Gz BKA-810.057/0036-V/3/2007

Abteilungsmail v@bka.gv.at

BEARBEITERIN frAU mag dr Elisabeth GROIS

Pers. E-mail Elisabeth.GROIS@BKA.GV.AT

Telefon (+43 1) 53115/2983

bearbeiter Herr Mag Dr Gerhard KUNNERT

Pers. E-mail gerhard.kunnert@bka.gv.at

Telefon (+43 1) 53115/2788

Ihr Zeichen BMI-LR1340/0019-III/1/2007

An das

Bundesministerium für Inneres

Sektion III-Recht

 

E-Mail: bmi-III-1@bmi.gv.at

 

 

 

Antwort bitte unter Anführung der GZ an die Abteilungsmail

 

 

Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz (SPG), das Grenzkontrollgesetz (Greko) und das Polizeikooperationsgesetz (PolKG) geändert werden

 

 

Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst nimmt zum im Betreff genannten Gegenstand wie folgt Stellung:

 

Zu Art. 1 (Änderung des Sicherheitspolizeigesetzes)

 

 

Zu Art.1 Z 3 (§ 53 Abs. 3a SPG)

 

Nach dieser Bestimmung soll künftighin ein Zugriff der Sicherheitsbehörden auf sogenannte Standortdaten von Betreibern im Mobilfunkbereich auch für sicherheitspolizeiliche Zwecke und ohne externe Kontrolle (Richter, Staatsanwalt) zulässig sein.

Dazu ist zunächst festzuhalten, dass sich ab 1.1.2008 die Zulässigkeit der Beauskunftung von Daten einer Nachrichtenübermittlung, wozu auch die Mitteilung von Standortdaten zählt (vgl. § 134 Z 2 StPO in der Fassung des Strafprozessreformgesetzes) nach § 135 Abs. 2 leg cit StPO idF des Strafprozessreformgesetzes richtet.

 

Danach ist eine Auskunft über Standortdaten nur in den in § 135 Abs. 2 leg cit genannten Fällen und nur aufgrund einer von der Staatsanwaltschaft aufgrund einer gerichtlichen Bewilligung erfolgten Anordnung zulässig sind (§ 137 Abs. 1 leg cit).

Stellt man nun die aufgezeigten Hürden für eine strafprozessual gestützte Standortdatenermittlung dem geplanten § 53 Abs. 3a SPG gegenüber, so zeigt sich ein erheblicher Wertungswiderspruch. Den Sicherheitsbehörden soll es künftig ohne irgendeine justizbehördliche Kontrolle möglich sein, Standortdatenermittlungen Betroffener ohne deren Zustimmung vorzunehmen, obwohl gar keine Straftat oder auch nur ein gefährlicher Angriff vorliegen. Es soll ausreichen, dass aufgrund bestimmter Tatsachen „eine gegenwärtige Gefahr für das Leben oder die Gesundheit eines Menschen“ besteht. Welche Qualität Informationen haben müssen, damit die Sicherheitsbehörden eine gegenwärtige Gefahr im vorstehend genannten Sinne unterstellen können, bleibt unklar.

Unvorgreiflich weiterer angekündigter Gespräche zu diesem Absatz wird angeregt, Abs. 3 zur Gänze dahingehend zu überprüfen, ob nicht auch im Bereich der Gefahrenabwehr eine – der richterlichen Genehmigung vergleichbare – Genehmigung durch eine Rechtsschutzinstanz (etwa den Rechtsschutzbeauftragten) vorgenommen werden könnte. In dringenden Fällen wäre zumindest eine Ex-post-Überprüfung durch eine derartige Rechtsschutzeinrichtung anzustreben.

 

Zu Art. 1 Z 5 (§ 53a [neu] SPG)

 

Der Begriff der „ordnungsdienstlichen Anlässe“ sollte zumindest in den Erläuterungen inhaltlich dargelegt werden, da nicht erkennbar ist, zu welcher der den Sicherheitsbehörden zukommenden Aufgabe dieser Begriff zuordenbar ist.

Abs. 2 regelt in allgemeiner Form die Zulässigkeit von Analysedateien. Welche Analysedateien im konkreten Fall auf Grund dieser Bestimmung angelegt werden, geht aus dieser Regelung nicht hervor. Diesbezüglich ist für die Betroffenen keinerlei Transparenz gegeben. Es wird daher angeregt, analog zum Rechtsakt des Rates vom 3.  November 1998 über die Durchführungsbestimmungen für die von Europol geführten Analysedateien zu Analysezwecken (Amtsblatt Nr. C vom 30. Jänner 1999 Seite 1 f) eine entsprechende Vorabüberprüfung der Analysedateien durch eine Rechtsschutzinstanz – etwa den  Rechtsschutzbeauftragten – vorzusehen. Dieser Rechtsakt präzisiert die Vorgaben des Art. 10 Europolübereinkommens, welches wiederum als Vorbildregelung für den § 53a SPG gesehen werden kann.

Zu Abs. 2 Z 4 des § 53a SPG ist festzuhalten, dass die hier genannte Kontakt- oder Begleitpersonen nicht automatisch selbst kriminelle Handlungen begeht. Auch hinsichtlich eines zunächst „Verdächtigen“ (Abs. 2 Z 1) kann sich auf Grund weiterer Ermittlungen herausstellen, dass er in weiterer Folge als nicht mehr verdächtig gilt. Zeigt sich, dass ein zunächst Verdächtigter oder eine Kontakt- oder Begleitperson selbst nicht deliktisch handelt bzw. für den weiteren Verlauf von Ermittlungen nicht notwendigerweise im Visier der Behörden bleiben muss, sind Daten unverzüglich zu löschen. Dieser Ansatz kommt in der jetzigen Textierung nicht ausreichend zum Tragen. Es sollte daher eine Präzisierung bzw. einschränkendere Formulierung, die sich am Vorbild des Art. 6 Abs. 3 des oben zitierten Rechtsaktes für die von Europol geführten Analysedateien orientieren sollte, erfolgen.

Hinsichtlich der in § 53a Abs. 6 SPG vorgesehenen Speicherfrist von maximal 5 Jahren für bestimmte Daten ist anzumerken, dass demgegenüber Art. 7 Abs. 3 des oben zitierten Rechtsaktes des Rates vom 3. November 1998 grundsätzlich eine maximale Speicherdauer von insgesamt drei Jahren vorsieht. Diese beginnt mit dem Tag neu zu laufen, an dem ein Ereignis eintritt, das zur Speicherung von Daten zu der betreffenden Person führt […]. Eine entsprechende Anpassung an den zitierten Rechtsakt wird angeregt.

 

Zu Art. 1 Z 6 (§ 54a Abs. 1 SPG)

In der Novellierungsanordnung ist am Beginn der einzufügenden Wortfolge ein (Aufzählungs-)Beistrich einzufügen. (In der Textgegenüberstellung ist dieser bereits berücksichtigt: „… der mittelbaren Bundesverwaltung, durch Gesetz eingerichtete Körperschaften…“).

 

Zu Art. 1 Z 8 (§ 55a Abs. 4 SPG)

 

Hiezu wird angemerkt, dass ein Abstellen auf „Anhaltspunkte“, wonach ein Mensch nicht mehr vertrauenswürdig „sein könnte“ einen sehr großen Ermessensspielraum einzuräumen scheint.

 

 

Zu Art. 1 Z 12 (§ 58 Abs. 1 Z 11)

 

Die Novellierungsanordnung berücksichtigt nicht die zu ändernde Interpunktion in Z 10 im Zuge der Anfügung der Z 11; Sie könnte wie folgt gestaltet werden:

„In § 58 Abs. 1 wird am Ende der Z 10 der Punkt durch einen Strichpunkt ersetzt und folgende Z 11 angefügt:“.

 

Zu Art. 1 Z 13 (§ 58 d SPG)

 

Angesichts der allgemeinen Formulierung der Straftatbestände der §§ 201f StGB ist nicht erkennbar, inwieweit die Privilegierung von „Taten mit familiärer oder partnerschaftlicher Vorbeziehung ohne besondere Tatumstände“ eine Differenzierung nach objektiven Unterscheidungsmerkmalen iSd. Sachlichkeitsgebotes nach Art. 2 StGG und Art. 7 Abs. 1 B-VG darstellen kann, zumal in den vergangenen Jahren das Thema häusliche Gewalt bzw. Gewalt gegen Frauen zunehmend Gegenstand der öffentlichen Diskussion und staatlicher Maßnahmen geworden ist. Die Erläuterungen geben zu dieser Differenzierung – auch in Zusammenschau mit § 53a Abs. 3 samt Erläuterungen – keinerlei Aufschluss.

Hinsichtlich der in dieser Datei  gespeicherten Opferdaten ist anzumerken, dass die Notwendigkeit der Speicherung der genauen Wohnanschrift entbehrlich scheint (insbesondere etwa auch das Herunterbrechen auf Türbezeichnungen) und jedenfalls zu keiner Anonymisierung der Opfer führt, was aber angesichts der bis zu 20jährigen Speicherdauer dieser Daten wünschenswert wäre.

 

Zu Art. 1 Z 16 (§ 65 Abs. 6 SPG)

 

Es fällt auf, dass im gegenständlichen Entwurf von „Personenfeststellung“ zu lesen ist, wohingegen der Begriff in der geltenden Fassung (und übrigens auch im Entwurf in der Textgegenüberstellung)  „Personsfeststellung“ lautet. Eine Überprüfung wird angeregt.

In der 6. Zeile dieses Abs. 6 sollte deutlich gemacht werden, dass es sich bei den erkennungsdienstlichen Daten um die des Verdächtigen handelt.

 

 

 

Zu Art. 1 Z 18 (§ 75 Abs. 1 SPG)

 

Im Zusammenhang mit der hier angestrebten „Rationalisierung“ im Bezug auf die Verwendung erkennungsdienstlicher Daten ist zu betonen, dass eine solche nicht zu einem Verlust von Transparenz für die Betroffenen führen darf. Werden also beispielsweise von einer Person nach dem Fremdenpolizeigesetz Fingerabdrücke abgenommen und diese sowohl nach Fremdenpolizeigesetz als auch später nach SPG weiterverarbeitet, wäre sicherzustellen, dass der betreffenden Person eine entsprechende Mitteilung über diese Doppelverwendung zugeht. Legistisch könnte dies durch einen entsprechenden Verweis auf § 65 Abs. 5 SPG gelöst werden.

 

Zu Art. 3 (Änderung des Polizeikooperationsgesetzes)

 

Zu Art. 3 Z 1 (§ 7 Abs. 5 PolKG)

 

Der Entwurf sieht vor, dass künftig die Sicherheitsbehörden ermächtig sein sollen, Amtshilfe durch das Verwenden von Daten, die von ausländischen Sicherheitsbehörden und Sicherheitsorganisationen in gemeinsam geführten Informationssammlungen verarbeitet werden, unmittelbar in Anspruch zu nehmen.

Der vorgeschlagene Abs. 5 des § 7 PolKG steht im Widerspruch zu § 7 Abs. 1 PolKG. Zufolge Letzterem nehmen nachgeordnete Sicherheitsbehörden Amtshilfe im Wege des Bundesministers für Inneres in Anspruch. Davon abgesehen ist nicht ersichtlich, wie durch eine solche Norm sichergestellt werden soll, dass nicht etwa Exekutivorgane auf unüberprüfte bzw. unzuverlässige ausländische Informationen (etwa aus problematischen Drittstaaten ohne Überprüfungsmöglichkeit der Datenqualität) zurückgreifen. Den berechtigten Anliegen der Datenrichtigkeit, der Datenlöschung bzw. der Auskunft gegenüber Betroffenen kann durch eine solche rudimentäre Bestimmung ebenfalls nicht ausreichend Rechnung getragen werden.

Weiters wird zu dieser Bestimmung eine Überprüfung dahingehend angeregt, ob nicht in bestehenden völkerrechtlichen Verträgen Regelungen derart vorgesehen sind, dass Amtshilfe durch das Verwenden von Daten im Wege einer bestimmten Stelle bzw. Einrichtung in Anspruch zu nehmen ist. Bejahendenfalls würde die geplante Bestimmung im Widerspruch zu den völkerrechtlichen Verträgen stehen, da eine entsprechende Regelung betreffend unmittelbare Datenverwendung durch die Sicherheitsbehörden selbst zwar – innerstaatlich - entgegenstehenden Bestimmungen in Staatsverträgen auf Gesetzesstufe zu derogieren vermag, gegenüber den Vertragsparteien hätte eine Änderung jedoch grundsätzlich in Form der Abänderung des völkerrechtlichen Vertrages zu erfolgen.

 

 

 

29. September 2007

Für den Bundeskanzler:

Georg LIENBACHER

 

 

 

Elektronisch gefertigt