BUNDESMINISTERIUM FÜR EUROPÄISCHE

UND INTERNATIONALE ANGELEGENHEITEN

VÖLKERRECHTSBÜRO

Federal Ministry for European and International Affairs

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E-MAIL

 

GZ:

BMeiA-AT.8.15.02/0267-I.2c/2007

Datum:

3. September 2007

Seiten:

3

An:

e-Recht@bmf.gv.at

Kopie:

begutachtungsverfahren@parlament.gv.at

Von:

Ges. Dr. Baier

SB:

Dr. Reichard, Ges. Dr. Loidl

DW:

3991

 

BETREFF:   Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Ausfuhrförderungsgesetz für eine österreichische Entwicklungsbank geändert wird; Stellungnahme des BMeiA

 

 

Zu do. GZ BMF-150200/0002-III/2007

vom 9. August 2007

 

 

Es wird angeregt, beim Vorblatt gemäß den Richtlinien des BKA-VD die Punkte „Ziel“ und „Inhalt“ statt dem Punkt „Lösung“ vorzusehen.

 

Es wird darauf hingewiesen, dass die darin vorgenommene pauschale Subsumption der Tätigkeiten der zukünftigen Österreichischen Entwicklungsbank unter „Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ aus ha. Sicht einige europarechtliche Fragen aufwirft, welche aufgrund der vorliegenden Unterlagen nicht abschließend beantwortet werden konnten. Um allf. zukünftigen Einwänden der Europäischen Kommission in beihilfenrechtlicher Sicht entgegenzusteuern, wird daher angeregt, die Subsumption unter „Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ im Lichte nachstehender Ausführungen im Entwurf eingehender zu begründen. Als Beispiel für die weit reichende Wahrnehmung der Prüfungsbefugnis in beihilfen- und wettbewerbsrechtlicher Sicht durch die Kommission können jüngste Pressemeldungen angeführt werden, wonach die steuerrechtliche Stellung der Kirchen in Italien, insoweit sie auch am Wirtschaftsleben teilnehmen, dem Vorwurf der Verletzung der gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen Italiens begegnet ist.

 

Zum Anwendungsbereich der „Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“:

 

Aus europarechtlicher Sicht nicht unmittelbar nachvollziehbar erscheint der in den Erläuterungen angesprochene, jedoch nicht hinreichend klargestellte Einklang mit bzw. Bezug zu den einschlägigen europarechtlichen Normen zu Diensten im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse (Art. 16 EGV) sowie dem EU-Beihilferecht (insb. Art. 86 Abs. 2 EGV).

 

Es könnte insbesondere releviert werden, ob bzw. inwieweit es sich bei den von der geplanten Entwicklungsbank erbrachten Tätigkeiten um Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse iSd Art. 16 u. 86 Abs. 2 EGV („Daseinsvorsorge“/“Gemeinwohlverpflichtungen“) handelt. Zwar verfügen die Mitgliedstaaten laut Erwägungsgrund 7 der EK-Entscheidung Nr. 2005/842/EG nach ständiger Rechtsprechung des EuGH in der Frage, welche Arten von Leistungen als Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse anzusehen sind, über einen großen Ermessensspielraum, es sei denn, es handelt sich um Sektoren, für die es spezielle Gemeinschaftsvorschriften gibt. Außer in den Sektoren, für die es eine Gemeinschaftsregelung gibt, sei es demgemäß daher Aufgabe der Kommission, darüber zu wachen, dass die Definition der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse ohne offenkundige Fehler erfolgt.

 

Unter den genannten Diensten werden aber nach Rechtsprechung und Schrifttum gemeinhin Dienste verstanden, welche sich in den MS selbst entfalten, wobei auch ein sozialer oder karitativer Zweck anerkannt wird[1]. Für die grundsätzliche Binnenrichtung des Anwendungsbereiches spricht auch das oft in diesem Zusammenhang angesprochene Gemeinschaftsinteresse am wirtschaftlichen und territorialen Zusammenhalt[2] („Europäisches Sozialmodell“). Typische solche Dienste dienen der Sicherung der Infrastruktur und der Daseinsvorsorge in den MS.[3] Den einzigen Hinweis auf eine Anwendung auf die außengerichtete Entwicklungshilfe bildet die Aussage, dass sich das „allgemeine Interesse“ auch nach den Zielen und Grundsätzen des EGV richtet[4], zu denen unbestrittener Weise auch die Entwicklungspolitik der Gemeinschaft (Art. 3 Abs. 1 r) EGV) gehört.

 

Während es hinsichtlich der den in Drittländern befindlichen Empfängern der Entwicklungsprojekte gegenüber erbrachten Leistungen fraglich erscheinen könnte, dass sie als im obigen Sinne zum österreichischen Gemeinwohl beitragend einzustufen sind, könnten die von der Entwicklungsbank den österreichischen Unternehmen zur Verfügung gestellte Struktur sowie die von dieser erbrachten Finanzdienstleistungen allenfalls als Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse angesehen werden. Die Aufnahme einer entsprechenden Begründung für diese Auffassung in die Erläuterungen erschiene zutreffendenfalls jedoch zur Vorbeugung diesbezüglicher Einwände seitens der Europäischen Kommission angezeigt.

 

Im Vorblatt wird erwähnt, dass sog. Entwicklungsbanken auch in fast allen anderen europäischen Ländern bestehen. Obwohl von deren gemeinschaftsrechtlicher Konformität ausgegangen wird, kann dies mangels Kenntnis der gewählten rechtlichen Konstruktionen nicht überprüft werden.

 

Zu Anforderungen der EK-Entscheidung Nr. 2005/842/EG:

 

Zu Art. 2 der Entscheidung (Geltungsbereich):

 

Der einzig denkbare Tatbestand für die geplante Österreichische Entwicklungsbank ist lit. a. Eine Überschreitung der Grenze von € 100 Mio. erscheint allerdings aufgrund der hohen Haftungshöchstgrenze in § 3 Abs. 1 AFG sehr wahrscheinlich.

 

Zu Art. 4 der Entscheidung (Öffentlicher Auftrag):

 

Vom AFG in der vorgeschlagenen Fassung scheinen nur lit. a teilweise (Art der Gemeinwohlverpflichtungen) und lit. b sowie lit. c ganz abgedeckt. Dauer der Gemeinwohlverpflichtungen (lit. a) sowie alle genaueren Parameter (lit. d) und lit. e) der geplanten Entwicklungshilfe scheinen nur von § 20 EntwicklungshilfeG (Förderungen) gedeckt. Ein Verweis auf diese Bestimmung fehlt jedoch im Entwurf (in § 9 Abs. 2 letzter Satz wird lediglich auf die Ziele und Prinzipien des EZA-G (somit dessen § 1 Abs. 3 u. 4) verwiesen). Es wird daher angeregt, zusätzlich auf § 20 EZA-G zu verweisen.

 

 

 

Für die Bundesministerin:

H. Tichy

 



[1] Koenig/Kühling in Streinz, EUV/EGV-Kommentar (2003), Art. 86 EGV, Rz.46; Pernice/Wernicke in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Bd. I, Art. 16 EGV, Rz. 2; Enchelmaier in Hailbronner/Willems, Recht der Europäischen Union, Bd. IIII, Art. 86 EGV, Rz. 13.

[2] Pernice/Wernicke in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Bd. II, Art. 86 EGV, Rz. 60.

[3] C. Jung in Caliess/Ruffert, Kommentar zu EU- und EG-Vertrag², Art. 86 EGV, Rz.36.

[4] Pernice/Wernicke, s.o.