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Sachbearbeiter:

 

Nebenstelle: 5001 (DW)

 

 

 

 

 

GZ: Jv 2039-2/07 - 2

 

An den

Präsidenten des Oberlandesgerichtes

Graz

 

 

zu BMJ-L318.026/0001-II 1/2007

 

 

Betrifft:        Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das             Strafgesetzbuch, die Strafprozessnovelle 1975, das                                                                   Strafvollzugsgesetz, das Bewährungshilfegesetz und das            Jugendgerichtsgesetz 1988 geändert werden

 

                   Das Landesgericht für Strafsachen Graz erstattet zum Entwurf eines Bundesgesetzes mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung 1975, das Strafvollzugsgesetz, das Bewährungshilfegesetz und das Jugendgerichtsgesetz 1988 geändert werden sollen, nachstehende

Stellungnahme:

                   Das Landesgericht für Strafsachen Graz steht einer Erweiterung der Anwendung der bedingten Entlassung zur Entlastung der Haftsituation in Österreich positiv gegenüber.

                   Die bedingte Entlassung soll die richterliche Strafentscheidung dann mildern, wenn beim Verurteilten bereits zu einem früheren Zeitpunkt die spezialpräventive Wirkung der Freiheitsstrafe eingetreten ist; zusätzlich soll die bedingte Entlassung ein positives Disziplinierungsinstrument im Strafvollzug bilden.

                   Geht die Regelung jedoch auf eine reine automatische Hälfteentlassung hinaus, wird die urteilsmäßige Strafbemessung (mit detaillierter Strafzumessung und Rechtsmittelzug) zur Farce und der Anstaltsleitung wird jenes wichtige Instrument für die Aufrechterhaltung der Ordnung und Disziplin im Strafvollzug genommen.

                   Der vorliegende Entwurf würde eine weitgehende automatisierte Entlassung nach der Hälfte der urteilsmäßig festgestellten Strafzeit bedeuten. Dies ist auf Grund der angeführten Argumente abzulehnen. Auch das Bemühen der Richter in ihrem Urteil mit großem Prozessaufwand eine täter- und schuldgerechte Strafe festzustellen würde damit sinnlos.

                   Außerdem ist der durch die geplante Änderung entstehende Arbeitsaufwand bei den Gerichten nicht zu verkraften.

                   Im Einzelnen ist zu den Bestimmungen anzumerken:

Ÿ  Der Entwurf sieht eine obligatorische Hälfteentlassung vor, wenn nicht durch die weitere Verbüßung der Täter von der Begehung strafbarer Handlungen mit schweren Folgen eher abgehalten werden kann.

Diese Regelung würde bedeuten, dass bei dutzend Mal vorbestraften Einbrechern eine Hälfteentlassung vorgenommen werden müsse, da diese Taten nach der bisherigen Judikatur zum Begriff „mit schweren Folgen“ eine solche Entlassung nicht ausschließen würde.

Die Regelung müsste daher jedenfalls entschärft werden; entweder

-         durch die Änderung der Einschränkung auf „mit nicht bloß leichten Folgen“,

-         oder der Einschränkung auf den Erstvollzug,

-         oder den Ausschluss der Rückfallstäter.

Ÿ  Zu § 4a StVG:

Damit würden auch gefährliche Rückfallstäter nach der Hälfte in die Freiheit entlassen.

Dies ist rechtsstaatlich nicht verantwortbar. Sowohl die internationale Staatengemeinschaft kann nicht dadurch gefährdet werden, dass ein Staat schwer Kriminelle vorzeitig nur zum Zwecke der Räumung seiner Gefängnisse entlässt. Bei den Reisemöglichkeiten und der Durchgängigkeit der Grenzen, ist auch eine Rückkehr eines solchen Täters nach Österreich jederzeit wieder möglich und bringt damit auch die Gefährdung der Einwohner Österreichs mit sich.

Hingewiesen wird darauf, dass im Gesetzesentwurf § 4a Abs 2 eine unbedingte Widerrufsmöglichkeit vorsieht,  während in der Synopsis weitere einschränkende Bedingungen enthalten sind.

Diese einschränkenden Bedingungen - deren Feststellungen auch kaum möglich sein werden - sind jedenfalls abzulehnen.

Ÿ  Fachkundige Laienrichter:

Schon bisher bestand die Möglichkeit, dass durch die Stellungnahme der Sozialen Dienste einer Strafvollzugsanstalt die Entscheidung über eine bedingte Entlassung fachkundig abgesichert worden ist.

Welche Verbesserungen durch die Aufnahme eines solchen Laienrichters, der einer anderen Strafvollzugsanstalt angehören muss, erwartet werden kann, ist nicht einsichtig. Andererseits würden deren Arbeitskapazitäten bei der Betreuung der Strafgefangenen in der Anstalt und in der Verfassung aussagekräftiger Stellungnahmen zu den Entlassungsvoraussetzungen fehlen.

Die gesamte Organisation (Listenführung, Geschäftsverteilung, Ladung, Verhinderungsfälle) des Laienrichterwesens würde eine wesentliche Vermehrung des Arbeitsaufwandes der Sitzungen der Vollzugsgerichte und bei der Justizverwaltung ergeben.

Schließlich ist die Bestimmung, dass die Laienrichter jedenfalls das Protokoll (welches vielleicht im Wege eines Tonbandprotokolls erstellt worden ist und erst übertragen werden muss) unterschreiben müssen, stellt ein schwerer Misstrauensvorwurf gegenüber den richterlichen Vollzugsgerichtsmitgliedern dar.

Ÿ  Der Entwurf ist beim derzeitigen Personalstand jedenfalls nicht vollziehbar.

Es muss mit Jänner 2008 mit einer Aktenflut gerechnet werden. Es werden zu diesem Zeitpunkt alle über der Hälfte und über 2/3 in Vollzug befindlichen Strafgefangene zur Entscheidung anstehen. Auch in weiterer Folge werden jedenfalls sowohl bei der Halbzeit als auch bei 2/3 amtswegige Verfahren erforderlich sein.

Die Laiengerichtsbarkeit wird einen zusätzlichen Verwaltungs- und Verfahrensaufwand ergeben.

Um diese Probleme etwas zu mildern wird als begleitende Maßnahme vorgeschlagen:

1. eine längere Übergangsfrist,

2. eine EDV-Unterstützung der Vollzugsakten,

3. die Bildung von eigenen Vollzugsakten im Rahmen des Strafaktes.

 

                   Sollten diese erheblichen Bedenken bei der Neugestaltung nicht berücksichtigt werden, wird es zu verzögernden Erledigungen, aber auch aus Zeitmangel zu einer Masse von Entlassungen solcher Täter kommen, die eine Gefahr für die Bevölkerung darstellen. In Kürze werden diese Täter jedoch neuerlich straffällig werden und somit zu einer Steigerung der Straftaten in Österreich, einer Verunsicherung der Bevölkerung und einer Frustration der Richter, die die Strafzumessung in ihrem Urteil ernst genommen haben, führen.

 

Graz, am 15. Oktober 2007

Friedrich Kicker e.h.