An das

GZ ● BKA-601.386/0012-V/2/2007

Abteilungsmail v@bka.gv.at

bearbeiter Herr MMag Dr Patrick SEGALLA

Frau Dr Brigit Hrovat-Wesener[1]

Pers. E-mail patrick.segalla@bka.gv.at

Telefon 01/53115/2353

Ihr Zeichen BMGFJ-421600/0016-II/2/2007

 

Bundesministerium für

Gesundheit, Familie und Jugend

 

begutachtungen@bmgfj.gv.at

Gundula.Sayouni@bmgfj.gv.at

Antwort bitte unter Anführung der GZ an die Abteilungsmail

 

 

 

Betrifft:  Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Jugendwohlfahrtsgesetz 1989 geändert wird (Jugendwohlfahrtsgesetz-Novelle 2008);

Begutachtung; Stellungnahme

 

 

Zum mit der do. oz. Note übermittelten Gesetzesentwurf samt Beilagen nimmt das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst wie folgt Stellung:

I. Allgemeines:

Zu legistischen Fragen darf allgemein auf die Internet-Adresse http://www.bundeskanzleramt.at/legistik hingewiesen werden, unter der insbesondere

·      die Legistischen Richtlinien 1990 (im Folgenden zitiert mit „LRL ...“),

·      das EU-Addendum zu den Legistischen Richtlinien 1990 (im Folgenden zitiert mit „RZ .. des EU-Addendums“),

·      der ‑ für die Gestaltung von Erläuterungen weiterhin maßgebliche ‑ Teil IV der Legistischen Richtlinien 1979,

·      die Richtlinien für die Verarbeitung und die Gestaltung von Rechtstexten (Layout-Richtlinien) und

·      verschiedene, legistische Fragen betreffende Rundschreiben des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst

zugänglich sind.

Die Gemeinschaftsrechtskonformität des im Entwurf vorliegenden Bundesgesetzes ist vornehmlich vom do. Bundesministerium zu beurteilen.

II. Zum Gesetzesentwurf:

Vorbemerkung:

In den Novellierungsanordnungen sollte es, entsprechend der gängigen legistischen Praxis, statt „mit Überschrift“ vielmehr „samt Überschrift“ lauten.

Aufzählungsglieder, wie in § 7a Abs. 1, § 10 Abs. 2, § 12 Abs. 1 oder § 37a Abs. 1, sollten, auch im Lichte der bisher im Jugendwohlfahrtsgesetz geübten Praxis, mit einem Beistrich oder Strichpunkt abgeschlossen werden, das vorletzte mit dem Wort „und“, das letzte mit einem Punkt.

Zu Art. I Z 6 (§ 10):

Zur Bestimmung des § 10 ist darauf hinzuweisen, dass aus kompetenzrechtlicher Sicht der Materiengesetzgeber bei der Regelung von Organisationsstrukturen durch die Organisationskompetenz der Länder beschränkt ist und organisationsrechtliche Bestimmungen nur dann treffen darf, wenn deren unmittelbarer Bezug zur Funktion der Organisation im Vordergrund steht (vgl. grundlegend Verfassungsgerichtshof, VfSlg. 8.466/1978). Hinsichtlich der Entwurfsbestimmung des § 10 Abs. 1 zweiter Satz könnte dabei allenfalls in Frage gestellt werden, inwieweit die Verpflichtung an das Land, gewisse Regelungen über die Organisation vorzusehen, noch Ausfluss der Materienkompetenz sein kann, soweit zB Fragen der Bestellung oder der Funktionsdauer betroffen sind (umgekehrt besteht hinsichtlich des Aspekts der Qualifikation dann eine Zuständigkeit des Materiengesetzgebers, wenn die Qualifikation einen ausreichenden Bezug zur Funktionsausübung aufweist: siehe dazu etwa Verfassungsgerichtshof, VfSlg. 8.466/1978 und VfSlg. 12.331/1990. In Bezug auf diesen Aspekt könnte uU fraglich sein, ob ein solcher Zusammenhang vorliegt, da der Grundsatzgesetzgeber im Entwurf ja gerade davon absieht, zu regeln, welche Qualifikation verlangt ist.)

Hinsichtlich § 10 Abs. 3 ist anzumerken, dass die Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit der Kinder- und Jugendanwaltschaft durch den Landesgesetzgeber dann, wenn die Anwaltschaft organisatorisch Teil der Verwaltung sein soll, nur im Wege von Landesverfassungsrecht sichergestellt werden kann (vgl. etwa die Verfassungsbestimmung des § 13a Abs. 5 des Steiermärkischen Jugendwohlfahrtsgesetzes 1991).

Nun ist der Bundesgrundsatzgesetzgeber nach Art. 12 B-VG aber nur dafür zuständig, Grundsatzregelungen vorzusehen, die vom (einfachen) Landesgesetzgeber auszuführen sind. Unter „Ausführungsgesetz“ nach Art. 12 B-VG kann schon deswegen kein Landesverfassungsgesetz zu verstehen sein, weil sich die Zuständigkeit der Länder zur Erlassung von Verfassungsrecht nicht aus den Art. 10 bis 15 B-VG, sondern aus Art. 99 B-VG ergibt. In diesem Sinne kann der Bundesgrundsatzgesetzgeber dem Ausführungsgesetzgeber nicht eine Regelung vorgeben, welche dieser gar nicht selbst ausführen kann, sondern vielmehr dem Landesverfassungsgesetzgeber überlassen muss.

Sofern also die die vom Grundsatzgesetzgeber aufgestellten Erfordernisse, wie ausgeführt, nicht vom einfachen Landesgesetzgeber ausgeführt werden können, dürfen sie nicht im Wege des Grundsatzgesetzes geregelt werden. Es wird daher angeregt, das grundsatzgesetzlich geregelte Anforderungsprofil an die Einrichtung der Kinder- und Jugendanwaltschaft insofern zurückzunehmen, als dem Landesgesetzgeber bloß aufgetragen wird, die Aufgaben der Anwaltschaft einer „unabhängigen Einrichtung“ zu übertragen (welche dann auch eine nicht in die staatliche Organisation eingegliederte juristische Person sein könnte) und auf die Normierung exakter Vorgaben an die Ausgestaltung dieser Einrichtung zu verzichten (vgl. etwa die in § 11e des Bundesgesetzes über Krankenanstalten und Kuranstalten gewählte Regelungstechnik). Weitere Anforderungen an die Kinder- und Jugendanwaltschaft, etwa den Bestellungsmodus der Mitglieder, hätte dann, soweit er dies für notwendig erachtet, der Landesgesetzgeber zu regeln.

Zur Überschrift „Artikel II“:

Zwecks Übersichtlichkeit und Abgrenzung zu Art. I wird angeregt, die Überschrift „Artikel II“ um den Text „Unmittelbar anwendbares Bundesrecht“ zu ergänzen.

III. Anmerkungen aus datenschutzrechtlicher Sicht:

Zu Art. I Z 1 (§ 7a):

Zu Abs. 1 wird angeregt, Überlegungen anzustellen, welche der erforderlichen datenschutzrechtlichen Bestimmungen durch den Grundsatzgesetzgeber zu regeln sind und wie weit den Ausführungsgesetzgebern Regelungsspielraum belassen werden soll bzw. muss. Jedenfalls sollten auf einer der beiden gesetzlichen Ebenen genauere Differenzierungen der Datenverwendungen nach jeweils verwendeten Datenarten, Betroffenenkreisen und jeweiligem Zweck vorgenommen werden. Insbesondere ist eine entsprechende Determinierung der Verwendung sensibler Daten wie Gesundheitsdaten und dem Datum über die ethnische Herkunft sowie der Daten über strafrechtliche Verurteilungen vorzunehmen.

In Abs. 2 sollte zur Vermeidung von Redundanzen der Verweis auf die Bestimmungen des DSG 2000 für den internationalen Datenverkehr gestrichen werden.

Zu Art. I Z 5 (§ 9):

Entsprechend § 8 Abs. 1 Z 4 DSG 2000 wäre eine „Offenbarung“ (Übermittlung i. S. des DSG 2000) nicht-sensibler Daten nur im überwiegenden Interesse des Minderjährigen möglich. Die Verwendung sensibler Daten wäre nur unter den Bedingungen des § 1 Abs. 2 iVm § 9 DSG 2000 zulässig.

Zu Art. II Z 1 (§ 37a):

Zu § 37a Abs. 1 wird auf die inhaltlichen Bemerkungen zu § 7a Abs.1, zu Abs. 3 auf die Bemerkungen zu § 9 und zu Abs. 4 auf die Ausführungen zu § 7a Abs. 2 verwiesen.

IV. Zu Vorblatt, Erläuterungen und Textgegenüberstellung:

Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst weist auf seine Rundschreiben vom 13. November 1998, GZ 600.824/8-V/2/98 ‑ betreffend Vorblatt und Erläuterungen zu Regierungsvorlagen; Aufnahme eines Hinweises auf Besonderheiten des Norm­erzeugungsverfahrens ‑ und vom 19. Februar 1999, GZ 600.824/0-V/2/99 – betreffend Legistik und Begutachtungsverfahren; Auswirkungen von Rechtssetzungsvorhaben auf die Beschäftigungslage in Österreich und auf den Wirtschaftsstandort Österreich; Gestaltung von Vorblatt und Erläuterungen ‑ hin, in denen insbesondere um die Aufnahme bestimmter zusätzlicher Hinweise in das Vorblatt und den Allgemeinen Teil der Erläuterungen ersucht wurde.

1. Zum Vorblatt:

Der Abschnitt „Übereinstimmung mit EU-Recht“ wäre im Sinne des Rundschreibens des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst vom 6. März 2001, GZ 600.824/0011-V/2/01, – betreffend Legistik und Begutachtungsverfahren; Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften; Gestaltung von Vorblatt und Erläuterungen – als „Verhältnis zu den Rechtsvorschriften der Europäischen Union“ zu bezeichnen.

Ferner wäre ein Hinweis auf (allfällige) Besonderheiten des Normerzeugungs­verfahrens im Sinne des Rundschreibens des Bundeskanzleramtes-Verfassungs­dienst vom 13. November 1998, GZ 600.824/8-V/2/98, anzubringen.

2. Zum Allgemeinen Teil der Erläuterungen:

Gemäß § 14 Abs. 1 BHG ist jedem Entwurf für (ua.) ein Bundesgesetz von dem Bundesminister, in dessen Wirkungsbereich der Entwurf ausgearbeitet wurde, eine den Richtlinien gemäß § 14 Abs. 5 BHG entsprechende Darstellung der finanziellen Auswirkungen anzuschließen, aus der insbesondere hervorzugehen hat, wie hoch die durch die Durchführung der vorgeschlagenen Maßnahmen voraussichtlich verursachten Ausgaben oder Einnahmen sowie Kosten oder Erlöse für den Bund im laufenden Finanzjahr und mindestens in den nächsten drei Finanzjahren zu beziffern sein werden. Eine solche Darstellung kann dem vorliegenden Entwurf nicht entnommen werden.

V. Zum Layout:

Bei Novellierungsanordnungen, welche Ersetzungen im Gesetzestext vornehmen, ist jener Text, der zwischen Anführungszeichen steht, nicht kursiv sondern in Normalschrift zu formatieren (Formatvorlage E-Recht "22_NovAo2“, zB: „Im § 14 Abs. 3 Z 1 und 2 wird die Wortfolge „Österreichische Staatsdruckerei AG durch die Wortfolge „Print Media Austria AG ersetzt.“)

Weiters sind Paragraphenbezeichnungen mit der Formatvorlage 991 (fett) zu formatieren.

VI. Zum Aussendungsrundschreiben:

Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst darf aus Anlass der vorliegenden Gesetzesbegutachtung an seine in Rücksicht auf die Entschließung des Nationalrates vom 6. Juli 1961 ergangenen Rundschreiben vom 10. August 1985, GZ 602.271/1-V/6/85, vom 12. November 1998, GZ 600.614/8-V/2/98, sowie vom 17. Jänner 2007, GZ 600.614/0001‑V/2/2007 erinnern. Demnach sind die aussendenden Stellen ersucht, in jedes Aussendungsrundschreiben zum Entwurf eines Bundesgesetzes an die zur Begutachtung eingeladenen Stellen das Ersuchen aufzunehmen, die (allfällige) Stellungnahme auch dem Präsidium des Nationalrates nach Möglichkeit im Wege elektronischer Post an die Adresse begutachtungsverfahren@parlament.gv.at zu übermitteln; die früher vorgesehene Übermittlung von 25 (Papier‑)Ausfertigungen ist jedoch nicht mehr erforderlich.


Diese Stellungnahme wird im Sinne der Entschließung des Nationalrates vom 6. Juli 1961 u.e. auch dem Präsidium des Nationalrats zur Kenntnis gebracht.

 

24. Oktober 2007

Für den Bundeskanzler:

Georg LIENBACHER

 

 

Elektronisch gefertigt


 



[1] Aus datenschutzrechtlicher Sicht.