Präs. 1622-3/07

 

 

Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs

zum Entwurf eines Bundesgesetzes,

mit dem die Exekutionsordnung, das Vollzugsgebühren-

gesetz und das Gerichtsgebührengesetz geändert werden

(Exekutionsordnungs-Novelle 2008 - EO-Nov. 2008)

 

 

 

Allgemein ist zu bemerken, dass die Änderungen der großteils noch in der Urfassung bestehenden Bestimmungen über die Zwangsverwaltung nicht allzu große praktische Relevanz haben dürften. Nach den an den OGH herangetragenen Fällen zu urteilen, ist die Ergiebigkeit von Zwangsverwaltungen idR gering.

Daneben werden unsystematisch einzelne „Reparaturen“ diverser anderer Regelungen der EO vorgeschlagen, die - von einzelnen Bestimmungen abgesehen - überwiegend positiv zu beurteilen sind. An sich zu begrüßen ist der Versuch, durch die Ermöglichung der Online-Versteigerung bei der Fahrnisexekution höhere Erlöse zu erzielen.

Im Einzelnen ist auszuführen: 

Zu Art.I Z2: Mit dem geplanten §22a EO wird die Verbindung von Exekutionsverfahren (offenbar analog §187 ZPO) neu eingeführt, ohne deren Wirkungen (außer in §146 Z3a) zu definieren. Diese sollten klargestellt werden.

Zu Art.I Z7. und 8: Überhaupt nichts mit dem Hauptgegenstand der Novelle zu tun haben die geplanten weitreichenden Änderungen in §35 Abs.2 und 4 und §36 Abs.2 und 3. Aus den Erläuterungen wird in keiner Weise deutlich, welcher Regelungszweck und welche Motive hinter diesen Änderungen der seit 1914 bestehenden Rechtslage stecken, die zu einer nicht unbedeutenden Verschiebung von Zivilprozessen von den Bezirksgerichten zu den Gerichtshöfen erster Instanz führen würde. Es wäre eigentlich zu erwarten, dass vor einem solch gravierenden Eingriff erhoben würde, ob und in welchem Umfang dadurch bei größeren Gerichten mehr Richter/Richterinnen eingesetzt werden müssen. In den Erläuterungen bleibt offen, wer hinter dem „allseitig geäußerten Wunsch“ steht; die Zweckmäßigkeit der vorgeschlagenen Änderungen ist jedenfalls sehr zweifelhaft. Aus der exekutionsrechtlichen Literatur (s etwa die führenden Kommentare Jakusch in Angst, EO, §35 Rz76-82; Dullinger in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, §35 Rz72-74) ist das Erfordernis der geplanten Neuregelung nicht abzuleiten.

Berücksichtigt man, dass die wesentlichen Oppositionsgründe („den Anspruch aufhebende oder hemmende Tatsachen“) in der Praxis Zahlung, Aufrechnung und andere Erfüllungsarten sind, und dass zu den Impugnationsgründen u.a. fehlender Eintritt der für Fälligkeit oder Vollstreckbarkeit erforderlichen Tatsachen, fehlende Rechtsnachfolge, Exekutionsverzicht und –stundung und unrichtig berechnete Wertsicherung zählen, bildet die angebliche „Sachnähe“ des Titelgerichts keinen erkennbaren Vorteil.

Ein solcher wäre allenfalls bei der Unterhaltsexekution denkbar, wenn sich die Einwendungen auf eine Änderung der Verhältnisse stützen, und bei Impugnationsklagen gegen Unterlassungsexekutionen, wenn eingewandt wird, dass in Wahrheit der geltend gemachte Verstoß gegen den Exekutionstitel nicht vorliegt; letzteres dann, wenn strittig ist, ob eine bestimmte Handlung noch von einem Exekutionstitel erfasst wird oder nicht. Beschleunigungs- und Vereinfachungseffekte würden aber jeweils voraussetzen, dass in der Geo vorgeschrieben wird, diese Prozesse nach der Geschäftsverteilung zwingend in die Abteilung des Titelverfahrens anzusiedeln. Bei Unterhaltsansprüchen von Kindern gegen ihre Eltern wären die Vorteile wiederum gering, weil die Titel in aller Regel von Rechtspflegern stammen, die nicht über die Exekutionsklagen befinden dürfen. Der angekündigte Vorteil würde bei Adhäsionserkenntnissen von Strafrichtern voraussetzen, dass diese auch für die hier zu behandelnden Zivilprozesse zuständig wären, was wohl kaum den Nachteil aufwöge, dass diese Richter in den Prozessen die ZPO und EO anwenden müssten.

Auch die Gesetzgebungstechnik ist zu beanstanden. Obwohl auch eine Änderung des §1 EO vorgeschlagen wird, wird bei §35 EO offenbar übersehen, dass Exekutionstitel nicht nur im „Prozess“ entstehen können, wenn damit der streitige Zivilprozess nach allgemeinem juristischen Sprachgebrauch gemeint sein soll. Im vorgeschlagenen jeweiligen Absatz 2 ist ohne erkennbare Verbindung zu einer Regelung in §35 Abs.1 und §36 Abs.1 schlicht von „der“ Prozess die Rede, womit anscheinend der Titelprozess gemeint ist. Selbst wenn man darunter auch Außerstreitverfahren und Strafprozesse subsumieren könnte, sind vollstreckbare Notariatsakte und prätorische Vergleiche (siehe §433 ZPO) jedenfalls nicht erfasst, weil sie keinen „Prozess“ voraussetzen.

Noch gravierender scheint aber, dass für Einwendungen gegen aus dem Ausland stammende Exekutionstitel dem in der Regel inländischen Verpflichteten die Möglichkeit genommen wird – sieht man davon ab, dass ihm das Oppositions- und Impugnationsgesuch nach § 40 EO offen steht, wenn er über unbedenkliche Urkunden verfügt - das Erlöschen oder die Hemmung des Anspruchs sowie Anspruchsstundung etc. im Inland geltend zu machen. Auch die Verweisung auf den Rechtsweg nach §40 Abs.2 EO würde – anders als bisher – bei ausländischen Titeln zur Prozessführung in dem betreffenden Land zwingen. Das wiederum erschwerte für das Exekutionsgericht die nach der Rsp erforderliche Beurteilung der allfälligen Aussichtslosigkeit solcher Klagen bei regelmäßig zu erwartenden Aufschiebungsanträgen.

Zu den Änderungen bei der Zwangsverwaltung im Allgemeinen: Die nicht zahlreichen zum OGH gelangenden Fälle dieser Exekution legen die Vermutung nahe, dass deren Effizienz und wirtschaftliche Bedeutung gering ist und die Zwangsverwaltung hauptsächlich als Druckmittel eingesetzt wird. Die verpflichtende Auferlegung eines Kostenvorschusses nach §97a EO neu wird zu einem weiteren Rückgang solcher Verfahren führen.

Zu ArtI. Z 17: Wenn auch zu begrüßen ist, dass das Verfahren zwingend von einem Kostenvorschuss abhängig gemacht wird, wäre zu überlegen, ob ein Schwebezustand und die bei Nichterlag für längere Zeit gegebene Plombierung im Grundbuch in Kauf genommen werden muss. Zu erwägen wäre, den Nichterlag binnen gesetzter Frist als Einstellungsgrund zu regeln, was keine Mehrkosten brächte, aber die sofortige Anmerkung im Grundbuch ermöglichte.

Zu ArtI. Z 44: Ein konkreter anhängiger Fall gibt Anlass zur Überlegung, ob es sinnvoll ist, Zwangsverwaltungen weiterzuführen, die zumindest relativ gesehen nur ganz geringe Überschüsse ergeben. Es ist zu erwägen, ob nicht eine Einstellung für den Fall vorgesehen werden soll, dass nicht einmal 10% (oder 25%) der laufenden Zinsen des betriebenen Kapitals hereinkommen (vgl. die schon älteren Entscheidungen zu diesem Punkt, zit. etwa bei Schreiber in Burgstaller/Deixler-Hübner aaO §129 Rz5). Eine Klarstellung scheint notwendig.

Zur Online-Versteigerung: Sinnvoll wäre wohl auch eine Klarstellung, wie sich die gesetzlichen Regelungen im Verhältnis zu durch den Konsumentenschutz gebotenen AGB von Online-Auktionshäusern verhalten.

Zur Unterlassungsexekution: Die vorgesehenen Neuerungen führen zwingend zu einer Verzögerung und zu einer geringeren Effizienz dieser Exekutionsart. Sie erscheinen nicht erforderlich, weil der OGH ohnehin eine beschränkte Neuerungserlaubnis im Rekursverfahren judiziert (RIS-Justiz RS0110233). Dass es rechtswidrig ist, nicht sogleich über jeden der täglich einlangenden Strafanträge zu entscheiden, hat der OGH ohnehin klargestellt (3Ob2231/96a = ecolex1997, 858 [Wiltschek] = MR1997,268; 3Ob1/98p).

Der Widerspruch ist in der Befriedigungsexekution völlig systemfremd und kostenträchtig. Er käme auch gegen jeden Strafbeschluss in Frage – und damit wiederholt und nicht nur wie bei der EV nur einmal. Einziger erkennbarer Vorteil wäre, dass nicht sofort die zweite Instanz angerufen werden könnte; allerdings ist bei verhärteten Standpunkten wohl oft dennoch mit Rekursen gegen die Widerspruchsentscheidung zu rechnen; jedenfalls bei Herabsetzung der ursprünglichen Strafe müsste auch die betreibende Partei ein Rechtsmittel einbringen können.

Die vorgeschlagene Regel ist im Übrigen insofern unklar, als offen ist, ob Widerspruch auch dann erhoben werden kann, wenn sich die verpflichtete Partei zu einem im Wesentlichen gleichen Strafantrag geäußert hat und deshalb keine Äußerungsmöglichkeit eingeräumt wurde. Die dargestellte Rsp des OGH würde damit obsolet, weil die Widerspruchs-Möglichkeit eine Ausnahme vom Neuerungsverbot überflüssig machte.

Die bisher nicht im Gesetz vorgesehene Begründungspflicht zur Strafhöhe wirft ungeregelte Fragen auf, wenn dem Strafantrag (Gleiches gilt schon für den Exekutionsantrag) kein Vorbringen zu den Strafzumessungsgründen zu entnehmen ist (besonders problematisch ist dabei in jeder Hinsicht die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten); solches ist bisher gesetzlich nicht vorgeschrieben. Offen ist, ob das Gericht zur Ermittlung der Strafzumessungsgründe die Parteien zu vernehmen hat und ob es keine Stampiglien-Erledigung mehr geben soll. 

Die Schwierigkeit der vorgesehenen Prozeduren wird deutlich, wenn man sich – die nicht so seltenen – Verfahren vor Augen hält, in denen an jedem Werktag ein Strafantrag und dann etwa eine Woche später zu jedem davon eine Äußerung und ein Aufschiebungsantrag beim Exekutionsgericht einlangt (wozu wie bisher 14 Tage später die Rekurse in gleicher Anzahl kommen), was die Erledigung der Exekutionsanträge am Tag des Einlangens – wie nach §110 Abs.2 Geo vorgesehen – außer bei Gefahr im Verzug unmöglich macht, aber regelmäßig auch nach Einlangen der Äußerung wegen des nunmehr widersprüchlichen Vorbringens nicht mehr sogleich erlauben wird. Es kommt ja auch vor, dass sich die Verstöße – etwa in Tageszeitungen – täglich ändern. Schon jetzt ist es nicht immer leicht, den Überblick zu behalten. Es ist zu befürchten, dass der Widerspruch totes Recht bleibt, weil
kaum ein Exekutionsrichter eine Strafe verhängen wird, ohne den Verpflichteten vernommen zu haben. Andernfalls geht er das Risiko ein, auch noch eine Vielzahl von mündlichen Verhandlungen durchführen zu müssen.

 

Wien, am 15. Oktober 2007

Hon.-Prof. Dr. Griss