GZ ● BKA-601.111/0001-V/5/2007

Abteilungsmail v@bka.gv.at

bearbeiter Herr Mag Alexander FLENDROVSKY

Pers. E-mail alexander.flendrovsky@bka.gv.at

Telefon 01/53115/2836

Ihr Zeichen 22181/0009-III/B/6/2007

 

An das

Bundesministerium für

Gesundheit, Familie und Jugend

Radetzkystraße 2
1030   Wien

Mit E-Mail:
claudia.rafling@bmgfj.gv.at

 

Antwort bitte unter Anführung der GZ an die Abteilungsmail

 

 

 

Betrifft:  Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Tabakgesetz geändert wird;

Entwurf einer Gastronomie-Nichtraucherschutzverordnung;

Begutachtung; Stellungnahme

 

 

Zum mit der do. oz. Note übermittelten Gesetzes- bzw. Verordnungsentwurf samt Beilagen nimmt das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst wie folgt Stellung:

I. Allgemeines:

Zu legistischen Fragen darf allgemein auf die Internet-Adresse http://www.bundeskanzleramt.at/legistik hingewiesen werden, unter der insbesondere

·      die Legistischen Richtlinien 1990 (im Folgenden zitiert mit „LRL ...“),

·      das EU-Addendum zu den Legistischen Richtlinien 1990 (im Folgenden zitiert mit „RZ .. des EU-Addendums“),

·      der ‑ für die Gestaltung von Erläuterungen weiterhin maßgebliche ‑ Teil IV der Legistischen Richtlinien 1979,

·      die Richtlinien für die Verarbeitung und die Gestaltung von Rechtstexten (Layout-Richtlinien) und

·      verschiedene, legistische Fragen betreffende Rundschreiben des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst

zugänglich sind.

Die Gemeinschaftsrechtskonformität des im Entwurf vorliegenden Bundesgesetzes bzw. der Verordnung – hinsichtlich letzterer auch die Übereinstimmung mit den in Anspruch genommenen gesetzlichen Grundlagen – ist vornehmlich vom do. Bundesministerium zu beurteilen.

II. Zum Gesetzesentwurf:

Zum Einleitungssatz:

Zusätzlich zur letzten formellen Novellierung wäre auch die Bundesministeriengesetz-Novelle 2007, BGBl. I Nr. 6, zu zitieren, da dieser zufolge auch im durch das im Entwurf vorliegende Bundesgesetz geänderten Bundesgesetz enthaltene Ministerialbezeichnungen als geändert gelten (vgl. Pkt. 1.3.6. des Rundschreibens des Bundeskanzleramtes‑Verfassungsdienst vom 1. März 2007, GZ 601.876/0006-V/2/2007, betreffend Bundesministeriengesetz-Novelle 2007, legistische Implikationen; s. zur Bezeichnung des zuständigen Bundesministers auch sogleich bei Z 2, Pkt. 2.).

Zu Z 2 (§ 10 Abs. 2):

1. Die vorgeschlagene Formulierung („geeignete Prüf- und Überwachungsstellen oder Laboratorien“) ist wesentlich unbestimmter als die bisherige, was auch Bedenken im Hinblick auf die nach Art. 18 Abs. 1 B‑VG erforderliche Determinierung hervorruft, weil keine Kriterien für die Eignung erkennbar sind. Das in den Erläuterungen genannte Ziel, die Unabhängigkeit der Laboratorien von der Tabakindustrie zu sichern, wird dadurch wohl kaum erreicht.

2. Die Formulierung „Der für Gesundheitsangelegenheiten zuständige Bundesminister oder die für Gesundheitsangelegenheiten zuständige Bundesministerin“ entspricht nicht der sonst üblichen legistischen Praxis, den aktuell zuständigen Bundesminister zu benennen (s. auch LRL 36 und 80). Sie macht auch für den Rechtsunterworfenen das Gesetz schwerer lesbar und kann zu Auslegungsschwierigkeiten führen, weil sie die Heranziehung eines zweiten Gesetzes erfordert, nämlich des BMG, auf dessen Festlegung des „allgemeinen Wirkungsbereichs“ der Bundesministerien hier wohl verwiesen wird (vgl. auch Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht, 10. Aufl., Rz 682 ff). Darüber hinaus ist der Begriff „Gesundheitsangelegenheiten“ im BMG nicht enthalten; dort heißt es vielmehr „Angelegenheiten des Gesundheitswesen“ (Abschnitt D Z 1 des Teiles 2 der Anlage zu § 2 BMG).

Es sollte daher immer die Bezeichnung „Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend“ verwendet werden. Alternativ wäre es denkbar, nur vom (zuständigen) Bundesminister (der Bundesministerin) zu sprechen und in einem eigenen Paragraphen im Schlussteil des Gesetzes zu normieren, dass damit die Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend gemeint ist. Dies würde im Fall von Änderungen des im BMG festgelegten allgemeinen Wirkungsbereichs nur die Änderung dieser einen Bestimmung erfordern (im Sinn von Pkt. 1.3.5. des beim Einleitungssatz zitierten Rundschreibens zur BMG-Novelle 2007).

Zu Z 5 (Entfall der Überschrift zu § 13):

In den Erläuterungen wird davon ausgegangen, dass die Überschrift zu § 12 sich auch auf § 13 bezieht. Diese Sichtweise widerspricht aber LRL 117, wonach sich die Überschrift grundsätzlich auf den unter einem Paragraphen zusammengefassten Textabschnitt beziehen soll. Daher sollte § 13 – wie die meisten anderen Paragraphen des Tabakgesetzes – eine eigene Überschrift erhalten. Das gilt auch für die neuen §§ 13a bis 13c.

Nach Z 6 (§ 13 Abs. 3):

In § 13 Abs. 3 sollte ein Redaktionsversehen beseitigt werden: „andere“ statt „anderen“.

Zu Z 8 und 9 (§§ 13a und 13b):

1. Zunächst ist nicht verständlich, warum in § 13a nicht wie im bisherigen § 13 Abs. 4 tatbestandsmäßig an die GewO 1994 angeknüpft wird. Die nunmehrige Formulierung lässt hinsichtlich des Anwendungsbereichs einen weiten Auslegungsspielraum. Auch aus den Erläuterungen wird nicht klar, ob darunter etwa auch Betriebe fallen sollen, bei denen die Verabreichung von Speisen und Getränken nur untergeordnet oder ausnahmsweise erfolgt (zB in einer Galerie anlässlich einer Ausstellungseröffnung). Die Übergangsbestimmung in § 17 Abs. 6, wo gerade auf eine Betriebsanlagengenehmigung abgestellt wird, scheint im Licht der vorgeschlagenen Fassung von § 13a inkonsequent.

2. Aus den Erläuterungen geht hervor, dass die in § 13a Abs. 1 und 3 als Unterscheidungsmerkmal gewählte „Innenraumfläche von 75 m²“ Ergebnis einer politischen Vereinbarung zwischen dem (nunmehrigen) BMGFJ und der WKÖ, Fachverband Gastronomie, ist. Auf Grund des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes (§ 7 Abs. 1 B‑VG, Art. 2 StGG) muss eine solche Differenzierung zwischen Betrieben  aber auch „sachlich gerechtfertigt“ sein (vgl. dazu etwa Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, aaO, Rz. 1357); das gewählte, ausschließlich auf die Fläche abstellende Abgrenzungskriterium müsste dieser Anforderung genügen.

Nach dem Entwurf erscheint auch unklar, welche Möglichkeiten kleineren Betrieben offen stehen: Es ist zwar offenbar nicht verboten, dass auch sie einen Nichtraucherraum einrichten und ansonsten das Rauchen gestatten (diesbezüglich sollte in den Erläuterungen eine Klarstellung erfolgen), durch die Verpflichtung zur Kenntlichmachung nach § 13b Abs. 5 (in Verbindung mit der Verpflichtung gemäß § 13a Abs. 3, den Betrieb entweder als Raucher- oder als Nichtraucherbetrieb zu führen) müssten sich derartige Betriebe aber wohl als Raucherbetriebe (Rauchen im gesamten Gästebereich gestattet) deklarieren, was unsachlich erscheint. Ähnliches gilt hinsichtlich der aus dem vorgeschlagenen Text bzw. den Erläuterungen nicht eindeutig zu beantwortenden Frage, ob nach § 13b Abs. 5 auch Raucherbetriebe mit einer Fläche von weniger als 75 m² einen Hinweis auf eine vorhandene raumlufttechnische Anlage am Gästeeingang anbringen dürfen.

Zu Abs. 4 letzter Satz ist überdies darauf hinzuweisen, dass der Verweis auf § 13 Abs. 2 wohl richtigerweise „§ 13a Abs. 2“ zu lauten hat.

3. Im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz stellt sich auch die Frage, warum die Möglichkeit, sich durch die Verwendung einer raumlufttechnischen Anlage von der Geltung des Rauchverbots zu befreien, nur für Speisen und Getränke verabreichende Betriebe, nicht aber für sonstige „Räume öffentlicher Orte“ (§ 13) besteht.

4. Der Begriff „geeignete raumlufttechnische Anlage“ selbst ist unbestimmt und damit im Hinblick auf das Determinierungsgebot nach Art. 18 Abs. 1 B‑VG bedenklich, weil im Gesetzestext kaum ein Anhaltspunkt erkennbar ist, wann eine Anlage als „geeignet“ angesehen werden kann (Was muss diese leisten können?). Erst aus den Erläuterungen bzw. dem Verordnungsentwurf wird klar, dass die näheren Bestimmungen hierüber durch eine Verordnung auf Grundlage des § 13a Abs. 4 getroffen werden sollen. Dieses Ziel wäre aber auch im Gesetzestext entsprechend zum Ausdruck zu bringen.

Andererseits ist § 13a Abs. 4 bedenklich unbestimmt: Er lässt offen, ob sich die Ermächtigung generell auf Maßnahmen des Nichtraucherschutzes bezieht oder etwa nur auf von Abs. 1 umfasste Betriebe. Weiters ist unklar, welche Mittel die Bundesministerin in der Verordnung vorsehen kann und inwieweit dabei Eingriffe in subjektive Rechte möglich sein sollen. Die Verordnungsermächtigung wäre zumindest dadurch zu präzisieren, dass explizit auf jene Absätze verwiesen wird, die konkretisiert werden sollen.

5. Die Verweise zwischen § 13 und § 13a sowie innerhalb des § 13a machen das Gesetz schwer lesbar. In § 13a Abs. 1 könnte etwa die Wortfolge „soweit Abs. 2 nicht anderes bestimmt“ ersatzlos entfallen. Der Verweis auf § 13 Abs. 1 in § 13a Abs. 1 sollte durch einen Verweis auf den gesamten § 13 ersetzt werden (wird doch zu dessen Abs. 2 im letzten Halbsatz eine Sonderbestimmung getroffen, was voraussetzt, dass dieser Absatz überhaupt anwendbar ist).

6. Das Maß „Quadratmeter“ sollte einheitlich mit „m²“ (und nicht mit „m2“; s. auch Z 13, § 17 Abs. 6 und die Erläuterungen) abgekürzt werden (Pkt. 4.1.9 der Layout-Richtlinien, Formatvorlage „997_Hoch“). Zwischen der Zahl und der Maßeinheit wäre jeweils ein geschütztes Leerzeichen zu setzen (vgl. Pkt. 2.1.3 und 4.3.5.3 der Layout-Richtlinien).

Zu Z 10 (§ 13c):

1. Der der zivilrechtlichen Terminologie entspringende Begriff „Verfügungsbefugter“ (zB Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I, 12. Aufl., 295) meint denjenigen, der die Berechtigung zur Weitergabe des Eigentumsrechts an einer Sache an einen Dritten hat, also regelmäßig den aktuellen Eigentümer. Ein generelles Anknüpfen an diese Befugnis scheint aber unsachlich (und damit gleichheitsrechtlich bedenklich, oben bei Z 8, Pkt. 2.), weil dem Eigentümer eines Raumes im Fall der Weiterübertragung des Nutzungsrechts (insb. durch Miete oder Pacht) idR keine direkte Einwirkungsmöglichkeit auf die Vorgänge dort verbleibt. Im Verwaltungsrecht, insb. der GewO 1994, wird daher häufig an die „Innehabung“ angeknüpft, wenngleich auch dabei der Inhalt des Begriffs im Einzelfall fraglich sein kann (dazu umfassend Balthasar, Wer ist „Inhaber“ einer Betriebsanlage?, ecolex 1993, 350). Die Wortwahl sollte daher – zumal damit die Adressaten von Verwaltungsstrafnormen bestimmt werden – entsprechend überdacht und präzisiert werden.

2. In Abs. 1 Z 1 hätten die – bereits im Einleitungsteil enthaltenen – Worte „über einen“ zu entfallen.

Zu Z 11 (§ 14):

1. Es fragt sich, warum die vorgeschlagenen Absätze nicht einfach als Abs. 4 und 5 angefügt werden (vgl. auch LRL 126, wonach die Bezeichnungen von Gliederungseinheiten bei Novellen in der Regel nicht zu berichtigen sind).

2. Im vorgeschlagenen Abs. 3 sollte ein Verstoß gegen ein Rauchverbot nur unter der Voraussetzung strafbar sein, dass eine entsprechende Kennzeichnung nach § 13b erfolgt ist. Eine weitergehende Strafbarkeit (zB für Rauchen in einem – gesetzwidrigerweise – als Raucherbetrieb gekennzeichneten Lokal) könnte als unzumutbar und damit gleichheitswidrig angesehen werden.

Zu Z 13 (§ 17 Abs. 5 bis 10):

1. Die Aufnahme von Übergangs(-straf-)bestimmungen in den Abs. 6 bis 10 des § 17 widerspricht der bisherigen Gesetzessystematik. Demnach enthält § 17 nur reine Inkrafttretensregelungen, Übergangsbestimmungen finden sich hingegen in § 18.

2. Das in den Erläuterungen genannte Ziel, dass sich die Übergangsregelung auf vor dem 1. Jänner 2008 genehmigte Betriebe mit einer Innenraumfläche von mehr als 75 m² bezieht, die weder über die Voraussetzungen für einen Raucherraum noch über eine geeignete raumlufttechnische Anlage verfügen, kommt im Text des § 17 Abs. 6 („und nicht … oder“) nicht eindeutig zum Ausdruck. Es sollte daher klargestellt werden, welche Tatbestandsvoraussetzungen kumulativ und welche bloß alternativ vorliegen müssen.

3. Die Verweisketten zwischen den Abs. 6 bis 10 sind äußerst schwer verständlich. Insbesondere enthält Abs. 6 eine Subsidiaritätsklausel zu Gunsten von Abs. 7, der aber wiederum an Abs. 6 anknüpft.

4. Was unter einem „Nichtraucherbereich“ (§ 17 Abs. 8 Z 1) bzw. „Gästebereich“ (§ 17 Abs. 8 Z 3 ff) zu verstehen ist (vor allem in Abgrenzung zu „Räumen“ im Sinn der §§ 13 ff), sollte zumindest in den Erläuterungen umschrieben werden.

5. Die jetzige Formulierung des § 17 Abs. 8 bringt das den Erläuterungen entnehmbare Ziel, dass es sich um Maßnahmen in der Übergangsphase handeln soll, nicht hinreichend zum Ausdruck, sondern deutet vielmehr darauf hin, dass auch diese Maßnahmen erst mit 1. Jänner 2013 bzw. 1. Jänner 2015 verwirklicht sein müssen.

6. § 17 Abs. 10 und 11 sollten in einen Absatz zusammengefasst werden (s. LRL 40), indem in Abs. 10 die Wortfolge „nach dem 30. Juni 2008“ eingefügt wird.

7. In § 17 Abs. 7 müsste es wohl „§ 13a Abs. 1 und 2“ statt nur „§ 13a Abs. 2“ heißen.

8. Der Name des Monats sollte jeweils ausgeschrieben werden (vgl. Pkt. 4.3.6.1 der Layout-Richtlinien).

III. Zum Verordnungsentwurf

Der Verordnungsentwurf gibt aus Sicht des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst – unbeschadet der Anmerkung 4. zu Z 8 und 9 des Gesetzesentwurfes – keinen Anlass zu Bemerkungen.


Diese Stellungnahme wird im Sinne der Entschließung des Nationalrates vom 6. Juli 1961 u.e. auch dem Präsidium des Nationalrats zur Kenntnis gebracht.

 

9. Oktober 2007

Für den Bundeskanzler:

Georg LIENBACHER

 

 

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