REPUBLIK ÖSTERREICH
Der Präsident des Oberlandesgerichtes Graz
GZ: Jv 7303-2/07-6
Graz, am 6. September 2007
Briefanschrift:
A-8010 G r a z
Marburger Kai 49
Tel.: 0316/8064-0*
FAX: 0316/8064/1600
Nebenstelle (DW): 1001
Betrifft: Entwurf eines
Bundesgesetzes, mit dem
das Strafgesetzbuch geändert und
eine Staatsanwaltschaft zur Korruptions-
bekämpfung errichtet wird
(Strafrechtsänderungsgesetz 2008) -
Begutachtungsverfahren
Im Begutachtungsverfahren zum oben angeführten Gesetzesentwurf
beehre ich mich, die (auch schriftlich in 25facher Ausfertigung)
vorgelegten Stellungnahmen der Begutachtungssenate des Oberlandesgerichtes
Graz vom 5.September 2007 sowie des Landesgerichtes Klagenfurt vom
24.August 2007 elektronisch zu übermitteln.
Dr. Wietrzyk
Für die Richtigkeit
der Ausfertigung:
Jammernegg
REPUBLIK ÖSTERREICH Oberlandesgericht Graz Begutachtungssenat |
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Jv 7.303-2/07-5
Der gemäß den §§ 36 und 47 Abs 2 GOG beim Oberlandesgericht Graz gebildete Begutachtungssenat gibt zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Strafgesetzbuch geändert und eine Staatsanwaltschaft zur Korruptionsbekämpfung errichtet wird (Strafrechtsänderungsgesetz 2008), nachstehende
Stellungnahme
ab:
Soweit in der Stellungnahme Bestimmungen des Strafrechtsänderungsgesetzes 2008 nicht behandelt werden, ist davon auszugehen, dass gegen diese Bestimmungen keine Bedenken bestehen.
Zu Artikel I Z 8, 10, 11 und 12 (§§ 304, 305, 306a und 307 StGB):
Diese Bestimmungen sollen dahingehend geändert werden, dass statt des Begriffes pflichtwidrig der Begriff „parteilich“ Tatbestandsmerkmal sein soll.
Die Erläuterungen sprechen davon, dass diese Begriffe im Verhältnis zueinander im Wesentlichen synonym verwendet werden, dass jedoch der Begriff der „Parteilichkeit“ passender erscheinen würde. Die Erläuterungen zitieren die Lehre, wonach jede Parteilichkeit, wozu auch die bevorzugte raschere Abwicklung des Amtsgeschäftes zählt, pflichtwidrig ist (Leykauf/Steininger Komm3 § 304 RN 14).
Schon nach dieser Lehrmeinung aber auch nach der Judikatur ist aber davon auszugehen, dass im Gegensatz zu den Erläuterungen der Begriff „pflichtwidrig“ schon sprachlich betrachtet einen weiteren Anwendungsbereich hat als der Begriff „parteilich“. Dabei ist an Fallkonstellationen zu denken, in denen die rechtswidrige Intervention nicht durch einen Verfahrensbeteiligten oder in dessen Interesse erfolgt
sondern durch einen Dritten, der völlig außerhalb des jeweiligen Parteienbegriffes steht. Vorstellbar wäre etwa, dass ein Beamter für die pflichtwidrig öffentliche Vornahme eines Amtsgeschäftes von einem Medium einen Vorteil annimmt. In einem derartigen Fall kann nicht von parteilicher Vornahme des Amtsgeschäftes ausgegangen werden. Der Begriff der Pflichtwidrigkeit deckt dementsprechend alle jene Fälle ab, in denen der Täter gegen gesetzliche Vorgaben oder generelle oder individuelle Weisungen verstößt.
Darüber hinaus wird in § 304 Abs 2 der Begriff der „pflichtgemäßen“ Vornahme oder Unterlassung eines Amtsgeschäftes verwendet, dieser Umstand spricht auch für die Beibehaltung des Begriffpaares „pflichtwidrig“ - „pflichtgemäß“.
Es wird dementsprechend vorgeschlagen, den Begriff pflichtgemäß beizubehalten.
Zu Artikel II (Sonderstaatsanwaltschaft zur Korruptionsbekämpfung):
Gegen die Installierung einer Sonderstaatsanwaltschaft zur Korruptionsbekämpfung bestehen ganz allgemeine Bedenken.
Zunächst ist nicht dargetan, warum die Anklagebehörden nicht in der Lage sein sollten, die an sie gestellten Aufgaben im Bereich der Korruption zu bewältigen. Die österreichischen Staatsanwälte sehen sich in vielen Fällen noch komplexeren und schwierigeren Sachverhalten gegenüber gestellt (etwa im wirtschaftsstrafrechtlichen Bereich), sie sind zweifellos in der Lage, die Fälle der Korruption im Ermittlungs- und Hauptverfahren zu bearbeiten.
Ganz abgesehen von der staatsanwaltschaftlichen Weisungsdiskussion könnte dem Entwurf entnommen werden, dass nur eine an keine Weisungen (des Bundesministeriums für Justiz) gebundene Staatsanwaltschaft in der Lage wäre, Korruptionsfälle ordnungsgemäß zu bearbeiten.
Was die bundesweite Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft zur Korruptionsbekämpfung und den Deliktskatalog betrifft ist darauf zu verweisen, dass etwa ihrer Zuständigkeit unterliegende strafbare Verletzungen der Amtspflicht (§§ 302 bis 313 StGB) phänomenoligisch nur in den seltensten Fällen Korruptionsstraftaten sind, die der Bearbeitung einer zentralen und spezialisierten staatsanwaltschaftlichen Einheit bedürften.
Der im Entwurf hervorgehobenen Nähe zum Büro für interne Angelegenheiten beim Bundesministerium für Inneres steht die Ferne zu dem im Ermittlungs- und Hauptverfahren zuständigen Landesgericht gegenüber. Gerade im komplexen Strafsachen ist die räumliche und organisatorische Nähe zwischen Anklagebehörde und Gericht von besonderer Bedeutung und geeignet, schon wegen der Einfachheit der Kommunikation die Qualität der Strafverfolgung zu fördern.
Ausgehend vom (weiten) Deliktskatalog würde die Staatsanwaltschaft zur Korruptionsbekämpfung für eine Vielzahl von Strafverfahren zuständig sein. Vor Einbringung einer Anklage kann sie das Verfahren nur in jenen Fällen an die zuständige Staatsanwaltschaft abtreten, wenn es sich um ein Vergehen handelt, das in die Zuständigkeit der Bezirksgerichte fällt. Erst nach Einbringung einer Anklage kann eine Abtretung an die Staatsanwaltschaft am Sitz des Landesgerichtes erfolgen, wenn an der Strafverfolgung kein besonderes öffentliches Interesse wegen der Bedeutung der angeklagten Straftat oder der Person des Angeklagten besteht. Es ist davon auszugehen, dass dementsprechend die Staatsanwaltschaft zur Korruptionsbekämpfung für eine große Anzahl von Ermittlungsverfahren zuständig sein würde. In diesem Zusammenhang ist zu bezweifeln, dass das im Entwurf im Rahmen der finanziellen Auswirkungen genannte Personal in der Lage sein würde, diese Vielzahl an Strafsachen zu bearbeiten.
Es wird daher vorgeschlagen, keine Staatsanwaltschaft zur Korruptionsbekämpfung einzurichten, sondern die Korruptionsbekämpfung durch entsprechende Ausbildungsmaßnahmen zu fördern.
G r a z , am 5. September 2007
Der Vorsitzende:
Dr. Wietrzyk
Für die Richtigkeit
der Ausfertigung:
Jammernegg
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REPUBLIK ÖSTERREICH
Landesgericht Klagenfurt
Jv 28-2/07
Jv 3000-2/07
Der Begutachtungssenat (Senat gemäß § 36 GOG) des Landesgerichtes Klagenfurt gibt zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Strafgesetzbuch geändert und eine Staatsanwaltschaft zur Korruptionsbekämpfung errichtet wird,
nachstehende
Stellungnahme
ab:
Den Zielen des vorliegenden Entwurfs, Bestechung und Bestechlichkeit im öffentlichen und privaten Sektor zu kriminalisieren und die betreffenden Strafnormen neu zu gestalten, die Effizienz der Strafverfolgung in diesem Bereich zu stärken und den das Computerstrafrecht betreffenden Teil des Strafgesetzbuchs den weiterentwickelten Missbrauchsmöglichkeiten anzupassen, ist grundsätzlich beizupflichten.
Die folgende Stellungnahme beschränkt sich daher auf die Kommentierung jener der vorgeschlagenen Regelungen, denen nicht ohne weiteres zuzustimmen ist.
Zu Artikel I Z 1 (§ 74 Abs 1 Z 4 lit a bis 4 lit c StGB):
Der Begriff eines ausländischen Beamten umfasst künftig sämtliche der bisher in den Ziffern 4a bis 4c des § 74 StGB genannten Amtsträger. Die Definition umfasst auch Mitglieder der Legislative und entfernt sich damit noch weiter von jener des inländischen Beamten, wie sie in § 74 Abs 1 Z 4 StGB festgelegt ist. Die komplizierte sprachliche Struktur der vorgeschlagenen Regelung sowie die Tatsache, dass an den dienstrechtlichen Status einer Person sowie die Mitgliedschaft bei einer Einrichtung und/oder alternativ an deren Funktion angeknüpft werden soll, erschwert die praktische Anwendung der Norm. Einer möglichst einheitlichen, in- und ausländische Beamte sowie Gemeinschaftsbeamte einschließenden Regelung wäre der Vorzug zu geben. Ausländische Mitglieder gesetzlicher Vertretungskörper und von Einrichtungen der Europäischen Union wären systematisch besser in einer gesonderten Regelung aufgehoben, für die Anwendung der die Bestechlichkeit und Bestechung regelnden Strafnormen könnten sie Beamten gleichgestellt werden. Alternativ könnte diese Personengruppe auch in den einzelnen Strafbestimmungen (wie schon derzeit in § 308 Abs 1 StGB) genannt werden.
Auch die mit dem Entwurf noch nicht vorgeschlagene Einbeziehung der Mitglieder inländischer gesetzlicher Vertretungskörper in den Kreis der Normunterworfenen wäre sachgerecht.
Zu Artikel I Z 6 (§§ 168c und 168d StGB):
Der Anwendungsbereich der §§ 168c, 168d StGB ist die aktive und die passive Bestechung von Bediensteten oder Beauftragten von Unternehmen und deckt sich damit nicht mit dem wesentlich weiteren der §§ 153, 153a StGB (vgl Fabrizy StGB9 § 153 Rz 2). Der in den Erläuterungen angedachte Entfall des § 153a StGB hätte eine Strafbarkeitslücke zur Folge.
Im Text der vorgeschlagenen Regelungen sollten der nicht klare Verweis auf Zwecke des Wettbewerbs entfallen, weil bereits jedes auf den eigenen Vorteil bedachte Handeln eines Unternehmensmitarbeiters im Geschäftsverkehr wettbewerbsverzerrend wirkt, und das altertümlich klingende Eigenschaftswort „unlauter“ durch den Verweis auf die Pflichtwidrigkeit der Vornahme oder Unterlassung einer Rechtshandlung ersetzt werden. Allenfalls könnte auf eine besondere Charakterisierung der Rechtshandlung verzichtet und die Strafbarkeitsgrenze durch das Abstellen auf einen nicht bloß geringfügigen Vorteil gezogen werden.
Zu Artikel II (Bundesgesetz über die Einrichtung und Organisation einer zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Korruption, strafbaren Verletzungen der Amtspflicht und verwandten Straftaten):
Eine durch die Möglichkeit des Auftrags zur Einleitung oder Durchführung von Strafverfahren sowie zur Ergreifung von Rechtsmitteln eingeschränkte Weisungsfreistellung der Staatsanwaltschaft sollte nicht auf den Bereich der neu zu schaffenden Staatsanwaltschaft zur Korruptionsbekämpfung beschränkt bleiben. Eine wirksame Bekämpfung und Strafverfolgung ist nicht nur im Fall von Korruption und Amtsdelikten, sondern in jedem Bereich von Kriminalität zu gewährleisten; dazu bedarf es gesetzlicher Vorkehrungen, die auch nur den Anschein der Möglichkeit politischer Einflussnahme auf die Ermittlungs- und Verfolgungstätigkeit der Staatsanwaltschaft ausschließen.
Die Einrichtung einer Sonderstaatsanwaltschaft im Rang einer Oberstaatsanwaltschaft wäre überdies systemwidrig und widerspricht der bisherigen föderalen Struktur der staatsanwaltschaftlichen Organisation. Eine effiziente Verfolgung von Korruption setzt - wie auch die bisherige Praxis zeigt - eine spezialisierte Kriminalpolizei, nicht aber auch notwendigerweise eine zentrale Staatsanwaltschaft voraus.
Die Konzentration aller in die Zuständigkeit der Sonderstaatsanwaltschaft (§ 3) fallenden Ermittlungsverfahren in Wien hätte darüber hinaus zur Folge, dass für alle gerichtlichen Entscheidungen im Vorverfahren das Landesgericht für Strafsachen Wien zuständig wäre; damit würde die Konzentrationstendenz verstärkt.
Ausreichende Vorkehrungen dafür, dass im Falle der Betroffenheit eines Organs der Staatsanwaltschaft oder des Richters eines Gerichtes durch Korruptionsvorwürfe das Ermittlungs- und das Hauptverfahren von unbefangenen Staatsanwaltschaften und Gerichten geführt wird, sehen bereits die §§ 28 (idF des Strafprozessreformbegleitgesetzes I) und 39 (idF des Strafprozessreformgesetzes) vor.
Die Modifikation und Erweiterung der „kleinen Kronzeugenregelung“ (§ 41a StGB) durch den vorgeschlagenen § 4 Abs 1, der erweiterte Einstellungs- und Rücktrittsmöglichkeiten für die Staatsanwaltschaft vorsieht, hätte an der systematisch zutreffenden Stelle (3. Teil X. Hauptstück) der StPO (idF des Strafprozessreformgesetzes) erfolgen. Über diesen Anwendungsbereich hinausgehend sollte dieses besondere Ermessen der Staatsanwaltschaft auch bei strafbaren Handlungen nach den §§ 277 f StGB eingeräumt werden, um auch in diesem Kriminalitätsbereich das Aufbrechen konspirativer Strukturen zu ermöglichen.
Begutachtungssenat des
Landesgerichtes Klagenfurt
am 24. August 2007
Der Vorsitzende:
Mag. Schmoliner