An das

Bundesministerium für Unterricht,

Kunst und Kultur

 

Minoritenplatz 5

1014 Wien

                                   

Wien, am 8.10.2007

 

 

Gegenstand: Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird - Begutachtungs- und Konsultationsverfahren, Stellungnahme

GZ BMUKK-12.690/0007-III/2/2007

 

Unter Bezugnahme auf das do Schreiben vom 4. September 2007, GZ BMUKK-12.690/0007-III/2/2007, erlaubt sich das Generalsekretariat der Österreichischen Bischofskonferenz innerhalb offener Frist folgende Stellungnahme abzugeben:

 

1. Allgemeines

Eingangs hält das Generalsekretariat der ÖBK fest, dass für die katholische Kirche ausgehend vom christlichen Menschenbild vor allen Strukturfragen grundsätzlich die Interessen und Bildungschancen der Schülerinnen und Schüler im Mittelpunkt aller pädagogischen und bildungspolitischen Bestrebungen stehen.

 

Ausgehend von diesem Grundsatz werden folgende allgemeinen Punkte angemerkt:

  1. Im Sinne eines breiten gesellschaftspolitischen Konsenses wäre die Einbindung von Lehrerinnen- / Lehrer-, Eltern- und Schülervertreterinnen /-vertretern in die Erarbeitung der Modellpläne nicht nur über die Kollegien der Landesschulbehörden, in denen die Vertretungen dieser Gruppen jedenfalls unterrepräsentiert sind, wünschenswert. Vor allem die Wahrung der Elternrechte ist uns im Sinn der Katholischen Soziallehre ein vorrangiges Anliegen.

 

  1. Die mit dem Entwurf angestrebten Ziele der Individualisierung und des differenzierten Unterrichts für eine Vielfalt von Begabungen und Interessen werden von der ÖBK ausdrücklich begrüßt und unterstützt. Allerdings ist die Umsetzung dieser Ziele unter der Vorgabe der Kostenneutralität und eines klaren Konzepts angestrebter Binnendifferenzierung nur schwer vorstellbar.

 

  1. Eine Strukturreform ohne inhaltliche Reform, ohne veränderte Fort- und Weiterbildung der Lehrerinnen und Lehrer, ohne Debatte über Berufsethos und Qualität von Unterricht, scheint uns riskant. Die Einführung einer Gesamtschule ohne sehr sensible und längere Implementationsphase, ohne hochwirksame Fort- und Weiterbildung zu individualisierendem Unterricht, ohne die klare Bereitschaft der Lehrerschaft zu Teamstrukturen und erhöhter Arbeitsauslastung, ohne Umstrukturierung des Lehrerkollegiums durch Ausfaltung von Expertenrollen, könnte zu einer Qualitätseinbuße einer Gesamtschule im Vergleich zu den jetzt bestehenden gegliederten Schulen  führen. Der Erfolg einer Gesamtschule hängt im wesentlichen von Faktoren ab, die den Erfolg von Schulen überhaupt ausmachen: ein in Expertenrollen gegliedertes Lehrerkollegium, hohe Bereitschaft zu intensiver Fort- und Weiterbildung, Nutzen von Heterogenität im Unterricht als Chance, individualisierende Unterrichtsformen im gemischten Unterricht, Wechsel in Lerngruppen auch unter Installierung zeitweise sehr homogener Lerngruppen, Bereitschaft der Lehrerschaft zu erhöhter Arbeitsauslastung, vermehrte Teamarbeit in Lehrergruppen,  Entwicklung gewissenhafter Prüfungs- und Feedbackstrukturen, mehr Ausbildung in pädagogischer Diagnostik und Begabungsförderung, intensive menschliche Begleitung von Schülerinnen und Schülern sowie Eltern, klare professionelle Leadership von Seiten der Direktion, sichtbare Anerkennungs- und Anreizsysteme für Lehrerleistungen. 

 

Eine Schule, die all das kann, könnte ohne Qualitätsverlust Gesamtschule werden. Für eine Schule, die das nicht kann, könnte das bedeuten, dass bestehende Probleme sich noch verstärken. Uns scheinen Österreichs Schulen – auch nach Rücksprache mit ausgewiesenen Bildungsexperten – derzeit mit wenigen Ausnahmen nicht ausreichend darauf vorbereitet zu sein.

 

  1. Die Zahl und Größe der Modellregionen ist derzeit vollkommen offen. Auch wenn die Entscheidungen der Schulbehörden gemeinsam mit den Schulstandorten möglichst autonom getroffen werden sollen, wäre doch zumindest eine Richtzahl bzw ein Richtwert – allenfalls orientiert an Schülerzahlen oder Schulstandorten – hilfreich.

 

 

2. Katholische Privatschulen und Religionsunterricht

Den eingangs genannten Grundsätzen sind sowohl die katholischen Privatschulen als auch die Verantwortlichen für den katholischen Religionsunterricht in Österreich verpflichtet. Darüber hinaus ist den katholischen Privatschulen eine christliche, wertorientierte Erziehung und Bildung ein besonderes Anliegen, das in allen Diskussionen um die Organisationsform von Schule die unverrückbare Grundlage darstellt. Die katholischen Privatschulen standen und stehen Neuerungen in der österreichischen Schullandschaft offen gegenüber, sofern sie mit den genannten Prinzipien in Einklang zu bringen sind.

 

Aus der Sicht der katholischen Privatschulen werden folgende Punkte zum Entwurf der Novelle des SchOG allgemein angemerkt:

  1. Die allfällige Beteiligung von katholischen Privatschulen an Modellregionen, die lt Erläuternden Bemerkungen angestrebt wird, erfolgt im Rahmen der Autonomie der Privatschulen nach Abwägung der betroffenen Schulerhalter. Sollte sich bei dieser Abwägung ergeben, dass die Beteiligung einer katholischen Privatschule an einer Modellregion nicht erfolgt, darf sich dies keinefalls zum Schaden der betreffenden Schule auswirken. Insbesondere muss die weitere Anwendbarkeit der §§ 13 – 16 und §§ 17 ff Privatschulgesetz unter Zugrundlegung der lt SchOG idF BGBl. I Nr. 113/2006 bestehenden Schulformen gewährleistet sein, ebenso aber auch die Gleichbehandlung katholischer Privatschulen, die sich an Modellen beteiligen. Hierdurch wird auch das Elternrecht auf Erziehung  im Sinn von Art.2 des 1. ZP zur EMRK abgesichert.

 

  1. Katholische Privatschulen werden in Abstimmung mit ihren Schulerhaltern in je unterschiedlichem Ausmaß gerne auf allen Ebenen (Bund, Länder) auf Einladung sowohl in die Entwicklung als auch in die Evaluierung von Modellen ihre spezifische Ausrichtung und Qualität einbringen.

 

 

Zum Religionsunterricht hält die ÖBK fest, dass eine Einbeziehung desselben in Modelle, die aufgrund der vorliegenden Novelle entwickelt werden, nur im Rahmen der Vorgaben des Vertrages vom 9. Juli 1962, BGBl. Nr. 273, zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Österreich zur Regelung von mit dem Schulwesen zusammenhängenden Fragen und unter Berücksichtigung des Religionsunterrichtsgesetzes, BGBl. Nr. 190/1949 idgF erfolgen kann. Diese Frage scheint aber im derzeit vorliegenden Entwurf in keiner Weise in Frage gestellt zu sein. 

 

 

3. Zu einzelnen Bestimmungen

Auf der Grundlage der obigen Erwägungen werden zu folgenden Bestimmungen Änderungen angeregt:

 

Zu § 129 Abs 2

Es ist - auch wenn schulgesetzlich verpflichtend selbstverständlich nur der Besuch der HS vorgesehen ist - nicht nachvollziehbar, warum „in erforderlicher Anzahl und zumutbarer Entfernung“ zu Modellregionen lediglich Hauptschulen, nicht aber auch AHS bestehen müssen. Die Wahlfreiheit der Erziehungsberechtigten bzw der Schülerinnen und Schüler zwischen HS und AHS wird damit eingeschränkt.

 

Zu § 129a Abs 1 Z 1

Das nun vereinheitlichte Ziel der Vermittlung einer jedenfalls grundlegenden, nach Möglichkeit aber umfassenden und vertieften Allgemeinbildung ist zwar als solches nachvollziehbar, birgt aber nach Auffassung der ÖBK die Gefahr einer Überforderung leistungsschwächerer Schülerinnen und Schüler einerseits bzw einer Unterforderung höhere begabter Kinder andererseits beim angestrebten Unterricht in einer gemeinsamen Klasse. Solange keine Konzepte für eine konkrete Umsetzung von Individualisierung bzw. Differenzierung vorliegen, bleibt diese Sorge bestehen.

 

Zu § 129b Abs 3

Die Einschränkung der Neuen Mittelschule ab der siebten Schulstufe auf den Lehrplan der HS oder des Realgymnasiums könnte insgesamt eine Verringerung des Angebotes von humanwissenschaftlichen Fächern bedeuten. Es wird daher angeregt, auch ab der siebten Schulstufe die Möglichkeit einer Führung nach dem für die allgemein bildenden höheren Schulen verordneten Lehrplan – ohne Einschränkung auf das Realgymnasium – offen zu lassen.

 

 

Das Generalsekretariat der ÖBK hofft, mit seiner Stellungnahme einen konstruktiven Beitrag geleistet zu haben und verbleibt

 

mit freundlichen Grüßen

 

 

Msgr. Dr. Ägidius Zsifkovics

Generalsekretär der ÖBK