a. Univ.-Prof. Dr. Peter G. Mayr

Institut für Zivilgerichtliches Verfahren

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Innsbruck, am 12. Oktober 2018

 

 

 

Stellungnahme zum Entwurf eines

Berufsrechts-Änderungsgesetzes 2008

(BRÄG 2008; Zl. BMJ-B16.800/0003-I 6/2007)

 

 

 

I. Allgemeines:

Vorweg möchte ich betonen, dass ich es grundsätzlich für eine bedenkliche Entwicklung halte, wenn nunmehr offenbar die Berufsvertretungen – formal selbstverständlich über den Gesetzgeber, aber letztlich doch sie – den Universitäten diktieren, was an den Universitäten gelehrt werden soll und was nicht. Wenn die wissenschaftliche Berufsvorbildung an den Universitäten tatsächlich entgegen dem gesetzlichen Auftrag (vgl. § 3 Z 3 UG 2002) für die Ausübung bestimmter Berufe nicht geeignet sein sollte – wofür allerdings bislang noch jeder Beweis fehlt – so ist diesem Missstand vorerst mit den bereits vorhandenen Einrichtungen und Mitteln zu begegnen. So müssten die Berufsvertretungen in erster Linie bei der Ausarbeitung der universitären Curricula (– in welche sie verpflichtend eingebunden werden –) danach trachten, dass diese entsprechend ausgestaltet bzw. erforderlichenfalls abgeändert werden. Sollte diese Mitwirkung nicht den gewünschten Erfolg zeitigen (– wofür es jedenfalls aus Innsbrucker Sicht keinerlei Anzeichen gibt –), so könnten die Berufsvertretungen immer noch im Rahmen ihres Wirkungsbereichs (und ihren Berufsordnungen) dafür sorgen, dass die Berufsanwärter in einer Art und Weise ausgebildet werden, wie es die Standesvertretungen wünschen. Erst wenn alle diese Maßnahmen tatsächlich nicht greifen sollten, könnte man daran denken, die universitäre Juristenausbildung etwa wieder in Form eines einheitlichen Studiengesetzes neu zu regeln. Dass nunmehr vorschnell (zu einem großen Teil) in den Berufsordnungen geregelt werden soll, wie das Universitätsstudium auszugestalten ist, halte ich für einen sachlich nicht gerechtfertigten Eingriff in die Universitätsautonomie (und außerdem für eine Verletzung der Ressortzuständigkeit), die entschieden abgelehnt werden muss.

Sollte der Gesetzgeber allerdings ungeachtet aller Bedenken, diese Novelle beschließen, so müsste jedenfalls auch – wie dies an mehreren Stellen der Erläuterungen angedeutet und auch im Entwurf des ABAG (§§ 1 und 3) vorgesehen wird – das Richterdienstgesetz (RDG) entsprechend angepasst werden.

Näher geprüft werden müsste außerdem, welche Auswirkungen die neue Studienlandschaft auf das Rechtspraktikantengesetz (RPG) hat. Dort heißt es nämlich in § 1, dass die Gerichtspraxis grundsätzlich (siehe § 25 RPG) nur für Personen offen steht, die „zur Führung des akademischen Grades eines Magisters der Rechtswissenschaften berechtigt sind“.

Eine Anpassung benötigt übrigens auch etwa das OGH-Gesetz, da in dessen § 3 Abs. 4 ausdrücklich noch auf die alte juristische Studien- und Staatsprüfungsordnung und auf das Studiengesetz von 1978 Bezug genommen wird (vgl. auch § 14 Abs. 4 OGHG).

 

 

II. Zu den Änderungen der Notariatsordnung (Art. II):

 

1. Es ist schon mehrfach darauf hingewiesen worden, dass die Voraussetzungen für die Erlangung einer Notarstelle, also insb. die Anordnungen des § 6 NO, grundsätzlich neu gestaltet werden müssten (siehe etwa Mayr, Anmerkungen zum Notariatsprüfungsgesetz, NZ 1988, 121 ff und Mayr, Die österreichische Juristenausbildung2 [1998] 146 f). Leider wird im vorliegenden Entwurf jedoch wiederum keine grundlegende Reform – nämlich klare Trennung der Voraussetzungen für die Ausübung des Notarsberufs von jenen Umständen, die bei der Besetzung einer Notarstelle zu berücksichtigen sind – vorgenommen, sondern nur Detailanpassungen vorgeschlagen. Die Widersprüchlichkeit der geltenden Rechtslage wird deutlich, wenn man bedenkt, dass einerseits in § 6 Abs. 1 lit d NO eine siebenjährige einschlägige praktische Verwendung zur Erlangung einer Notarstelle vorausgesetzt wird. Von dieser siebenjährigen Praxiszeit sind andererseits jedoch gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 NO mindestens drei Jahre als Notariatskandidat nach Ablegung der Notariatsprüfung zu verbringen und gemäß § 2 Abs. 1 NPG kann die zweite Teilprüfung der Notariatsprüfung frühestens nach zwei Jahren und sechs Monaten praktischer Verwendung als Notariatskandidat abgelegt werden, sodass nach diesen beiden Bestimmungen bereits fünf Jahre und sechs Monate zwingend als Notariatskandidat verbracht werden müssen. Dazu kommt, dass nach § 117a Abs. 1 NO in die Notariatskandidatenliste nur eingetragen werden darf, wer mindestens neun Monate Gerichtspraxis zurückgelegt hat. Es bleiben somit überhaupt nur neun Monate auf die verlangten sieben Praxisjahre übrig. Auf diese restlichen neun Monate Praxis – welche die fachliche Qualifikation des Bewerbers sicherstellen sollen(!) – sind dann nach § 6 Abs. 3 NO noch diverse Zeiten – z.B. Wehr- oder Zivildienstzeiten (!) – bis zu einem Höchstausmaß von jeweils (!) einem Jahr anzurechnen. Ein weiterer Kommentar ist hier wohl überflüssig!

 

2. Unverständlich ist, warum nicht die Vorschrift des § 6 Abs. 5 NO endlich ersatzlos aufgehoben wird. Nach der genannten Bestimmung kann ausnahmsweise auch ein Bewerber mit nur vier Jahren an praktischer Verwendung – davon mindestens zwei Jahre als Notariatskandidat – zum Notar ernannt werden. Diese Bestimmung mag vor langer Zeit, als es noch an geeigneten Bewerbern um eine Notarstelle gemangelt hat, ihre Berechtigung gehabt haben, ist aber jetzt, wo Kandidaten bei der erstmaligen Ernennung zum Notar regelmäßig eine Praxiszeit von (weit) über zehn Jahre aufweisen, längst obsolet. Außerdem muss – wie oben dargelegt – derzeit ein Absolvent der Notariatsprüfung bereits mindestens eine Notariatspraxis von zwei Jahren und sechs Monate zurückgelegt haben. Die genannte Bestimmung kann somit nur bei Berufswechslern eine Rolle spielen. Sollte aber einer solchen Person aus einem anderen Juristenberuf tatsächlich bereits nach zwei Jahren einschlägiger Notariatspraxis die selbständige Führung eines Notariats anvertraut werden?

 

3. Durch Art. XIII § 17 BRÄG 2006 ist mit Ablauf des Jahres 2006 der § 1 der Verordnung des BMJ vom 15. 2. 1928, BGBl. Nr. 47, über die Einrichtung und Führung der Verzeichnisse der Notare und Notariatskandidaten, aufgehoben worden. Tatsächlich sollte aber diese Verordnung (abgedruckt bei Mayr, Juristenausbildung2, 181 f oder Wagner/Knechtel, Notariatsordnung6, 731 f) schon längst insgesamt aufgehoben und durch eine moderne Rechtsquelle ersetzt werden. Es sei in diesem Zusammenhang nur darauf hingewiesen, dass in § 2 und in § 3 dieser Verordnung immer noch (ausschließlich) die „juridischen Staatsprüfungen“ genannt und etwa noch die Richteramts- und Rechtsanwaltsprüfung angeführt werden, obwohl diese Prüfungen (ohne einschlägige Ergänzungsprüfungen nach dem BARG) schon lange nicht mehr zum Notariatsberuf befähigen, also insgesamt ein Anpassungsbedarf besteht.

Ebenso sollten (auch im Sinne einer Rechtsbereinigung) endlich die Verordnungen des BMJ vom 31. 12. 1884 (!) und vom 31. 10. 1887 (!) sowie der Erlass des BMJ vom 31. 10. 1887, Zl. 9172 (siehe dazu VfSlg 8570), hinsichtlich des Besetzungsvorgangs (abgedruckt bei Mayr, Juristenausbildung2, 183 ff oder Wagner/Knechtel, Notariatsordnung6, 732 ff) aufgehoben und durch moderne Rechtsquellen ersetzt werden. Es ist mir unerklärlich, warum dies nicht schon längst geschehen ist und jetzt offenbar wiederum nicht geplant ist.

 

 

III. Zu den Änderungen des Berufsprüfungs-Anrechnungsgesetzes (Art. III):

 

1. Wenn die unter der Z 8 vorgeschlagene Änderung des früheren § 5 BARG (nunmehr § 13 ABAG) Gesetz werden sollte, so muss man sich im Klaren sein, dass damit die – sonst oftmals so gerne beschworene – Verbindung zwischen Theorie und Praxis bei den Universitätslehrern weiter erschwert und praktisch unmöglich gemacht wird (vgl. schon Mayr, Juristenausbildung2, 251). Überhaupt ist eine Verwirklichung dieses Vorschlags nur unter der Voraussetzung denkbar, dass gleichzeitig tatsächlich (wie vorgeschlagen: siehe unten Pkt. V) die §§ 21 RAPG und 21 NPG aufgehoben werden. Andernfalls müsste nämlich der Prüfer eines Kandidaten, dem das Rigorosum auf die Berufsprüfung angerechnet wird, selbst aber diese Prüfung ablegen.

 

2. Nach § 516 Abs. 4 StPO idF des (noch in Begutachtung befindlichen) Strafprozessreformbegleitgesetzes bleiben am 31. 12. 2007 bestehende Eintragungen in die Verteidigerliste aufrecht (vgl. auch Art. XVII § 13 des vorliegenden Entwurfs). Durch eine Ergänzung (etwa) des § 13 ABAG oder (zumindest) durch entsprechende Ausführungen in den Gesetzesmaterialien müsste klargestellt werden, dass – wie bisher (siehe OGH SZ 8/331 oder Mayr, Juristenausbildung2, 127 und 244) – Personen, die (aus welchem Rechtsgrund auch immer) gültig in die Verteidigerliste eingetragen sind, keine Berufsprüfung aus Straf- und Strafprozessrecht mehr ablegen müssen.

 

 

IV. Zur Änderung des Gerichtsorganisationsgesetzes (Art. VIII):

 

Die geplante Änderung des Gerichtsorganisationsgesetzes sollte zum Anlass genommen werden, um einige notwendige Anpassungen dieses Gesetzes vorzunehmen, die bei den bisherigen Novellierungen übersehen worden sind. So wären etwa die Ziffern 7a (siehe §§ 20 und 39 GebAG), 10 und 11 (siehe § 7a Abs. 3 JN) des § 37 Abs. 1 GOG aufzuheben. Ferner muss in § 56 Abs. 2 GOG das Wort „Todfallsaufnahmen“ gestrichen werden (siehe § 145 AußStrG).

 

 

V. Zu den Änderungen des Notariatsprüfungsgesetzes (Art. X) und des Rechtsanwaltsprüfungsgesetzes (Art. XI):

 

1. Die Anrechnung von Prüfungsfächern des Rigorosums des rechtswissenschaftlichen Doktoratsstudiums auf die praktischen Juristenprüfungen war schon bisher – worauf bereits mehrfach hingewiesen worden ist – wegen der unterschiedlichen Zielsetzung und Aufgabenstellung dieser Prüfungen sachlich nicht gerechtfertigt (siehe etwa Mayr, Juristenausbildung2, 129, 174). Diese (lediglich historisch erklärbare) Anrechungsmöglichkeit führte (u.a.) zu einem verstärkten Andrang zum Doktoratsstudiums durch Personen, die dazu nicht unbedingt die notwendigen Voraussetzungen mitbringen und zu einer Konzentration der Rigorosen des Doktoratsstudiums auf ganz bestimmte (anrechenbare) Fächer. Nachdem nunmehr der Unterschied zwischen den (bewusst theoretisch-wissenschaftlichen) Rigorosen und den (bewusst praxisorientierten) Berufsprüfungen durch die Neufassung der Prüfungsfächer in § 20 RAPG und § 20 NPG besonders herausgestrichen werden soll, ist jetzt eine Aufrechterhaltung der Anrechnungsmöglichkeit noch weniger zu rechtfertigen.. Die ersatzlose Beseitigung dieser Möglichkeit wird daher nachdrücklich befürwortet.

Nicht zutreffend ist allerdings die Behauptung in den Gesetzesmaterialien (zu § 21 RAPG), dass von dieser Ausnahmeregelung „in Laufe der Zeit immer weniger Gebrauch gemacht werden konnte“. Ganz im Gegenteil: Wie meine jahrelangen Erhebungen über die Ergebnisse der praktischen Juristenprüfungen ergeben haben (zugänglich gemacht unter www.uibk.ac.at/zivilverfahren/statistik), machen nach wie vor eine große Anzahl von Berufsanwärtern von dieser (attraktiven) Befreiungsmöglichkeit Gebrauch (z.B. im Jahre 2006 nicht weniger als 117 Kandidaten der Rechtsanwaltsprüfung). Gerade dieser Umstand verstärkt jedoch die Forderung nach einer (möglichst baldigen) Abschaffung.

Spezielle Übergangsvorschriften halte ich nicht für notwendig: Alle Personen, die berechtigt sind, die Berufsprüfung noch nach den alten Bestimmungen abzulegen, können auch noch von der Anrechungsmöglichkeit des § 21 RAPG bzw. § 21 NPG Gebrauch machen; für jene Personen, die der Neuregelung des § 20 RAPG bzw. § 20 NPG unterliegen, gibt es keine Befreiungsmöglichkeit mehr.

Hinzuweisen ist, dass im Zuge der notwendigen Anpassungen des RDG (siehe oben Pkt. I) auch die entsprechende Anrechungsmöglichkeit in § 16 Abs. 6 RDG beseitigt werden müsste.

 

2. Zur Diskussion gestellt werden soll, ob bei der Notariatsprüfung tatsächlich eine Teilung der Prüfung in zwei Teilprüfungen mit (jeweils einem schriftlichen und einem mündlichen Teil) notwendig und sachlich gerechtfertigt ist. Warum hier nicht auch – ebenso wie bei der Rechtsanwaltsprüfung und bei der Richteramtsprüfung – eine einheitliche Prüfung (mit einem schriftlichen und einem mündliche Teil) ausreichen sollte, ist nicht leicht nachvollziehbar.

 

 

 

Peter G. Mayr e.h.

 

 

Ergeht auch an:

Präsidium des Nationalrates