REPUBLIK ÖSTERREICH

Der Präsident des Oberlandesgerichtes Graz

 

GZ: Jv 9118-2/07-5

 

Graz, am 17. Oktober 2007

 

Briefanschrift:

A-8010  G r a z

Marburger Kai 49

Tel.: 0316/8064-0*

FAX: 0316/8064/1600

Nebenstelle (DW): 1001

 

Betrifft:                                             Entwurf eines

Bundesgesetzes, mit dem

         das Strafgesetzbuch, die Strafprozessnovelle 1975,

         das Strafvollzugsgesetz, das Bewährungshilfegesetz

         und das Jugendgerichtsgesetz 1988 geändert werden -

         Begutachtungsverfahren

 

 

         Im  Begutachtungsverfahren  zum  oben  angeführten Gesetzesentwurf

 

beehre   ich   mich,  die   (auch  schriftlich  in  25facher  Ausfertigung)

 

vorgelegten  Stellungnahmen der Begutachtungssenate des Oberlandesgerichtes

 

Graz   vom   15.Oktober  2007  sowie  des  Landesgerichtes  Klagenfurt  vom

 

12.Oktober 2007 elektronisch zu übermitteln.

 

 

 

                               Dr. Wietrzyk

 

 


 

 

 

 

Jv 9.118-2/07-4

 

 

 

 

            Der Begutachtungssenat beim Oberlandesgericht Graz erstattet zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung 1975, das Strafvollzugsgesetz, das Bewährungshilfegesetz und das Jugendgerichtsgesetz 1988 geändert werden, nachstehende

S t e l l u n g n a h m e :

 

            Soweit Bestimmungen des Gesetzesentwurfes in der Stellungnahme nicht genannt werden, ist davon auszugehen, dass sie keinen Bedenken begegnen.

           

            Zu den Bestimmungen im Einzelnen:

 

Zu Artikel I Z 1(§ 46 StGB):

 

1.         Nach dem Entwurf soll der Regelfall der bedingten Entlassung in Hinkunft nach Verbüßung der Hälfte der Freiheitsstrafe eintreten. In diesem Zusammenhang wird eine bedeutende Einschränkung dahingehend vorgenommen, dass spezialpräventive Gründe, die die bedingte Entlassung hindern, nur dann zu berücksichtigen sind, wenn vom Verurteilten die Gefahr der Begehung einer strafbaren Handlung mit schweren Folgen ausgeht. Nach der zu § 180 Abs 2 Z 3 lit a StPO und zu § 21 StGB ergangenen Rechtsprechung müssen sich im Bereich der Vermögenskriminalität die vom Gesetz verlangten Folgen aus einer einzigen Prognosetat ergeben. Der Zusammenrechnungsgrundsatz des § 29 StGB findet dabei keine Anwendung (15 Os 107/05g). Dies hat für die wegen Vermögensdelikten Verurteilten zur Folge, dass die bedingte Entlassung nach Verbüßung der Hälfte der Freiheitsstrafe nur dann abgelehnt werden kann, wenn eine strafbare Handlung mit einem Vermögensschaden im Bereich von € 50.000,-- (Wertgrenze der §§ 128 Abs 2 und 147 Abs 3 StGB) prognostiziert werden kann. 

Eine derartige Prognose kann bei Verurteilten, die sich wegen strafbarer Handlungen gegen fremdes Vermögen in Haft befinden, wohl nur in den seltensten Fällen erstellt werden.

            Daraus ergibt sich, dass die Bestimmung des § 46 Abs 1 in diesem Kriminalitätsbereich zu einer Entlassungsautomatik führt. Selbst im Fall gravierend negativer spezialpräventiver Prognosen (etwa bei einer Vielzahl einschlägiger Vorverurteilungen) kann die bedingte Entlassung schon nach der Hälfte der Freiheitsstrafe nicht abgelehnt werden. Die Beschränkung der zu berücksichtigenden Prognosetat auf eine solche mit schweren Folgen erscheint aber auch in allen anderen Kriminalitätsbereichen als viel zu eng.

            Es wird daher dringend empfohlen, in § 46 Abs 1 StGB den Begriff der „schweren Folgen“ durch jenen der „nicht bloß leichten Folgen“ zu ersetzen.

           

2.         Der Intention des Gesetzesentwurfes, wonach generalpräventive Entlassungshindernisse weitgehend zurückgedrängt werden sollen, wird nicht generell entgegengetreten. Nach dem Entwurf sind generalpräventive Aspekte bei der bedingten Entlassung aus einer mehr als fünfjährigen Freiheitsstrafe solange zu berücksichtigen, als der Verurteilte noch nicht zwei Drittel der Freiheitsstrafe verbüßt hat. Damit soll - auch nach den Erläuterungen - zum Ausdruck gebracht werden, dass Erfordernisse der Generalprävention nur im Bereich der schweren Kriminalität die bedingte Entlassung hindern können. Es fällt aber auf, dass bei der bedingten Entlassung aus einer lebenslangen Freiheitsstrafe nach 15 Jahren generalpräventive Erwägungen außer Betracht bleiben sollen. Die Erläuterungen führen dazu an, dass generalpräventive Erwägungen schon zur Begründung der Strafdrohung und des Strafausspruches herangezogen wurden, und dass sie deshalb bei der bedingten Entlassung keine Rolle spielen sollen. Dies ist ein Wertungswiderspruch, das Argument, dass generalpräventive Erwägungen schon den konkreten Strafausspruch mit bestimmt haben, gilt auch für mehr als fünfjährige Freiheitsstrafen. Der Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe liegen strafbare Handlungen im Bereich der Schwerstkriminalität zugrunde, das zu § 46 Abs 2 StGB angeführte Argument für die Belassung generalpräventiv begründeter Entlassungshindernisse gilt um so mehr für jene Verurteilten, die eine lebenslange Freiheitsstrafe verbüßen.  

            Konsequenterweise müssten generalpräventive Entlassungshindernisse auch für die Entscheidung über die bedingte Entlassung aus der lebenslangen Freiheitsstrafe verbleiben.

           

3.         Derzeit sind generalpräventive Erwägungen insoweit zu berücksichtigen, als nach § 46 Abs 3 StGB in der geltenden Fassung zu beurteilen ist, ob es aus besonderen Gründen der Vollstreckung des Strafrestes bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken. Nach dem Entwurf ist die bedingte Entlassung vor Verbüßung von zwei Drittel einer mehr als fünfjährigen Freiheitsstrafe dann abzulehnen, wenn es im Hinblick auf die Schwere der Tat ausnahmsweise des weiteren Vollzuges der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken. Mit dieser Formulierung setzt sich der Entwurf genau jenen Vorwürfen aus, die schon bisher gegen generalpräventive Erwägungen ins Treffen geführt wurden. Die Schwere der Tat ist nämlich ein wesentlicher Strafzumessungsgrund, der damit die Dauer der Freiheitsstrafe begründet. Die ausschließliche Berücksichtigung der Schwere der Tat bei der Prüfung der Erfordernisse der Generalprävention führt dazu, dass (nur mehr) solche Umstände erörtert werden, die ausschlaggebend für den konkreten Strafausspruch waren. Die von der Rechtsprechung zur Generalprävention entwickelten Argumente bleiben dabei völlig unberücksichtigt. Dies gilt etwa für jene generalpräventiven Überlegungen im Bereich organisierter Suchtmittel- oder Vermögensdelinquenz, die darin bestehen, dass dort die potenziellen Täter den tatsächlichen Strafvollzug durchwegs in ihr Kalkül mit einbeziehen.

            Zur Aufrechterhaltung einer konsequenten und plausiblen Rechtsprechung wird daher vorgeschlagen, die bisherige Formulierung in § 46 Abs 3 StGB zu belassen, sodass § 46 Abs 2 des Entwurfes zu lauten hat: ... so lange nicht bedingt zu entlassen, als es aus besonderen Gründen ausnahmsweise des weiteren Vollzuges der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken.“

4.         Nach dem neu zu fassenden § 46 Abs 4 StGB ist bei Entscheidungen über die bedingte Entlassung auf den Umstand Bedacht zu nehmen, inwieweit durch den bisherigen Vollzug der Strafe, insbesondere auch durch eine während des Vollzuges begonnene freiwillige Behandlung im Sinne von § 51 Abs 3 eine Änderung der für die Bemessung der Strafe erheblichen Verhältnisse eingetreten ist. Diese Norm steht in einem Spannungsverhältnis zu § 31 a StGB, wonach die Strafe angemessen zu mildern ist, wenn nachträglich Umstände eintreten oder bekannt werden, die zu einer milderen Bemessung der Strafe geführt hätten, ein Vorgehen nach dem § 31 a StGB hat nach § 410 Abs 1 StPO auch von Amts wegen zu erfolgen. Eine Berücksichtigung solcher nachträglich eingetretener Milderungsumstände hat dementsprechend nicht im Rahmen der Entscheidung über die bedingte Entlassung, sondern im Zusammenhang mit einem Beschluss nach § 410 StPO (§ 31 a StGB) zu erfolgen.

 

5.         Grundsätzlich ist ein Anreiz für den verstärkten Einsatz von medizinischen Weisungen als Begleitmaßnahme für die bedingte Entlassung zu begrüßen. Allerdings bleibt der Entwurf eine klare und einfach handhabbare Kostentragungsregelung schuldig. Es stellt sich die Frage, warum § 179 a StVG nicht im Sinne des § 41 SMG in der Fassung des Entwurfs einer Suchtmittelgesetznovelle 2007 umgestaltet wurde.

            Ganz generell wäre eine bessere und vor allem engmaschigere Betreuung der Strafgefangenen in den Justizanstalten und die Verwertbarkeit der dadurch gewonnenen Erkenntnisse für die Entscheidung über die bedingte Entlassung sinnvoller. Gerade im Zusammenhang mit der vorgeschlagenen Regelung der bedingten Entlassung aus der lebenslangen Freiheitsstrafe ist zu bemerken, dass hier in der überwiegenden Anzahl der Fälle mangels ausreichender (dem Erkenntnisverfahren nachfolgender) Exploration und therapeutischer Betreuung häufig jegliche Erkenntnisse zur Person des Strafgefangenen fehlen und nur aus Art und Schwere der Tat auf das Rückfallsrisiko geschlossen werden kann.

           

Zu Artikel I Z 7:

 

            Nach den Erläuterungen soll die vorgeschlagene Änderung des § 91 StGB ein Einschreiter der Sicherheitsbehörden erleichtern.

            Generell ist die - noch dazu befristete - Änderung des § 91 StGB als Anlassgesetzgebung („im Hinblick auf die Fußball-Europameisterschaft 2008“) im Bereich des Kernstrafrechtes abzulehnen. Das dazu in den Erläuterungen vorgebrachte Argument, wonach durch die vorgeschlagene Regelung Besucher von Sportgroßveranstaltungen geschützt werden, indem schon bei Beginn von Tätlichkeiten gegen gewaltbereite Fußballfans vorgegangen werden kann, überzeugt deshalb nicht, weil die Frage des raschen und effektiven Vorgehens, wohl nur ein sicherheitspolizeiliches Thema darstellt.

            Eine besondere Effektivität dieser Bestimmung kann auch nicht deswegen angenommen werden, weil in Hinkunft wegen dieses Deliktes die Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr verhängt werden kann. Der Haftgrund der Tatbegehungsgefahr kommt zwar nach § 173 Abs 2 Z 3 StPO (in der Fassung des Strafprozessreformgesetzes) in Betracht, als Haftgrund kann aber wohl im Regelfall nur § 173 Abs 2 Z 3 lit c StPO angenommen werden, der aber voraussetzt, dass der Beschuldigte wegen gegen dasselbe Rechtsgut gerichteter Straftaten bereits zwei Mal verurteilt worden ist. Da derartiges wohl selten der Fall sein wird bleibt offen, inwieweit durch die Änderung des § 91 StGB der möglichen Eskalation von Gewalthandlungen bei Sportgroßveranstaltungen für 2008 wirksamer begegnet werden könnte.

            In diesem Zusammenhang ist weiters darauf hinzuweisen, dass sich in Artikel VI (In-Kraft-Treten) ein Redaktionsfehler findet, gemeint ist wohl, dass Artikel I Z 7 mit 31.12.2008 außer Kraft treten soll.


Zu Artikel III Z 3 (§ 4 a StVG):      

 

            Diese Bestimmung begegnet in mehrfacher Hinsicht gravierenden Bedenken.

            Nach dem Entwurf hat es - wegen der günstigeren Folgen erkennbar nach Ablehnung der bedingten Entlassung - nach Verbüßung der Hälfte der Strafzeit zu einem vorläufigen Absehen vom Strafvollzug wegen Aufenthaltsverbotes zu kommen. Unter den in § 4 a Abs 1 genannten Voraussetzungen sind dementsprechend auch solche Verurteilte aus der Haft entlassen, bei denen die Begehung von strafbaren Handlungen mit schweren Folgen zu befürchten ist. Im schlimmsten Fall ist - im Übrigen ohne gerichtliche Entscheidung - auch bei einem zu 20 Jahren Freiheitsstrafe verurteilten Mörder dann nach der Hälfte der Strafzeit vom weiteren Vollzug der Strafe vorläufig abzusehen, wenn er nicht aufenthaltsverfestigt und mit einem Aufenthaltsverbot belegt ist.

            Mit dieser Regelung wird etwa auch in Kauf genommen, dass ein in höchstem Maße rückfallgefährdeter international tätiger Suchtgifthändler sein strafbares Verhalten in seinem Heimatland (möglicherweise jedoch weiterhin zum Nachteil österreichischer Staatsangehöriger) wieder aufnimmt.

            Ebenso müsste dann vom weiteren Vollzug der Strafe vorläufig abgesehen werden, wenn ganz konkret die Gefahr der Begehung einer strafbaren Handlung mit schweren Folgen zum Nachteil eines österreichischen Staatsangehörigen besteht, solange der Verurteilte nur die Voraussetzungen des § 4 a Abs 1 StVG erfüllt.

            Die österreichischen Gerichte haben bisher die spezialpräventiven Erwägungen im Zusammenhang mit der bedingten Entlassung dahingehend interpretiert, dass sie auch strafbare Handlungen im Ausland und zum Nachteil ausländischer Staatsangehöriger verhindern sollen.

            Aus all diesen Erwägungen ist der vorgeschlagene § 4 a StVG mit Vehemenz abzulehnen. Die Bestimmung stellt einen Akt der Endsolidarisierung gegenüber der Staatengemeinschaft dar, im schlimmsten Fall der Entlassung eines hochgradig gefährlichen Verurteilten kommen wohl auch Schadenersatzansprüche späterer Opfer gegen die Republik Österreich in Betracht.

            Sollte trotz dieser erheblichen rechtsstaatlichen Bedenken dennoch die Notwendigkeit bestehen, eine Entlastung des Strafvollzuges herbeizuführen, wird dringend vorgeschlagen, entweder eine Strafobergrenze einzuführen oder aber vom weiteren Vollzug der Strafe nur in bestimmten Deliktsbereichen vorläufig abzusehen.

            Schließlich wird bemerkt, dass sich im übermittelten Gesetzesentwurf in § 4 a Abs 2 StVG die Bestimmung findet, dass bei Wiedereinreise des Verurteilten die Reststrafe ohne weitere Bedingungen zu vollziehen ist.  Demgegenüber weist die Textgegenüberstellung weitere Erfordernisse für den Vollzug der Reststrafe auf, die darin bestehen, dass ein Vollzug des Strafrestes nur dann in Betracht kommt, wenn er zur Abwehr der vom Verurteilten ausgehenden Gefahr der Begehung strafbarer Handlungen „verhältnismäßig“ erscheint. Welche Fassung in Kraft treten soll, kann vom Begutachtungssenat nicht geklärt werden, zur vorgeschlagenen Fassung in der Textgegenüberstellung ist zu bemerken, dass Bedeutung und Reichweite der Einführung eines Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in Anbetracht des Vollzuges einer rechtskräftig verhängten Freiheitsstrafe mehr als erörterungsbedürftig erscheint.

           

Zu Artikel III Z 7 (§ 16 StVG):

 

            Die Einbindung fachkundiger Laienrichter in das gerichtliche Verfahren über die bedingte Entlassung wird abgelehnt. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Beteiligung eines fachkundigen Laienrichters (entsendet durch das Bundesministerium für Justiz) ein höheres Maß an Einzelfallgerechtigkeit erbringen soll, als ein Senat von drei erfahrenen Richtern, die ihre Entscheidung ohnedies auch auf die Stellungnahme der Dienste der Justizanstalten zu gründen haben. Die letztlich maßgebliche Entscheidung des Rechtsmittelgerichtes erfolgt im Übrigen ohne die Beiziehung eines fachkundigen Laienrichters.

           

Zu Artikel III Z 20 (§ 152 StVG):

 

            Sollte der Gesetzesentwurf ohne weitere Übergangsbestimmungen in Kraft treten, so wird durch § 152 Abs 1 der Bereich der amtswegigen Entscheidung über die bedingte Entlassung auf jene Verurteilte ausgedehnt, die innerhalb des nächsten Vierteljahres die Hälfte der zeitlichen Freiheitsstrafe verbüßt haben werden. Selbstverständlich ist auch über die bedingte Entlassung jener Verurteilter von Amts wegen zu entscheiden, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes die Hälfte der Freiheitsstrafe bereits verbüßt haben werden. Letztlich wird wohl auch davon auszugehen sein, dass wegen der geänderten Entlassungsvoraussetzungen auch in all jenen Fällen zu entscheiden sein wird, in denen bereits eine (negative) Entscheidung über die bedingte Entlassung nach § 46 Abs 1 oder Abs 2 StGB in der geltenden Fassung vorliegt, jedenfalls ist mit entsprechenden Anträgen all dieser Strafgefangener zu rechnen. Diese Tatsachen führen dazu, dass die Vollzugsgerichte und in weiterer Folge auch die Beschwerdegerichte nach dem Inkrafttreten des Gesetzes mit tausenden Entscheidungen über die bedingte Entlassung befasst sein werden, für die Bewältigung dieser Aufgabe soll nach dem Entwurf keine weitere personelle Vorsorge getroffen werden. Das übergangslose Inkrafttreten des Gesetzes führt darüber hinaus zu einer sofort einsetzenden Belastungswelle der Begutachtungs- und Evaluationsstelle für Gewalt- und Sexualstraftäter sowie der Bewährungshilfe.

            Ohne detaillierte Überlegungen zu den Modalitäten des in Krafttretens des Gesetzesentwurfs erscheint das Vorhaben nicht bewältigbar.

           

           

G r a z ,   am  15. Oktober 2007

Der Vorsitzende:

Dr.Wietrzyk

 


 

 

REPUBLIK ÖSTERREICH

Landesgericht Klagenfurt

 

Jv   28-2/07

Jv 3922-2/07

 

 

Der Begutachtungssenat (Senat gemäß § 36 GOG) des Landesgerichtes Klagenfurt gibt zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung 1975, das Strafvollzugsgesetz, das Bewährungshilfegesetz und das Jugendgerichtsgesetz 1988 geändert werden, nachstehende

Stellungnahme

ab:

 

              Zu Artikel I Z 1 (§ 46 StGB):

              Bedenken bestehen zunächst dagegen, dass generalpräventive Erwägungen künftig nur mehr bei der bedingten Entlassungen aus einer zeitlichen Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren, nicht aber bei kürzeren zeitlichen Freiheitsstrafen oder bei einer lebenslangen Freiheitsstrafe eine Rolle spielen sollen. Zur Sicherung der Akzeptanz des Instituts der bedingten Entlassung sollte - wenngleich nur in Ausnahmsfällen - die Schwere der Tat bei der Entscheidung, ob ein Verurteilter nach der Hälfte der Verbüßung der Strafe entlassen werden kann, ohne weitere Einschränkungen Berücksichtigung finden; Gleiches sollte für die bedingte Entlassung aus einer lebenslangen Freiheitsstrafe gelten.

              Die Kriterien für die Prognose, ob es wahrscheinlich ist, dass der Verurteilte im Fall seiner Entlassung strafbare Handlungen (bzw. solche mit schweren Folgen, siehe die vom Entwurf abweichende Textgegenüberstellung) begehen werde oder dies nicht der Fall ist (§ 46 Abs 1 und 6 StGB idF des Entwurfs) unterscheiden sich zum Teil erheblich von jenen der Bemessung der Strafe. Dieser Tatsache sollte durch eine Aufzählung der für den Wahrscheinlichkeitssschluss maßgebenden Faktoren, das sind vor allem die Person des Rechtsbrechers, sein Vorleben, seine Zukunftsaussichten und sein Vollzugsverhalten, Rechnung getragen werden. Auf diese Weise könnte jede positive Veränderung der persönlichen Verhältnisse, aber auch eine freiwillig begonnene Behandlung bei der Entlassungsentscheidung Berücksichtigung finden.

              In Frage zu stellen ist schließlich, ob eine generelle Verkürzung der Mindeshaftzeit von drei auf zwei Monaten sinnvoll ist, weil zur Erfüllung der Vollzugszwecke (§ 20 Abs 1 StVG) im Regelfall eine länger dauernde Einwirkung auf den Strafgefangenen notwendig sein wird.

             

              Zu Artikel I Z 2 (§ 48 StGB):

              Die in den Erläuterungen (Art I) und in der Textgegenüberstellung angesprochene Herabsetzung der Probezeit für den Normalfall von drei auf zwei Jahren findet im Gesetzesentwurf keinen Niederschlag. Für eine Neuregelung der Probezeiten, die im Regelfall mit jenen für die bedingte Nachsicht der Strafe übereinstimmen, besteht auch kein Anlass.

 

              Zu Artikel I Z 4 (§ 50 StGB):

              Die vorgeschlagene Entscheidung über die Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit des Weiterbestandes der Bewährungshilfe nach Ablauf eines Jahres (§ 50 Abs 3 StGB) bedeutet, weil eine Bewährungshilfe künftig in zahlreichen Fällen der bedingten Entlassung anzuordnen sein wird (§ 50 Abs 2 Z 1 bis 4 StGB), eine vermehrte Belastung der Gerichte.                  Der dadurch und durch die erweiteren Entscheidungspflichten (auf die im Folgenden hingewiesen werden wird) enstehenden Mehrbelastung der mit Vollzugssachen befassten Richter und Richterinnen muss durch die Schaffung personeller Ressourcen Rechnung getragen werden.

             

              Zu Artikel III Z 1 und 2 (§§ 3, 3a StVG) und zu Artikel IV Z 4 (§ 29b Bewährungshilfegesetz):

              Die Substitution von Ersatzfreiheitsstrafen durch gemeinnützige Leistungen hat sich bewährt, weil auf diese Weise kurze Strafvollzüge vermieden und die Bezahlung von Geldstrafen gefördert werden. Maßgebend für den Erfolg des bisherigen Modellversuchs ist die Tätigkeit des Vereins Neustart als Vermittler zwischen Verurteiltem und Gericht. Von diesem bewährten Prinzip weicht der Entwurf insofern ab, als ein unmittelbares In-Kontakt-treten des Vermittlers mit dem Gericht nicht mehr vorgesehen ist.

              Zur Vermeidung zu erwartender Schwierigkeiten, insbesondere des Verbesserungsverfahrens nach § 3a Abs 3 StVG (idF des Entwurfs), wird vorgeschlagen, dass - wie bisher (vgl die Punkte 4. und 7. des nach dem Erlass des Bundesministeriums für Justiz vom 9.8.2007, BMJ-L311.007/0006-II 1/2007, vorgeschlagenen Verfahrensablaufs) - Berichte des Vermittlers Grundlage des Aufschubs des Strafvollzugs bzw. seines Widerrufs sein sollen. Auf dieser Grundlage wäre auch ein flexiblere Handhabung des Strafaufschubs analog § 6 StVG möglich.

 

              Zu Artikel III Z 3 (§ 4a StVG):

              Das vorläufige Absehen vom Strafvollzug wegen eines bestehenden Aufenthaltsverbots soll nach der Hälfte der Strafzeit möglich sein, wenn sich der Verurteilte bereit erklärt, seiner Ausreiseverpflichtung unverzüglich nachzukommen. Im Gegensatz dazu haben inländische Verurteilte nur dann ein Anrecht auf bedingte Entlassung nach der Hälfte der  Freiheitsstrafe, wenn die weitere Verbüßung der Strafe nicht spezialpräventiv erforderlich ist; darüber hinaus  sind bis zum Vollzug von zwei Dritteln einer mehr als fünfjährigen Freiheitsstrafe auch generalpräventive Aspekte bei der Entlassungsentscheidung zu berücksichtigen (§ 46 Abs 1 und 2 StGB der Neufassung). Somit spielt bei Inländern sowie bei jenen Ausländern, über die kein Aufenthaltsverbot verhängt wurde, eine Rolle, ob die Vollzugszwecke (§ 20 Abs 1 StVG) in einem ausreichenden Maße erreicht wurden und ob nicht die Schwere ihrer Tat ausnahmsweise die Fortsetzung des Strafvollzugs verlangt.

              Zur Vermeidung einer darin gelegenen Begünstigung nicht integrierter Ausländer sowie eines Konfliktes mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz wird vorgeschlagen, ein vorläufiges Absehen vom Strafvollzug erst nach zwei Dritteln der Strafzeit, nach der Hälfte jedoch nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 46 Abs 1 und Abs 2 StGB, vorzusehen.

 

              Zu Artikel III Z 7 (§ 16 StVG):

              Das Ziel der Sicherung der Einzelfallgerechtigkeit bei bedingten Entlassungen wird durch die vorgeschlagene Laienbeteiligung bei der Entscheidung darüber nur unzulänglich erreicht.

              Abgesehen davon, dass die Teilnahme eines fachkundigen Laienrichters nur bei Entscheidungen vorgesehen ist, die bedingte Entlassungen aus von Schöffen- oder Geschworenengerichten verhängten Freiheitsstrafen betreffen, wird durch die (auch versierten Richtern und Richterinnen zukommenden) Berufserfahrungen des Laienrichters die Entscheidungsgrundlage nicht wesentlich verbreitert. Die Treffsicherheit von Entlassungsentscheidungen hängt vornehmlich davon ab, ob die Prognose des künftigen Verhaltens des Verurteilten durch eine gesicherte Sachverhaltsgrundlage fundiert ist. Dazu ist das Wissen um seine Persönlichkeit, um sein Verhalten während des Vollzugs, sein familiäres Bezugssystem, seine Berufsaussichten usw. erforderlich. Diese Informationen können weitaus besser durch die (derzeit nur in Einzelfällen vorhandenen) Stellungnahmen der Begutachtungs- und Evaluationsstelle für Gewalt- und Sexualstraftäter, durch Stellungnahmen der psychiatrischen und psychologischen Fachdienste der Justizanstalten sowie durch Berichte der im Strafvollzug tätigen Organe und der mit der Vorbereitung der Entlassung befassten Personen, die auch über die Rahmenbedingungen des zukünftigen Lebens des Verurteilten Auskunft geben sollten, erreicht werden.

              Aus diesem Gründen wird vorgeschlagen, Experten bereits während des Strafvollzugs und der Entlassungsvorbereitungen einzusetzen und auf eine Laienbeteiligung bei der Entscheidung zu verzichten.

 

              Zu Artikel III Z 8 (§§ 16a bis 16i StVG):

              Der Vorgang, dass fachkundige Laienrichter für das jeweilige Landesgericht vom Bundesministerium für Justiz zu entsenden sind (§ 16d StVG), schließt die Möglichkeit einer Einflussnahme auf die Rechtsprechung nicht aus und steht damit in einem Spannungsverhältnis zum Prinzip der Trennung der Gerichtsbarkeit von der Verwaltung.

              Dass die fachkundigen Laienrichter im Gegensatz zu den sonst im Strafverfahren tätigen Laien das Beratungs- und Abstimmungsprotokoll zu unterfertigen (§ 16b Abs 2 StVG) haben ist systemwidrig und kann als Ausdruck des Misstrauens gegenüber dem richterlichen Senatsvorsitzenden fehlverstanden werden.

             

              Zu Artikel III Z 20 (§ 152 StVG):

              Durch  eine Entscheidung (auch) von Amts wegen über die bedingte Entlassung nach der Hälfte der zeitlichen Freiheitsstrafe wird sich die Zahl der Gerichtsentscheidungen deutlich erhöhen, weil nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass in jedem Fall die bedingte Entlassung auszusprechen sein wird. Dadurch entsteht ein mit dem derzeitigen Personalstand nicht zu bewältigendeer Mehraufwand .

              In vielen Fällen wird eine frühe Entscheidung über eine bedingte Entlassung von Vorteil sein, um den Verurteilten durch die Vermittlung einer Unterkunft und einer Arbeitsstelle oder durch andere begleitende Maßnahmen auf ein Leben in Freiheit besser vorbereiten zu können. Probleme in der Praxis könnten sich daraus ergeben, dass die in Aussicht genommenen Rahmenbedingungen nicht geschaffen werden können und der Anreiz für den Verurteilten, sich im Vollzug zu bewähren und an den Voraussetzungen für seine bedingte Entlassung aktiv mitzuwirken, wegfällt. In diesen Ausnahmefällen sollte eine Revision der Entscheidung unabhängig von den Voraussetzungen des § 53 Abs 1 und Abs 2 StGB möglich sein; dafür könnte die Möglichkeit einer Wiederaufnahme des Verfahrens auch zum Nachteil des Antragstellers vorgesehen werden. 

             

              Zu Artikel II Z 21 (§ 152a StVG):

              Die obligatorische Anhörung des Strafgefangenen vor der Entscheidung über die bedingte Entlassung ist künftig nicht mehr auf den Fall der Entlassung nach zwei Dritteln der Freiheitsstrafe beschränkt. Durch die dadurch verstärkte Notwendigkeit der Durchführung von Verhandlungen wird sich eine weitere Mehrbelastung für die Gerichte ergeben.

 

              Im darüber hinausgehenden Umfang bestehen gegen die vorgeschlagenen Regelungen keine Bedenken.

 

Begutachtungssenat des

Landesgerichtes Klagenfurt

am 12. Oktober 2007