Amt der Tiroler Landesregierung

 

 

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Verfassungsdienst

 

 

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Entwurf eines Tiertransportgesetzes 2007 sowie einer Novelle zum Tierschutzgesetz;

Stellungnahme

Geschäftszahl

Innsbruck,

Präs.II-782/887
30.04.2007

 

 

Zu Zl. BMGFJ-74800/0033-IV/B/5/2007 vom 27.03.2007

 

Zum angeführten Gesetzentwurf wird folgende Stellungnahme abgegeben:

 

Zu Artikel I (Tiertransportgesetz 2007)

 

1. Allgemeines:

Der Gesetzentwurf enthält, wie in den Erläuterungen angeführt, im Wesentlichen Ausführungsbe­stimmun­gen zur Verordnung (EG) 1/2005. Da diese Verordnung dem nationalen Gesetzgeber nur einen sehr engen Entscheidungsspielraum einräumt (so sind etwa bestimmte Arten von Transporten vom Anwen­dungsbereich der Verordnung ausgenommen oder bleiben strengere innerstaatliche Vorschriften für nicht grenzüberschreitende Transporte unberührt), kann wohl nur sehr begrenzt auf jene Anforderungen einge­gangen werden, die sich insbesondere aus den Besonderheiten der heimischen Landwirtschaft ergeben. Dennoch wird gebeten, ausgehend von einer vertretbaren, für die Landwirtschaft möglichst günstigen Auslegung, nach Lösungen zu suchen, die der folgenden Problematik möglichst weit gehend gerecht werden:

 

Im Art. 1 Abs. 5 der oben zit. Verordnung wird bestimmt, dass diese nur für Transporte von Tieren gilt, die in Verbindung mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit durchgeführt werden. Nun wurde in der Diskussion zwischen dem Bund und den Ländern die Auffassung vertreten, dass der (in Tirol besonders bedeutsame) Transport von Almtieren in diesem Sinn nicht in Verbindung mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit stehe. Zwar ist die Frage nach der Beurteilung derartiger Transporte etwas weniger brisant als jene der Transporte zum Vermarktungsort, weil Transporte zur und von der Alm selbst im Fall der Einordnung als gewerbliche Transporte in weiten Bereichen ohnedies von der (von zahlreichen Anforderungen befreienden) Aus­nahmebestimmung des Art. 1 Abs. 2 lit. a (jahreszeitlich bedingte Wanderhaltung von Tieren, d.h. Alpung und Weidehaltung) erfasst wären. Dennoch muss aufgrund der besonderen wirtschaftlichen Bedeutung der Alpung in Tirol gebeten werden zu gewährleisten, dass es hier zu keinen unwirtschaftlichen Erschwer­nissen für jene bäuerlichen Betriebe kommt, die ihre Tiere mit eigenen Fahrzeugen befördern. Immerhin werden etwa 50 % des Kuhbestandes und rund zwei Drittel der Jungrinder gealpt. Speziell bei den Kühen wird der Almauf- und -abtrieb zum Großteil mit Fahrzeugen bewerkstelligt, da lange Triebzeiten, zum Teil auf harten Asphaltstraßen, mit den Leistungsanforderungen an die Tiere nicht vereinbar wären. Auch unterzeitige Transporte (späteres Nachliefern von einzelnen Tieren nach der Hochleistungsphase un­mittelbar nach der Abkalbung und vorzeitiges Abführen vor der Abkalbung oder zur Vorbereitung auf die Vermarktung) sind bei Kühen relativ häufig anzutreffen. Für derartige Transporte ist den Landwirten die Vergabe an einen gewerblichen Transporteur wirtschaftlich nicht zumutbar.

 

Es stellt sich allerdings auch die Frage, ob Art. 1 Abs. 5 der zit. Verordnung nicht auch dahingehend inter­pretiert werden kann, dass die Verbindung zur wirtschaftlichen Tätigkeit in der gewerblichen bzw. unter­nehmerischen Tätigkeit der Organisation und Durchführung des Transportes selbst gesehen wird, sodass der Geltungsbereich des Tiertransportgesetzes grundsätzlich auf die "erwerbsmäßige" Tätigkeit des Tier­transportes beschränkt werden könnte.

 

Für den Fall, dass dieser Ansicht nicht gefolgt werden kann, wird darauf hingewiesen, dass dann auch Landwirte, die mit ihren betriebseigenen Fahrzeugen über mehr als 65 km einzelne Tiere ihres eigenen Bestandes und somit (nach dem herkömmlichen Sprachgebrauch) ohne gewerbliche Absicht als „Tier­transportunternehmer“ etwa zum Ort der Vermarktung transportieren, unter die Bestimmungen über Tier­transportunternehmer fallen und in weiterer Folge den für den gewerblichen Tiertransport vorgesehenen Anforderungen im Hinblick auf die erforderliche spezielle Ausbildung und deren Nachweis, die Meldung der Fahrzeuge an die Behörde, die Führung eines Kontrollbuches, die Reinigung und die Desinfektion durch behördlich zugelassene Einrichtungen usw. vollinhaltlich gerecht werden müssten.

Relativ weit gehende Ausnahmen gelten (neben der bereits eingangs erwähnten Wanderhaltung) in den angesprochenen Fällen lediglich für Transportstrecken unter 50 km (Art. 1 Abs. 2 lit. b der zit. Verordnung). Zwischen einer Transportstrecke von 50 km und 65 km sind hingegen lediglich Befreiungen von einigen wenigen speziellen Anforderungen an Tiertransportunternehmer und Begleiter vorgesehen (Art. 6 Abs. 7 der zit. Verordnung).

 

In diesem Zusammenhang sind für Tirol folgende Besonderheiten hervorzuheben:

Aufgrund der geographische Lage der Vermarktungsanlagen und der Struktur des Landes ist davon aus­zugehen, dass ca. 10.000 Landwirte Tiere des eigenen Betriebes wenige Male pro Jahr, jedoch über eine Strecke von mehr als 65 km (insbesondere zu den Vermarktungsorten) transportieren und daher nach Art. 10 der zit. Verordnung als Tiertransportunternehmer zugelassen werden müssten. Dies würde beispiels­weise für jeden Zillertaler Landwirt gelten, der seine Braunviehrinder selbst zur Versteigerung nach Imst, dem Ort der zentralen Vermarktungsanlage des Braunviehzuchtverbandes, liefert, um dort auch die Betreuung und Vermarktung des Tieres zu organisieren.

Nach ha. Ansicht scheint es sachlich nicht gerechtfertigt, in derartigen Fällen, in denen die Transport­strecke nie über 200 km liegt, die selben Anforderungen zu verlangen, die an einen gewerblichen Tier­transportunternehmer gestellt werden, der Transporte bis zu 8 Stunden Dauer durchführt. Der Aufwand für die administrative Abwicklung der oben genannten umfangreichen Bewilligungs- und Ausbildungs­pflichten steht in keinem angemessenen Verhältnis zu dem zu erwartenden Vorteil im Sinn der Zielsetzungen der VO (EG) 1/2005 und könnte mit dem derzeitigen Personal in den zuständigen Bezirksverwaltungsbe­hörden kaum bewältigt werden.

 

Da die Verordnung (EG) 1/2005 jedoch, wie bereits eingangs erwähnt, keine ausreichenden Entschei­dungsspielräume für eine aus ha. Sicht zufrieden stellende Lösung zu bieten scheint, wird ersucht zu prüfen, ob nicht zumindest auf die aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht offenbar nicht unbedingt erforder­liche Bestimmung des § 12 Abs. 2 verzichtet werden kann, wonach Personen, die Transporte bis maximal 65 km durchführen, im Fall von Kontrollen auf Verlangen eine Bestätigung der Landwirtschaftskammer, der Landarbeiterkammer oder der Gemeinde, in der der Betrieb liegt, über eine einschlägige Ausbildung oder Tätigkeit im Umgang mit Tieren vorzuweisen haben. Zumindest für die vom Anwendungsbereich der Ver­ordnung weitestgehend ausgenommenen Transporte von weniger als 50 km im Rahmen eines landwirt­schaftlichen Betriebes scheint diese Anforderung entbehrlich. Die Schaffung einer Sonderbestimmung für eine um bloß 15 km verlängerte Transportstrecke (somit hinsichtlich Transportstrecken von maximal 65 km) scheint ebenfalls wenig zweckmäßig, auch wenn sie mit den Erleichterungen nach Art. 6 Abs. 7 der zit. Verordnung korrespondiert. Immerhin dürfen ja schon ab einer Transportstrecke von 50 km nur mehr behördlich zugelassene Transportunternehmer tätig werden.

 

Aufgrund der Erläuterungen zu § 15 wird davon ausgegangen, dass alle bisher im § 11 des Tierseuchen­gesetzes und im § 11 der im Gesetzesrang stehenden Tierseuchengesetz-Durchführungsverordnung vor­gesehenen strengen tierseuchenrechtlichen Anforderungen (etwa im Hinblick auf die Reinigung und die Desinfektion der eingesetzten Transportmittel) künftig gleichermaßen für die oben dargestellten kurzen Tiertransporte im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes wie für den (im engeren Sinne) gewerb­lichen Tiertransport über längere Strecken zur Anwendung kommen. Auch hier scheint es sachlich ge­boten, begünstigende Sonderbestimmungen für die zuerst genannten Transporte einzuführen. Es wird daher dringend gebeten, dies bei der Erlassung einer Verordnung nach § 15 Abs. 2 zu berücksichtigen und den aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht offen stehenden Entscheidungsspielraum möglichst weit gehend auszunützen.

 

 

2. Zu einzelnen Bestimmungen wird bemerkt:

 

Zu § 11 (Zulassung von Transportunternehmern und Transportmitteln für lange Beförderungen):

Nach Abs. 2 zweiter Satz besteht die Möglichkeit, im Zulassungsverfahren Sachverständige nach § 125 KFG 1967 beizuziehen. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass in derartigen Verfahren wohl auch auf die Sachkunde von veterinärfachlichen oder von Sachverständigen für andere technische Belange, etwa für die Beurteilung der Lüftungsleistung von Ventilatoren (siehe Anhang I, Kapitel VI, Punkt 3.2. der VO (EG) 1/2005), zurückgegriffen werden muss.

 

Zu § 12 (Ausbildung und Ausstellung von diesbezüglichen Bestätigungen):

Im Hinblick auf die nach Abs. 1 zweiter Satz durch Verordnung zu regelnden Lehrgänge für Tiertransport­betreuer sollte danach unterschieden werden, für welche Transportdauer die Betreuer eingesetzt werden. Es wird vorgeschlagen, Ausbildungen für Tiertransporte bis zu 3 Stunden, bis zu 8 Stunden und über 8 Stunden vorzusehen.

 

Zu § 15 (Tierseuchenrechtliche Mindestanforderungen):

Wie bereits eingangs ausgeführt, sollten diese Bestimmungen ausschließlich den gewerblichen Tier­transportunternehmer im engeren Sinn betreffen. Wenn nämlich jeder Landwirt, der einzelne Tiere des eigenen Bestandes mit einem betriebseigenen Transportmittel über mehr als 65 km transportiert, als bewilligungspflichtiger Tiertransportunternehmer die umfangreichen Verpflichtungen des § 15 in Ver­bindung mit Artikel 34 der VO (EG) 1/2005 erfüllen muss, scheint dies nicht nur sachlich nicht gerecht­fertigt, sondern auch administrativ kaum bewältigbar.

Weiters werden im Abs. 1 Z. 2 Tiere, bei denen ein Verdacht auf eine Tierseuche vorliegt, von der Be­förderung ausgeschlossen. Nach ha. Auffassung dürfte es jedoch ausreichen, diese Rechtsfolge eintreten zu lassen, wenn der Verdacht auf eine nach den veterinärrechtlichen Vorschriften anzeigepflichtige Tier­seuche besteht.

 

Zu § 20 (Strafbestimmungen):

Es wird vorgeschlagen, nach dem Vorbild des § 16 Abs. 1 zweiter Satz des Tiertransportgesetzes-Straße vorzusehen, dass in den Fällen nach Abs. 1 Z. 8 bis 16, 18 und 20 der § 50 VStG mit der Maßgabe anzu­wenden ist, dass Geldstrafen bis 100,- Euro sofort eingehoben werden können.

 

 

Zu Artikel II (Novelle zum Tierschutzgesetz)

 

Zu Z. 1 (§ 41 Abs. 4):

Die Klarstellung hinsichtlich der Parteistellung des Tierschutzombudsmannes in Verwaltungsstrafverfahren wird ausdrücklich begrüßt.

 

Zu Z. 2 (§ 42 Abs. 2 Z. 5, 6, 7 und 10):

Die in der Z. 10 vorgesehene Möglichkeit, Experten aus einschlägigen Fachbereichen beizuziehen, wird grundsätzlich begrüßt. Es sollte jedoch klargestellt werden, dass diesen in beliebiger Anzahl beiziehbaren Experten kein Stimmrecht im Tierschutzrat zukommt. Die derzeit vorgeschlagene Konzeption (Anfügung einer weiteren Ziffer im Abs. 2 des § 42) hätte zur Folge, dass dieses Gremium in wechselnder Zusam­mensetzung der stimmberechtigten Mitglieder zusammentreten und die Mehrheitsfindung davon abhängen könnte, wie viele Experten aus einschlägigen Fachbereichen vom Bundesminister für Gesundheit, Familie und Jugend bestellt worden sind.

 

25 Ausfertigungen sowie eine elektronische Fassung dieser Stellungnahme werden unter einem der Parlamentsdirektion zugeleitet.

 

Für die Landesregierung:

 

Dr. Liener
Landesamtsdirektor