Amt der Steiermärkischen Landesregierung

 

 

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GZ:

FA1F-17.01-2/2002-5

Bezug:

BMUKK-12.690/0007-III/2/2007

Graz, am 9. Oktober 2007

 

Ggst.:

Entwurf einer Novelle

des Schulorganisationsgesetzes

im Rahmen des Begutachtungs-

und Konsultationsverfahrens;
Stellungnahme des Landes Steiermark

 


 

Sehr geehrte Damen und Herren!

Zu dem mit do. Schreiben vom 4. September 2007, obige Zahl, übermittelten Entwurf des Schulorganisationsgesetzes im Rahmen des Begutachtungs- und Konsultationsverfahrens wird  folgende Stellungnahme abgegeben:


Die Steiermark begrüßt die Initiative des Bundes, neue Wege bei der Lösung der Problematik der gemeinsamen Schule der 10- bis 14-jährigen zu beschreiten. Im Hinblick darauf, dass im Ballungsgebiet beinahe 80% der 10-jährigen sich für eine AHS entscheiden, und die städtischen Hauptschulen Gefahr laufen, zur „Restschule“ zu werden, aber auch im Hinblick auf die von wissenschaftlicher Seite oftmals kritisierte, zu frühe Schullaufbahnentscheidung bei 10-jährigen, besteht ein dringender Handlungsbedarf.

Die Steiermark hat mit dem seit nunmehr 17 Jahren laufenden Schulversuch „Schulverbund - Graz-West“, an dem sich fünf Hauptschulen sowie die AHS Graz-Klusemannstraße beteiligen, wichtige Vorarbeit geleistet. Es wird davon ausgegangen, dass die in diesem Schulversuch gesammelten Erfahrungen in den gegenständlichen Gesetzesentwurf eingeflossen sind.

Überaus positiv ist, dass nunmehr eine Regelung auf Gesetzesebene erfolgt und nicht Schulversuche als rechtliche Grundlage herangezogen werden. Dadurch kommt es zu einer Verbesserung der Rechtssicherheit für alle Betroffenen.

Allgemein festgehalten wird, dass eine ernsthafte Umsetzung der gemeinsamen Schule der 10- bis 14-jährigen erst nach Regelung der gemeinsamen Lehrerausbildung und der notwendigen dienstrechtlichen Anpassungen möglich sein wird. Die vorliegende Novelle wird folglich als erste Stufe für noch zu setzende weitere Maßnahmen betrachtet.

Für die Steiermark ist es in der gegenständlichen, sensiblen Materie, die bereits zu zahlreichen Diskussionen und unterschiedlichsten Informationen bei den Betroffenen geführt hat, wichtig, dass nunmehr klare, übersichtliche und für alle nachvollziehbare Rahmenbedingungen geschaffen werden.

 

Folgende Unsicherheiten wären daher noch zu klären:

A. Neue Schulart oder „Schulmodell“ an den bisherigen Schularten:

Es geht aus dem vorliegenden Entwurf nicht klar hervor, ob das Schulmodell „Neue Mittelschule“ nunmehr neben den im Schulorganisationsgesetz bestehenden Schularten eine weitere „Schulart“ darstellt, da der Begriff des Schulmodells bislang im österreichischen Schulwesen unbekannt ist.

I. Für den Fall, dass es sich um eine neue Schulart handelt, ergeben sich konkret einige Fragen:

1) Wer ist Schulerhalter dieser Schulen (gemäß Art. 14 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 6 B-VG und dem Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz würde sich die Zuständigkeit des Bundes ergeben)?

2) Wenn es sich um keine allgemein bildenden Pflichtschulen handelt, ergibt sich zwangsläufig ein Rechtsanspruch auf sprengelfremden Schulbesuch für Schüler, die sich innerhalb des bisherigen Schulsprengels einer Hauptschule befinden, der nunmehr zur Modellregion erklärt wird, und die Neue Mittelschule nicht besuchen wollen.

3) Es wären genaue gesetzliche Vorgaben über die Mindest- und Höchstschülerzahlen für diese „Schulart“ erforderlich.

4) Eine dienstrechtliche Anpassung – zumindest hinsichtlich einer Zuweisung wie sie z.B. § 22 Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz vorsieht – wäre für Lehrer der allgemein bildenden höheren Schulen erforderlich. Die Frage nach neu zu besetzenden Leiterstellen für diese neue „Schulart“ stellt sich ebenfalls.

 

 II. Für den Fall, dass es sich um keine neue Schulart handelt, ergeben sich folgende Probleme:

1) Bestehen in den Modellregionen parallel an Hauptschulstandorten Hauptschulen und Neue Mittelschulen?

2) § 13 Abs. 1 des Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetzes verlangt für jede öffentliche Pflichtschule einen Schulsprengel. Daraus ergeben sich Fragen hinsichtlich des sprengelfremden Schulbesuches für Schüler, die nicht im Schulsprengel wohnen und die Neue Mittelschule besuchen wollen. Andererseits müssten Schüler, die in der Modellregion wohnen und die Neue Mittelschule nicht besuchen wollen, ein Recht auf Besuch einer sprengelfremden Hauptschule haben.

 

B. Gesetzessystematik und Ausführungsgesetze:

Während bislang die Grundsatzgesetzgebung des Bundes im Schulbereich sich vor allem durch eine sehr starke Determiniertheit ausgezeichnet hat, die oft kaum noch einen Spielraum für die Ausführungsgesetzgebung der Länder ließ, wird nunmehr im § 129 Abs. 9 des Entwurfes die Aussage getroffen, dass die Ausführungsgesetze der Länder jene Regelungen vorzusehen haben, die zur Durchführung von Schulmodellen im Sinne dieses Hauptstückes erforderlich sind. Darüber hinaus verweist § 129 Abs. 1 des Entwurfes auf eine künftige Verordnung der Frau Bundesministerin über die Modellpläne. Ob ein Grundsatzgesetz, das einen derart weiten Rahmen vorgibt, dem Legalitätsprinzip entspricht, wäre zu prüfen.

Auch hinsichtlich der Schulerhaltung und Schulsprengel wären die entsprechenden gesetzlichen Anpassungen im Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz vorzunehmen.

Alle diese gesetzlichen Erfordernisse sind aber nur unter der oa. Überlegung wie im Fall von Punkt A. II. relevant, wenn es sich um keine neue Schulart handelt. Bei einer neuen Schulart, wie sie Punkt A. I. vorsieht, müsste der Gesetzgeber ausdrücklich in den Grundsatzbestimmungen der jeweiligen Gesetze (Schulorganisationsgesetz, Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz, Schulzeitgesetz) zum Ausdruck bringen, dass es sich um eine Pflichtschule handelt, die überhaupt erst die Zuständigkeit der Länder begründet. Derzeit sind unter allgemein bildenden Pflichtschulen nur Volks-, Haupt-, Sonder- und Polytechnische Schule zu verstehen.

 

C. Finanzielle Auswirkungen:

Die Frage der Kostenrelevanz der gegenständlichen Gesetzesnovelle ist derzeit noch unscharf beantwortet. Für die Erreichung des Ziels der Novelle – Verbesserung des Bildungsangebotes/ Individualisierung der Bildungslaufbahnen – wäre ein verstärkter Personaleinsatz sowohl im Bereich der Pädagogik als auch im Bereich der Psychologen und Sozialarbeiter sinnvoll.

 

Die Stellungnahme ist keinesfalls Kritik an dem beabsichtigten „Schulmodell“ zu verstehen, sondern es geht um eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Entwurf vor allem hinsichtlich einer allgemeinen Akzeptanz der Betroffenen. Es besteht das ehrliche Bemühen zur Umsetzung dieses Vorhabens seitens der Steiermark.

 


Dem Präsidium des Nationalrates werden unter einem 25 Abdrucke dieser Stellungnahme zugeleitet. Eine weitere Ausfertigung ergeht an die E-Mail Adresse begutachtungsverfahren@parlament.gv.at.

 

Für die Steiermärkische Landesregierung:

Der Landesamtsdirektor

Hofrat Dr. Gerhard Ofner