GZ.: BMI-LR1425/0024-III/1/2007

 

 

Wien, am 23. Oktober 2007

 

An das

 

Präsidium des

Nationalrates

 

Parlament

1017    W I E N

 

 

 

 

 

Rita Ranftl
BMI - III/1 (Abteilung III/1)
Herrengasse 7, 1014 Wien
Tel.: +43 (01) 531262046
Pers. E-Mail: Rita.Ranftl@bmi.gv.at

Org.-E-Mail: BMI-III-1@bmi.gv.at
WWW.BMI.GV.AT
DVR: 0000051

Antwortschreiben bitte unter Anführung der GZ an die Org.-E-Mail-Adresse.

 

 

                       

Betreff:

Legistik und Recht; Fremdlegistik; BG-BMJ

Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozessnovelle 1975, das Strafvollzugsgesetz, das Bewährungshilfegesetz und das Jugendgerichtsgesetz 1988 geändert werden;

(Haftentlastungspake

Stellungnahme des Bundesministeriums für Inneres

 

 

 

In der Anlage wird zu dem im Betreff bezeichneten Entwurf die Stellungnahme des Bundesministeriums für Inneres übermittelt.

 

 

 

 

 

Beilage

 

 

Für den Bundesminister:

 

Mag. Peter Webinger

 

 

elektronisch gefertigt


 

GZ.: BMI-LR1425/0024-III/1/2007

 

 

Wien, am 23. Oktober 2007

 

An das

 

1. Bundesministerium für Justiz

 

    Zu Zl. BMJ-L318.026/0001-II 1/2007

 

2. Bundesministerium für Gesundheit,

    Familie und Jugend

 

 

 

 

 

 

Rita Ranftl
BMI - III/1 (Abteilung III/1)
Herrengasse 7, 1014 Wien
Tel.: +43 (01) 531262046
Pers. E-Mail: Rita.Ranftl@bmi.gv.at

Org.-E-Mail: BMI-III-1@bmi.gv.at
WWW.BMI.GV.AT
DVR: 0000051

Antwortschreiben bitte unter Anführung der GZ an die Org.-E-Mail-Adresse.

 

 

                       

Betreff:

Legistik und Recht; Fremdlegistik; BG-BMJ

Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozessnovelle 1975, das Strafvollzugsgesetz, das Bewährungshilfegesetz und das Jugendgerichtsgesetz 1988 geändert werden;

(Haftentlastungspake

Stellungnahme des Bundesministeriums für Inneres

 

Aus der Sicht des Bundesministeriums für Inneres ergeben sich zu dem im Betreff bezeichneten Entwurf folgende Bemerkungen:

 

Zu Art I  (Änderungen des Strafgesetzbuches)

 

Vorweg wird festgehalten, dass der Entwurf zur Änderung des Strafgesetzbuches nach Ansicht des BM.I bisherigen generalpräventiven Überlegungen zuwenig Bedeutung beimisst, respektive der Gedanke der Abschreckung, als jenen Teil der Strafe, der auch aus Gründen der  Generalprävention verhängt werden soll, stark zurückgedrängt wird. Damit wird nach Meinung des Bundesministeriums für Inneres ein nicht gewolltes Zeichen gesetzt. Potentielle Rechtsbrecher wägen durchaus den „Ertrag“ ihrer Tat mit der zu erwartenden Strafe im Falle einer Ergreifung ab.

 

Zu Z 1 (§ 46 Abs. 1):

Aus Gründen der Generalprävention sollte darauf abgestellt werden, dass ein Verurteilter zumindest drei Monate der Strafe verbüßt hat.


 

Abs. 2:

Aus Gründen der Generalprävention sollte darauf abgestellt werden, dass ein Verurteilter zumindest zwei Drittel der Strafe verbüßt hat.

 

Abs. 6:

Ein zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilter sollte nach mindestens fünfzehn Jahren Haft nur dann bedingt entlassen werden können, wenn neben spezialpräventiven auch keine generalpräventiven Überlegungen dagegen sprechen. Daher sollte an der Wortfolge „und es trotz der Schwere der Tat nicht der weiteren Vollstreckung bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken“ festgehalten werden.

 

Zu Z 7 (§ 91)

Diese Regelung wird ausdrücklich begrüßt und stellt eine Erleichterung für das polizeiliche Einschreiten vor allem im Zusammenhang mit Fußball-Großveranstaltungen dar.

 

 

Zu Art III (Änderung des Strafvollzugsgesetzes)

 

Zu Z 3 (§ 4a StVG)

 

Allgemeines:

Der Entwurf sieht im Wesentlichen vor, dass Fremde, über die ein vollstreckbares Aufenthaltsverbot erlassen wurde und die sich zur unverzüglichen Ausreise bereit erklären, nach Verbüßung der Hälfte der Haftzeit vorzeitig entlassen werden können.

Einem derartigen Modell steht das BM.I in Anbetracht der zu erwartenden Konsequenzen auf den jeweiligen Betroffenen und der damit verbundenen Signalwirkung äußerst kritisch gegenüber. Die vorgeschlagene Bestimmung wird vor allem aus spezial- und generalpräventiven Gründen kritisch gesehen, da anzunehmen ist, dass die Aussicht auf eine nur zur Hälfte vollzogene Freiheitsstrafe als Anreiz zur Begehung von Straftaten in Österreich durch Fremde dienen würde. Österreich würde somit attraktives Zielland für ausländische Straftäter.

Sollte diese Möglichkeit des vorläufigen Absehens vom Strafvollzug tatsächlich weiterverfolgt werden, dann wird vorgeschlagen zumindest bei bestimmten (schweren)  Delikten diese Möglichkeiten der vorzeitigen Haftentlassung auszuschließen.

Weiters wird bezweifelt, ob der damit verbundene Vollzug der Reststrafe bei Verstoß gegen das Aufenthaltsverbot im erforderlichen Maße abschreckend wirkt.

Vor dem Hintergrund der vorgeschlagenen Regelung erscheint es konsistent, dass das Aufenthaltsverbot bereits verhängt worden sein muss und dessen Vollstreckung auch keine sonstigen rechtlichen oder tatsächlichen Hindernisse entgegenstehen dürfen (keine Refoulementgründe, Vorhandensein von Ausreisepapieren), sowie die diesbezüglich vorgesehene Stellungnahme der Fremdenpolizeibehörde (Abs 4).

 

Zu Abs 1:

Die vorgeschlagenen Bestimmungen sind aus mehreren Gründen problematisch und lassen viele Fragen offen.

Jedenfalls ab dem Zeitpunkt der Entlassung aus der Haft befindet sich der Fremde illegal im Bundesgebiet und fällt somit grundsätzlich in den Verantwortungsbereich der Fremdenpolizeibehörden. Die diesbezügliche weitere Handhabung ist allerdings unklar:

*  Innerhalb welcher Frist und in welcher Weise hat der Fremde auszureisen?

*  In welcher Form wäre die Ausreise zu überwachen bzw. die tatsächliche Ausreise des Fremden gesichert?

 

Es ist vor allem auch nicht erkennbar, worin der Mehrwert einer (bloßen) Willenserklärung des Fremden, seiner Ausreiseverpflichtung unverzüglich nachzukommen, bestehen soll.

Vielmehr wird in diesem Zusammenhang das hier offenbar vorgeschlagene Prinzip der „freiwilligen Ausreise“ aus fremdenrechtlicher Sicht und Erfahrungswerten sehr kritisch gesehen.

Bislang konnte ein effizienter Vollzug der Ausreiseverpflichtung eines aus der Strafhaft entlassenen Fremden nur durch die unmittelbar anschließende Verhängung der Schubhaft sichergestellt werden.

Die Verhängung der Schubhaft würde in den vorgeschlagenen Fällen aber im offenen Widerspruch zur Absicht der erklärten freiwilligen Ausreise des Fremden stehen. Die Verhängung der Schubhaft wäre rechtlich mangels Sicherung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme auch gar nicht möglich und müsste im Falle der Verhängung im Rahmen einer Schubhaftbeschwerde an den UVS für rechtswidrig erklärt werden.

 

Der vorliegende Entwurf lässt offen, wie ein allfälliges Untertauchen des Fremden nach der Haftentlassung jedenfalls verhindert werden soll. Unabdingbär wäre hier jedenfalls die – durchsetzbare – Auflage einer Ausreise, die im unmittelbaren zeitlichen Naheverhältnis zur Entlassung steht. Dafür müssten – als Bedingung für eine vorzeitige Entlassung – aber bereits während der Strafhaft sämtliche Vorraussetzungen für eine sofortige Ausreise vorliegen und wäre anschließend eine Begleitung (Eskortierung) des Fremden (zB durch die Justizwache) direkt aus der Strafhaft zum Ort des Grenzübertritts angebracht.

 

Weiters ergeben sich im Hinblick auf die Gleichbehandlung von Fremden untereinander grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Begutachtungsentwurf. Vom Strafvollzug kann demnach nur abgesehen werden, wenn über den Fremden wegen der begangenen Straftat ein Aufenthaltsverbot verhängt wurde. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes kann jedoch aus verschiedensten Gründen unzulässig sein, was zu einer Ungleichbehandlung der davon umfassten Fremden (insbesondere „aufenthaltsverfestigte“ Fremde gem. § 61 Z 4) führen kann. Hier käme man einem illegal oder noch nicht lange in Österreich aufhältigen Fremden insofern entgegen, als dieser nur durch die Auflage der freiwilligen Ausreise in seinen Heimatstaat die Strafdauer um die Hälfte verkürzen könnte, während ein bereits länger in Österreich lebender Fremder von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machen könnte, selbst wenn er wollte.

 

Ein ähnliches Spannungsverhältnis herrscht im Verhältnis zu EWR-Bürgern, gegen welche die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur in sehr eingeschränktem Ausmaß zulässig ist (vgl. § 86 FPG) und die darüber hinaus vom Anwendungsbereich des EU-JZG umfasst sind.

 

Schließlich stellt sich die Frage, ob nicht Häftlinge mit österreichischer Staatsbürgerschaft gegenüber diesen Fremden schlechter gestellt wären, da ihnen diese Möglichkeit der vorzeitigen Haftentlassung durch freiwillige Ausreise naturgemäß nicht offen steht. In diesem Sinne steht eine Verletzung des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes im Raum.

Der in den erläuternden Bemerkungen zu Abs. 1 angeführte Beschluss des deutschen BVerfG kann diese Bedenken mangels vergleichbarer Ausgangslage aufgrund der vorhandenen systematischen Unterschiede zwischen der deutschen und österreichischen Rechtslage nicht entkräften.

 

Zu Abs. 2:

Wie oben zu Abs. 1 bereits ausgeführt, stellt sich in der Praxis die Frage, innerhalb welchen Zeitraums der Fremde auszureisen hat.

Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass der vorgeschlagene Gesetzestext nicht mit der Textgegenüberstellung übereinstimmt.

 

Zu Abs. 3:

Grundsätzlich positiv bewertet wird der Vorrang des EU-JZG und zwischenstaatlicher Vereinbarungen. Allerdings kann sich auch auf Grund dessen eine mögliche Ungleichbehandlung der von diesen Bestimmungen betroffenen Fremden ergeben (siehe auch oben zu Abs. 1).

 

Zu Abs. 4:

Als Bedingung für die Entlassung müssten sämtliche Ausreiseformalitäten – inklusive Flugbuchungen o.ä. – erledigt sein. Das vorgeschlagene Stellungnahmeersuchen der Fremdenpolizeibehörde ist in dieser Hinsicht zu unbestimmt.

Unklar ist weiters, welche Behörde für die für die Heimreise notwendigen Verfügungen und das Treffen aller weiteren notwendigen Vorkehrungen verantwortlich ist. In diesem Zusammenhang wäre ein reibungsloses Zusammenwirken der Justiz- und Fremdenpolizeibehörden erforderlich, wobei die entsprechende Vorgangsweise im Einvernehmen mit dem BM.I festzulegen wäre.

 

Weiters unklar bleibt die Frage der Tragung der für die Ausreise anfallenden Kosten.

 

Zu Z 12 (§ 99 Abs. 5)

Den Erläuterungen zu Folge sollen die Aufgaben der Zentralen Dokumentations- und Koordinationsstelle für Sexualstraftäter (künftig: Begutachtungs- und Evaluationsstelle für Gewalt- und Sexualstraftäter - "BEST") insofern ausgeweitet werden, als die Expertise dieser Stelle auch für die Beurteilung der Voraussetzungen zur Gewährung einer Unterbrechung, eines Ausgangs oder von Vollzugslockerungen genützt werden soll.

 

Aus Sicht des BM.I ist es für eine solche Risikoanalyse unabdingbar, dass für die von der BEST zu erstellende Äußerung alle relevanten Informationen in die Prüfung einbezogen werden, vor allem auch die durch Ermittlungen gewonnenen Daten, die auf das Verhalten des Täters und seine Gefährlichkeit schließen lassen (wie Tötungsart, Opferaufnahme, Ablageort, geplantes Vorgehen usw.). Andererseits sind die Ergebnisse der Äußerungen der Begutachtungs- und Evaluationsstelle für Gewalt- und Sexualstraftäter im Zuge einer Beurteilung einer beantragten Haftunterbrechung für das BM.I  im Hinblick auf die Führung des VICLAS "Violent Crime Linkage Analysis System" von großem Interesse.

 

Es wird daher angeregt, im Zuge des vorgesehenen Prüfungsverfahrens vor Vollzugserleichterungen eine entsprechende Einbindung aller betroffenen Stellen vorzusehen, um so den notwendigen Informationsaustausch sicherzustellen.

 

Ein weitergehender Regelungsbedarf (insbesondere im Hinblick auf die wechselseitigen Informationspflichten) in diesem Bereich ist mit der Einrichtung der im Regierungsprogramm vorgesehenen österreichweiten Sexualstraftäter-Datei zu erwarten an der bereits intensiv auf Expertenebene gearbeitet wird. Es wäre absolut wünschenswert, wenn in dieser Sexualstraftäterdatei auch eine Gefährdungseinschätzung von allen Sexualstraftätern gespeichert würde. Weitere konkrete Vorschläge in diese Richtung können allerdings erst nach Fixierung der Rahmenbedingungen vorgelegt werden.

 

Aus redaktioneller Sicht ist darauf hinzuweisen, dass in den Erläuterungen zu Art. III Z 1 (§ 3 StVG) auf einen nicht existenten § 409 Abs. 4 StPO und im letzten Absatz der Erläuterungen zu Art. III Z 7 (§ 16 StVG) auf einen § 16 Abs. d verwiesen wird. In den erläuternden Bemerkungen zu Art III Z 3 wäre zu Abs 1 im vierten Absatz die Abkürzung „FGP“ durch „FPG“ zu ersetzen.

 

Gleichzeitig wird die Stellungnahme dem Präsidium des Nationalrates in elektronischer Form übermittelt.

 

 

Für den Bundesminister:

 

Mag. Peter Webinger

 

 

elektronisch gefertigt