Präs. 1619-6/07

 

 

 

 

Stellungnahme zum  Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem die

 Strafprozessordnung 1975, das Strafgesetzbuch und das Jugendgerichtsgesetz 1988

geändert werden (Strafprozessreformbegleitgesetz I)

 

 

 

A. Allgemeines

 

Der Entwurf entspricht seiner im Vorblatt der Erläuterungen zum Ausdruck gebrachten Zielsetzung, einen reibungslosen Übergang vom Ermittlungsverfahren in das Hauptverfahren zu gewährleisten. An der legistischen Umsetzung dieses Vorhabens findet der Oberste Gerichtshof nichts zu bemängeln. Hinsichtlich einiger weniger Redaktionsversehen wird auf die Stellungnahme des Generalprokurators verwiesen.

 

Soweit – etwa in Art I Z 40 lit b (§ 249 Abs 3 StPO in der vorgeschlagenen Fassung) – neuere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ausdrücklich in Gesetzesform gegossen werden soll, wird dies begrüßt.

 

B. Zu einzelnen Punkten des Entwurfs

 

Art I Z 2 (§ 30 Abs 1 StPO) und Art I Z 168 (§ 452 StPO)

 

Insoweit wird darauf aufmerksam gemacht, dass Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr – infolge Ersatzes von § 452 Z 3 StPO durch § 173 Abs 2 Z 3 StPRG (Art I Z 168) – in Hinkunft auch aufgrund des dringenden Verdachts von Straftaten zulässig sein soll, die im Hauptverfahren in die Zuständigkeit des Bezirksgerichtes fallen und mit mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedroht sind. Daher kann die von § 30 Abs 1 Z 1 bis 3 StPO (in der vorgeschlagenen Fassung) für Verfahren wegen Vergehen nach §§ 105, 107, 107a StGB vorgesehene Zuständigkeitsverschiebung zum Einzelrichter des Landesgerichts nicht mehr darauf gegründet werden – wohl aber auf Überlegungen zum Haftort.

 

 

Art I Z 32 (§ 238 StPO)

 

Nach bislang ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sind unter dem Aspekt der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO (§§ 345 Abs 1 Z 5, 468 Abs 1 Z 3 StPO) nur in der Hauptverhandlung selbst gestellte Anträge beachtlich. Der insoweit strikten, bloß schriftlich gestellte Anträge bewusst ausklammernden Judikatur liegt der Gedanke zugrunde, dass in größeren Verfahren sonst leicht die Übersicht über noch nicht erledigte Anträge verloren gehen könnte, was für in der Hauptverhandlung gestellte Anträge deshalb nicht gilt, weil §238 Abs 1 StPO dafür eine sofortige Entscheidung vorsieht.

Dass durch den Klammerhinweis auf nach Rechtswirksamkeit der Anklageschrift, aber vor Beginn der Hauptverhandlung von Beteiligten gestellte, der Entscheidung in der Hauptverhandlung vorbehaltene Anträge (§ 222 Abs 2 und 3 StPO in der vorgeschlagenen Fassung) auch diese zum Gegenstand der Verfahrensrüge werden, tut der notwendigen Übersicht keinen Abbruch.

Allerdings erscheint der weitere Klammerhinweis auf § 55 Abs 3 StPRG unter diesem Gesichtspunkt als zu weit gehend. Vorbehaltlich des § 55 Abs 3 zweiter Satz StPRG ist nämlich auch die Kriminalpolizei befugt, die Aufnahme eines im Ermittlungsverfahren beantragten Beweises der Hauptverhandlung vorzubehalten. Selbst wenn darüber ordnungsgemäß ein Amtsvermerk (§ 95 StPRG) angelegt wird, kann dieser vom Vorsitzenden des erkennenden Gerichts leicht übersehen, umgekehrt dem rechtskundig vertretenen Beteiligten ohne weiteres zugemutet werden, den Antrag nach Rechtswirksamkeit der Anklageschrift  im Sinn des § 222 StPO in der vorgeschlagenen Fassung oder in der Hauptverhandlung zu wiederholen, womit es dem Vorsitzenden leichter gemacht würde, die Übersicht zu bewahren (f0ür nicht rechtskundig vertretene Beschuldigte nimmt die Rechtsprechung bekanntlich eine mit Nichtigkeit bewehrte Manuduktionspflicht des Gerichtes an). Auch hier könnte sonst ein Beteiligter auf Einspruch wegen Rechtsverletzung (§ 106 StPRG) verzichten und sich erst angesichts eines missliebigen Verfahrensausgangs auf den im Ermittlungsverfahren gestellten Antrag berufen, um so – unnötigerweise – einen weiteren Rechtsgang zu erwirken.

Zudem sollte in § 238 Abs 2 nach dem Wort „Entscheidungsgründen“ eingefügt werden: „sofort, jedenfalls aber vor Schluss der Verhandlung (§ 257 StPO)“. Dies, um zu verhindern, dass die Entscheidung der Urteilsfällung vorbehalten und der Antragsteller um die Möglichkeit gebracht wird, anhand der Begründung für eine abweisliche Entscheidung sein Beweisanbot zu verbessern.

 

Art I Z 41 (§ 250 Abs 3 StPO)

 

Ein über das bisherige Maß einer schonenden Vernehmung von Zeugen hinausgehender Opferschutz scheint entbehrlich.

 

Art I Z 68 lit b (§ 282 Abs 2 StPO)

 

Der Absicht, dem Privatbeteiligten durch die vorgeschlagene Erweiterung des § 282 Abs 2 StPO die Befugnis zur Ergreifung einer Verfahrensrüge nach § 281 Abs 1 Z 4 StPO (§§ 345 Abs 1 Z 5, 468 Abs 1 Z 3 StPO) zu geben, steht der Oberste Gerichtshof skeptisch gegenüber. Eine derartige Rechtsmittellegitimation wird – insbesondere mit Blick auf den Anspruch der in § 65 Z 1 lit a oder b StPRG genannten Opfer auf juristische Prozessbegleitung (§ 66 Abs 2 StPRG) und den Anspruch anderer Privatbeteiligter auf Verfahrenshilfe durch unentgeltliche Beigebung eines Rechtsanwalts (§ 67 Abs 7 0StPRG) –  nicht nur zu einer erheblichen Mehrbelastung der über Rechtsmittel gegen Urteile entscheidenden, sondern auch der erstinstanzlichen Gerichte führen, weil potentielle Beschwerdeführer bereits in erster Instanz die Grundlage fü0r ein beabsichtigtes Rechtsmittel in Form von Anträgen schaffen müssen. Dass solche Anträge ein Spannungsverhältnis zum Beschleunigungsgebot des Art 6 Abs 1 MRK herbeiführen können, braucht nicht betont zu werden. Die im Vorblatt der Erläuterungen angestrebte Kostenneutralität wird im Fall der in Aussicht genommenen Rechtsmittellegitimation nicht zu erreichen sein.

 

Art I Z 95 lit c (§ 345 Abs 1 Z 4 StPO)

 

Wie schon der Generalprokurator in seiner Stellungnahme angemerkt hat, müssten die §§310, 329 und 340 in die Klammer aufgenommen und 0§ 240a durch § 305 ersetzt werden.

 

Art I Z 115 (§ 367 Abs 2 StPO)

 

Auch insoweit wird auf die Stellungnahme des Generalprokurators verwiesen.

zu Art I Z 148 (§ 429 Abs 2 Z 3 StPO)

 

 

Die Änderung der derzeitigen Kann-Vorschrift in eine Pflicht zur Beiziehung  zumindest eines Sachverständigen wird in den Erläuterungen bloß mit dem Ziel der Sicherstellung einer angemessenen Vernehmungssituation und der Wahrheitsforschung begründet. Tatsächlich verfolgt der Richter jedoch bei der Einvernahme andere Zielsetzungen als der psychiatrische Sachverständige. Für den psychiatrischen Befund hinwieder lässt sich aus der Vernehmung nach aller Gerichtserfahrung nichts gewinnen, sodass das Argument „Wahrheitsforschung“ nicht überzeugt. Eine angemessene Vernehmungssituation aber wurde auch bisher stets sichergestellt, ohne dass jemals Klagen laut geworden wären. Schließlich wird der Betroffene stets in einer psychiatrischen Einrichtung angehalten. Solcherart ist keine Notwendigkeit für die vorgeschlagene Änderung erkennbar.

 

Art I Z 179 lit c (§ 468 Abs 1 Z 2a)

 

Im Sinn der begrüßenswerten Ausführungen in den Erläuterungen hätten in § 468 Abs 1 Z 2a StPO die Worte „trotz Widerspruchs des Beschwerdeführers“ zu entfallen.

 

Art I Z 198 (§ 489 StPO)

 

Infolge Fehlens eines Anklageeinspruchs im Verfahren vor dem Einzelrichter sollte die fehlende örtliche und sachliche Zuständigkeit (§ 468 Abs 1 Z 1 und 2 StPO) weiterhin einen Nichtigkeitsgrund bilden.

 

C. Zu den Erläuterungen des Ministerialentwurfs

 

Zu Art I Z 66 und Z 95 (§§ 281 und 345)

 

In der zweiten Zeile des vorletzten Absatzes der S 10 findet sich eine sinnstörende Auslassung. Unmittelbar nach dem Klammerausdruck fehlen die Worte „nicht mehr“.

Die in den Erläuterungen angestrebte Übereinstimmung mit den tragenden Grundsätzen der Rsp wird begrüßt. Allerdings bringen die dem zweiten Satz des zweiten Absatzes auf S 11 nachfolgenden Sätze dieses Absatzes die Nichtigkeitsrelevanz des § 166 StPRG nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs nicht zutreffend zum Ausdruck. Eine Verletzung dieser Vorschrift ist nämlich nach Maßgabe des – insoweit von den Erläuterungen abweichenden – Wortlauts dieser Vorschrift deshalb kein Gegenstand der Z 2 des § 281 Abs 1 StPO (§§ 345 Abs 1 Z 3, 468 Abs 1 Z 2a StPO in der vorgeschlagenen Fassung), weil § 166 StPRG nicht die Nichtigkeit einer (unter Folter oder sonst durch unerlaubte Einwirkung auf die Freiheit der Willensentschließung oder Willensbetätigung oder durch unzulässige Vernehmungsmethoden zustande gekommenen) Aussage anordnet, vielmehr nur bestimmt, dass solcherart zustande gekommene Aussagen zum Nachteil des Beschuldigten bei sonstiger Nichtigkeit nicht verwendet werden dürfen. Demnach bedient sich der Entwurf der gleichen Regelungstechnik wie die geltende StPO in den §§ 88 Abs 3, 149c Abs 3, 149h Abs 2, wo jeweils auf die Verwendung im Beweisverfahren der Hauptverhandlung abgestellt wird. Konsequenterweise wurde § 166 StPRG denn auch in die Aufzählung der Z 3 des § 281 Abs1 StPO (§§ 345 Abs 1 Z 4, 468 Abs 1 Z 3 in der vorgeschlagenen Fassung) aufgenommen (Pilnacek/Pleischl, Das neue Vorverfahren Rz 691).

Da nicht die auf die erwähnte Weise zustande gekommene Aussage als nichtig bezeichnet wird, geht es bei deren Vorführung in der Hauptverhandlung auch nicht um „ein Protokoll oder ein anderes amtliches Schriftstück über eine nichtige Erkundigung oder Beweisaufnahme“, sodass die Aussage als Gegenstand der Z 2 des § 281 Abs 1 StPO (§§ 345 Abs 1 Z 3, 468 Abs 1 Z 2a StPO in der vorgeschlagenen Fassung) ausscheidet. Das hat zur Folge, dass den Beschwerdeführer in Betreff einer angeblichen Folter oder sonst unerlaubter Einwirkung beim Zustandekommen der Aussage, anders als die Erläuterungen betonen, keine Rügepflicht trifft. Zur Geltendmachung der Z 3 des § 281 Abs 1 StPO (§§ 345 Abs 1 Z 4, 468 Abs 1 Z 3 StPO) genügt es nämlich, dass der Beschwerdeführer den Verstoß (erst) im Rechtsmittel plausibel macht. Dann ist es Sache des OGH, den Sachverhalt formfrei iSd §285f StPO aufzuklären.

 

Allerdings steht es dem Beschwerdeführer auch weiterhin frei, Anträge zur Aufklärung des Sachverhalts stellen, gegen deren Abweisung die Rüge aus dem Grund der Z 4 des § 281 Abs1 StPO (§§ 345 Abs 1 Z 5, 468 Abs 1 Z 3 StPO) offen steht. So kann er der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Geltung verschaffen, dem es um die Möglichkeit des Beschwerdeführers geht, die Authentizität des Beweises zu bestreiten, seiner Verwendung zu widersprechen sowie die Gelegenheit, alle relevanten Zeugen dazu zu befragen und damit die Zuverlässigkeit des Beweises in Frage zu stellen. Hat jemand wirklich Anhaltspunkte in Richtung eines durch § 166 StPRG sanktionierten Vorgangs, wird er jedenfalls auch diesen Weg wählen und sich nicht mit einer Anfechtung nach Z 3 des § 281 Abs 1 StPO (§§ 345 Abs 1 Z 4, 468 Abs 1 Z 3 StPO) begnügen.

So gesehen erscheint aber die ausdrückliche Nichtigkeitssanktion im § 166 StPRG entbehrlich. Sie ist vor dem Hintergrund der in den Erläuterungen unter dem Aspekt des Verbotszwecks mit Recht hervorgehobenen Rügeobliegenheit in der Hauptverhandlung geradezu kontraproduktiv, ermöglicht sie es dem Beschwerdeführer doch, einen aufklärungsbedürftigen Vorwurf, eine in der Hauptverhandlung vorgeführte Aussage sei durch Folter oder sonst durch unerlaubte Einwirkung auf die Freiheit der Willensentschließung oder Willensbetätigung oder durch unzulässige Vernehmungsmethoden zustande gekommenen, für den Fall eines missliebigen Verfahrensausgangs gleichsam in der Hinterhand zu halten und so einen weiteren Rechtsgang zu erzwingen, falls nicht schon eine bloß formfreie Aufklärung nach § 285f StPO – die allerdings in einem Spannungsverhältnis zu den Verfahrensgarantien des Art 6 Abs 1 MRK stehen könnte – eine beruhigende Klärung ermöglicht.

Es wird daher vorgeschlagen, im einleitenden Teilsatz des § 166 StPRG die Worte „bei sonstiger Nichtigkeit“ zu streichen, um den Gegenstand der Vorschrift unmissverständlich im Sinn der bisherigen Rechtsprechung (vgl 14 Os 30/00, SSt 63/96 = RZ 2001/4, 50; RIS-Justiz RS0113618) der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO (§§ 345 Abs 1 Z 5, 468 Abs 1 Z 3 StPO) zuzuweisen, derartigem, unter anderem dem Beschleunigungsgebot des Art 6 Abs 1 MRK zuwiderlaufenden Taktieren einen Riegel vorzuschieben und das aufgezeigte Spannungsverhältnis zur Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu vermeiden, sodass Vorwürfe im Sinn des § 166 StPRG bereits in der Hauptverhandlung oder davor offen angesprochen werden müssen und schon das erkennende Gericht in öffentlicher Hauptverhandlung vor der Vorführung der angeblich solcherart zustande gekommenen Aussage diesen nachzugehen hat (vgl erneut Pilnacek/Pleischl, Das neue Vorverfahren Rz691).

Wie gesagt, ändert sich durch eine an § 123 Abs 6 und 7 StPRG angepasste Formulierung (Verwendungsverbot ohne ausdrückliche Nichtigkeitsdrohung) nichts am Rechtsschutz für den Angeklagten, mit der Maßgabe, dass ihn unter dem Aspekt der Nichtigkeitssanktion der Z4 des § 281 Abs 1 StPO (§§ 345 Abs 1 Z 5, 468 Abs 1 Z 3 StPO) die Obliegenheit trifft, sich rechtzeitig bereits in der Hauptverhandlung durch entsprechende Antragstellung gegen die Vorführung der angeblich rechtswidrig zustande gekommenen Aussage zur Wehr zu setzen (vgl auch S 11 dritter Absatz der Erläuterungen).

 

Zu Art III Z 5 (§ 7 JGG)

 

Die neue Definition des Anwendungsgebietes der Diversion bei Jugendstraftaten ist ausdrücklich zu begrüßen. Sowohl die Ausdehnung des durch Gerichtszuständigkeiten nicht mehr begrenzten Anwendungsrahmens auch für Staatsanwälte als auch die partielle Zulassung diversioneller Erledigungen bei singulären, solcherart unter Berücksichtigung der vom Jugendlichen abverlangten Maßnahmen kein Strafbedürfnis offen lassenden Todesfolgen sind sinnvolle Erweiterungen des Diversionsspektrums.  Die Aufzählung der Diversionsvoraussetzungen im § 7 JGG idFd Vorschlags ist als lex specialis zu § 198 StPRG zu verstehen, sodass damit ein Rückgriff auf andere, im 11.Hauptstück der StPO genannte Anwendungsbedingungen nicht mehr in Frage kommt. So besehen kommen die im §198 Abs1 StPO idFd StPO-RefG genannten generalpräventiven Gründe, welche ein diversionelles Vorgehen hindern, nicht mehr zum Tragen. In Anbetracht des nach § 7 JGG der geltenden Fassung immerhin noch vorgesehenen Ausschlusses einer diversionellen Erledigung, wenn es der Durchführung des Strafverfahrens oder des Ausspruchs einer Strafe aus „besonderen Gründen“ bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken, ist dies ein bemerkenswerter Schritt in die richtige Richtung, zumal Belange der Generalprävention in den vordringlich auf das weitere Fortkommen des Heranwachsenden abstellenden Jugendstrafsachen möglichst zurück gedrängt werden sollten. Der in den Erläuterungen zu § 7 JGG (S 21 erster Absatz) dennoch zu findende Hinweis auf „general- oder spezialpräventive Erwägungen“, welcher einer staatsanwaltschaftlichen Diversionslösung nicht entgegen stehen, wäre daher zu korrigieren.

 

Zu Art III Z 17 (§ 40 JGG) und 20 (§ 45 Abs 2 JGG)

 

Die nach dem Vorschlag einzufügende Wendung müsste richtigerweise lauten:

„den in § 49 Z 10 StPO genannten Beweisaufnahmen und Verhandlungen“.

 

Durch die Änderung des § 388 StPO mit dem Budgetbegleitgesetz 2005, BGBl I 136/2004, kam es zu einem Spannungsverhältnis in Bezug auf § 45 Abs 2 JGG, weil infolge fehlender Anpassung dieser zu § 388 StPO als lex specialis zu wertenden Bestimmung bei bloßer Wortinterpretation die Möglichkeit einer Reduktion des nunmehr für alle diversionellen Erledigungen vorgesehenen Kostenbeitrags beim Jugendlichen und jungen Erwachsenen bloß auf die Diversionsform des Tatausgleichs beschränkt wäre. Eine solche Einschränkung macht keinen Sinn. Andererseits ließe sich eine durch teleologische Interpretation zu schließende Gesetzeslücke nach einer Änderung des § 45 Abs 2 JGG durch die vorgeschlagene Novelle nicht mehr argumentieren. Daher sollte ein neu gestalteter § 45 Abs 2 JGG auf alle Diversionsformen abstellen. Art III Z 20 des Gesetzesentwurfs könnte daher folgendermaßen formuliert werden: § 45 Abs. 2 lautet: (2) Von einem Pauschalkostenbeitrag nach § 388 StPO ist abzusehen, wenn die Zahlung dieses Betrages das Fortkommen des Jugendlichen erschweren würde.

 

D. Anregungen im Zusammenhang mit der Begleitgesetzgebung

 

Im Zusammenhang mit der Begleitgesetzgebung zum StPRG sieht sich der Oberste Gerichtshof darüber hinaus zu nachstehenden Anregungen veranlasst:

 

§ 66 Abs 2 StPRG, § 381 Abs 1 Z 9 StPO

 

Wenn der Anspruch auf Prozessbeleitung als Recht der im § 66 Abs 2 StPRG genannten Opfer gesehen wird und wenn man die Auffassung vertritt, dass den Gerichten keine Befugnis zukommt, über die Gewährung von Prozessbegleitung und deren Umfang zu entscheiden (vgl 1059 Blg NR XXII. GP, 6 [fünftletzter Absatz]), so stellt sich zum einen die Frage nach einer wirksamen Beschwerde der die Opfereigenschaft für sich in Anspruch nehmenden Personen. Zum anderen hat der Verurteilte nach § 381 Abs 1 Z 9 StPO (auch in der vorgeschlagenen Fassung) die Kosten der Prozessbegleitung in der Höhe, wie sie durch das Bundesministerium für Justiz abgegolten werden, zu ersetzen (§§ 389, 390a Abs 1 StPO), ohne dass er sich gegen Gewährung und Ausmaß der Prozessbegleitung zur Wehr setzen könnte. Das erscheint problematisch.

 

 

 

 

§ 87 Abs 2 StPRG

 

Um angesichts der grundsätzlich allgemeinen Geltung des § 87 StPRG Missverständnisse zu vermeiden, sollte im Abs 2 nach dem Wort „Gericht“ die Wortfolge „des Ermittlungsverfahrens“ eingefügt werden.

 

§ 89 Abs 5 StPRG

 

Eine Ausnahmeregelung im Sinn des § 114 Abs 2 vierter Satz StPO sollte eingefügt werden. Zur Begründung wird auf 679 Blg NR XXII. GP, 11 verwiesen.

 

§ 106 Abs 2 StPRG

 

Aufmerksam gemacht wird auf den Umstand, dass die gesetzgeberische Intention (vgl 25BlgNR XXII. GP 143), wonach über die Behauptung von Rechtsverletzungen sowohl bei Bewilligung als auch bei Anordnung oder Durchführung ein- und derselben Ermittlungsmaßnahme das Beschwerdegericht abzusprechen hätte und die Geltendmachung von Rechtsverletzungen bei Anordnung oder Durchführung nur innerhalb der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen die Bewilligung zulässig sein soll, mit der gesetzlichen Formulierung nicht erreicht wird. Da nämlich von Betroffenen gegen eine gerichtliche Bewilligung stets „Beschwerde ... erhoben werden kann“, maW eine Beschwerde stets zulässig ist (§§ 35 Abs 2, 87 Abs 1 StPRG; ob die Beschwerde Erfolg haben wird, kann nicht – auf den Zeitpunkt des Einspruchs bezogene – Zulässigkeitsvoraussetzung für diesen sein), wäre umgekehrt Einspruch stets unzulässig und das Wort „insoweit“ unsinnig. Dass aber über Einspruchsgründe dann, wenn tatsächlich Beschwerde erhoben wird, das Beschwerdegericht anlässlich der Erledigung der Beschwerde (mit-) zu entscheiden hat, bringt § 106 Abs 2 StPRG nicht zum Ausdruck. Dazu bedürfte es einer § 498 Abs 3 StPO vergleichbaren Vorschrift. Man könnte den gesetzgeberischen Willen wie folgt zum Ausdruck bringen: Soweit gegen die Bewilligung einer Ermittlungsmaßnahme Beschwerde erhoben wird, ist ein Einspruch gegen deren Anordnung oder Durchführung mit der Beschwerde zu verbinden. In einem solchen Fall entscheidet das Beschwerdegericht auch über den Einspruch.

§ 133 Abs 2 StPRG

 

Im ersten Satz des § 133 Abs 2 müsste es statt „§ 131 Abs 3“ lauten: „§ 131 Abs 2“.

 

§ 161 Abs 1 StPRG

 

In § 161 Abs 1 StPRG sollten die Worte „und derart auszusagen, dass er seine Aussage erforderlichenfalls vor Gericht beeiden könne“ infolge Wegfalls des Zeugeneides in § 247 entfallen.

§ 191 StPRG

 

§ 191 StPRG kann nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes als (auch) vom Gericht zu beachtendes Verfolgungshindernis verstanden werden. Das sollte in den Erläuterungen jedoch klargestellt werden.

§ 281 Abs 1 Z 5 StPO

 

Mit Blick auf die Rolle von Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei im Ermittlungsverfahren wird angeregt, hinsichtlich des letzten Falles der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO die Beschränkung auf gerichtliche Aussagen fallen zu lassen.

 

 

Wien, am 30. August 2007

Hon.-Prof. Dr. Griss