Bundeskanzleramt - Verfassungsdienst

z.Hdn. Herrn Dr. Clemens Mayr

Ballhausplatz 2

1014 Wien

 

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Wien, am 2. März 2007

 

 

 

Stellungnahme zum Entwurf des Bundesgesetzes mit dem das Bundesvergabegesetz 2006 – BVergG 2006 – geändert wird

BKA-600.883/0003-V/A/8/2007

 

 

Sehr geehrter Herr Dr. Mayr,

 

Die Industriellenvereinigung erlaubt sich, zum vorliegenden Entwurf einer Novelle zum Bundesvergabegesetz 2006 wie folgt Stellung zu nehmen:

 

 

Aufgrund der Verfassungswidrigkeit der geltenden Gebührenregelung besteht unzweifelhaft eine Notwendigkeit, das BVergG 2006 zu novellieren. Die diesbezügliche Neuregelung in
§ 318 wird von der Industriellenvereinigung grundsätzlich positiv gesehen. Vor allem die für bestimmte Anträge (Einstweilige Verfügung, Zurückziehung, weitere Nachprüfungs- und Feststellungsanträge) vorgesehene, relative Gebührenreduktion wird von Seiten der Industrie  begrüßt. Diese positive Grundhaltung besteht allerdings nur unter dem Vorbehalt, dass es bei Festlegung der konkreten Gebührenhöhe im Verordnungsweg tendenziell zu einer Reduktion des derzeitigen Gebührenniveaus kommt. Es muss gewährleistet sein, dass die Gebühren keine unbilligen Rechtsschutzbarrieren darstellen. Die stark abnehmende Anzahl an Rechtsschutzverfahren im Vergaberecht zeigt, dass hier ein sehr sensibler Umgang erforderlich ist. Jedenfalls ist die Unternehmerseite in den Prozess der Verordnungserlassung einzubinden.

 


 

 

So einleuchtend der Regelungsbedarf im Gebührenbereich ist, so wenig ist nachvollziehbar, weshalb das VfGH-Erkenntnis vom 19.6.2006, B 3378/05-9 zum Anlass genommen wurde, die Anfechtbarkeit des Widerrufs im Unterschwellenbereich praktisch zu beseitigen. Auch wenn die Zweistufigkeit des Widerrufs im Unterschwellenbereich nach der Erkenntnis des VfGH europarechtlich nicht unbedingt erforderlich ist, so stellt dieses Institut doch eine sehr wertvolle Rechtsschutzmöglichkeit für den Bieter dar. Ein Widerruf im Vergabeverfahren hat für die Bieterseite eine große Tragweite. Bei einer anschließenden Neuausschreibung entsteht häufig ein starker Kostendruck für die Bieter, weil es tendenziell zu einer Nivellierung der Angebote im Bereich des Billigstgebotes kommt. Es kann auch methodisch nicht nachvoll­zogen werden, weshalb der Widerruf und die Zuschlagserteilung (beides Entscheidungen, die zu einer Beendigung des Verfahrens führen) hinsichtlich der Anfechtbarkeit unterschiedlich behandelt werden. Darüber hinaus könnte es auf Bieterseite durch die Neuregelung zu Unsicherheiten kommen, weil diese im Einzelfall sehr genau zu unterscheiden haben, ob ein sofort wirksamer Widerruf vorliegt oder ob der Auftraggeber ausnahmsweise eine Widerrufsentscheidung getroffen hat. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Widerrufs und die Verweisung auf den Zivilrechtsweg werden eher skeptisch gesehen, weil die konkreten Schadenersatzansprüche für die Bieter meist sehr unklar sind.

Auch die Regelung des § 341 Abs. 3 wird jedenfalls abgelehnt, weil es grundsätzlich in der Verantwortung des Auftraggebers liegt, das Vergabeverfahren rechtskonform abzuwickeln. Der Schadenersatzanspruch des Bieters darf nicht deshalb präkludiert werden, weil er die Fehler des Auftraggebers nicht rechtzeitig erkannt hat.

Die Industriellenvereinigung fordert daher, die derzeitige Regelung des Widerrufs im Unterschwellenbereich (Zweistufigkeit) beizubehalten.

 

Die geplante Neuformulierung der Fristendefinition in § 321 Abs. 2 ist jedenfalls klarer und trägt zu einem besseren Verständnis der Regelung bei. Es sollte allerdings für den Rechtsanwender deutlicher aus dem Gesetz ersichtlich sein, dass diese Frist auch für die Aufforderung zur Abgabe von Teilnahmeanträgen im nicht offenen Verfahren mit öffentlicher Bekanntmachung gilt (bis 7 bzw. 3 Tage vor Ablauf der Teilnahmefrist). Wegen der inhaltlichen Verwandtschaft zwischen den Ausschreibungsunterlagen und der Aufforderung zur Angebotsabgabe (mit der verbundenen Übermittlung der ausschreibungsrelevanten Unterlagen) im zweistufigen Verfahren sollte auch für diese die Nachprüfungsfrist des § 321 Abs. 2 gelten (bis 7 bzw. 3 Tage vor Ablauf der Angebotsfrist).

 

Die in der vorgeschlagenen Fassung des § 73 enthaltene Erweiterung der Möglichkeit zur Glaubhaftmachung der beruflichen Zuverlässigkeit trotz rechtskräftiger Bestrafung oder festgestellter Verfehlung wird von Seiten der Industrie befürwortet. Durch die Neuregelung erlangt der Auftraggeber einen weiteren Spielraum im konkreten Einzelfall die berufliche Zuverlässigkeit aus dem Gesamtbild zu beurteilen.

 


Abschließend möchten wir noch in Kurzform auf einige gesetzliche Bestimmungen eingehen, die nicht Gegenstand der Novelle sind:

 

·        § 81: Alternativangebote sollten grundsätzlich zulässig sein, es sei denn der Auftraggeber schließt diese ausdrücklich aus. Alternativangebote fördern die Innovationskraft der Unternehmen und bergen große Einsparungspotentiale für den Auftraggeber.

·        §§ 97 und 99 Abs. 2: eine Abweichung von geeigneten Leitlinien (ÖNORMen) sollte nur in sachlich begründeten Ausnahmefällen zulässig sein.

·        § 24 Abs. 7: der Zeitraum für die Geltung fester Preise sollte von 12 Monaten auf 6 Monate reduziert werden. Extensive Preisbindungen gehen tendenziell zu Lasten der Auftragnehmer und stellen diese oft vor große Kalkulationsschwierigkeiten.

·        § 83: die Namhaftmachung der Subunternehmer sollte künftig nur dann erforderlich sein, wenn diese für die Substitution der Eignung notwendig sind. Alle übrigen Subunternehmer sollten nur genannt werden, wenn der Auftraggeber dies ausdrücklich in der Ausschreibung fordert.

 

 

 

Die Industriellenvereinigung bedankt sich für die Möglichkeit, zum vorliegenden Entwurf  der Vergaberechtsnovelle Stellung zu nehmen und ersucht nachdrücklich, die Anliegen der österreichischen Industrie in der Gesetzesnovelle zu berücksichtigen.

 

Der Bitte des Bundeskanzleramtes, die Stellungnahme in 25 Ausfertigungen und auf elektronischem Weg an das Präsidium des Nationalrates zu übermitteln, wird entsprochen.

 

 

 

Mit freundlichen Grüßen

Industriellenvereinigung

 

 

 

 

Mag. (FH) Mag. Stefan Mara e.h.                          Mag. Sebastian Grabner e.h.

Bereichsleiter Rechtspolitik & Verwaltungsreform                 Bereich Rechtspolitik & Verwaltungsreform