Generalprokuratur

beim Obersten Gerichtshof


Schmerlingplatz 10-11

A-1016 Wien

 

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Telefon 

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E-Mail

generalprokuratur@justiz.gv.at

 

Sachbearbeiter GAin Dr. Aicher

 

Klappe              (DW)

GZ:  Jv 620 -1/07

 

An das

Bundesministerium für Justiz

in Wien

 

 

 

 

 

 

 

 

zur GZ BMJ-L318.026/0001-II 1/2007

 

Betrifft:     Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das

                Strafgesetzbuch, die Strafprozessnovelle 1975,

das Strafvollzugesgesetz, das Bewährungshilfe-

gesetz und das Jugendgerichtsgesetz 1988

geändert werden

 

 

        Die Generalprokuratur beehrt sich, zum oben genannten Gesetzesentwurf folgende

 

S t e l l u n g n a h m e

 

zu erstatten, die in 25-facher Ausfertigung auch dem Präsidium des Nationalrates zugemittelt wird:

 

Der vorliegende Gesetzesentwurf wird seitens der Generalprokuratur – sofern im Nachfolgenden keine besonderen Einwände erhoben werden – befürwortet.

 

Zu Artikel I (Änderung des StGB):

Z 1: Gegen die Möglichkeit einer bedingten Entlassung aus einem nicht bedingt nachgesehenen Teil einer Freiheitsstrafe (§  43a StGB) bestehen seitens der Generalprokuratur Vorbehalte.

Als wieder aktuell wird der Hinweis anlässlich der Aufnahme der Bestimmung des § 43a StGB und der damit einhergehenden Änderung des § 46 StGB durch das StRÄG 1987 erachtet, dass  eine bedingte Entlassung aus einem nach § 43a Abs 3 und 4 StGB nicht bedingt nachgesehenen Teil einer Strafe nicht in Betracht kommen soll, „weil nach Ansicht des Justizausschusses eine Koppelung dieser Einrichtungen den Grundgedanken der teilbedingten Freiheitsstrafe, als Bindeglied zwischen (gänzlich) bedingter und unbedingter Freiheitsstrafe zu sehen, beeinträchtigen würde und überdies mit verfahrenstechnischen Komplikationen verbunden wäre“ (JAB 359 Blg XVII. GP 12).

Schon aufgrund der gesetzlichen Vorgaben des Ausmaßes des unbedingten Teiles, sohin einer zumeist kurzen unbedingten Freiheitsstrafe, die häufig mit der Untersuchungshaft verbüßt ist, darf die letztgenannte „Komplikation“ nicht unterschätzt werden: § 265 StPO normiert, dass der Angeklagte bei Vorliegen der Voraussetzungen der bedingten Entlassung – durch Vorhaftanrechnung – zum Zeitpunkt der Urteilsfällung zu enthaften ist. Sind diese Voraussetzungen zu diesem Zeitpunkt noch nicht gegeben, gehört es nach der Judikatur zur Pflicht des erkennenden Gerichtes während des anhängigen Rechtsmittelverfahrens den angehaltenen Angeklagten bei Eintritt der materiellen Voraussetzungen nach der Urteilsfällung erster Instanz in analoger Anwendung des § 265 StPO bedingt zu entlassen (11 Os 24/02 = SSt 64/12; 14 Os 141/05z = EvBl 2006/39 S 209). Dies hätte unabhängig vom Ausgang des Rechtsmittelverfahrens – selbst bei Anfechtung durch den Staatsanwalt – nicht nur die regelmäßige Enthaftung zur Folge, sondern würde den Überwachungsaufwand des Tatgerichtes nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens um ein Vielfaches vergrößern. 

Das Verbot der bedingten Entlassung aus dem unbedingten Teil einer im Übrigen bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe sollte demnach durch erneute Aufnahme (nunmehr) in Abs 5 des § 46 StGB beibehalten werden.

 

Zu Artikel III (Änderung des Strafvollzugsgesetzes):

Soweit die Entscheidung der bedingten Entlassung Senaten, die aus zwei Berufsrichtern und einem fachkundigen Laienrichter (§§ 16 ff StVG) zusammengesetzt sein sollen, übertragen wird, wird zu bedenken gegeben, dass die Überprüfung der gesetzlichen Voraussetzungen hiezu eine genuin richterliche Tätigkeit ist, die eine Laienbeteiligung nicht erfordert. Eine Informationsverbreiterung bei der Entscheidungsfindung im Prognosebereich kann aber hilfreich sein. Da die richterliche Majorität gesichert ist, können die grundsätzlichen Einwände zurücktreten.

 

 

Wien, am 19. Oktober 2007
Der Leiter der Generalprokuratur:

i.V.

Dr. Herbert Raunig eh.

 

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