32/PET XXIII. GP

Eingebracht am 11.03.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Petition

An

Frau

Mag.a Barbara Prammer

Präsidentin des Nationalrates

Parlament

1017 Wien

Wien, am 11.03.2008

Petitionsübergabe

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

In der Anlage überreiche ich Ihnen gemäß § 100 Abs. 1GOG-NR die Petition Flucht ist kein
Verbrechen". Gem
äß § 100 Abs. 4 GOG-NR schlage ich die Zuweisung an den Ausschuss
für Menschenrechte des Nationalrates vor.

Mit der Bitte um geschäftsordnungsgemäße Behandlung dieser Petition verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen
Mag.a Brigid Weinzinger MSc


Forderungen

1.                        Keine Schubhaft für AsylwerberInnen

2.                        Jedenfalls keine Schubhaft für AsylwerberInnen während der Prüfung, welches Land für das
Asylverfahren zuständig ist ('Dublin-Verfahren')

3.                        Jedenfalls keine Schubhaft für Personen mit besonderen Bedürfnissen (Minderjährige,
Traumatisierte, Schwangere, Alte, Kranke, Menschen mit Behinderung)

4.                        Unverzügliche Information über die Haftgründe und Rechte von Schubhäftlingen unter
Beiziehung von qualifizierten DolmetscherInnen

5.                        Kostenlose unabhängige Rechtsberatung innerhalb von 24 Stunden

6.                        Umgehende und regelmäßige automatische gerichtliche Haftprüfung samt Haftverhandlung
mit Möglichkeit der Verfahrenshilfe

7.                        Alternative Anhalteformen zur Schubhaft

8.                        Schubhäftlinge brauchen Tagesstruktur, Beschäftigungsangebote, allgemeines Besuchsrecht
und die Möglichkeit auf freie Religionsausübung

9.                        Schubhäftlinge brauchen sprachlich kompetente und behördenunabhängige medizinische
Betreuung

10.                 Zentrale Erfassung der Schubhäftlinge in einer Datenbank

11.                 Datenweitergabe an Schubhaftbetreuungsorganisationen

12.                 Transparente Statistiken



 

FORDERUNGSKATALOG

I. GRÜNDE und DAUER der Schubhaft

 

Derzeitige Situation

Das seit 1.1.2006 in Geltung stehende Fremdenrechtspaket bewirkt, dass Schubhaft schon in einem sehr frühen Stadium des Asylverfahrens verhängt werden kann. So kann Schubhaft bereits auf den Verdacht hin, dass Österreich für die Prüfung des Asylantrages nicht zuständig sein könnte, angeordnet werden; spätestens mit einer entsprechenden Mitteilung im Zulassungsverfahren erfolgt in den meisten Fällen die Inhaftierung. Vom gelinderen Mittel wird in der Regel nur bei Familienangehörigen Gebrauch gemacht, wenn zumindest ein Familienmitglied in Schubhaft angehalten wird . Im Jahr 2006 wurden insgesamt 2.700 AsylwerberInnen in Schubhaft gehalten, davon 1.330 wegen des bloßen Verdachts der Unzuständigkeit Österreichs.

Weiters wurde auch die Verfahrenszulassung von Folteropfern und Traumatisierten (§ 24 b AsylG 1997 idF 2003) beseitigt, womit auch diese besonders Schutzbedürftigen nunmehr in Schubhaft genommen werden können. Anstelle der Zurverfügungstellung einer adäquater Behandlung und Betreuung erfolgt ohne entsprechende Rücksichtsnahme auf den Einzelfall eine Inschubhaftnahme. Inhaftierung bzw. die Androhung einer Abschiebung führen bei traumatisierten und/ oder gefolterten Menschen regelmäßig zu einer Retraumatisierung und damit zu einer Verschlechterung der Symptome und Verschärfung der psychischen Krisensituation .

Außerdem wurde die höchstzulässige Dauer der Schubhaft gem. § 80 Abs. 4 FPG auf 10 Monaten verlängert. Die Schubhaft wird häufig auch trotz Zulassung des Verfahrens fortgesetzt. Ein ausreichender Rechtsschutz ist durch die sehr unterschiedliche und vielfach abweisende Rechtsprechung der Unabhängigen Verwaltungssenate und der Höchstgerichte bisher nur unzureichend gegeben.

Forderungen

1. Keine Schubhaft für AsylwerberInnen

Grundsätzlich soll gegen Asylwerberinnen keine Schubhaft verhängt werden; sofern unbedingt erforderlich soll sie auf jene Menschen eingeschränkt werden, bei denen ein rechtskräftig negativ abgeschlossenes Verfahren vorliegt und keine freiwillige


Ausreise erfolgte, wobei auch hier Alternativen zur Haft bevorzugt eingesetzt werden sollen.

2. Jedenfalls keine Schubhaft für AsylwerberInnen während der Prüfung, welches Land für das Asylverfahren zuständig ist (Dublin-Verfahren“)

Die Aufnahme-Richtlinie (RL 2003/9/EG vom 27.03.2003) der EU verpflichtet zur Gewährleistung von Mindeststandards, solange die betroffene Person als Asylwerber/in im Hoheitsgebiet verbleiben darf. Schubhaft bei Dublin-Fällen findet darin keine Deckung. Auch aus der in der Dublin-Verordnung u. a. vorgesehenen überwachten Überstellung kann die Schubhaft zur Verfahrenssicherung nicht abgeleitet werden. Daher wird die Umsetzung der EU-weit garantierten Mindeststandards der Aufnahmerichtlinie dringend eingefordert.

3. Keine Schubhaft für Personen mit besonderen Bedürfnissen (Minderjährige, Traumatisierte, Schwangere, Alte, Kranke, Behinderte)

Bei besonders schutzbedürftigen Personen soll der Empfehlung des Menschenrechtsbeirates gefolgt werden und eine verpflichtende Anwendung des gelinderen Mittels gesetzlich verankert werden.1

Von der Verhängung von Schubhaft über Minderjährige ist generell Abstand zu nehmen).2 Die "Volljährigkeitsannahme" bei Vollendung des 16. Lebensjahres im Fremdenpolizeigesetz soll abgeschafft werden; die gesetzliche Vertretung von allen unbegleiteten                 minderjährigen   Kindern/Jugendlichen                               durch                         den

Jugendwohlfahrtsträger sollte auch im fremdenrechtlichen Verfahren gesetzlich zwingend vorgesehen sein.

GENERELL darf die Haft nur letztes Mittel sein und muss auf die kürzest notwendige Dauer beschränkt sein.3

II. RECHTSSCHUTZ in der Schubhaft

 

Derzeitige Situation

Fremdenpolizeibehörden kommen derzeit ihrer Pflicht zur Anleitung und Belehrung unvertretener Schubhäftlinge nur auf unzureichende Weise nach, dies teils wegen Verständigungsschwierigkeiten,    teils    weil     die     Manuduktionspflicht    der    Behörde

1         Siehe Empfehlung des Menschenrechtsbeirats 293.(4.) aus 05/2006

2         Siehe Empfehlung des Menschenrechtsbeirats 50.(20.) und 52.(20.) aus 07/2000 sowie Art 37b
Kinderrechtskonvention

3         Siehe das für das Verwaltungsstrafen im Allgemeinen festgesetzte Höchstmaß von 6 Wochen (§ 12
Verwaltungsstrafgesetz 1991)


gesetzeswidrig auf Schubhaftbetreuungseinrichtungen abgewälzt wird. Zudem ist es für die Betroffenen de facto nicht möglich, eigenständig ein Rechtsmittel gegen die Verhängung der Schubhaft zu ergreifen. Von der Schubhaftbetreuung ausdrücklich ausgenommen ist die rechtliche Beratung. Ein Zugang zu kostenloser rechtlicher Unterstützung ist somit nicht gewährleistet.

Forderungen

4.   Unverzügliche Information über die Haftgründe und Rechte von Schubhäftlingen unter Beiziehung von qualifizierten DolmetscherInnen

Um die Einhaltung der im FPG normierten Informationspflichten der Schubhaftbehörde zu gewährleisten, soll der angehaltene Flüchtling schriftlich in seiner Muttersprache oder einer ihm/ihr sonst ausreichend verständlichen Sprache sowie auf eine für Laien verstehbare Weise über seine/ihre Haftgründe in Kenntnis gesetzt werden.

Zur Information über die Rechte eines Schubhäftlings soll in der Schubhaft ein "Merkblatt über seine/ihre Rechte" aufliegen, welches in den gängigen Muttersprachen abgefasst und auf verständliche Art und Weise verfasst sein soll. Dieses soll jedenfalls über ein Besuchsrecht von Angehörigen und RechtanwältInnen bzw. Rechtsbeiständen sowie Kontaktaufnahme zu diesen beinhalten. Auf die Bedürfnisse von AnalphabetInnen muss entsprechend der Empfehlungen des Menschenrechtsbeirates4 bedacht genommen werden.

5.  Kostenlose unabhängige Rechtsberatung innerhalb von 24 Stunden

Schubhäftlingen soll entsprechend den Empfehlungen des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter (CPT) kostenlose Rechtsberatung zur Verfügung gestellt werden.5

6.   Umgehend    und    regelmäßige   automatische   gerichtliche    Haftprüfung   samt Haftverhandlung mit Möglichkeit der Verfahrenshilfe

Zur Überprüfung einer möglichen ungerechtfertigten Anhaltung gilt es, in zeitlicher Nähe zur Haftverhängung eine an die zwingende Haftprüfung im strafgerichtlichen Verfahren angelehnte automatische" Haftprüfung durch ein Gericht betreffend die formale Korrektheit und inhaltliche Begründetheit sowie der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft gesetzlich zu verankern.

4          Siehe Empfehlung des Menschenrechtsbeirates 135.(5.) aus 02/2007.

5          Siehe Bericht des CPT vom 21.07.2005; siehe auch den Bericht und die Empfehlungen des
Menschenrechtsbeirats Information für angehaltene Personen" aus März 2002.


III. SCHUBHAFTBEDINGUNGEN

Derzeitige Situation

Schubhaft ist keine Strafhaft, d.h. sie steht in keinem Zusammenhang mit einem strafrechtlichen Delikt, sondern ist ein bloßer Verwaltungsakt, um die Abschiebung von Menschen zu gewährleisten, die sich ohne gesetzliche Grundlage im Land aufhalten. Die Bedingungen in der Schubhaft sind häufig wesentlich schlechter als in Strafanstalten. Viele Schubhäftlinge sind weder über ihren Status noch über ihre Rechte informiert.

Die Zeit in Schubhaft, welche bis zu zehn Monate andauern kann, gestaltet sich für viele Häftlinge sehr eintönig und besteht vorwiegend aus Essen, Schlafen und einer Stunde Spaziergang. Für die Häftlinge ist das oft monatelange Warten ohne sinnvolle Beschäftigung zermürbend. Tagesstrukturierende Maßnahmen fehlen gänzlich.

Für Besuchsrecht bzw. telefonische Kontakte zur Außenwelt gibt es keine verbindlichen Standards. Kontakte zu Angehörigen sind limitiert bzw. werden überwacht. Schubhäftlinge werden meist beim Telefonieren beaufsichtigt bzw. dürfen nur zu bestimmten Zeiten telefonieren oder kann dies gänzlich untersagt werden.

Auch das Recht auf freie Religionsausübung wird beeinträchtigt: Schubhäftlinge verlieren durch die fehlende Struktur im Tagesablauf oft jegliches Zeitgefühl und Geistliche haben durch ungeregeltes Besuchsrecht eingeschränktes Zutrittsrecht.

Auch hinsichtlich der Prüfung der Haftfähigkeit bzw. der medizinischen Versorgung von Schubhäftlingen gibt es in der Praxis keine allen Empfehlungen gerecht werdenden einheitlichen Standards. Zudem wurde mit dem neuen Fremdenrechtspaket die Möglichkeit der Zwangsernährung von hungerstreikenden Schubhäftlingen eingeführt.

Forderungen

7.  Alternative Anhalteformen zur Schubhaft

Nach dem Angebot einer freiwilligen Rückkehr innerhalb eines qualifizierten Beratungsgesprächs soll zunächst das gelindere Mittel zur Anwendung kommen. Erst bei einem Verstoß gegen die dort angeordneten Auflagen darf Schubhaft verhängt werden. Schubhaft soll nicht in Polizeigefängnissen vollzogen werden, sondern angehaltene AsylwerberInnen sollen in ihren Bedürfnissen gerecht werdenden Unterkünften untergebracht und professionell betreut werden.

8.  Schubhäftlinge  brauchen  Tagesstruktur,  Beschäftigungsangebote,  allgemeines Besuchsrecht und die Möglichkeit auf freie Religionsausübung

Zur Verbesserung der Situation von Schubhäftlingen und damit von dienstversehenden Beamtenlnnen bzw. zur Reduktion von Konflikten ist ein geregelter Alltag für Schubhäftlinge unverzichtbar. Möglichkeiten einer Beschäftigung


müssen geschaffen werden so wie etwa das Heranziehen zu Hausarbeiten oder die Möglichkeit einer bezahlten Beschäftigung analog zur Strafhaft.

Es sollten einheitliche Regelungen betreffend Besuchsrecht bzw. telefonische Kontakte getroffen werden, die den Umstand, dass es sich keine Strafhaft handelt, Rechnung tragen und die Privatsphäre des Schubhäftlings berücksichtigen.

Die freie Religionsausübung muss gewährleistet sein: Geistlichen aller in Österreich anerkannten Religionsgemeinschaften muss ein (uneingeschränktes) Zutrittsrecht zu den Polizeianhaltezentren gewährt werden; praktizierende Gläubige müssen zu den ihnen vorgeschriebenen Stunden beten können.

9.   Schubhäftlinge   brauchen   sprachlich   kompetente   und   behördenunabhängige medizinische Betreuung

Jede/r Angehaltene muss das Recht haben, von einem Arzt bzw. einer Ärztin seiner/ihrer Wahl untersucht zu werden, und eine ausreichende Versorgung mit den für seinen/ihren Gesundheitszustand erforderlichen Medikamenten muss sichergestellt sein. Für die ärztliche Untersuchung muss ein/e DolmetscherIn der jeweiligen Landessprache des/der Betroffenen zur Verfügung gestellt werden6. Entsprechend den Empfehlungen des Menschenrechtsbeirates soll eine personelle Trennung der AmtsärztInnen dahingehend erfolgen, dass einem Teil ausschließlich kurative dem anderen ausschließlich begutachtende Tätigkeiten zukommt.7

Da es sich bei der Schubhaft um keine Strafhaft handelt, ist eine Zwangsernährung von Schubhäftlingen mangels Verhältnismäßigkeit der Maßnahme verfassungsrechtlich nicht gedeckt und ist demnach wieder aufzuheben.

 

IV. DOKUMENTATION und EVALUIERUNG

Derzeitige Situation

Es ist für im Asylbereich tätige BeraterIn derzeit äußerst schwer festzustellen, in welches Polizeianhaltezentrum ein/eine KlientIn eingeliefert bzw. überstellt wurde.

Die Weitergabe der relevanten Informationen an Schubhaftbetreuungsorganisationen ist nach wie vor nicht sichergestellt. Im Zuge des Fremdenrechtspaktes 2005 wurden die erforderlichen rechtlichen Anpassungen für die Datenweitergabe an Schubhaftbetreuungsorganisationen nicht vorgenommen.

Die vom BMI monatlich veröffentlichten Statistiken sind zu allgemein gehalten, relevante Daten wie Haftdauer, Aufschlüsselung der Schubhäftlinge nach Herkunftsland, Geschlecht und Alter, etc. sind diesen nicht zu entnehmen.

6          Siehe Bericht des Menschenrechtsbeirates zur Gesundheitsversorgung in Schubhaft aus 02/2007

7          Siehe Empfehlung des Menschenrechtsbeirates 165.(3.) aus 02/2007


Forderungen

10. Zentrale Erfassung der Schubhäftlinge in einer Datenbank

Es soll eine zentrale Datenbank geschaffen werden, aus der alle im Bundesgebiet erfolgten Inschubhaftnahmen ersichtlich sind.

11. Datenweitergabe an Schubhaftbetreuungsorganisationen

In § 57 (1) Asylgesetz 2005 wurde festgelegt, dass die RechtsberaterInnen in der Erstaufnahmestelle zum Kreis jener EmpfängerInnen gehören, denen Daten übermittelt werden dürfen, soweit diese sie zur Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben benötigen. Eine analoge Regelung für Schubhaftbetreuungsorganisationen sollte gesetzlich verankert werden.

12. Transparente Statistiken

Notwendig sind detaillierte monatliche Statistiken, die Angaben über die Haftdauer, Aufschlüsselung der Schubhäftlinge nach Herkunftsland, Geschlecht und Alter, Gründe für die Haftverlängerung nach Überschreiten der 6-Wochen-Frist sowie die Bestätigung der Haft durch die UVS enthalten. Diese Statistiken müssen regelmäßig durch unabhängige ExpertInnen evaluiert werden.



 


KRITIK EUROPÄISCHER & INTERNATIONALER INSTANZEN__________

1.       Menschenrechtskommissar des Europarates, 12. Dezember 20071

Bereits anlässlich des Österreich-Besuchs forderte der Menschenrechtskommissar des Europarates, Thomas Hammarberg, Asylsuchende dürften nicht wie Kriminelle behandelt werden und kritisierte neben der langen Dauer der Asylverfahren, dass in der österreichischen Praxis die Schubhaft "überdurchschnittlich oft verhängt" werde.

In seinem, am 12. Dezember 2007 veröffentlichten Bericht kritisierte der Menschenrechtskommissar den Anstieg der Zahl von AsylwerberInnen in Schubhaft, obwohl die Zahl der Asylanträge zurückgegangen war:

"Die wachsende Zahl von Personen in Schubhaft in Österreich bereitet dem Kommissar Sorge. Er ist der festen Überzeugung, dass es nur dann zur Schubhaft kommen sollte, wenn diese wirklich aus guten Gründen angebracht erscheint und es klar ist, dass die Abschiebung auch tatsächlich in unmittelbarer Zukunft erfolgen kann, damit die Dauer der Schubhaft auf das nötige Mindestmaß beschränkt bleibt. Ferner weist der Kommissar darauf hin, dass der äußerst beschränkte Zugang zur Rechtsberatung in bestimmten Anstalten die Möglichkeit der Insassen, ihre Inhaftierung mit Erfolg gerichtlich überprüfen zu lassen, ernsthaft einschränkt. Deshalb sollte Personen in Schubhaft kostenloser Rechtsbeistand geboten werden. Der Kommissar ist auch der Ansicht, dass die zunehmende Tendenz, Schubhaft mit milderen Maßnahmen zu kombinieren, geeignet ist, das Recht auf Privat- und Familienleben zu beeinträchtigen, sofern es im Ergebnis zur völligen Trennung der Familie kommt. Die offenbar unterschiedliche Behandlung von Männern und Frauen bei der Wahl zwischen Schubhaft oder sog. gelinderen Maßnahmen wirft die Frage auf, ob es sich dabei nicht um Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Mann und Frau handelt. Der Kommissar unterstreicht, dass Minderjährige unter 18 Jahren in Übereinstimmung mit dem UN- Übereinkommen über die Rechte des Kindes nur im äußersten Notfall in Schubhaft genommen werden sollten."2

Als Schlussfolgerungen seines Berichts empfiehlt der Menschenrechts-Kommissar des Europarates daher den österreichischen Behörden im Zusammenhang mit Schubhaft:3

          "Die Anordnung von Schubhaft für abzuschiebende und abgelehnte Asylbewerber auf Fälle zu beschränken, die wirklich ernsthaft begründet sind und in denen die Abschiebung in unmittelbarer Zukunft erfolgen kann;

          Die Praxis der Inhaftierung von Asylbewerbern auf der Basis begründeter Annahme der Polizeibehörden, dass ihr Asylantrag wegen fehlender Zuständigkeit Österreichs zu seiner Prüfung abgelehnt werde, zu überprüfen;

          Asylbewerbern und abgewiesenen Asylbewerbern in Schubhaft kostenlosen Rechtsbeistand zu gewähren, damit sie ihre Anhaltung gerichtlich anfechten können;

Bericht des Menschenrechtskommissars Thomas Hammarberg über seinen Besuch in Österreich vom 21. - 25. Mai 2007, veröffentlicht am 12. Dezember 2007, CommDH(2007)26

aaO., S. 23, para. 78

aaO, S. 31, para 20 - 23


   Personen in Schubhaft Bewegungsfreiheit innerhalb der Anstalt (sog. offene Station) zu gewähren."

2.         UN-Menschenrechtsausschuss, 30. Oktober 20074

"Der Ausschuss ist über die große Anzahl von Asylwerbern, einschließlich traumatisierten

Personen, besorgt, die sich gemäß dem Fremdenpolizeigesetz, welches im Jänner 2006 in Kraft trat, in Schubhaft befinden. Dieses Gesetz sieht vor, dass Asylwerber zu Beginn ihres Asylverfahrens festgehalten werden können, wenn angenommen werden kann, dass ihr Antrag nach der EU-Dublin Il-Verordnung abgelehnt wird. Der Ausschuss ist insbesondere besorgt, dass in Schubhaft angehaltene Asylwerber häufig bis zu mehreren Monaten in Polizeianhaltezentren festgehalten werden, die nicht für langfristige Aufenthalte ausgestattet sind und in denen Berichten zufolge die Mehrzahl der Schubhäftlinge bis zu 23 Stunden pro Tag in abgesperrten Zellen festgehalten werden, von ihren Familien getrennt sind und keinen Zugang zu einem qualifiziertem Rechtsbeistand oder ausreichender medizinischer Versorgung haben. (Artikel 10 und 13) Der Vertragsstaat sollte seine Anhaltepolitik für Asylwerber, insbesondere für traumatisierte Personen, überdenken und alternativen Formen der Unterbringung für Asylwerber den Vorrang geben und umgehend wirksame Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass alle Asylwerber, die sich in Schubhaft befinden, in Zentren angehalten werden, die eigens für diesen Zweck ausgestattet werden, vorzugsweise in offenen Stationen, in denen die materiellen Bedingungen und ein ihrem Rechtsstatus angemessenes Regime gegeben sind, sowie Aktivitäten zu ihrer Beschäftigung setzen, das Recht sicherzustellen, Besuche zu empfangen, sowie vollen Zugang zu qualifiziertem Gratisrechtsbeistand und ausreichenden medizinischen Dienstleistungen gewährleisten."5

3.         Europäisches Komitee zur Verhütung von Folter (CPT)6

Auf der Grundlage seines Besuchs in Österreich im April 2004 hat sich das im Rahmen des Europarats tätige Europäische Komitee zur Verhütung von Folter (CPT) in seinem Bericht an die österreichische Regierung u.a. mit den mangelhaften Schubhaftbedingungen befasst. Zum Zeitpunkt des Besuchs war noch das Fremdenrecht 2003 in Kraft, das durch die Novelle 2005 noch verschärft worden ist.

"Das CPT ruft die österreichischen Behörden auf, das Haftsystem in allen Polizeihaftanstalten, in denen Ausländer unter dem Fremdengesetz festgehalten werden, aus der Sicht der obigen Punkte einer dringlichen Überprüfung zu unterziehen."7

Weitere Schwerpunkte seiner Kritik waren die unzureichende Personalausstattung, die
mangelhafte medizinische Betreuung, darunter auch unzureichende psychiatrische und
psychologische Betreuung sowie die fehlenden Informations- und Rechtsschutzmöglichkeiten

für Schubhäftlinge.

In seiner Zusammenfassung hält das Komitee fest: "Allgemein hat CPT einmal mehr betont, dass Personen, die für einen langen Zeitraum unter der Fremdengesetzgebung festgehalten werden, in speziell für diese Zwecke gestalteten Zentren untergebracht werden sollten, die die notwendigen Voraussetzungen und ein angemessenes Regime für ihren gesetzlichen Status zur Verfügung stellen und mit entsprechend qualifiziertem Personal ausgestattet sind."8

4 Vereinte Nationen Ausschuss für Menschenrechte 91. Sitzungsperiode Genf, 15. Oktober - 2. November 2007;
Abschließende    Bemerkungen    des   Ausschusses   für   Menschenrechte   Österreich   vom    30.    Oktober   2007;
CCPR/C/AUT/CO/4
5aaO., para 17

Bericht des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder
Strafe (CPT) an die österreichische Regierung über seinen Besuch in Österreich vom 14. bis 23. April 2004, veröffentlicht
am 21. Juli 2005; CPT/Inf (2005) 13

aaO., S. 25, para 46
8 aaO., S. 58.


Statistik

 

2005 (vor neuem FPG)

AA

22.461

Schubhaft insgesamt

SH ges.

7.463

Asylwerber in SH

AW in SH

662

davon nur wegen Vermutung Unzuständ. Österr.

Dublin

X

Minderjährige

keine Zahlen

bekannt

vgl. gelinderes Mittel (alle)

gelind. M.

285

2006 (Inkrafttreten FPG):

AA

13.349

Schubhaft insgesamt

SH ges.

8.694

4mal so viele AW in SH wie im Jahr zuvor 2.700

AW in SH

2.700

davon nur wegen Vermutung Unzuständigkeit Österr.

Dublin

1.330

Minderjährige

Mj.

185

vgl. gelinderes Mittel (alle)

gelind. M.

927

2007

AA

11.879

Schubhaft insgesamt

SH ges.

6.600

Asylwerber in Schubhaft

AW in SH insg.     1.602

davon nur wegen Vermutung Unzuständigkeit Österr.

Dublin

770

Minderjährige

keine Zahlen

bekannt

vgl. gelinderes Mittel (alle)

gelind. M.

1.123

 

 

 



 

FALLBEISPIELE_____________________________________________

Fall 1: Dramatische Auswirkungen der Schubhaft auf Familien

Eine tschetschenische Familie stellte in Österreich einen Asylantrag. Der Mann wurde sofort in Schubhaft genommen. Die im sechsten Monat schwangere Frau wurde mit ihrem 15 Monate alten Kind im Gelinderen Mittel untergebracht. Die Frau leidet aufgrund der Schwangerschaft unter schweren gesundheitlichen Problemen. Im Jänner kollabierte die tschetschenische Frau in einer Beratungsstelle, die Rettung musste sie ins Krankenhaus einliefern. Das Kleinkind blieb unbetreut und ohne jegliche Bezugsperson in der Beratungsstelle zurück.

Als der Vater in der Schubhaft von dem Vorfall verständigt wurde, war er kaum zu beruhigen, da er sich neben der Gesundheit seiner Frau große Sorgen um sein unbetreutes Kind machte. Er wollte unbedingt zu seinem (alleingelassenen) Kind. Obwohl eine Entlassung des Mannes die Situation hätte entschärfen können, wurde diese ohne nachvollziehbare Gründe verweigert. Der verständigte Mitarbeiter des Jugendamts verweigerte einen zur Entlassung des Kindesvaters führenden Anruf bei der Fremdenpolizei. Er fuhr indes mit dem Kleinkind und zwei tschetschenischen Männern zu der Mutter ins Spital, um ihre Einwilligung einzuholen, dass ihr Kind vorläufig bei den Begleitern untergebracht werden könne. Da die Frau ihr Kind verständlicher Weise nicht in völlig fremde Obsorge geben wollte, verließ sie entgegen dem Rat der Ärzte das Krankenhaus.
Laut Auskunft der
Ärzte bestand sowohl für die Frau als auch für ihr ungeborenes Kind akute Gefahr. Trotz mehrerer Interventionen konnten weder die Fremdenpolizei noch das Jugendamt zur Lösung veranlasst werden. Der Ehemann und Vater saß indes in ständiger Sorge um seine Familie ohnmächtig in Schubhaft, ohne etwas verbrochen zu haben. Wäre der Mann nicht in Schubhaft gehalten worden, hätte er sich als Vater um sein 15 Monate altes Kind kümmern können, während seiner Frau die Möglichkeit gegeben wäre, sich im Krankenhaus adäquat medizinisch betreuen zu lassen.

Fall 2: Wieder eine Familie auseinandergerissen

Roman M. ist Flüchtling aus Tschetschenien, 25 Jahre alt, schwer traumatisiert, leidet unter Herzbeschwerden und Ohnmachtsanfällen und hat Verbrennungen am Kopf erlitten. Seine Frau und seine beiden kleinen Kinder, 2 und 3 Jahre alt, suchen wie er Schutz in Österreich, wo auch Roman M.'s Eltern, sein Bruder und seine Schwester als anerkannte Flüchtlinge leben. Die Fremdenpolizei kümmerte weder die Traumatisierung noch die Zusage der Unterbringung durch die Familie: Sie nahm Roman M. am 1. Oktober 2007, sofort nach seiner Asylantragstellung, in Schubhaft. Er soll nach Polen abgeschoben werden. Dass seine Frau und Kinder im Asylverfahren in Österreich bleiben dürfen und die restliche Familie in Österreich lebt, ist für die Asylbehörden kein Argument. Seine Familie könne ihn ja in Polen besuchen, so der Zynismus österreichischer Behörden.

Fall 3: Familientrennung und abwechselnde Inschubhaftnahme nach Hungerstreiks

Eine Familie aus Georgien (Ehepaar mit 10-jährigem Sohn) stellt einen Asylantrag. Nach rund zehn Tagen wird der Ehemann in Schubhaft genommen, die Frau und der Sohn werden in ein Quartier in Oberösterreich gebracht. Aufgrund der unerträglichen Situation tritt der Mann in Hungerstreik und wird nach etwa einer Woche entlassen. Im Gegenzug wird nun seine Ehefrau in Schubhaft genommen. Sie ist psychisch schwer angeschlagen und tritt ebenfalls in Hungerstreik. Nach fünf Tagen bricht sie aufgrund von Kreislaufschwäche zusammen, verletzt sich und wird ins Krankenhaus eingeliefert, wo sie zwei Tage später entlassen wird. Daraufhin wird ihr Ehemann


erneut in Schubhaft genommen, wo er wieder in Hungerstreik tritt und erst nach Intervention der Schubhaftbetreuung elf Tage später entlassen wird.

Fall 4: Familientrennung ohne Information über den Aufenthaltsort

Eine fünfköpfige Familie aus dem Kosovo (Ehepaar mit Kindern im Alter von 6, 8 und 9 Jahren) stellt einen Asylantrag. Da sie zu ihrem Fluchtweg keine Angaben machen können, werden automatisch Ungarn und Slowenien um diesbezügliche Auskunft ersucht (nach der sog. "Dublin- Konvention" ist jener EU-Staat für die Bearbeitung eines Asylantrags zuständig, über den ein/e Asylwerberln zuerst in das Gebiet der EU eingereist ist).

Zur Sicherung des Verfahrens wird der Vater unmittelbar nach der Einvernahme in Schubhaft genommen. Seine Ehefrau erfährt erst nach einigen Tagen den Aufenthaltsort ihres Mannes. Da sie selbst und ihre Kinder jedoch in ein Quartier in Oberösterreich gebracht werden und während des Zulassungsverfahrens eine sogenannte Gebietsbeschränkung gilt, ist es ihr nicht möglich, ihren Mann zu besuchen. Dieser wiederum erhält keine Information, wo sich seine Familie befindet.

Fall 5: Minderjähriger fast 1 1/2 Monate in Schubhaft

Ein Junge aus der Mongolei von knapp 16 Jahren wird in der Nähe der tschechischen Grenze gemeinsam mit seiner Tante (die zugleich seine Pflegemutter ist) und deren Kleinkind aufgegriffen. Nach der Erstbefragung im Asylverfahren wird ein Konsultationsverfahren mit Tschechien eingeleitet und der Minderjährige in Schubhaft genommen. Die Pflegemutter und ihr Kind werden in Traiskirchen untergebracht. Der psychische Zustand des Jungen ist sehr schlecht, da er in den ersten Wochen gar keinen Kontakt zu seiner Tante hat und danach nur sporadisch mit ihr telefonieren kann. Eine Schubhaftbeschwerde bleibt erfolglos. Nach rund eineinhalb Monaten wird sein Verfahren in Österreich zugelassen und der Minderjährige schließlich aus der Schubhaft entlassen.

Fall 6: Auch Personen mit körperlichen Behinderungen bleiben von der Schubhaft nicht verschont

Der aus Moldawien stammende Schubhäftling Herr S. verlor in seiner Jugend ein Bein und hat seither eine Prothese. Er musste seine Heimat verlassen, weil er organisiertes Verbrechen aufgedeckt und den Behörden gemeldet hatte. Die moldawischen Behörden ließen ihn im Stich und er war Gefährdungen durch die organisierte Kriminalität schutzlos ausgeliefert. Seine Flucht führte ihn von Ungarn nach Österreich, wo er einen Asylantrag stellte. Obwohl kein Eurodac-Treffer erzielt wurde und Österreich auch kein Aufnahmegesuch an Ungarn stellte, wurde Herr S. für fast drei Monate in Schubhaft genommen, um seine Ausweisung nach Ungarn zu sichern. Letztendlich bekam Herr S. in erster Instanz Asyl zugesprochen und hat nunmehr den Status eines anerkannten Flüchtlings in Österreich.

Fall 7: Haftunfähigkeit

Herr E aus Tschetschenien ist schwer behindert, er verfügt nur über ca. 3 Prozent Sehkraft und ist daher ständig auf Hilfe von anderen angewiesen. Seine im achten Monat schwangere Frau und er haben sich bei der Flucht über die Grenze verloren. Herr E ist in Schubhaft daher doppelt belastet: einerseits quälen ihn die Sorgen um seine schwangere Frau, über deren Aufenthalt er anfangs nichts in Erfahrung bringen kann. Andererseits ist er darauf angewiesen dass ihn Mithäftlinge bei sämtlichen alltäglichen Handgriffen (Essen, Hygiene,...) unterstützen. Nach Interventionen durch die Schubhaftbetreuung wurde Herr E. nach zwei Wochen aufgrund seiner schweren körperlichen Beeinträchtigungen noch einmal auf seine Haftfähigkeit überprüft und als haftunfähig entlassen.

Fall 8: Medizinische Versorgung in der Schubhaft

Herr D klagte während seiner gesamten Schubhaftdauer (24 Tage) unentwegt über Lungen- und Leberschmerzen, und fühlte sich gesundheitlich sehr schlecht. In der Schubhaft wurde von der Amtsärztin Asthma diagnostiziert. Weiter würde ihm nichts fehlen und Herr D sei somit haftfähig".


Nachdem Herr D aus der Schubhaft entlassen wurde und über die Erstaufnahmestelle Traiskirchen unverzüglich ins Spital eingeliefert wurde, kam er mit Verdacht auf offene TBC (Tuberkulose) in Quarantäne. Diese Befürchtung konnte glücklicherweise nach weiteren medizinischen Tests ausgeschlossen werden. Bei Herrn D wurde Hepatitis C, Asthma, Epilepsie sowie TBC – jedoch nicht die besonders ansteckende offene" Tuberkulose - diagnostiziert.

Es stellt sich die Frage, ob in solch einem Fall von einer Haftfähigkeit" ausgegangen werden konnte und ob die medizinische Versorgung in der Schubhaft als ausreichend angesehen werden kann.

Fall 9: Schubhaft trotz schlechtem Gesundheitszustand und fehlende Ermittlungstätigkeit der Behörde

Herr S., ein Staatsangehöriger der russischen Föderation, reiste über Polen nach Österreich ein

und   hielt   sich   mit  seiner  Familie   bis   zur   Festnahme   ständig   in  Traiskirchen   auf.   Sein

Gesundheitszustand war sehr bedenklich, da neben Augen-, Kopf- und Herzschmerzen auch eine

Traumatisierung nachgewiesen werden konnte.

Der Asylantrag wurde in erster Instanz abgewiesen, aber die fristgerechte Berufung bewirkte

letztendlich doch eine Zulassung des Verfahrens. Nichtsdestotrotz wurde Herr S. ca. fünf Monate

nach Zulassung des Verfahrens in Schubhaft genommen, da angeblich Polen für sein Verfahren

zuständig   sei.   Gegen   dieses   willkürliche   Vorgehen   der   Behörde   erhob   Herr   S.   eine

Schubhaftbeschwerde gegen den UVS des Landes Niederösterreich.

In der Entscheidung des UVS wurde, neben der Bejahung der Zuständigkeit Polens, der schlechte

Gesundheitszustand des Herrn S. völlig ignoriert, da es ja medizinische Betreuung auch in der

Schubhaft gäbe.

Herr   S.   erhob   dagegen   Beschwerde   beim   VfGH,   der   die   Schubhaft   letztendlich   als

unverhältnismäßig  und  nicht  notwenig  erachtete.  Zudem  sei  keine  Ermittlungstätigkeit zum

Haftgrund erfolgt und somit das Recht auf persönliche Freiheit des Herrn S. verletzt.

 

Die angeführten Fälle wurden lediglich exemplarisch und zu einzelnen Themenfeldern herausgegriffen. Leider stellen die beschriebenen Schicksale keine Einzelfälle dar.

Weitere Fälle entnehmen Sie bitte der Homepage www.fluchtistkeinverbrechen.at unter dem Unterkapitel ,,Fall der Woche".


 


Ein Betroffener berichtet von seiner Erfahrung in der Schubhaft

Am 17. November 2006 meldet sich der tschetschenische Flüchtling M K in Traiskirchen und beantragt Asyl. Gleich nach der Einvernahme durch die Polizei werden er und sein Bruder festgenommen. Es werden ihnen Handschellen angelegt und sie kommen nach Wien ins Polizeianhaltezentrum Hernalsergürtel.

Zahlreiche Dokumente internationaler Menschenrechtsorganisationen, die die schweren Folterungen in Russland belegen, interessierten die Behörde nicht, auch die Bitte um ärztliche Betreuung wird ignoriert.

Am zweiten Tag in der Schubhaft kommt ein Arzt, der die Flüchtlinge kurz untersucht. Da kein Dolmetscher anwesend war, konnten die Flüchtlinge ihre Beschwerden nicht verständlich machen. Da sie über kein Geld verfügten, konnten sie auch keine Hilfe von außen rufen. Erst nach 6 Tagen in der Schubhaft reagiert die Polizei auf die verzweifelten Versuche der Flüchtlinge, ärztliche Hilfe zu bekommen. Der von der Ärztin beigezogene Psychiater veranlasst wegen des kritischen Gesundheitszustands die sofortige Enthaftung.

Einer der Brüder hat in der Zwischenzeit Asyl in Österreich bekommen, bei Herrn M K gibt es noch immer keine Entscheidung, nach wie vor ist unklar, ob er in die Slowakei zurückgeschickt werden wird. Dies obwohl beide Flüchtlinge dieselben Fluchtgründe haben und sie gemeinsam über die Slowakei nach Österreich gekommen sind.

 


Prominente Unterstützung von Bianca Jagger für die Initiative 'Flucht ist kein Verbrechen' am 14. Flüchtlingsball:

"There are a lot of international declarations to protect refugees: the Declaration of human rights,
UN Charters and Conventions and so on.
I have been a human rights campaigner for approxi-
mately twenty-five years. My experiences have taught me that so-called rights remain meaningless
unless they are enforceable and enforced.

Nowadays in many parts of this world new regulations have come into effect, which bring refugee
rejections and restrictions. Austria has a long tradition of helping refugees, especially in the 1950s,
and during the time of Bruno Kreisky, whom I knew personally. I urge the Austrian government to
continue to honour that tradition of assisting refugees.

We must understand that fleeing from persecution and poverty is not a crime. Refugees deserve
help and respect, not distrust and refusal. Therefore I strongly support the campaign of
Integrationshaus and other NGOs 'Fleeing is not a crime' initiative."
[Auszug aus der Eröffnungsrede von Bianca Jagger]

Einen Artikel und ein Interview finden Sie unter: http://wien.orf.at/stories/254025/.


"Freiheitsentzug ist eines der schlimmsten Dinge, die einem Menschen angetan werden können. In
Österreich geschieht dies Menschen, deren einziges Verbrechen oft darin bestand, hierher
geflohen zu sein. In ein Land, das zwar wirtschaftlich bl
üht, trotzdem aber von einem unerklärlichen
'Angst essen Seele auf´-Reflex beherrscht wird. Was fremd ist, erzeugt Angst und setzt die
Repressionsmaschine des Staates in Gang. Doch alles hat seinen Preis: Die Freiheit, die wir
Fl
üchtlingen entziehen, entziehen wir gleichzeitig dem geistigen Klima dieser Republik. Freiheit
hei
ßt auch: keine Angst. In diesem Land haben viel zu viele Menschen Angst."
Georg Altziebler/Son of the velvet rat, Songwriter

"Es wäre Zeit, dass Österreich zu den Traditionen früherer Jahre zurückfindet und Menschen, die
ihr Heimatland verlassen m
üssen und auf der Flucht sind, Unterstützung gewährt. Schubhaft ist in
jedem Fall eine verletzende Maßnahme - besonders für junge Menschen. Als Jugendpsychiater
kenne ich die Traumafolgen, die Jugendliche erleiden."

Univ.-Prof. Dr. Ernst Berger, Facharzt f. Psychiatrie und Neurologie, Psychotherapeut

 

 

 

"Andere Staaten für ihre Grausamkeit und ihre Verbrechen an den Menschen zu verurteilen und
zugleich die Opfer dieser Verbrechen, wenn sie einmal da sind, einzusperren, ist ein Beispiel von
ersch
ütternder Verlogenheit.

Unlängst habe ich einen Tschetschenen bei Ute Bock kennen gelernt. Ein junger Mann, der gerne
lacht. Er ist zu Fuß nach Österreich gekommen, ganz allein. Unterwegs hat er alles verloren, nur
sein Lachen nicht. Das sieht und h
ört man auch. Was man aber nicht hört und nur auf
R
öntgenbildern sehen kann, ist, dass es an seinem Körper kaum einen Knochen gibt, der nicht
mindestens einmal gebrochen worden ist. So oft wurde er gemartert. Der Psychologe hier habe
gemeint, ein Mensch, der noch lachen kann, kann nicht kriegstraumatisiert sein. Also hat der
Tschetschene immer noch kein Asyl. Man wird ihn eines Tages in Schubhaft stecken und dort wird
er allen zum Trotz weiterlachen.

Keinem Gesetz, sondern genau solchem Lachen ist es zu verdanken, dass ich meinen Glauben an
die Kraft des Menschlichen noch nicht verloren habe."
Dimitr
é Dinev, Schriftsteller

"Ein Mensch wird nicht durch einen Pass definiert. Was gegenwärtig mit Schubhäftlingen - was für
ein Wort, schon das alleine erinnert an Verschubbahnhof und Menschenverschickung - passiert,
erinnert an die dunkelsten Kapitel der Geschichte. Dass reiche L
änder wie Österreich so etwas
notwendig haben, ist besch
ämend und bestürzend."
Franzobel, Schriftsteller

 

 

"wer menschen einsperrt, die sich keines verbrechens schuldig gemacht haben, hat ein prekäres
rechtsverständnis. die menschenwürde kann nicht vom zufall, wo man geboren wurde, abhängig
gemacht werden, aber genau dies scheint in der
österreichischen asylpraxis der fall zu sein, wir
d
ürfen das nicht zulassen, wo wasserdämme brechen, werden die folgen leicht unkalkulierbar, bei
rechtsdämmen ist es nicht anders."
Josef Haslinger, Schriftsteller

"Flucht ist kein Verbrechen, die Internierung von Flüchtlingen, die nichts verbrochen haben, aber
sehr wohl. Wie konnte es
überhaupt so weit kommen, dass Menschen, die Zuflucht bei uns suchen,
wie Verbrecher behandelt werden? Die Ungarnfl
üchtlinge waren 1956 so willkommen wie 1968 die
Tschechen und Slowaken, denen der Prager Fr
ühling niedergewalzt wurde. Waren die wirklich alle
auf Leib und Leben verfolgt? Wurde kontrolliert, ob jemandem der Tod, der Freiheitsentzug oder
'nur' ein unerfreuliches Leben unter einem diktatorischen Regime drohte? Sie alle waren
willkommen, weil sie vor dem Kommunismus geflohen waren. Nach den heutigen Gesetzen h
ätte
man Zehntausende in Schubhaftgef
ängnisse stecken müssen. Die damalige Hilfsbereitschaft der
Österreicher war bekanntlich groß. Aber warum zählt die Flucht vor dem Kommunismus mehr, als
die Flucht vor B
ürgerkriegen, vor Vergewaltigung, vor Hunger oder bloß vor einem aussichtslosen
Leben?

Selbst der Integrationsbericht des Innenministeriums konstatiert, dass die Kriminalitätsrate unter
Ausl
ändern gering ist. Ich bin für die Änderung des Fremdengesetzes und für die Abschaffung der
Schubhaft. Ich bin dafür, dass Asylwerber arbeiten dürfen. Ich bin für ein humanitäres Bleiberecht
von Menschen, die sich hier eingelebt haben, egal ob es sich um Arigona und ihre Familie oder um
namentlich weniger bekannte Nigerianer handelt. Ich bin f
ür den kulturellen Austausch und gegen
den Missbrauch kultureller Unterschiede f
ür politische Zwecke."
Peter Henisch, Schriftsteller

 

 

"Menschen, die Ideen, Phantasien und vor allem (was die Flucht beweist) Mut mit zu uns bringen,
werden wie Verbrecher ein- gesperrt und dann abgeschoben.

Ein größeres Armutszeugnis ist für ein reiches Land nicht denkbar. Weg mit der Schubhaft!"
Ernst Molden, Liedermacher, Schriftsteller

"Meine Großeltern waren Tschuschen - also Einwanderer, Fremdlinge - der ersten Generation und

sie konnten hier Fuß fassen, ohne von Schubhaft bedroht zu werden.

Wir leben in Zeiten neuer Völkerwanderungen, unsere Einstellung zu Flucht, Asyl und Fremdheit

muß sich gravierend ändern. Wenn nicht, können wir unsere mühsam erworbenen Menschenrechte

über Bord werfen und uns getrost einer modernen Barberei und Menschenfeindlichkeit zuwenden.

Wollen wir das?"

Erika Pluhar, Künstlerin

 


"Die katastrophalen Auswirkungen, insbesondere im Bereich der Schubhaft sind unmenschlich und
menschenrechtlich h
öchst bedenklich. Es landen sogar minderjährige und traumatisierte Menschen
in Schubhaft. Das im Jänner 2006 in Kraft getretene Fremdenrechtspaket muss zurückgenommen
werden. Unterst
ützen Sie die Initiative 'Flucht ist kein Verbrechen' des Forums Asyl und
unterschreiben Sie für eine Änderung der Schubhaft."
Willi Resetarits, Integrationshaus

"Abgeschoben zu werden ist die größte Niederlage für einen Migranten, nach dem größten Sieg,

dem Betreten von europäischem Boden. Was anderes bleibt ihm übrig, als weiter auf der Flucht zu sein? Nur durch einen Zufall sind wir nicht sie und sie nicht wir. Ohne dass wir einen Einfluss darauf hätten, könnten wir ihr Schicksal haben: als Namenlose, Gesichtslose, ohne Eigentum, ohne Dach über dem Kopf, ohne Mitleid der Bevölkerung und ohne Erlaubnis zu arbeiten, gehasst, verachtet und gemieden.

Ich wünsche mir ein ganz anderes Fremden- und Asylrecht, auch so etwas wie eine Amnestie. Mit der derzeitigen Situation bin ich gar nicht zufrieden. Ich unterstütze daher die Initiative gegen die Schubhaft."

Gerhard Roth, Schriftsteller

"In der Nazi-Zeit waren Tausende ÖsterreicherInnen darauf angewiesen, in fremden Ländern
Aufnahme zu finden. Dieses Land hat eine historische Verpflichtung, Schutz suchenden Menschen mit Respekt und einer ausgestreckten Hand zu begegnen. Sie stattdessen der Freiheit zu berauben, ist moralisch wie menschlich unvertretbar. Als Journalist erfuhr ich schon vor 15 Jahren von hungerstreikenden Schubh
äftlingen, die einfach auf die Straße gesetzt wurden. Eine Praxis, die die Schubhaft zur angeblichen Verhinderung des Untertauchens als blanke Farce entlarvte. Das anhaltend mangelnde mediale Interesse an diesem Unrecht war und ist eine wahre Schande."
Robert Rotifer, Musiker, Songwriter, Musikjournalist

 

"Gerade Österreich müsste wegen seiner Geschichte und dem unrühmlichen Verhalten eines
gro
ßen Teils seiner Bevölkerung 1938 heute großherzig und großzügiger als andere Länder sich in
Asylfragen verhalten. 1956 unter der Flagge des Antikommu- nismus genossen 100.000 Ungarn
Asyl und das Land hielt es aus. Wie w
ärs unter der Flagge der Menschlichkeit?"
Robert Schindel, Schriftsteller

"Wer verlässt seine Heimat, seine Freunde, sein Haus, seine Arbeit freiwillig? Wer liefert sich gerne
auf Gedeih und Verberb an Fremde aus? In den meisten F
ällen treibt Not die Menschen zu diesem
Schritt. Sie haben ein Recht auf Menschlichkeit. Heute sind es die anderen, morgen sind es
vielleicht wir."
Michael Schottenberg, Direktion Volkstheater Wien

"Stellen sie sich einmal vor, wie viel Verzweiflung und welchen Mut es braucht, alles zu verlassen,
was einem lieb und teuer ist. Mit der Aussicht auf eine unsichere Zukunft und in einer fremden
Umgebung zu leben. Damit fertig werden zu m
üssen, Monate, Jahre, vielleicht ein ganzes Leben im
Exil zu verbringen. Manche von uns sehen Flüchtlinge als Exoten. Manche sehen Flüchtlinge als
Arbeitskr
äfte. Manche sehen sie als Bedrohung. Vielleicht kommen wir einer Lösung näher, wenn
wir sie als Menschen sehen!"
Barbara St
öckl, TV-Journalistin

 

 

"Liebe Mitbürgerin, lieber Mitbürger,

was geht uns das an, wenn ein Nichtsnutz aus Nigeria eingesperrt wird, bevor er weggeschafft wird

- denken Sie vielleicht. Oder Sie nehmen an, die Behörden hätten gute Gründe und der Staat

handele nach besten Wissen und Gewissen. Leider irren Sie. Die Menschenrechte müssen immer

dort verteidigt werden, wo die Schwächsten betroffen sind. Eine Gesellschaft, die zulässt, dass

Hilfesuchende wie Verbrecher behandelt werden, kränkelt moralisch. Der Sicherheitsstaat greift

nach der ganzen Hand, wenn ihm ein Finger gereicht wird, das heißt: heute ein unbekannter

Nigerianer, morgen Ihr Nachbar, übermorgen Sie selbst. Sich dagegen schon früh zu wehren, lohnt

sich!"

llija Trojanow, Schriftsteller, Übersetzer, Verleger

"Ich unterstütze die Initiative 'Flucht ist kein Verbrechen´ nachdrücklich. Zu viele Menschen in
Österreich unterstellen Asylwerbern kriminelle Absichten und dem muss man mit aller
Entschiedenheit entgegenwirken."
Peter Turrini, Schriftsteller

 

 

"Ich war nur wenige Stunden in Schubhaft. Damals war ich fünfzehn. Meine Eltern und ich wurden

an diesem Tag aus den USA abgeschoben. Was ich in jener kurzen Zeit erleben musste, belastet

mich bis heute und wird mich wahrscheinlich mein Leben lang begleiten, und doch ist es nur ein

Bruchteil von dem, was Schutzsuchende in Österreich durchleiden, die in österreichischen

Gefängnissen einsitzen müssen. Flucht ist kein Verbrechen, Unschuldige einzusperren hingegen

schon."

Vladimir Vertlib, Schriftsteller

"Menschen in Schubhaft zu nehmen, die nichts verbrochen haben, ist eine Bankrotterklärung für
unser Land. Die Schubhaft verursacht gerade die Probleme, f
ür die man Flüchtlinge verurteilt.
Damit wir uns nicht für unser Land schämen müssen, müssen wir die Bedingungen der Schubhaft
verändern, besser noch sie überhaupt abschaffen."
Renate Welsh, Schriftstellerin