REPUBLIK ÖSTERREICH

Oberstaatsanwaltschaft Linz

 

 

 

Linz, am 16.8.2007

Gruberstraße 20

A 4020 Linz

Briefanschrift:

A-4010 Linz, Postfach274

Sachbearbeiter:

OStA Dr. Granzer

Telefon: 05/7601 21

Klappe  (DW) 11602

Telefax: 05/7601 21-11608

 

Jv 2185 - 2/07

 

 

An das

Bundesministerium für Justiz

 

W I E N

 

 

Betrifft:         Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem die

                     Strafprozessordnung 1975, das Strafgesetzbuch

                     und das Jugendgerichtsgesetz 1988 geändert

                     werden (Strafprozessreformbegleitgesetz I);

                     Versendung zur Begutachtung

 

Zu BMJ-L590.004/0001-II 3/2007

 

                     In der Anlage werden die Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft Wels vom 27.7.2007, Jv 518-2/07, und der Staatsanwaltschaft Linz vom 10.8.2007,

Jv 600-2/07, vorgelegt.

                     Die Oberstaatsanwaltschaft Linz tritt diesen Stellungnahmen bei.

                     Insbesondere im Hinblick auf die umfassenden Ausführungen der Staatsanwaltschaft Wels wird von einer darüber hinaus gehenden Stellungnahme durch die Oberstaatsanwaltschaft Linz abgesehen.

                     Je 25 Ausfertigungen dieser Stellungnahmen und des nunmehrigen Berichtes wurden dem Präsidium des Nationalrats übersendet; ebenso erfolgte eine elektronische Übermittlung an das Parlament an die Adresse „begutachtungsverfahren@parlament.gv.at“.

                     Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Fachärztin für gerichtliche Medizin Ao. Univ. Prof. Dr. Daniele U. Risser der Oberstaatsanwaltschaft Linz eine Stellungnahme des Department für Gerichtliche Medizin - Medizinischen Universität Wien übermittelt hat;

dieser ist zu entnehmen, dass diese bereits elektronisch dem Bundesministerium für Justiz und dem Parlament übersendet wurde, weshalb von einer neuerlichen Vorlage dieser Stellungnahme bzw. deren Übermittlung an das Parlament abgesehen wird.

 

 

                                       Die Leiterin der Oberstaatsanwaltschaft:

                                                       Dr. Ulrike Althuber eh.

2 Beilagen


 

Wels, am 27.7.2007

Maria-Theresia-Str. 12

A-4600 Wels

 

Telefon 05 7601 24 41202

Telefax  05 7601 24 41288

e-Mail: babek.oshidari@justiz.gv.at

 

Sachbearbeiter:    StA Mag. Manfred Holzinger

                               StA Dr. Babek Oshidari

                               StA Dr. Christian Hubmer

Babek Peter Oshidari

                               StA Dr.

 
                                 

 

REPUBLIK ÖSTERREICH

 Staatsanwaltschaft Wels

 

Jv 518-2/07

An die

Oberstaatsanwaltschaft

LINZ

 

Betrifft:                  Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem die Strafprozessordnung 1975, das Strafgesetzbuch und das Jugendgerichtsgesetz 1988 geändert werden (Strafprozessreformbegleitgesetz I)

 

Bezug:                   Erlass des BMJ vom 16.7.2007, BMJ-L590.004/0001-II 3/2007

 

                               Zum erwähnten Gesetzesvorhaben wird folgende

 

S t e l l u n g n a h m e

 

abgegeben, die in Abstimmung mit allen Staatsanwältinnen und Staatsanwälten der Staatsanwaltschaft Wels, vornehmlich StA Mag. Holzinger (JGG), StA Dr. Oshidari (StPO und StGB) und StA Dr. Hubmer (StPO) zustande kam.

 

Zu Artikel I (Änderungen der StPO 1975)

 

Zu Z 1, 5 und 6 (§§ 28, 36 und 39 Abs 1)

Zunächst wird auf den redaktionellen Fehler in der Textgegenüberstellung (zweimaliger Abdruck des § 28 Abs 1 StPRG anstelle des intendierten § 28 Abs 2 ME bei der vorgeschlagenen Fassung) hingewiesen.

In der Sache begegnet die Neufassung des § 28 keinen grundsätzlichen Bedenken. Im Hinblick auf die geplante Schaffung einer StAK durch das StRÄG 2008 könnte die Bestimmung alsbald wieder (größtenteils) obsolet werden, weil Anzeigen gegen Richter und Staatsanwälte überwiegend in deren Zuständigkeitsbereich fallen könnten (siehe Art II § 3 Abs 1 Z 1 StRÄG 2008).

Ferner wird darauf hingewiesen, dass Privatanklageverfahren gegen Richter und Staatsanwälte weiterhin vor dem örtlich zuständigen Gericht abzuführen sein werden, obwohl der in den Materialien hervor gekehrte Eindruck der strukturellen Befangenheit der lokalen Justizbehörden entsprechend Geltung besitzt.

 

Zu Z 11a (§ 128 Abs 2)

Bemerkt wird, dass § 128 Abs 2 ME in der Textgegenüberstellung fehlt. Die Erweiterung der Auswahlmöglichkeiten bei der Beauftragung der Obduzenten wird begrüßt.

 

Zu Z 12a und Z 12 b (§§ 135 Abs 3 Z 3, 142 Abs 4)

Gegen die vorgeschlagenen Änderungen besteht grundsätzlich kein Einwand. Es ist allerdings zu bedenken, dass in § 135 Abs 3 Z 4 ME der derzeit in § 414a StPO geregelte Fall der Überwachung von Nachrichten aufgenommen wurde, soweit dies erforderlich ist, um den Aufenthaltsort eines flüchtigen oder abwesenden Beschuldigten zu ermitteln. Inhaltlich hat diese Eingliederung eine Einschränkung der bisherigen Rechtslage zur Folge, ist es doch nunmehr entgegen der bisherigen Regelung nicht mehr möglich, eine Standortbestimmung oder Überwachung der Telekommunikation durch Erheben der Verkehrsdaten vorzunehmen, um den Aufenthaltsort eines flüchtigen oder abwesenden Beschuldigten zu ermitteln.

 

Zu Z 18 - § 221:

§ 221 Abs 1 1. S StPO (ME) entspricht der bisherigen gesetzlichen Regelung in § 220 StPO; eine Überstellung des Gefangenen binnen 3 Tagen ab Rechtskraft der Anklage erscheint zweckmäßig, aber nicht zwingend erforderlich. Satz 2 der vorgeschlagenen Fassung ist in Zusammenschau mit S 1 insofern missverständlich („Erforderlichenfalls ist ... zu bestellen“), als für den in U-Haft befindlichen Angeklagten ohnedies ein Verteidiger bestellt sein muss (§ 61 Abs 1 Z 1; notwendige Verteidigung); § 221 Abs 1 kann daher nur für jene Fälle Anwendung finden, in denen sich der Angeklagte nicht in U-Haft befindet. In § 220 aF StPO findet sich die entsprechende Norm in Abs 3, der dortige Abs 2 aF beinhaltet jedoch Regelungen zum nicht verhafteten Angeklagten, weshalb diese Missverständlichkeit in der aktuellen Fassung des § 220 StPO nicht auftritt.

 

§ 221 Abs 2 StPO (ME) sollte der Vollständigkeit halber auch im Einleitungssatz das Erfordernis der Ladung von Zeugen, SV und Dolmetscher zur HV enthalten; in der vorgeschlagenen Fassung kann dies nur aus dem letzten Satz leg cit geschlossen werden.

Die nunmehr vorgesehen Vorbereitungsfrist von 14 Tagen für den Angeklagten und Verteidiger stellt eine massive Ausdehnung gegenüber der aktuellen Rechtslage (3 bzw 8 Tage - § 221/1 StPO aF) dar; diese Regelung ist dem sonst propagierten Gebot der Verfahrensbeschleunigung nicht dienlich, sondern vielmehr kontraproduktiv.

Problematisch erscheint diese Regelung auch vor dem Hintergrund des hervor gestrichenen Prinzips der Waffengleichheit, da der Staatsanwaltschaft gemäß § 222 Abs 2 der vorgeschlagenen Fassung längstens 3 Tage verbleiben, um sich auf Beweisanträge vorzubereiten; der Wahrheitsfindung dienliche Erhebungen - zB zur Glaubwürdigkeit von Zeugen - sind in dieser Frist nicht mehr möglich.

Die Ladung von Zeugen, Sachverständigen und Dolmetschern so zeitgerecht, dass zwischen Zustellung und erforderlicher Anwesenheit in der Hauptverhandlung zumindest 3 Tage liegen, ist im Hinblick auf aktenkundige Personen praktisch nicht relevant, da die Ladung üblicherweise mit gleicher Verfügung wie jene des Angeklagten und des Verteidigers erfolgt;

In Zusammenschau mit der vorgeschlagenen Regelung des § 222 Abs 1 StPO wäre im Hinblick auf sonstige Zeugen, Sachverständige und Dolmetscher an dortiger Stelle (dazu sogleich) eine ziffernmäßige Fixierung zur Terminisierung der „Rechtzeitigkeit“ des Antrages dienlich.

Abs 3:

Diese Regelung stellt offenkundig auf den Lokalaugenschein ab; vor dem Hintergrund des Unmittelbarkeitsgrundsatzes sowie dem der materiellen Wahrheitsfindung erscheint die Möglichkeit der Verlegung der Hauptverhandlung ausschließlich an Orte im Sprengel (und nicht auch außerhalb) nicht unbedenklich.

 

Zu Z 19 - § 222:

Abs 1: Wie bereits dargestellt, wäre insbesondere in Zusammenschau mit § 221 Abs 2 letzter Satz StPO (ME) eine Quantifizierung der Rechtzeitigkeit des Beweisantrages sinnvoll. Weiters stellt sich die Frage nach den Konsequenzen eines Verstoßes gegen diese Regelung – solche sind weder aus dem vorgeschlagenen Gesetzestext, noch in den Erläuterungen ersichtlich, erscheinen aber, um diese Regelung nicht leer laufen zu lassen und dem Beschleunigungsgebot zum Durchbruch zu verhelfen, wünschenswert. Eine Präklusion ist nach den Materialien explizit ausgeschlossen; denkbar wäre allenfalls im Einklang mit § 242 Abs 2 StPO Kostenseperation zu dessen Lasten, der die Beweise nicht rechtzeitig beantragt.

Abs 2: 

Wie bereits dargestellt, entspricht die vorgeschlagene Drei-Tagesfrist aus Sicht des Anklägers nicht der Waffengleichheit.

Abs 3:

Der letzte Satz dieser Bestimmung enthält den Begriff des „Gegners“, ohne diesen weiter zu konkretisieren; insbesondere vor dem Hintergrund des Umfanges der Beteiligten (§ 220 StPO [ME]) und dem in § 222 Abs 3 StPO (ME) verwendeten Singular (dem Gegner), erscheint es erforderlich, die diesbezügliche Reichweite klar abzustecken (zB auch an den Privatbeteiligten?).

Weiters ist in der vorgeschlagenen Fassung die – in den Erläuterungen ausgewiesene – Drei-Tagesfrist für Zustellung an den Staatsanwalt nicht enthalten. Der Verweis auf Abs 1 reicht nicht, da von der Regelung des Abs 2 nur Beweisanträge, nicht aber sonstige Gegenäußerungen erfasst sind.

 

Zu Z 21 - § 226:

Auch wenn aus rechtspolitischen Gesichtspunkten ein Antragsrecht aller Beteiligten, gerichtet auf Vertagung der HV, berechtigt erscheint, so ist insbesondere bei Großverfahren zu befürchten, dass durch diese Regelung der Prozessverzögerung Tür und Tor geöffnet wird. Zwar wird durch die tatbestandliche Voraussetzung des „nicht mehr wieder gut zu machenden Schadens“ für alle Beteiligten außer dem Angeklagten offenkundig versucht, dem entgegen zu wirken; es stellt sich aber doch die Frage, welche Fälle davon erfasst sein sollen.

Im Regelfall – der Betrauung eines rechtskundigen Vertreters – erscheint der Eintritt eines derartigen Schaden für den Beteiligten geradezu ausgeschlossen. Der ME hatte demnach offenkundig einen weiteren Anwendungsbereich vor Augen. Welche Sachverhaltskonstellationen aber dann erfasst sein sollen, kann auch den Materialien nicht entnommen werden. Insbesondere ist auch die Frage offen, ob „bloß“ materielle Schäden, oder auch immaterielle Schäden wie zB der Verlust des Verfolgungsrechtes des Privatanklägers erfasst sein sollen.

Zu begrüßen ist die Beibehaltung der Regelung, dass eine Verhinderung des Verteidigers als Vertagungsgrund grundsätzlich ausscheidet.

 

Zu Z 35 - § 243:

Zur diesbezüglich vorgeschlagenen Regelung ist die Frage aufzuwerfen, inwieweit die Anwendung des Rechtsinstitutes der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand tatsächlich erforderlich ist. Problematisch erscheint die vorgeschlagene Regelung insbesondere bei zwischenzeitig – ohne dem ausgebliebenen Zeugen oder Sachverständigen – weitergeführtem Verfahren und dabei erlangten Verfahrensergebnissen; würde das Verfahren durch die vorgeschlagene Wiedereinsetzung in das Stadium vor Ausbleiben des Zeugen oder Sachverständigen zurück versetzt werden, so könnten diese allenfalls nicht verwertet werden und wäre eine entsprechende Neudurchführung der Hauptverhandlung erforderlich. Weiters stellt sich die Frage, wie die vorgeschlagene Wiedereinsetzung unter prozessualen Gesichtspunkten zu lösen ist (Zwischenverfahren?).

Eine alternative Lösungsvariante wäre, an dieser Stelle Tatbestände zu normieren, die dem Schöffengericht als Rechtsfolge die Möglichkeit einzuräumen, den Beschluss, mit dem die Ordnungsstrafe verhängt wurde, wieder aufzuheben.

 

Zu Z 37 - § 245 Abs 3:

Offen bleibt, wie ein Besprechen mit dem Verteidiger zu einzelnen Fragen unterbunden werden kann bzw ob § 234 StPO eingreift (ungeziemes Benehmen) – bislang ist dieses zu erwartende Problem durch die räumliche Distanz zum Verteidiger kaum aufgetreten.

Weiters wird im Hinblick auf die oft fehlenden räumlichen Ressourcen vorgeschlagen, die verwendete Diktion „grundsätzlich“ durch „nach Möglichkeit“ zu ersetzen.

 

Zu Z 40 - § 249 Abs 3:

Wie bereits dargestellt, wird die vorgeschlagene Sitznahme des Privatsachverständigen neben Verteidiger und Angeklagtem häufig an den räumlichen Gegebenheiten scheitern.

 

Zu Z 42 - § 251:

Der Gesetzeswortlaut lässt hier offen, ob die gesonderte Einvernahme alleine auf Verlangen der Beteiligten oder erst nach deren Antrag aufgrund gerichtlicher Anordnung durchzuführen ist. Eine derartige Entscheidung alleine der Disposition der Beteiligten anheim zu stellen, erscheint nicht zweckmäßig. Vor allem ist dies aber auch im Hinblick auf unterschiedliche Interessen und somit divergierende Verlangen der Beteiligten problematisch.

 

Zu Z 68 und Z 95 (§§ 282 bis 345 Abs 4)

Die geplante Nichtigkeitsbeschwerdelegitimation für den Privatbeteiligten (§§ 282 Abs 2, 345 Abs 4 ME) entspricht der rechtspolitisch herrschenden – wenn auch nach ha. Ansicht überzogenen – Opferschutzideologie. In Anbetracht der Verfahrensrechte des Privatbeteiligten im Ermittlungsverfahren (zB § 67 Abs 6 Z 1, § 106, 195 StPRG) ist die geplante Regelung jedoch dogmatisch konsequent. Zu erwarten ist aber, dass die nicht oder allenfalls nur durch Opferschutzeinrichtungen bzw sonst geeignete Personen (§ 73 StPRG) vertretenen Privatbeteiligten kaum in der Lage sein werden, erfolgversprechende Nichtigkeitsbeschwerden aus der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO zu erheben. Eine überflüssige Befassung des OGH mit solchen Beschwerden ist (ungeachtet des § 285a StPO) zu befürchten. Weiters wäre – zumindest im Rahmen der Materialien – eine Klarstellung über die Kostenfolgen erfolgloser Rechtsmittel wünschenswert.

                Eine abschließende Regelung sollte insoweit erst im Rahmen der in Aussicht gestellten Reform des Hauptverfahrens erfolgen, zumal zu diesem Zeitpunkt auch Erfahrungswerte hinsichtlich der Effizienz des dem Privatbeteiligten gewährten Rechtsschutzes im Ermittlungsverfahren existieren werden.

 

Zu Z 99 bis 109 (§§ 352 ff)

Das Wort „abgelegt“ in § 352 Abs 1 Z 2 ME wäre durch „ablegt“ zu ersetzen oder das Wort „hat“ danach einzufügen. Weiters sollte die Möglichkeit der Wiederaufnahme diversionell erledigter Verfahren im 20. Hauptstück berücksichtigt werden (siehe § 205 Abs 1 StPRG).

 

Zu Z 148 bis 161 (§§ 429 bis 445a)

Der zwingenden Beiziehung von Sachverständigen bei jeder Vernehmung des Betroffenen (sowohl durch Polizei und StA, im Rahmen von Haftverhandlungen, Vernehmungen gemäß § 165, 173 Abs 1, § 430 Abs 5 StPRG ua), erscheint im Hinblick auf das ohnedies bestehende Untersuchungserfordernis durch den/die Sachverständigen gemäß § 429 Abs 2 Z 2 StPO überzogen, wobei insbesondere auf die damit verbundene Kostenbelastung hingewiesen wird. Gerade in Vernehmungen am Wochenende durch den Journaldienst versehenden „Haft“-richter kann die Beiziehung eines Sachverständigen mangels Verfügbarkeit in keiner Weise sichergestellt werden. Unklarheiten bei der Auslegung der geplanten Bestimmung sind auch zu befürchten, wenn sich erst im Zuge einer (ersten) Vernehmung das Erfordernis der Einleitung eines Unterbringungsverfahrens herausstellt. Insgesamt wäre daher die Beibehaltung der bisherigen Ermessensregelung zu bevorzugen, zumal gegen deren Anwendung in der bisherigen Praxis nicht die geringsten Zweifel laut wurden.

 

Zu Z 162 bis 173 (§§ 447 bis 459)

Die nunmehr in § 455 Abs 1 ME vorgesehene Vorbereitungsfrist von einer Woche erscheint überschießend. Es sind ha. keine bezirksgerichtlichen Fälle bekannt, die die bisherige Frist von drei Tagen als zu kurz erscheinen hätten lassen. Dass nur mehr Verteidiger als Machthaber auftreten können, ist angesichts der dem Beschuldigten damit aufgebürdeten Kostenbelastung im bezirksgerichtlichen Verfahren unverhältnismäßig. Mit Blick auf § 73 StPRG, der auch die Bevollmächtigung sonst geeigneter Personen für Opfer zulässt, sollte weiterhin rechtskundigen Angehörigen des Beschuldigten oder Angestellten die Möglichkeit des Einschreitens als Machthaber gewahrt bleiben (siehe die Überlegungen in Pilnacek/Pleischl, Leitfaden Rz 298).

Die Diktion „Landesgericht“ anstelle „Gerichtshof erster Instanz“ in § 467 Abs 5 ME wäre auch in der Textgegenüberstellung bei der erwähnten Bestimmung beizubehalten.

 

Zu Artikel II (Änderungen des StGB)

 

Zu Z 1 (§ 42)

Der Entfall der Bestimmung ist konsequent; zumindest in den Materialien sollte jedoch klargestellt werden, dass dem Gericht im Hauptverfahren ein korrespondierender Freispruchsgrund (§ 259 Z 3 StPO) zur Verfügung steht.

 

Zu Z 2 (§ 58)

Nach derzeitiger Rechtslage bewirkt die – oftmals mit einer Aufenthaltskurrende verbundene – gerichtliche Abbrechung des Verfahrens (§ 412 StPO) gegen einen (bisher nicht vernommenen) bekannten Täter unbekannten Aufenthalts Verjährungshemmung gemäß § 58 Abs 3 Z 2 idgF (Fabrizy StGB9 § 58 Rz 6). Nach der vorgeschlagenen Neufassung dieser Bestimmung würde in diesen Fällen die Verjährungsfrist ungehindert fortlaufen, weil eine Personenfahndung zur Aufenthaltsfeststellung gemäß § 168 Abs 1 StPO idF StPRG keine Androhung oder Ausübung von Zwang iS des § 58 Abs 3 Z 2 ME darstellt. Eine derartige Verfolgungsprivilegierung für abwesende Täter erscheint nicht sachgerecht und birgt zudem die Gefahr verstärkter Neigung der Praxis zu (verjährungshemmenden) Festnahmeanordnungen. Es wäre daher zu überlegen, entweder die Personenfahndung in § 58 Abs 3 Z 2 ME zu integrieren oder die Verjährungshemmung mit dem Beginn der Ermittlungen gegen einen bekannten Täter (§ 1 Abs 2 StPRG) bzw mit der Führung des Strafverfahrens bei der Staatsanwaltschaft einsetzen zu lassen. Gerade mit der letztgenannten Variante wäre eine (wünschenswerte) Konformität mit dem FinStrG geschaffen (§ 31 Abs 4 lit b FinStrG idF FinStrG-Nov 2007).

 

Zu Z 2 lit c, 4, 6 und 7 (Antragsdelikte)

Der Wegfall des (Antrags- bzw ab 1.1.2008:) Ermächtigungserfordernisses nach § 107a Abs 3 StGB wird begrüßt; die Umwandlung der Antrags- in Ermächtigungsdelikte ist konsequente Folge des § 516 Abs 3 StPRG.

 

Zu 8 bis 15 (§§ 288 - 301)

Gegen die vorgeschlagenen Änderungen besteht kein Einwand.

 

 

Zu Artikel III (Änderungen des JGG)

 

Zu Z 5 (§ 6 JGG)

Nach dem Wortlaut des § 6 Abs 2 ME hat das Pflegschaftsgericht die Belehrung und  danach die Verständigung des Beschuldigten vom Unterbleiben der Verfolgung vorzunehmen. Eine Verständigung vom Unterbleiben der Verfolgung durch das Pflegschaftsgericht ist systemwidrig. Diese müsste durch die Staatsanwaltschaft erfolgen.

 

Zu Z 16 und 18 (§ 38 JGG)

§ 38 Abs 2 ME sieht in bestimmten Fällen eine Verständigung des gesetzlichen Vertreters eines jugendlichen Beschuldigten vor. § 38 Abs 1 ME erkennt dem gesetzlichen Vertreter eines jugendlichen Beschuldigten bestimmte Rechte zu. Unklar ist, ob der gesetzliche Vertreter eines jugendlichen Beschuldigten auch von der Einstellung des Strafverfahrens (§ 190 - 192 StPO, § 6 JGG) zu verständigen ist, was an sich in einem Jugendstrafverfahren anzunehmen wäre. Eine Klarstellung wäre wünschenswert.

 

Zu Z 21 (§ 45 JGG)

Diese Bestimmung sieht ein Absehen von einem Pauschalkostenbeitrag nur im Fall eines Tatausgleiches vor. Unklar ist, warum dies bei anderen Diversionsarten bei Jugendlichen nicht möglich ist. Der allgemein anwendbare §  388 Abs 3 StPO hilft auch nicht, regelt er doch den Fall des Erschwerens des Fortkommens eines Jugendlichen nicht.

In diesem Zusammenhang wird auch darauf hingewiesen, dass § 388 StPO noch anzupassen wäre. § 388 Abs 1 StPO regelt nämlich den vorläufigen Rücktritt und die vorläufige Einstellung unter Bestimmung einer Probezeit, verweist im Klammerausdruck widersprüchlich allerdings auf gemeinnützige Leistungen (§ 201 Abs 1) und Probezeit (§ 203 Abs 1). Gemeinnützige Leistungen werden erst im Abs 2 geregelt. Der vom Tatausgleich sprechende § 45 Abs 2 JGG verweist auf § 388 Abs 2 und 3 StPO, was darauf hindeutet, dass § 388 Abs 2 StPO nur den Tatausgleich regeln wollte und die gemeinnützigen Leistungen im Abs 1 erfasst sein sollten.

                 

 

Der Leiter der Staatsanwaltschaft

 

(LStA Dr. Franz Haas)

 

Die Referenten:

StA Mag. Holzinger eh.

StA Dr. Oshidari eh.

StA Dr. Hubmer eh.


REPUBLIK ÖSTERREICH

Staatsanwaltschaft Linz

 

                                                                          

Sachbearbeiter: LStA HR Mag.Führlinger

Durchwahl: 12211

e-mail: reinhard.führlinger@justiz.gv.at

 

 

An die

Oberstaatsanwaltschaft

L I N Z

 

 

Zu Jv 2185 - 2/07                                        Jv 600 - 2/07

 

 

          Betrifft:    Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem die

                        Strafprozessordnung 1975, das Strafgesetzbuch und

                        das Jugendgerichtsgesetz 1988 geändert werden

                        (Strafprozessreformbegleitgesetz I); Begutachtung

                       

 

 

        Zu obzitiertem Entwurf wird wie folgt Stellung genommen:

        zu Z 104.:      In der vorgeschlagenen Fassung des § 357 Abs 2 ist die Zustellung des Wiederaufnahmeantrages an den Gegner des Antragstellers vorgesehen. Ein solcher Antrag der Staatsanwaltschaft ist daher einer freigesprochenen Person zuzustellen. Bedenklich erscheint zunächst die Wortwahl "Gegner des Antragstellers", zumal die Staatsanwaltschaft nicht der Gegner einer rechtskräftig freigesprochenen oder verurteilten Person ist (arg § 3). Zum anderen kann die Durchführung von Ermittlungen zur Prüfung des Wiederaufnahmeantrages dieselben - bei vorzeitiger Bekanntgabe an den "Antragsgegner" - vereiteln (bspw. beabsichtigte Durchsuchung von Orten, im Hinblick auf das behauptete Versteck einer Diebsbeute). Es wird daher eine Regelung wie in § 133 Abs 4 letzter Satz vorgeschlagen, wonach die Zustellung unter den dort genannten Voraussetzungen aufgeschoben werden kann.

 

        zu Z 126.b):   Im § 388 Abs 2 wurde offenbar irrtümlich der alte terminus technicus außergerichtlicher Tatausgleich verwendet.

 

        zu Z 148.d):   Die Änderung der bisherigen Gesetzeslage im § 429 Abs 2 Z 3, wonach zu jeder Vernehmung des Betroffenen ein oder zwei Sachverständige beizuziehen sind, erscheint in dieser Form etwas problematisch. Dies insbesondere in jenen Fällen, in denen auf Grund einer zu erwartenden bedingten Nachsicht der vorbeugenden Maßnahme auch bei Vernehmungen durch die Polizei Sachverständige zuzuziehen wären. Jedenfalls sollte sich die Vernehmung des Betroffenen in Anwesenheit von Sachverständigen lediglich auf Vernehmungen zur Anlasstat beziehen und auf Vernehmungen vor dem StA oder dem Gericht beschränkt sein.

 

        zu Z 153.:      Im § 436 StPO müsste es richtig heißen "....die im §429 Abs 2 .... "

       

 

Staatsanwaltschaft Linz

am 12.10.2018

 

 

i.V. EStA Dr. Rainer SCHOPPER