An das

Bundesministerium für Justiz

Museumstraße 7

1070 Wien

 

 

 

 

 

 

 

Wiedner Hauptstraße 63 | Postfach 195

1045 Wien

T +43 (0)5 90 900-4239DW | F +43 (0)5 90 900-114239

E  Verena.Varga@wko.at

W  http://www.wko.at/rp

Ihr Zeichen, Ihre Nachricht vom           Unser Zeichen, Sachbearbeiter             Durchwahl                        Datum

BMJ-B12.118/0009-I 5/2007 Rp  660/07/YK/Va/            4014                  25.09.2007

14.08.2007                      Dr. Yoko Kuroki

 

Entwurf eines BG, mit dem die Exekutionsordnung, das Vollzugsgebührengesetz und das Gerichtsgebührengesetz geändert werden (Exekutionsordnungs-Novelle 2008 - EO Nov. 2008), Stellungnahme

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Die Wirtschaftskammer Österreich bedankt sich für die Übermittlung des Entwurfes zur Exekutionsordnungs-Novelle 2008 und nimmt dazu wie folgt Stellung:

 

Grundsätzlich wird eine Modernisierung und Anpassung der Exekutionsordnung an moderne Medien begrüßt. So ist die Versteigerung von Fahrnisgegenständen über das Internet als durchaus positiv zu werden. Eine Beschreibung der Gegenstände sollte jedoch auch bei Vorliegen eines Fotos und der schriftlichen Schätzgutachtens erfolgen. Außerdem sollte die Möglichkeit geboten werden, die Waren vorher zu besichtigen.

 

Im Zusammenhang mit der Onlineversteigerung möchte die WKÖ allerdings darauf hinweisen, dass die Beiziehung eines Verkaufsagenten unter der im Entwurf vorgesehenen Voraussetzung im Verhältnis zu den damit verbundenen Vorteilen für unverhältnismäßig teuer erachtet wird.

 

Die Erleichterung des Zugriffs des Gerichtsvollziehers auf Kraftfahrzeuge und Anhänger wird begrüßt. Wir möchten jedoch in diesem Zusammenhang auf die Gefahr der Pfändung von Leasing-Fahrzeugen aufmerksam machen.

 

Bedenken sind aber insbesondere gegen die Aufschiebung der Zwangsversteigerung unter den in § 203 genannten Voraussetzungen anzumerken. Eine Verzögerung des Versteigerungsverfahrens führt in der Praxis häufig zu einem Wertverlust der betroffenen Liegenschaft.

 

Ablehnend steht die WKÖ der Erlegung eines Kostenvorschusses durch den betreibenden Gläubiger nach § 97a gegenüber.

 

Ebenso wird nicht die Ansicht geteilt, dass sich ein rechtswidriges Verhalten des Dienstbarkeitsberechtigten bei nicht fristgerechtem Erlag des Übernahmebetrages nicht zum Nachteil des Gläubigers ausschlagen kann. Die Übernahme der Dienstbarkeit wird sich in der Regel wertmindernd auf den Schätzwert auswirken. Wenn der Übernahmebetrag in der Folge nicht bezahlt wird, „fehlt“ dieser, ohne dass die Wertminderung ausgeglichen wird. Die WKÖ erlaubt sich, auch hierzu einen Vorschlag zu unterbreiten.

 

Besondere Bedenken bestehen gegen das im Entwurf angesprochene gesetzliche Vorzugspfandrecht. Das für den Bund angestrebte Vorzugspfandrecht im Zusammenhang mit dem Bundes- Umwelthaftungsgesetz steht im krassen Widerspruch zu herrschenden Grundprinzipien. Es bedeutet einen tiefen Einschnitt in das Grundbuchs- und Kreditsicherungsrecht. Die Einräumung weiterer gesetzlicher Vorzugspfandrechte sowie Kreditverteuerungen und gesamtwirtschaftliche Schäden sind zu befürchten. Insgesamt werden auch Private von einem solchen Vorzugspfandrecht massiv betroffen sein. Einer weiteren Aushöhlung des Institutes des Pfandrechtes muss Einhalt geboten werden.

 

Zu der im Entwurf in § 150b enthaltenen Obergrenze für Vorzugspfandrechte der öffentlichen Hand ist zu sagen, dass diese jedenfalls so niedrig wie möglich bemessen werden sollte. Eine Obergrenze von 20 % des Schätzwertes wie im Entwurf vorgeschlagen ist in diesem Zusammenhang jedenfalls zu hoch angesetzt.

 

Zu den einzelnen Bestimmungen ist auszuführen:

 

Ad § 25b

Die Erleichterung des Zugriffs des Gerichtsvollziehers auf Kraftfahrzeuge und Anhänger ist grundsätzlich wünschenswert. Dies birgt jedoch die Gefahr der Pfändung von Leasingfahrzeugen in sich. Aus diesem Grund wäre es sehr wichtig, in der Mitteilung an das Gericht anzuführen, ob es sich im konkreten Fall um ein Leasingfahrzeug handelt. Der Verpflichtete sollte über Name und Anschrift des Leasinggebers befragt werden und dieser Umstand im Pfändungsprotokoll angeführt werden.

 

Ad § 97a

Die Erlegung eines Kostenvorschusses durch den betreibenden Gläubiger wird abgelehnt. Für den Fall der Einführung sollte jedoch eine konkrete Obergrenze eingezogen werden. Gläubiger können in der Regel schwer beurteilen, ob und welche Erträge zu erzielen sind. Ein professioneller Verwalter kann dies in relativ kurzer Zeit und kosteneffizient feststellen. Die WKÖ regt daher an, die bisherige Kostentragungsregelung beizubehalten.

 

Ad § 150 b - Gesetzliches Vorzugspfandrecht:

 

Das für den Bund angestrebte Vorzugspfandrecht steht in krassem Widerspruch zum Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger. Dem Bund stehen in Erfüllung seines öffentlichen Auftrages Mittel der öffentlichen Hand zur Verfügung, weshalb nicht einzusehen ist, warum er besser gestellt werden soll als seine Bürger.

 

Wenn der Vorzug auch gegenüber bestehenden Hypotheken vorgesehen wird, bedeutet die Einführung eines Vorzugspfandrechts einen tiefen Einschnitt in das Grundbuchs- und Kreditsicherungsrecht.

 

Die generelle Einführung einer Betragsgrenze in der EO könnte dazu führen, dass der Materiengesetzgeber dazu veranlasst wird, die Einräumung gesetzlicher Vorzugspfandrechte weiter auszubauen. Würde man im Rahmen des Bundes-Umwelthaftungsgesetzes ein gesetzliches Vorzugspfandrecht zugestehen, würden andere Interessenorganisationen für den von Ihnen betreuten Bereich analoge Regelungen fordern. Man denke nur an das Wasserrecht, das Abfallwirtschaftsgesetz und an zahlreiche einschlägige landesgesetzliche Regelungen, die Anlass bieten würden, eine Gleichstellung zu verlangen, wie etwa die Bauordnungen.

 

Eine Ausdehnung und Vermehrung von Vorzugspfandrechten in welchem Materiengesetz auch immer wird daher von Seiten der WKÖ entschieden abgelehnt.

 

Das Beispiel des konkret genannten Vorzugspfandrechts im Rahmen des Bundes-Umwelthaftungsgesetzes zeigt, dass solche Vorzugspfandrechte regelmäßig dazu führen, dass es zu einer völlig ungerechtfertigten Verlagerung der Lasten kommt:

 

Nicht derjenige ist der Leidtragende dieser Privilegierung der öffentlichen Hand, den grundsätzlich die Haftung trifft, für welche das jeweilige Vorzugspfandrecht als Sicherung dienen soll (zB im Fall des Bundes-Umwelthaftungsgesetzes üblicherweise der Eigentümer einer Liegenschaft, von der eine Verschmutzung ausgeht). Vielmehr werden dessen Hypothekargläubiger geschädigt, weil diese eine Beschneidung ihrer eingeräumten Sicherheiten zugunsten der öffentlichen Hand in Kauf nehmen müssen, obwohl sie mit der Ursache für die Begründung des jeweiligen Vorzugspfandrechts regelmäßig in keinerlei Zurechnungszusammenhang stehen werden. Derartige Konstruktionen, welche auf eine Art „Ausfallshaftung“ der Gläubiger für ihren Schuldner hinauslaufen können, sind unzumutbar!

 

Ein Vorzugspfandrecht der Republik hätte die Konsequenz, dass aus Bankensicht hypothekarische Besicherungen bei der Kreditvergabe an Unternehmen der betroffenen Bereiche nicht mehr als Risikoreduzierung anerkannt werden könnten. Es wäre nicht abschätzbar, in welchem Umfang ein derartiges Vorzugspfandrecht schlagend werden könnte, sodass auch eine Bewertung der Hypothek der Bank nicht möglich wäre. Selbst wenn sich die Bank zur Kreditgewährung gegen hypothekarische Besicherung verstehen würde, müsste diese aufgrund der Anforderungen der Solvabilitätvorschriften außer Ansatz bleiben, was zur Kreditverteuerung für die betroffenen Unternehmen führen muss.

 

Eine weitere Konsequenz wäre auch eine Schädigung des Betriebsinhabers, da von diesem zu bestellende Sicherheiten auf dem Gebiet des Fahrnispfandes im Hinblick auf die angestrebte Regelung mit dem Registerpfand In Anbetracht geplanter Vorzugspfandrechte nur geringer zu bewerten wären. Hiermit sinkt auch die Fähigkeit des Kreditwerbers, entsprechende Sicherheiten zu bestellen und gesamtwirtschaftliche Schäden wären zu befürchten.

 

Weiters ist dabei zu berücksichtigen, dass es sich nicht in allen Fällen bei bestehenden Pfandrechten um eine Bank als Gläubigerin handeln muss. Wie bereits vom Bundesministerium für Justiz richtig erkannt, könnten solche Vorzugspfandrechte auch Private treffen. Hierbei wurde bereits die Frage aufgeworfen, weshalb Privatpersonen belastet werden sollen, wenn der Bund Sicherungsmaßnahmen aufgrund gesetzlicher Regelungen und mit öffentlichen Mitteln vornimmt.

 

Einer weiteren Aushöhlung des Institutes des Pfandrechtes muss Einhalt geboten: So wird bereits jetzt im Zusammenhang mit dem Registerpfandrecht gefordert, dass ein begünstigter Pfandgläubiger im Insolvenzfall einen Beitrag aus der Pfandverwertung an die Masse leisten soll. Würde man auch nach dem Bundes-Umwelthaftungsgesetz die Pfandrechte beschneiden, wäre dies als weiterer Eingriff in fremde Rechtsgüter zu werten und ist daher massiv abzulehnen.

 

Augenscheinlich ist auch, dass das Vorzugspfandrecht mit den Haftungsprinzipien des Bundesumwelthaftungsgesetzes nicht in Einklang zu bringen wäre. Die Haftung liegt nach dem Gesetz primär beim Betreiber und nur subsidiär unter bestimmten zusätzlichen Voraussetzungen beim Liegenschaftseigentümer. Durch das Vorzugspfandrecht würde diese Haftungsabstufung aber zulasten des Liegenschaftseigentümers umgekehrt. Dieser wäre dann offenbar sofort vom Vorzugspfand und den vorstehend angesprochenen wirtschaftlichen Nachteilen betroffen.

 

Sollte der Gesetzgeber vom Vorzugspfand dennoch nicht Abstand nehmen, fordert die WKÖ zumindest die Einführung einer Obergrenze für jegliches bereits bestehende und noch einzuführende Vorzugspfandrecht. Jedenfalls müsste in solchen Fällen bei einer Obergrenze an den Erlös der Liegenschaft und nicht an den Schätzwert der Liegenschaft angeknüpft werden.

 

Die vorgeschlagene Obergrenze von 20% des Schätzwertes der Liegenschaft ist in diesem Zusammenhang zu hoch angesetzt. Denn immerhin setzt § 151 Abs 1 EO das geringste Gebot bei der Versteigerung mit dem halben Schätzwert fest. Dies würde demnach bedeuten, dass Vorzugspfandrechte bis zu 40% (!) des geringsten Gebots (und damit gegebenenfalls des Versteigerungserlöses) ausmachen können. Wenn man überhaupt Vorzugspfandrechte einräumt, dann muss der Grenzwert jedenfalls wesentlich niedriger (!) angesetzt werden.

 

Weiters wäre die Ersichtlichmachung eines gesetzlichen Vorzugspfandrechtes im Grundbuch erforderlich.

 

Ad § 152a Abs 2

 

Die Folge, dass die Dienstbarkeit bei nicht fristgerechtem Erlag des Übernahmebetrages nicht zu übernehmen ist, ist aus Sicht des Hypothekargläubigers nicht ausreichend. Die WKÖ widerspricht den Erläuterungen in dem Punkt, dass sich das rechtswidrige Verhalten des Dienstbarkeitsberechtigten (Erklärung des Übernahmewunsches, jedoch Nichterlag des Übernahmebetrages) nicht zum Nachteil der Gläubiger ausschlagen kann. 

 

Der Wunsch des Netzbetreibers auf Übernahme der Dienstbarkeit ohne Anrechnung auf das Meistbot wirkt sich wertmindernd auf den Schätzwert aus. Wenn der Übernahmebetrag in der Folge aber nicht gezahlt wird, "fehlt" dieser, ohne dass die Wertminderung ausgeglichen wird. Wäre die Dienstbarkeit von vornherein nicht zu übernehmen, dann wären bereits der Schätzwert (und damit das geringste Gebot) höher gewesen.

 

Daher sollte anstelle § 152a Abs 2 eine Ergänzung in § 144 Abs 4 aufgenommen werden, dass der aus der Dienstbarkeit Berechtigte, der erklärt hat, die Übernahme ohne Anrechnung auf das Meistbot zu wünschen, verpflichtet ist, den Übernahmebetrag sofort (also vor der Versteigerung) bei Gericht zu erlegen oder sicherzustellen, ansonsten seine Erklärung unwirksam ist.

 

Ad § 203

 

In § 203 EO ist eine Einschränkung der Zwangsversteigerung dahingehend vorgesehen, dass diese aufzuschieben ist, wenn zur Hereinbringung derselben Forderung entweder

 

- Gehaltsexekution geführt wird und die Forderung daraus voraussichtlich binnen einem Jahr befriedigt werden kann

 

oder

 

- Exekution auf bewegliche Sachen geführt wird und die gepfändeten Sachen die Forderung voraussichtlich decken werden. 

 

Diese Bestimmung könnte sich negativ auswirken, da in der Regel aus Kostengründen nur Teilforderungen eingeklagt werden. Nach Vorliegen eines Exekutionstitels werden gleichzeitig verschiedene Exekutionsmaßnahmen (z.B. Zwangsversteigerung sowie Fahrnis- und Gehaltsexekution) beantragt. Nun könnte der Verpflichtete einwenden, dass voraussichtlich die vollstreckbare Forderung innerhalb eines Jahres aus der Gehaltsexekution bzw. dass diese aus der Fahrnisexekution gedeckt werden kann und damit einen Aufschub der Zwangsversteigerung erzwingen.

 

Dieses Problem stellt sich jedoch nicht nur bei der Einklagung von Teilforderungen, sondern - auch bei Einklagung der Gesamtforderung - immer dann, wenn der Verpflichtete einwendet, dass die vollstreckbare Forderung durch die Gehaltsexekution binnen einem Jahr bzw. durch die Fahrnisexekution gedeckt wird:

 

Das Gericht wird für die Entscheidung und die Prüfung, ob die Behauptungen des Verpflichteten zutreffen, Zeit brauchen. Es wird die Schätzung im Fahrnisexekutionsverfahren abgewartet müssen, die erfahrungsgemäß längere Zeit in Anspruch nimmt.

 

Stellt sich letztendlich heraus, dass die Fahrnis- und die Gehaltsexekution nicht ausreichen, um die vollstreckbare Forderung zu decken, hat der Antrag des Verpflichteten zu einer erheblichen Verzögerung des Versteigerungsverfahrens geführt. Ein rascher Ablauf des Zwangsversteigerungsverfahrens ist aber wichtig, da Liegenschaften im Betreibungsstadium oft massiv an Wert verlieren, zum Beispiel weil die Bewohner bereits aus dem Haus ausgezogen sind und die Liegenschaft unbeaufsichtigt ist (unentdeckte Wasserrohrbrüche, Fenster- oder Dachschäden, etc.).

 

Ad § 274 Abs 2:

 

Es ist fraglich, ob der Grundsatz, dass der Gerichtsvollzieher die Online-Versteigerung nicht selbst durchzuführen hat, sondern dafür einen Verkaufsagenten auswählt, in jedem Fall gerechtfertigt ist. Dies führt zu erhöhten Kosten gegenüber der Versteigerung durch den Gerichtsvollzieher. Es bedarf einer klaren Abgrenzung, wann eine Weitergabe an den Verkaufsagenten generell nicht stattfinden darf, wie zB bei unkomplizierten Fällen, die keine professionelle Abwicklung erfordern.

 

Bei der Abgrenzung hinsichtlich der anfallenden Kosten, nämlich dass kein Verkaufsagent beigezogen werden darf, wenn die für ihn anfallenden Kosten die Hälfte des voraussichtlichen Erlöses übersteigen, weisen wir darauf hin, dass unseres Erachtens auch Kosten bis zur Hälfte des Erlöses schon zu hoch sind. Eine solche Abgrenzung erscheint bei Gegenüberstellung der mit der Befassung eines Verkaufsagenten verbundenen Vorteile einer „professionelleren“ Abwicklung mit dem Nachteil erhöhter Kosten unverhältnismäßig.

 

Ad § 277a Abs 4:

 

Der Bekanntmachung über die Versteigerung ist zumindest ein Foto des Pfandstücks und ein vorhandenes schriftliches Schätzgutachten anzuschließen. Einer Beschreibung der Gegenstände bedarf es – so die EB – in diesem Fall nicht. Es ist nicht ganz verständlich, weshalb auf eine Beschreibung verzichtet werden soll. Eine solche Beschreibung könnte zusätzlich zum Bild durchaus aufschlussreich sein – es sei denn, alle Informationen ergeben sich aus den anderen genannten Angaben.

 

Die Stellungnahme wurde auch an die Adresse „begutachtungsverfahren@parlament.gv.at

elektronisch übermittelt.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

 

 

 

Dr. Christoph Leitl                                                                  Dr. Reinhold Mitterlehner

Präsident                                                                                     Generalsekretär-Stv.