Generalprokuratur

beim Obersten Gerichtshof


Schmerlingplatz 10-11

A-1016 Wien

 

Briefanschrift

A-1016 Wien, Schmerlingplatz 10-11

 

Telefon 

01/52152-3679 

 

Telefax

01/52152-3313

 

E-Mail

generalprokuratur@justiz.gv.at

 

Sachbearbeiter GA Mag. Bauer

 

Klappe              (DW)

GZ:  Jv 468 -1/07

 

An das

Präsidium des Nationalrats

Parlament

Dr. Karl-Renner-Ring 3

1017 Wien

 

 

 

 

Die Generalprokuratur beehrt sich, ihre zum Entwurf des Bundesministeriums für Justiz zu einem Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975, das Strafgesetzbuch und das Jugendgerichtsgesetz 1988 geändert werden (Strafprozessreformbegleitgesetz I), im Begutachtungs-verfahren an das Bundesministerium für Justiz erstattete Stellungnahme in 25-facher Ausfertigung zu übersenden.

 

Wien, am 8. August 2007
Der Leiter der Generalprokuratur:

 

Dr. Werner Pürstl eh

 

 

 

Elektronisch gefertigt

 

 


 

Generalprokuratur

beim Obersten Gerichtshof


Schmerlingplatz 10-11

A-1016 Wien

 

Briefanschrift

A-1016 Wien, Schmerlingplatz 10-11

 

Telefon 

01/52152-3679 

 

Telefax

01/52152-3313

 

E-Mail

generalprokuratur@justiz.gv.at

 

Sachbearbeiter GA Mag. Bauer

 

Klappe              (DW)

GZ:  Jv 468 -1/07

 

An das

Bundesministerium für Justiz

in Wien

 

 

 

 

 

 

zur GZ BMJ-L590.004/0001-II 3/2007

 

 

Betrifft:     Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem die

                Strafprozessordnung 1975, das Strafgesetzbuch

                und das Jugendgerichtsgesetz 1988 geändert

                werden (Strafprozessreformbegleitgesetz I)

 

 

        Die Generalprokuratur beehrt sich, zum oben genannten Gesetzesentwurf folgende

 

S t e l l u n g n a h m e

 

zu erstatten, die in 25-facher Ausfertigung auch dem Präsidium des Nationalrates zugemittelt wird:

 

Einleitend muss vorausgeschickt werden, dass auf Grund der relativ kurzen Begutachtungsfrist während der Zeit von Urlaubsvertretungen keine umfassende, sämtliche Auswirkungen auf die Praxis berücksichtigende Stellungnahme ausgearbeitet werden konnte.

Der vorliegende Gesetzesentwurf, der (unter Beachtung aktueller Entwicklungen der Judikatur des Obersten Gerichtshofs) in erster Linie die Bestimmungen der Strafprozessordnung 1975 über das Haupt- und Rechtsmittelverfahren, das Strafgesetzbuch und das Jugendgerichtsgesetz 1988 mit dem durch das Strafprozessreformgesetz, BGBl I Nr. 19/2004, geschaffenen einheitlichen Ermittlungsverfahren harmonisieren soll, wird seitens der Generalprokuratur – soweit im Nachfolgenden keine besonderen Einwände erhoben werden – befürwortet.

 

Zu Artikel I (Änderungen der StPO):

 

Z 1: § 28 Abs 2 sieht vor, dass jedes gegen ein im selben OStA-Sprengel tätiges Justizorgan (Richter, Staatsanwalt oder Bezirksanwalt) anfallendes Strafverfahren obligatorisch an einen anderen OStA-Sprengel abzutreten ist. Damit werden – vielfach ohne erkennbare Notwendigkeit – auch Bagatellsachen und Anzeigen wegen nichtdienstlichem Verhalten erfasst, etwa wegen fahrlässiger Körperverletzung im Zuge eines Verkehrsunfalls. Weil das betreffende Hauptverfahren ex lege (§ 36 Abs 6 StPO idF des Entwurfs) auch in diesen Fällen in einem vom Tatort weit entfernten Gerichtssprengel durchzuführen ist, wären beispielsweise Mitbeschuldigte und Zeugen eines Verkehrsunfalls in Vorarlberg – mit entsprechenden Kostenfolgen – zur Hauptverhandlung nach Oberösterreich zu laden.

Um eine sachgerechte, keine übermäßigen zusätzlichen Kosten verursachende und dennoch jeglichen Anschein der Befangenheit ausschließende Lösung zu ermöglichen, wird vorgeschlagen, den Leitern der Oberstaatsanwaltschaften eine Ermessensentscheidung darüber einzuräumen, ob nach Lage des Falles eine Abtretung erforderlich ist oder – sollte dies zu verneinen sein – welche der ihr nachgeordneten Staatsanwaltschaften die Strafsache weiter zu bearbeiten hätte. Betrifft die Anzeige ein Mitglied der Oberstaatsanwaltschaft oder einen Richter des Oberlandesgerichtes, könnte diese Entscheidung der Generalprokuratur beim Obersten Gerichtshof zukommen.

Für diese sowie für die übrigen in § 28 Abs 1 StPO idF des Entwurfs vorgesehenen Fälle einer Befassung der Generalprokuratur sollte gesetzlich klargestellt werden, dass die bezughabenden Akten stets im Wege der Oberstaatsanwaltschaft (im Dienstweg) vorzulegen sind.

Aufgrund dieser sich bereits aus § 28 Abs 1 StPRG ergebenden neuen Zuständigkeit wäre bei der Generalprokuratur ein neues Register einzurichten, das etwa mit der Gattungsbezeichnung „Gz“ (Zuständigkeit), „Gbz“ (Bestimmung der Zuständigkeit), „Gk“ (Kompetenz) oder „Gst“ (Generalprokuratur als staatsanwaltschaftliche Instanz) versehen werden könnte.

 

Z 4: In § 32 wäre in Abs 4 die Zahl „XIX“ durch die Zahl „19“ zu ersetzen.

 

Z 22: Die durch die neue Verfahrensstruktur erforderliche Aufhebung der Bestimmungen über die Vervollständigung der Voruntersuchung (§ 224 StPO) führt im Entwurf nunmehr dazu, auch die Vorschriften über den Austausch der Anklage vor Beginn der Hauptverhandlung (§ 227 Abs 2 StPO) ersatzlos entfallen zu lassen. Ein solcher Austausch der Anklage kann sich aber auch künftig als erforderlich erweisen, insbesondere wenn auf Grund neuer – eine andere rechtliche Subsumtion begründender – Verfahrensergebnisse ein bereits eingebrachter Strafantrag gegen eine Anklageschrift auszutauschen wäre, um ein zeitaufwendiges Unzuständigkeitsurteil zu vermeiden.

Die Möglichkeit, eine bereits eingebrachte Anklage austauschen zu können, sollte daher – auch im Interesse des Beschleunigungsgebotes (Art 6 Abs 1 EMRK; § 9 StPRG) – beibehalten werden.

 

Z 32: Nicht einsichtig ist, warum gemäß § 238 Abs 1 Beweisanträge, deren Entscheidung der Hauptverhandlung vorbehalten wurden (§ 55 Abs 3), in dieser nicht nochmals gestellt werden müssen, um wirksam zu sein. Mit der vorgeschlagenen Bezugnahme auf § 55 Abs 3 StPRG stehen alle im Zuge des Ermittlungsverfahrens vorgebrachten Beweisanträge – mögen sie auch noch so schlecht dokumentiert sein (etwa durch die Kriminalpolizei in Form eines nicht eindeutig formulierten Aktenvermerks) – unter der Nichtigkeitssanktion des § 281 Abs 1 Z 4 StPO, womit aber kein zusätzlicher Rechtsschutz, sondern – insbesondere bei schwer überschaubaren Großverfahren – bloß eine weitere potentielle Fehlerquelle eröffnet wird.

Weil die Relevanz eines Beweisantrages in aller Regel erst nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens abgeschätzt und von einem anwaltlich vertretenen Beschuldigten oder sonstigen Beteiligten eine Wiederholung seines Antrags auf eine bestimmte (aus seiner Sicht weiterhin erhebliche) Beweisaufnahme verlangt werden kann, wird zur Vermeidung zusätzlicher „Fallstricke“ für den Vorsitzenden und daraus resultierender Formalfehler (mit der Konsequenz eines weiteren Rechtsganges und damit auch im Lichte hintanzuhaltender Verfahrensverzögerungen) vorgeschlagen, § 238 Abs 1 so zu formulieren, dass in der Hauptverhandlung nur über die entweder in einer schriftlichen Gegenäußerung zur Anklageschrift (§ 222 Abs 2) oder in der Verhandlung selbst gestellten Beweisanträge (§ 55 Abs 1 und 2) zu entscheiden ist.

 

Z 68 lit b): Die dem Privatbeteiligten in § 282 Abs 2 eingeräumte Rechtsmittellegitimation steht nicht nur im Spannungsverhältnis zum (verfassungsrechtlich garantierten) Anklagegrundsatz (Artikel 90 Abs 2 B-VG, § 4 StPRG), sondern würde – schon auf Grund des nunmehr signifikant erweiterten Opferbegriffs (§ 65 Z 1 StPRG) – zu einer erheblichen Zunahme der erhobenen Rechtsmittel und damit zu einer zusätzlichen Belastung einerseits der Rechtsmittelgerichte sowie der ihnen zugeordneten staatsanwaltschaftlichen Behörden und andererseits – bei nicht zu vermeidenden Rechtsmittelerfolgen und dem daraus resultierenden Erfordernis weiterer Rechtsgänge – auch der erstinstanzlichen Justizbehörden und damit insgesamt zu einer deutlichen Verlängerung der Strafverfahren führen.

Die den Erläuterungen zufolge (siehe Vorblatt) angestrebte Kostenneutralität wird damit nicht zu erreichen sein, weil in den ab 1. Jänner 2008 geltenden Stellenplänen nur der durch die Strukturänderungen des Strafprozessreformgesetzes 2004 bewirkte personelle Mehraufwand berücksichtigt wurde. Zufolge der nunmehr vorgeschlagenen deutlichen Erweiterung des zur Erhebung einer Nichtigkeitsbeschwerde legitimierten Personenkreises ergibt sich aber jedenfalls ein zusätzlicher personeller Mehrbedarf im Bereich der Rechtsmittelinstanzen und der dortigen staatsanwaltschaftlichen Behörden.

 

Z 79 lit c): Die begrifflichen Anpassungen beziehen sich offensichtlich auf § 288 Abs 2 Z 2a.

 

Z 86 und 87: Während nach bestehender Rechtslage bis zu vier Ersatzgeschworene beigezogen werden können (§ 300 Abs 3 StPO), sollen gemäß § 301 Abs 3 – durch sinngemäße Anwendung des § 221 Abs 4 – künftig nur mehr „bis zu zwei“ Ersatzgeschworene möglich sein. Bei besonders umfangreichen und länger dauernden Verfahren könnte mit bloß zwei Ersatzgeschworenen unter Umständen nicht mehr das Auslangen gefunden werden, weshalb vorgeschlagen wird, die Anzahl der beizuziehenden Ersatzgeschworenen (aber auch jene der Ersatzschöffen) künftig nicht bereits im Voraus gesetzlich zu beschränken, sondern deren Bestimmung dem Vorsitzenden im jeweiligen Einzelfall zu überlassen.

 

Z 95 lit c): In § 345 Abs 1 Z 4 wären (wie bisher) auch die §§ 305, 310, 329 und 340 (StPO) anzuführen, zumal eine Verletzung dieser Bestimmungen nach wie vor mit Nichtigkeit bedroht ist.

 

Z 105: Der vorgeschlagene Text des § 358 Abs 3 räumt dem Beschuldigten das Recht ein, im Falle eines wiederaufgenommenen und ohne Durchführung oder außerhalb einer Hauptverhandlung eingestellten Ermittlungsverfahrens eine Mitteilung über den Ausgang des Strafverfahrens „gemäß § 10 MedienG“ zu verlangen. Damit werden periodische Medien verpflichtet, Mitteilungen im Sinne dieser Bestimmung unentgeltlich zu veröffentlichen.

Eine derartige Kostenüberwälzung auf den Medieninhaber erscheint nur in den Fällen des § 10 Abs 1 MedienG, nicht aber in jenen des § 358 Abs 3 StPO idF des Entwurfs sachlich gerechtfertigt, weil damit ein Anspruch auch ohne vorangegangene Veröffentlichung im betreffenden Medium gewährt wird.

 

Z 112: Die neu formulierte Überschrift bezieht sich auf das (richtig) XXI. Hauptstück.

 

Z 115: § 367 Abs 2 steht dort, wo er ausdrücklich auch auf das Ermittlungsverfahren abstellt, im Spannungsverhältnis zu den §§ 113 Abs 3 iVm 114 Abs 2 und 115 Abs 6 StPRG, wonach die Aufhebung einer Sicherstellung (samt allfälliger Ausfolgung des sichergestellten Gegenstandes an den Berechtigten) und die Aufhebung einer Beschlagnahme bis zum Einbringen der Anklage stets durch die Staatsanwaltschaft anzuordnen ist.

 

Z 148 lit a): Das Klammerzitat in § 429 Abs 1 zweiter Satz (und jenes im § 431 Abs 2 [= Z 150]) hätte richtig zu lauten „§§ 210 bis 215“.

 

Z 148 lit d): Die zwingende Beiziehung eines oder zweier Sachverständiger zu jeder Vernehmung des Betroffenen (§ 429 Abs 1 Z 3) erscheint überzogen und kann das Gericht in Einzelfällen (etwa bei einer gebotenen Vernehmung eines Betroffenen vor Entscheidung über die vorläufige Anhaltung an einem Wochenende, ohne dass ein Sachverständiger erreichbar wäre) vor unlösbare Probleme stellen. Es empfiehlt sich daher, die Beiziehung eines (oder eines zweiten) Sachverständigen bloß „nach Möglichkeit“ vorzusehen.

 

Z 153: In § 436 hätte es richtig zu lauten: „... die im § 429 Abs 2 Z 1 bis 3 geregelten Besonderheiten.“

 

Z 179 lit c): Während der in § 468 Abs 1 Z 2a neu formulierte Nichtigkeitsgrund einen Widerspruch des Beschwerdeführers voraussetzt, soll den Erläuterungen zufolge (S 17 zweiter Absatz aE) auf eine Rügepflicht verzichtet werden.

 

Z 203: Die in § 496 nunmehr vorgesehene sinngemäße Anwendung der Bestimmungen des 9. Hauptstückes auf eine Festnahme bei in Aussicht genommenem Widerruf bedingter Strafnachsicht ist ausdrücklich zu begrüßen, doch lässt der letzte Halbsatz nicht erkennen, ob sich die Monatsfrist auf die (erstinstanzliche) Entscheidung des dazu berufenen Gerichts oder auf eine rechtskräftige Entscheidung bezieht (in welchem Fall die Frist eines Monats vielfach nicht ausreichen wird).

 

Ergänzend ist anzumerken, dass die beabsichtigten terminologischen Anpassungen in der StPO nicht lückenlos umgesetzt wurden, etwa hinsichtlich der Begriffe „Landesgerichte“ anstatt „Gerichtshöfe erster (bzw zweiter) Instanz“ (§§ 280, 281 Abs 1 Z 1, 365), „Opfer“ anstatt „Geschädigter“ (§§ 368, 369), „Unzuständigkeit“ statt „Nichtzuständigkeit“ (§§ 281 Abs 1 Z 6, 288 Abs 2 Z 2), „Bekanntmachung“ anstatt „Eröffnung“ (§ 285 b Abs 2) oder (bloß) „Tatausgleich“ anstatt „außergerichtlicher Tatausgleich“ (§ 388 Abs 2).

 

 

Zu Artikel II (Änderungen des StGB)

 

Z 1: Durch den ersatzlosen Entfall des § 42 StGB, der mit der Einführung des § 191 StPRG (Einstellung wegen Geringfügigkeit) begründet wird, stellt sich die Frage, ob die letztgenannte Bestimmung auch im Fall einer Anklageerhebung vom Gericht angewendet werden kann, zumal eine Verweisungsbestimmung ähnlich jener des § 199 StPRG (wonach das Gericht nach Einbringung der Anklage die für die Staatsanwaltschaft geltenden Bestimmungen des 11. Hauptstückes über die Diversion sinngemäß anzuwenden hat) fehlt.

Nach den Gesetzesmaterialien zum Strafprozessreformgesetz soll mit der Bestimmung des § 191 StPRG – bei der es sich um eine ausschließlich der Staatsanwaltschaft zustehende prozessuale Entscheidung über das Anklagerecht handelt (Pilnacek/Pleischl, Das neue Vorverfahren Rz 763) – der dem § 42 StGB innewohnende Gedanke der Entkriminalisierung nicht übernommen werden. Die Verfolgung unterbleibt nicht mangels Strafbarkeit der Tat, sondern (nach dem Prinzip „minima non curat praetor“) wegen deren Geringfügigkeit (RV 25 BlgNR XXII GP 161). § 191 StPRG ist aber – im Gegensatz zu § 192 StPRG (arg „... kann ...“) – dem eindeutigen Gesetzeswortlaut zufolge („... hat ...“) nicht als Ausfluss eines der Staatsanwaltschaft eingeräumten Opportunitätsprinzips aufzufassen, weshalb das Verfahren bei Vorliegen der gesetzlich determinierten Voraussetzungen jedenfalls einzustellen ist.

Bereits im Strafprozessreformgesetz wird klargestellt, dass eine Einstellung nach § 191 StPRG bzw deren Unterlassung mit einem Antrag auf Fortführung (§ 195 StPRG) bzw auf Einstellung (§ 108 StPRG) gerichtlich überprüft werden kann (siehe auch Pilnacek/Pleischl aaO Rz 763). Gründe dafür, dass diese dem Gericht im Ermittlungsverfahren eingeräumte Prüfungskompetenz mit Beginn des Hauptverfahrens eingeschränkt werden sollte, sind nicht ersichtlich, weshalb der Inhalt des § 191 StPRG künftig auch vom Gericht als prozessuales Verfolgungshindernis (nach § 212 Z 1 StPRG, §§ 259 Z 3 oder 451 Abs 2 StPO idgF oder gemäß § 485 Abs 1 Z 3 StPO idF des Entwurfs) anzuwenden sein wird.

 

Z 2: Die neu formulierte Verjährungshemmung des § 58 Abs 3 Z 2 StGB stellt darauf ab, ob der Beschuldigte wegen der Tat bereits vernommen (§§ 164, 165 StPRG) oder Zwang gegen ihn angedroht oder ausgeübt wurde (vgl die ähnliche Formulierung in § 193 Abs 2 Z 1 StPRG).

Der Begriff „Zwang“ umfasst jedenfalls die der Kriminalpolizei in § 93 Abs 1 StPRG eingeräumte Ermächtigung, zur Durchsetzung ihrer gesetzlichen Befugnisse verhältnismäßigen und angemessenen Zwang anzuwenden. „Zwangsmitteln“ iS der Strafprozessordnung sind aber auch jene Ermittlungsmaßnahmen des 8. und 9. Hauptstücks, die einer gerichtlichen Bewilligung bedürfen (siehe § 105 Abs 1 StPRG).

Damit ist zunächst klargestellt, dass bereits die Zustellung der Ladung zur Vernehmung als Beschuldigter die Verjährung hemmt, wenn in der Ladung für den Fall des ungerechtfertigten Ausbleibens eine Vorführung ausdrücklich angedroht wurde (§ 153 Abs 2 StPRG). Sollte aber eine solche Zustellung (wegen Abwesenheit oder nicht bekannter Abgabestelle) nicht rechtswirksam erfolgen können, kommt in vielen Fällen – als einzige verhältnismäßige (§§ 5 Abs 1, 170 Abs 3 StPRG) Fahndungsmaßnahme – nur eine von der Staatsanwaltschaft anzuordnende Personenfahndung zur Aufenthaltsermittlung gemäß § 168 Abs 1 StPRG in Betracht. Dieser weder mit einer Androhung noch mit der Anwendung von Zwang einhergehenden Maßnahme kommt aber – bei konsequenter Auslegung des Begriffs „Zwang“ – in Hinkunft keine die Verfolgungsverjährung hemmende Wirkung zu (gegenteilig Fuchs in WK2 § 58 [2007] Rz 28), sodass in vielen Fällen, nämlich dann, wenn der Beschuldigte flüchtig oder unbekannten Aufenthalts ist, eine Festnahmeanordnung (samt Ausschreibung) unverhältnismäßig wäre und sonstige gerichtlich zu bewilligende Ermittlungsmaßnahmen nicht erforderlich sind (§ 5 Abs 1 StPRG), die Verjährung der Tat nicht mehr unterbunden werden könnte.

Zur Vermeidung von Rechtslücken und künftigen Auslegungsschwierigkeiten wird daher folgende Formulierung des § 58 Abs 3 Z 2 StGB vorgeschlagen:

„2. die Zeit zwischen der erstmaligen Vernehmung als Beschuldigter (§§ 164, 165 StPO), der Ergreifung von Fahndungsmaßnahmen durch die Staatsanwaltschaft (§ 168 Abs 1 StPO) oder der erstmaligen Androhung oder Ausübung von Zwang gegen den Täter (§§ 93 Abs 1, 105 Abs 1 StPO) wegen der Tat und der rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens;“.

 

Zu Artikel III (Änderungen des JGG)

 

zu Z 2 lit c): Siehe die Ausführungen zu Artikel II Z 1.

 

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die in Aussicht genommenen Änderungen in den §§ 352 Abs 1 Z 2 und 381 Abs 7 StPO sowie in § 38 Abs 5 Z 2 und Abs 6 JGG sprachlich richtigzustellen wären.

 

 

Wien, am 8. August 2007
Der Leiter der Generalprokuratur:

Dr. Werner Pürstl eh

 

 

 

Elektronisch gefertigt