An das
Bundesministerium
für Justiz
Museumstrasse
7
1070 Wien
Mönichkirchen, 2007-10-11/gr
Betrifft: Stellungnahme zur
Suchtmittelgesetz – Novelle 2007
Sehr
geehrte Frau
Minister Berger!
Wir erlauben uns, in den folgenden Punkten innerhalb
der Begutachtungsfrist eine Stellungnahme zur Suchtmittelgesetznovelle 2007
abzugeben.
Unsere Einwände beziehen sich
ausschließlich auf die Kostentragungsregelung und somit auf § 41.
- Faktisch wird durch die Regelung, wonach die
Kosten für stationäre Aufenthalte nur mehr für ein Jahr
getragen werden, die Behandlungsdauer für KlientInnen mit eben diesem
Jahr limitiert. Dies stellt einen massiven Eingriff in die Behandlung dar,
da eine derartige Limitierung rein willkürlich ist. Sowohl national
wie international gibt es keinerlei Begründungen für derart
willkürliche und aus rein finanziellem Gesichtspunkt bestimmte
Behandlungsdauerbegrenzungen. Der rein finanzielle Gesichtspunkt dieser
Begrenzung ist vor allem im Kommentar zur vorliegenden
Suchtmittelgesetznovelle eindeutig dokumentiert. Die Behandlungsdauer muss
jedoch von den Bedürfnissen der KlientInnen abhängen, um zu
positiven Weiterentwicklungen führen zu können. Insbesonders
beim in Frage stehenden Klientel stehen Reintegrationsmaßnahmen
zusätzlich zur therapeutischen Behandlung im Vordergrund. Vor allem
diese Reintegrationsmaßnahmen würden durch eine maximale Begrenzung
auf ein Jahr stationären Aufenthalt extrem behindert bzw.
verunmöglicht. Die Dauer einer stationären Langzeitbehandlung
ist prinzipiell von der Entwicklung der KlientInnen abhängig und hat
in den letzten drei Jahren in unserer Einrichtung durchschnittlich
(Median) 13,6 Monate betragen mit einem Range von minimal 3 Monaten bis
maximal 21,2 Monaten. Insgesamt stellt diese Regelung, die übrigens
kein anderer Kostenträger so strikt vollzieht, die gesamte
Behandlungsmöglichkeit im stationären Raum für uns in
Frage. Generell erscheinen uns aber strenge Richtwertlinien durchaus eine
Möglichkeit stationäre Aufenthalte nicht über das
nötige Maß hinaus zu verlängern. Derartige Regelungen
müssten aber im Bedarfsfall und nach genauer Klärung und
Kontrolle im Sinne der KlientInnen und deren Entwicklung möglich
sein. Ein Vorschlag unsererseits würde eine Kostentragung für
stationäre Therapie von einem Jahr fix vorsehen, allerdings eine
Verlängerung um ein weiteres halbes Jahr nach Begutachtung durch
einen gerichtlich beeideten Sachverständigen ermöglichen.
- Die Formulierung in § 41 (2) kann insofern
missverstanden werden, als der Bund die Kosten längstens für die
Dauer von zwei Jahren bei ambulanten Behandlungen tragen würde und
dazu alternativ für stationäre Behandlungen für die Dauer
von einem Jahr. Da eine Weiterführung einer ambulanten Behandlung
nach einem stationären Aufenthalt jedoch unumgänglich ist, um
den Behandlungserfolg weiter zu sichern, ist in § 41 (2) gemeint,
dass der Bund die Kosten längstens für die Dauer von zwei Jahren
trägt, davon aber maximal ein Jahr stationäre Behandlung.
Aufgrund unserer langjährigen Erfahrungen erscheint es uns wichtig,
derartiges genau zu formulieren, um spätere Missverständnisse
und damit in Zusammenhang stehenden Mehraufwand zu vermeiden.
- Wir befürchten, dass die Formulierungen des
§ 41 nicht dazu führen, dass die im Kommentar zur vorliegenden
Novelle erwähnten Konflikte zwischen verschiedenen Kostenträgern
gelöst werden. Gerade in den letzten zwei Jahren sind Probleme aufgetreten,
die nicht nur die tatsächlichen Behandlungskosten in das Prinzip der
Subsidiarität einbeziehen, sondern darüber hinaus gehend alle
Kosten, die für KlientInnen während eines stationären
Aufenthaltes anfallen können, betreffen. Besonders dramatisch wird
diese Entwicklung, wenn Krankenbehandlungskosten, die während eines
stationären Aufenthaltes anfallen, jedoch in keinem Zusammenhang mit
einer Entwöhnungsbehandlung stehen, nicht von den Sozialämtern
der Länder getragen werden. Dies betrifft KlientInnen, die nicht
sozialversichert sind und einen Großteil des zu behandelnden
Klientels darstellen. Namentlich sind dies Behandlungskosten bei Unfällen
und Erkrankungen, die während des stationären Aufenthaltes
entstehen. Darunter fallen vor allem notwendige zahnärztliche
Behandlungen und die Behandlung von viralen Erkrankungen wie z.B.
Hepatitis C, die riesige Kosten erzeugen. Das Land Oberösterreich
weigert sich z.B., Sozialhilfekrankenscheine für KlientInnen mit
Gerichtsweisung auszustellen, mit dem Hinweis, dass durch die Weisung der
Bund auch für diese Kosten aufzukommen hat. Naturgemäß
werden derartige Kosten allerdings auch von den Gerichten nicht getragen.
In letzter Zeit gibt es auch Interpretationen, wonach diese Kosten dann
eben in den mit Einrichtungen abgeschlossenen Verträgen inkludiert wären.
Wie unhaltbar derartige Rechtsauffassungen auch immer sein mögen,
führen sie letztlich dazu, dass KlientInnen ohne Krankenversicherungsschutz
um Aufnahme zur stationären Therapie anfragen. Eine spezielle
Problematik stellen in diesem Zusammenhang ausländische KlientInnen
dar, die nicht einmal theoretisch einen Anspruch auf Krankenversicherung
in Österreich haben. Wenn sie aber mit Weisung zur stationären
Therapie verpflichtet werden, ist obiges Dilemma wieder vorhanden. Diese
Problematik kann dazu führen, dass das Prinzip Therapie statt Strafe
im stationären Bereich generell aus Kostengründen in Frage
steht, da Einrichtungen nicht in der Lage sind, derartig nicht krankenversicherte
KlientInnen aufzunehmen. Derzeit sind in unserer Einrichtung nur
Einzelfälle davon betroffen, die im Notfall noch medizinische
Behandlungen bei caritativen Einrichtungen kostenlos in Anspruch nehmen
können, was aber systematisch unmöglich und unverantwortlich
ist. Sollte sich also z.B. die Rechtsmeinung der Landesregierung
Oberösterreich weiter verbreiten, wäre es uns nicht
möglich, die davon betroffenen KlientInnen in stationäre
Therapie aufzunehmen. Die Formulierungen des § 41 in der vorliegenden
Novellierung sind nicht geeignet, hier eine klare, rechtlich für alle
bindende Regelung herbeizuführen. Eher wird diese Unsicherheit
erhöht, etwa durch die Formulierung „...sowie die Kosten...
sonst einer medizinischen ...Behandlung... zu übernehmen“.
Insgesamt erscheint der Weg der Formulierung der
Kostentragung, wie er im Kommentar zur vorliegenden Novelle dargestellt wird,
enttäuschend. Es werden dadurch alle Unsicherheiten in den verschiedenen
Rechtsauffassungen fortgeführt, manchmal sogar verschärft, was
letztlich (negativer Kompetenzstreit etc.) dazu führt, dass dies
ausschließlich am Rücken der KlientInnen ausgetragen wird. Insofern
besteht die große Gefahr, dass das Prinzip Therapie statt Strafe, das
eine der Grundlagen des Suchtmittelgesetzes darstellt, nicht an sich, aber
faktisch durch die Kostenregelung gänzlich verunmöglicht wird.
Wir hoffen, Ihnen mit dieser Stellungnahme gedient zu
haben und verbleiben
mit
freundlichen Grüßen
und
der Bitte um Kenntnisnahme.
Dr.
Robert Muhr e.h.
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Dir.
Alfred Rohrhofer e.h.
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Psychotherapeutischer
Leiter
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Verwaltungsdirektor
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