Amt der Steiermärkischen Landesregierung

 

 

Fachabteilung 8 A

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GZ:

FA1F-18.02-53/2007-1

Bezug:

BMJ-L703.040/0007-II 2/2007

Graz, am 10. Oktober 2007

 

Ggst.:

Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das

Suchtmittelgesetz (SMG),

das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung 1975,

das Jugendgerichtsgesetz (JGG) und

das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz

geändert werden (SMG-Novelle 2007);
Stellungnahme des Landes Steiermark

 


 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Zu dem mit do. Schreiben vom 11.09.2007, obige Zahl, übermittelten Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Suchtmittelgesetz (SMG), das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung 1975, das Jugendgerichtsgesetz (JGG) und das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz geändert werden (SMG-Novelle 2007) wird folgende Stellungnahme abgegeben:


 

Allgemeines:

Mit Bedauern muss zur Kenntnis genommen werden, dass das Procedere zur Erarbeitung der gegenständlichen Novelle, das bereits in der Herbstsitzung des Bundesdrogenforums 2006 angepeilt wurde, nicht eingehalten werden konnte. Dabei war vorgesehen, vor Begutachtungsaussendung in einer gemeinsamen Arbeitssitzung mit den Bundesländerkoordinatoren vor allem hinsichtlich des § 11 Abs 2 Z 5 und hinsichtlich der Kostentragung im § 41 Lösungsmöglichkeiten zu diskutieren und zu formulieren. Im vorliegenden Entwurf wurden diese beiden Punkte nicht berührt bzw. entgegen der Beschlüsse der Landessozialreferentenkonferenz generell eine weitere Verschiebung von Kosten in Richtung Länder vorgenommen.

Unabhängig von in erster Linie fachlichen Anmerkungen zu einzelnen Bestimmungen der Novelle werden vor allem zwei Problembereiche seitens des Landes in Kritik gezogen. Das ist einerseits die bereits angezogene Frage der Kostenfolgen, andererseits das technische Problem der Anforderungen an den Portalverbund.

 

Zu den Kosten:

Da auf der Ebene der Landessozialreferenten die Beschlusslage zum Thema Kostentragungspflicht im Bereich der gesundheitsbezogenen Maßnahmen nach dem Suchtmittelgesetz unverändert aufrecht ist, kann dem vorliegenden Gesetzesentwurf nicht zugestimmt werden.

Das Bundesministerium für Justiz versucht durch die vorliegende Novellierung des Suchtmittelgesetzes den seit Jahren andauernden Kostenstreit zwischen Bund und Länder durch eine klare gesetzliche Regelung zu beenden.

Da der gegenständliche Gesetzesentwurf keine Berechnung der finanziellen Auswirkungen für die mitbeteiligten Gebietskörperschaften beinhaltet, ist schon im Hinblick auf diesen Formalaspekt darauf hinzuweisen, dass dieser gegenständliche Entwurf im Sinne des Konsultationsmechanismusverfahrens nicht als zur Stellungnahme übermittelt anzusehen ist.

Es wird daher jedenfalls begehrt, das Konsultationsmechanismusverfahren zu eröffnen, um über die Kostenfolgen der Novelle zu verhandeln und die strittige Kostenfrage endgültig einer Klärung zuzuführen.

 

Zu den einzelnen Bestimmungen:

1.      Zu § 6 (Anbau von Pflanzen der Gattung Cannabis zwecks Gewinnung von Suchtgift für die Herstellung von Arzneimitteln):

Dazu stellt sich die fachliche Frage, ob der Anbau von Pflanzen der Gattung Cannabis zwecks Gewinnung von Suchtgift für die Herstellung von Arzneimitteln überhaupt dringend notwendig ist. Das teilsynthetische Präparat „Dronabinol“ und das vollsynthetische „Nabilon“ kommen – wenn auch mit gewissen bürokratischen Hürden – bei multipler Sklerose, bei Tourette-Syndrom, bei Glaukom, bei Aids-wasting-Syndrom sowie als Analgetikum, Antiemetikum und Antidepressivum, besonders im Rahmen von Chemotherapien zum Einsatz. Insgesamt haben Cannabispräparate bestimmte pharmakologische Effekte, sind aber den herkömmlichen Substanzen in den meisten Indikationen unterlegen.

 


2.      Zu § 8 a (Meldungen und Mitteilungen zur Substitutionsbehandlung):

In der vorgeschlagenen Fassung haben Ärzte den Beginn und das Ende einer Substitutionsbehandlung der Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde zu melden. Dazu ist anzumerken, dass in der neuen Suchgiftverordnung, welche mit 1.3.2007 in Kraft getreten ist, gem. § 23j folgendes festgehalten ist: Die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen hat zur Hintanhaltung von Mehrfachverschreibungen ein Substitutionsregister zu führen.

 

Abs. 2: Jeder Arzt, der einen Patienten auf ein Substitutionsmittel einstellt, hat dem BM für Gesundheit und Frauen, die für den in Absatz 1 genannten Zweck notwendigen Daten über die Einstellung auf ein Substitutionsmittel schriftlich mit dem dafür vorgesehenen Meldeblatt (Anhang VIII) mitzuteilen.

 

Abs 3: Jeder Arzt, der die Weiterbehandlung des Patienten mit einem Substitutionsmittel durchführt, hat dem Bundesministerium für Gesundheit und Frauen …………
Es sollte gesetzlich festgeschrieben werden, wem der verschreibende Arzt letztendlich den Beginn und das Ende einer Substitutionsbehandlung mitteilen muss – der Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde zuerst oder zunächst dem Ministerium. Dahingehend muss festgehalten werden, dass eine Änderung des § 23 j der Suchgiftverordnung praktikabler wäre und in der Praxis der § 8a leichter und patientennäher umzusetzen wäre. Ergänzend könnte im § 8a stehen, dass die Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde in regelmäßigen Abständen, sei es monatlich, halbjährlich oder jährlich, gesammelt den Beginn und das Ende der im Bezirk laufenden Substitutionsbehandlungen dem Bundesministerium melden sollte.

 

Zudem Abs. 2 letzter Satz: „…. seine Zustimmung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann“: Diese Formulierung stellt eine Durchbrechung der generellen Verschwiegenheitspflicht nicht nur der Ärzte sondern auch der § 15 - Einrichtungen dar und erscheint sehr problematisch. Die Einrichtungen der Drogenhilfe verpflichten sich gem. § 15 Abs. 5 und § 16 Abs. 5 zur absoluten Verschwiegenheit über die im Rahmen ihrer Tätigkeit bekannt gewordenen Sachverhalte. Es wäre hier unter Einbindung der Einrichtungen eine dem § 15 und der Verschwiegenheitspflicht entsprechende Lösung anzustreben.

 

3.      Zu § 10 Abs. 1 Z 5:

Hier ist eine Einschränkung auf die rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen erforderlich. 

Der im § 15 verwendete Begriff „Suchtgiftmissbrauch“ ist durch einen neutralen Begriff oder durch eine neutrale Terminologie zu ersetzen (z.B. … Einrichtungen für Personen die gesundheitsbezogener Maßnahmen bedürfen).

 

4.      Zu § 24:

Hier stellt sich prinzipiell die Frage, welche Daten tatsächlich erforderlich sind bzw. muss kritisch hinterfragt werden, welche Institutionen Daten melden sollen bzw. welche Institutionen auf diese überaus umfangreichen Daten zugreifen sollen. Derzeit sind ja die Daten der SuMDa qualitativ nicht diskutierbar.

Die Frage der Institutionen - welche Daten liefern sollen - ist auch dahingehend wichtig, um Doppelgleisigkeiten und damit erhöhten Arbeitsaufwand und die damit verbundenen erhöhten Kosten zu vermeiden. Die Erfassung von Freisprüchen im Suchtmittelregister erscheint demokratiepolitisch bedenklich.

Auch die Frage der Rolle der Bundesländer wird in der vorliegenden Novelle nicht behandelt, vor allem im Zusammenhang mit der im Rahmen der Meldepflicht zu erwartenden Mehrkosten für die Administration. Außerdem müssen die Länder ebenfalls Zugang zu diesen Daten haben, bzw. die Berechtigung für eine Auswertung. Dies betrifft vor allem § 24 Abs. 3.

 

5.      Zu § 24 d:

Hier wird nochmals eingefordert, dass die Datenhoheit bei den Ländern liegen muss, da diese die Daten einzugeben haben (BVB). Ebenso muss es in Analogie zum Bund ein Auswertungsrecht geben.

In welcher Form eine Datenbankapplikation installiert wird, ist ebenfalls mit den Ländern im Hinblick auf die Kostenfrage zu klären.

Ebenso ist im § 26 Abs. 1 ein Passus hinsichtlich der Auskunftserteilung nicht nur an die Bezirksverwaltungsbehörden, sondern auch an die Landeshauptleute einzufügen.

 

6.      Zu § 25 Abs. 3 Z 2 und § 26 Abs. 6 Z 2:

In den Erläuterungen wird ausgeführt, dass für die Übermittlung der Daten ein Beitritt zum Behörden-Portalverbund nicht ausreicht, vielmehr die Erfüllung der dort im Einzelnen festgelegten Anforderungen nachgewiesen werden muss. Im Portalverbund ist der Nachweis von Datenschutzmaßnahmen durch die Einstufung einer Anwendung in die so genannte Securityclass 1 – 3 möglich. Im Falle sensibler Daten erfolgt dabei (wie z.B. bei EKIS) eine Einstufung in die Securityklasse 3, was die Identifikation bzw. Authentifizierung und Autorisierung mit Hilfe einer Chipkarte erfordert. Darüber hinaus wird allerdings im Gesetzesentwurf auch eine automationsunterstützte Übermittlung von Protokolldaten an das Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend gefordert. Im Portalverbundprotokoll ist zwar die Protokollierung der Daten vorgesehen, eine automationsunterstützte Übermittlung dieser Protokolldaten allerdings nicht. Dies bedeutet, dass keine am Portalverbund teilnehmende Institution in der Lage ist, diese Anforderung zu erfüllen. Auch eine Realisierung bis Jänner 2008 ist unmöglich.

Die Erfüllung dieser Forderungen würde jedenfalls die Erstellung zusätzlicher Software erfordern, je nach konkreter Implementierung muss von Kosten zwischen € 50.000,-- und € 100.000,-- ausgegangen werden. Vorab wäre aber, um die Interoperabilität im Portalverbund weithin sicher zu stellen, eine Abklärung dieser neuen Anforderung in der Kooperation BLSG notwendig. Die geforderte automationsunterstützte Übermittlung der Protokolldaten an das Bundesministerium sollte daher ersatzlos entfallen, um so mehr, da ja das Ministerium seinerseits alle Zugriffe protokollieren kann und über das Portalverbundprotokoll ohnehin alle relevanten Daten übermittelt werden.

Die für die Erfüllung der voraussichtlich notwendigen Securityclass 3 notwendigen Anforderungen erfordern Mittel von ca. € 76,-- pro Person, die für die Abfrage berechtigt werden soll.

 

7.      Zu § 25 Abs. 3 Z 3:

Es wird davon ausgegangen, dass die hier geforderte Identifikation in der vom Ministerium zur Verfügung gestellten Anwendung automatisch erfolgt, entsprechende technische Maßnahmen beim Land daher nicht notwendig sind.

Im Hinblick auf eine portalverbundkonforme Formulierung der Änderung zum Suchtmittelgesetz wird nachstehender Vorschlag erstattet:

 

 

Fassung in der Begutachtung

Änderungsvorschlag

 

§25 (3) 2. den Namen und die Rolle der Person, die Daten online meldet, und den Zeitpunkt der Online-Meldung mitprotokolliert und diese Protokolldaten dem Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend automationsunterstützt übermittelt,

 

§25 (3) 2. den Namen und die Rolle der Person, die Daten online meldet, und den Zeitpunkt der Online-Meldung dem Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend im Rahmen des Online-Zugriffs übermittelt,

 

Anmerkung: Nicht die datenliefernde Stelle protokolliert, sondern die Online-Anwendung in der Verantwortung des Auftraggebers (§14 DSG 2000)

 

 

§26 (6) 2

Analog zu §25 (3) 2 zu ändern

 

 

§25 (4) Im Sinne des Abs. 3 Z 1 ist 

2. Authentifizierung die Überprüfung der Identität der meldenden Person  im Zuge des Anmeldevorganges,

Anmerkung: Die Identität wird niemals im Zuge des Anmeldevorgangs festgestellt, sondern zu diesem Zeitpunkt durch die Authentifizierung nachgewiesen. Sonst wäre bei jedem Login eine Ausweisleistung erforderlich.

Vorschlag: Die Begriffsbestimmung betreffend Identität, Identifizierung und Authentifizierung aus dem E-GovG 1:1 übernehmen, oder noch besser referenzieren, da ja im e-Government ein einheitliches Verständnis dieser Begriffe notwendig ist.

 

 

 

 

§26 (7) 3. Autorisierung das von dem Portal, an dem die zugreifende Person mit ihren Zugriffs­rechten auf das Suchtmittelregister oder das bundesweite Substitutionsregister registriert ist, für den Zugriff auf eine bestimmte Daten­anwendung bestätigte Rechteprofil der zugreifen­den Person.

 

§26 (7) 3. Autorisierung das von der zugriffsberechtigten Stelle, die der zugreifenden Person Zugriffsrechte auf bestimmte Daten­anwendungen einräumt, für den Zugriff auf das Suchtmittelregister oder das bundesweite Substitutionsregister bestätigte Rechteprofil der zugreifen­den Person.

 

Anmerkung: der Begriff Portal ist im Gesetz nicht definiert und in diesem Zusammen­hang auch nicht ganz zutreffend.

 

 

 

8.      Zu § 27:

Die Auslegung des neu hinzugefügten Tatbestandes „Beförderung“ erscheint auch in den Erläuterungen als sehr problematisch. Dieser neue Tatbestand ist genauer zu definieren (z.B.: wissentlich oder nicht wissentlich in Bezug auf einen Mitfahrer; in Gewahrsam nehmen und befördern; ….). Im Falle eines Beifahrers, welcher für seinen Eigengebrauch „befördert“, werden schlimmstenfalls sehr unterschiedliche und ungerechtfertigte Strafrahmen vor allem für den nicht wissenden Fahrzeuglenker (Buschauffeur, Taxifahrer, ÖBB, Paketdienst ….)  angedroht. Hier besteht dringender Klärungsbedarf.

 

9.      Zu § 39:

Das Gericht legt die „Art“ der gesundheitsbezogenen Maßnahme fest. Die Art der Maßnahme zu bestimmen geschieht eigentlich im Rahmen der Anamnese, innerhalb der Diagnose und ist somit bereits Bestandteil des therapeutischen Geschehens. Dies ist Aufgabe eines medizinisch/therapeutischen Sachverständigen.

In den Erläuterungen steht hierzu, dass das Gericht schon bisher die Möglichkeit hatte, die gesundheitsbezogene Maßnahme der Art nach zu bestimmen (vgl. den geltenden Abs. 3 1. Satz „der Art nach bestimmten“). Im geltenden Abs. 3 bezieht sich dieses wording „der Art nach bestimmten“ nicht eindeutig nur auf das Gericht, sondern auch auf die gesundheitsbezogene Maßnahme, welche aber durch ein Gutachten durch einen Sachverständigen (welcher hinreichend vertraut ist) festzustellen ist.

Zumindest in den Erläuterungen sollte klargestellt werden, dass der Bestimmung gesundheitsbezogener Maßnahmen ein Sachverständigen-Gutachten zugrunde zu legen ist.

Die im 2. Satz des vorliegenden Abs. 2 festgelegte Möglichkeit ein vorliegendes Gutachten, welches von einem Arzt einer Einrichtung nach § 15 erstellt wurde, heranzuziehen, ist nicht möglich, da  im § 15 derzeit keine Begutachtungen vorgesehen sind.

Die in Abs. 4 erwähnte Bestätigungspflicht über den Verlauf muss näher definiert sein (Verschwiegenheitspflicht!).

 

10.    Zu § 41:

Wie bereits eingangs erwähnt, wird nochmals darauf hingewiesen, dass die Nichtberührung des § 11 Abs. 2 Z. 5 in der Kostentragungspflicht kritisiert wird. Außerdem stellt sich der Abs. 2 in der vorliegenden Form (Verkürzung der Kostenübernahme bei stationärem Aufenthalt auf nunmehr 1 Jahr) als sehr problematisch dar. Mit einer Verkürzung der Therapiemöglichkeit stellt man natürlich auch die Qualität des Prinzips „Therapie statt Strafe“, welches als eines der Hauptprinzipien österreichischer Drogenpolitik von Seiten des Bundes im internationalen Kontext ständig herausgestrichen und bekräftigt wird, massiv in Frage.

 

 


Dem Präsidium des Nationalrates werden unter einem 25 Abdrucke dieser Stellungnahme zugeleitet. Eine weitere Ausfertigung ergeht an die E-Mail Adresse begutachtungsverfahren@parlament.gv.at.

 

 

Für die Steiermärkische Landesregierung

 

 

(Landeshauptmann Mag. Franz Voves)