Amt der Tiroler Landesregierung

 

 

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Verfassungsdienst

 

 

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Entwurf einer SMG-Novelle 2007; Stellungnahme

Geschäftszahl

Innsbruck,

Präs.II-535/266
04.10.2007

 

 

Zu Zl. BMJ-L703.040/0007-II/2/2007 vom 11. Sept. 2007

Zum übersandten Entwurf einer SMG-Novelle 2007 wird folgende Stellungnahme abgegeben:

Zum Titel:

Im Titel der SMG-Novelle 2007 sollte die Bezeichnung "Jugendgerichtsgesetz" richtig gestellt werden (Ju­gendgerichtsgesetz 1988).

Zu Artikel I (Änderung des Suchtmittelgesetzes)

Zu Z. 20 (§ 8a):

Nach § 8a Abs. 2 dürfen Ärzte, klinische Psychologen und Psychotherapeuten, die an einer Einrichtung gemäß § 15 SMG gesundheitsbezogene Maßnahmen durchführen, sich gegenseitig Wahrnehmungen aus der Beratung oder Behandlung mitteilen, soweit dies zum Schutz der Gesundheit des Behandelten not­wendig ist. Dies ist auch zulässig, wenn die Zustimmung des Betroffenen nicht rechtzeitig eingeholt wer­den kann. In der Praxis könnte das zur Folge haben, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient gestört wird. Dadurch würde wiederum der Behandlungserfolg gefährdet.

Die Erläuternden Bemerkungen begründen die Notwendigkeit dieses Informationsaustausches mit dem Rahmen, den das Gesamtbetreuungskonzept vorgibt. Dieses geht jedoch über den „Schutz der Gesund­heit“ des Patienten hinaus. Zumindest müsste der Patient bei nächster Gelegenheit oder bei Wegfall des Hinderungsgrundes über diesen Informationsaustausch Kenntnis erlangen.

Zu Z. 38 (§ 23):

Der Entwurf sieht im § 23 Abs. 2 folgenden ersten Satz vor: "Die Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend hat unbeschadet des § 6a Abs. 1 Z. 5 des Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetzes (GESG), BGBl. I Nr. 63/2002, in der geltenden Fassung, die Überwachung des Verkehrs und der Geba­rung mit Suchtmitteln und Drogenausgangsstoffen durch Evidenthaltung [der] dafür erforderlichen Daten sicherzustellen.".

Damit wird eine allgemeine Bestimmung über Zuständigkeiten und Aufgaben vorangestellt, bei der zu­nächst aber unklar bleibt, welche "erforderlichen Daten" nach der zitierten Gesetzesstelle von der Bun­desministerin für Gesundheit, Familie und Jugend evident gehalten werden sollen. Da der Bundesgesetz­geber hier wohl nur den Abs. 8 im Sinn haben kann ("Die zur Anwendung dieses Bundesgesetzes erfor­derlichen Daten (§§ 24a bis 24c)"), wird im Interesse der besseren Nachvollziehbarkeit des umfangreichen § 23 empfohlen, den ersten Satz im Abs. 2 um folgenden Klammerausdruck zu ergänzen: "durch Evident­haltung der dafür erforderlichen Daten (Abs. 8) sicherzustellen".

Zu Z. 39 (§§ 24 bis 26):

Die Formulierung der §§ 24 bis 26 im Zusammenhang mit der Meldung von Daten an die Register ist missverständlich. Das Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend (BMGFJ) hat nach § 24 Z. 1 und 2 ein Suchtmittelregister und ein Substitutionsregister zu führen. Diesen Registern sind von bestimm­ten Behörden personenbezogene Daten zu melden (vgl. §§ 24a Abs. 1 und 3 sowie 24b Abs. 1), wobei die Meldungen in der vom BMGFJ vorgegebenen Form erfolgen müssen (vgl. §§ 24a Abs. 2 und 3 sowie § 24b Abs. 1) und die Daten dann vom BMGFJ in die Register eingetragen werden (vgl. § 25 Abs. 1). Nach § 25 Abs. 2 kann mit Verordnung die Online-Meldung der Daten durch die meldepflichtigen Behörden an­geordnet werden, woraus folgt, dass die Meldungen dann direkt an die Register ergehen (vgl. auch die Erläuterungen zu § 25) und nicht so wie bis zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieser Verordnung über den Umweg des BMGFJ in die Register (von den Mitarbeitern im Ministerium) eingetragen bzw. überspielt werden.

Die Paragraphenüberschriften "Meldungen an das Suchtmittelregister" und "Meldungen an das bundes­weite Substitutionsregister" sowie die Formulierungen, wonach "dem Register zu melden sind" (vgl. §§ 24a Abs. 1 und 3 sowie 24b Abs. 1) greifen dieser Verordnung vor und sind genau genommen erst dann zu­treffend, wenn die Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend von ihrer Verordnungsermächti­gung nach § 25 Abs. 1 Gebrauch macht. Es wird daher empfohlen, die betreffenden Formulierungen nach dem Vorbild der Meldungen im Zusammenhang mit suchtgiftbezogenen Todesfällen anzupassen (vgl. § 24c Abs. 1: "Dem Bundesministerium.... sind zu übermitteln").

Zu § 24:

In den Erläuterungen zu § 24 wird klar gestellt, dass "... drei Zwecke für die Erfassung, Verarbeitung und Verwendung der personenbezogenen Daten unterschieden werden". Das Datenschutzrecht kennt heute im Gegensatz zum DSG 1978 nur mehr den Überbegriff der "Verwendung" von Daten, darunter versteht man sowohl ihre Verarbeitung als auch ihre Übermittlung. Das Erfassen wiederum ist nur einer von mehre­ren Schritten der Datenverarbeitung (so wie das Verknüpfen, Vervielfältigen, Ordnen, etc. von Daten, vgl. dazu im Detail die Begriffsbestimmungen in § 4 DSG 2000). Mit der ausdrücklichen Dreiteilung in "Erfas­sung, Verarbeitung und Verwendung" wird der – unzutreffende – Eindruck vermittelt, dass hier verschie­dene datenschutzrechtliche Eingriffsebenen vorliegen.

Es wird daher empfohlen, die Erläuterungen den gebräuchlichen und vom Bundesgesetzgeber vorgesehe­nen datenschutzrechtlichen Begriffsbestimmungen anzupassen: "wobei drei Zwecke für die Verwendung der personenbezogenen Daten unterschieden werden".

Zu § 24a:

Nach § 24a Abs. 3 Z. 4 haben die Bezirksverwaltungsbehörden dem Suchtmittelregister soweit bekannt auch "die für statistische und wissenschaftliche Analysen und Untersuchungen im Hinblick auf Suchtgift­missbrauch erforderlichen soziodemographischen Daten (§ 24d) über die Schulbildung, Wohnsituation, Erwerbstätigkeit und den Lebensunterhalt der begutachteten Person" zu melden.

Gemäß § 24d darf das BMGFJ "die ihm gemäß den §§ 24a, 24b oder 24c gemeldeten Daten zum Zweck der Gewinnung von Erkenntnissen für die Prävention des Suchtgiftmissbrauches für statistische und wis­senschaftliche Analysen und Untersuchungen, die keine personenbezogenen Ergebnisse zum Ziel haben, verwenden.".

In diesem Zusammenhang ist auch der § 25 Abs. 9 von Interesse: "Eine Verpflichtung zur Löschung be­steht nicht, soweit die Daten für Zwecke gemäß § 24d erforderlich sind und für diese Zwecke in nur indirekt personenbezogener Form (§ 4 Z. 1 des Datenschutzgesetzes 2000) verarbeitet werden.".

Aus der Zusammenschau dieser Normen ergibt sich, dass die im § 24a Abs. 3 Z. 4 beschriebenen sozio­demographischen Daten vom BMGFJ nur zu statistischen und wissenschaftlichen Zwecken und nicht in personenbezogener Form verarbeitet werden dürfen. Unter Bedachtnahme auf das verfassungsgesetzlich verankerte Verhältnismäßigkeitsgebot (vgl. § 1 Abs. 2 DSG 2000), nach dem auch zulässige Beschrän­kungen des Grundrechtes auf Datenschutz jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorge­nommen werden dürfen, ist dann aber nicht verständlich, warum die Bezirksverwaltungsbehörden Daten, denen ein hohes Geheimhaltungsinteresse inhärent sein dürfte (Wohnsituation, Lebensunterhalt, etc.), "zur begutachteten Person" und somit personenbezogen an das Register übermitteln müssen und das BMGFJ diese Daten dann offensichtlich in einem zweiten Schritt – nunmehr indirekt personenbezogen – zu statis­tischen und wissenschaftlichen Zwecken (weiter-)verarbeitet. Angesichts der Verdoppelung des theore­tischen Missbrauchspotentials (Bezirksverwaltungsbehörden auf der ersten und BMGFJ auf der zweiten Ebene) in Bezug auf die soziodemographischen Daten wird aufgrund der gebotenen Verhältnismäßigkeit somit empfohlen, dass die Verschlüsselung dieser Daten (Herstellung des nur indirekten Personenbezugs) schon auf Ebene der Bezirksverwaltungsbehörden stattfindet. Dafür spricht auch § 46 Abs. 5 DSG 2000, wonach auch in jenen Fällen, in welchen die Verwendung von Daten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung oder Statistik in personenbezogener Form zulässig ist, der direkte Personenbezug unverzüglich zu verschlüsseln ist, wenn in einzelnen Phasen der wissenschaftlichen oder statistischen Arbeit mit nur indirekt personenbezogenen Daten das Auslangen gefunden werden kann.

Es wird somit folgende neue Formulierung des § 24a Abs. 3 Z. 4 vorgeschlagen: ".... erforderlichen sozio­demographischen Daten (§ 24d) über die Schulbildung, Wohnsituation, Erwerbstätigkeit und den Lebens­unterhalt der begutachteten Person in indirekt personenbezogener Form,".

Nach § 24a Abs. 3 soll die Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde alle Personen, deren Be­gutachtung gemäß § 12 SMG ergibt, dass sie Suchtgift missbrauchen, an das Suchtmittelregister melden. In diesem Zusammenhang ist besonders bedenklich, dass unter Z. 5 auch die von den begutachteten Per­sonen bereits in Anspruch genommenen Angebote der Drogenhilfe, wie kurzfristige Beratung, stationäre Behandlung usw., gemeldet werden sollen.

Für die Begutachtung der gesundheitsbezogenen Maßnahmen ist der Amtsarzt auf die Kooperationsbe­reitschaft des Betroffenen angewiesen. Dafür ist ein Vertrauensverhältnis notwendig, das durch die um­fassende Meldepflicht aber belastet würde. Die Begutachtung erhält dadurch bloßen Kontrollcharakter und widerspricht den Grundsätzen von „Therapie statt Strafe“.

Außerdem wird die zu erhebende Datenflut auch bei noch so sehr ausgefeilten digitalen Instrumenten durch den qualifizierten zeitlichen Mehraufwand in den Gesundheitsämtern zu einer spürbaren finanziellen Mehrbelastung der Länder führen.


Zu § 24b:

Auch aufgrund dieser Bestimmung ist ein hoher zeitlicher Aufwand für die Amtsärzte und damit eine finan­zielle Mehrbelastung der Länder zu erwarten. Es sollte daher noch einmal geprüft werden, ob wirklich alle im Entwurf vorgesehenen Daten zur Erreichung des Zwecks der Vermeidung von Mehrfachver­schreibun­gen im Substitutionsbereich erforderlich sind. Das Faktum einer Dauerbehandlung sollte hin­gegen noch im Register berücksichtigt werden.

Zu § 24c:

Weder dem Gesetzestext noch den Erläuterungen zur Online-Meldung an die Register, die künftig durch Verordnung angeordnet werden kann (vgl. § 25 Abs. 1), lässt sich entnehmen, wie im Fall eines direkten Informationsflusses von der meldepflichtigen Behörde hin zum Register – und damit ohne eine Mitwirkung von Mitarbeitern im BMGFJ – sicher gestellt werden soll, dass nach Einlangen von Meldungen im Sinn des § 25 Abs. 7 die sich auf dieses Verfahren beziehenden, diese bestimmte Person betreffenden Daten un­verzüglich aus dem Suchtmittelregister gelöscht werden.

Es wird daher empfohlen, in der Bestimmung über die Verordnungsermächtigung zur Online-Meldung der Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend nicht nur Maßnahmen zur Datensicherheit (vgl. § 25 Abs. 5), sondern auch zur Gewährleistung der Löschungspflichten aufzutragen.

Die "Bundesministerin" (Abs. 2) wird im Abs. 5 als "Bundesminister" bezeichnet.

Zu § 24d:

In dieser Bestimmung soll festgeschrieben werden, dass das BMGFJ die gemäß den §§ 24a bis 24c ge­meldeten Daten für statistische und wissenschaftliche Analysen verwenden darf. Die Bundesländer sind davon ausgeklammert. Wenn die Bundesländer schon zur Datensammlung beitragen, müssen sie auch die gleichen Möglichkeiten zur Verwendung dieser Daten erhalten wie das BMGFJ.

Der Verweis in den Erläuterungen auf "§ 45 Abs. 1 des Datenschutzgesetzes 2000" ist insofern zu korrigie­ren, als es sich um "§ 46 Abs. 1 des Datenschutzgesetzes 2000" handelt.

Zu § 26:

Nach § 26 Abs. 1 Z. 3 und 4 sollen die Bundesministerien für Landesverteidigung und für Inneres die Da­ten gemäß § 24a für die Feststellung der Eignung eines Wehrpflichtigen bzw. eines Zivildieners er­halten. Dies scheint entbehrlich, da die beiden Ministerien ohnehin eigene Untersuchungen durchführen.

Zu Z. 59 (§ 41):

Bezüglich der Kostentragung für JustizklientInnen wird verlangt, dass die im Abs. 1 Z. 2 vorgesehene Sub­sidiarität bezüglich der Leistungen aufgrund von Landesgesetzen gestrichen wird.

Zudem wird bemerkt, dass nach Abs. 2 erster Satz die Dauer der stationären Therapien, für die der Bund allenfalls zur Kostentragung bereit ist, von vornherein mit einem Jahr begrenzt werden soll. Dieser Vor­schlag missachtet die therapeutischen Abläufe in der Suchttherapie. Eine zeitliche Begrenzung der Thera­pie würde in vielen Fällen den Erfolg der Maßnahme beeinträchtigen.

Durch die gegenständlichen Novellen kann für die Bezirksverwaltungsbehör­den ein Mehraufwand auch im Zusammenhang mit der geplanten Modernisierung des Sucht­mittel-Datenverkehrs in Richtung E-Govern­ment entstehen, da die Parteien der Portalverbund Vereinba­rung die vereinbarten Sicherheitssysteme (System von vier Sicherheitsklassen) zu implementieren haben. Auch in den Erläuterungen zu § 25 wird ausgeführt, dass "die Beitrittserklärung zum Portalverbund dazu nicht ausreicht, sondern vielmehr die Er­füllung der dort im Einzelnen festgelegten Anforderungen nachge­wiesen werden muss". Die Tatsache, dass es sich im Zusammenhang mit dem Suchtmittel-Datenverkehr zweifellos um die höchste Sicherheits­klasse ("Transaktionen auf sensible personenbezogene Daten im Sinne von Abfragen, Verknüpfungen, Eingaben, Änderungen und Löschungen") handelt und deren Imple­mentierung einen erheblichen Aufwand bedeuten kann, wird nicht erwähnt.

Eine Ausfertigung dieser Stellungnahme wird unter einem auch dem Präsidium des Nationalrates über­mittelt.

 

Für die Landesregierung:



Dr. Liener
Landesamtsdirektor