A.Univ.Prof.Dr.Irene Sommerfeld-Stur
Klinisches Department für Tierzucht und Reproduktion
Institut für Tierzucht und Genetik
Veterinärplatz 1
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An das Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend

 

 

 

 

2.10. 2007

 

 

 

 

Betr.: Stellungnahme zum Begutachtungsentwurf eines Bundesgesetzes mit dem das Tierschutzgesetz geändert wird.

 

Da ich ausdrücklich um einen Textvorschlag zur Änderung des Par. 5 Abs. 2 Z1 gebeten wurde und diesen auch inklusive Erläuterungen vorgelegt habe, erlaube ich mir zu dem entsprechenden Teil des genannten Begutachtungsentwurfes wie folgt Stellung zu nehmen:

Wie ich bereits in einer früheren Stellungnahme (siehe http://www.parlinkom.gv.at/pls/portal/docs/page/PG/DE/XXIII/ME/ME_00023_20/fname_073098.pdf) sowie in der Präambel zu meinem Textvorschlag erläutert und ausführlich argumentiert habe, macht die Einschränkung des Qualzuchttatbestandes auf  solche Merkmale, die bei den betroffenen Tieren mit „schweren Schmerzen, Leiden oder Schäden oder schwerer Angst“ verbunden sind, eine Umsetzung dieses Verbotes in der Praxis de facto unmöglich.

Es ist mir bewusst, dass die tatsächliche entsprechende Formulierung im Par. 5 Abs. 2 Z1 des Bundestierschutzgesetzes von „starken Schmerzen, Leiden oder Schäden oder schwerer Angst“ ausgeht. Meine irrtümliche Argumentation gegen die Diktion „schwere Schmerzen, Leiden oder Schäden oder  schwere Angst“ ist aber sinngemäß gleich zu verstehen und auch im Kontext eines Gesetzestextes, der als Qualzucht solche Tatbestände definiert, die bei den betroffenen Tieren „starke Schmerzen, Leiden oder Schäden oder schwere Angst“ auslösen, vollinhaltlich zu übernehmen.

Es bleibt die Differenzierung zwischen Qualzuchttatbeständen und anderen tierschutzrelevanten Tatbeständen die einerseits die Umsetzung des Qualzuchtverbotes de facto unmöglich macht und die anderseits aber auch auf keiner für mich ersichtlichen Notwendigkeit beruht. Es ist für mich in keinster Weise ersichtlich, verständlich oder nachvollziehbar womit das Beharren auf dieser Differenzierung zwischen züchterischen und sonstigen tierschutzrelevanten Tatbeständen begründet ist. Dadurch entsteht unvermeidlich der Eindruck, dass diese Differenzierung eine implizite und beabsichtigte Abschwächung des Qualzuchtverbotes darstellt und somit dazu dient die Anliegen des Tierschutzes im züchterischen Bereich formal zu berücksichtigen dies aber in einer Form, die bereits vorab erkennen lässt, dass eine de facto Umsetzung gar nicht beabsichtigt, weil sachlich unmöglich ist. 

 

Weiters möchte ich darauf hinweisen, dass mir die Änderung der in meinem Textvorschlag vorliegenden Formulierung: „….wissentlich Züchtungen vornimmt“ zu „….vorsätzlich Züchtungen vornimmt“ etwas problematisch erscheint und eine Umsetzung in der Praxis meines Erachtens ebenfalls erschwert. Vorsätzlich bedeutet nach meinem Rechtsverständnis, dass ein Züchter gezielt und beabsichtigt Tiere mit den in der folgenden Auflistung genannten Symptomen züchtet. Dieser Vorsatz wird aber im Einzelfall nicht zu beweisen sein und wird in den meisten Fällen auch nicht vorliegen. Wissentlich bedeutet nach meinem Rechtsverständnis, dass ein Züchter das Auftreten der genannten Symptome in Kauf nimmt, wissend, dass sie nach Lage der Dinge auftreten können bzw. mit großer Wahrscheinlichkeit auftreten werden. Dieser Tatbestand ist in der Praxis jedenfalls weit eher nachzuweisen und umfasst automatisch auch all jene (seltenen) Fälle in denen tatsächlich ein vorsätzliches Vorgehen vorliegt.

 

Schließlich möchte ich noch das Fehlen des letzten Punktes aus meiner vorgeschlagenen Liste von qualzuchtrelevanten Symptomen („Sowie jede weitere Symptomatik, die nach jeweils aktueller veterinärmedizinischer Evidenz als Folge genetisch bedingter Eigenschaften auftritt“) kommentieren. Die Grundlage dieses Vorschlages war die Überlegung, dass speziell in der Heimtierzucht immer wieder neue rassetypische genetisch bedingte Gesundheitsprobleme auftreten, die den allgemeinen Tatbestand der Qualzucht erfüllen, aber über die exemplarisch genannten  Symptome hinausgehen. Dieser Punkt sollte daher die Einstufung eines Qualzuchttatbestandes auf der Basis der jeweils aktuellen veterinärmedizinischen Evidenz erlauben ohne eine Änderung des Gesetzestextes notwendig zu machen. Ein Wegfall dieses Punktes ist im Sinne einer Erschwernis der langfristigen praktischen Umsetzbarkeit des Qualzuchtverbotes zu interpretieren.

 

Zusammenfassend schlage ich also vor:

1) den Wortlaut des §5 Abs. 2 Z1 wie folgt zu formulieren:

Züchtungen vornimmt, die für das Tier oder dessen Nachkommen mit Schmerzen, Leiden oder Schäden oder mit schwerer Angst verbunden sind (Qualzüchtungen), sowie dabei insbesondere solche Züchtungen vornimmt bei denen vorhersehbar ist, dass in ihrer Folge nicht nur vorübergehend folgende klinischen Symptome auftreten:

2) Die Auflistung der qualzuchtrelevanten Symptome um einen Punkt „n“ zu ergänzen, der folgendermaßen lautet:

n) Sowie jede weitere klinische Symptomatik, die nach jeweils aktueller veterinärmedizinischer Evidenz als Folge genetisch bedingter Eigenschaften auftritt und den allgemeinen Tatbestand der Qualzucht erfüllt.