REPUBLIK ÖSTERREICH

Oberstaatsanwaltschaft  Graz  

Graz, am 23.10.2007

Marburger Kai 49

8011 Graz                                        

 

Telefon: 0316/8064-0*

FAX: 0316/8064-2600

E Mail: ostagraz.leitung@justiz.gv.at                                                        Sachbearbeiter:

EOStA Dr. Gasser                                             Nebenstelle:  2003  (DW)

 

 

Jv 2587-1a/07

 

An das

Bundesministerium für Justiz

 

W i e n

 

 

zu BMJ-L318.026/0001-II 1/2007

 

Betrifft:   Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das

              Strafgesetzbuch, die Strafprozessnovelle 1975,

              das Strafvollzugsgesetz, das Bewährungshilfegesetz

              und das Jugendgerichtsgesetz 1988 geändert werden;

              Begutachtungsverfahren

 

 

Die Oberstaatsanwaltschaft Graz bringt die Stellungnahmen der Staatsanwaltschaften Graz vom 15.10.2007 und Klagenfurt vom 10.10.2007 - die Staatsanwaltschaft Leoben erstattete keine Stellungnahme - in Vorlage und nimmt ihrerseits zum vorliegenden Ministerialentwurf wie folgt Stellung:

 

Zu Artikel I Z 1 - 3 (§ 46, 48 und 49 StGB):

In diesem Zusammenhang gilt es zunächst auf die Diskrepanz zwischen dem im Entwurf aufscheinenden Gesetzestext und der vorgeschlagenen Fassung in der Textgegenüberstellung hinzuweisen: In der Textgegenüberstellung findet sich nämlich im letzten Satz des § 46 Abs 1 die Wendung „... von der Begehung strafbarer Handlungen mit schweren Folgen ...“ während im Entwurf an gleicher Stelle „von der Begehung strafbarer Handlungen“ die Rede ist. Nach den Erläuterungen dürfte sich das aufgezeigte Redaktionsversehen auf die Textgegenüberstellung beziehen, wofür auch die Tatsache spricht, dass die Bevölkerung einen Anspruch auf bestmöglichen Schutz vor strafbaren Handlungen jedweder Art hat.

 

In Anbetracht der Tatsache, dass nach dem Willen des Gesetzgebers generalpräventive Belange der bedingten Entlassung nach der Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe in keinem Falle mehr entgegenstehen sollen, ist es konsequent, solche Aspekte (Generalprävention) auch bei der Frage der bedingten Entlassung aus der lebenslangen Freiheitsstrafe nach Verbüßung von mindestens 15 Jahren nicht mehr zu berücksichtigen. Der verantwortungsvolle Umgang mit dem neuen Regelungswerk wird jedoch bei der bedingten Entlassung aus mehrjährigen Freiheitsstrafen meist die Einholung von Gutachten Sachverständiger aus dem Fache der Psychiatrie zur Klärung der Frage erfordern, ob die Rückfallswahrscheinlichkeit durch den Vollzug eines Teiles der Strafe bereits verringert werden konnte und die Gefährlichkeit des Rechtsbrechers allenfalls kombiniert mit begleitenden Maßnahmen (Weisungen etc.) der bedingten Entlassung nicht mehr entgegen steht.

 

Zu § 48 StGB:

In der Textgegenüberstellung ist im ersten Satz von einer Probezeit von mindestens einem Jahr und höchstens zwei Jahren die Rede; sollte es sich dabei um kein Redaktionsversehen handeln, wird einer solchen Reduktion der Probezeit, die spezialpräventive Bedürfnisse konterkarieren könnte, entgegengetreten.

 

Zu Artikel III Z 2 (§ 4a StVG):

Die obligatorische bedingte Entlassung ausländischer Straftäter nach Verbüßung der Hälfte der Strafzeit im Falle eines verhängten Aufenthaltsverbotes stößt aus mehreren Gründen auf Bedenken:

*Für Normadressaten aus dem Verkehrskreis solcher Verurteilter könnte sich ein zusätzlicher Anreiz ergeben, Straftaten in Österreich zu verüben, weil dort nur die Hälfte der Strafe verbüßt werden muss (generalpräventive Belange).

 

*Die unterschiedliche Behandlung inländischer Verurteilter bzw aus Mitgliedstaaten der europäischen Union stammender Verurteilter und anderer Verurteilter  bei der bedingten Verurteilung widerspricht dem Gleichheitsgrundsatz.

 

*Nach dem Ministerialentwurf sind spezialpräventive Belange in die Entscheidung nicht miteinzubeziehen, weshalb ein unverbesserlicher, in seinem Heimatstaat wiederholt verurteilter gefährlicher Rechtsbrecher vor der Erreichung des Strafzweckes enthaftet werden müsste.

 

Zu Artikel III Z 7 und 8 (§§ 16, 16a bis 16i StVG):

Die Oberstaatsanwaltschaft schließt sich den Auffassungen der Staatsanwaltschaften Graz und Klagenfurt, dass der Laienbeteiligung bei Entscheidungen über die bedingte Entlassung nicht die Eignung zukommt, das angestrebte Ziel, nämlich die Sicherung der Einzelfallgerechtigkeit zu erreichen, vollinhaltlich an.

 

Bedenken bestehen auch gegen das vorgesehene Auswahlverfahren (§ 16a Abs 2 StVG), wonach der Vorsitzende den für die jeweilige Rechtssache zuzuziehenden fachkundigen Laienrichter bestimmt. Eine solche Regelung birgt die Gefahr in sich, dass der vorsitzende Richter Laienrichter mit ihm genehmer kriminalpolitischer Gesinnung auswählt und somit eine in der Senatsgerichtsbarkeit nicht gewünschte Dominanz erlangt.

 

Gegen die sonstigen geplanten Änderungen des Gesetzes bestehen - soweit dies auf Grund der Kürze der Begutachtungsfrist und der Vielzahl der in letzter Zeit zu begutachtenden Gesetzesentwürfe beurteilt werden kann - keine hervorhebenswerten Einwände.

 

Soweit in dieser Stellungnahme personenbezogene Ausdrücke verwendet werden, betreffen sie Frauen und Männer gleichermaßen.

 

 

Der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft:

S i g l

 

 

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