Österreichisches Patentamt

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Wien, den 3. August 2007

 

 

 

 

GZ 934–ÖPA/2007               („Patentrechts–Novelle 2007“)

Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Patentgesetz 1970,

das Gebrauchsmustergesetz, das Patentverträge–Einführungsgesetz,

das Schutzzertifikatsgesetz 1996, das Markenschutzgesetz 1970

und das Patentamtsgebührengesetz geändert werden

Begutachtung

 

 

 

Stellungnahme der Österreichischen Patentanwaltskammer

 

 

 

Die Österreichische Patentanwaltskammer bedankt sich für die Übermittlung des Entwurfs zur Änderung der verschiedenen Gesetze betreffend gewerbliche Schutzrechte per E–Mail–Aussendung vom 28. Juni 2007. – Sie beehrt sich, hiezu wie folgt Stellung zu nehmen :

 

Beschränkung und Widerruf

 

§ 46a PatG, § 12a GbmG und PatV–EG

 

Allgemeines :

 

            Beschränkung und Widerruf wirken im Gegensatz zum bisherigen Verzicht ex tunc. Überdies ist ein Verzicht nur im Rahmen der geltenden Ansprüche möglich, wogegen bei der jetzigen Beschränkung die Ansprüche (offenbar ohne Rücksicht auf das bisherig Beanspruchte und auch durch Schöpfung neuer (!) Elemente aus der Beschreibung) geändert werden können. Die nachträgliche Änderung der Beschreibung, wie im EPÜ 2000 vorgesehen, soll offenbar nach dem Entwurf in Österreich nicht möglich sein.


 

            Dies verbessert keinesfalls die Rechtssicherheit (siehe Vorblatt „Auswirkungen“), sondern verschlechtert sie drastisch. Dritte können sich nicht mehr auf den Schutzumfang der vom Patentamt einmal erteilten Ansprüche verlassen, sondern diese können einseitig nur aufgrund des späteren Willens des Schutzrechtsinhabers alleine in beliebige Richtungen verändert werden. Damit wird die bisherige Rechtssicherheit zerstört.

 

            Aus diesem Grunde ist die Österreichische Patentanwaltskammer gegen die Übernahme dieser Möglichkeiten in das österreichische nationale Patent– und Gebrauchsmusterrecht.

 

            Jedenfalls bedarf dieses neue europäische Beschränkungs– und Widerrufsverfahren auch für in Österreich gültige europäische Patente entsprechender begleitender Maßnahmen. Werden diese Verfahren wunschgemäß ins nationale Recht nicht übernommen, müssten diese in das PatV–EG eingeführt werden, um für europäische beschränkte bzw. widerrufene Patente jedenfalls zu gelten. Werden sie ins PatG eingeführt, genügt wohl im Hinblick auf § 24 PatV–EG ihre Aufnahme in das PatG.

 

            Wenn der Gesetzgeber der Ansicht sein sollte, dass nationale und europäische Patente gleich geschaltet sein sollen, so gilt dies jedenfalls nicht für Gebrauchsmuster. Gegen die Einführung dieser Verfahren in das GbmG spricht sich die Österreichische Patentanwaltskammer vehement aus (auch mit begleitenden Maßnahmen). Für eine solche der Rechtssicherheit völlig abträglichen Übernahme besteht nämlich im Besonderen bei Gebrauchsmustern nicht die geringste Veranlassung.

 

            Die Ansprüche eines Gebrauchsmusters werden einseitig vom Anmelder formuliert, sie werden vom Österreichischen Patentamt nicht auf ihre Gewährbarkeit hin überprüft und endformuliert. Der Anmelder kann nach § 18 Abs 5 GbmG sogar die Anmeldeunterlagen im Anmeldeverfahren in unzulässiger Weise ändern. Er hat jedenfalls die Möglichkeit, ein Mal seine Ansprüche gemäß § 19 Abs 4 GbmG zu ändern. Dies alles soll die Einfachheit des Gebrauchsmustersystems in Österreich stützen. Dritte können sich bisher auf die letztgültigen Ansprüche während der zehnjährigen Geltungsdauer verlassen. Warum dieses System jetzt dahingehend geändert werden soll, dass sich niemand mehr auf diese alleine vom Anmelder gewählten Ansprüche verlassen kann, weil sie der Anmelder unbeschränkt während der gesamten Geltungsdauer beliebig ändern kann, ist völlig unklar. Bei einem leicht zu erhaltenden und wegen der vom OGH festgeschriebenen niedrigen Erfindungsqualität (siehe Beetz in ÖBl 2007, Heft 4, Seite 148 ff) auch leicht zu verteidigenden billigen Schutzrecht jedoch mit gleichen umfangreichen Schutzwirkungen wie aus einem geprüften Patent kann doch wohl vom Anmelder verlangt werden, dass er vorher eine gründliche Recherche durchführt und vorliegende Recherchenergebnisse auch ernst nimmt. Man muss ihm nicht auch noch die Möglichkeit nachträglicher Korrektur einräumen.


 

            Die Erläuternden Bemerkungen verweisen auf § 46a PatG und damit auf die für Gebrauchsmuster nicht einschlägigen Art. 105a bis 105c EPÜ. Der Bewegungsgrund für diese Artikel des EPÜ ist die Schaffung einer zentralen Möglichkeit des Widerrufs bzw. der Beschränkung, welche die Notwendigkeit, in den einzelnen Ländern Einzelmaßnahmen setzen zu müssen, abschaffen soll. Eine solche Notwendigkeit ist aber national nicht gegeben, schon gar nicht bei kurzlebigen und einfach zu gestaltenden Gebrauchsmustern. Einen anderen Grund nennen die EB’s nicht. Das Gebrauchsmustersystem ist wegen seiner mangelnden Vorprüfung durch das Patentamt und wegen der trotzdem vorhandenen Vollausstattung mit allen Rechten eines Patents ohnehin volkswirtschaftlich ein zweischneidiges Schwert und wegen seiner niedrigen bis kaum vorhandenen Erfindungshöhe innovationshemmend (siehe Gutachten des Wissenschaftlichen Beirates beim deutschen Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie vom 27. März 2007, Link: www.gewrs.de/content/view/424/76/). Dieses jetzt noch für Dritte noch gänzlich unsicher zu machen, ist keinesfalls angezeigt.

 

Begleitmaßnahmen :

 

1.         Im EPÜ ist gesetzlich vorgesehen (Art. 123 Abs 2 und Abs 3), dass Änderungen des Patents und daher insbesondere der Patentansprüche nicht über den ursprünglichen Offenbarungsgehalt hinausgehen und insbesondere auch nicht zu einer Schutzerweiterung führen dürfen und dieses vom Amt überprüft wird.

 

            In den EB’s zu Art. I Z 5 (§ 46a PatG), 2. Absatz, wird dies auch für ein österreichisches Beschränkungsverfahren angenommen, ohne dass dies ausreichend gesetzlich gedeckt ist. Die Formulierung in § 22a Abs 2 PatG, 2. Satz, sagt nur, dass der Schutzbereich sich nach den Patentansprüchen bestimmt, „soweit dieser nicht erweitert wurde“. Dies enthält weder ein Verbot der Erweiterung noch eine Aussage zu einer Überschreitung des Offenbarungsgehaltes, noch dazu, dass derartige Erweiterungen und Überschreitungen geprüft und zu einer Abweisung des Beschränkungsantrages führen sollen.

 

            Es ist daher dringend erforderlich, diese Absicherung der Allgemeinheit auch gesetzlich zu verankern.

 

2.         Im europäischen Beschränkungsverfahren können nicht nur die Patentansprüche, sondern auch die anderen Teile des Patents, insbesondere die Beschreibung, geändert werden. Deshalb ist auch gemäß dem Änderungsvorschlag zu § 5 Abs 2 PatV–EG zu Recht die Übersetzung der gesamten Patentschrift nach einem Beschränkungsverfahren vorzulegen. aus der Formulierung „durch Änderung der Patentansprüche beschränkt werden“ in § 46a PatG (und § 12a GbmG) kann vage geschlossen werden, dass dies in Österreich nicht so sein soll. Dies ist aber keineswegs klar. Wer sich die Regelung im EPÜ zum Vorbild nimmt, wird irregeführt, weil ein eindeutiger Ausschluss einer Beschreibungsänderung nicht angeführt wird.


 

            Es wäre demnach dringend eine Ergänzung in diesem Sinne erforderlich – etwa mit :

 

                     „Eine Änderung der Beschreibung im Rahmen einer Beschränkung ist ausgeschlossen.“

 

            Sollte es anders sein, müsste § 46a PatG anders formuliert werden und eine neue Patentschrift wie nach dem EPÜ herausgegeben werden.

 

            In den EB’s zu § 46a Abs 2 wird angeführt, dass die Beschränkung in das Patentregister einzutragen wäre. Die entsprechende notwendige Ergänzung des § 80 PatG fehlt aber im Entwurf. Der Hinweis in den EB’s – wie beim Teilverzicht – indiziert jedenfalls, dass wie bei diesem nur die Patentansprüche geändert werden könne. Sollte es anders sein, müssten auch die EB’s diesbezüglich überarbeitet werden.

 

3.         Der Bestand nichtiger oder teilnichtiger Patente hat für seinen Inhaber in der Regel noch immer den Vorteil einer Abschreckwirkung. Daher schränkt niemand freiwillig sein Patent ein oder widerruft es. Solche Handlungen werden daher hauptsächlich bei laufenden Verletzungs– oder Nichtigkeitsverfahren gesetzt werden, um eine begründete Nichtigerklärung oder einen offiziellen Prozessverlust zu vermeiden. Dies betrifft in erster Linie die Regelungen des § 156 Abs 5 und Abs 6 PatG.

 

            Die Endentscheidung im Nichtigkeitsverfahren wird entweder ein Einstellungsbeschluss (zB bei Widerruf des gesamten Patents) oder die Abweisung des Nichtigkeitsantrags (zB bei Wegfall der angefochtenen Ansprüche) sein. Es können dann aber nicht mehr gemäß § 156 Abs 5 dem weiteren Verletzungsverfahren diese „Vorfrageentscheidung zugrunde zu legen“ sein, sondern die Neufassung der Patentansprüche (oder der Patentschrift, wenn auch diese geändert werden können sollte) nach der Beschränkung.

 

            Durch Widerruf ex tunc bzw. eine Beschränkung kann der Patentinhaber eine Sachentscheidung eines hängigen Nichtigkeitsverfahrens verhindern. Danach müsste der Patentinhaber aber kostenpflichtig sein. Jedoch ist § 117 PatG nur auf das Erlöschen des streitverfangenen Patents ex nunc (§ 46 PatG) abgestellt. Dieser bedarf daher der Ergänzung durch Einführung der Kostenpflicht bei Widerruf oder Beschränkung.

 

            Nach § 156 Abs 6 PatG kann bei (Teil)Nichtigerklärung durch die Patentbehörden eines Patents, das Gegenstand eines abgeschlossenen Verletzungsstreits war, eine Wiederaufnahmsklage nach § 530 Abs 1 ZPO eingereicht werden. Dasselbe muss jetzt aber auch bei einseitigem Widerruf oder Beschränkung dieses Patents gelten. Dies ist doch ein vollwertiger Ersatz einer diesbezüglichen Entscheidung. Dritte dürfen durch solche einseitigen Handlungen des Patentinhabers nicht schlechter gestellt werden, als wenn die entsprechenden Verfahren tatsächlich durchgeführt worden wären, insbesondere wenn diese Dritte wegen des damals noch aufrechten aber offenbar nichtigen Patents vom Gericht verurteilt worden sind.

 

4.         Der vorgeschlagene Text des § 46a PatG klärt nicht die Frage, in welcher Weise die Patentansprüche geändert werden können. Die Aufnahme offenbarungsfremder beschränkender Kennzeichen könnte wie nach der Regelung im EPÜ gemäß Hinweis im obigen Punkt 1 durch eine Gesetzesvorschrift ausgeschlossen werden. Das EPÜ 2000 gestattet aber die Beschränkung durch Aufnahme neuer Merkmale aus der Beschreibung im Rahmen der ursprünglichen Offenbarung (sogar, wenn dieses Merkmal nicht mehr in der veröffentlichten Patentschrift enthalten ist) in die Patentansprüche.

 

            Dritte können sich aber nur auf das letztgültige Schutzbegehren verlassen und unmöglich erraten, welche neuen Merkmale aus einer umfangreichen Beschreibung nun zum Gegenstand neuer oder ergänzter Patentansprüche gemacht werden, um einem noch unbekannten Stand der Technik auszuweichen. Durch die Aufnahme solcher neuen Merkmale, die bisher in den Patentansprüchen nicht vorhanden waren, kann die Produktion bisher nicht verletzender Gegenstände oder die Anwendung von Verfahren plötzlich doch patentverletzend werden, auch wenn der Schutzbereich an sich nicht erweitert wurde. Insbesondere kann dies zu einer neuen Interpretation allgemeiner Begriffe oder neuen Äquivalenzbetrachtungen führen.

 

            Sollte demnach in Österreich nicht die Aufnahme neuer Merkmale aus der Beschreibung ausdrücklich in § 46a PatG untersagt werden, müsste dringend zur Absicherung der Rechte Dritter ein Zwischenbenutzerrecht analog zu § 136 PatG und § 6 Abs 4 PatV–EG eingeführt werden. Vor allem sind auch die in diesen Paragraphen getroffenen Regelungen bezüglich Lizenznehmer ein wichtiger Punkt, da die Situation von deren Lizenz durch eine Beschränkung des lizenzierten Patents ganz wesentlich beeinträchtigt werden kann.

 

5.         Die Aberkennung eines Patents wird in § 49 PatG geregelt. Der Antragssteller behauptet, dass dem Patentinhaber das Patent nicht zustand, sondern ihm. Damit – im Falle die Übertragung des Patents auf den Antragssteller begehrt wird – der unrechtmäßige Patentinhaber nicht diesen Anspruch zunichte machen kann, indem er auf das Patent verzichtet (ex nunc), ist diese zumindest einseitig nach § 49 Abs 5, letzter Satz, ausgeschlossen, d.h. ein solcher Verzicht wird nicht als rechtsgültig angesehen und ist vom Patentamt abzuweisen. Im gleichen Sinne muss jetzt auch der einseitige Widerruf oder die gleichfalls einseitige Beschränkung behandelt werden, denn auch dadurch kann der unrechtmäßige Patentinhaber dem rechtmäßigen sein Recht auf das Patent entziehen.

 

            Es ist daher § 49 Abs 5 PatG entsprechend zu ergänzen.


 

Andere Bestimmungen im GbmG

 

Zu § 1 Abs 1

 

            Hier wird dringend gebeten, die in Anbetracht derselben Durchsetzungsrechte wie bei einem Patent die volkswirtschaftlich nicht gerechtfertigte und auch kaum judizierbare Unterscheidung in der Erfindungshöhe zwischen Patent und Gebrauchsmustern aufzugeben, zumal sie in Deutschland der BGH bereits als ungerechtfertigt aufgegeben hat (vgl. Beetz, ÖBl 2007, Heft 4, Seite 148 ff) und eine zu niedrige Erfindungshöhe sich innovationshemmend auswirkt (vgl. Gutachten des Wissenschaftlichen Beirates beim deutschen Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie vom 27. März 2007, Link: www.gewrs.de/content/view/424/76/).

 

            Dementsprechend sollte in § 1 Abs 1 GbmG exakt dieselbe Formulierung verwendet werden wie in § 1 Abs 1 PatG.

 

Zu § 3 Abs 4

 

            Es wäre nur konsistent, wenn die Neuheitsschonfrist auch gegenüber älteren Rechten gälte. Es ist auch nicht wirklich erklärbar, wieso sie dies nicht ist.

 

            Daher müsste am Beginn dieses Absatzes die Bezugnahme auf Abs 1 durch jene auf Abs 2 ergänzt werden.

 

            Außerdem wird der dringende Wunsch wiederholt, dass diese Neuheitsschonfrist wie in Deutschland vom Prioritätstag statt des Anmeldetags zurückgerechnet wird.

 

Bestimmungen des MSchG

 

Zu § 68a Abs 2

 

            In Anbetracht dessen, dass Widereinsetzungsbegehren oder Neueintragung von Anträgen bei gut begründeten Einsprüchen aus verfahrensökonomischen Gründen möglichst hintangehalten werden sollten, erscheint die Rücknahmefiktion hier nicht wirklich als bestes Mittel.

 

            An deren Stelle sollte eine möglichst rasche Entscheidung nach Aktenlage treten.

 


 

Mit der Bitte, diesen Änderungs– und Ergänzungsvorschlägen Rechnung zu tragen, und dem Wunsch, wegen der Bedeutung der Neueinführung des Widerrufs– und Beschränkungsverfahrens sowie der Vorschläge zu § 1 und § 3 GbmG und zu § 68a Abs 2 MSchG noch eine Besprechung dieser Punkte abzuführen, zeichnen wir,

 

 

                                                                  Österreichische Patentanwaltskammer

 

 

                                                                                        Dipl.–Ing. Peter Puchberger

                                                                                        Präsident

                                                                                        (elektronisch abgefertigt)

 

 

25 Ausfertigungen do. per Post an das Präsidium des Nationalrates