ÖSTERREICHISCHER

GEMEINDEBUND

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An das

Bundeskanzleramt

Expertengruppe Staats- und Verwaltungsreform

 

Ballhausplatz 2

1014 Wien

Per E-Mail: v@bka.gv.at

Wien, am 17. September 2007

Zl.: B-026/170907/BB,EH,Dr

 

 

Betr.: Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Erstes Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz erlassen wird

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Der Österreichische Gemeindebund erlaubt sich mitzuteilen, dass zu obig angeführtem Bundesgesetz nachstehende Stellungnahme abgegeben wird.

 

Allgemeines

 

Das Regierungsprogramm sieht die Vorbereitung einer umfangreichen Staats- und Verwaltungsreform auf Grundlage des Österreich-Konvents vor, in dem sich der Gemeindebund seinerzeit stark eingebracht hat. Eine wichtige Vorgabe für die Reform war neben der Reform der Kontrolle auch die Beschleunigung der Entscheidungen.

 

Obwohl formell nicht in die nun eingerichtete Expertengruppe eingebunden, hat der Österreichische Gemeindebund unaufgefordert zahlreiche Wünsche und Forderungen der Gemeinden vorgebracht.

 

In vielen Teilen sind die Rechtsbereinigungen des Ende Juli präsentierten Entwurfs unbestritten, allerdings wird die kommunale Selbstverwaltung in ihrem Kern massiv gefährdet. Der Österreichische Gemeindebund lehnt daher jegliche Inhalte des Entwurfes strikt ab, die zu einer Schwächung der Gemeindeautonomie führen würden.

 

Es darf daher insbesondere zu den folgenden Schwerpunkten Stellung genommen werden:

 

 

1.     Gemeindeautonomie

 

Im Regierungsprogramm ist für die Staats- und Verwaltungsreform eine „…Stärkung der Länderautonomie und der Rechtsstellung der Gemeinden…“ vorgesehen, die sich im vorliegenden Entwurf nicht wiederfindet. Im Gegenteil wurden die Rechte der Kommunen im Bereich der Selbstverwaltung eingeschränkt, da der Entwurf eine Abschaffung des zweigliedrigen Instanzenzuges auf Gemeindeebene und der Vorstellung vorsieht. Das einzig zulässige Rechtsmittel soll danach die Berufung unmittelbar an ein Verwaltungsgericht sein, welches nicht nur kassatorisch, sondern auch meritorisch, also in der Sache selbst entscheiden kann.

 

Der Österreichische Gemeindebund lehnt diesen Vorschlag ab, weil er einen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung darstellt. Außerdem ist eine uneinheitliche Rechtssprechung österreichweit und innerhalb der Länder zu befürchten, was ein vermindertes Maß an Rechtssicherheit bewirkt. Durch die Abschaffung des Instanzenzuges auf Gemeindeebene und die meritorische Entscheidungsbefugnis von Landesverwaltungsgerichten wird es keinesfalls zu einer Beschleunigung der Verfahren kommen. Der Gedanke eines verbesserten Rechtsschutzes, wie es sich die Expertengruppe zum Ziel gesetzt hat, wird daher konterkariert.

 

2.     Rolle der Gemeindeaufsichtsbehörden

 

Der Österreichische Gemeindebund ist der Auffassung, dass der Entwurf überdies zu einem Aushöhlung der Gemeindeaufsichtsbehörden führen würde, die damit den Gemeinden nicht mehr in bewährter Weise als Ansprech- und Beratungsstelle zur Verfügung stehen können. In dieser jetzigen Eigenschaft ist die Gemeindeaufsicht allerdings auch ein essentielles Merkmal der Selbstverwaltung und sollte nicht zugunsten einer auf unterschiedliche Organe (Landesverwaltungsgerichte, Landesrechnungshof, Landesregierung) verteilten Kontrolle geopfert werden.

 

3.     Rechnungshofkontrolle

 

In diesem Zusammenhang bekräftigt der Österreichische Gemeindebund seine Position, dass eine Kontrolle von Gemeinden unter 20.000 Einwohner durch den Rechnungshof abgelehnt wird, weil die bisherige Kontrolle durch die Gemeindeaufsicht bereits sehr effektiv, zweckdienlich und  ausreichend ist.

 

4.     Beschwerdeführung der Gemeinden vor den Höchstgerichten

 

Nach den Vorstellungen der Expertenkommission soll der Gemeinde keine Möglichkeit eingeräumt werden, im verbleibenden Aufsichtsverfahren auch vor dem Verfassungsgerichtshof Beschwerde zu führen. Diese Neufassung wird aufgrund der weitreichenden Konsequenzen vom Österreichischen Gemeindebund entschieden abgelehnt.

 

5.     Ergänzende Reform-Forderungen

 

Der Österreichische Gemeindebund nimmt den vorliegenden Entwurf zum Anlass, einige Bestimmungen des B-VG zeitgemäßer, effizienter und realitätsnaher zu gestalten, auf die von der Expertenkommission nicht ausreichend eingegangen wurde. So regt der Österreichische Gemeindebund beispielsweise die Überarbeitung der kommunalen Aufgabenaufzählung im Art 118 Abs 3 B-VG an und fordert die klare Festlegung in der Verfassung, dass Gemeinden gleichberechtigt in das bundesstaatliche Vertragswerk nach Art. 15 a B-VG einbezogen werden.

 

 

Zu den einzelnen Punkten wird näher ausgeführt:

 

Ad 1: Gemeindeautonomie

 

Zu Art. 118 Abs. 4 B-VG

Der Expertenentwurf schlägt die Schaffung von Landesverwaltungsgerichten vor, wogegen im Prinzip nichts einzuwenden ist. Die geplante Entscheidungsbefugnis des Landesverwaltungsgerichts gegenüber Bescheiden des eigenen Wirkungsbereiches reformatorisch, also in der Sache, zu entscheiden, wird strikt abgelehnt. Diese Änderung würde den gröbsten Eingriff in die Selbstverwaltung der Gemeinden seit Bestehen der II. Republik darstellen.

 

Im Interesse der Gemeindeautonomie und unter Beachtung des bisher bewährten Systems der Gemeindeaufsicht ist es für die Gemeinden inakzeptabel, dass staatliche Behörden meritorisch über einen Gemeindebescheid entscheiden können. Dies aus folgenden Gründen:

 

Im Art. 116 Abs 1 B-VG ist das Recht der Gemeinde auf Selbstverwaltung verankert. Das ist ein zentrales Recht der Gemeinden. Die Grundidee der Selbstverwaltung ist mit den Zielsetzungen der Dezentralisierung, der Sachnähe und der demokratischen Legitimation der Entscheidungsträger verknüpft. Ein entscheidendes Merkmal für einen Selbstverwaltungskörper ist die mit der Teilung seines Aufgabenbereiches verbundene Einrichtung eines eigenen Wirkungsbereiches. In diesen Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches besteht eine Unabhängigkeit der Verwaltungsführung gegenüber staatlichen Organen.

 

Bereits bei der Beratung des Entwurfs des Reichsgemeindegesetzes 1862 betrachtete das Abgeordnetenhaus die Einräumung eines Beschwerdezuges gegen Gemeindebescheide an Staatsbehörden als etwas, „was den Grundsätzen eines freien, autonomen Gemeindelebens geradezu widerspräche und die Autonomie zur bloßen Illusion machen würde“. In der Rechtslehre hat sich seit Jahren die Auffassung durchgesetzt, dass die Einräumung eines Rechtsmittels gegen Bescheide von Selbstverwaltungskörpern an staatliche Behörden mit den Grundsätzen der Selbstverwaltung im Widerspruch steht.

 

Auch der Verfassungsgesetzgeber von 1962 hat es mit dem Gedanken der Selbstverwaltung als unvereinbar erachtet, dass das Berufungsrecht in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinden an eine andere staatliche Stelle außerhalb der Gemeinde zulässig ist. Bereits 1962 war die von den Ländern unter dem Aspekt der Prozessökonomie nachdrücklich vertretene Forderung einer reformatorischen Entscheidungsbefugnis mit der Feststellung verworfen worden, dass eine solche unzulässig sei, „sollte der Begriff der Selbstverwaltung nicht in seiner wahren Bedeutung verfälscht werden“. Im Zuge dieser Diskussion darf auch nicht übersehen werden, dass die Ausübung der Rechtsaufsicht durch den Verfassungsgesetzgeber von 1962 bewusst den Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung übertragen wurde.

Nach der derzeitigen Rechtslage kommt den die Selbstverwaltung der Gemeinde kontrollierenden Organen (Gemeindeaufsicht, VfGH, VwGH) zwar die Rechtmäßigkeitskontrolle der Gemeindeverwaltung zu, die Letztverantwortung und das Entscheidungsmonopol bleibt jedoch bei der Gemeinde, mag diese auch an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde und der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts gebunden sein. Eine reformatorische Entscheidungskompetenz der Landesverwaltungsgerichte ist daher nicht nur verfassungsgesetzlich bedenklich, sondern stellt einen unvertretbaren Eingriff in die Gemeindeautonomie dar. Der Österreichische Gemeindebund fordert daher vehement, dass im eigenen Wirkungsbereich ein Rechtszug außerhalb der Gemeinde nur kassatorisch sein darf.

 

Das Vorstellungsverfahren nimmt unter den verfassungsgesetzlich vorgesehenen Aufsichtsmitteln –  als Aufsichtsmittel in der staatlichen Verwaltung einerseits und als Sonderrechtsmittel gegen letztinstanzliche Entscheidungen auf Gemeindeebene andererseits – eine besondere Rolle ein.

 

Die Funktion der Vorstellung als Aufsichtsmittel findet ihren Ausdruck darin, dass sie ein Verfahren ermöglicht, in dem die Aufsichtsbehörden das Aufsichtsziel wahrnehmen können. Einerseits nämlich, indem sie sicherstellen, dass die Gemeinden die Gesetze und Verordnungen bei der Besorgung des eigenen Wirkungsbereiches nicht verletzen, andererseits aber dem Bürger einen individuellen Rechtsschutz ermöglichen, der nicht die Entscheidungsfähigkeit der Selbstverwaltung unterminiert.

 

Für die Durchsetzung dieses Aufsichtszieles reicht es aus, wenn die Aufsichtsbehörden ausschließlich die Kompetenz haben, gemeindebehördliche Entscheidungen im eigenen Wirkungsbereich aufzuheben. Schließlich entspricht es dem Charakter als Aufsichtsmittel, dass die Vorstellungsentscheidung auch insofern Wirkung entfaltet, als die Gemeinde an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde gebunden ist, ihr aber die Besorgung der Aufgaben des eigenen Wirkungsbereiches letztlich nicht abgenommen wird.

Die kassatorischen Entscheidungen im Sinne des Art. 119a Abs. 5 B-VG sind daher wegen der Zurückverweisung an die Gemeinden ein sinnvolles Aufsichtsmittel. Die Vorstellung ist nicht nur Rechtsmittel zum Schutz des Einzelnen vor rechtswidrigen Handlungen der Gemeindeorgane, sie soll auch generell die Gesetzmäßigkeit der Gemeindeverwaltung sicherstellen. Die Vorstellung und das folgende Gemeindeverfahren haben sich in den letzten Jahren als rasch, effizient und bürgernah erwiesen.

 

Folgen des Systemwechsels: höhere Kosten bei längerer Verfahrensdauer

 

Durch das neu konzipierte System würde es auch zu einer finanziellen Mehrbelastung der Gemeinden kommen. Die Rolle der Gemeinde als belangte Behörde in einem kontradiktorischen Verfahren „gegen“ den Bürger als Beschwerdeführer ist aus kommunaler Sicht inakzeptabel. Insbesondere der einfache Zugang bzw. der Umstand, dass die Vorstellung keine Unterschrift eines Rechtsanwaltes benötigt, sind unschätzbare Vorteile des derzeitigen Verfahrens gegenüber der geplanten Änderung. Der jetzige Entwurf würde für die betroffenen „Parteien“ des Verfahrens vermehrte Kosten verursachen, was auch die Hürde für die Rechtssuchenden erhöht. Daher fordert der Österreichische Gemeindebund, dass die Vorstellung in der bisherigen Form beibehalten wird.

 

Mit der Einrichtung der Landesverwaltungsgerichte wird unserer Ansicht nach keine verfahrensbeschleunigende bzw. prozessökonomische Wirkung für die betroffenen Verfahren erzielt. Die fehlende Kenntnis der örtlichen Verhältnisse wird einerseits einen höheren Verfahrensaufwand, aber auch eine längere Dauer verursachen.

 

Abseits aller rechtspolitischen und verfassungsrechtlichen Überlegungen bedeutet die Übertragung der zweitinstanzlichen Entscheidungsbefugnis an die Landesverwaltungsgerichte nicht nur einen tiefen Einschnitt in die Gemeindeautonomie. Es ist zu befürchten, dass damit das Verständnis und die Akzeptanz für den Inhalt dieser Entscheidungen dramatisch sinken werden, was eine deutliche Entdemokratisierung der kommunalen Hoheitsverwaltung und eine Entwertung der kollegialen Organe auf Gemeindeebene (Gemeindevertretung und Gemeindevorstand) hätte. Dies wird entschieden abgelehnt.

 

Der Österreichische Gemeindebund fordert daher, dass der Instanzenzug im eigenen Wirkungsbereich weiterhin innerhalb der Gemeinde endet, da damit die größtmögliche Effizienz erzielt wird.

 

 

Ad 2: Rolle der Gemeindeaufsichtsbehörden

 

Faktische Auswirkungen werden mit hoher Wahrscheinlichkeit im Bereich der Organisation und Aufgaben der jetzigen Gemeindeaufsichtsbehörden zu erwarten sein. Der Wegfall der Vorstellung würde die Gemeindeaufsichtsbehörden von einer ihrer wichtigsten bestehenden Aufgaben entheben.

Die Gemeindeaufsicht als essentielles Merkmal der Selbstverwaltung darf überdies nicht auf ganz unterschiedliche Organe aufgesplittert werden (Landesverwaltungsgerichte, Landesrechnungshof, Landesregierung). Diese Diffusion der Gemeindeaufsicht wird seitens des Österreichischen Gemeindebundes abgelehnt.

 

Mit einer solchen Diffusion wird es unweigerlich zu einem Verlust einer für die Gemeinden zuständigen, weitgehend geschlossenen Organisationseinheit auf Ebene der Ämter der Landesregierungen kommen. Es ist zu befürchten, dass damit nicht nur eine einheitliche Linie der Entscheidungen schwerer erkennbar wird, sondern dass auch die Beratungs- und Unterstützungsleistung für die Gemeinden in vielen Bereichen entfallen.

 

Die Kompensation dieser bisherigen Unterstützung wird nicht nur auf Kosten der Gemeinden erfolgen, überdies wird in vielen Fällen eine Zersplitterung im Bereich der Vollziehung zu erwarten sein, wo bislang eine einheitliche Linie (im Interesse von Land und Gemeinden) auf Landesebene möglich war.

 

Unsere Bedenken im Hinblick auf die Aufweichung der Rechtssicherheit in diesem Bereich wird überdies dadurch gestärkt, dass die in Art. 134 Abs. 2 und 3 formulierten Qualifikationserfordernisse der Mitglieder der Landesverwaltungs-gerichte nicht unbedingt auf eine juristische Ausbildung abstellen.

 

Der Österreichische Gemeindebund spricht sich deutlich gegen die damit drohende Rechtsunsicherheit nicht nur für die betroffenen Gemeinden, sondern auch für die rechtssuchenden Bürger aus.

 

Ad 3: Rechnungshofkontrolle

 

Zu Art. 127c B-VG

Der Entwurf sieht die Möglichkeit vor, dass der Landesgesetzgeber auch die Gemeinden und Gemeindeverbände der Landesrechnungshofkontrolle unterwirft. Die Prüfung von Gemeinden unter 20.000 Einwohnern durch einen Rechnungshof (auf Bundes- oder Landesebene) wird vom Österreichischen Gemeindebund aus den oben angeführten Gründen der Diffusion der Kontrolle abgelehnt. Das System entsprechend der bisherigen Rechtslage (Art 119 a Abs 2 B-VG), wonach die Gebarung der Gemeinde der Kontrolle durch die Aufsichtsbehörde – konkret durch die Landesregierung – unterliegt, hat sich bewährt. Für die Gemeindeaufsicht ist es insgesamt wichtig, Informationen über die Gemeindegebarung zu erhalten und diese Informationen integrativ in die Gemeindeaufsicht insgesamt einzubauen.

 

Die Ausübung der Aufsicht über die Gemeinden wurde durch den Verfassungsgesetzgeber von 1962 bewusst den Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung übertragen. Aufgrund der Tatsache, dass die Landesrechnungshöfe weisungsunabhängige Organe der Landtage sind, stellt die geplante Übertragung der Prüfkompetenz einen inakzeptablen Eingriff in die Gemeindeautonomie dar und wird daher vom Österreichischen Gemeindebund entschieden abgelehnt.

 

Die Expertengruppe war offenbar der Auffassung, dass durch die Klausel des Art 127 c Abs 3 B-VG gewährleistet werden soll, dass Doppelprüfungen von Landes- und Bundesrechnungshof vermieden werden können. Diese Bestimmung ist jedoch weitgehend unbestimmt. Das Gebot, dass sich der Rechnungshof mit den Landeskontrolleinrichtungen abzustimmen hat, um nicht erforderliche Doppelprüfungen zu vermeiden, lässt völlig offen, wie eine solche Abstimmung zu erfolgen hat und vor allem was erforderliche Doppelprüfungen sind und welche nicht erforderlich sind.

 

Weiters ist problematisch, dass, wenn im Zuge einer Gebarungsprüfung durch den Landesrechnungshof bestimmte Mängel festgestellt werden, für diesen keine Möglichkeit besteht, festgestellte Missstände unmittelbar zu beseitigen bzw. die Verantwortlichen in den Gemeinden zur Verantwortung zu ziehen. Dazu würde nur die Gemeindeaufsichtsbehörde durch Anwendung der ihr verbliebenen Aufsichtsmittel in der Lage sein. Die Kontrolle durch den Rechnungshof ist eine ex-post Kontrolle. Der Schwerpunkt der Gebarungsprüfung durch die derzeitige Aufsichtsbehörde liegt allerdings auf der aktuellen finanziellen Situation bzw. auf der zukünftigen Entwicklung vor allem im Hinblick auf die bevorstehenden Investitionen sowie deren Finanzierung. Ein Wegfall der Prüfung durch die Aufsichtsbehörde in der jetzigen Form würde daher den Gemeinden auch unter diesem Aspekt zweifelsohne zum Nachteil gereichen.

 

Der Österreichische Gemeindebund kann in der Bestimmung des Art 127 c des Entwurfes keinerlei Verbesserung der Kontrolle erkennen, wie es in den Motiven der Expertengruppe angeführt ist. Die Bestimmung wird daher massiv abgelehnt.

 

 

Ad 4: Beschwerdeführung der Gemeinden vor den Höchstgerichten

 

Zu Art. 119a Abs.9:

Das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde unterliegt der Einschränkung durch das dem Bund und dem Land zustehende Aufsichtsrecht. Andererseits wurden der Gemeinde auch jene Mittel in die Hand gegeben, um rechtswidrigen aufsichtsrechtlichen Eingriffen begegnen zu können. Aus diesem Grund forderten die Gemeinden während der Verhandlungen über die Neuordnung des Gemeindeverfassungsrechtes im Jahre 1962 auch die rechtliche Möglichkeit, sich gegen unzulässige Eingriffe in die Gemeindeselbstverwaltung zur Wehr zu setzen, um die gesetzmäßige Ausübung des Aufsichtsrechtes zu gewährleisten.

Diese Überlegungen führten dazu, den Art.119a Abs.9 B-VG in die Bundes-Verfassung aufzunehmen, der einerseits der Gemeinde im aufsichtsbehördlichen Verfahren Parteistellung und andererseits ein Beschwerderecht beim Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshof gegen aufsichtsbehördliche Bescheide einräumte.

Nach der derzeitigen Rechtslage erblickt der VfGH im Recht der Gemeinde auf Selbstverwaltung ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht, das er unter seinen Schutz gestellt hat. Der VfGH anerkennt die Selbstverwaltung damit als eine Art „Grundrecht“ der Gemeinde“. Durch den Ausschluss des Rechtsweges an den VfGH gegen hoheitliche Maßnahmen der Gemeindeaufsichtsbehörden wird diesem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht der Gemeinden in erheblichem Maße der Boden entzogen.

 

Dem Wegfall des verfassungsgesetzlich garantierten Rechts auf Selbstverwaltung wird daher seitens des Österreichischen Gemeindebundes vehement widersprochen, da der Rechtsschutz im Bereich der Gemeindeaufsicht bestehen bleiben muss.

 

 

Ad 5: Ergänzende Reform-Forderungen

 

Der Österreichische Gemeindebund hat bereits im Verfahren des Österreich-Konvents wichtige reformatorische Impulse eingebracht, die dort durchaus Gehör fanden und auch ihren Niederschlag im „Fiedler-Entwurf“ gefunden haben. Diese betreffen die Bestandsgarantie der Gemeinde (keine Gemeindezusammenlegung gegen den Willen der Gemeindebevölkerung), die Straffung der Gemeindeaufsicht, die Aufnahme der Daseinsvorsorge und des Katastrophenschutzes in die Aufgabenaufzählung des Art 118 Abs 3 B-VG. Weiters ist es uns nach wie vor wichtig, die Möglichkeit länderübergreifende Gemeindeverbände im Art 116a Abs. 1 zu schaffen und ebenso die Ausdehnung des ortspolizeilichen Verordnungsrechts auf Tatbestände der Gefahrenabwehr zu regeln.

 

Der österreichische Gemeindebund regt eine zeitgemäße textliche Formulierung des Art 118 Abs 2 B-VG an:

 

„Zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde gehören neben der Tätigkeit als Trägerin von Privatrechten all jene hoheitlichen Angelegenheiten der Bundes- und Landesverwaltung, die unter Berücksichtigung der Finanzkraft und der Verwaltungskraft im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der Gemeindebürgerinnen und Gemeindebürger gelegen und geeignet sind, von der Gemeinde innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden. Die Gesetze haben derartige Angelegenheiten ausdrücklich als solche des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde zu bezeichnen“.

 

Der Österreichische Gemeindebund unterstreicht seine bereits im Österreich-Konvent eingebrachte Forderung die Einbeziehung der Gemeinden in das bundesstaatliche Vertragswerk nach Art. 15 a B-VG festzuhalten. Im Interesse der Verwirklichung eines rechtlich strukturierten, paktierten Finanzausgleichs in Form einer staatsrechtlichen Vereinbarung ist die verfassungsrechtlich verankerte Einbindung aller drei Gebietskörperschaften unbedingt erforderlich.

 

Conclusio

 

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass mit dem Entwurf ein seit 1945 beispielloser und verfassungspolitisch inakzeptabler Eingriff in die Gemeindeautonomie erfolgen würde. Seitens des Österreichischen Gemeindebundes werden daher die genannten Punkte wie Prüfkompetenz des Landesrechnungshofes, Abschaffung des gemeindeinternen Instanzenzuges und reformatorische Entscheidungskompetenz der Landesverwaltungsgerichte vehement abgelehnt.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Für den Österreichischen Gemeindebund:

 

Der Generalsekretär:

Der Präsident:

 

 

Hink e.h.

 

Mödlhammer e.h.

vortr. HR Dr. Robert Hink

Bgm. Helmut Mödlhammer

 

 

Ergeht zK an:

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