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Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem Bestimmungen über die Betreuung von Personen in privaten Haushalten erlassen werden (Hausbetreuungsgesetz – HBeG) und mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird; Stellungnahme

Geschäftszahl

Innsbruck,

Präs.II-1640/2
12.04.2007

 

 

Zu GZ. BMWA-462.212/0016-III/7/2007 vom 12. März 2007

 

Zum übersandten Entwurf eines Hausbetreuungsgesetzes und einer Novelle zur Gewerbeordnung 1994 wird folgende Stellungnahme abgegeben:

 

I. Allgemeines

 

a) Abgrenzungsfragen

Der Entwurf geht davon aus, dass entweder eine unselbstständige Erwerbstätigkeit ausgeübt wird oder eine selbstständige Tätigkeit im Sinne der Gewerbeordnung 1994. In beiden Fällen ist gemäß § 1 Abs. 3 des Entwurfes davon auszugehen, dass Tätigkeiten nach dem Gesundheits- und Krankenpflegegesetz (GuKG) nicht ausgeübt werden dürfen. Dies ist zwar in sich konsequent, dürfte aber in jenen Fällen zu Problemen führen, in denen etwa ein Altenbetreuer auch über die Qualifikation als Pflegehelfer nach dem GuKG verfügt. Im Rahmen des Hausbetreuungsgesetzes dürfte er dann Pflegehilfetätigkeiten nicht durchführen, obwohl er dafür qualifiziert ist. Andererseits darf die Pflegehilfe nicht selbstständig ausgeübt werden, sondern nur unter Aufsicht eines Arztes oder einer diplomierten Gesundheits- und Krankenpflege­person. Es kann daher hier zu unlösbaren Abgrenzungsproblemen kommen. Es könnte etwa die Be­stimmung dann so ausgelegt werden, dass ein Pflegehelfer entsprechend den Vorschriften des GuKG Tätigkeiten an Betreuten ausübt, geringfügigere Tätigkeiten aber nicht ausüben darf, da er über eine Ge­werbeberechtigung nicht verfügt. Hier dürften Klarstellungen für die Praxis zweckmäßig sein.

Auch die Frage, ob die Betreuung im Rahmen einer selbstständigen oder unselbstständigen Erwerbstätig­keit erfolgt, wird in der Praxis zu Abgrenzungsschwierigkeiten führen. Wie in den Erläuterungen ohnehin ausgeführt wird, ist die Frage, ob ein Dienstverhältnis vorliegt oder nicht, nach den bisher von Lehre und Judikatur entwickelten Grundsätzen zu beurteilen. Davon ausgehend dürfte eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung auf Basis einer selbstständigen Erwerbstätigkeit ausscheiden, da insbesondere auch bei Auf­nahme in die Hausgemeinschaft der zu betreuenden Person die erforderliche persönliche und wirtschaft­liche Unabhängigkeit nicht mehr gegeben sein wird. Somit wird die Rund-um-die-Uhr-Betreuung wohl nur im Rahmen eines Dienstverhältnisses möglich sein.

Weiters fällt auf, dass für die Tätigkeit der Hausbetreuung keinerlei Qualifikationen notwendig sind. So fehlen etwa Hinweise auf die Sozialbetreuungsberufe. Offensichtlich geht man davon aus, dass keine Qualifikation notwendig ist, andererseits aber auch Sozialbetreuungsberufe dann die freiberufliche ge­werbliche Tätigkeit ausüben können. Für die Sozialbetreuungsberufe ergibt sich damit möglicherweise der Fall, dass diese auf Grund der berufsrechtlichen Vorschriften nicht freiberuflich tätig sein dürfen, wohl aber auf Grund gewerberechtlicher Vorschriften das freie Gewerbe ausüben dürften. Auch hier wäre eine An­passung zweckmäßig.

Hinsichtlich der Abgrenzung zur Pflegehilfe ist darauf hinzuweisen, dass die Pflegehilfe gemäß § 84 Abs. 1 GuKG auch die soziale Betreuung eines Patienten oder Klienten sowie die Durchführung hauswirtschaft­licher Tätigkeiten umfasst. Es liegen hier also idente Berufsberechtigungen bis zu einem gewissen Grad vor. Auch das kann zu Abgrenzungsproblemen führen.

Abschließend wird noch darauf hingewiesen, dass der Bezeichnung „Hausbetreuung“ in anderen Bundes­gesetzen ein anderes Begriffsverständnis zukommt. So umfasst die Hausbetreuung nach § 23 des Miet­rechtsgesetzes „die Reinhaltung und Wartung jener Räume des Hauses, die von allen oder mehreren Hausbewohnern benützt werden können, solcher Flächen und Anlagen der Liegenschaft und der in die Betreuungspflicht des Liegenschaftseigentümers fallenden Gehsteige einschließlich der Schneeräumung sowie der Beaufsichtigung des Hauses und der Liegenschaft“. Im Hinblick auf die Einheitlichkeit der Rechtsordnung sollte die Verwendung desselben Begriffes mit unterschiedlicher Bedeutung vermieden werden.

 

b) Finanzielle Auswirkungen

Wenn auch – wie im Vorblatt der Erläuterungen zum Entwurf ausgeführt – für die Gebietskörperschaften zunächst keine finanziellen Auswirkungen zu erwarten sind, so darf nicht übersehen werden, dass durch den Entwurf erstmals die Möglichkeit geschaffen wird, dass professionelle Betreuung neben Heimen künftig auch zu Hause durch entsprechend dazu angestelltes Personal in einem größeren zeitlichen Um­fang möglich sein wird. Dies wird zur Folge haben, dass hiefür von der öffentlichen Hand auch ent­sprechende Beihilfen, entweder über das Pflegegeld oder über die Grundsicherung (Sozialhilfe) zu leisten sein werden. Es ist nämlich beabsichtigt, Betreuung zu Hause neben der derzeit bestehenden ambulanten Pflege über Sozial- und Gesundheitssprengel und der Pflege in den Heimen als dritte Säule der Betreuung und Pflege von alten Personen aufzubauen. Hiefür sollen auch entsprechende öffentliche Mittel zur Ver­fügung gestellt werden. Derzeit ist noch nicht einmal ansatzweise die Finanzierung der Pflege und Betreu­ung geklärt. Unter dem Punkt „finanzielle Auswirkungen“ im Vorblatt der Erläuterungen wird ausgeführt, dass sich zusätzlicher Finanzierungsbedarf aus Verhandlungen über eine Neuregelung der Finanzierung der Pflege und Betreuung ergeben kann. Bereits bei Annahme von nur einigen hundert Pflegefällen in Tirol, die in den Anwendungsbereich des Entwurfes fallen würden, ergeben sich jährliche Finanzierungs­kosten von mehreren Millionen Euro.

 

c) Beurteilung

Insgesamt wird der vorliegende Entwurf abgelehnt, weil

1) die Kompetenzlage unklar ist und schwerwiegende Probleme bei der Kompetenzabgrenzung insbe­sondere zu Tätigkeitsbereichen der Heimhelfer (15a B-VG-Vereinbarung über die Sozialberufe), deren Regelung eindeutig in die Zuständigkeit der Länder fällt, bestehen,

2) die finanziellen Auswirkungen für die einzelnen Gebietskörperschaften derzeit nicht absehbar sind und

3) mit den vorgesehenen Regelungen das Ziel einer Verbesserung der Pflege von pflegebedürftigen Personen nicht erreicht wird.

 

II. Zu einzelnen Bestimmungen wird bemerkt:

 

Zu Art. 1 § 1 Abs. 1 und 2:

Personen, die ein Pflegegeld ab der Pflegestufe 3 beziehen, brauchen nicht (nur) eine Betreuung im Sinne der im § 159 der Gewerbeordnung 1994 vorgeschlagenen Maßnahmen, sondern bedürfen tatsächlich einer entsprechenden fachlichen Pflege. Erfahrungsgemäß ist die Abgrenzung von Pflege und Betreuung in der Praxis schwierig, weil sie nicht an einzelnen Tätigkeiten festzumachen ist sondern vom Zustandsbild eines Betreuungsbedürftigen abhängt. So kann die Unterstützung „bei der Körperpflege“ oder „beim Ein­nehmen von Mahlzeiten“ z.B. bei einem „gesunden“ alten Menschen eine Betreuungstätigkeit darstellen, hingegen bei einem Schlaganfallpatienten eine qualifizierte Pflegetätigkeit (z.B. mit besonderer Gefahren­geneigtheit bei Schluckstörungen, Spastizität bei falscher Unterstützung, etc), die nur von ausgebildetem Personal übernommen werden kann. Der Gesundheitszustand der Pflegebedürftigen kann gefährdet werden, wenn pflegerisch unausgebildete Personen Änderungen im Gesundheitszustand von pflegebe­dürftigen Personen nicht erkennen oder im Rahmen der Personenbetreuung pflegerische Maßnahmen nicht richtig durchführen (z.B. keine Prophylaxen, Verabreichen von Mahlzeiten bei Schluckstörungen, Nichterkennen von Dekubitus-, Pneumonie-, Kontrakturgefahr bei der Körperpflege, etc.). Es ist jedenfalls nicht zweckmäßig, solchen pflegebedürftigen Personen einerseits durch eine Betreuungsperson eine Betreuung im Sinne der im § 159 der Gewerbeordnung 1994 vorgeschlagenen Maßnahmen und anderer­seits durch eine weitere Person die erforderliche Pflege zukommen zu lassen. Durch die Einschränkung auf die reinen Betreuungstätigkeiten wird das angestrebte Ziel einer Verminderung der illegalen Pflege­tätigkeiten nicht erreicht, sondern wird vielmehr durch die vorgesehene Zweigleisigkeit (Betreuung und Pflege durch verschiedene Personen) ein deutlicher finanzieller Mehraufwand entstehen.

 

Zu Art. 2 Z 1 ( § 159):
Im § 84 GuKG werden die Tätigkeitsbereiche der Pflegehilfe genau definiert. Im Rahmen der Aufzählung der möglichen Tätigkeiten des freien Gewerbes der „Personenbetreuung“ im § 159 sollte eine klare Abgrenzung zu den Pflegetätigkeiten vorgenommen werden. Bedenken bestehen hier insbesondere bei den angeführten Tätigkeiten „Hilfestellung bei der persönlichen Körperhygiene“ sowie „Hilfestellung bei der Einnahme von Mahlzeiten“. Im § 84 Abs. 3 GuKG ist normiert, dass zur Durchführung von pflegerischen Maßnahmen insbesondere die „Körperpflege und Ernährung“ gehören. Damit nicht von gewerblichen „Betreuungspersonen“ Pflegetätigkeiten nach dem GuKG erbracht werden, sollte eine klare Abgrenzung zum Pflegebereich vorgenommen werden.

Weiters entsprechen die Tätigkeiten, die von diesen Gewerbetreibenden ausgeübt werden dürfen, typischerweise den Tätigkeiten, wie sie auch von den Angehörigen der Sozialbetreuungsberufe, (insbe­sondere von Heimhelfern, aber auch von Fach- und Diplomsozialbetreuern mit den Schwerpunkten Alten­betreuung im Sinne der Artikel 15a B-VG-Vereinbarung über die Sozialbetreuungsberufe) ausgeübt werden. Zu den Aufgaben des Heimhelfers nach Anlage 2 Punkt 2.1 der genannten Vereinbarung gehören etwa hauswirtschaftliche Tätigkeiten, Beheizen der Wohnung, Beschaffen des Brennmaterials, Unter­stützung bei Besorgungen außerhalb des Wohnbereiches (Einkauf, Post, Behörden, Apotheke u.a.), Unterstützung bei der Zubereitung und Einnahme von Mahlzeiten, usw. Nach § 159 des Entwurfes um­fassen die haushaltsnahen Dienstleistungen insbesondere die Zubereitung von Mahlzeiten, Vornahme von Besorgungen, Reinigungstätigkeiten, Durchführung von Hausarbeiten, Durchführung von Botengängen, usw. Nach Anlage 1 Z. 2 der zit. Vereinbarung über die Sozialbetreuungsberufe darf der Beruf der Heim­helfer ausschließlich im Rahmen einer Einrichtung ausgeübt werden, deren Rechtsträger der Verantwor­tung des Berufes entsprechende Qualitätssicherungsmaßnahmen vorzunehmen hat. Die Vereinbarung bestimmt weiter, dass eine freiberufliche Ausübung der Heimhilfe nicht vorgesehen ist. Es sollte deshalb eine klare Abgrenzung der freiberuflich gewerblichen Tätigkeit zu den Tätigkeitsbereichen der Sozialberufe vorgenommen werden.

 

25 Ausfertigungen sowie eine elektronische Fassung dieser Stellungnahme werden unter einem der Parlamentsdirektion zugeleitet.

 

Für die Landesregierung:

 

 

Dr. Liener
Landesamtsdirektor