REPUBLIK ÖSTERREICH

BUNDESKANZLERAMT

 

Geschäftszahl:

BKA-600.619/0045-V/A/5/2007

An das

Bundesministerium für

Wirtschaft und Arbeit

Stubenring 1

1011   Wien

Sachbearbeiter:

MMag. Thomas Zavadil

Pers. e-mail:

thomas.zavadil@bka.gv.at

Telefon:

01/53115/4264

Ihr Zeichen
vom:

BMWA‑91.561/0003‑I/3/2007
4. Mai 2007

Antwortschreiben bitte unter Anführung der Geschäftszahl an:

 

v@bka.gv.at

Betrifft:  Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bilanzbuchhaltungsgesetz geändert wird;

Begutachtung; Stellungnahme

Zum mit der do. oz. Note übermittelten Gesetzesentwurf samt Beilagen nimmt das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst wie folgt Stellung:

I.  Allgemeines:

Zu legistischen Fragen darf allgemein auf die Internet-Adresse http://www.bundeskanzleramt.at/legistik hingewiesen werden, unter der insbesondere

·      das EU-Addendum zu zu den Legistischen Richtlinien 1990 (im Folgenden zitiert mit „Rz .. des EU-Addendums“),

·      der – für die Gestaltung von Erläuterungen weiterhin maßgebliche – Teil IV der Legistischen Richtlinien 1979 und

·      verschiedene, legistische Fragen betreffende Rundschreiben des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst

zugänglich sind.

Die Gemeinschaftsrechtskonformität des im Entwurf vorliegenden Bundesgesetzes ist vornehmlich vom do. Bundesministerium zu beurteilen.

II.  Zum Gesetzesentwurf:

Allgemeines:

1.  Es wird darauf hingewiesen, dass entgegen der in den Novellierungsanordnungen gewählten Formulierung jenes Bundesgesetz, das (laut dem Titel der Novelle und dem Einleitungssatz) Gegenstand des vorliegenden Entwurfs ist, – nämlich das Bilanzbuchhaltungsgesetz – nicht in Artikel gegliedert ist.

Richtig ist allerdings, dass das Bilanzbuchhaltungsgesetz als solches als Art. III des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 161/2006 erlassen wurde; daher könnte es fraglich sein, ob die Zitierung des Bilanzbuchhaltungsgesetz in Gesetzestitel und Einleitungssatz korrekt ist und nicht vielmehr (unzweckmäßigerweise) von „Art. III des Bundesgesetzes, mit dem die Gewerbeordnung 1994 und das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz geändert werden und ein Bundesgesetz über die Bilanzbuchhaltungsberufe (Bilanzbuchhaltungsgesetz – BibuG) geschaffen wird, BGBl. I Nr. 161/2006“ gesprochen werden müsste. Schon aus diesem Grund sollte es übrigens vermieden werden, im Rahmen eines Sammelgesetzes nicht bloß bestehende Gesetze zu novellieren, sondern auch neue Gesetze zu erlassen.

2.  Weiters wird darauf hingewiesen, dass die Novellierungsanordnungen 2 und 3 zusammengefasst werden könnten.

3.  Es wird nicht verkannt, dass die Richtlinie 2005/36/EG selbst teilweise von „Niederlassungsmitgliedstaaten“ spricht; in Hinblick darauf, dass auch die Schweiz erfasst sein soll, wird jedoch zur Erwägung gestellt, statt dessen – so wie dies in § 100 Abs. 2 Z 3 erfolgt ist – den Begriff „Niederlassungsstaat“ zu wählen. Dasselbe Problem stellt sich auch in Hinblick auf den Begriff „Herkunftsmitgliedstaat“.

4.  Es wird auf die uneinheitlichen Formulierungen „Vertragsstaat[] des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum“ einerseits und „Vertragsstaat des Europäischen Wirtschaftsraums“ hingewiesen; in Erwägung zu ziehen wäre es, bei der erstmaligen Verwendung der Wortfolge „Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum“ den Klammerausdruck „(EWR-Vertragsstaat)“ anzufügen und in weiterer Folge auf diese Kurzform zurückzugreifen.

5.  Außerdem wird – schon im Interesse einer einheitlichen Vollziehung – angeregt, die Umsetzung der Richtlinie 2005/36/EG in verschiedenen Bundesgesetzen koordiniert vorzunehmen und inhaltlich gleiche Regelungen möglichst auch in idente Formulierungen zu fassen (noch dazu, wenn die entsprechenden Entwürfe zur gleichen Zeit zur Begutachtung versendet werden).

Zum Einleitungssatz:

Es wird auf den fehlenden Punkt nach dem Ausdruck „BGBl“ hingewiesen.

Zu Z 1 (§ 89):

Es wird darauf hingewiesen, dass in Z 4 – so wie in § 116 Z 5 des Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes in der Fassung des zur Begutachtung versendeten Entwurfs, anders jedoch als in § 38 Z 4 des Ziviltechnikergesetzes in der Fassung des zur Begutachtung versendeten Entwurfs – lediglich auf die Nichterfüllung der Informationsverpflichtungen (nicht hingegen auf die nicht vollständige Erfüllung) Bezug genommen wird.

Zu Z 2 (§ 100 samt Überschrift):

Abs. 1:

Es wird angeregt, statt „gemäß § 2 bis § 4“ besser „gemäß den §§ 2 bis 4“ zu schreiben; Entsprechendes gilt für Abs. 2 Z 3.

Abs. 2:

Z 1 wiederholt den Inhalt des Abs. 1; es könnte daher in Erwägung gezogen werden, entweder Abs. 2 Z 1 entfallen zu lassen oder aber die Abs. 1 und 2 zusammenzuziehen.

Es wird auf die Fehlschreibung „Wirtschaftsraumoder“ in Z 1 hingewiesen.

In der Z 3 sollte nach dem Wort „Berechtigung“ ein Komma gesetzt werden. Da eine Berechtigung zur unbefugten Ausübung einer Tätigkeit schwer vorstellbar ist, sollte das Wort „befugt“ entfallen.

Abs. 4:

Es wird angeregt, auch zu regeln, zu welchem Zeitpunkt der Dienstleistungsempfänger zu informieren ist.

Weiters wird vorgeschlagen, in der Z 2 klarzustellen, dass von der Aufsichtsbehörde des Niederlassungsstaates die Rede ist (vgl. Art. 9 lit. a der Richtlinie).

Es stellt sich die Frage, ob der Begriff „Berufsqualifikationsnachweis“ nicht durch den – der österreichischen Terminologie entsprechenden – Begriff „Befähigungsnachweis“ ersetzt werden könnte.

Zur korrekten Zitierung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften wird auf Rz 53 ff des EU-Addendums hingewiesen.

Zu Z 3 (§ 101 samt Überschrift):

Abs. 1:

Es wird auf die Fehlschreibung „eines Bilanzbuchhaltungsberufe“ hingewiesen.

Abs. 2:

Zum Verhältnis zwischen Abs. 2 Z 1 und Abs. 1 vgl. den Hinweis zur Novellierungsanordnung Z 2 (§ 100 samt Überschrift).

Zur Z 2 vgl. den Hinweis zur Novellierungsanordnung Z 2 (§ 100 samt Überschrift).

„[D]ie öffentliche Bestellung durch die Paritätische Kommission“ müsste als Z 5 angeordnet werden.

Abs. 3:

In Hinblick auf die Rechtsfolgen (Unterbleiben der öffentlichen Bestellung und daher Nichterfüllung der Voraussetzungen für die Niederlassung) sollte vor dem Hintergrund des Art. 18 B‑VG im Gesetz selbst näher umschrieben werden, was als „schwerwiegendes standeswidriges Verhalten“ zu qualifizieren wäre.

Abs. 4:

Im dritten Satz sollte es „und jede Gesamtheit von Berufsqualifikationsnachweisen“ heißen; an dieser Stelle ist neuerlich darauf hinzuweisen, dass die innerstaatliche Terminologie eher dem Begriff „Befähigungsnachweis“ den Vorzug gibt.

Abs. 6:

Die Wortfolge „als auch“ sollte durch ein „und“ ersetzt werden.

Es wird angeregt, nicht von „Defiziten“ zu sprechen; denkbar wäre eine Formulierung wie „[...] entsprechend den Erfordernissen im Einzelfall“.

Die Bedeutung des letzten Satzes ist unklar.

Abs. 7 bis 9:

Es wird angeregt, von der „schriftlichen Ausarbeitung“ und der „mündlichen Beantwortung“ zu sprechen.

Zu Z 4 (§ 102 samt Überschrift):

Da ein § 102 bisher noch nicht existiert, muss die Novellierungsanordnung lauten:

4. Folgender § 102 samt Überschrift wird angefügt:

III.  Zu Vorblatt, Erläuterungen und Textgegenüberstellung:

Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst weist auf seine Rundschreiben vom 13. November 1998, GZ 600.824/8-V/2/98 (betreffend Vorblatt und Erläuterungen zu Regierungsvorlagen; Aufnahme eines Hinweises auf Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens), und vom 19. Februar 1999, GZ 600.824/0-V/2/99 (betreffend Legistik und Begutachtungsverfahren; Auswirkungen von Rechtssetzungsvorhaben auf die Beschäftigungslage in Österreich und auf den Wirtschaftsstandort Österreich; Gestaltung von Vorblatt und Erläuterungen) hin, in denen insbesondere um die Aufnahme bestimmter zusätzlicher Hinweise in das Vorblatt und den Allgemeinen Teil der Erläuterungen ersucht wurde.

1.  Zum Vorblatt:

Bei der Erlassung des Bilanzbuchhaltungsgesetzes im Jahr 2006 wurde in Hinblick auf Art. 102 Abs. 4 B‑VG die Zustimmung der Länder eingeholt. Fraglich ist, ob die Zustimmung nur für die erstmalige Errichtung von Bundesbehörden (hier: einer Paritätischen Kommission) oder auch für jede Übertragung neuer Aufgaben (aus einem nicht in Art. 102 Abs. 2 B‑VG angeführten Bereich) auf diese Behörden erforderlich ist. Gegen die Notwendigkeit einer neuerlichen Zustimmung scheint der Wortlaut des Art. 102 Abs. 4 B‑VG zu sprechen, wo von der „Errichtung“ von Bundesbehörden für andere als die im Abs. 2 bezeichneten Angelegenheiten die Rede ist. In diese Richtung geht auch die Kommentierung von Kelsen/Fröhlich/Merkl (Die Bundesverfassung vom 1. Oktober 1920 [1922], 218), die in Art. 102 Abs. 4 B‑VG eine Ermächtigung zur „Änderung des in Abs. 2 enthaltenen Katalogs“ durch einfaches Bundesgesetz mit Zustimmung der Länder sehen; demnach könnten einer mit Zustimmung der Länder errichteten Bundesbehörde weitere Aufgaben aus dem Bereich der betreffenden Materie ohne neuerliche Zustimmung der Länder übertragen werden. Gegen diese Interpretation spricht allerdings, dass Behörden in der Regel nicht für die Vollziehung bestimmter Angelegenheiten im Sinne von Kompetenzbereichen, sondern für einzelne Aufgaben geschaffen werden und dass eine Zustimmung der Länder zur Übertragung dieser Aufgaben nicht ohne weiteres als Zustimmung zur Überführung des gesamten Kompetenzbereichs in die unmittelbare Bundesverwaltung gedeutet werden kann. Bußjäger (Art 102 B‑VG Rz 16, in: Rill/Schäffer [Hrsg], Bundesverfassungsrecht) hält eine Zustimmung zu jedem neuen Gesetz, das an die Stelle eines mit Zustimmung der Länder kundgemachten Gesetzes tritt (selbst dann, wenn es keine neuen Aufgaben vorsieht), aber auch zu jeder Änderung eines solchen Gesetzes, die Auswirkungen auf die übertragenen Aufgaben hat, für erforderlich; denn die Bundesverfassung stelle auf die Tatsache ab, dass ein Gesetz „kundgemacht“ werde und sich auch die Zustimmung jeweils nur auf ein konkret kundzumachendes Gesetz beziehe.

Für die Praxis ist jedenfalls zu empfehlen, im Zweifel die Zustimmung der Länder einzuholen; darauf wäre im Abschnitt Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens (vgl. das Rundschreiben des Bundeskanzleramtes-Verfassungs­dienst vom 13. November 1998, GZ 600.824/8-V/2/98) hinzuweisen.

2.  Zum Allgemeinen Teil der Erläuterungen:

Im Allgemeinen Teil der Erläuterungen ist anzugeben, worauf sich die Zuständigkeit des Bundes zur Erlassung der vorgeschlagenen Neuregelungen gründet. Dabei genügt es nicht, die jeweilige, mehrere Kompetenztatbestände umfassende Ziffer des Art. 10 Abs. 1 B‑VG anzuführen; vielmehr ist auch der Wortlaut des in Anspruch genommenen Kompetenztatbestandes zu nennen (Legistische Richtlinien 1979, Pkt. 94).

Diese Stellungnahme wird im Sinne der der Entschließung des Nationalrates vom 5. Juli 1961 u.e. auch dem Präsidium des Nationalrats zur Kenntnis gebracht.

18. Juli 2007

Für den Bundeskanzler:

i.V. Ingrid SIESS-SCHERZ

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