Generalprokuratur

beim Obersten Gerichtshof


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generalprokuratur@justiz.gv.at

 

Sachbearbeiter GAin Dr. Sperker

 

Klappe              (DW)

GZ:  Jv 597-1/07

 

An das

Bundesministerium für Justiz

in Wien

 

 

 

 

 

 

 

zur GZ BMJ-L703.040/0007-II 2/2007

 

Betrifft:     Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das

                Suchtmittelgesetz (SMG), das Strafgesetzbuch,

die Strafprozessordnung 1975,

das Jugendgerichtsgesetz (JGG) und das

Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz

geändert werden (SMG-Novelle 2007)

 

 

        Die Generalprokuratur beehrt sich, zum oben genannten Gesetzesentwurf folgende

 

S t e l l u n g n a h m e

 

zu erstatten, die in 25-facher Ausfertigung auch dem Präsidium des Nationalrates zugemittelt wird:

 

Der vorliegende Gesetzesentwurf, der in weiten Teilen der Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates vom 25. Oktober 2004, ABl. 2004 L 335,8, dient, darüber hinaus aber auch eine Verbesserung und Vereinfachung der Anwendung der Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes anstrebt, wird, soweit im Folgenden nicht ausdrücklich Korrekturen oder Ergänzungen des Entwurfes vorgeschlagen werden, befürwortet.

 

1./ zu § 27 Abs 2 Z 1 SMG neu – Art I Z 40:

In Anbetracht des die Beförderung von Suchtgiften mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen bedrohenden Strafrahmens des § 27 Abs 2 Z 1 SMG neu gegenüber dem bloß mit einer Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen bedrohten (bloßen) Erwerb und Besitz von Suchtgiften nach § 27 Abs 1 SMG neu würde die letztgenannte Besserstellung auf einen Suchtgift bloß für den eigenen Konsum erwerbenden, dieses jedoch nicht am Ort des Ankaufes konsumierenden Täter nicht zutreffen. Da dies nicht sachgerecht ist, sollte die Tathandlung des Beförderns aus § 27 Abs 2 Z 1 SMG herausgenommen und als Z 2 neu eingefügt werden:

Suchtgift nicht zum Eigenkonsum befördert.

Die derzeit vorgesehenen Z 2 bis 4 hätten dann die Nummerierung 3 bis 5.  

 

2./ zu § 27 Abs 3 SMG neu – Art I Z 40:

Begrüßt wird die Beibehaltung der Gewerbsmäßigkeitsqualifikation nach § 70 StGB im § 27 Abs 3 SMG neu, weil nur diese ausreichend Möglichkeit zur Bekämpfung des Straßenhandels bietet.

 

3./ zu §§ 27 Abs 5, 28 Abs 3, 28 a Abs 3, 31 Abs 3, 31 a Abs 4, 39 Abs 1 Z 2 SMG neu – Art I Z 40, 41, 42, 46, 47  und 56:

Die Wortfolge in § 27 Abs 5 SMG neu „wenn nach den Umständen von einer Gewöhnung an Suchtmittel ausgegangen werden kann“ sollte durch die Passage „wenn eine physische oder psychische Abhängigkeit vorliegt, sowie die Wortfolge in § 39 Abs 1 Z 2 SMG neu „an Suchtmittel gewöhnt“ durch die Passage „von Suchtmitteln physisch oder psychisch abhängig“ ersetzt werden.

Nach herrschender Meinung liegt eine Gewöhnung an ein Suchtmittel vor, wenn der Betreffende das Suchtmittel mit Selbstverständlichkeit gebraucht oder ihm der Suchtmittelgenuss bereits so sehr zum Bedürfnis geworden ist, dass er ihn nicht oder nur mit äußerster Anstrengung der Willenskraft unterlassen kann (OGH ÖJZ–LSK 1977/240; 14 Os 129/88; Ebensperger RZ 2000, 80; Foregger/Litzka/Matzka SMG § 27 Anm VIII, 1; Triffterer SbgK-StGB § 22 Rz 10). Die weitgehenden, auf § 27 Abs 5 SMG neu zurückgehenden Privilegierungen sowie die weitreichenden Möglichkeiten eines Strafaufschubes nach § 39 SMG neu dürfen alleine durch die Verminderung des Verschuldens infolge Abhängigkeit und nicht bereits durch den „Gebrauch des Suchtmittels mit Selbstverständlichkeit“ ausgelöst werden (vgl in diesem Sinn auch Hinterhofer/Rosbaud, SMG § 27 Rz 59).

 

4./ zu § 28 Abs 1 SMG neu – Art I Z 41:

Die erst bei Übersteigen einer das 15-fache der Grenzmenge (§ 28 b) vorgeschlagene Qualifikation des vorschriftwidrige Erwerbs und Besitzes von Suchtgift mit dem Vorsatz, eine nach § 27 Abs 2 Z 1 SMG neu strafbare Handlung zu begehen, stellt gegenüber der bisherigen Rechtslage eine massive Besserstellung jener Täter dar,  die mit entsprechendem Vorsatz Suchtgifte erwerben oder besitzen, die die Grenzmenge, nicht jedoch das 15-fache der Grenzmenge überschreiten; diesfalls betrug die Strafdrohung bisher drei Jahre, nach dem Entwurf nur noch ein Jahr. Da das 15-fache der Grenzmenge bei reinem Heroin 45 Gramm beträgt (dies entspricht unter Zugrundelegung eines 10 bis 25 %igen Reinheitsgrades von Straßenqualität [15 Os 138/01] 180 bis 450 Gramm Heroin in Straßenqualität) und bei reinem Kokain 225 Gramm beträgt  (dies entspricht unter Zugrundelegung eines 40 bis 50 %igen Reinheitsgrades von Straßenqualität [15 Os 138/01] 450 bis 562 Gramm Kokain in Straßenqualität) wird dadurch auch  mittelschwere Kriminalität, nämlich die Vorbereitung von Handel mit Suchtgift in der Größenordnung bis zu rund 0,5 Kilogramm Heroin bzw Kokain in Straßenqualität massiv begünstigt.

Aus kriminalpolizeilicher Sicht ist darüber hinaus ein vermindernder Anreiz für Zugriffe auf „Bunker-Wohnungen“ gegeben, da derartige Erhebungen mit vergleichsweise größerer Wahrscheinlichkeit nur der Klärung von bloß in die Zuständigkeit der Bezirksgerichte fallenden Delikten dienen würden.

Es wäre daher – wie auch im § 28 a Abs 1 und Abs 2 SMG neu – eine Abstufung der Strafdrohung für das Delikt der Vorbereitung von Suchtgifthandel vorzunehmen:

§ 28 Abs 1: wer vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28 b) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz erwirbt oder besitzt, eine nach § 27 Abs 2 Z 1 SMG neu strafbare Handlung zu begehen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen. Ebenso ist zu bestrafen, wer die in § 27 Abs 2 Z 3 SMG neu genannten Pflanzen zum Zweck der Gewinnung einer solchen Menge Suchtgift anbaut.

Abs 1 a:

Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren ist zu bestrafen, wer die Tat in Bezug auf Suchtgift in einer das 15-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge (große Menge) begeht.

 

5./ zu § 28 a Abs 2, Abs 4 und Abs 5 SMG neu – Art I Z 42:

„Tat“ im Sinne des § 28 a Abs 2 SMG neu ist nach den erläuternden Bemerkungen eine solche nach § 28 a Abs 1 SMG neu. Die im § 28 a Abs 4 Z 1 SMG neu genannte Vorverurteilung wegen einer strafbaren Handlung bezieht sich hingegen ausdrücklich auf eine solche nach § 28 a Abs 2 SMG neu.

Ob sich die Qualifikation der Z 2 des Abs 4 auf Straftaten nach § 28 a Abs 1 SMG neu oder nach § 28 a Abs 2 SMG neu bezieht, bleibt von den erläuternden Bemerkungen ungeklärt.

Auch § 28 a Abs 5 SMG neu verwendet den Begriff „Tat“, lässt jedoch im Gesetzestext jeden Hinweis vermissen, ob es sich dabei um eine Straftat nach § 28 a Abs 1 SMG neu handelt; darauf deutet lediglich der Hinweis in den erläuternden Bemerkungen, die Bestimmung des § 28 a Abs 5 SMG neu strebe die inhaltlich unveränderte Übernahme der Bestimmung des § 28 Abs 5 SMG in der geltenden Fassung an.

Entsprechende Klarstellungen unmittelbar im Gesetzestext wären wünschenswert.

 

6./ zu § 30 Abs 2 Z 1 SMG neu – Art I Z 45:

Hinsichtlich der Tathandlung des Beförderns gelten die zu § 27 Abs 2 Z 1 SMG neu angeführten Bedenken auch für § 30 Abs 2 Z 1 SMG. Das Befördern wäre aus § 30 Abs 2 Z 1 SMG neu herauszunehmen und der Abs 2 des § 30 SMG neu entsprechend umzugestalten.

 

7./ zu § 30 Abs 3 SMG neu – Art I Z 45:

Die Privilegierung nach § 27 Abs 5 SMG neu und nach § 30 Abs 3 Z 1 SMG neu sowie die Diversionsregelung des § 35 Abs 1 SMG neu stellen für die Straflosigkeit des Anbietens, Überlassens oder Verschaffens einer die Grenzmenge nicht übersteigenden Menge auf die Bestimmung für den persönlichen Gebrauch ab. Im § 30 Abs 3 Z 2 SMG neu findet sich eine derartige Voraussetzung systemwidrigerweise nicht.

Im § 30 Abs 3 Z 2 SMG neu wäre daher nach dem Wort „anderen“ die Worte „zu dessen persönlichen Gebrauch“ einzufügen.

 

8./ zu § 31 a Abs 3 SMG neu – Art I Z 47:

Nach den erläuternden Bemerkungen zu § 31 a Abs 3 SMG neu soll diese Vorschrift jener des § 28 a Abs 4 Z 1 SMG neu entsprechen. Letztere setzt eine Vorverurteilung nach § 28 Abs 2 SMG neu voraus. Eine derartige Voraussetzung, die gegenständlich auf eine Vorverurteilung nach § 31 a Abs 2 SMG neu abstellen müsste, fehlt in § 31 a Abs 3 SMG. Diese Voraussetzung wäre aufzunehmen, um den erläuternden Bemerkungen gerecht zu werden.

 

9./ § 35 Abs 1, Abs 2 SMG neu – Art I Z 51:

Der Ausweitung der obligatorischen Anzeigenzurücklegung nach § 35 Abs 1 SMG neu auf Straftaten nach §§ 27 oder 30 SMG neu, die ausschließlich für den persönlichen Gebrauch eines anderen und ohne eigenen Vorteil für den Beschuldigten begangen worden sind, wird entgegengetreten, weil dadurch beispielsweise  ohne eigene Vorteile erfolgtes Überlassen von Suchtgift an Minderjährige zwingend privilegiert würde.

 

Die Anzeigenzurücklegung nach § 35 Abs 2 SMG neu erfährt durch die geplante Änderung der Zuständigkeiten für Delikte nach dem Suchtmittelgesetz durch Entfall der Z 7 aus § 31 Abs 3 StPO in der Fassung des BGBl I Nr 19/2004 (Art III) ebenfalls eine massive Erweiterung ihres Anwendungsbereiches auf durchaus bereits der mittleren Kriminalität zuzurechnende Bereiche (beispielsweise auf den Erwerb und Besitz einer das 15-fache der Grenzmenge (§ 28 b) nicht übersteigenden Suchtgiftmenge mit dem Vorsatz eine nach § 27 Abs 2 Z 1 SMG neu strafbare Handlung zu begehen). Die vorgesehene Anzeigenzurücklegung nach § 35 Abs 2 SMG neu sollte daher nicht zwingend, sondern bloß fakultativ ausgestaltet sein, um der konkreten Gestaltung des Einzelfalles gerecht zu werden.

Unter der Voraussetzung einer im Sinn der obigen Ausführungen bloß fakultativ möglichen Anzeigenzurücklegung wird ausdrücklich begrüßt, dass § 35 Abs 2 SMG neu entgegen den erläuternden Bemerkungen nicht auf eine Gewöhnung des Beschuldigten an Suchtmittel abstellt (hinsichtlich der Begleitkriminalität wird nur ein „Zusammenhang mit der Beschaffung von Suchtmitteln“ gefordert), weil dadurch auch einem Ersttäter nach dem Suchtmittelgesetz bzw einer psychisch oder physisch (noch) nicht abhängigen Person die vorgesehene Privilegierung offensteht. Die in den erläuternden Bemerkungen erwähnte Gewöhnung des Beschuldigten an Suchtmittel als Voraussetzung für die Anzeigezurücklegung hätte daher zu entfallen.

 

10./ zu § 39 Abs 1 SMG neu – Art I Z 56:

Die neu geschaffene Möglichkeit eines Strafaufschubes auch nach Übernahme des Verurteilten in den Strafvollzug und das Abstellen auf die – unter anderem auch die Gefährlichkeit des konkreten Täters zum Ausdruck bringende – tatsächlich verhängte Strafe wegen einer der Beschaffungskriminalität zuzuordnenden Straftat werden begrüßt.

Hingegen wird dem zwingenden Strafaufschub bei einer nach dem Suchtmittelgesetz verhängten Freiheitsstrafe in der Dauer von mehr als zwei Jahren und bis zu drei Jahren sowie bei einer bis zu dreijährigen Freiheitsstrafe wegen Straftaten aus dem Bereich der Beschaffungskriminalität entgegengetreten. Der obligatorische Aufschub würde abhängige Personen gegenüber nicht süchtigen Tätern, für die ein vergleichbarer Aufschub nicht möglich ist, massiv besser stellen. Für tatsächlich nicht abhängige Täter bestünde der Anreiz, den selbstverständlichen Gebrauch von Suchtmitteln zu simulieren und das verwirklichte Delikt als Begleitkriminalität darzustellen, um so zwingend in den Genuss eines Strafaufschubes nach § 39 SMG zu gelangen.

Für die genannte Fallkonstellationen sollte daher nur die Möglichkeit eines fakultativen Strafaufschubes im Rahmen des „pflichtgemäßen Ermessens“ vorgesehen werden.

 

11./ zu § 41 SMG neu – Art I Z 59:

Die Einschränkung der Kostentragung widerstreitet dem vom Gesetzesentwurf in den Vordergrund gerückten Prinzip „Therapie statt Strafe“.

 

Wien, am 8. Oktober 2007

Der Leiter der Generalprokuratur:

Dr. Werner Pürstl eh

 

 

 

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