Walter Marschitz

Österreichisches Hilfswerk

13.4.2007

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hausbetreuungsgesetz

 

Stellungnahme des Hilfswerks

 

 


Stellungnahme des Österreichischen Hilfswerks zum Entwurf eines Hausbetreuungsgesetz (HBeG) und einer Änderung der Gewerbeordnung

 

 

 

 

 

I. Allgemeine Vorbemerkungen

 

Zunächst begrüßt das Hilfswerk die Bemühungen der Bundesregierung, das von den Hilfsorganisationen in den letzten Jahren immer wieder aufgezeigte Problem im Bereich der sogenannten „24-Stunden-Betreuungen“ nunmehr von mehreren Seiten in Angriff zu nehmen und nach Möglichkeiten zu suchen, wie eine umfangreichere Betreuung zu Hause auf rechtlich einwandfreie Grundlagen gestellt werden kann.

 

Gleichzeitig erscheint es uns immer wieder wichtig zu betonen, dass diese Frage nur in einem Gesamtkonzept gesehen werden sollte, das arbeits- und sozialrechtliche Fragen mit der Frage eines Finanzierungskonzeptes verbindet. Anderenfalls besteht die Gefahr dass die Regelung entweder totes Recht bleibt, weil die Anreize aus dem Schwarzmarkt zu wechseln nicht gegeben sind, oder negative Auswirkungen auf die übrige Versorgungslandschaft entstehen, die die nachhaltige Betreuung älterer und pflegebedürftiger Menschen gefährden.

 

Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass wenn die auch von uns nachvollziehbare Zahl von 20.000 illegalen Betreuungsfällen stimmt, nur etwa 5 % der Pflegebedürftigen in diesen Arrangements betreut werden. Etwa drei mal so viele werden im Heim, fünf Mal so viele durch mobile Dienste und mehr als zehn Mal so viele ausschließlich durch Angehörige betreut.

 

Eine der großen Unbekannten in der Abschätzung der gegenwärtigen Situation bleibt auch die Frage, wie sich die derzeit angebotenen 24-Stunden-Betreuungen weiterentwickeln werden. Viele dieser Arrangements leben vom bestehenden Lohngefälle zwischen Österreich und den Herkunftsländern der BetreuerInnen. Was hierzulande als Niedriglohn angesehen wird, bedeutet in diesen Ländern heute ein Einkommen, das z.T. um ein Vielfaches über den dortigen Durchschnittseinkommen liegt. Wie lange dieses Lohngefälle besteht und wie weit sich der geografische Einzugsbereich der BetreuerInnen in Zukunft erweitern wird, ist schwer abzuschätzen. Jede politische Maßnahme in diesem Bereich muss aber auch unter Berücksichtigung eines Szenarios überprüft werden, dass dieses Angebot nicht oder nicht mehr in diesem Ausmaß zur Verfügung steht.

 

 

Kritisch zu hinterfragen ist auch der Terminus „Hausbetreuungsgesetz“. Zum einen ist dieser Begriff in der Rechtsordnung schon besetzt (Hausbesorger/Hausbetreuer), zum anderen geht es nicht in erster Linie um die Betreuung des Hauses, sondern um die Betreuung von Personen.


 

II. Zu den Bestimmungen des Entwurfs im Detail

 

 

Artikel 1

 

Zu § 1 Abs. 1

 

Obwohl im Entwurf des Bundesgesetzes eine Betreuung im Rahmen einer selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit möglich ist, glauben wir dass aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse und der allgemeinen Regeln für die Abgrenzung zwischen selbständiger und unselbständiger Tätigkeit, wie sie auch in den Erläuterungen angesprochen werden, in den wenigsten Fällen von einer selbständigen Erwerbstätigkeit ausgegangen werden kann. Vielmehr ist zu befürchten, dass bestimmte Anbieter –wie das derzeit bereits geschieht- diese Bestimmung dazu verwenden werden, um den Betroffenen eine Rechtskonstruktion vorzugaukeln, die nicht den tatsächlichen Grundlagen entspricht.

 

Schon jetzt wird seitens der meisten Vermittlungsagenturen versucht, die derzeit mehrfach illegalen Verhältnisse gegenüber den Kunden, zuletzt auch gegenüber der Öffentlichkeit mit den unterschiedlichsten Konstruktionen zu legitimieren (selbständige HeimhelferInnen/PflegehelferInnen, Ehrenamtliche etc.).

 

Würde diese Bestimmung -so wie im Entwurf vorgesehen- Gesetz, würde diesen Argumenten neue Nahrung zugeführt.

 

Das bedeutet nicht, dass Selbständigkeit im Bereich der Pflege und Betreuung keinen Platz hätte, im Bereich dieser Vertragsverhältnissen, die von einer sehr starken Abhängigkeit vom Pflegebedürftigen und seiner/ihrer Angehörigen gekennzeichnet sind, sehen ihn wir aber nicht.

 

 

Zu § 1 Abs. 2

 

Die Vielfältigkeit der Möglichkeit der Anstellung durch die zu betreuende Person, einem Angehörigen und einem gemeinnützigen Träger (Zi. 1) ist prinzipiell positiv, auf die Trägerlösung wird weiter unten noch detaillierter eingegangen.

 

Die Ausweitung des Geltungsbereiches auf Demenzkranke in den Pflegegeldstufen 1 und 2 (Zi. 2) ist prinzipiell zu begrüßen, noch sinnvoller wäre es allerdings, dieses Personen bei der Pflegegeldeinstufung so zu berücksichtigen, dass § 1 2. b) eigentlich nicht notwendig wäre.

 

Eine gewisse Lücke besteht bei Fällen, die zwar einen Betreuungsaufwand haben, der eine Betreuung nach dem Hausbetreuungsgesetz rechtfertigen würde, deren Pflegegeldantrag aber noch nicht bearbeitet werden konnte (mehrmonatige Verfahrensdauer). Hier wäre eine (befristete) Ausnahmebewilligung etwa durch Vorlage entsprechender Befunde zu überlegen.

 

Die Bestimmung des § 1 Abs. 2 Zi. 3 entspricht zwar einer derzeit gängigen Praxis, ob sich diese Bestimmung auch in Zukunft bewährt, sollte Gegenstand einer späteren Evaluierung dieses Gesetzes sein.

 

Die Festlegung einer Mindestarbeitszeit von 48 Stunden pro Woche (Zi. 4)erscheint angesichts der weitreichenden arbeitszeitrechtlichen Ausnahmeregeln sinnvoll, zeitmäßig geringere Arrangements können im Rahmen des bestehenden Hausangestelltengesetzes abgehandelt werden. Gleiches gilt in Bezug auf Zi. 5.

 

Zu § 1 Abs. 3

 

Die Abgrenzung zwischen Pflege- und Betreuungstätigkeiten war und ist eine der meistdiskutierten Fragen in der laufenden Pflegediskussion und auch bei der Neuregelung der „24-Stunden-Betreuung“. Die oft proklamierte scharfe Trennung von Betreuung und Pflege stellt sich in der Praxis eher als Kontinuum im Sinne einer integrierten Versorgung dar. Die starke Differenzierung und die Bindung bestimmter Tätigkeiten an bestimmte Berufsgruppen führt in Verbindung mit dem starken Kostendruck in diesem Bereich dazu, dass in der mobilen und stationären Betreuung trotz des Bemühens seitens der Träger eine Vielzahl von Personen mit der Pflege bzw. Betreuung einer Person beschäftigt sind. Dieser Umstand wird den Trägern von den Kunden oft entgegengehalten und spielt auch bei den derzeitigen 24-Stunden-Betreuungsmodellen eine Rolle.

 

Wenn eine Person eine andere im 1:1 Verhältnis betreut, können hinsichtlich fachlicher Anforderungen sicher andere Ansprüche gestellt werden, als bei Personen, die in ständig wechselnden Situationen eigenständig Entscheidungen treffen müssen. Hier ist zu überprüfen, inwieweit durch ein dokumentiertes Anlernen bzw. durch schriftliche Verantwortungsübernahme der Pflegebedürftigen bzw. deren Angehörigen sowie durch ärztliche Delegation bestimmte Leistungen zugelassen werden können, die in einen engeren Pflegebegriff hineinfallen würden. Trotzdem sollte der Grundsatz gelten, dass fachpflegerische Leistungen nur durch entsprechend ausgebildetes Personal erfolgen sollten, das heißt neben der Betreuungskraft in der Regel noch fachliches Personal der mobilen Dienste zum Einsatz kommen wird.

 

Zu § 3 Abs. 2-4

 

Diese Vorschriften ermöglichen ein Arbeitszeitarrangement, das eine weitreichende Betreuung ermöglicht und damit kein Argument mehr bietet, aus arbeitsrechtlichen Gründen im Schwarzmarkt zu verbleiben. Trotzdem muss hier festgestellt werden, dass im Sinne aller Betroffener und der Betreuungsqualität Fälle mit sehr intensivem Betreuungsbedarf (regelmäßiges mehrmaliges Aufstehen in der Nacht, das einem „wachenden Nachtdienst“ nahe kommt) nicht mit einer Person im 2-Wochen-Rhythmus bewältigbar sind. Hier müssten andere Arrangements wie tägliche Turnusdienste oder stationäre Betreuung Platz greifen.

 

Zu § 3 Abs. 6

 

Diese ergänzende Regelung scheint uns prinzipiell sinnvoll, angemessener wäre es aber eine 2-Wochen-Frist (inkl. Fortsetzung des Wohnrechtes für diesen Zeitraum) vorzusehen, da sonst das Risiko zu einseitig zu Lasten der Betreuungsperson gehen würde. Hier ist auch der Umstand zu berücksichtigen, dass die Betreuungsperson ihre Übersiedlung organisieren muss.

 

Zu § 4

 

Grundsätzlich erscheint es sinnvoll, die Möglichkeit eines Arbeitsverhältnisses bei einer Trägerorganisation zu schaffen. Damit könnten sowohl die Abwicklung der Dienstverhältnisse erleichtert werden, als auch eine begleitende Qualitätskontrolle gewährleistet werden. Gleichzeitig soll aber nicht auf die in diesem Zusammenhang bestehenden Problematiken vergessen werden: etwa mögliche Konflikte die die Betreuungskraft im Spannungsverhältnis zwischen ihrem Arbeitgeber (Trägerorganisation) und dem Haushalt, in dem sie tätig ist, bewältigen muss oder berufsrechtliche Kompetenzfragen, die sich hier stärker stellen als bei der Anstellung im Haushalt.

 

Damit diese Möglichkeit rechtlich überhaupt wirksam werden kann, müssen die entsprechenden Kollektivverträge im Verhandlungsweg zwischen den Sozialpartnern verändert werden und Sondernormen, wie sie auch für andere Berufsgruppen geschaffen wurden, vereinbart werden.

 

Ein Vergleich mit den derzeitigen Bestimmungen des BAGS-Kollektivvertrages, der als Leitkollektiv im Sozialbereich gilt, zeigt allerdings dass derartige Arbeitsverhältnisse viel teurer als Anstellungen im Haushalt, die nach dem Mindestlohntarif bewertet werden, sind. Daher ist damit zu rechnen, dass diese Möglichkeit, auch wenn sie rechtlich möglich wird, kaum praktiziert werden wird.

 

Allerdings scheint es sinnvoll, die privaten Haushalte bei der Abwicklung der Dienstverhältnisse nach Hausbetreuungs- oder Hausangestelltengesetz in organisatorischer und fachlicher Hinsicht (Qualitätssicherung) zu unterstützen. Gegebenenfalls müssten dazu rechtliche Regelungen adaptiert werden, um dies den Trägern zu ermöglichen.

 

 

Zu §§ 5-7

 

Die im arbeitsrechtlichen Bereich nur in Grundzügen angesprochenen Qualitätskriterien sollten bei einer öffentlichen Förderung dieser Betreuungsarrangements stärker ausgebaut werden.

 

 

Zu Artikel 2 – Gewerbeordnung

 

Der Begutachtungsentwurf sieht die Schaffung eines freien Gewerbes für die „Personenbetreuung“ vor, das ähnliche Kompetenzen wie das Berufsbild der Heimhilfe vorsieht, ohne dafür irgendwelche Voraussetzungen mitbringen zu müssen.

 

Taxativ aufgezählt ist dabei auch die Möglichkeit, selbst Personenbetreuung zu organisieren und zu vermitteln.

 

Dieser Vorschlag scheint in einer Zusammenschau mit den geltenden Regeln und der derzeitigen Praxis völlig wesensfremd und wird von uns daher abgelehnt.

 

Zunächst scheint es überhaupt fragwürdig „mit Gewalt“ eine Selbständigkeit in einem Bereich verankern zu wollen, wo vor allem aufgrund der sozialversicherungsrechtlichen Regeln in den ganz überwiegenden Fällen von unselbständiger Tätigkeit ausgegangen werden muss. Im besten Fall stiftet man damit Verwirrung, im schlechtesten Fall liefert man –wie im Status Quo- einen Vorwand für illegale Praktiken. Die Folgen hätten in erster Linie der Pflegebedürftige bzw. seine Angehörigen zu tragen.

 

Wir halten es daher für sinnvoller, die Möglichkeiten der „24-Stunden-Betreuung“ auf Beschäftigungsverhältnisse im Privathaushalt oder mit Trägern zu beschränken.

 

Gleichzeitig kann man darüber nachdenken, in welchen Bereichen der Pflege und Betreuung eine Ausweitung der derzeitigen selbständigen Berufsausübung möglich ist. Hier sollte man aber nicht auf freie Gewerbe setzen, sondern (Ausbildungs)Voraussetzungen für die jeweilige Ausübung definieren.