REPUBLIK ÖSTERREICH

BUNDESMINISTERIUM FÜR JUSTIZ

BMJ-L707.000/0017-II 3/2007

 

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1070 Wien

 

 

 
 

 

Briefanschrift

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Sachbearbeiter(in):

Dr. Andreas Pscheidl

*Durchwahl:

2199

 

 

Betrifft:

Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz, das Grenzkontrollgesetz und das Polizeikooperationsgesetz geändert werden; Stellungnahme des Bundesministeriums für Justiz

 

Bezug:

BMI-LR1340/0019/III/1/2007

 

Das Bundesministerium für Justiz beehrt sich, zu dem im Gegenstand genannten, mit Schreiben vom 4. September 2007 übermittelten Entwurf wie folgt Stellung zu nehmen: 

Zu Art. I Z 2 (§ 22 Abs 3 SPG):

Der Verweis auf § 53 Abs 1 Z 1 und 2 SPG scheint nicht erforderlich, weil die Aufgaben der Ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht und der Abwehr krimineller Verbindungen ohnedies nicht auf § 22 Abs 2 SPG beruhen, sodass diese auch nicht von § 22 Abs 3 SPG ausgenommen werden müssten.

Gegen den Verweis auf § 53 Abs 1 Z 4 SPG in § 22 Abs 3 SPG wäre kein grundsätzlicher Einwand zu erheben. In den Erläuterungen sollte freilich bemerkt werden, dass § 1 Abs. 2 StPO im Bereich des Ermittelns von Daten der Vorrang zukommt und hier lediglich die Verarbeitung von Daten geregelt wird, die auch im Zuge einer strafprozessualen Ermittlungsmaßnahme gewonnen wurden.

Zu Art. I Z 3 (§ 53 Abs. 3a SPG):

Aus Sicht des Bundesministeriums für Justiz ist grundsätzlich zu bemerken, dass inhaltlich gegen eine Ortung von etwa nach Unglücksfällen vermissten Personen keine Einwände bestehen. Abs 3a könnte jedoch so verstanden werden, dass hievon alle Fälle, in denen ein bestimmter Mensch in gegenwärtiger Lebensgefahr ist, erfasst sind. Somit könnte es zu einer Überschneidung mit denjenigen Fällen kommen, in denen eine Auskunft über Standortdaten nur nach der StPO zulässig ist. Es wird daher angeregt, den Zweck klarer abzugrenzen, wozu etwa folgende Formulierung zur Erwägung gestellt wird:

              „(3a) Ist auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass eine gegenwärtige Gefahr für das Leben oder die Gesundheit eines Menschen besteht, sind die Sicherheitsbehörden im Rahmen der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht oder der Abwehr gefährlicher Angriffe darüber hinaus berechtigt, …

Die in den Erläuterungen enthaltene Begründung, dass solange Standortdaten nicht auf den Übertragungsweg abgefangen werden, sondern durch Erhebung beim Diensteanbieter gewonnen werden, kein Eingriff in das Fernmeldegeheimnis des Art. 10a StGG vorliege, schießt einerseits über das Ziel der Regelung und kann  andererseits bei konsequenter Weiterführung eine Gefährdung des Grundrechtsschutzes bewirken. Aus der zitierten Entscheidung des OGH vom 19.12.2005, 14 Os 103/05m, lässt sich diese Behauptung auch keineswegs ableiten. Die zitierte Entscheidung hatte nämlich einen völlig anders gearteten Sachverhalt zum Gegenstand, weil es dort darum ging, dass eine in einem beschlagnahmten Organizer gespeicherte Telefonnummer im Beweisverfahren verwendet wurde. Dass in diesem Fall keine Überwachung einer Telekommunikation vorliegt, liegt (unbeschadet der gegenteiligen Ansicht des Rechtsmittelwerbers im zitierten Verfahren) auf der Hand, kann jedoch gleichzeitig nicht für die Frage der verfassungsgesetzlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit des IMSI-Catching herangezogen werden. 

Auch Verbindungsdaten im Sinn des § 149a Abs. 1 Z 1 lit. b StPO werden über den Diensteanbieter abgefragt und ergeben sich nicht direkt aus dem Abfangen einer Kommunikation. Dennoch fallen sie, wie grundsätzlich auch Standortdaten unter das Fernmeldegeheimnis gemäß Art. 10a StGG (siehe auch die Regelung des § 93 TKG über das Kommunikationsgeheimnis) und stehen grundsätzlich unter Richtervorbehalt.

Zu Art. Z 13 (§ 58d SPG):

Anzumerken wäre, dass in Abs. 1 erster Satz statt „Vorbeugen und Verhinderung von strafbaren Handlungen“ besser „Vorbeugung und Verhinderung  mit Strafe bedrohter Handlungen“ verwendet werden sollte, weil dadurch auch die Handlungen schuldunfähiger  geistig abnormer Rechtsbrecher erfasst wären.

Die Formulierung im zweiten Satz „jeweils mit Ausnahme von Taten mit familiärer oder partnerschaftlicher Vorbeziehung ohne besondere Tatumstände“ ist auf Grund der Unbestimmtheit des Begriffs „besondere Tatumstände“ problematisch. Die Ausnahme von Fällen im familiären oder partnerschaftlichen Umfeld erscheint überhaupt entbehrlich. Weil derartige Vorfälle im familiären Bereich auch weitere Delinquenz außerhalb des Familienbereichs indizieren könnten.

Die Umschreibung der Fälle des „verdächtigen Ansprechens“ scheint nicht geglückt. Die umständliche Umschreibung der betroffenen Personenkreise schließt lediglich erwachsene Männer aus. Warum ein verdächtiges Ansprechen dieser Personengruppe ausgeschlossen werden muss, ist bei zeitgemäßer Sicht schwer zu begründen. Auch die Formulierung „wenn ein sexuelles Motiv vermutet werden kann“ ist im Zusammenhang mit „Ansprechen“ eher unglücklich gewählt, weil das Ansprechen andersgeschlechtlicher Personen häufig von einem – nicht unbedingt sozial inadäquaten – sexuellen Motiv geprägt ist (wenn hier auch eine gewisse Einschränkung durch die verlangten konkreten Anhaltspunkte für eine geplante strafbare Handlung stattfindet). Folgende alternative Formulierung wird (unter Verwendung der Begriffsbildung des § 107a StGB) vorgeschlagen:

„verdächtiges Nachstellen von Personen, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine mit sexuellem Motiv geplante  mit Strafe bedrohte Handlung vorliegen“

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Die vorliegende Novelle sollte aus Sicht des Bundesministeriums für Justiz auch dazu benutzt werden, um die nachfolgenden Anpassungen an das Strafprozessreformgesetz, BGBl. I Nr. 19/2004 vorzunehmen. Das Bundesministerium für Justiz erlaubt sich diesbezüglich, folgende Formulierungsvorschläge zu erstatten.

Änderung des Asylgesetzes 2005

Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 – AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, in der durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. XX/XXXX geänderten Fassung wird wie folgt geändert:

1. Im § 12 Abs. 2 Z 2 wird nach der Wendung „von Gerichten“ die Wendung „ , Staatsanwaltschaften“ eingefügt.

2. Im § 21 wird nach der Wendung „der zuständigen Behörde“ die Wendung „ , der zuständigen Staatsanwaltschaft“ eingefügt.

3. Im § 27 Abs. 3 Z 2 wird die Wendung „Gerichtshofes erster Instanz“ durch das Wort „Landesgerichts“ ersetzt.

 

Änderung des Fremdenpolizeigesetzes 2005

Das Bundesgesetz über die Ausübung der Fremdenpolizei, die Ausstellung von Dokumenten für Fremde und die Erteilung von Einreisetitel (Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG), BGBl. I Nr. 100/2005, in der durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 99/2006 und BGBl. I Nr. XX/XXXX geänderten Fassung wird wie folgt geändert:

1. Im § 105 Abs. 2 wird die Wendung „Die Strafgerichte haben Erhebungen von Anklagen wegen vorsätzlich begangener strafbarer Handlungen, für deren Verfolgung die Gerichtshöfe erster Instanz zuständig sind“ durch die Wendung „Die in Strafsachen zuständigen Landesgerichte haben eingebrachte Anklagen und Strafanträge wegen vorsätzlich begangener strafbarer Handlungen“ ersetzt.

2. Im § 114 Abs. 8 und im § 115 Abs. 5 wird jeweils die Wendung „Gerichtshöfen erster Instanz“ durch das Wort „Landesgerichten“ ersetzt.

 

 

Änderung des Sicherheitspolizeigesetzes

Das Bundesgesetz über die Organisation der Sicherheitsverwaltung und die Ausübung der Sicherheitspolizei (Sicherheitspolizeigesetz - SPG), BGBl. Nr. 566/1991, in der durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 56/2006 und BGBl. I Nr. XX/XXXX geänderten Fassung wird wie folgt geändert:

1. Im § 25 Abs. 1 Z 2 wird das Zitat „§ 25 StPO“ durch das Zitat „§ 5 Abs. 3 StPO“ ersetzt.

2. Im § 39 Abs. 7 letzter Satz wird das Zitat „§§ 141 Abs. 3 und 142 Abs. 1, 2 und 4 StPO“ durch das Zitat „§§ 121, 122 Abs. 2 und 3 und 96 StPO“ ersetzt.

3. Im § 53 Abs. 2 wird das Zitat „§ 149i StPO“ durch das Zitat „§ 141 StPO“ ersetzt.

4. Im § 55 Abs. 4 wird das Zitat „§ 149d Abs. 1 Z 3 StPO“ durch das Zitat „§ 136 Abs. 1 Z 3 StPO“ ersetzt.

5. Im § 55a Abs. 2  Z 4 wird das Zitat „§ 149d Abs. 1 Z 3“ durch das Zitat „§ 136 Abs. 1 Z 3 StPO“ ersetzt.

6. Im § 55c wird das Zitat „§ 149d Abs. 1 Z 3“ durch das Zitat „§ 136 Abs. 1 Z 3 StPO“ und das Zitat „§ 149i StPO“ durch das Zitat „§ 141 StPO“  ersetzt.

 

Änderung des Waffengesetzes

Das Bundesgesetz mit dem das Waffengesetz 1996 erlassen und das Unterbringungsgesetz, das Strafgesetzbuch sowie das Sicherheitspolizeigesetz geändert werden, BGBl. I Nr.  12/1997, in der durch das Bundesgesetz   BGBl. I Nr. 136/2004 und BGBl. I Nr. XX/XXXX geänderten Fassung wird wie folgt geändert:

 Im § 53 wird das Zitat „142 Abs. 1 der Strafprozessordnung 1975, BGBl. Nr. 631“ durch das Zitat „121 Abs. 3  Strafprozessordnung (StPO) 1975,  BGBl. Nr. 631/1975“ ersetzt.

 

Zur Begründung wäre lediglich zu bemerken, dass die erwähnten Bestimmungen, insbesondere darin enthaltene Verweise und Begriffe auf die durch das Strafprozessreformgesetz, BGBl. I Nr. 19/2004, geschaffene neue Rechtslage im Ermittlungsverfahren anzupassen sind.

 

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Eine  Ausfertigung der Stellungnahme des Bundesministeriums für Justiz wurde auch dem Präsidium des Nationalrats im elektronischem Weg übermittelt.

01. Oktober 2007
Für die Bundesministerin:
Mag. Christian Pilnacek

Elektronisch gefertigt