Linz, am 6.9.2007

Gruberstraße 20

A 4020 Linz

Briefanschrift:

A-4010 Linz, Postfach274

Sachbearbeiter:

EOStA Dr. Hintersteininger

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Klappe  (DW) 11601

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 Jv 2246 – 2/07

REPUBLIK ÖSTERREICH                                              

 Oberstaatsanwaltschaft

                  Linz

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Betrifft:   Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem

               das Strafgesetzbuch geändert und eine

               Staatsanwaltschaft zur Korruptionsbekämpfung

               errichtet wird (Strafrechtsänderungsgesetz 2008);

 

 

Zu GZ BMJ-L318.025/0001-II 1/2007

 

               Zum Gesetzvorhaben wird folgende

 

S t e l l u n g n a h m e

 

abgegeben:

 

Zu Art I

 

               Gegen die geplanten Änderung des StGB bestehen keine Bedenken.

 

              

Zu Art II

 

Zu § 1

 

               Abs 1 sieht eine Verankerung der Staatsanwaltschaft zur Korruptionsbekämpfung (StAK) mit Verfassungsbestimmung vor. Seit Jahrzehnten kämpfen die StaatsanwältInnen um Verankerung ihres Berufsstandes in der Verfassung. Das ist bislang noch nicht gelungen, auch nicht im Vorfeld der Strafprozessreform 2008. Mit der durch die StPO-Reform bewirkten weiteren Aufwertung der Staatsanwälte wäre es für die Begleitgesetzgebung eine unabdingbare Forderung, dass die Staatsanwälte endlich auch im B-VG ihre Verankerung finden. Trifft dies nur auf die angedachte Sonderstaatsanwaltschaft zu, entsteht unter den Staatsanwälten eine absolut nicht wünschenswerte Zweiklassengesellschaft.

               Grundsätzlich positiv zu sehen ist die erstmals angestellte Überlegung, Staatsanwälte weisungsfrei zu stellen, wenn auch letztlich im Ergebnis wohl nur in Bezug auf die sogenannte negative Weisung. Wie noch zu § 5 anzuführen sein wird, ergibt sich aber aus diesen Bestimmungen ein direktes Weisungsrecht der Bundesministerin für Justiz.

               Kritisch zu sehen ist vor allem auch, dass die StAK völlig außerhalb der normalen staatsanwaltschaftlichen Weisungshierarchie steht, damit nur mehr im Einflussbereich des Bundesministeriums für Justiz ohne jedwede Filterfunktion durch die Oberstaatsanwaltschaften.

               Vorzuziehen wäre daher der im Entwurf angesprochene Alternativvorschlag Sonderstaatsanwaltschaften – etwa im Bereich jeder Oberstaatsanwaltschaft - einzurichten. Solche Schwerpunktstaatsanwaltschaften haben sich in Deutschland insbesondere im Bereich der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität durchaus bewährt; sie stehen innerhalb der Weisungshierarchie, damit letztlich auch unter Aufsicht des dortigen Generalstaatsanwalts und sind nicht direkt dem Justizministerium untergeordnet. In Tschechien wiederum gibt es im Bereich Wirtschaftskriminalität und Korruption bei den dortigen Oberen Staatsanwaltschaften eingerichtete erstinstanzlich agierende spezialisierte Sonderabteilungen.

               Auch mit Blick auf das föderale Prinzip wäre es entgegen § 1 Abs 2 vorzuziehen, dass im Bereich jeder Oberstaatsanwaltschaft eine derartige Schwerpunktstaatsanwaltschaft (bzw Spezialabteilung innerhalb einer bereits bestehenden Staatsanwaltschaft) geschaffen wird. Diese Spezialabteilungen gibt es schon bisher bei größeren Staatsanwaltschaften, und sie haben sich im Bereich der Bekämpfung der Wirtschafts-, Umwelt- und Jugendkriminalität sowie politischer Delikte (Verbotsgesetz etc) bewährt.

               Sollte im Bereich der justiziellen Rechtshilfe und der Zusammenarbeit mit den Justizbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union eine einzige Zen-tralstelle erforderlich sein, so könnte diese im  Wirkungsbereich der Oberstaatsanwaltschaft Wien (etwa bei der Staatsanwaltschaft Wien) angesiedelt werden.

              

Zu § 2

 

               Die vorgesehene personelle Ausstattung reicht mit Sicherheit nicht für den viel zu weit gefassten Zuständigkeitsbereich laut § 3. Zudem sollte darauf gedrungen werden, dass die Behördenleitung eine entsprechende „strafrechtliche“ Praxis aufzuweisen hat.

               Der in Abs 3 angesprochene Grundgedanke, dass auch Personal mit entsprechenden betriebswirtschaftlichen Kenntnissen zusätzlich aufgenommen wird, entspricht im Wesentlichen dem Modell der Deutschen Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Wirtschaftsstrafrecht. Dabei ist aber zu befürchten, dass bei der Honorierung im Staatsdienst nicht damit gerechnet werden kann, dass sich erfahrene und hochqualifizierte Personen, wie sie derzeit in umfangreichen Wirtschaftsprozessen als Buchsachverständige bestellt werden, auf derartige Planstellen bewerben, was aber für eine entsprechende erfolgreiche Bekämpfung der Korruption erforderlich wäre.

               All das wäre aber auch im Rahmen von Schwerpunktstaatsanwaltschaften möglich, wobei der Oberstaatsanwaltschaft Linz ein Teammodell vorschwebt, nämlich ein Gruppenleiter, mehrere Staatsanwälte, mehrere strafrechtliche Sachbearbeiter (Bezirksanwälte bisher), Kanzlei- und Schreibpersonal sowie im Optimalfall qualifizierte Kräfte mit fundierten betriebswirtschaftlichen Erfahrungen.

               Der in Abs 4 gefundene Ansatz, nämlich die eigene budgetäre Ausstattung der StAK, ist neben der Personalhoheit für die nichtrichterlichen Bediensteten schon eine Langzeit-Wunschvorstellung der StaatsanwältInnen und müsste daher vorerst einmal bei den Oberstaatsanwaltschaften realisiert werden.

               § 2 Abs 5 steht wohl in einem Spannungsverhältnis zu § 1 Abs 1. Auch diese Problematik entfiele bei der entsprechenden hierarchischen Einbindung der StAK.

              

Zu § 3

 

               Der bisher gewählte Deliktskatalog ist bei weitem zu umfangreich gefasst und betrifft eine Vielzahl von Delikten, die mit Korruption überhaupt nichts zu tun haben. Abs 1 wäre daher völlig neu zu fassen. Nur beispielsweise sei erwähnt, dass jeder Kreditkartenmissbrauch unter § 153 fällt, ebenso eine Vielzahl an Anzeigen von Problemträgern gegen Amtsorgane unter § 302; gleiches gilt auch für Misshandlungsvorwürfe nach §§ 83, 313 StGB. Die große Zahl der sich nach der bisherigen Zuständigkeitsbestimmung des § 3 Abs 1 ergebenden Fälle könnte mit der vorgesehenen personeller Bedeckung bei weitem nicht bewältigt werden. Vielmehr sollte vom Definitionsansatz der Korruption ausgegangen werden, woraus sich dann ergeben würde, dass einzig Delikte von Bestechung und Bestechlichkeit bzw Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung zu erfassen wären.

               Problematisch ist auch, dass die StAK nach Abs 5 die Möglichkeit hätte, nach Einbringung der Anklage die zuständige örtliche Staatsanwaltschaft mit der weiteren Strafverfolgung (etwa Sitzungsvertretung in der Hauptverhandlung) zu betrauen. Gerade in den Fällen, die von einer Sonderstaatsanwaltschaft mit Spezialkenntnissen behandelt werden, sollte aus Gründen einer effizienten Strafverfolgung der Anklageverfasser die Anklage auch in der Hauptverhandlung vertreten. Andernfalls müsste sich ein weiterer Kollege in eine ihm bis dahin völlig unbekannte Materie neu einlesen, was einer Vergeudung der ohnehin geringen Personalressourcen gleichkommt. Gerade bei Sonderzuständigkeiten komplexen und umfangreichen Verfahren bewährte es sich immer wieder, dass jene Staatsanwälte, die die Anklage verfassten, auch die Sitzungsvertretung übernehmen.

               Abs 6 ist ebenfalls ein typisches Beispiel für die eingangs angesprochene Schaffung einer Zweiklassengesellschaft unter den StaatsanwältInnen, nämlich zwischen jenen der dominierenden StAK und jenen der dieser untergeordneten Staatsanwaltschaften. Für die Lösung von Kompetenzkonflikten wurde keine wirksame Regelung vorgesehen.

 

 

 

Zu § 4

 

               Gegen die geplante „große Kronzeugenregelung“ ist grundsätzlich nichts einzuwenden, stellt sie doch sicherlich die schärfste Waffe gegen Korruption, aber auch organisierte Kriminalität und Terrorismus dar; auch auf die beiden letzteren Bereiche wäre wohl eine entsprechende Kronzeugenregelung, deren inhaltliche Ausgestaltung unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten noch einer breiteren Diskussion zugeführt werden sollte, auszudehnen.

              

Zu § 5

 

               § 5 zeigt, welchen erheblichen politischen Einfluss der jeweilige Justizminister auf die StAK ausüben kann. So ist nach Abs 5 die Bundesministerin / der Bundesminister für Justiz berechtigt, der StAK die Einleitung oder Durchführung von Strafverfahren sowie die Ergreifung von Rechtsmitteln aufzutragen, was aber nichts Anderes ist, als Weisungen im Sinne des bisherigen § 29 Abs 1 StAG zu erteilen, mögen es auch nur sogenannte positive Weisungen sein. Derzeit sind von einer Weisung neben dem Leiter der Oberstaatsanwaltschaft der jeweilige dortige Sachbearbeiter, der Leiter der Staatsanwaltschaft, ein möglicher Gruppenleiter und der sachbearbeitende Staatsanwalt tangiert. Nach dem vorgeschlagenen Modell wäre die bisherige „Filterfunktion“ der Oberstaatsanwaltschaften ausgeschaltet und die Möglichkeit politisch motivierter Weisungen gegenüber dem direkt nur dem BMJ unterstellten Leiter der StAK erleichtert. All diese Aspekte sprechen für die Eingliederung einer derartigen Sonderstaatsanwaltschaft in die bestehende Weisungshierarchie.

               In den Erläuterungen wird nicht näher ausgeführt, warum die StAK nicht unter Aufsicht der Oberstaatsanwaltschaften stehen soll. Während im EU- Bereich der politische Einfluss der Justizministerien auf die Staatsanwaltschaften immer geringer wird, wäre in Österreich durch die direkte Unterstellung der StAK unter das BMfJ (Dienstaufsicht, Möglichkeit von Weisungen in Richtung Einleitung und Fortsetzung der Strafverfolgung …) wohl das Gegenteil der Fall. Da Korruption auch im politischen Bereich nicht auszuschließen ist, entspricht die geplante organisatorische Einbettung der StAK wohl nicht dem internationalen Standard einer wirksamen Korruptionsbekämpfung.

               An Stelle des BMfJ sollte daher die Dienstaufsicht über die StAK schon allein aus „optischen Gründen“ der jeweiligen Oberstaatsanwaltschaft überlassen bleiben.

 

Zu § 6

 

               Das geplante Inkrafttreten mit 1.7.2008 ist jedenfalls verfrüht, weil der bisherige Entwurf noch unausgegoren ist und über einen derartigen sensiblen Bereich eine entsprechende breite Diskussion auf politischer Ebene, aber auch auf Ebene der Fachleute geführt werden sollte.

              

               Insgesamt bietet der Entwurf – auch in Bezug auf weitere Entwicklungen der Staatsanwaltschaften – einzelne positive Ansätze. Die Schaffung einer völlig eigenständigen Staatsanwaltschaft zur Korruptionsbekämpfung, die engmaschig mit dem Justizministerium verbunden ist, wird jedoch der Intention des Entwurfs nicht gerecht.

 

 

Die Leiterin der Oberstaatsanwaltschaft:

Dr. Ulrike Althuber eh.