REPUBLIK ÖSTERREICH

Oberstaatsanwaltschaft  Graz  

Graz, am 20.8.2007

Marburger Kai 49

8011 Graz                                        

 

Telefon: 0316/8064-0*

FAX: 0316/8064-2600

E Mail: ostagraz.leitung@justiz.gv.at                                                        Sachbearbeiter:

EOStA Dr. Gasser                                                        Nebenstelle:  Nbst  (DW)

 

 

GZ

 

An das

Präsidium des Nationalrates

Dr. Karl Renner Ring 3

1017 Wien

 

 

 

 

 

Betrifft:    Entwurf eines Bundesgesetzes,

               mit dem die Strafprozessordnung 1975,

               das Strafgesetzbuch und das Jugendgerichtsgesetz 1988

               geändert werden (Strafprozessreformbegleitgesetz I);

               Begutachtung.

 

 

 

Unter Bezugnahme auf den Erlass des Bundesministeriums für Justiz vom 16.7.2007, BMJ-L590.004/0001-II 3/2007 übersendet die Oberstaatsanwaltschaft Graz 25 Ausfertigungen ihrer Stellungnahme zu dem vom Bundesministerium für Justiz übermittelten Entwurf.

 

Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt hat ihre Stellungnahme samt 25 Ausfertigungen im direkten Wege übermittelt.

 

Der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft:

S i g l 

 

 

REPUBLIK ÖSTERREICH

Oberstaatsanwaltschaft  Graz  

Graz, am 20.8.2007

Marburger Kai 49

8011 Graz                                        

 

Telefon: 0316/8064-0*

FAX: 0316/8064-2600

E Mail: ostagraz.leitung@justiz.gv.at                                                        Sachbearbeiter:

EOStA Dr. Gasser                                             Nebenstelle:  2003  (DW)

 

 

Jv 1996-1a/07

 

An das

Bundesministerium für Justiz

 

W i e n

 

 

zu BMJ-L590.004/0001-II 3/2007

 

Betrifft:   Entwurf eines Bundesgesetzes,

               mit dem die Strafprozessordnung 1975,

               das Strafgesetzbuch und das Jugendgerichtsgesetz 1988

               geändert werden (Strafprozessreformbegleitgesetz I);

               Begutachtung.

 

 

 

 

Die Oberstaatsanwaltschaft beehrt sich die im Betreff genannte Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Klagenfurt vorzulegen und ihrerseits zum vorliegenden Entwurf wie folgt Stellung zu nehmen:

 

Vorauszuschicken ist, dass gegen die Mehrzahl der im vorliegenden Entwurf aufzufindenden Regelungen - soweit dies überblickbar ist - keine Bedenken bestehen, welcher Umstand dafür ursächlich sein dürfte, dass die Staatsanwaltschaften Graz und Leoben auf die Erstattung von Stellungnahmen verzichteten. Es wird um Verständnis dafür ersucht, dass eine detaillierte Begutachtung des Entwurfes auf Grund der eingeschränkten personellen Ressourcen der Oberstaatsanwaltschaft Graz - in die Begutachtungsfrist fielen längere urlaubsbedingte Abwesenheiten der Mitarbeiter - nicht möglich war.

 

Zu Artikel I (Änderung der StPO):

Z 1, 5 und 6 (§§ 28, 36 und 39 Abs 1 StPO idF BGBl I Nr. 19/2004):

Die in § 28 Abs 2 vorgesehene Verpflichtung, das Verfahren gegen ein Organ derselben Staatsanwaltschaft oder der ihr übergeordneten Oberstaatsanwaltschaft, oder gegen einen Richter eines Gerichtes, in dessen Sprengel die Staatsanwaltschaft ihren Sitz hat, oder des diesem übergeordneten Oberlandesgerichtes an eine andere Oberstaatsanwaltschaft abzutreten, um im ausreichenden Maß dem Eindruck einer strukturellen Befangenheit entgegenzuwirken, erscheint überzogen und mit nicht vertretbaren Nachteilen und Erschwernissen für die Verfahrensbeteiligten verbunden.

 

Die vorgeschlagene Regelung erscheint vor allem deswegen entbehrlich, weil § 47 Abs 1 Z 3 ohnedies statuiert, dass sich jedes Organ der Staatsanwaltschaft der Ausübung seines Amtes bei Befangenheit zu enthalten hat, und dem allfälligen Eindruck der Befangenheit auch der Umstand entgegensteht, dass in Strafsachen gegen RichterInnen, StaatsanwältInnen und sonstige Bedienstete des Justizressorts sowohl vom Bundesministerium für Justiz (Erlass vom 14.1.1987, Zahl 604.001/6-II 3/87) als auch von den Oberstaatsanwaltschaften (vgl Erlass der Oberstaatsanwaltschaft Graz vom 11.2.1987, Jv 456-1a/87) Berichtspflichten (von der Oberstaatsanwaltschaft Graz sogar über die vorgesehene Enderledigung) angeordnet wurden.

 

Die vorgesehene Regelung, die den Oberstaatsanwaltschaften bei der Beurteilung der Frage, ob die Mitglieder aller Staatsanwaltschaften ihres Sprengels befangen sind, keinen Spielraum lässt, wäre mit ganz erheblichen Nachteilen für die Verfahrensbeteiligten verbunden, weil für sie weite Anreisewege für die Vernehmungen und Hauptverhandlungen in einem anderen Bundesland anfallen würden. Man denke beispielsweise nur an einen Verkehrsunfall, an welchem neben anderen Beschuldigten auch  RichterInnen oder StaatsanwältInnen beteiligt sind. Eine solche Strafsache müsste einer anderen Oberstaatsanwaltschaft abgetreten werden, was für alle Beteiligten (Mitbeschuldigte, Opfer, Zeugen usw) weite Anfahrtswege zur Folge hätte.

 

In diesem Zusammenhang sollte auch nicht außer Acht gelassen werden, dass in der Vergangenheit Vorwürfe, wonach Strafsachen gegen RichterInnen oder StaatsanwältInnen nicht mit der gebotenen Objektivität geführt worden wären, nicht bekannt wurden.

 

Letztlich ist für die Klärung der Frage, ob Anzeigen, in welchen der Vorwurf des Missbrauches der Amtsgewalt beispielsweise gegen einen Zivilrichter erhoben wird, haltlos sind, in der Mehrzahl der Fälle die Einsichtnahme in die bezughabenden Akten erforderlich; eine solche Maßnahme ist wohl bereits als Verdachtsprüfung (§ 190 Z 2 StrafprozessreformG) zu qualifizieren und hätte die zwingende Abtretung der Anzeige an eine andere Oberstaatsanwaltschaft zur Folge, obwohl das örtlich zuständige staatsanwaltschaftliche Organ - wie dies meist der Fall ist - den angezeigten Richter nicht einmal vom Sehen kennt.

 

Gegen die vorgeschlagene Änderung des § 28 sprechen aber auch grundrechtliche Erwägungen, weil die Führung des Strafverfahrens in einem weit entfernten OStA-Sprengel zu einer längeren Verfahrensdauer führen könnte (längere Anreisewege und dgl), was dem Beschleunigungsgebot widerstreitet.

 

Z 198 (§ 489):

Nach der geltenden Rechtslage kann die Rechtsmittelfrist gegen Urteile des Einzelrichters des Landesgerichtes in sinngemäßer Anwendung des § 285 Abs 2 bis 5 StPO „im Falle extremen Umfangs des Verfahrens“ verlängert werden; ein solches Vorgehen sieht der Entwurf in § 489 Strafprozessreformgesetz nicht vor, obwohl ein Bedarf besteht, wobei in diesem Zusammenhang beispielsweise die äußerst komplexen und aufwändigen Strafsachen im Zusammenhang mit dem Grubenunglück in Lassing und dem Seilbahnunglück in Kaprun zu nennen sind.

 

Artikel II (Änderungen des StGB):

Z 2 (§ 58 Abs 3 Z 2 StGB)

Wenn die Personenfahndung durch Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung des Beschuldigten zum Zwecke der durchzuführenden Einvernahme nach § 169 Abs 1 StrafprozessreformG dem Begriff „Ausübung von Zwang gegen den Täter“ zu unterstellen ist, bestehen gegen die vorgeschlagene Änderung des § 58 Abs 3 Z 2 StGB keine Bedenken.

 

Z 5 (§ 117 Abs 2, 3 und 4 StGB):

Mit Blick auf den Entfall der bisher sechswöchigen Präklusivfrist für den Privatankläger (vgl § 71 Strafprozessreformgesetz) könnte in § 117 Abs 2 StGB die Wortfolge „innerhalb der sonst dem Verletzten für das Verlangen von Verfolgung offenstehenden Frist“ entfallen.

 

Der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft:

S i g l