Amt der Steiermärkischen Landesregierung

 

 

 

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GZ:

FA1F-12.02-2/2000-35

Bezug:

BMJ-L318.026/0001-II 1/2007

Graz, am 18. Oktober 2007

 

Ggst.:

Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozessnovelle 1975, das Strafvollzugsgesetz, das Bewährungshilfegesetz und das Jugendgerichtsgesetz 1988 geändert werden;

Stellungnahme.

 


 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Zu dem mit do. Note vom 24. September 2007, obige Zahl, übermittelten Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozessnovelle 1975, das Strafvollzugsgesetz, das Bewährungshilfegesetz und das Jugendgerichtsgesetz 1988 geändert werden, wird folgende Stellungnahme abgegeben:

 

Allgemeines:

Der vorliegende Entwurf, mit dem das StGB, die StPO, das Bewährungshilfe- und Jugendgerichtsgesetz geändert werden sollen, beinhaltet aus der Sicht des Landes zwei Schwerpunkte, nämlich

1.    umfassende Änderungen (= breite Formulierung der Entlassungskriterien) im Bereich der bedingten Entlassung mit begleitenden Maßnahmen wie Bewährungshilfe und Weisungen, die auch für das JGG gelten und

2.    Eröffnung des Maßnahmenvollzuges nach § 21 StGB in Pflegeeinrichtungen für chronisch psychisch Kranke.

Aus den Erläuterungen im Vorblatt und im Allgemeinen Teil ergibt sich als Motiv für diese Änderungen, dass dadurch der Strafvollzug insgesamt entlastet und dessen Kosten reduziert werden sollen. In Zusammenhang mit den bedingten Entlassungen wird u.a. ausgeführt: „…es erscheine  nicht zuletzt angesichts des Budgetdrucks vertretbar und geboten, den relativ niedrigen Anteil der bedingten Entlassungen an allen Entlassungen zu hinterfragen;..weiters wäre die spezialpräventive Wirkungsmacht des stationären Vollzugs und die Möglichkeiten einer bedingten Entlassung gegeneinander abzuwägen. generalpräventive Versagungsgründe sollen nur mehr eingeschränkt herangezogen werden....“

In Zusammenhang mit dem beabsichtigten neuen Maßnahmenvollzug in Pflegeeinrichtungen nach § 21 StGB wird dies u.a. damit begründet, „ ..dass die Schaffung dieser neuen Rechtsgrundlage einerseits deshalb erfolge, weil im sozial-rehabilitativen Bereich weder die Sonderanstalt noch die öffentlichen Krankenanstalten eine geeignete Versorgung bieten, andererseits eine Unterbringung in solchen Pflegeeinrichtungen kostengünstiger wäre…“.

 

Zu den Kosten und zu den einzelnen Bestimmungen:

Zu den finanziellen Auswirkungen wird insgesamt angeführt, „..dass die Maßnahmen des vorliegenden Entwurfes in einer Gesamtbetrachtung jedenfalls zu einer Aufwandsersparnis führen soll, ebenso die Unterbringung in Pflegeeinrichtungen..“

Eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob durch diesen Gesetzesvorschlag andere Gebietskörperschaften finanziell belastet werden, fehlt zu Gänze.

Damit genügt der Gesetzesentwurf nicht den Kriterien des Art. 1 Abs. 3 der Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden über einen Konsultationsmechanismus bzw. der Richtlinien für die Ermittlung und Darstellung der finanziellen Auswirkungen neuer rechtssetzender Maßnahmen gemäß § 14 Abs. 5 des Bundeshaushaltsgesetzes. Die Steiermark geht daher davon aus, dass im Sinne des Art. 4 Abs. 2 der Vereinbarung „keine Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb der genannten Frist“ gegeben und daher der Fristenlauf im Sinne der Vereinbarung nicht ausgelöst wurde.

 

Zu Art I Änderungen StGB in Verbindung mit Art V Änderungen JGG

ad Zif. 1 (§ 46): bedingte Entlassungen aus eine Freiheitsstrafe:

Der vorliegende Entwurf sieht erstmals die Möglichkeit der bedingten Entlassung aus einem nicht bedingt nachgesehenen Teil der Freiheitsstrafe vor und akzentuiert stärker die Anordnung von Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB. Nach den Erläuterungen sollen somit hinkünftig mehr Verurteilte bedingt entlassen werden; der Zurückdrängung der Haftverbüßung soll durch Maßnahmenanordnungen (Anordnung von Bewährungshilfe § 52 und Weisungen § 50) ein entsprechendes Gegengewicht in Form von Betreuung und Kontrolle nach der Entlassung gegeben werden. § 46 gilt sinngemäß auch für das Jugendgerichtsbarkeit.

Es ist somit zu rechnen, dass durch die Entlastung (Einsparungen) des Strafvollzuges die mit den Maßnahmen entstehenden Kosten steigen werden. Der Bund rechnet selbst mit Mehrkosten im Bereich der Bewährungshilfe und im Bereich von anfallenden Therapien (§ 179a StVG); Mehrkosten, die sich auf Seiten der Länder ergeben könnten, werden mit keinem Wort erwähnt. Zumindest im Bereich der Jugendgerichtsbarkeit muss aber davon ausgegangen werden, dass durch die angestrebte Erhöhung der bedingten Entlassungen Kosten für die Jugendwohlfahrt entstehen werden, da sicherlich im Wege der Anordnung von Weisungen die Inanspruchnahme von jugendwohlfahrtsrechtlichen Maßnahmen zunehmen werden.

 

Zu Art III Änderungen StVG

ad Zif. 22 bis 24 (§§ 158, 162, 176a): Anstalten für geistig abnorme Rechtsbrecher - Vollzug in Pflegeeinrichtungen:

Mit dem vorliegenden Entwurf soll - in Gleichschaltung mit der Anhaltung von geistig abnormen Rechtsbrechern in öffentlichen Krankenanstalten (Psychiatrien)- nunmehr auch der Vollzug in Pflegeeinrichtungen eröffnet werden. Unklar bleibt, ob landeseigene Pflegeeinrichtungen gemeint sind oder private oder beide. Während für private gilt, dass diese nur dann für den Vollzug herangezogen werden können, wenn sie dazu bereit sind und eine Vereinbarung abschließen, findet sich eine derartige Regelung für öffentliche Pflegeeinrichtungen nicht. Nach § 167a –neu sollen in Erweiterung der Unterbringung nach § 21 Abs. 1 StGB in Pflegeeinrichtungen für chronisch psychisch Kranke diese jedenfalls verpflichtet werden, von den Gerichten eingewiesene Personen aufzunehmen und anzuhalten. Aus den Erläuterungen ergibt sich, dass bis zu 50% der derzeit nach § 21 Abs.1 StGB Untergebrachten eine Unterbringung im sozial-rehabilitativen Bereich, also in diesen Pflegeeinrichtungen bräuchten.

Wenn diesbezüglich keine Gespräche mit den Ländern geführt worden sind, müssten man sich deutlich gegen derartig gravierende Eingriffe in die Länderautonomie (Pflegeeinrichtungen für Jugendliche, Behinderte, psychiatrische Fälle, Altenheime) aussprechen. Diese Einrichtungen würden dann nicht zuletzt auch dem Strafvollzugs- und Unterbringungsgesetzregime unterliegen. Die damit verbundenen finanziellen Auswirkungen sind wiederum mit keinem Wort erwähnt, lediglich auf Seiten des Bundes erwartet man sich eine Einsparung im Vergleich zu den sehr teuren Unterbringungskosten in Psychiatrien.

 

Dem Präsidium des Nationalrates werden 25 Abdrucke dieser Stellungnahme zugeleitet. Eine weitere Ausfertigung ergeht an die E-Mail Adresse begutachtungsverfahren@parlament.gv.at.

 

 

 

 

 

Für die Steiermärkische Landesregierung

Der Landesamtsdirektor

 

 

(Dr. Gerhard Ofner)