30/PET XXIII. GP

Eingebracht am 27.02.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Petition

 



 

 

AbgzNR Dr. Peter Pilz

An

Frau

Mag. Barbara Prammer

Präsidentin des Nationalrates

Parlament 1017 Wien

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Wien, 27. Februar 2008

In der Anlage überreiche ich Ihnen gemäß § 100 (1) GOG-NR die Petition betreffend Behandlung des Sicherheitspolizeigesetzes im Innenausschuss des Nationalrates". Gemäß § 100 (4) GOG-NR schlage ich die Zuweisungen den Innenausschuss des Nationalrates vor.

Mit der Bitte um geschäftsordnungsgemäße Behandlung dieser Petition verbleibe ich

mit besten Grüßen,

Dr. Peter Pilz


 

Parlamentarische Petition

betreffend

Behandlung des Sicherheitspolizeigesetzes im Innenausschuss des Nationalrates"

Immer umfassender wollen uns Polizei und Nachrichtendienste kontrollieren: durch Maßnahmen wie Lauschangriff, Rasterfahndung, Trojaner, Bildungsevidenz, Videoüberwachung, Fingerabdrücke, Genmusterabdrücke, Vorratsdatenspeicherung und IMSI-Catcher. Österreich zeigt hierdurch immer mehr Merkmale eines Überwachungsstaates. Wir sind der Überzeugung, dass nicht alles für den Staat zulässig sein soll, was technisch möglich ist.

Verfassung, Justiz und Polizei haben eine gemeinsame Aufgabe: uns und unsere Freiheit zu schützen. Immer öfter wird aus dem Schutz Bedrohung. Immer öfter zeigt sich, dass eine schrankenlose Überwachung

          nicht mehr Sicherheit schafft

          unsere Freiheit und unsere Privatsphäre gefährdet

          Millionen Euro verschwendet.

Wenn einseitige Sicherheitspolitik die Freiheit gefährdet, ist es Zeit, die Freiheit vor der Sicherheitspolitik zu schützen.

Der 6. Dezember

Um die Mitternachtszeit des 6. Dezember 2007 hat der Nationalrat die Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz beschlossen. Damit sind an einem Abend drei Kontrollen ausgeschaltet worden:

          die Kontrolle der Richter

          die Kontrolle der Provider

          die Kontrolle des Parlaments.

Zum ersten Mal darf die Polizei ohne richterlichen Befehl

•     Standortdaten von Mobiltelefonen abfragen


          IMSI-Catcher einsetzen

          Netzbetreiber zur Auskunft über dynamische IP-Adressen zwingen.

Seit dem März 2007 hat der Innenausschuss nicht getagt. Während des Nationalratsplenums wurde das Recht zum polizeilichen Zugriff auf die IP-Adressen als Abänderungsantrag eingebracht - ohne Ausschuss, ohne Begutachtung. Weder Justizministerium noch Datenschutzkommission oder Verfassungsdienst konnten dazu Stellung nehmen. Die parlamentarische Kontrolle wurde ausgeschaltet.

Vermisste suchen"

Die Rechtfertigung - Aufspüren vermisster oder entführter Personen - hält einer sachlichen Überprüfung nicht stand. Die Peilung von nicht auffindbaren Personen ist bereits nach der bisher geltenden Rechtslage über stille SMS" möglich.

Ohne Richter

IMSI-Catcher sind Geräte, mit denen die auf der Mobilfunk-Karte eines Mobiltelefons gespeicherte International Mobile Subscriber Identity (IMSI) ausgelesen werden kann. Der Einsatz von IMSI-Catchern setzt eine erfolgreiche Peilung eines Handys voraus, da der IMSI-Catcher in der Nähe des Handys eine Funkzelle vortäuscht und damit Gesprächsdaten absaugt". Wer mit IMSI-Catchern abhört, umgeht den Provider. Damit fällt die erste Kontrolle.

Mit dem neuen Gesetz dürfen IMSI-Catcher ohne richterlichen Befehl eingesetzt werden. Damit fällt die zweite Kontrolle.

Die Gesprächsüberwachung ohne richterlichen Befehl ist zwar nach wie vor illegal. Aber sie kann nicht mehr kontrolliert werden. Dem Missbrauch ist Tür und Tor geöffnet.

Polizei im Internet

Die Datenschutzkommission hat festgestellt, dass es keine gesetzliche Grundlage für den polizeilichen Zugriff auf die IP-Adressen gibt, weil es sich hier nicht um Stammdaten, sondern um Verkehrsdaten handelt. Statt einer seriösen Klärung stellt das neue Gesetz der Polizei eine Generalermächtigung zur Abfrage der IP-Adressen aus - ohne richterliche Kontrolle und ohne Verpflichtung, die Maßnahme zu begründen.



Rechtsschutzbeauftragte statt Richter

Der Innenminister ernennt seinen Rechtsschutzbeauftragten, der den Richter als Kontrolle ersetzen soll. Dazu ist der Rechtsschutzbeauftragte im Gegensatz zu den Richtern aber aus drei Gründen nicht in der Lage: Er hat ein bloßes Informationsrecht. Er kann keinen Einspruch gegen Maßnahmen erheben. Und er kann keine Sanktionen bei Verdacht auf Missbrauch der polizeilichen Befugnisse erwirken. Der Minister ersetzt wirksame richterliche Kontrolle durch einen zahnlosen Beauftragten.

Drei Fragen

Wir stellen drei Fragen:

         Wozu sollen für die Ortung von Handys ungeeignete IMSI-Catch er ohne richterliche Kontrolle eingesetzt werden?

         Warum soll die Polizei ohne richterliche Kontrolle das Recht auf Zugriff auf Daten von Internet-Usern erhalten?

         Warum wurden diese polizeilichen Vollmachten ohne Behandlung im Innenausschuss
- und  im   Falle  der  IP-Adressen  ohne  Begutachtungsverfahren  - als  Gesetz beschlossen?

Der Nationalrat hat das Gesetz beschlossen. Der Nationalrat soll die Fragen beantworten.

UNSER ZIEL: ZURÜCK IN DEN INNENAUSSCHUSS

Der parlamentarische Beschluss zur Ausweitung der polizeilichen Überwachung auf Handys und Internet wurde ohne Anhörung des Innenausschusses gefasst. Der polizeiliche Zugriff auf die IP-Adressen wurde während der Plenarsitzung von Abgeordneten als Abänderungsantrag eingebracht.

Wir können und wollen die de-facto Ausschaltung der Volksvertretung in dieser wichtigen Sache nicht hinnehmen. Daher richten wir unsere Petition an den Nationalrat:

Wir wollen, dass sich der Innenausschuss des Nationalrats ernsthaft mit der Überwachung von Handys und Internet befasst.


Wir wollen, dass in Zukunft keine Gesetze, die persönliche Freiheiten einschränken, ohne

         Begutachtung

         vorherige Behandlung im Ausschuss

         und eine breite öffentliche Diskussion beschlossen werden.

Weiters wollen wir, dass alle gesetzlichen und behördlichen Ermächtigungen zur Überwachung ohne ausreichende Abwägung der Verhältnismäßigkeit und ohne genügende Kontrolle durch Richter zurückgenommen werden.

Wir erwarten vom österreichischen Nationalrat Sorgfalt und Verantwortungsbewusstsein im Umgang mit den Grundrechten der Menschen und der Verfassung der Republik.