Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Ich nehme Bezug auf den Gesetzesentwurf, mit dem u.a. die Rechtsanwaltsordnung und das Rechtsanwaltsprüfungsgesetz geändert werden sollen (Berufsrechts-Änderungsgesetz 2008 – BRÄG 2008; BMJ-B16.800/0003-I 6/2007).

 

Als Rechtsanwaltsanwärter, der kurz vor der Rechtsanwaltsprüfung steht (voraussichtlich 2008) und unter dem "alten" Studienplan (Diplomstudium nach dem Bundesgesetz vom 2. März 1978, BGBl. Nr. 140, über das Studium der Rechtswissenschaften, des Magisteriums der Rechtswissenschaften idF BGBl 1982/322, 1985/523; Sponsion im Herbst 2000) mit zwei Abschnitten, wobei Europarecht und Finanzrecht noch alternativ zu wählende Wahlfächer waren, melde ich starke rechtliche Bedenken gegen die geplante Änderung des § 3 RAO (insb. Abs 2) und § 2 Abs 1 RAPG in der derzeit geplanten undifferenzierten Fassung an:

 

Der im Gesetzesentwurf neu gefasste § 3 RAO soll wie folgt lauten:

 

Abs 1: Das zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft erforderliche Studium des österreichischen Rechts ist an einer Universität zurückzulegen und mit einem rechtswissenschaftlichen akademischen Grad abzuschließen, wobei diesem auch mehrere Studien (§§ 54 ff Universitätsgesetz 2002) zu Grunde liegen können. Die Mindeststudiendauer hat wenigstens vier Jahre mit einem Arbeitsaufwand von zumindest 240 ECTS-Anrechnungspunkten zu betragen. Ein ECTS-Anrechnungspunkt hat dabei jedenfalls einem Arbeitspensum von 25 Echtstunden zu entsprechen.

Abs 2: Im Rahmen des Studiums nach Abs. 1 sind nachweislich angemessene Kenntnisse über folgende Wissensgebiete zu erwerben:

1.         Grundlagen des Rechts einschließlich des allgemeinen Völkerrechts (Arbeitsaufwand insgesamt zumindest 20 ECTS-Anrechnungspunkte),

2.         österreichisches bürgerliches Recht (Arbeitsaufwand zumindest 25 ECTS-Anrechnungspunkte),

3.         österreichisches Unternehmensrecht (Arbeitsaufwand zumindest 10 ECTS-Anrechnungspunkte),

4.         österreichisches Zivilverfahrensrecht (Arbeitsaufwand zumindest 10 ECTS-Anrechnungspunkte),

5.         österreichisches Straf- und Strafprozessrecht (Arbeitsaufwand zumindest 17 ECTS-Anrechnungspunkte),

6.         österreichisches Verfassungsrecht einschließlich der Grund- und Menschenrechte (Arbeitsaufwand zumindest 10 ECTS-Anrechnungspunkte),

7.         österreichisches Verwaltungsrecht einschließlich des Verwaltungsverfahrensrechts (Arbeitsaufwand zumindest 10 ECTS-Anrechnungspunkte),

8.         Europarecht (Arbeitsaufwand zumindest 7 ECTS-Anrechnungspunkte),

9.         österreichisches Arbeits- und Sozialrecht (Arbeitsaufwand zumindest 7 ECTS-Anrechnungspunkte),

10.       österreichisches Steuerrecht (Arbeitsaufwand zumindest 5 ECTS-Anrechnungspunkte),

11.       Betriebswirtschaftslehre und/oder Finanzwissenschaften und/oder Volkswirtschaftslehre (Arbeitsaufwand zumindest 10 ECTS-Anrechnungspunkte) sowie

12.       gegebenenfalls sonstige rechtswissenschaftliche Wissensgebiete.

Der Arbeitsaufwand für die vorstehend angeführten Wissensgebiete hat insgesamt zumindest 200 ECTS-Anrechnungspunkte zu betragen, wobei auf rechtswissenschaftliche Wissensgebiete zumindest 150 ECTS-Anrechnungspunkte zu entfallen haben. Der Nachweis der Kenntnisse ist durch positiv abgelegte Prüfungen und/oder positiv beurteilte schriftliche Arbeiten einschließlich der Arbeit nach Abs. 4 zweiter Satz zu erbringen, wobei der Gegenstand der Prüfung oder Arbeit jeweils auch mehreren Wissensgebieten entnommen sein kann.

Abs 3: Soweit nicht Abs. 5 zur Anwendung kommt, erfolgt die Anrechnung von nicht im Rahmen des Studiums nach Abs. 1 abgelegten Prüfungen nach § 78 Universitätsgesetz 2002. Erforderlichenfalls können entsprechende Prüfungen abgelegt werden.

 

In § 2 Abs 1 RAPG soll die Wendung "Erlangung des Doktorates der Rechte oder, für Absolventen des Diplomstudiums nach dem Bundesgesetz vom 2. März 1978, BGBl. Nr. 140, über das Studium der Rechtswissenschaften, des Magisteriums der Rechtswissenschaften" durch die Wendung "Abschluss eines Studiums des österreichischen Rechts (§ 3 RAO)" ersetzt werden

 

Der Studienplan, welcher für mich und viele andere Konzipientenkollegen, gegolten hat, waren Europarecht und Finanzrecht (Steuerrecht) noch keine Pflichtfächer. Man konnte aber eines der beiden als Wahlfach wählen - ich hatte zB Finanzrecht. Sollten die geplanten Änderungen ohne Übergangsregelungen bzw. Ausnahmen für Rechtsanwaltsanwärter, welche unter diesem alten Studienplan studierten, umgesetzt werden, würde das - wenn ich den Gesetzesentwurf richtig verstehe - bedeuten, dass wir nicht wie gewohnt zur Rechtsanwaltsprüfung antreten können bzw. Rechtsanwalt werden können: unter "unserem" Studienplan konnte man nicht Prüfungen sowohl aus Europarecht als auch zusätzlich aus Steuer-/Finanzrecht machen! Es muss daher jedenfalls auch Vorsorge dafür getragen werden, dass diejenigen Konzipienten, für welche noch der alte Studienplan galt, wie gewohnt zur Rechtsanwaltsprüfung antreten können. Allfällige "Zusatzprüfungen" wie von der Neufassung des § 3 RAO Abs 3 für Konzipienten aus dem alten Studienplan, die nicht Prüfungen sowohl aus Europarecht als auch zugleich aus Steuer-/Finanzrecht absolvieren konnten, sind jedenfalls unnötig (weil die Fächer sowieso im Rahmen der Rechtsanwaltsprüfung geprüft werden) und (verfassungs)rechtlich höchst bedenklich. Dies würde eine nicht zulässige Schlechterstellung gegenüber Rechtsanwaltsanwärterkollegen, für die der neue Studienplan gilt, bedeuten, weil diese keine Zusatzprüfungen machen müssten. Dass das alte rechtswissenschaftliche Studium nicht gleichwertig mit dem neuen sein sollte, kann wohl niemand behaupten. Es muss daher klargestellt werden, dass die Neuerungen nur für diejenigen Konzipienten gelten würden, die nach dem neuen Studienplan studierten und diesbezüglich Übergangsbestimmungen eingefügt werden!

 

Mit der Bitte um Berücksichtigung bei der Überarbeitung des Gesetzesentwurfes bzw. Klarstellung verbleibe ich

 

hochachtungsvoll,

 

 

Dr. Stefan Wrbka