Präs. 1627-5/07

 

Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs

zum Entwurf eines Bundesgesetzes,

mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozessnovelle 1975,

das Strafvollzugsgesetz, das Bewährungshilfegesetz

und das Jugendgerichtsgesetz 1988 geändert werden

 

 

 

Zu § 46 Abs 2 und Abs 6 StGB:

Die Zurückdrängung der Generalprävention nach Abs 2 (s auch Abs 6) auf Ausnahmefälle erscheint im Sinne der Zielsetzung zweckmäßig, ebenso die Zurücknahme des Erfordernisses der Spezialprävention nach 15 Jahren Vollzug auf die Hintanhaltung von strafbaren Handlungen mit schweren Folgen, wie dies allerdings sinnvollerweise bei den Voraussetzungen für den Widerruf nach § 53 Abs 2 StGB nicht beibehalten wird, indem hier auf die Notwendigkeit zur Abhaltung von strafbaren Handlungen schlechthin abgestellt wird.       

Zu §§ 50 bis 52 StGB:

Die obligatorische Anwendung der Bewährungshilfe in den - wie in der Praxis zu erwarten sein dürfte - zahlreichen Fällen des § 50 Abs 2 StGB erscheint zur Aufrechterhaltung des Sicherheitsstandards unumgänglich.

 

Zu § 91 Abs 2a StGB:

Als zweckmäßig, weil zu rascher und wirksamer sicherheitsbehördlicher und gerichtlicher Reaktion befähigend, dürfte sich die ohnehin zeitlich begrenzt und auf den Sicherheitsbereich bei einer Sportgroßveranstaltung (§ 36b SPG) beschränkte Einführung dieses Tatbestands angesichts der bevorstehenden Fußballeuropameisterschaft erweisen.

 

Zu §§ 3, 3a StVG:

Die Möglichkeit, eine Ersatzfreiheitsstrafe durch gemeinnützige Leistungen zu ersetzen, entspricht einem dringenden Bedarf, nicht zuletzt aus der Überlegung heraus, dass dadurch beim Verurteilten ein „Nachdenkprozess“ initiiert werden könnte, ohne dass die nachteiligen Wirkungen des kurzen Freiheitsentzugs (Stigmatisierung, Kontakte mit Kriminellen) zum Tragen kommen.

 

 

Zu §§ 16 ff StVG:

Die Beteiligung von Laienrichtern erscheint im Sinne der Anliegen zielführend. Zur ausreichenden Gewährleistung des Rechts auf den gesetzlichen Richter erscheint allerdings eine Regelung notwendig, die eine feste Geschäftsverteilung (eventuell Verwendung nach der Reihenfolge auf der Liste) vorsieht und die willkürliche Ladung von Laienrichtern durch den Vorsitzenden (vgl § 16a Abs 2 StVG) ausschließt (zu den von der Rechtsprechung verlangten Standards siehe zuletzt 15 Os 48/06g, EvBl 2007/56, 293).

 

Zu § 265 Abs 1 StPO:

Der Oberste Gerichtshof hat zu 14 Os 141/05z, EvBl 2006/39, 209, ausgesprochen, dass es zu den Pflichten des erkennenden Gerichts gehört, den Angeklagten bei Eintritt der materiellen Voraussetzungen auch nach Urteilsfällung erster Instanz bis zur Rechtskraft bedingt zu entlassen und dazu § 265 StPO analog herangezogen. Wenn der Gesetzgeber in den Bestand dieser Norm eingreift, ohne darauf Rücksicht zu nehmen, erscheint künftig die Bejahung der angenommenen planwidrigen Lücke fragwürdig.

 

 

 

Wien, am 22. Oktober 2007

Hon.-Prof. Dr. Griss