Präs. 1614-3/07

 

 

Stellungnahme zum Entwurf für

eine UWG-Novelle 2007.

 

 

            1. Aus der novellierten Fassung des § 1 Abs 1 UWG soll ausdrücklich folgen, dass Unterlassungsansprüche verschuldensunabhängig sind. Insofern ist mit wesentlichen Änderungen der Praxis - gemessen an der bisherigen Rsp (RIS-JustizRS0078041) - nicht zu rechnen. Etwa im Fall unlauterer Geschäftspraktiken durch Rechtsbruch im Verhältnis zwischen Mitbewerbern wird indes die Diskussion über das von der Rsp bisher in zahlreichen Sachzusammenhängen judizierte Erfordernis subjektiver Vorwerfbarkeit (RIS-JustizRS0077751 [T2, T14, T15, T20, T24]) als Tatbestandsmerkmal eines sittenwidrigen wettbewerbswidrigen Verhaltens (RIS-JustizRS0078041 [T5]) vermutlich neu belebt werden.

            2. Die Eignung einer unlauteren Geschäftspraktik, „den Wettbewerb zum Nachteil von Unternehmen nicht nur unerheblich zu beeinflussen“ - also offenkundig das Erfordernis einer nicht bloß unerheblichen Nachfrageverlagerung - ist nach §1 Abs1 Z1 UWG des Entwurfs auf das Verhältnis zwischen Unternehmen beschränkt. Insoweit soll vom Gesetzgeber offenkundig das in der Rsp entwickelte Prinzip der „Spürbarkeit“ wettbewerbswidrigen Verhaltens (RIS-JustizRS0121680) gebilligt und fortgeschrieben werden.

            3. Eine der Definitionen für unlautere Geschäftspraktiken nach Art 5 Abs2 lita RL-UGP - nämlich ein den „Erfordernissen der beruflichen Sorgfaltspflicht“ widersprechendes Verhalten - soll nicht umgesetzt werden, weil der Begriff der beruflichen Sorgfalt dem österreichischen Lauterkeitsrecht bisher fremd sei und nur geringe Aussagekraft habe. Gleichwohl wird in den Erläuterungen zum Besonderen Teil des Entwurfs hervorgehoben, das Tatbestandselement jener RL-Bestimmung „Widerspruch gegen Erfordernisse der beruflichen Sorgfaltspflicht“ werde von den österreichischen Gerichten zu beachten sein. Im Anschluss daran wird der Begriffsinhalt erläutert. Angesichts dessen könnte die Verletzung der „beruflichen Sorgfaltspflicht“ als eine Spielart unlauterer Geschäftspraktiken auch in den Gesetzeswortlaut aufgenommen werden. Die Erläuterung, es gehe bei der beruflichen Sorgfalt „nicht um individuelle Kenntnisse und die damit verbundene individuelle Haftung im Sinne des §1299 ABGB“ ist zumindest missverständlich, sind doch für die Haftung von Sachverständigen nach §1299 ABGB gerade nicht individuelle Kenntnisse und Fähigkeiten, sondern auf dem Boden eines objektiven Verschuldensmaßstabs jene Sorgfaltspflichten maßgebend, die Sachverständige eines bestimmten Fachgebiets nach dem jeweiligen Entwicklungsstand beruflichen Wissens üblicherweise haben (RIS-JustizRS0026524).

            4.Die Gesetzestechnik sollte nicht nur in diesem Anlassfall, sondern ganz allgemein auf die Erfordernisse der Erfassung und Bearbeitung (Gliederung) von Daten für die Entscheidungsdokumentation RIS-Justiz Rücksicht nehmen:

            In Punkt I. Ziffer 8 des Entwurfes findet sich folgende Anordnung:

            „§4 Abs2 entfällt. Die Abs. 3 und 4 erhalten die Bezeichnung ‘(2)’ und ‘(3)’.“

            Die Umnummerierung von Absätzen als Ergebnis der Aufhebung eines oder mehrerer Absätze sollte gänzlich unterbleiben. Das würde die Datenverwertung für die Entscheidungsdokumentation RIS-Justiz erheblich erleichtern und letztlich zur schnelleren Auffindung der von Benützern (nur) gesuchten Daten führen (siehe als Beispiel etwa § 382 EO - Aufhebung der lit b in Abs 1 Z 8 ohne Nachrücken der lit c und Aufhebung des Abs2 ohne Entfall des Abs 1) .

            Die Umnummerierung von Absätzen oder auch jene von Paragrafen führt jeweils zur Ersetzung eines Tatbestands durch einen anderen. Damit müssen die relevanten Daten von den nach der geltenden Rechtslage nicht mehr relevanten Daten getrennt werden. Das ist zwar durch eine Kennzeichnung der alten und der neuen Daten zu einem bestimmten Absatz oder Paragrafen mit Hilfe von Deskriptoren möglich. Diese stete Aktualisierung des Datenbestands erfordert jedoch einen hohen administrativen Aufwand.

            Deskriptoren, die eine selektive und zielgerichtete Abfrage ermöglichen, wären nur mit Hilfe eines erst anzulegenden Übersichts- oder Informationsdokuments eruierbar. Dieses Dokument müsste in der Trefferliste an erster Stelle stehen. Soweit solche Dokumente derzeit existieren, scheinen sie in der Trefferliste je nach dem Zeitpunkt ihrer Erstellung auf. Der Entwicklungsstand der Entscheidungsdokumentation ermöglicht es zur Zeit offenkundig nicht, ein Informationsdokument jeweils an erster Stelle der Trefferliste zu platzieren. Selbst wenn aber bei der Erstabfrage zu einem umnummerierten Absatz oder Paragrafen das Informationsdokument an erster Stelle der Trefferliste aufschiene, wären mehrere Abfrageschritte nötig, um jenes Ergebnis an Treffern zu erzielen, das ohne eine Absatz- oder Paragrafenumnummerierung mit einer einzigen Abfrage hätte erzielt werden können. Eine Abfragetechnik in mehreren Schritten erfordert eine bestimmte Schulung, über die nicht innerhalb der Gerichtsbarkeit berufstätige Benützer der Entscheidungsdokumentation RIS-Justiz selten verfügen werden. Infolgedessen sollten generell weder Absätze einer Norm nach der Aufhebung eines oder mehrerer Absätze dieser Norm noch insgesamt weiter geltende Normen nach der Aufhebung von Paragrafen umnummeriert werden. Andernfalls sollte - wenigstens bei zahlreichen Umnummerierungen aus Anlass einer Novelle - ein eigener Abschnitt des Allgemeinen Teils der Erläuterungen zu Gesetzesentwürfen (Regierungsvorlagen) den Auswirkungen einer bestimmten Gesetzestechnik auf die Technik der Erfassung, Verarbeitung und Abfrage des Datenmaterials in der Entscheidungsdokumentation RIS-Justiz gewidmet sein.

 

 

Wien, am 3. Mai 2007

Hon.-Prof. Dr. Griss