Dr. Wolfgang Denk
Facharzt für gerichtliche Medizin
Allgemein beeideter und gerichtlich
zertifizierter Sachverständiger
Stöberplatz 8/1
1160 – Wien
Tel.: 01/982 62 09; 0664/35 64 915
Telefax: 01/957 55 86
Stellungnahme zu einigen Punkten im Entwurf des Berufsrechts-Änderungsgesetzes 2008 – BRÄG 2008
(BMJ-B16.800/0003-I 6/2007)
§ 25 GebAG:
Hier wird eine Warnpflicht für Sachverständige auch im Strafverfahren normiert, die bei voraussichtlichen Kostenüberschreitungen von € 1.250,-- im BG Verfahren bzw. € 2.500,-- im Verfahren vor dem Landesgericht zum Tragen kommen soll.
Laut erläuternden Bemerkungen ist für Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft von der Kostengrenze von € 1.250,-- auszugehen.
Gerichtsmedizinische Obduktionen sind umsatzsteuerpflichtig, daher entspricht dies einem Nettobetrag von € 1.041,--.
Mit diesem Betrag kann in der Regel nicht das Auslangen gefunden werden. Bereits bei „durchschnittlichen Leichenöffnungen“, ohne Zusatzuntersuchungen (Toxikologie, Blutalkohol) wird dieser Betrag häufig überschritten.
Die Kosten für Zusatzuntersuchungen (z.B. Blutalkoholanalysen, chemisch-toxikologische Untersuchungen, histologische Untersuchungen, virologische bzw. bakteriologische Untersuchungen) werden über ausdrücklichen Wunsch des BMJ seit einigen Jahren mit der Kostennote des, mit der Obduktion beauftragten
gerichtsmedizinischen SV abgerechnet, um der Justiz zusätzliche Beschlüsse für diese zusätzlichen Leistungen zu ersparen.
Zumeist stellen diese Beträge für den Sachverständigen „Durchlaufposten“ dar. Die Notwendigkeit dieser Untersuchungen ergibt sich oft erst während der Durchführung der Leichenöffnung.
Da gerade der Umfang toxikologischer Untersuchungen nicht von vornherein abgeschätzt werden kann würde eine Kostengrenze häufig dazu führen, „vorläufige Gutachten“ ohne die Zusatzuntersuchungen erstatten zu müssen, die dann, nach erst später vorgenommenen, aufwendigen Analyseverfahren zu modifizieren wären. Dies würde eine erhebliche Rechtsunsicherheit mit sich bringen.
Insbesondere bei dringlichen Leichenöffnungen mit Lokalaugenschein und Durchführung am Wochenende und in der Nacht, aber auch bei „Suchtgiftleichen“ ist von vornherein von wesentlich höheren Obduktionskosten auszugehen. Es wäre daher praktisch in jedem Fall eine Warnung wegen zu erwartender Kostenüberschreitung auszusprechen, wobei aber keine Zeit zur Verfügung steht, um Entscheidungen abzuwarten. Die Untersuchungen müssen ehebaldigst begonnen, die Leichen obduziert und freigegeben werden.
Obduktionen sollten daher von dieser Warnpflicht ausgenommen werden oder es wäre ein wesentlich höherer Kostenrahmen anzusetzen.
§ 31 GebAG:
Hier wird in den erläuternden Bemerkungen darauf hingewiesen, dass die Justiz aufgrund der OGH Entscheidung aus 2005 (13Os70/05a-11) verpflichtet war, Kostenersatzforderungen der Universitäten an die Sachverständigen zu übernehmen, dies in Zukunft nicht mehr tun will.
Es wird auf die „sachverständigentypische Berufsausrüstung“ abgestellt, für die – als Fixkosten - kein Kostenersatz angesprochen werden dürfte.
Entsprechend § 9 der Verordnung zur Vornahme der gerichtlichen Leichenbeschau aus 1855, die die gültige Rechtsgrundlage für die gerichtliche Leichenbeschau darstellt, sind die Gemeinden verpflichtet, Obduktionsräume zur Verfügung zu stellen, auch für Transport und Verwahrung der Leiche zu sorgen.
Im § 27 wird die Berufsausrüstung beschrieben, die im Wesentlichen das Obduktionsbesteck umfasst.
Kein gerichtsmedizinischer Sachverständiger kann über eigene Obduktionsräume, einer Ordination vergleichbar, verfügen.
In einer Entscheidung des OGH 1992 (14OS82/91) wurde festgehalten, dass die Justiz zum Kostenersatz für Fremdleistungen im Zusammenhang mit gerichtlichen Leichenöffnungen verpflichtet ist (Kosten eines Bestattungsunternehmens für die Leichenüberführung).
Im ländlichen Bereich werden Obduktionsräume von den Gemeinden auf Friedhöfen oder in öffentlichen Krankenhäusern zur Verfügung gestellt. Auch in Wien stellt die Gemeinde den nicht an einer Universität beschäftigten, gerichtsmedizinischen Sachverständigen Seziersäle in öffentlichen Krankenhäusern zur Verfügung. Dafür verrechnete Kosten wurden bisher vom Gericht bezahlt, im ländlichen Bereich meist direkt an die Gemeinde. Die Verordnung aus 1855 entspricht daher auch dem gelebten Recht.
Lediglich im universitären Umfeld hat die Kostenersatzproblematik während der letzten Jahre Schwierigkeiten bereitet und es ist bisher nicht gelungen, einen Weg zu finden, wie der „volle Kostenersatz“ abgerechnet werden soll.
Dieser Kostenersatz wurde nach Privatisierung der Universitäten vielmehr den Sachverständigen vorgeschrieben und – ebenso wie die Kosten für Obduktionsräume in Gemeindespitälern - über § 31 dem Gericht weiter verrechnet.
Solange keine Vereinbarungen zwischen Justiz, Gemeinden und Universitäten zustande gekommen sind, die den Sachverständigen aus dieser Kostenersatzproblematik entlassen, muss es weiterhin möglich sein, Kosten für Obduktionsräume in der Sachverständigengebührennote abzurechnen.
Der Kostenersatz für Obduktionsräume über § 31 stellt keine Verteuerung der unmittelbaren Sachverständigenleistung dar, ist in der Gebührennote des SV nur ein weiterer „Durchlaufposten“.
Ob die Kosten von Universitäten/Spitälern direkt der Justiz verrechnet werden, oder am Weg über die Sachverständigengebühr, hat auf die Höhe dieser Kosten keinen Einfluss.
Auch die Kostenersatzpflicht für Parteien bleibt davon unberührt, da sowohl allgemein Verfahrenskosten als auch Sachverständigenkosten den Parteien in Rechnung gestellt werden können.
Eine Abgeltung der Kosten für Obduktionsräume kann keinesfalls über die Tarife für Mühewaltung erfolgen, da die entsprechenden Ansätze im § 43 dafür keinen Platz lassen. Die Positionen sind etwa geringer als für psychiatrische Untersuchungen (§43/1/e mit € 195,40; für eine Obduktion werden lt. § 43/2 zwischen € 93,50 und € 187,20 zugesprochen), obwohl für psychiatrische Untersuchungen – in der Regel - kein Leichenhaus und kein Seziersaal benötigt werden.
Die für Obduktionsräume in Rechnung gestellten Beträge schwanken zwischen derzeit € 0,-- bis zu einigen Hundert Euro, würden daher in Gebührenansätzen der Mühewaltung zu einer unterschiedlichen Entlohnung des Sachverständigen führen, abhängig davon, wo die Leiche geöffnet wird.
So wird etwa von der Gemeinde Wien für Obduktionsräume und Leichenaufbewahrung ein Betrag von € 350,-- in Rechnung gestellt.
Seitens der Medizinischen Universität Wien wird den dort tätigen Sachverständigen ein noch höherer Betrag vorgeschrieben.
Auf die Diskrepanz dieser „Nebenkosten“ zu den Gebührenansätzen für die eigentliche gutachterliche Leistung sei ausdrücklich hingewiesen.
Eine Erhöhung der Tarife für Mühewaltung bzw. Umstellung auf zeitabhängige Stundensätze im Zusammenhang mit gerichtsmedizinischen Leistungen, insbesondere Leichenöffnungen wäre daher jedenfalls dringend geboten.
Die Abgeltung der Kosten für „ausgestattete Obduktionsräume“ sollte ausdrücklich in § 31 vorgesehen werden.
§ 34 GebAG:
Der Wegfall der Bestimmungen im § 34(2)1., 2 u. 3 führt zu einer Schlechterstellung der vorwiegend in Strafsachen tätigen Sachverständigen für Gerichtsmedizin. Gerade in Haftsachen werden immer wieder Gutachtensfristen von ein bis zwei Wochen aufgetragen. Diese Gutachten konnten bisher entsprechend den Tarifansätzen der Ärztekammer (wegen „besonderer Raschheit“) abgerechnet werden.
In Zukunft wären wiederum die deutlich niedrigeren Ansätze nach § 43/1 heranzuziehen.
Die Annäherung der Sachverständigengebühren an die, im sonstigen Erwerbsleben zu erzielenden Einkünfte, die mit der letzten Reform des GebAG wenigstens in einigen, wenigen Fallkonstellationen auch im Strafverfahren angestrebt werden sollte, wird damit wiederum verlassen.
§ 36 GebAG:
Die Umstellung des Aktenstudiums auf eine seitenbezogene Abrechnung berücksichtigt in keiner Weise den hohen Informationsgehalt, den etwa Krankengeschichten, aber auch Verkehrsunfallanzeigen und Niederschriften mit Betroffenen haben, die besonders eingehend für die typischen gutachterlichen Fragestellungen (Verletzungsentstehung, Rekonstruktion) studiert werden müssen.
Auch sind Krankengeschichten vielfach handschriftlich ausgefertigt, was ebenfalls einen hohen Zeitaufwand beim Studium nach sich zieht.
Weiters werden Krankengeschichten häufig vom Sachverständigen beigeschafft, haben mitunter sehr erheblichen Umfang (mehrere Aktenordner sind keine Ausnahme) und verfügen über keine Seitennummerierung.
Das Seitenzählen derartiger Aktenbestandteile sollte aber nicht als Leistung des Sachverständigen angesehen werden.
In einer Entscheidung des OLG Wien vom 10.03.1981 (25Bs81/81) wurde bereits vor 26 Jahren ein Betrag von € 14,50 für das Studium einer Verkehrsunfallanzeige als wesentlicher Akteninhalt zugesprochen. Die geplanten, auf den Inhalt des Aktes nicht bezugnehmenden Tarifansätze pro Aktenseite sind daher ein wesentlicher Rückschritt.
Anzustreben wäre eine Abgeltung über die Mühewaltung bzw. eine Beibehaltung der derzeit geltenden Bestimmungen, die es erlauben, auf fallspezifische Besonderheiten Bedacht zu nehmen.
Wien, 02.10.2007 Dr. Wolfgang Denk, eh