36/PET XXIII. GP

Eingebracht am 22.04.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Petition

Dieter Brosz

Abgeordneter zum Nationalrat

Frau Präsidentin des Nationalrats
Mag.a Barbara Prammer

im Hause
Wien, 22.04.08

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

in der Anlage überreiche ich gemäß § 100 Abs. 1 Z 1 GOG die Petition für kindgerechte Bildung" mit der Bitte um geschäftsordnungsgemäße Behandlung.

Mit freundlichen Grüßen

Dieter Brosz
Abg. z. NR


Der Verein SCHÜLER IN NOT hat in eigener Initiative über 600 Unterschriften zur Unterstützung der Petition für eine kindgerechte Bildung gesammelt. Die Petition wurde im Jänner 2008 Nationalratspräsidentin Mag.a Barbara Prammer zur parlamentarischen Behandlung übergeben. Aus formalen Gründen konnte jedoch eine Vielzahl der Unterschriften nicht anerkannt werden, da Angaben fehlten. Um eine parlamentarische Behandlung der Petition für eine kindgerechte Bildung dennoch zu ermöglichen, überreiche ich als Abgeordneter zum Nationalrat die Petition an Mag.a Prammer.

Dieter Brosz

Abg. z. NR, Bildungssprecher der Grünen

Einreicher:

Förderpädagogisches Zentrum
Verein SCHÜLER IN NOT
Mollardgasse 89/10/R1
1060 Wien

Petition für eine kindgerechte Bildung

Aufruf an die politisch Verantwortlichen in Österreich, namentlich:

Bundesministerin für Gesundheit Familie und Jugend, Dr. Andrea Kdolsky Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur, Dr. Claudia Schmied Bundesminister für Soziales, Dr. Erwin Buchinger

Keine Stammesgesellschaft der Welt hat je von Kindern gefordert, was neurologisch noch gar nicht möglich ist - nur moderne Industriegesellschaften fordern derart Ungeheuerliches" (Vera F. Birkenbihl, Trotzdem lehren). Alle Lebewesen, die gegen ihre Natur leben geraten in Stress.

Der amerikanische Arzt Dr. Mel Levine behandelt täglich stresskranke Kinder. Kinder, die durch häufige Tests und Prüfungen erschöpft waren. Dabei stellte er fest, dass dem Kind die neuronale Ausstattung fehlt, die notwendig ist um eine Prüfungs-Situation meistern zu können. Dadurch ist ständiges Versagen für viele neurologisch vorprogrammiert. Denn um eine Prüfung zu bestehen, braucht man nicht nur Wissen, sondern man muss dieses Wissen auch schnell abrufen können. Diese Fähigkeit ist bei Kindern noch mangelhaft ausgebildet, sie muss sich erst entwickeln.

Daher ist es unsere Pflicht, bei jungen Kindern Aufgaben zu vermeiden, die noch nicht der Reife ihres Gehirns entsprechen; selbst dann, wenn sie einige (besonders geförderte) Kinder schaffen können. Da es aber immer einige Kinder (weniger als ein Drittel) gibt, die den Anforderungen entsprechen, hält sich der Irrglaube weiter am Leben, dass die anderen zwei Drittel es auch schaffen könnten, würden sie sich nur mehr anstrengen. So werden systematisch zwei Drittel unserer Bevölkerung zu Menschen gemacht, die alles schaffen hätten können, wenn sie sich mehr angestrengt hätten.

Niemand spricht darüber, dass wir ein knappes Drittel zur Norm erhoben haben und alle daran messen. Das ist ein Maß, bei dem zwei Drittel versagen müssen.


Ein weiterer Irrglaube ist, dass wir bei einer Prüfung einige Dinge testen, die vorher gelernt wurden. Das stimmt nicht, denn um eine Frage beantworten zu können muss ein Wissensnetz vorhanden sein. Jüngere Kinder können nur isolierte kleine Wissens-Inseln aufbauen, die sich dann mit 10 -13 Jahren zu einem Wissensnetz zusammenschließen. Dann erst ist der Zugriff auf das gesamte Wissen möglich.

Was passiert einem Kind, dem eine Prüfungsfrage gestellt wurde? Es kann die Antwort nicht abrufen und gerät in Stress. Es muss beweisen, dass es brav gelernt hat und wird nun aufgrund seiner momentanen Leistung be- bzw. verurteilt. Die dadurch verursachte Panik verstärkt die bereits vorhandenen Denk-Blockaden - ein Symptom einer umfassenden Stress-Reaktion, die nun das gesamte Kind erfasst.

Wir erleben jetzt, dass immer mehr SchülerInnen stresskrank werden. Depressionen und Angststörungen nehmen zu, bereits Volksschüler werden lebensüberdrüssig.

Das Wertesystem unserer Gesellschaft lässt eher Tausende unserer eigenen Kinder als gestört oder krank einstufen, als sich zu fragen, wieso die Zahl derer, die auffällig werden, stetig wächst. Wir schieben jedes Jahr lieber immer mehr Kinder auf die "Sonderschul- Ebene" ab als dass wir den Unterrichts-Stil und den Lern-Stil ernsthaft in Frage stellen. Wir wissen auch, dass ein Großteil, der besonders Begabten als lernbehindert abgeschoben werden, weil man zwischen und Unter- und Überforderung nicht unterscheiden kann.

Die Pisa-Erfahrung führte bisher zu keinen positiven Veränderungen. Es gibt noch mehr Druck sowie eine Verschärfung ungeeigneter Prüfungsverfahren, Lehr- und Lernmethoden. Durch den Schrei nach noch härteren Ausleseverfahren wird die Zahl der Schulversagerinnen noch größer. Niemand wurde als Versager geboren, sondern sie  wurden dazu gemacht.

Es ist bereits 5 Minuten nach 12". Daher fordern wir von allen politisch
Verantwortlichen,

-      dass die Schule an die biologischen Möglichkeiten der Kinder angepasst wird (nicht umgekehrt!).

-      dass der Staat, der die Aufgabe hat allen Kindern Bildung zu ermöglichen, seiner Aufgabe so nachkommt, dass sie auch für alle lebbar ist.

-      dass das Wissen von gehirngerechtem, dem Entwicklungsstand der Kinder entsprechendem Lernen fixer Bestandteil der Ausbildung von Pädagogen ist.

-      dass als Maßstab für alle gesetzten Maßnahmen tatsächlich das Wohl der Kinder

genommen wird und nicht Bedürfnisse der Wirtschaft.

-      für die Jungen die gleichen Chancen wie für Mädchen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Entwicklung von Buben und Mädchen nicht parallel verläuft und dass diese oft unterschiedliche Fähigkeiten und Bedürfnisse haben. Bei kleinen Jungen entwickelt sich erst die Grobmotorik, daher haben sie oft Probleme mit dem Schreiben und auch mit der Aufmerksamkeit. Studien zeigen, dass Jungen bis zu 13 Jahren in Industrie-Nationen vom Schulsystem dramatisch benachteiligt werden.

-      dass Raum und Zeit für ausreichend Bewegung auch im Freien gegeben ist. Denn: Wird Bewegung verhindert resultieren daraus auch geistige Behinderungen. Dadurch gehen Begabungen und Talente verloren, von denen man später annimmt, sie seien nie vorhanden gewesen. Besonders Buben sollten sich täglich stundenlang bewegen,


damit geistige Entwicklung stattfinden kann." (Vera F. Birkenbihl, Jungen und Mädchen: wie sie lernen)

-     dass die Erkenntnisse von Montessori und Binet berücksichtigt werden, die sagen, dass es keinen einheitlichen Maßstab gibt an dem alle Kinder gemessen werden können. Es gibt Kinder, die schon mit 5 Jahren lesen können, mache erlernen es mit 7 Jahren und wieder andere erst mit 9 Jahren - wenn die Entwicklung nicht gestört wird erlernen es aber alle. Es ist nicht zulässig, die Fertigkeit des Lesens oder andere Fertigkeiten an das chronologische Alter zu knüpfen (z. B. mit Generalisierungen wie: "Mit 7 Jahren kann man lesen.").

-     dass auch Kinder ein Recht auf Lernen durch Fehler" haben ohne der Bestrafung

durch schlechte Noten oder Blamage ausgesetzt zu werden.

-     dass das derzeitige Prüfungs- und Bewertungssystem durch effizientere  Methoden ersetzt wird, da Prüfungsstress laut Dr. Levine schädliche neurologische Auswirkungen hat. Die Angst lässt Freude am Lernen nicht aufkommen und das Interesse am Stoff verkümmern.

-     dass die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass die natürliche Neugier und Wissbegierde der Kinder erhalten bleibt und das Leistungsdenken ersetzt. Im Vordergrund soll das Wissen und die Freude am Wissen stehen und keine Noten. Schüler, die für Noten lernen, lernen extrem wenig (Faustregel: 90% des Schulwissens werden wieder vergessen).

-     dass alle Talente und Begabungen gleichwertig gesehen werden. Alle Kinder sind es wert, entsprechend ihren Fähigkeiten und Begabungen gefördert zu werden und nicht durch stigmatisierende Auswahlverfahren traumatisiert und ausgesondert zu werden. Daher fordern wir neben den bestehenden höheren berufsbildenden Schulen mit Maturaabschluss, die Errichtung von öffentlichen mittleren berufsbildenden Schulen für Jugendliche z. B. mit dem Schwerpunkt in EDV, Graphik, Kunsthandwerk, Kinderbetreuung, Massage und Ernährung, Musik, Mentaltraining usw.

-     nachträgliche Bildungs- und Berufschancen für die bisher benachteiligten jungen Bürger, die zum Teil auch hochbegabt sind. Es ist unverantwortlich traumatisierte Jugendliche in die Wissens- und Informations-Gesellschaft der Zukunft zu entlassen, die keinerlei Zukunftsperspektiven und Berufschancen haben. Für den

sozialen Frieden ist es unerlässlich, allen, wirklich jedem die Möglichkeit zu geben gleichberechtigt an unserer modernen Gesellschaft teilzuhaben.

Wenn Sie unser Anliegen unterstützen wollen, laden wir Sie ein diese Petition zu unterschreiben. Bitte tragen Sie Datum, Ihren Zu- und Vornamen (Titel), Postleitzahl und Wohnort, Ihr Geburtsdatum sowie die Unterschrift in das angehängte Formular ein!