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Stellungnahme des ÖVDF zum Entwurf des Bundesgesetzes,

SMG-Novelle 2007

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Wir übersenden Ihnen hiermit unsere Stellungnahme zum Entwurf des Bundesgesetzes SMG-Novelle 2007 und hoffen auf eine Berücksichtigung unserer Hinweise und Anregungen im neuen Suchtmittelgesetz.

 

Die Mitglieder des Österreichischen Vereins für Drogenfachleute bringen in diesem Schreiben einige ihrer Erfahrungen mit dem bisherigen Suchtmittelgesetz ein und weisen auf einen -  aus diesen Erfahrungen heraus - gesehenen Änderungsbedarf hin.

 

Einige Änderungen, die im vorliegenden Entwurf vorgesehen sind, werden aus unserer Sicht sehr begrüßt, unter anderem:

 

-         Als ein Schritt in die richtige Richtung: § 6 SMG: „ Anbau von Pflanzen der Gattung Cannabis zwecks Gewinnung von Suchtgift für die Herstellung von Arzneimitteln“

-         § 39 SMG: Die durchgehend obligatorische Ausgestaltung des Strafvollzuges bei Vorliegen der von Amts wegen (!) zu prüfenden Voraussetzungen sowie Bereinigung der Ungleichbehandlung verschiedener Tätergruppen durch einheitliche Anknüpfung an die verhängte Strafe.

-         § 28 Abs. 2 und 3 zweiter Satz SMG, wonach hier die Zuständigkeit vom Schöffengericht zum Einzelrichter verlagert wird.

-         § 35 Abs. 2 SMG: die durchgehend obligatorische Ausgestaltung der Diversion bei Vorliegen der Voraussetzungen

-         § 35 SMG, die Erweiterung des Anwendungsbereiches des § 35 Abs. 1 und 2 SMG. 

 

Im Folgenden haben wir einige Paragraphen aufgelistet, bei denen uns ein genaueres Hinsehen nötig erschien:

 

Konkret:

-         Die Aufnahme des Begriffs „befördert“ in den § 27 und 28 SMG. Der Begriff erscheint unklar. Was heißt „von einem Ort zu einem anderen“  in einer Wohngemeinschaft von einem Zimmer zum anderen?

-         § 23 SMG Geswährleistung der Datensicherheit

 

Näher eingehen möchten wir auf das Thema Therapie statt Strafe, vor allem die § 39 bis 41 SMG. Wie vor allem aus den „Erläuterungen“ zum Entwurf zur SMG-Novelle 2007 ersichtlich ist, werden bestehende Probleme und ein weiterer Änderungsbedarf wohl gesehen, aber auf die  Schwierigkeiten bezüglich Kompetenzverteilung und Kostentragung hingewiesen.

 

Die Probleme im Zusammenhang mit der Kostentragung von Therapieaufenthalten drogenkranker KlientInnen nach § 39 SMG  werden von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von ambulanten und stationären Drogeneinrichtungen als sehr massiv und daher mit dringendem Klärungsbedarf gesehen.

 

 

Thema: Freie Wahl der Therapeuten bzw. der Therapieeinrichtung:

 

Obwohl wir davon ausgehen, dass ohnehin ein Verständnis für die Forderung nach der Möglichkeit der freien Wahl der Therapieeinrichtung besteht, wollen wir diese Forderung nochmals mit der Bemerkung unterstreichen, dass es in den einzelnen Therapieeinrichtungen sehr verschiedene Angebote, Möglichkeiten und  Spezialisierungen gibt und Menschen mit bestimmten Krankheits- und Persönlichkeitsbildern bestimmte Behandlungs- und Betreuungsangebote brauchen.

 

Im Erlass des BM für Justiz, JMZ 703015/58/II2/00, JABl. Nr. 24/2000 wird hingewiesen auf  den dem Suchtmittelgesetz immanenten Grundsatz der freien Therapeutenwahl (vgl. FOREGGER – LITZKA – MATZKA, Kommentar zum SMG, Seite 104 ff), welcher sich auch auf stationäre Einrichtungen bezieht.

 

Diese freie Wahl der Therapieeinrichtung ist aktuell nicht gegeben und wird auch durch den vorliegenden Entwurf zur  SMG-Novelle nicht gewährleistet! 

 

Aufgrund unklarer gesetzlicher Formulierungen gibt es sehr von einander abweichende Interpretationen der Richter.  Manche  Richter stimmen z. B. einer Kostentragung zu, während andere sich im gleichen Fall am Erlass des BM für Justiz, JMZ 703015/58/II2/00, JABl. Nr. 24/2000 orientieren und auf Einzelverrechnungen verweisen, was dann oft zur Folge hat, dass eine Unterbringung in dieser Einrichtung nicht möglich ist.

 

Im Punkt 1.3. dieses Erlasses steht  „stationäre Behandlungs- und Betreuungsleistungen, die von anderen Einrichtungen, die keine Krankenanstalten (wie die Mehrzahl der gemäß § 15 SMG anerkannten Einrichtungen) sind, erbracht werden, nur einen Anspruch auf Ersatz der konkret erbrachten ärztlichen oder psychotherapeutischen Einzelleistungen (= Einzelverrechnung) nach Maßgabe des jeweils gültigen Tarifes der BVA durch den Bund gemäß § 41 Abs. 2 SMG gewähren.“

 

Da diese Einrichtungen Kosten für psychosoziale Beratung und Betreuung, Verpflegung, Rund-um-die-Uhr-Betreuung, Kreativ- und Arbeitstherapie u. v. m. nicht abrechnen können, und also eine den Aufwand einer stationären Therapie deckende Kostentragung nicht gegeben ist, können sie eben keine Klienten nach § 39 SMG aufnehmen (Ausnahme: Wenn das zuständige Bundesland laut Sozialhilfegesetz dieses Bundeslandes eine Kostentragungspflicht hat). Aktuell ist folglich ein Großteil der stationären § 15-Einrichtungen von einer positiven Kostenregelung bei einer Therapie nach § 39 SMG ausgeschlossen.

 

 

Im § 41, Abs. 4 (Entwurf zur SMG-Novelle 2007) steht, das „Gericht hat mit Beschluss zu bestimmen und anzuweisen.“ Die bisherige Praxis hat gezeigt, dass sich viele Richter weigern, eine Abklärung  der Kostenübernahmefrage vor Therapieantritt durchzuführen. Woraufhin sich dann natürlich viele Einrichtungen - aufgrund der bisherigen negativen Erfahrungen bei der Kostentragung - entschlossen, überhaupt keine KlientInnen nach § 39 SMG mehr aufzunehmen.

 

 

Ein weiterer ungeklärter Punkt betrifft die Übernahme von Kosten im Krankheitsfall

 

Der Kompetenzstreit in der Frage der Zuständigkeit für die durch Krankheit entstehenden Kosten führte bereits vielfach dazu, dass für die betroffenen Personen teilweise über Monate oder Jahre kein entsprechender Versicherungsschutz vorhanden bzw. keine diesbezügliche Kostentragung gewährleistet war. Was wiederum dazu führte, dass Betroffene z. B. nötige gesundheitliche Eingriffe nicht durchführen konnten. 

 

Ob eine Überprüfung der jetzigen Rechtslage durch den Verfassungsgerichtshof - hinsichtlich Wahrung der Menschenrechte, Patientenrechte, dem Recht auf freie Arztwahl, dem Recht auf freie Therapiewahl, dem Gleichbehandlungsgrundsatz und anderen Gesetzen mehr – standhalten würde, darf bezweifelt werden.

 

 

 

Thema Subsidiarität:

 

Zu Art. U Z 56 (§ 39) In den Erläuterungen zum Entwurf zur SMG-Novelle 2007 wird dieses Thema ausführlich behandelt, allerdings ohne befriedigendes Ergebnis.

 

Zurzeit ist es so, dass viele Kompetenzfragen (z. B. zu den oben ausgeführten Themen) immer wieder auf dem Rücken der betroffenen kranken Menschen ausgetragen werden.

 

 

Thema „psychosoziale Beratung und Betreuung“

 

In den Erläuterungen zu Art. IZ 59 (§ 41), Punkt 6. steht:  „die Maßnahme nach Z5 nur sehr selten allein durchgeführt werde, sondern praktisch in jeder medizinischen und psychotherapeutischen Behandlung inkludiert sei.“

 

(????) Was soll das heißen? Ist gemeint, dass die Abrechnung in der Pauschalabrechnung inkludiert ist, oder ansonsten ist die Frage, was wird hier unter psychosozialer Beratung und Betreuung verstanden wird? Unterstützung bei der Wohnungssuche, Helferkonferenzen, Begleitung zum Arbeitsamt, Schuldenregulierung, Paarberatung, Angehörigengespräche und viele andere Aufgabenbereiche die unter psychosoziale Beratung und Betreuung fallen sind wichtige Leistungen. „praktisch in jeder medizinischen und psychotherapeutischen Behandlung inkludiert“ ???

 

Wir weisen darauf hin, weil die Anerkennung der Kostentragung der Z 5 wichtig ist für die Möglichkeit eine Therapie in einer § 15 Einrichtungen ohne Vertrag mit dem Bund durchführen zu können, und weil die in den Erläuterungen zum Thema Z 5 gezogenen Schlussfolgerungen nicht logisch nachvollziehbar sind.

 

Erläuterungen, Punkt 6.3. „Da die psychosoziale Beratung und Betreuung … zumeist im Rahmen des jeweiligen Gesamttherapieprogramms einer Einrichtung mitabsolviert wird, scheint die Justiz … auch die Kosten für diese Maßnahme bereits jetzt größtenteils mitzutragen.“

 

Das ist richtig, was die Einrichtungen betrifft, für die eine Pauschalverrechnung möglich ist.

Der Zusammenhang zur Ablehnung der Kostentragung der Z 5 ist aus unserer Sicht unlogisch. Wenn die Durchführung der psychosozialen Beratung und Betreuung angeordnet und als wichtig anerkannt wird, dann muss auch die Kostentragung geklärt sein.

 

 

Wir hoffen, dass wir mit unseren Erfahrungen aus der täglichen Arbeit und unseren Anregungen dazu beitragen konnten, die neue SMG-Novelle praxisbezogen zu verbessern.

 

 

Für den Vorstand:

 

Helmut Schober, Stv. Obmann

 

 

 


 

Sozusagen als Beilage zu dieser Stellungnahme haben wir ein paar Beispiele - im Zusammenhang mit dem Suchtmittelgesetz - aus unserer alltäglichen Arbeit angeführt.