Stellungnahme zum Entwurf einer

Suchmittelgesetz-Novelle 2007

 

 

 

 

Zu § 8a:

Zu begrüßen ist die gesetzliche Verankerung der Ausnahmen von den Verschwiegenheitspflichten der in der Substitutionsbehandlung zusammenarbei-tenden Berufsgruppen.

 

Denn bisher wurden die Einschränkungen der ärztlichen Verschwiegenheit und des Datenschutzes in formaler Hinsicht nicht richtig gelöst. Die Suchtgiftver-ordnung (SGV) regelt in § 23 b Abs 2 Z 6 als Rahmenbedingung einer Substitutionsbehandlung, dass der Patient seinen behandelnden Arzt im Behandlungsvertrag von seiner Verschwiegenheitspflicht gegenüber den anderen in die Substitutionsbehandlung eingebundenen Stellen entbinden muss. Diese Durchbrechung der Verschwiegenheitspflichten ist aber nur auf Ärzte beschränkt, die anderen in die Behandlung eingebundenen Stellen sind nach diesem Wortlaut nicht von ihrer Pflicht zur Verschwiegenheit befreit.

 

Zudem wurde diese Regelung nur in Verordnungsform (SGV) erlassen, obwohl sie den Bereich der sensiblen Daten der Patienten betrifft. Daher derogieren die Bestimmungen der Suchtgiftverordnung auch nicht anderslautende gesetzliche Bestimmungen über Verschwiegenheitsverpflichtungen. So treten etwa für Ärzte, die in Einrichtungen nach § 15 tätig sind, bei der Behandlung von Substitutions-patienten rechtliche Probleme auf. Diese Ärzte stehen nämlich - ähnlich wie Psychotherapeuten – aufgrund der Bestimmungen des § 15 Abs 5 unter einer absoluten Verschwiegenheitspflicht, die eine Entbindung von dieser Verpflichtung verbietet (Vgl. Foregger/Litzka/Matzka, SMG (1998), Erl. VI. zu § 15).

 

Die vorgeschlagene Regelung in § 8a bezieht sich jedoch nur auf die Verschwiegenheitspflichten der Ärzte, klinischen Psychologen, Psychotherapeuten und Betreuer in § 15 Einrichtungen, vergisst jedoch die Apotheker und die Betreuer in Einrichtungen der Drogenhilfe, die keine Anerkennung nach § 15 haben. Jedoch sind diese beiden Berufsgruppen wichtige Systempartner im Betreuungsnetzwerk einer Substitutionsbehandlung. So betreibt z. B. unsere Einrichtung ein niederschwelliges Substitutionsprojekt mit Verschreibung, psychosozialer Betreuung und Abgabe der Substitutionsmedikamente direkt in unserer Beratungsstelle; wir haben aber keine Anerkennung nach § 15.

 

Zudem sollte der unbestimmte Begriff „zum Schutz der Gesundheit des Behandelten“ inhaltlich gefüllt werden, um eine möglichst einheitliche Anwendung dieser Rechtsvorschrift zu erreichen. Ist der Durchbrechungs-tatbestand schon bei missbräuchlicher Verwendung des Substitutionsmittels erfüllt oder erst bei lebensbedrohlichem Beikonsum?

 

Zu § 24a:

Die Fülle der zu meldenden Daten ist viel zu umfassend. Wozu bei den Identitätsdaten der akademische Grad, frühere Namen etc. dienen sollen, ist nur schwer nachzuvollziehen. Auch geht die Verpflichtung der Bezirksverwaltungsbe-hörden, die Daten von Personen, die zu einer Begutachtung nach § 12 vorge-laden werden, in der im Abs 3 angeordneten Fülle zu weit. Eines der Ziele einer Begutachtung ist es nämlich, eine Vertrauensbasis mit dem Betroffenen zu erarbeiten, um ein gutes Bild seiner Lebenssituation zu erhalten und ihn zu motivieren, geeignete gesundheitsbezogenen Maßnahmen in Anspruch zu neh-men. Durch die zu erhebende Datenfülle könnte beim Betroffenen aber eher der Eindruck entstehen, dass er sich bei einer Einvernahme bei der Polizei und nicht bei einem zu einer Behandlung motivierenden Gespräch mit einem Arzt befindet.

 

 

 

Zu § 24b:

Das Substitutionsregister wurde durch die Novelle der Suchtgiftverordnung BGBl 451/06 eingeführt; aus datenschutzrechtlichen Gründen ist es jedoch bedenklich, dass die Erfassung solch sensibler Daten nicht auf gesetzlicher Ebene geregelt wurde. Zudem wurde vergessen, eine Frist zu bestimmen, nach deren Verstreichen die Meldungen über beendete Substitutionsbehandlungen endgültig zu löschen sind.

 

Es ist zu begrüßen, dass diese unbefriedigende Rechtslage durch den Entwurf geändert werden soll. Jedoch ist auch hier zu bemerken, dass die Fülle der zu meldenden Daten zu umfangreich ist. Denn der Zweck des Substitutionsregisters besteht allein darin, Mehrfachbehandlungen im Bereich der Substitutionstherapie zu verhindern.

 

Um dieses Ziel erreichen zu können, erachtet es z. B. der Gesetzgeber in Deutschland für ausreichend, dass ein achtstelliger Patientencode übermittelt wird, der nur aus den ersten beiden Buchstaben des Vor- und Familiennamens, dem Geschlecht sowie den letzten Ziffern des Geburtstags, -monats und -jahres besteht. Im Vergleich zu den ca. 9000 Substitutionspatienten in Österreich befinden sich hingegen in der BRD ca. 50.000 Personen in einem Substitutions-programm.

 

 

 

Zu § 26:

Neben der genaueren gesetzlichen Determinierung, an welche Behörden personenbezogene Daten aus dem Suchtmittel- und Substitutionsregister übermittelt werden dürfen, ist zu begrüßen, dass die bisherigen Auskunftsrechte zur Feststellung der gesundheitlichen Eignung zum Schulbesuch und zur Vollziehung gewerberechtlicher Vorschriften entfallen.

 

Diese sinnvolle Änderung über die Auskunftsrechte von Behörden wäre aber noch zu erweitern: denn um die Eignung eines Wehr- und Zivildienstpflichtigen zu seiner Dienstleistung beurteilen zu können, werden die anlässlich der Stellung und des Dienstantrittes vorgesehenen Untersuchungen brauchbarere Informa-tionen, ob eine Person Suchtmittel missbraucht, liefern können, als eine gespeicherte Information, dass der Betreffende vor Jahren einmal mit Cannabiskonsum auffällig geworden ist. Die Möglichkeiten des Auskunftsrechts nach § 26 Abs 1 Z 3 und 4 sind aus diesem Grund zu streichen.

 

 

 

Zu § 27:

Anhand der Vorgaben des Rahmenbeschlusses Drogenhandel (RB) wurden zwei neue Tathandlungen (Befördern und Anbieten) in den § 27 aufgenommen und die Strafsätze neu geregelt. Diese Vorgaben wurden jedoch, wenn man die Bestimmungen des Abs 1 und 2 betrachtet, sehr unglücklich gelöst. Es ist zwar zu begrüßen, dass der Erwerb und Besitz von Suchtgift von den anderen Tathandlungen abgetrennt und für diese beiden Fälle eine geringere Strafdrohung (Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten) als für die Tathandlungen des Abs 2 (Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr) vorgesehen wird. Jedoch wird ein Drogenkonsument bei Anwendung der neuen § 27 Bestimmungen nur selten in den Anwendungsbereich des Abs 1 fallen; nur wenn er seine erworbenen Drogen an Ort und Stelle des Erwerbs konsumiert, befördert er sie nicht; in allen anderen Fällen, wenn er mit seinen erworbenen Suchtmitteln nach Hause geht, „befördert“ er diese und fällt aus diesem Grund unter Abs 2.

 

Der RB sieht jedoch in Art 2 Abs 2 vor, dass die Tathandlungen des Abs 1 dann nicht in den Anwendungsbereich des RB fallen, wenn die Täter sie ausschließlich für ihren persönlichen Konsum im Sinne des nationalen Rechts begangen haben. Daher wäre es - wie Bertel/Schwaighofer/Venier es in ihrer Stellungnahme zur SMG-Novelle vom 03.10.07 vorschlagen – sinnvoller, den Abs 2 des § 27 in einen Abs 1 mit Strafdrohung bis zu einem Jahr zu verwandeln und in einem Abs 2 vorzusehen, dass die Täter unter einen geringeren Strafsatz fallen, wenn sie die Tathandlungen des Abs 1 ausschließlich für ihren persönlichen Konsum begehen.

 

Außerdem weisen Bertel/Schwaighofer/Venier zutreffend auf die Wertungswider-sprüche des § 27 hin: es ist nicht einzusehen, wieso der Erwerb und Besitz von Cannabis zum eigenen Gebrauch mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten, die Aufzucht einer Cannabispflanze zum Zweck der Suchtgiftgewinnung für den eigenen Gebrauch mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bestraft werden soll.

 

Wie in den Erläuternden Bemerkungen zu Abs 3 des § 27 ausführlich dargestellt wird, hat der Begriff der Gewerbsmäßigkeit im Suchtmittelstrafrecht große Probleme bereitet. Es ist daher sehr erfreulich, dass in den §§ 28 und 28a auf diesen Begriff verzichtet wird; unlogisch ist aber, dass der § 27 weiterhin die Gewerbsmäßigkeit als Qualifizierungstatbestand beibehalten hat. Auf diesen sollte in Zukunft gänzlich verzichtet werden.

 

Zu den §§ 28 – 28b:

In der praktischen Arbeit mit Drogenkonsumenten ist zu beobachten, dass es eine Trennung zwischen dem „kranken Drogenabhängigen“ und dem „gewinn-süchtigen Dealer“ nur in den seltensten Fällen gibt. Der Großteil der Drogenab-hängigen handelt bzw. schmuggelt Suchtgift, und fast alle Drogenhändler und –schmuggler sind selber abhängig. Um sich den eigenen Konsum finanzieren zu können, werden in den meisten Fällen über einen längeren Zeitraum Suchtgifte in kleinen Mengen geschmuggelt und/oder an andere weitergegeben. Kommt es dann zu einer Verhaftung und einem darauf folgenden Strafverfahren, so wird Bilanz gezogen und von den Polizeibeamten, Staatsanwälten und Richtern errechnet, wie groß die Gesamtmenge der gedealten oder geschmuggelten Suchtgifte ist.

 

Die dabei festgestellten Sachverhalte sind dann rechtlich zu bewerten und daran knüpft sich eine für die dann im Urteil ausgesprochene Strafe entscheidende Frage an: ist eine die Grenzmenge übersteigende Menge (Abs 1), eine große Menge (Abs 2) oder übergroße Menge (Abs 3 Z 3) eine durch ein und dieselbe Tat geschmuggelte, beförderte, überlassene etc. Menge oder schmuggelt, befördert, überlässt etc. der Täter auch dann eine Grenzmenge übersteigende, große oder übergroße Menge, wenn er über einen längeren Zeitraum diese Taten immer wieder in Bezug auf kleine Mengen begeht, die dann durch Zusammen-rechung erst die entsprechenden Mengengrößen ergeben? Um der Lebens- und Suchtrealität von drogenabhängigen Menschen gerecht zu werden, sollte sich der Gesetzgeber hier klar gegen eine Zusammenrechung aussprechen. Dies würde erstens der Intention des RB besser entsprechen und hätte zweitens zur Folge, dass Personen, die an Suchtmittel gewöhnt sind und strafbare Handlungen in Bezug auf kleine Mengen, jedoch über einen längeren Zeitraum zur Finanzierung ihres persönlichen Konsums begangen haben, nicht mit so hohen Freiheitsstrafen bestraft würden.

 

Im Zuge einer Novellierung wäre auch sicherlich die gegenwärtige Festlegung der Grenzmenge für Heroin (3 g) im Vergleich mit den Grenzmengen für andere Opiate (Methadon 10 g, Morphin 10 g) zu überprüfen. Die Grenzmenge für Heroin sollte auch hier auf 10 g angehoben werden.

 

 

 

Zu § 35:

Zu begrüßen ist die vorgeschlagene Ausweitung des obligatorischen Rücktritts von der Verfolgung und die Abschaffung der Kann- Bestimmung im geltenden § 35 Abs 2.

 

Gerade im Bereich des Abs 4 sollte – wie Bertel/Schwaighofer/Venier vorschlagen - entsprechend der Norm des § 191 StPRefG die Möglichkeit geschaffen werden, dass die Staatsanwaltschaft das Strafverfahren ohne Bestimmung einer Probezeit wegen Geringfügigkeit einstellt.

 

 

Zu § 39:

Bei der Anwendung des § 39 ist es – wie in den Erläuternden Bemerkungen zum Entwurf zutreffend aufgezeigt wird - in der Praxis zu einer Schlechterstellung von Beschaffungskriminellen gegenüber Drogenhändlern gekommen.

 

Es ist daher sehr zu begrüßen, dass im § 39 SMG einheitlich ein obligatorischer Aufschub des Strafvollzuges bis zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren vorgeschlagen wird, wenn der Täter wegen einer strafbaren Handlung nach den §§ 27 bis 31a oder wegen einer im Zusammenhang mit der Beschaffung von Suchtmitteln begangenen strafbaren Handlung verurteilt worden ist.

 

 

 

 

Feldkirch, am 11.10.07

 

 

 

 

Jürgen Hartmann e.h.                                           Peter Wieser e.h.

Fachbereichsleitung Suchtarbeit                             Stellenleitung H.I.O.B.