Stellungnahme des ÖAMTC
zum Entwurf des Bundesgesetzes,
mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 (29. KFG-Novelle)
geändert wird
(GZ. BMVIT-170.031/0004-II/ST4/2007)
A. Allgemeines:
Der ÖAMTC bedankt sich für die Übermittlung des vorliegenden Entwurfes und die Gelegenheit zur Stellungnahme.
Im Rahmen dieser Novelle treten vor allem zwei wesentliche Punkte in den Vordergrund, die lange Zeit im Zentrum der Kritik des ÖAMTC standen und nun, zumindest zum Teil, begrüßenswerter Weise umgesetzt werden: die Zählregel in Omnibussen und die Kindersicherungspflicht.
Leider keinen Eingang gefunden hat die von uns bereits mehrfach geforderte Ausdehnung der Schneekettenmitnahmepflicht für Schwerfahrzeuge, wir dürfen diesbezüglich auf Punkt C. dieser Stellungnahme verweisen sowie unsere mehrfach aufgezeigten Novellierungsvorschläge in Erinnerung bringen.
In Zusammenhang mit der bevorstehenden Abschaffung der „Licht am Tag“ – Verpflichtung bedürfen die gesetzlichen Bestimmungen über die unter gewissen Umständen nach wie vor gebotene Lichtverwendung bei Tag Licht einer Überarbeitung und Vereinfachung, um den LenkerInnen ihre Bedeutung zu verdeutlichen. Dies sollte am besten im Rahmen einer ergänzenden Begutachtung geschehen.
B. Besonderer Teil:
Die Einführung der 1:1 Zählregel für den Gelegenheitsverkehr entspricht einer langjährigen ÖAMTC-Forderung und wird ausdrücklich begrüßt. Es ist jedoch die Ausnahmebestimmung hinsichtlich der Zählregel für Omnibusse, die im Kraftfahrlinienverkehr – zumindest solche im Überlandverkehr - eingesetzt sind, weiterhin massiv zu kritisieren. Da rein sachlich keine Unterschiede zu Fahrten mit Omnibussen im Überlandverkehr bestehen, die nicht im Kraftfahrlinienverkehr eingesetzt werden (z.B. Reisebusse), wird erneut gefordert, die bestehende Ausnahme auf jene Omnibusse zu beschränken, die nicht mit Sicherheitsgurten ausgerüstet sind oder zumindest im § 106 Abs. 1 letzter Satz den Zusatz „sofern es sich um keine Überlandfahrten handelt“ aufzunehmen.
Da wir uns der Schwierigkeit der Umsetzung dieser Forderung bewusst sind, schlagen wir als mögliche Alternative vor, in Linienbussen verpflichtend eigene Sitzplätze für Kinder bis zum siebenten Lebensjahr vorzusehen. Der wirtschaftliche Aufwand für diese Maßnahme hielte sich in Grenzen, das Verletzungsrisiko im Falle einer Kollision könnte dadurch jedoch wesentlich gemindert werden.
Da gerade Kinder bei Verkehrsunfällen einem erhöhten Verletzungsrisiko unterliegen, wird jede Ausweitung der Kindersicherungspflicht von uns ausdrücklich begrüßt.
Dennoch sollte auch hier der Sicherheitsfaktor im Vordergrund stehen und verlangen wir daher, eine praxisgerechte Lösung für Taxifahrzeuge vorzusehen. Um den begünstigten Personenkreis zu erweitern wäre kurzfristig auch die verpflichtende Mitnahme von Sitzpolstern in Taxifahrzeugen denkbar.
C. Ergänzungsvorschläge:
Hinsichtlich einer künftigen 30. Novelle des KFG möchten wir an dieser Stelle folgende, bereits in den Stellungnahmen zur 26./27./28 KFG Novelle enthaltenen Forderungen in Erinnerung rufen:
Zu § 82 Abs. 8; Fahrzeug-Standortverlegung:
Der Begriff der „Dauernden Verlegung des Standortes des Fahrzeuges ins Inland“ sollte durch eine exakte Definition im Gesetz klargestellt werden (z. B. für Lenker von Fahrzeugen im Bestand eines ausländischen Unternehmens ist die derzeitige Rechtslage trotz eines entsprechenden Erlasses unklar).
Zu § 99 Abs 1a; Tagfahrlicht in gut beleuchteten Tunnels:
Mit der 25. KFG Novelle wurde die Verpflichtung eingeführt, in Tunnels stets das Abblendlicht einzuschalten. Diese Verpflichtung erscheint dem ÖAMTC in Hinblick auf jene Tunnels oder tunnelartigen Lawinenschutzbauten, in denen bei Tag hinreichende Lichtverhältnisse herrschen, im Ergebnis überzogen. Die Bestimmung sollte daher angepasst werden, wonach nur in Tunnels, die nicht über eine ausreichende Beleuchtung verfügen, das Abblendlicht einzuschalten ist. Begründet wird dies u.a. auch damit, dass Fahrzeuge mit Lichtsensoren (zB Audi A6) automatisch unzureichende Lichtverhältnisse erkennen. Gut ausgeleuchtete Tunnels aktivieren daher nicht zwingend das Abblendlicht. Auch um die Gefahr schikanöser Vollziehung zu vermeiden sollte daher die Bestimmung abgeschwächt werden.
In Zusammenhang mit der in den Medienerklärungen politisch angekündigten Abschaffung der „Licht am Tag“ - Verpflichtung für Lenker mehrspuriger Kraftfahrzeuge verlangen wir erneut ein stärkeres Engagement Österreichs in der EU um eine verpflichtende Ausrüstung sämtlicher neu auf den Markt kommenden mehrspurigen Kraftfahrzeuge mit Tagfahrleuchten zu erreichen. Dies gegebenenfalls in Kombination mit automatischen Dämmerungssensoren, welche bei schlechten Sichtverhältnissen ein automatisches Umschalten auf Abblendlicht ermöglichen.
Alle Nachteile der Verwendung von Abblendlicht (Blendung, Mehrverbrauch, Lampendefekte, Ablenkung) wären dadurch beseitigt, trotzdem ist der Sicherheitsgewinn durch die frühere Erkennbarkeit von dementsprechend ausgerüsteten Fahrzeugen nicht von der Hand zu weisen.
Die ins Auge gefasste Abschaffung der Lichtpflicht macht es unumgänglich, die gesetzlichen Bestimmungen darüber, wann auch bei Tag Licht zu verwenden ist, zu überarbeiten und zu vereinfachen, um den KraftfahrerInnen die Bedeutung der Lichtverwendung unter schwierigen Lichtverhältnissen zu verdeutlichen. Dies sollte am besten im Rahmen einer ergänzenden Begutachtung geschehen.
Aufgrund der durch die 26. Novelle eingeführten Ausnahmebestimmung, dass bei der Verwendung von Abblendlicht tagsüber als Tagfahrlicht die Schaltung wie bei Tagfahrleuchten erfolgen kann (somit Licht nur nach vorne ausgestrahlt werden muss), sind bereits jetzt in der Praxis schwerwiegende Folgen bei plötzlich eintretenden schlechten Sicht-/Lichtverhältnissen zu erkennen. Sehr viele Schaltungen von Abblendlicht als Tagfahrlicht sind derart, dass auch die Armaturenbeleuchtung eingeschaltet ist, obwohl keine Heckleuchten Licht nach hinten ausstrahlen. Treten nun auf Fahrten bei Tag plötzlich schlechte Lichtverhältnisse (z.B. Einfahren in eine Nebelwand) oder gar beinahe Dunkelheit (wie leider noch immer in vielen Tunnels) ein, bedenken viele Lenker aufgrund des eingeschalteten Abblendlichts und der Armaturenbeleuchtung nicht, dass kein Licht nach hinten ausgestrahlt wird und betätigen daher nicht die normale Schaltung für Abblendlicht. Gerade aber dieser Umstand kann bei mangelhaften Sichtverhältnissen hinsichtlich des Folgeverkehrs schwerwiegende Auswirkungen haben, wenn die Vorderfahrzeuge zu spät erkannt und dadurch Auffahrunfälle verursacht werden.
Der ÖAMTC verlangt daher, die Verwendung von Tagfahrleuchten oder die Schaltung „Abblendlicht als Tagfahrlicht“ ohne Heckleuchten nur dann zu erlauben, wenn die Fahrzeuge mit automatischen Lichtsensoren ausgestattet sind, die bei schlechten Lichtverhältnissen bzw. Dunkelheit sofort die normale Schaltung für Abblendlicht (somit zusätzlich die vorderen Begrenzungsleuchten und die Heckleuchten) aktivieren.
Zu § 102 und 103; Kettenmitnahmeverpflichtung für LKW über 3,5 t:
Im Hinblick auf die alljährlich festzustellenden schweren Unfälle von LKW auf glatten Straßen bzw die massiven Verkehrsbeeinträchtigungen durch hängen gebliebene LKW auf Schneefahrbahnen sollte eine Kettenmitnahmeverpflichtung für LKW über 3,5 t in der Zeit vom 1. Oktober bis 30. April normiert werden. Gerade der Winter 2005/2006 hat bewiesen, dass der gegenwärtig normierte Zeitraum für die Mitnahmepflicht von Schneeketten bei verfrühtem oder verspätetem Wintereinbruch nicht den angestrebten Sicherheitszuwachs bringt.
Zu § 102 Abs. 2; Einschalten der Alarmblinkanlage:
Unter gewissen Umständen (z. B. bei Stillstand der Fahrzeuge nach einem Verkehrsunfall oder bei einer Panne, auf Autobahnen etc.) soll das Einschalten der Alarmblinkanlage nicht bloß erlaubt, sondern verpflichtend vorgeschrieben sein. In diesem Zusammenhang wird auch eine gesetzliche Klarstellung im Falle des Abschleppens von Fahrzeugen gefordert. Auf Autobahnen und anderen Schnellverkehrstraßen geht vom langsamen Abschlepp-Gespann infolge hoher Geschwindigkeitsdifferenz eine Gefahr aus, die das Einschalten der Alarmblinkanlage jedenfalls rechtfertigen kann.
Zu § 103 Abs. 2; Bürgerfreundliche Lenkerauskunft gegenüber Behörden:
Diese Bestimmung sollte i. S. einer fairen und bürgerfreundlicheren Gesetzgebung reformiert werden, so dass künftig Nachbesserungen bei nicht offenkundig vorsätzlich unvollständigen oder unklaren Auskünften straffrei möglich sein werden (vgl. dazu die divergierende Rechtssprechung). Insbesondere sollte daher eine Verpflichtung der Behörde im KFG verankert werden, einen Verbesserungsauftrag (analog § 13 Abs. 3 AVG) mit angemessener Fristsetzung zu geben. Überdies sollte gesetzlich klar vorgegeben werden, dass bereits im Stadium der Lenkerauskunft Akteneinsicht gewährt werden muss, um unnötige Verfahren zu vermeiden. Eventuell könnte noch im Stadium der Lenkerauskunft die Möglichkeit zur nachträglichen Zahlung einer Anonymverfügung geboten werden.
Wie unbefriedigend die derzeitige bürgerfeindliche Handhabung der gesetzlichen Auskunftspflicht zu beurteilen ist, wird durch zwei Entscheidungen des EGMR verdeutlicht:
Sowohl im Fall Weh gg. Österreich (ÖJZ-MRK 2004/24) als auch Rieg gg. Österreich (63207/00 vom 24.6.2005) haben die Zulassungsbesitzer die Lenkerauskunft nicht verweigert, sondern eine unvollständige Adresse der Lenker angegeben. In beiden Fällen haben alle Strafinstanzen (inkl. VfGH und VwGH) die Bestrafung bestätigt und der EGMR keine Verletzung von Art 6 Abs. 1 MRK festgestellt. Durch die vom ÖAMTC vorgeschlagene Verpflichtung zu einem Verbesserungsauftrag i. S. d. § 13 Abs. 3 AVG könnte in zahlreichen Fällen eine Bestrafung wegen Verletzung der Auskunftspflicht vermieden werden.
Zu § 134 Abs. 1; Strafrahmen:
Auf die bereits im Rahmen der Stellungnahme zur 26. Novelle gestellten Forderung nach einem bundeseinheitlichen, differenzierten System von Regelbußen - anstelle zum Teil absurd hoher Strafdrohungen auch für geringfügige Übertretungen - wird erneut hingewiesen.
Thematisch zum KFG gehörig:
Herauslösen der Thematik der Fahrausbildung aus dem KFG:
Die Lenkerausbildung sollte endgültig aus dem KFG ausgelagert und in das FSG oder ein eigenes (längst fälliges) Fahrausbildungsgesetz integriert werden.
Auch die Qualitätssicherung in der Fahrausbildung (Fahrschulen, Prüfung) sollte Berücksichtigung finden.
Mag. Alexander Letitzki
ÖAMTC-Rechtsdienste