A-1010 Wien, Ballhausplatz 1

Tel.  ++43-1-531 15/0

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REPUBLIK ÖSTERREICH

e-mail: dsrpost@bka.gv.at

DATENSCHUTZRAT

 

DVR: 0000019

GZ BKA-817.310/0005-DSR/2007

 

 

 

 

An das

Präsidium des Nationalrates

Parlament

 

Dr. Karl Renner-Ring 3

1010  W i e n

 

 

 

 

Betrifft: Suchtmittelgesetz -Novelle

             Stellungnahme des Datenschutzrates

 

 

 

 

 

 

 

In der Anlage wird die Stellungnahme des Datenschutzrates (einschließlich Votum Separatum) zu dem im Betreff genannten Gesetzesentwurf übermittelt.

 

 

Anlage

 

 

 

 

3. Oktober 2007

Für den Datenschutzrat:

Der Vorsitzende:

WÖGERBAUER

 

 

 

Elektronisch gefertigt

 


 

A-1010 Wien, Ballhausplatz 1

Tel.  ++43-1-531 15/2527

Fax: ++43-1-53109/2702

REPUBLIK ÖSTERREICH

e-mail: dsrpost@bka.gv.at

DATENSCHUTZRAT

 

DVR: 0000019

GZ BKA-817.310/0005-DSR/2007

 

An das

Bundesministerium für

Gesundheit, Familie und Jugend

 

 

Per Mail: post@bmgfj.gv.at

               franz.pietsch@bmgfj.gv.at

 

 

 

 

Betrifft: SMG-Novelle 2007

               Stellungnahme des Datenschutzrates

           

Der Datenschutzrat hat in seiner 177. Sitzung am 21. September 2007 mehrheitlich beschlossen, zu der im Betreff genannten Thematik folgende Stellungnahme abzugeben:

 

I Allgemeines:

 

Aus datenschutzrechtlicher Sicht von Relevanz sind primär jene Teile des Verordnungsentwurfes, die sich auf die Führung des sogenannten Suchtmittelregisters und des bundesweiten Substitutionsregisters bzw. mit diesen zusammenhängenden Meldeverpflichtungen und Auskunftsrechte beziehen (vgl. §§ 24ff Suchtmittelgesetz (SMG).

 

Die angesprochenen Register bestehen bereits nach der derzeitigen Rechtslage, das sogenannte Substitutionsregister freilich findet sich nicht direkt im SMG, sondern nur auf Verordnungsebene verankert (vgl. § 23j Suchtgiftverordnung BGBl II Nr. 374/1997 idF BGBl II Nr. 50/2007).

 

Durch die vorgesehene Novelle soll letzteres Register ausdrücklich schon auf Gesetzesebene verankert werden. Zudem soll die Datenübermittlung durch diverse dezentrale Stellen an die zentralen Evidenzen künftighin im Online-Verfahren erfolgen (vgl. § 25 Abs. 2 SMG neu). Auch die „Auskunftserteilung“ für bestimmte Kategorien von Auskunftswerbern soll in Zukunft durch die Einräumung von Online-Zugriffsmöglichkeiten abgewickelt werden (vgl. § 26 Abs. 5 SMG neu).

 

Um die entsprechende Datensicherheit zu gewährleisten, sieht der Entwurf detaillierte Bestimmungen hinsichtlich der technischen Voraussetzungen zur Gewährung eines Onlinezugriffs vor (vgl. § 25 Abs. 3ff SMG bzw. § 26 Abs. 6ff SMG).

 

Neu eingeführt wird in Form des § 24d SMG eine ausdrückliche Datenverwendungsbestimmung für statistische und wissenschaftliche Untersuchungen.

 

Ebenfalls ein Novum stellt die vorgeschlagene Ermächtigung der an der Beratung und Behandlung oder Betreuung eines Patienten, der sich einer Substitutionsbehandlung unterzieht, beteiligten Ärzte, klinischen Psychologen, Psychotherapeuten oder Personen, die in einer Betreuungseinrichtung im Sinn des

§ 15 SMG tätig sind, zum gegenseitigen Austausch von Wahrnehmungen aus diesem Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsvorgängen unter der Bedingung, dass dies zum Schutz der Gesundheit des Beratenen, Behandelten oder Betreuten erforderlich ist und dessen Zustimmung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann.

 

II Detailbemerkungen:

 

Zu Art. I Z 20 (§ 8a neu SMG)

 

§ 8a Abs. 1 neu SMG statuiert eine Verpflichtung von Ärzten, die eine sogenannte Substitutionsbehandlung durchführen, Beginn und Ende einer solchen Behandlung an die Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde zu melden. Inhaltlich stellt sich diese Verpflichtung als Durchbrechung der ärztlichen Verschwiegenheitsverpflichtung nach dem Ärztegesetz dar (vgl. § 54 Abs. 1 Ärztegesetz 1998). In der Praxis wurde die ärztliche Verschwiegenheitspflicht zu den angegebenen Zwecken bereits bisher durchbrochen. Dies allerdings nur kraft einer Norm auf Verordnungsebene (§ 23j Abs.2 und 3 der Suchtgiftverordnung iVm Anhang VIII hiezu). Vor dem Hintergrund der Funktionalität des bundesweiten Substitutionsregisters nach § 24b neu SMG neu erscheint die oben erwähnte ärztliche Mitteilungsverpflichtung als logische Entsprechung (vgl. § 24b Abs.1 Z 3 und 8 SMG).

 

§ 8a Abs.2 SMG neu sieht darüber hinaus eine ausdrückliche Durchbrechung der beruflichen Verschwiegenheitspflichten von Ärzten, klinischen Psychologen, Psychotherapeuten oder sonstigen Personen, die in einer (privaten) Betreuungseinrichtung im Kontext der Betreuung von Substitutionspatienten tätig werden, vor und zwar dahingehend, dass Angehörige der vorgenannten Gruppe, die an der Betreuung eines bestimmten Patienten beteiligt sind, unter bestimmten Umständen untereinander „sensible“ Betreuungsinformationen austauschen dürfen.

 

Die in den Erläuterungen dargestellten Motive für eine derartige Datenübermittlungsermächtigung sind durchaus nachvollziehbar. Auch ist begrüßenswert, dass die Zustimmung des Betroffenen zu einem solchen Datenaustausch primäres Erfordernis für die Zulässigkeit sein soll.

 

Mit Blick auf die spezifische Situation und das für eine erfolgreiche Behandlung unabdingbare Vertrauensverhältnis zwischen Betroffenen und Arzt bzw. Psychologen etc., stellt sich allerdings die Frage, ob das vorgeschlagene Abstellen auf die Kriterien der „Erforderlichkeit“ bzw. „nicht rechtzeitige Einholbarkeit einer Zustimmung“ ausreichend restriktiv ausgefallen sind.

 

Zu überlegen wäre - etwa anstelle der bloßen Erforderlichkeit - eine „dringende“ Erforderlichkeit vorzusehen und hinsichtlich der im Normalfall einzuholenden Zustimmung außerdem eine ausdrückliche Zustimmung zu verlangen, die entsprechend zu dokumentieren wäre. Im Sinne der Nachprüfbarkeit der korrekten Handhabung des Ermessensspielraums durch die Betroffenen wäre auch zu überlegen, ob nicht eine ausdrückliche Dokumentationsverpflichtung an dieser Stelle für die Fälle der Durchbrechung der Verschwiegenheitspflichten ohne Zustimmung ausdrücklich vorgesehen werden sollte.

 

Zu Art. I Z 39 (§ 24d SMG):

 

Nach dieser Bestimmung soll das Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend ermächtigt sein, die an die zentralen Evidenzen gemeldeten Daten zum Zweck der Gewinnung von Erkenntnissen zur Prävention des Suchtgiftmissbrauches im Interesse statistischer und wissenschaftlicher Analysen und Untersuchungen, die keine personenbezogenen Ergebnisse zum Ziel haben, zu verwenden.

 

An dieser Stelle ist auf die Vorgabe des § 46 Abs.5 DSG 2000 zu erinnern, wonach auch in jenen Fällen, in welchen die Verwendung von Daten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung oder Statistik in personenbezogener Form zulässig ist, der direkte Personenbezug unverzüglich zu verschlüsseln ist, wenn in einzelnen Phasen der wissenschaftlichen oder statistischen Arbeit mit nur indirekt personenbezogenen Daten das Auslangen gefunden werden kann.

 

Es böte sich in diesem Sinne an, in § 24d einen ausdrücklichen Verweis auf

§ 46 Abs.5 DSG vorzunehmen, um deutlich zu machen, dass eine Verschlüsselung des Personenbezuges baldmöglichst zu erfolgen hat. Alternativ könnte dieses Erfordernis auch ausdrücklich angesprochen werden.

 

Zu § 25 Abs.9:

 

Diese Bestimmung enthält eine Ausnahme von der Löschungsverpflichtung und zwar für den Fall, dass Daten für statistische und wissenschaftliche Zwecke erforderlich sind und dabei nur indirekt in personenbezogener Form verarbeitet werden.

 

An dieser Stelle ist daran zu erinnern, dass indirekt personenbezogene Daten aus der Sicht des Auftraggebers nur dann vorliegen, wenn dieser Auftraggeber die Identität des Betroffenen mit rechtlich zulässigen Mitteln nicht bestimmen kann. Soll die Bestimmung des § 25 Abs. 9 tatsächlich wirksam werden, muss also sichergestellt sein, dass das Gesundheitsministerium für Gesundheit, Familie und Jugend gesamthaft betrachtet nicht mehr in der Lage ist, die Identität der Betroffenen ohne Verletzung von gesetzlichen Vorschriften herzustellen.

Im Übrigen wäre die Verankerung einer absoluten Löschungsfrist bzw. eine Frist nach deren Ablauf jedenfalls eine Anonymisierung Platz zu greifen hätte zu erwägen.

 

 

3.Oktober 2007

Für den Datenschutzrat

Der Vorsitzende:

WÖGERBAUER

Elektronisch gefertigt

 


Votum Separatum von Dr. Hans G. Zeger zur Stellungnahme des Datenschutzrates zur geplanten

 

Suchtmittelgesetz-Novelle (SMG-Novelle) 2007

 

 

1.   Vorbemerkung

 

Die Stellungnahme wird abgegeben, da aus der Sicht des Autors die Grundsatzfragen der Zulässigkeit der Durchbrechung der ärztlichen Schweigepflicht und die Verknüpfung einer Behandlung mit der Zustimmung des Patienten zur Datenweitergabe in der Mehrheitsstellungnahme des Datenschutzrates nicht ausreichend behandelt wurden.

 

Zur Verhinderung des Missbrauchs einer Drogenersatztherapie sind europaweit andere Verfahren als die zentrale Überwachung der Therapiewilligen und der Bruch des Ärztegeheimnisses im Einsatz. Diese sind sowohl effektiver, als auch in Hinblick der Grundrechte verfassungskonform. Hier wäre für eine sowohl gesundheitspolitisch sinnvollen, als auch grundrechtskonformen Formulierung der Novelle die Beiziehung erfahrener Drogentherapieärzte und die Berücksichtigung ausländischer Erfahrungen sinnvoll.

 

 

2.   Relevante Kritikpunkte im Überblick

 

-)  Grundsätzliche Kritik am Konzept der zentralen Verarbeitung personenbezogener Daten von Kranken

 

-)  Unzulässige Durchbrechung der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht im Zusammenhang mit der Substitutionsbehandlung

 

-)  Überhöhter Umfang der in den Substitutionsregister und den Suchtmittelregister aufzunehmenden personenbezogenen Daten in Hinblick auf die Zweckbindung dieser Register

 

-)  Mangelnde Berücksichtigung der Unschuldsvermutung bei Aufnahme personenbezogener Daten in den Suchtmittelregister alleine aufgrund von Anzeigen bzw. Mitteilungen

 

-)  Verwendung personenbezogener Daten zu wissenschaftlichen Zwecken ohne ausreichender Verschlüsselung

 

-)  Keine absolute Begrenzung der Speicherdauer bei Substitutionsregister und Suchtmittelregister

 

-)  Online-Zugriff auf die verarbeiteten Daten als vermeidbares zusätzliches Sicherheitsrisiko

 

 

3.   Durchbrechung der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht im Zusammenhang mit der Substitutionsbehandlung

 

Ein Hauptproblem des vorliegenden Entwurfs ist, dass mit der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht überaus leichtfertig umgegangen wird. Eine entsprechende Durchbrechung der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht stellt der geplante § 8 a SMG dar, welcher die ärztlichen Melde- und Mitteilungspflichten zur Substitutionsbehandlung regelt. Ärzte haben den Beginn und das Ende einer Substitutionsbehandlung der Bezirksverwaltungsbehörde zu melden.

 

Weiters legt die entsprechende Bestimmung fest, dass die an einer Substitutionsbehandlung beteiligten Ärzte, klinischen Psychologen, Psychotherapeuten oder Personen, die gesundheitsbezogene Maßnahmen bei diesem Patienten durchführen, Wahrnehmungen aus deren Tätigkeit gegenseitig mitteilen dürfen,  sofern dies zum Schutz der Gesundheit des Beratenen, Behandelten oder Betreuten erforderlich ist und seine Zustimmung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann.

 

Aufgrund der bisher gültigen Bestimmung des § 23 b Suchtgiftverordnung war als Voraussetzung des Beginns einer Substitutionsbehandlung die ausdrückliche Entbindung von der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht durch den Patienten vorgesehen. Die im Rahmen des Begutachtungsentwurfs geplanten Bestimmungen  stellen daher insoferne eine Verschlechterung zur bestehenden Rechtslage dar, als im Gegensatz zur bisher nötigen Einwilligung des Betroffenen zur Aufhebung der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht nunmehr eine automatische gesetzliche Aufhebung der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht mit Beginn einer entsprechenden Behandlung vorgesehen ist.

 

Zwar war auch schon die bisherige Rechtslage überaus bedenklich, da das Prinzip galt: Ohne Entbindung von der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht auch keine Therapie - von einer freiwilligen Entbindung konnte daher schon bisher keine Rede sein. Dennoch stellt der automatisierte Eingriff in die datenschutzrechtlichen Interessen des Patienten, welcher nunmehr vorgesehen ist, eine zusätzliche Verschlechterung in Hinblick auf den Schutz sensibler, personenbezogener Daten dar.

 

Die erläuternden Bemerkungen zur geplanten Bestimmung räumen ein, dass ein Spannungsverhältnis zwischen dem Anspruch auf Geheimhaltung personenbezogener Daten und dem Erfordernis der Erfassung sensibler Behandlungsdaten sowie den Kommunikationserfordernissen im Rahmen berufsgruppenübergreifender Zusammenarbeit (Betreuungsnetzwerk) in der Substitutionsbehandlung besteht.

 

Grundsätzlich ist vehement anzuzweifeln, ob die geplanten Bestimmungen mit den Regelungen der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht aus dem ÄrzteG vereinbar sind.

 

Ausnahmen von der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht sind  mangels Einwilligung des Patienten - nach § 54 ÄrzteG nur dann vorgesehen, wenn entweder nach gesetzlichen Vorschriften eine Meldung des Arztes über den Gesundheitszustand bestimmter Personen vorgeschrieben ist bzw. die Offenbarung des Geheimnisses nach Art und Inhalt zum Schutz höherwertiger Interessen der öffentlichen Gesundheitspflegen oder der Rechtspflege unbedingt erforderlich ist.
 
Die geplante verpflichtende Meldung an die Bezirksverwaltungsbehörde über Beginn und Ende einer Substitutionsbehandlung stellt genau genommen aber nicht nur eine Meldung über den Gesundheitszustand dar, sondern vielmehr  über die Bestimmungen des ÄrzteG hinausgehend - eine Information über geplante und durchgeführte Therapiemaßnahmen. Weiters ist festzuhalten, dass der Sinn der betreffenden Ausnahmeregelung aus dem ÄrzteG darin besteht, den gesundheitlichen Interessen der Gesamtbevölkerung zu dienen, etwa im Falle ansteckender Krankheiten. Ein derartiger Zweck kann bei der Meldung betreffend Substitutionsbehandlungen jedenfalls ausgeschlossen werden.
 
Die geplanten wechselseitigen Mitteilungsrechte zwischen den an der Behandlung beteiligten Personen, die unabhängig von einer Einwilligung des Betroffenen gelten sollen, sind gleichfalls mit den Regelungen des ÄrzteG nicht vereinbar, da diese die Offenbarung von der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegenden Geheimnissen nur gestatten, wenn dies zum Schutz höherwertiger Interessen der öffentlichen Gesundheitspflegen oder der Rechtspflege unbedingt erforderlich ist. Dagegen sieht die geplante Bestimmung des § 8a Abs 2 SMG eine Durchbrechung der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht schon dann vor, als dies für die Beteiligten im Sinne einer koordinierten Gesamtbetreuung erforderlich scheint. Der Vorrang der Einwilligung durch den Betroffenen kommt daher im Vergleich zum ÄrzteG in weit geringerem Ausmaß zum Ausdruck.

 

Zwar stehen die Bestimmungen des Ärztegesetzes über die ärztliche Verschwiegenheitspflicht ebenso wie die geplanten Bestimmungen des SMG lediglich im einfachgesetzlichen Rang.

 

Festzuhalten ist allerdings, dass es sich bei den Gesundheitsdaten der Betroffenen natürlich um sensible, personenbezogene Daten handelt. Wann eine Datenübermittlung zulässig ist, muss sich demnach auch nach § 9 des DSG orientieren, welcher in Hinblick auf sensible, personenbezogene Daten Konkretisierungen zum verfassungsgesetzlich geschützten Recht auf Datenschutz festlegt. Sofern Bestimmungen anderer Gesetze von den dort normierten Prinzipien abgehen, ist von deren Verfassungswidrigkeit auszugehen.

 

Theoretisch könnten die geplanten Bestimmungen des SMG nur auf die allgemeine Regelung der Datenverwendung im wichtigen, öffentlichen Interesse gestützt werden. Dazu muss aber festgehalten werden, dass auch diese Bestimmung kein schrankenloses Abgehen vom Grundrecht auf Datenschutz erlaubt, sondern für jede einzelne gesetzliche Regelung zu überprüfen ist, ob diese mit den allgemeinen Prinzipien des Datenschutzes übereinstimmt, insbesondere in Hinblick auf Verhältnismäßigkeit, gelindere Mittel und Zweckmäßigkeit.

 

Im übrigen ist ein Abgehen vom Schutz sensibler Daten "im wichtigen öffentlichen Interesse" auch nicht durch die EU-Datenschutzrichtlinie gedeckt, demnach in dieser Form  europarechtswidrig.

 

Zusammenfassend stellen somit die geplanten Regelungen zur Verwendung sensibler, personenbezogener Daten einen massiven Eingriff in die Rechte Betroffener dar, welcher weder verfassungs- noch europarechtlich gedeckt ist.

 

Die geplanten Bestimmungen hinsichtlich eines Abgehens von der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht bei der Substitutionsbehandlung ohne Einwilligung des Patienten werden daher abgelehnt.

 

Stattdessen wird gefordert, dass für ein Abgehen von der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht jedenfalls die Einwilligung des Betroffenen als Voraussetzung festgelegt wird. Wobei eine nicht erteilte Einwilligung nicht automatisch zu einer Ablehnung einer  Substitutionsbehandlung führen darf, sondern allenfalls - zur Verhinderung des Missbrauchs der Substitutionsmittel - dem Betroffenen bestimmte, grundrechtlich zumutbare Auflagen bei der Übernahme bzw. bei der Einnahme der Substitutionsmittel aufzuerlegen sind.

 

Das Prinzip soll somit nicht, wie im Entwurf in grundrechtswidriger Weise vorgesehen, lauten: Therapie gegen Aufhebung der Verschwiegenheitspflicht , sondern bestimmte Behandlungsvarianten können mit oder ohne Aufhebung der Verschwiegenheitspflicht angeboten werden.

 

In diesem Fall hätten die Betroffenen effektive Wahlmöglichkeiten, wie weit sie auf ihre Privatsphäre verzichten oder eben im Gegensatz zusätzliche Therapieauflagen akzeptieren. Mit dieser Vorgangsweise wäre sowohl der Anspruch der Therapiewilligen auf eine Therapie, deren Achtung der Privatsphäre, als auch der öffentlich-rechtlich nachvollziehbare Anspruch der Verhinderung von Missbräuchen gewährleistet.

 

 

4.   Kritik an Suchtmittelregister

 

Ein weiterer wesentlicher Kritikpunkt ist neben dem verantwortungslosem Umgang mit der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht der massive Ausbau von Meldeverpflichtungen und der zentralisierten Verarbeitung sensibler Gesundheitsdaten im Rahmen von Suchtmittelregister und Substitutionsregister

 

Schwerpunkt der geplanten Regelungen ist die Schaffung eines eigenen Suchtmittelregisters zur Sicherstellung der Überwachung des Verkehrs und der Gebarung mit Suchtmitteln und Drogenausgangsstoffen.

 

In diesem Zusammenhang wurden auch die bereits bestehenden Meldeverpflichtungen an das Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales ausgebaut. Neu erfasst von der Meldepflicht sind etwa alle von den nachgeordneten Sicherheitsbehörden wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung nach den §§ 27 bis 32 an die Staatsanwaltschaft erstatteten Berichte, sowie von Wirtschaftsbeteiligten mitgeteilten Wahrnehmungen über Drogenausgangsstoffe.

 

Bedenklich ist an den vorgesehenen Regelungen jedenfalls, dass schon der Verdacht einer strafbaren Handlung bzw. eine erstattete Anzeige ausreichend sein sollen, um zu einer Aufnahme personenbezogener Daten in das Zentralregister zu führen. Erforderlich ist demnach nicht, dass eine entsprechende Anzeige auch Substanz hat bzw. zu einer strafgerichtlichen Verurteilung führt, schon allein der bloße Verdacht einer entsprechend strafbaren Handlung führt zu einer zentralisierten Erfassung, dies in personenbezogener Form. Die zentralisierte Verarbeitung personenbezogener Daten ohne Rücksichtnahme auf den Ausgang eines entsprechenden Verfahrens in einer Art Generalverdächtigungstellt somit eine neue Qualität präventiver Datenverarbeitung dar und ist in Hinblick auf die strafrechtliche Unschuldsvermutung äußerst bedenklich

 

Erstmals definiert wurde auch der Inhalt entsprechender Meldungen, dies jedoch in einer überschiessenden Form, welche letztendlich keine denkbare Information aus lässt - angefangen von der Personenidentifikation anhand von insgesamt zwölf personenbezogenen Merkmalen (!) sowie jede erdenkliche Information zu dem entsprechenden Anlassfall der Datenübermittlung. Die Absicht des Gesetzgebers, personenbezogene Daten Betroffener im Rahmen des Suchtmittelregisters unabhängig davon zu verarbeiten, ob sich ein Verdacht gegen einen Betroffenen letztlich als haltlos herausgestellt hat oder nicht, kommt auch bei der Definition der zu übermittelnden Daten zum Ausdruck. Neben dem Fall der tatsächlichen Verurteilung eines Verdächtigen sind auch die Fälle eines vorläufigen Rücktritts von der Verfolgung sowie der vorläufigen Einstellung des Strafverfahrens von der gesetzlichen Meldeverpflichtung erfasst.

 

Insbesondere ist auch hinsichtlich der Zweckbindung bedenklich, warum zur Sicherstellung der Überwachung des Verkehrs und der Gebarung mit Suchtmitteln die Verarbeitung von Anzeigen und Mitteilungen notwendig sein sollte, welche im Anschluss nicht zu einer entsprechenden strafgerichtlichen Verurteilung geführt haben.

 

 

5.   Kritik an Substitutionsregister

 

Betreffend des bereits bestehenden Substitutionsregisters, welches allerdings bislang schon in der Suchtgiftverordnung verankert war, ist gleichfalls darauf zu verweisen, dass in diesem Zusammenhang umfassende Meldeverpflichtungen gepaart mit zentralisierter Datenverarbeitung vorgesehen sind. Als Zweck des nunmehr gesetzlich zu verankernden Substitutionsregisters ist die Erkennung von Mehrfachbehandlungen mit Substitutionsmitteln definiert.

 

Auch hier ist in Hinblick auf den umfassenden Inhalt entsprechender Übermittlungspflichten zu hinterfragen, ob dieser Zweck noch mit der gesetzlich definierten Zielbestimmung vereinbar ist. Insbesondere ist nicht einsichtig, warum es zur Vermeidung von Mehrfachverschreibungen auch notwendig sein soll, Daten über den jeweiligen Behandlungszweck oder die Art eines erfolgten Behandlungsendes zu verarbeiten.

 

 

6.   Datenverwendung zu wissenschaftlichen Zwecken ohne Verschlüsselung

 

§ 24d des geplanten Entwurfs sieht vor, dass das Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend auf die gemeldeten Daten zum Zweck der Gewinnung von Erkenntnissen für die Prävention des Suchtgiftmissbrauches für statistische und wissenschaftliche Analysen und Untersuchungen, die keine personenbezogenen Ergebnisse zum Ziel haben, verwenden darf.

 

Dabei ist auf § 46 Abs. 5 DSG 2000 zu verweisen, welcher vorsieht, dass in Fällen, in welchen die Verwendung von Daten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung oder Statistik in personenbezogener Form zulässig ist, der Personenbezug unverzüglich zu entfernen ist, wenn in einzelnen Phasen der wissenschaftlichen oder statistischen Arbeit mit nur indirekt personenbezogenen Daten das Auslangen gefunden werden kann.

 

Abweichend davon sieht die geplante Bestimmung nur vor, dass das Ziel entsprechender Untersuchungen nicht personenbezogenen Inhalts sein darf, eine umgehende Anonymisierung ist jedenfalls nicht vorgesehen.

 

Es böte sich in diesem Sinne an, in § 24d einen ausdrücklichen Verweis auf  § 46 Abs. 5 DSG vorzunehmen, um deutlich zu machen, dass eine Entfernung des Personenbezuges (Anonymisierung) baldmöglichst zu erfolgen hat. Alternativ könnte dieses Erfordernis auch ausdrücklich angesprochen werden.

 

 

7.   Löschungsverpflichtung mangelhaft umgesetzt

 

Ein weiteres Grundsatzproblem des vorliegenden Entwurfs ist die mangelhafte Umsetzung des durch das Grundrecht auf Datenschutz verankerten Löschungsanspruchs in Hinblick auf die geplante Verarbeitung personenbezogener Daten im Suchtmittelregister bzw. Substitutionsregister.

 

Zwar sind in §§ 25 Abs. 7,8,9 des vorliegenden Entwurfs entsprechende Löschungsverpflichtungen normiert. Diese Löschungsverpflichtungen sind allerdings nur beschränkt anwendbar. Sie beziehen sich auf die an das Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend übermittelten Daten. In Hinblick auf das Suchtmittelregister betreffen sie die Fälle des Zurücktretens, der Einstellung bzw. des erfolgten Freispruchs. In Hinblick auf das Substitutionsregister sind entsprechende Löschungsverpflichtungen vorgesehen, sofern die Behandlung einer Person bei einem Arzt beendet und nicht bei einem anderen Arzt fortgesetzt worden oder die behandelte Person verstorben ist.

 

Problematisch ist, dass der vorliegende Entwurf darüber hinausgehend - auch bei Freisprüchen bzw. Verfahrenseinstellungen - eine zeitlich unbeschränkte Datenverarbeitung gestattet, sofern dies in sogenannter indirekt personenbezogener Form erfolgt und zu wissenschaftlichen und statistischen Zwecken nötig sein soll. Zu befürchten ist daher, dass entsprechende Löschungen unter dem Vorwand von Wissenschaft und Statistik letztendlich völlig unterbleiben werden. Zum Konzept des indirekt personenbezogenen Datums wurde schon mehrfach ausgeführt, dass dieses Konzept der EU-Datenschutzrichtlinie unbekannt ist und ein rein österreichisches Kuriosum darstellt und letztlich europarechtswidrig ist. Zudem hat sich auch der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung zur Section-Control ablehnend zur Fiktion des indirekt personenbezogenen Datums geäußert und festgehalten, dass, sofern ein Personenbezug herstellbar ist, die Regelungen des Datenschutzgesetzes jedenfalls unbeschränkt gelten.

 

Gerade in Zusammenhang mit den geplanten Registern ist zu erwarten, dass ein entsprechender indirekter Personenbezug so ausgestaltet wird, dass eine Rückführung auf die betreffende Person ohne große Hindernisse möglich sein wird. Dies liegt vor allem deshalb nahe, als die Erläuternden Bemerkungen zur betreffenden Gesetzesbestimmung vorsehen, dass ermittelbar sein muss, ob sich Daten aus mehrfachen Anlassfällen  auf dieselbe Person beziehen oder nicht.

 

Darüber hinaus ist festzuhalten, dass es jedenfalls keine allgemeine Beschränkung der zeitlichen Verarbeitungsdauer gibt. Eine zeitlich unbeschränkte Dauer der Verarbeitung personenbezogener Daten in Suchtmittel- bzw. Substitutionsregister ist jedenfalls abzulehnen.

 

 

8.   Online-Zugriff bringt zusätzliche technische Unsicherheit

 

Der in § 25 des vorgelegten Entwurfs verankerte Online-Zugriff von Behörden auf die geplanten Register stellt jedenfalls einen erheblichen Unsicherheitsfaktor dar. Durch die vorgelegte Regelung ist jedenfalls in keiner Weise sichergestellt, dass nur tatsächlich legitimierte Personen Zugriff zu den verarbeiteten, personenbezogenen Daten erhalten. Es fehlen ausreichende Protokoll-, Kontroll- und Prüfmaßnahmen, welche Stellen und Organe tatsächlich zu welchem Zweck auf die einzelnen Datensätze zugreifen.

 

Der geplante Online -Zugriff zeigt jedenfalls den verantwortungslosen Umgang des Entwurfs mit sensiblen Gesundheitsdaten und wird als unnötiges Sicherheitsrisiko aus grundsätzlichen Überlegungen abgelehnt.

 

 

9.   Resumee

 

Die Kritik bezieht sich somit jedenfalls grundsätzlich auf das Konzept, personenbezogene Daten von Personen, bei denen es sich letztendlich um Patienten, Personen mit gesundheitlichen Problemen handelt mit aufwendigen Ressourcen und fragwürdigem Nutzen zentral zu verarbeiten. Die Nichtberücksichtigung von ärztlicher Verschwiegenheitspflicht und datenschutzrechtlichem Löschungsanspruch bietet einen vragwürdigen und grundrechtswidrigen Vorgeschmack darauf, welche datenschutzrechtlichen Einschnitte künftig noch im Gesundheitssystem ins Haus stehen werden. Insgesamt ist das Konzept der zentralen Erfassung personenbezogener Daten im Suchtmittelwesen abzulehnen.

 

Damit werden zum vorliegenden Entwurfs jedenfalls Änderungen zur Sicherung folgender Minimalstandards eingefordert:

 

-)   Durchbrechung der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht nur mit Einwilligung des Patienten, dies jedoch ohne Drohung des Entfalls/der Verweigerung der nötigen medizinischen Therapiemaßnahmen

 

-)   Verzicht auf die Verarbeitung personenbezogener Daten im Suchtmittelregister bevor es zu einer strafgerichtlichen Verurteilung kommt

 

-)   Festlegung einer absoluten, zeitlichen Höchstspeicherdauer für Substitutionsregister und Suchtmittelregister

 

-)   Begrenzung der in Suchtmittel- und Substitutionsregister verarbeiteten personenbezogenen Daten auf die hinsichtlich der Zweckbindung unbedingt notwendigen Merkmale

 

-)   Datenverwendung zu wissenschaftlichen Zwecken nur in vollständig anonymisierter Form

 

-)   Verzicht auf das Online -Verfahren