt für den Großteil der Bevölkerung, wie
ein die ganze Person
einschließender,
umfassender Dauerzustand von äußerster Abartigkeit und NICHT wie
eine
behandelbare Erkrankung. Dabei handelt es
sich bei ,,geistig abnormen Rechtsbrechern " um
Menschen, die psychisch erkrankt
sind und als solche eine Straftat begangen haben. Vor diesem
Hintergrund wird auch ein Tathergang verzerrt und als einfaches Produkt dieser „höhergradigen
Abnormität" betrachtet, anstatt als Ergebnis einer Genese mit
Dynamik und Verlauf.
„
Geistig abnorme Rechtsbrecher " sind meist Menschen, die aufgrund
einer schizophrenen
Grunderkrankung die
Realität verkennen und deshalb zum Straftäter werden (z.B. Der junge
Mann, der sich in der Notwendigkeit sieht, den dritten Weltkrieg zu verhindern,
der vom Vater
gehindert wird, aus dem Haus zu gehen und
diesen dann tätlich angreift, da er ja eben glaubt die
Welt retten zu müssen. Man kann sich vorstellen, wie es diesem
jungen Mann ergeht, wenn er
dann behandelt wird und seine Tat betrachtet).
Gerade im Kontext von verzerrten Bildern
durch die Medien in denen nur eine Unterkategorie
von ,,geistig abnormen Rechtsbrechern
" präsent ist (Psycho- und Soziopathen a la Hannibal
Lector) oder vor dem Hintergrund von Medienberichten über
Sexualstraftäter und
Kinderschänder ist dies
besonders tragisch. Natürlich gibt es auch sogenannte Psychopathen, aber
diese sind nur Teil eines breiten und heterogenen Spektrums von
Störungs- und
Krankheitsbildern, die betroffen sind.
Der
unterzeichnende Abgeordnete und die Einreicherin ersuchen aufgrund dieser
Ausführungen die zuständige Bundesministerin für Justiz in den
strafrechtlichen
Bestimmungen eine Änderung der
Begriffe „Geistig abnorme Rechtsbrecher" sowie
„Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher" dem
Nationalrat vorzuschlagen.
Diese o.g. Begriffe sollten in
• „psychisch kranke Straftäter" und
• „Justizanstalt für psychisch kranke Straftäter" bzw.
• „Justizanstalt für den Maßnahmenvollzug"
umgeändert werden, um auch damit die Integration von psychisch
erkrankten Personen in
die
Gesellschaft zu unterstützen.
Wien, 19.Jänner 2007 Mag. Johann Maier